Eiskalt verführt vom Verräter

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Niemals wird sie sich dem Wunsch ihres Vaters unterwerfen und den König von Irland ehelichen! Bei Nacht und Nebel flieht Lady Carice Faoilin vor ihrer Familie und der Vermählung mit einem groben Gatten. Nach diesem Skandal wird kein Mann sie mehr begehren, davon ist Carice überzeugt. Bis sie in einer einsamen Abtei Raine de Garenne trifft! Das Lächeln des Soldaten schenkt ihr den Glauben an die Liebe wieder - so sehr, dass sie sogar daran denkt, sich ihm in einer Nacht der Leidenschaft hinzugeben. Doch dann muss sich Lady Carice der schlimmsten Erkenntnis stellen: Raine spielt nur mit ihrem Begehren - er will sie eiskalt an den König ausliefern …


  • Erscheinungstag 21.11.2017
  • Bandnummer 337
  • ISBN / Artikelnummer 9783733768140
  • Seitenanzahl 256
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Irland, 1172

Carice Faoilin hatte keine Angst davor zu sterben.

Sie war schon so lange krank, dass sie nicht mehr wusste, wie es sich es anfühlte, eine ganz normale Frau zu sein. Sie konnte sich nicht daran erinnern, ohne Schmerzen aufzuwachen, in der Sonne spazieren zu gehen oder einen Tag einfach zu genießen. An den meisten Tagen hatte sie nur an die Wand gestarrt, an ihr Bett gefesselt, zu schwach, um sich zu bewegen.

Bis jetzt.

Vor einigen Tagen waren unangemeldet Soldaten in die Burg ihres Vaters gekommen, um sie abzuholen. Sie sollte den Verlobungsvertrag einlösen, was sie wegen ihrer Krankheit aufgeschoben hatte. Die Männer hatten Befehl, sie nach Tara zu bringen, um Rory O’Conor, den Hochkönig von Irland, zu heiraten. Der Àrd-Rìgh stand in dem Ruf, brutal und rücksichtslos zu sein. Kaum eine Frau wünschte sich, ihn zu heiraten – und Carice schon gar nicht.

Vielleicht hätte sie widerstandslos mit den Soldaten gehen sollen. Vielleicht hätte sie dem Befehl des Hochkönigs gehorchen sollen, wie es sich für eine Frau gehörte. Aber Carice hatte ihre eigenen Vorstellungen. Sie hätte der Verlobung nie zugestimmt, wenn ihr ehrgeiziger Vater ihr die Wahl gelassen hätte.

Sie würde nicht einfach stillhalten und wie ein Lamm zur Schlachtbank gehen – selbst wenn dieser Fluchtversuch sie das Leben kostete. Und diese Gefahr bestand. Das wusste sie.

Jeder Schritt fühlte sich bleiern an, als sie sich aufmachte, in die Dunkelheit des Waldes zu fliehen. Sie hatte einen großen Ast aufgehoben, um ihn auf ihrer Flucht als Wanderstock zu benutzen. Eine leise innere Stimme warnte sie: Du hast nicht genug Kraft, um einen sicheren Zufluchtsort zu erreichen. Du wirst heute Nacht sterben.

Es gelang Carice, die Stimme zum Schweigen zu bringen. Sie hatte so lange mit der Aussicht gelebt, dass ihr Leben bald zu Ende war – was machte es jetzt noch für einen Unterschied? Sich zu sorgen, würde nichts ändern. Stattdessen wollte sie für jeden Atemzug kämpfen und jeden Tag so leben, als sei er ihr letzter.

Allerdings könnte es tatsächlich ihr letzter Tag werden, wenn sie nicht bald einen Ort entdeckte, an dem sie Unterschlupf finden konnte.

Mit jedem Schritt, den sie ging, schien die Luft kälter zu werden. Mit jedem Windhauch kündigte sich Schnee an. Carice zog ihren Umhang enger um sich, während sie sich schwer auf ihren Wanderstab stützte. Ihre Füße waren halb erfroren und ihre Finger taub. Sie wusste nicht, wie lange sie bereits gegangen war. Aber sie betete, dass sie einen warmen Platz zum Übernachten finden würde. Bitte, lass mich bald irgendwo Schutz finden.

Ihr Gebet wurde erhört, als sie die andere Seite des Waldes erreichte und auf ein offenes Feld hinaustrat. Kurz vor dem Horizont fiel das Mondlicht auf eine Festung, die von einer hohen Kalksteinwand umgeben war.

Als sie langsam näher kam, erkannte Carice, dass es ein Kloster war, keine Burg.

Sie war nie zuvor hier gewesen, obwohl das Kloster nur wenige Tage Fußmarsch von ihrem Zuhause in Carrickmeath entfernt lag. In dieser Nacht war es ihre größte Hoffnung auf einen Zufluchtsort.

Ich weiß nicht, ob ich es so weit schaffen kann, schien ihr Körper zu sagen, in dem jeder einzelne Muskel schmerzte. Sie war am Verhungern und die Strecke bis zur Burg erschien ihr unendlich weit.

Wenn du nicht weitergehst, wirst du erfrieren. Und Tod durch Erfrieren klang nicht besonders angenehm. Sie musste weitergehen. Sie hatte es schon so weit geschafft.

Carice zählte jeden Schritt, während sie sich über die verschneiten Wiesen vorwärtskämpfte. Obwohl ihre Beine vor Anstrengung zitterten, zwang sie sich, nicht anzuhalten. Sie hoffte sehr, dass ihr die Mönche, die im Kloster lebten, einen Platz zum Schlafen und ein warmes Feuer anbieten würden. Oder zumindest einen Ort, an dem sie vor Erschöpfung zusammenbrechen konnte.

Inzwischen hatte es tatsächlich angefangen zu schneien, und nur die Aussicht darauf, wieder Wärme in ihrem Körper zu spüren, ließ sie weitergehen. Carice schleppte sich durch das Schneegestöber. Nur noch ein bisschen weiter, trieb sie sich selbst an. Nicht anhalten.

Als sie das Kloster endlich erreichte, bemerkte sie verwundert, dass das Tor offen stand. Kaum war sie durch das Tor getreten, erklang der heisere Schrei einer Krähe, die von oben herabschoss, um zu inspizieren, wer da gekommen war. Im Innenhof hing der Geruch von Rauch in der Luft, herb wie die Erinnerung an düstere Ereignisse. Ein Feuer hatte die meisten Nebengebäude verwüstet. Die Steingebäude lagen in Schutt und Asche vor ihr. Ein anderes Gebäude in der Nähe war in besserem Zustand. Aber auch dieses war sichtlich beschädigt, ebenso wie der Rundturm daneben, dem das Dach fehlte.

„Ist jemand hier?“, rief Carice.

Aber es kam keine Antwort, kein einziger Laut. Als sie durch den offenen Hof humpelte, knirschten ihre Schritte im Schnee. In der Nähe des Friedhofs entdeckte sie vier frische Gräber. Schnee bedeckte die Erdhügel und Carice schlug ein Kreuz bei ihrem Anblick. Eine Gänsehaut lief ihr über den Rücken, als sie sich fragte, was hier geschehen war. Waren bei dem Feuer alle Mönche gestorben? Jedenfalls schien das Kloster verlassen zu sein.

Carice stieg die Treppen hinauf, die in die kleine Kirche des Klosters führten. Die hölzerne Tür, die es sicher einmal gegeben hatte, fehlte, und im Inneren der Kapelle war es dunkel und kalt. Immerhin besser als draußen zu bleiben, überlegte Carice. Das Feuer hatte das Innere der kleinen Kirche offenbar nicht erreicht. Sobald sie eingetreten war, war der unangenehme Geruch verschwunden. Am einen Ende des Raumes standen ein Altar und daneben ein großer Stuhl. Spinnweben hingen in den Ecken an den Wänden.

Plötzlich zog ein unerwarteter Duft Carices Aufmerksamkeit auf sich. Ein Hauch von leckerem Essen lag in der Luft, wie von einem gegrillten Huhn. Offenbar war vor Kurzem jemand hier gewesen.

Sie entdeckte Knochen auf dem Boden und ihr Magen knurrte beim Gedanken an eine warme Mahlzeit. Es kam ihr vor, als könne sie den endlosen Hunger, der sie quälte, niemals stillen. Sie schob die Reste beiseite und rief noch einmal: „Ist hier jemand?“

Aber wieder kam keine Antwort.

Schließlich wagte sie sich in eine kleine Halle am Ende der Kirche vor. Von dort führte eine Wendeltreppe nach oben. Carice vermutete, dass die Stufen in die Privatgemächer des Abts führten. Da sie Essensreste gefunden hatte, konnte es gut sein, dass oben über der Treppe jemand schlief.

Plötzlich spürte sie ein Kribbeln im Bauch. Es war nicht klug für eine Frau, sich einem Fremden allein und ohne Begleitschutz zu nähern. Aber sie hatte keine Alternative. Ihr Körper war jetzt wirklich am Ende seiner Kräfte. Sie musste sich ausruhen, bevor sie ihren Weg fortsetzen konnte. Anders würde sie die Reise, die vor ihr lag, nie überleben.

Carice atmete tief durch, bevor sie begann, die schmalen Stufen hinaufzuklettern. Nach dem sechsten Schritt musste sie sich kurz hinsetzen, um ein Schwindelgefühl in den Griff zu bekommen. Sie lauschte angestrengt, ob sie irgendjemanden hören konnte, aber nichts als Stille umgab sie.

Es wird schon alles in Ordnung sein, sprach sie sich Mut zu. Wenn der Abt da war, würde er ihr sicher einen Platz zum Schlafen geben. Und wenn er nicht da war, würde sie bis zum Morgengrauen in seinen Räumen bleiben und sich ausruhen. Carice nahm ihre letzte Kraft zusammen und kämpfte sich auf den Knien die Treppenstufen nach oben. Der Steinboden war kalt unter ihren Händen und Füßen und nur mit großer Mühe gelang es ihr, sich noch einmal aufzurichten.

Sie stützte sich an der Wand ab und schleppte sich in den nächstgelegenen Raum. In dem Zimmer stand ein schmales Bett, auf dem zerwühlte Decken lagen. Die Vorhänge waren zurückgezogen und im Herd lagen heiße Kohlen, so als hätte dort vor Kurzem noch ein Feuer gebrannt.

Leise Angst beschlich Carice, aber sie war zu müde, um sich darum zu kümmern. Wenn jemand hier sein sollte, der ihr Böses wollte, dann konnte sie jetzt nichts mehr dagegen tun. Sie hatte nicht mehr die Kraft, sich zu bewegen.

Völlig erschöpft stolperte sie zum Bett. Sie kuschelte sich in die wollene Decke, unendlich dankbar für einen bequemen Platz zum Schlafen. Es war nicht von Bedeutung, ob jemand vor ihr hier gewesen war oder ob diese Person noch immer da war. Nichts war von Bedeutung, außer warm und geschützt zu sein.

Aber während sie einschlief, war es Carice, als spüre sie die Gegenwart eines Menschen … fast so, als wache jemand über sie.

Die Frau, die auf seinem Bett schlief, war das schönste Wesen, das er jemals gesehen hatte. Von dem Moment an, da er sie die Abtei betreten hörte, hatte Raine de Garenne sie von der Wendeltreppe aus beobachtet. Er hatte sich im Schatten versteckt gehalten, während sie die Kapelle durchsuchte. Er wusste nicht, warum sie hier war, aber sie war offensichtlich allein.

Und zerbrechlich wie eine der Schneeflocken auf seiner Handfläche am Nachmittag. Die junge Frau war zusammengebrochen, nachdem sie mit Mühe sein Zimmer erreicht hatte. Und jetzt lag sie in dem gleichen Bett, in dem er in der Nacht zuvor geschlafen hatte.

Warum war sie hier? Er blieb im Schatten der Wand im hinteren Teil des Zimmers stehen, bis er sicher war, dass sie eingeschlafen war. Im Raum war es kälter geworden, weil das Torffeuer, das er zuvor angezündet hatte, langsam erlöschte.

Er legte neuen Torf nach, bis das Feuer wieder flackerte. In dem gedämpften Licht konnte er die Frau besser erkennen. Ihr langes dunkles Haar war nicht schwarz, wie er angenommen hatte, sondern von einem warmen Braun, das golden und rot glänzte. Es fiel ihr bis an die Hüften und ihre Haut hob sich blass von der Wolldecke ab. Wie war sie zum Kloster gekommen? Er konnte sich nicht vorstellen, dass irgendjemand eine solche Frau unbewacht lassen würde. Möglicherweise waren ihre Begleiter bei dem Versuch, sie zu beschützen, getötet worden.

Seine Stimmung verdüsterte sich, als er an sein eigenes Versagen dachte. Du hättest für Nicole und Elise sterben sollen. Sein schlechtes Gewissen war unbarmherzig. Du hättest dein Leben für sie geben müssen. Das Schicksal seiner Schwestern verfolgte ihn noch immer, zwei Jahre nachdem er sie zuletzt gesehen hatte. Er hatte geglaubt, er könne in ihre Nähe gelangen und sie aus der Gefangenschaft befreien, indem er sich der Armee König Henrys II anschloss. Stattdessen hatte man ihn als Soldat über die Irische See geschickt, um dort zu kämpfen. Er hätte wissen sollen, dass die Männer des Königs niemals zulassen würden, dass er in der Nähe seiner Familie blieb.

Aber es war nicht möglich, das Rad der Zeit zurückzudrehen. Es war sinnlos, jetzt bitteren Erinnerungen nachzuhängen. Nichts würde etwas an der Gefangenschaft seiner Schwestern ändern, bis er den Auftrag des Königs ausgeführt hatte. Er würde gleich nach Morgengrauen zu seiner Truppe zurückkehren und wenn er seinen Befehl erfolgreich ausführte, würde er vielleicht ihre Freiheit erreichen können.

Raine hielt sich an diesem Gedanken fest. Es war der einzige Funken Hoffnung, der ihm geblieben war.

Jetzt aber fragte er sich, was er mit der Frau machen sollte. Er zog einen Stuhl neben das Feuer und überlegte, welche Optionen er hatte. Sie gehörte genauso wenig in die Abtei wie er. Er stützte die Ellbogen auf die Knie und das bernsteinfarbene Licht des Feuers brachte eine lange Narbe an seinem Unterarm zum Vorschein – eine der sichtbaren Erinnerungen an die Schlachten, in denen er gekämpft hatte. Die meisten seiner Narben und verheilten Brandwunden waren unter seinem Kettenhemd versteckt, Tribute ans Überleben.

Er starrte ins Feuer. Er wusste, dass er kein Recht zu leben hatte. Er war Soldat und hatte schon zahllose Menschen unter die Erde gebracht. Eigentlich sollte er sich wegen ihres Todes schuldig fühlen, aber er tat es nicht. Wo einst sein Herz gewesen war, verspürte er eine bleierne Leere. Das Leben seiner Schwestern hing von seinem Gehorsam ab. Daher war er an das Leben eines normannischen Kriegers gekettet, das er nicht führen wollte. Aber er würde weiter kämpfen, bis er die Freiheit seiner Schwestern zurückgewonnen hatte, oder sterben. Die Träume, die er für sein eigenes Leben gehabt haben mochte, hatte er beiseitegeschoben. Er war fest davon überzeugt, dass er dieses Leben verdient hatte, weil er seine Eltern nicht hatte retten können.

Söldner, so hatten ihn einige genannt. Herzloser Mörder, würden die Iren sagen. Wenn es nach den Priestern ging, war seine Seele bereits verdammt. Aber er bereute nichts. Solange seine Schwestern am Leben waren und es ihnen gut ging, war ihm alles egal.

Raine näherte sich der jungen Frau. Wie gut sie roch. Eine Aura der Unschuld umgab sie, ihre Gesichtszüge waren weich wie ein Frühlingsmorgen. Diese Frau hatte in ihrem Leben sicher nie eine Waffe berührt.

Er beugte sich vor, um eine ihrer Haarsträhnen zu berühren. Es war kein schweres, dickes Haar, wie er es von anderen Frauen kannte. Nein, es war fein und zart genau wie sie, wenn auch etwas wirr und feucht von der Reise. Als er die Frau genauer betrachtete, wurde ihm bewusst, wie schrecklich dünn sie war, halb verhungert und zerbrechlich. Dies war keine Frau, die ein oder zwei Mahlzeiten verpasst hatte. Sie kämpfte offensichtlich um ihr Leben.

Er hatte schon viele Leute verhungern sehen, Männer wie Frauen. Und obwohl es ihn eigentlich nichts anging, was mit einer Fremden passierte, übte sie eine unsichtbare Anziehungskraft auf ihn aus. Sie brauchte jemanden, der über sie wachte, jemanden, der sich um sie kümmerte – so wie er sich wünschte, dass jemand seine Schwestern beschützen würde.

Seine Stimmung verdüsterte sich, während er ihr noch eine Decke aus der Truhe holen ging. Als er die Unbekannte damit zudeckte, bewegte sie sich leicht und kuschelte sich eng in das Tuch.

Gütiger Gott, wie lange war sie draußen in der Kälte gelaufen? Er überlegte, sie zu wecken, aber dann entschied er, sie schlafen zu lassen. Sie sah erschöpft aus von ihrer Reise. Er zog die Decke gerade und berührte noch einmal ihr Haar. Seine Fragen konnten bis zum Morgen warten.

Raine zündete sich am Herd eine Fackel an und verließ den Raum. Er schloss die Tür, damit die Wärme im Raum blieb. Dann lief er die Treppe hinunter und durch das Sanktuarium der Kapelle. Obwohl der Betraum vom Feuer nicht berührt worden war, konnte er die Präsenz der heiligen Männer fast spüren … und ihre Schreie verfolgten ihn noch immer.

Er gab sich selbst die Schuld an ihrem Tod, denn er hatte es nicht geschafft, sie zu retten. Das vernichtende Feuer hatte das Leben jedes einzelnen Mannes im Kloster gefordert und man hatte ihm nur zwei Tage Zeit gegeben, um ihre Leichen zu beerdigen. Erst heute hatte er die letzten begraben.

Raine ging in die Küche. Er brauchte eine Ablenkung. Sein eigenes Essen hatte er schon vor einigen Stunden zu sich genommen und die Wahrheit war, dass er wenig vom Kochen verstand. Bei der normannischen Armee bestand sein Essen daraus, Tiere zu jagen und ihr Fleisch zu braten. Aber er wusste, dass die Mönche des Klosters Wurzelgemüse eingelagert hatten. Er ging davon aus, dass er hier etwas zu essen für sie finden würde. Es gab kein Brot, aber er fand getrocknetes Fleisch, das er zuvor nicht entdeckt hatte, Pastinaken und ein paar Walnüsse. Ob sie wohl etwas davon essen würde? Er war sich nicht sicher, aber es musste reichen. Raine begann, die Lebensmittel in ein Bündel zu schnüren. Doch mit einem Mal hielt er an.

Was im Namen des Kreuzes tat er da eigentlich? Warum brachte er ihr Essen und Decken, so als sei sie ein geschätzter Gast? Sie war eine Fremde und ein Eindringling. Er sollte sie aufwecken und auffordern, ihm zu sagen, warum sie hier war. Es gab keinen Grund, sie bleiben zu lassen.

Raine nahm das Essen, durchquerte die Küche und schlug die Tür hinter sich zu. Er kannte diese Frau nicht. Er wusste nichts von ihr, außer dass sie gefährlich schwach war und dass ihr Anblick ihm den Atem verschlug.

Jedenfalls war nicht zu leugnen, dass sie nicht überleben würde, wenn er sie wegschickte. Und das Letzte, das er wollte, war ein weiterer Tod auf seinem Gewissen.

Aber er war in der Lage, sie zu retten.

Auf dem Weg zurück zum Wohnturm verlangsamte Raine seine Schritte. Verflucht, er musste nachdenken. Er wusste, was einer schönen Frau passieren konnte, die alleine reiste. Und das würde sie tun müssen, wenn er sie zwang, die Abtei wieder zu verlassen. Bei dem Gedanken hätte er fast erneut geflucht.

Du bist nicht für sie verantwortlich. Du musst zu deinem Kommandeur und deinen Pflichten zurückkehren.

Er wusste das. Aber als er die Kapelle betrat und mit dem Bündel voller Essen die Stufen hinaufstieg, konnte er nicht aufhören an seine Schwestern zu denken. Sie waren allein in England, Geiseln des Königs. Wachte jemand über sie? Oder waren sie – wie diese Frau – der Gnade eines Fremden ausgeliefert?

Nein, es war nicht seine Sache, sie zu beschützen. Aber er konnte sie auch nicht sich selbst überlassen. Er hatte sein Vorhaben erfüllt, die Mönche zu begraben. Bevor er zu seinem Kommandeur und den anderen Soldaten zurückkehrte, konnte er sie in Sicherheit bringen. Zumindest würde er dann wissen, dass sie nicht zu Schaden gekommen war.

Als Raine die Tür aufdrückte, wirkte das Zimmer warm und einladend. Das Torffeuer glühte im Ofen und warf Schatten im Raum. Ein einfaches Kreuz hing an einer Wand und neben dem Ofen stand ein Holzstuhl. Tief und gleichmäßig atmend schlief die Frau in seinem Bett. Schweigend legte er das Essen auf einen niedrigen Tisch und zog sich dann wieder in den Schatten an der Wand zurück.

Raine wusste, dass er es eigentlich übel nehmen sollte, dass diese Frau sein Bett belegte. Stattdessen fühlte er sich … dankbar, dass er ihr einen Ort zum Schlafen geben konnte. Er hatte das Gefühl, als könne er ihr die ganze Nacht über beim Schlafen zuschauen und den Frieden auf ihrem Gesicht genießen.

Sie bewegte sich im Schlaf, während er sich weiter in dem dunklen Teil des Zimmers verborgen hielt. Doch kurze Zeit später setzte sie sich im Bett auf. Ihr langes braunes Haar hing ihr über die Schultern und ihre Augen öffneten sich. Selbst in dem flackernden Licht des Torffeuers konnte er ihre Farbe erkennen. Sie waren von einem klaren Blau, das an einen Sommerhimmel erinnerte. Raine überkam eine plötzliche Unruhe, denn sie war ohne Zweifel die schönste Frau, die er je gesehen hatte.

Und das bedeutete, dass jemand sie vermissen würde. Und es war zu erwarten, dass ihr Männer folgen würden.

„Ich weiß, dass jemand da ist“, sagte sie leise. „Jemand hat das Feuer angezündet, während ich geschlafen habe.“

Sie sprach irisch und zum ersten Mal war er sehr dankbar, dass er diese Sprache in den letzten beiden Jahren leidlich gelernt hatte. Er verstand sie, auch wenn er Schwierigkeiten hatte, selbst mehr als ein paar Worte zu sprechen. Er schwieg, weil er die junge Frau nicht erschrecken wollte. Dabei hatte er hundert Fragen, die er ihr gerne gestellt hätte, nicht nur wer sie war … und warum sie hier war.

Nach einer Weile fragte sie in den Raum hinein: „Habt Ihr vor, mir etwas anzutun?“ Ihre Stimme klang müde, so als kümmere es sie kaum noch.

„Nein“, antwortete er und trat so weit aus dem Schatten heraus, dass sie seinen Umriss erkennen konnte. „Ihr seid in Sicherheit.“ Weiter sagte er nichts und überließ es ihr, ihre eigenen Schlussfolgerungen zu ziehen – schließlich war an seiner Rüstung zu sehen, dass er kein Mönch war.

„Ihr seid ein normannischer Soldat“, stellte sie fest, als sie seine Erscheinung genauer betrachtet hatte.

„Ja.“ Das war nicht zu leugnen, insbesondere da ihr Blick auf den Rundhelm gefallen war, den er abgelegt hatte.

Sie atmete leicht aus und überraschte ihn damit, dass sie in seine Sprache wechselte.

„Wollt Ihr nicht ins Licht treten, damit ich Euch sehen kann?“

Nein, er wollte nicht, dass sie sein Gesicht sah. Sie sollte an ihn als einen von Hunderten namenlosen Soldaten denken, Männer, die man leicht vergaß. Er wollte nicht, dass irgendjemand sich an ihn erinnerte oder dass jemand wusste, wer er war. Nur so konnte er verhindern, vielleicht erkannt zu werden, wenn er den Auftrag des Königs erfüllt hatte.

„Nein, ich werde hier bleiben“, antwortete er in seiner eigenen Sprache. „Ihr könnt in Frieden schlafen und ich werde heute Nacht über Euch wachen.“

Sie zuckte zusammen.

„Und was wollt Ihr dafür haben?“

Da er nichts von ihr erwartete, antwortete er nur: „Sagt einfach Euren Namen.“

Diese Forderung entspannte sie, war doch zu merken, dass er ihr nichts Böses wollte.

„Ich bin Carice Faoilin aus Carrickmeath. Und Ihr?“

„Man nennt mich Raine de Garenne.“ Der Name würde ihr nichts sagen, da war er sicher.

Sie zog die Bettdecke etwas höher und fragte: „Seid Ihr allein hier?“

„Ja, das bin ich.“ Zumindest vorerst. Es war zwar wahrscheinlich, dass irgendwann Priester und Mönche von dem Feuer hören und kommen würden, um sich den Schaden an der Abtei anzusehen. Aber bis dahin wollte er verschwunden sein.

„Warum? Wo ist die Einheit, zu der Ihr gehört?“

„Ich werde am Morgen zu ihnen stoßen. Mein Aufenthalt hier war nur kurz.“ Aber er war nicht bereit, ihr seine ganzen Beweggründe zu erklären.

Stattdessen sagte er: „Hier ist Essen und Trinken, wenn Ihr etwas möchtet. Ich sage Euch jetzt Adieu.“ Er behielt die Kapuze auf dem Kopf, um sein Gesicht vor ihr zu verbergen, und verließ den Raum, bevor sie weitere Fragen stellen konnte.

Am nächsten Morgen erwachte Carice in einem fremden Bett. Die Laken rochen nach dem unbekannten Geruch eines Männerkörpers. Es war, als verbinde dieser Geruch sie irgendwie mit dem Mann, dessen Bett sie geteilt hatte. Auch wenn sie genau wusste, dass sie allein geschlafen hatte. Langsam kehrte ihre Erinnerung zurück, und sie wusste wieder, wo sie war.

Raine hatte sein Versprechen gehalten. Er hatte ihr nichts Böses getan und sie hatte tief und fest geschlafen. Es war unerklärlich, aber sie hatte sich seit Jahren nicht so sicher gefühlt. Langsam setzte sie sich auf, die Decke eng an sich gedrückt. Es fiel ihr eigentlich immer schwer, sich warm zu halten, und es ging ihr auch nie gut – nicht richtig gut.

Aber die Nachtruhe hatte ihr erstaunlich viel neue Kraft gegeben. Sie schwang die Beine aus dem Bett und entdeckte, dass neben dem Feuer Essen und Trinken auf sie warteten. Auf dem Boden neben dem Ofen stand zudem eine große Schüssel mit Wasser. Neugierig stieg sie aus dem Bett und ging langsam hinüber zu einem Stuhl, der extra für sie dort hingestellt zu sein schien. Sie ließ sich hineinsinken und streckte die Hände nach der Wasserschüssel aus. Dampf stieg aus der Schüssel auf. Der normannische Soldat hatte das Wasser offensichtlich für sie erwärmt.

Ihr Herz schlug schneller. Als sie das Wasser berührte, seufzte sie vor Wohlbehagen. Woher hatte er gewusst, wann sie aufwachen würde? Spontan zog sie ihre Strümpfe aus und ließ ihre eiskalten Füße in das warme Wasser gleiten.

Es war ein wunderbares Gefühl und Carice lächelte, als die Wärme in ihren Körper stieg. Obwohl Raine de Garenne ein völlig Fremder war, hatte er genau gespürt, was sie brauchte. Nie hätte sie erwartet, dass er sich so um sie kümmern würde.

Viel Essen war nicht da: ein bisschen getrocknetes Fleisch, Walnüsse und eine rohe Pastinake. Aber sie schätzte das Angebot als das, was es war, nämlich das Beste, was er zu bieten hatte. Sie aß das Fleisch und die Walnüsse. Voller Dankbarkeit bemerkte sie, dass ihr Magen nicht mit Schmerzen auf das Essen reagierte.

In Carrickmeath hatten Schwindel und Magenschmerzen nie aufhören wollen. Erst nachdem sie Carrickmeath verlassen hatte, waren die Beschwerden abgeklungen. Sie hatte schon darüber nachgedacht, ob im Haus ihres Vaters jemand versucht hatte, sie zu vergiften. Sie konnte sich allerdings nicht vorstellen, warum. Niemand hatte einen Grund, ihr zu schaden – sie hatte nicht die geringste Macht innerhalb des Stammes. Sie war zwar mit dem Hochkönig verlobt, aber ihr Tod würde nichts bringen.

Doch jeder weitere Tag, den sie von Zuhause weg war, fiel ihr etwas leichter. Zudem hatte sie beim Essen nicht mehr sofort den Eindruck, dass sich in ihrem Bauch Messer umdrehten. Vielleicht war es auch das Gefühl von Freiheit, das sie das Essen leichter vertragen ließ.

Carice hatte gerade nach der Pastinake gegriffen, als die Tür sich öffnete. Bei Tageslicht konnte sie Raine besser erkennen, obwohl die Kapuze nach wie vor sein Gesicht versteckte. Er war ein großer Mann, breitschultrig wie ein Krieger. Er trug ein Kettenhemd mit einem ledernen Brust- und Rückenpanzer und ein langes Schwert hing in der Scheide, die an seinem Taillengürtel befestigt war. Unter einem Arm klemmte sein Normannenhelm.

Warum versteckte er weiterhin sein Gesicht? Dieser Mann und das Geheimnis, das ihn zu umgeben schien, machten sie neugierig.

„Vielen Dank für das warme Wasser. Und für das Essen“, sagte sie in der Sprache der Normannen. „Es tut mir leid. Ich hätte Euch etwas aufheben sollen, aber es gab leider nur eine Pastinake …“ Sie hielt das Wurzelgemüse entschuldigend hoch, aber er winkte ab.

„Es war alles für Euch gedacht“, entgegnete er. „Ich habe bereits gegessen.“ Er verschränkte die Arme vor seiner Brust und sah sie an.

Sein Blick machte sie nervös und sie fragte: „Wollt Ihr Euch nicht hinsetzen?“

Und nehmt Eure Kapuze ab, damit ich Euer Gesicht sehen kann, dachte sie bei sich. Er wollte offensichtlich seine Identität verbergen, auch wenn sie nicht wusste, warum.

„Wo ist Eure Eskorte?“, wollte er wissen. „Wer war Euer Begleitschutz?“

Sie zog ihre Füße aus dem Wasserbecken, trocknete sie mit dem Saum ihres Kleides und zog ihre Schuhe wieder an.

„Niemand. Ich bin fortgelaufen.“

„Vor wem?“

Carice lächelte verzagt.

„Ich war mit meinem Vater und seinen Männern unterwegs. Er wollte mich zu meiner Hochzeit bringen. Ich bin mit dem Hochkönig von Irland verlobt.“ Sie sah ihn fragend an: „Jetzt werdet Ihr mich für eine Belohnung zu ihnen zurückbringen wollen. Ich nehme an, sie würden gut für meine sichere Rückkehr bezahlen.“ Die meisten Männer würden sie nur zu gerne ausliefern, wenn man ihnen Silber oder Gold versprach. Dennoch hoffte sie, dass er es nicht tun würde.

Raine überlegte kurz. Dann ging seine Hand an den Griff seines Schwertes.

„Es ist wahrscheinlicher, dass Euer Vater mich tötet, weil er glaubt, dass ich Euch entführt habe.“

Seine Antwort sprach dafür, dass er ein kluger Mann war.

„Das wäre tatsächlich möglich.“ Sie strich den Saum ihres Kleides glatt und stand von dem Stuhl auf. „Wenn Ihr mir helft zu entfliehen, sodass sie mich nicht finden, werde ich Euch für Eure Hilfe reich belohnen.“

Er bewegte sich nicht, als sie einen Schritt näher trat. Und dann noch einen.

„Bitte, denkt darüber nach“, bat sie mit sanfter Stimme und griff nach seiner Kapuze.

Aber seine Hände umfassten blitzschnell ihre Handgelenke und zogen sie nach unten.

„Ich habe andere Pflichten, die wichtiger sind als Ihr, Mylady.“

Überrascht von seiner Weigerung trat Carice einen Schritt zurück.

„Das bezweifle ich nicht. Ich habe Euch nur um Eure Hilfe gebeten.“

Sie versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien, aber er hielt ihre Handgelenke fest, so als wolle er noch etwas sagen. Doch er schwieg und daraus schloss sie, dass er ihr nicht helfen würde zu fliehen. Carices Nerven ließen sie im Stich und sie sprach viel zu schnell weiter.

„Trahern MacEgan sollte mir gestern Nacht bei der Flucht helfen, aber er ist nicht gekommen. Ich hatte keine andere Wahl als fortzulaufen, solange wir noch weit genug von Tara entfernt sind.“

Raine antwortete nicht. Langsam strichen seine Daumen über den Puls an ihren Handgelenken und seine Berührung schickte eine Hitzewelle durch ihren Körper. Warum hielt er weiter ihre Hände? Carice rührte sich nicht, doch sie spürte, wie das Streicheln eine unbestimmte Sehnsucht nach mehr in ihr weckte.

Ihr Herz schlug schneller, als sich seine Finger in ihre schlangen. Noch nie hatte ein Mann sie auf diese Weise berührt und unwillkürlich stellte sie sich vor, wie seine Hände auf ihrer nackten Haut lagen. Auf seinen Unterarmen entdeckte sie Narben, geheilte Beweise für seinen Kampf im Krieg. Vielleicht war auch sein Gesicht davon gezeichnet. War das der Grund, warum er sich nicht zeigen wollte?

Sie atmete aufgeregt: „Ich weiß nicht, ob mir jemand folgt oder nicht.“

„Ich kenne die MacEgans “, erklärte Raine schließlich. „Ich werde Trahern suchen und ihn hierher bringen, wenn er in der Nähe ist. Aber Ihr könnt nicht lange hierbleiben.“ Er gab ihre Hände frei und die Wärme seiner Handflächen blieb auf ihrer Haut zurück.

Ihr Herz schlug heftig, als sie ihm den Rücken zudrehte.

„Was, wenn Ihr ihn nicht finden könnt? Soll ich dann alleine gehen?“

„Ich habe andere Verpflichtungen. Ich kann Euch nicht begleiten.“

Es gab da noch einen Grund; sie konnte es spüren.

„Welche Verpflichtungen?“, wollte sie wissen. „Es sind keine anderen Soldaten hier. Ihr seid allein.“

„Im Moment ist das richtig“, gab er zu. „Aber ich stehe im Dienst von König Henry.“ Sein Ton hatte etwas Düsteres, als er fortfuhr: „Seine Majestät hat mir Befehle gegeben, die ich befolgen muss.“

In einem zerfallenen Kloster? Obwohl er keinen Grund hatte, sie anzulügen, klangen seine Worte wenig einleuchtend. Ihre Gedanken gingen zurück zu den frischen Gräbern, die sie gesehen hatte. Hatte er den Befehl gehabt, das Kloster in Brand zu stecken und die Mönche zu töten? War das der Grund, warum er hierhergeschickt worden war? Sie schluckte hart. Das konnte sie nicht glauben.

„Der König hat schwerlich Interesse an einem Ort wie diesem.“

Seine Haltung versteifte sich und Carice trat einen Schritt zurück, als er sagte: „Ihr kennt König Henrys Befehle genauso wenig, wie Ihr mich kennt.“

Er versuchte, ihr Angst einzujagen. Da war sie sicher. Und vielleicht war er ja wirklich ein rücksichtsloser Soldat und Gefolgsmann des Königs. Aber andererseits … hatte er ihr Essen gebracht und angewärmtes Wasser. Das waren nicht die Taten eines grausamen Mannes. Sie hatte das Gefühl, dass er aus einem anderen Grund hier war.

„Da habt Ihr recht“, lenkte sie ein. „Aber Ihr wart freundlich zu mir und dafür bin ich dankbar.“ Sie nickte in Richtung des Ofens, wo auf dem Boden noch immer die Wasserschüssel stand.

Wieder schwieg er eine Weile. Carice wusste nicht, was sie sagen sollte. Eigentlich wollte sie nicht wirklich wissen, was an diesem Ort geschehen war – oder welche Rolle Raine dabei gespielt hatte. Sie trat einen Schritt auf den Herd zu und die Bewegung brachte sie aus dem Gleichgewicht. Obwohl sie sich mit Essen gestärkt hatte, zeigten sich jetzt wieder die Folgen ihrer Krankheit.

In ihren Ohren dröhnte es, als der Schwindel sie überfiel. Sie hielt sich mit der Hand an der Wand fest, während sie versuchte, tief durchzuatmen. Bitte nicht jetzt. Nicht jetzt, wo sie schon so weit gekommen war. Doch der Schwächeanfall war nicht zu stoppen.

„Was ist los?“, fragte er leise.

Sie drehte sich zu Raine um, aber er verschwamm vor ihren Augen. Der Raum drehte sich und ihre Hand glitt an der Wand hinab.

Sie verfluchte ihre Schwäche, aber sie wusste, sie würde es nicht bis zum Bett schaffen. Einen Augenblick später gaben ihre Knie nach und ihr wurde schwarz vor Augen.

Raine konnte Lady Carice gerade noch auffangen, bevor sie das Bewusstsein verlor. Gerade eben hatte sie noch gesprochen und einen Moment später war sie umgefallen wie ein Stein. Als er sie hinüber zum Bett trug, merkte er, wie beunruhigend leicht sie war. Sein Mund verzog sich zu einem schmalen Strich, als er sie auf die Matratze legte. So schwach wie sie war, würde sie auf keinen Fall in der Lage sein, allein zu reisen. Aber wenn er sie nicht sich selbst überließ, konnte er am nächsten Morgen das Treffen mit seinem Anführer nicht einhalten.

Ihr Gesicht war weiß wie Schnee und Raine fragte sich, an welcher Krankheit sie litt. Er schenkte ihr einen Becher Wein ein und wartete darauf, dass sie wieder zu Bewusstsein kommen würde. Es dauerte einen Moment, aber als ihre Lider sich flatternd öffneten, sah er die Angst in ihren Augen.

„Es tut mir leid“, sagte sie sanft. „Mir war plötzlich nicht gut.“

„Ihr müsst zu Eurer Familie zurückkehren“, versuchte er sie zu überzeugen, „wo man besser für Euch sorgen kann.“

„Wo man mich mit einem Mann verheiraten wird, der alt genug ist, um mein Vater zu sein.“ Sie schüttelte den Kopf. „Aber das will ich nicht.“

„Aber so sind Ehen“, erklärte er. „Nichts mehr als ein Bündnis.“

„Ich werde sterben, Raine. Meine Tage sind gezählt und ich möchte nicht meine letzten Monate mit einem Monster verheiratet sein.“

Er wollte ihr widersprechen, sagen, dass sie nicht sterben würde, aber die Schwäche ihres Körpers war nicht zu übersehen. Die Müdigkeit, die er ausstrahlte, war mehr als die Erschöpfung nach einer Reise.

„Ich bin jetzt schon seit Jahren krank“, erzählte sie. „Und jeden Tag wird es schlimmer.“ Sie schüttelte langsam den Kopf. „Ihr werdet sicher verstehen, dass ich lieber als freie Frau sterben würde.“ Sehnsucht stand in ihren Augen. „Der Tag wird kommen, an dem ich es nicht mehr ertragen kann, mit diesen Schmerzen zu leben. Und dann wird es vorbei sein.“

„Ist es Schwindsucht?“ Raine hatte schon Männer und Frauen an dieser Krankheit sterben sehen.

Ein gequältes Lächeln erhellte ihr Gesicht.

„In gewisser Weise. Ich kann praktisch nichts zu mir nehmen, ohne dass ich davon krank werde.“ Sie lehnte sich zurück und streckte ihren Arm über den Kopf, eine Bewegung, die ihn auf die Rundung ihrer Brust aufmerksam machte. Oui, ja, sie war dünn. Aber er fragte sich, wie sie wohl aussehen würde, wenn ihr Körper rund und bei Kräften war.

„Ist es immer so?“ Zweifellos hatte ihre Krankheit ihren Schwächeanfall ausgelöst. Aber er hatte noch nie von einer Schwindsucht gehört, die etwas mit Essen zu tun hatte. Es sei denn, irgendeine Vergiftung war im Spiel.

„Normalerweise ist es schlimmer“, gab sie zu. „Aber das war eine kleine Mahlzeit und das ist manchmal besser.“ Sie schloss für einen Moment ihre Augen. „Ihr könnt ruhig Eure Kapuze abnehmen. Ich habe Euer Gesicht gesehen, als Ihr Euch über mich gebeugt habt.“

Er ignorierte ihre Worte, denn sie konnten ein Trick sein.

„Es ist besser, wenn Ihr mein Gesicht nicht seht.“ Auch wenn sie sich nicht an ihn erinnern würde, schien es ihm klüger, im Schatten zu bleiben – insbesondere da er den Befehl hatte, den Mann zu töten, mit dem sie verlobt war, Rory O’Conor, den Hochkönig von Éire.

„Ich würde Euch dennoch erkennen, selbst wenn ich Euch nicht kurz gesehen hätte.“

Ihre Antwort überraschte ihn und er konnte sich nicht zurückhalten zu fragen.

„Wie das?“

„An Eurer Stimme“, murmelte sie. „Ich würde Euch sofort erkennen, wenn Ihr etwas sagt.“ Ihre Augen öffneten sich. „Eure Stimme ist tief und voll, fast wild.“

Ihre Worte machten ihn nervös. Sie hatten Macht über ihn, zogen ihn zu ihr hin. Keine Frau zuvor hatte eine derartige Wirkung auf ihn gehabt, seine Sinne so erregt, wie sie es tat. Er wünschte, er könnte seine Hände auf ihre Schultern legen, sich zu ihr beugen, um sie zu küssen, die Form ihres Mundes erkunden.

Stattdessen sagte er barsch: „Ihr müsst Euch jetzt ausruhen. Ich komme später wieder.“

Er musste auf die Jagd gehen, um für sie beide etwas zu essen zu holen. Unterwegs konnte er auch nach dem Mann vom Clan der MacEgans suchen, von dem sie gesprochen hatte.

Grimmig erinnerte er sich daran, dass er den MacEgans im Kampf bereits begegnet war. Später hatte ihr König, Patrick Mac Egan, eine Normannin zur Frau genommen. Derzeit herrschte zwar Frieden zwischen ihren Völkern, aber Raine kannte die Iren. Die Macht ihrer Loyalität durfte man nicht unterschätzen.

„Wenn irgendjemand kommt, verriegelt die Tür“, warnte er zum Abschied. Es gefiel ihm nicht, Lady Carice schutzlos zurückzulassen, aber er hatte keine Wahl. Trotz des Risikos musste er ihr etwas zu essen bringen. Auch wenn ihre Krankheit wahrscheinlich an ihrer Ohnmacht schuld war – er hatte das Gefühl, dass sie nicht genug gegessen hatte.

Nachdem er das Zimmer verlassen hatte, stieg er die Treppe hinunter und trat in den Hof. Beim Blick zurück auf die Ruinen überkam ihn ein Gefühl von Schuld. Er fühlte sich verantwortlich für den Tod der Brüder, die in diesen Mauern gelebt hatten. Der Abt und die heiligen Männer waren unschuldige Opfer eines Überfalls gewesen. Die Angreifer hatten Kirchenschätze gesucht und das Kloster in Brand gesetzt.

In dem Moment, als er die Flammen am Nachthimmel gesehen hatte, hätte er direkt zum Kloster reiten sollen, um den Brüdern zur Hilfe zu eilen. Stattdessen hatte er versucht, seinen Anführer zu alarmieren. Diese Verzögerung hatte für die Mönche den Tod bedeutet.

Raine blieb vor einem der Gräber stehen. Er wischte den Schnee von dem einfachen Holzkreuz, das er aufgestellt hatte. Einen Augenblick lang legte er seine Hand auf das Holz und spürte, wie Wut in ihm aufstieg. Er war zu spät gekommen. Er hatte versucht, den Mönchen bei der Flucht zu helfen, aber ihre Wohnräume standen in Flammen und er war selbst fast verbrannt. Hätte nicht einer der Brüder ihn aus dem Feuer gezogen, hätte er nicht überlebt. Und später war auch dieser Mönch noch gestorben.

Er empfand tiefe Trauer. Ebenso wenig wie er in der Lage gewesen war, diese Männer zu retten, hatte er seine Schwestern schützen können – und er spürte, wie ihre vorwurfsvollen Geister sein Gewissen plagten.

Die Luft war kalt. Es war fast Imbolc, das irische Fest der Heiligen Brighid Anfang Februar. Raine eilte zu den Ställen, um sein Pferd zu satteln. Er fragte sich, ob sein Anführer, Sir Darren de Carleigh, Männer schicken würde, um ihn zu holen, wenn er nicht rechtzeitig zurückkam. Es hatte Raine einige Überzeugungsarbeit gekostet, die Erlaubnis zu erhalten, sich von der Truppe zu entfernen. Sir Darren hatte es vermutlich nur erlaubt, weil die Leichen der Brüder begraben werden mussten und es eine Möglichkeit war, sein Gewissen zu erleichtern.

Die zwei Tage, die Raine allein im Kloster gewesen war, hatten ihm ein Gefühl von Frieden vorgespiegelt. Ja, seine Seele war verdammt, aber zumindest konnte er den Mönchen ein richtiges Begräbnis geben. Er blickte zurück zur Kapelle und fragte sich, was er mit Lady Carice machen sollte. Ihre Anwesenheit brachte seine Pläne durcheinander – aber nicht nur, weil sie sich vorstellte, dass er sie begleiten sollte. Sein Instinkt warnte ihn, sich von ihr fernzuhalten … aber ohne Zweifel konnte sie ihm auch nützlich sein.

Nachdem er sich einen Bogen und Pfeile genommen hatte, ritt er hinaus in den Wald, immer tiefer in die Stille hinein. Die Morgenluft war kühl und es war kein einziges Geräusch zu hören – nicht einmal Vögel. Die fehlenden Geräusche machten ihn misstrauisch. Die Schatten der Bäume hingen über ihm, während goldenes Licht durch die kahlen Baumkronen fiel. Raine brachte sein Pferd zum Stehen und stieg ab. Während er einen Pfeil in seinen Bogen einlegte, hielt er inne, um die Ursache für die Spannung zu finden, die in der Luft lag. Über trockene Blätter, die am Rand gefroren waren, und immer in Deckung bewegte Raine sich weiter.

Da. Er erblickte eine kleine Gruppe von Männern auf der anderen Seite des Wäldchens. Vielleicht ein Dutzend, die meisten von ihnen zu Pferd. Er wusste nicht, ob sie nach Carice suchten, aber er würde herausfinden, warum sie dort waren. Schweigend gab er seinem Pferd einen kleinen Schubs, um das Pferd aus dem Wald heraus in Richtung Kloster zu schicken. Dann bewegte er sich näher an die Gruppe heran und kletterte auf einen Baum, um sie besser sehen zu können. Einer der Soldaten trug die Fahne des Hochkönigs. Außerdem sah er einen älteren Mann mit finsterem Gesichtsausdruck.

Die Iren teilten sich in kleinere Gruppen auf und durchsuchten den Wald – sehr wahrscheinlich nach Carice.

Sie hatte ihre Freiheit gewollt und mit all ihrer Kraft versucht, vor diesen Männern zu fliehen und den Schutz des Klosters zu erreichen. Wenn er die Verantwortung für sie abgeben wollte, musste er nichts weiter tun, als die Männer zu ihr zu bringen.

Aber das wollte er gar nicht. Er wusste nicht, warum dieser Beschützerdrang von ihm Besitz ergriff, aber er konnte es nicht zulassen, dass sie in die Hände dieser Männer fiel. Wieder und wieder war es ihm nicht gelungen, unschuldige Leute vor Unheil zu retten. Carice würde sicher dafür bestraft werden, dass sie es gewagt hatte, zu fliehen. Und das wollte er verhindern.

Dieses Mal würde er es schaffen, eine Unschuldige zu beschützen.

Eine hinterlistige innere Stimme flüsterte ihm zu: Du könntest sie aber auch dazu benutzen, um in die Nähe des Hochkönigs zu gelangen.

Er brachte die Stimme zum Verstummen, denn seine eigenen Belange zählten jetzt nicht. Er musste Lady Carice davor bewahren, eingefangen zu werden – denn wenn diese Männer das Kloster erreichten, würden sie sie innerhalb von Minuten finden.

Es sei denn, er griff ein.

Der beste Weg, sie vor diesen Männer zu beschützen, war alle ihre Spuren zu verwischen. Raine kletterte vom Baum hinunter und eilte zurück an den Waldrand. Sie würden seine Spuren finden und ihm folgen, aber er hatte einen Vorteil. Nachdem er zwei Tage dort verbracht hatte, kannte er das Kloster gut. Er wusste auch von den Geheimgängen in den Wänden, denn der Abt hatte einen von ihnen offen gelassen. Die meisten der Alkoven waren so schmal, dass seine Schultern an beiden Seiten an die Mauern stießen, aber dort würde niemand sie finden.

Als Raine die Lichtung erreicht hatte, stand dort sein Pferd. Er schwang sich in den Sattel und ritt auf dem schnellsten Weg zum Kloster zurück. Das Einzige, was jetzt zählte, war, sie zu beschützen.

Und darin würde er nicht versagen.

2. KAPITEL

Carice erwachte von dem Geräusch der Tür, die aufgestoßen wurde. Raine de Garenne stand vor hier, die Kapuze endlich vom Kopf gezogen. Warum? Er hatte sich so bemüht, sich zu verstecken, dass sie bereits gedacht hatte, sein Gesicht sei durch Narben oder etwas anderes entstellt. Dabei war er einer der bestaussehenden Männer, die sie je gesehen hatte.

Sein dunkelblondes Haar war kurz geschnitten und sein Gesicht glatt rasiert. Seine Augen waren von einem dunklen Grün, sein Mund schmal. Er strahlte stille Entschlossenheit aus, eine Führungskraft, die ihr Vertrauen einflößte. Sie hatte gelogen, als sie gesagt hatte, sie hätte sein Gesicht gesehen. Und jetzt, da sie es vor sich hatte, spürte sie, wie sie plötzlich verlegen wurde.

Bevor sie etwas sagen konnte, schüttete er Sand auf das Feuer, das sofort ausging. Dann kam er herüber zum Bett und zog die Bettdecke zurück.

„Kommt mit mir“, befahl er und hob sie in seine Arme.

„Wohin? Was ist los?“ Ihr Puls beschleunigte sich vor Angst, als er mit großen Schritten zur Wand eilte.

„Die Männer des Hochkönigs sind gekommen, um Euch zu holen. Und ich glaube, Euer Vater ist bei ihnen.“

Oh Gott. Dann hatten ihre Verfolger sie aufgespürt, so wie sie es befürchtet hatte. Wenn ihr Vater sie hier fand, würde er sie zwingen, mit nach Tara zu reisen, dem Wohnsitz des Àrd-Rìgh. Sie konnte den Gedanken nicht ertragen.

Aber Raines Kraft beruhigte sie, als sie ihre Wange an seine Brust schmiegte. Sie spürte die kühlen Verbindungsglieder des Kettenhemds, das er trug. Es erinnerte sie daran, dass er ein Soldat war, ein Mann, der in der Lage war, sie zu beschützen.

Er trug sie in eine der hinteren Ecken des Raumes, wo ein schlichtes Kreuz an der Wand hing. Nachdem er sie abgesetzt hatte, ergriff er das Kreuz und drückte mit aller Kraft. Einige Steine etwa in der Größe eines Fensters bewegten sich nach hinten und gaben eine Öffnung frei, die gerade groß genug war, sodass sie hineinklettern konnte.

Sie wollte ihn fragen, woher er von diesem Ort wusste, aber Raines Eile machte ihr deutlich, dass es besser war, still zu sein. Er hob sie durch die Öffnung und sie fand sich in einem schmalen Gang wieder, der hinter der Mauer versteckt lag.

Er kletterte auf einen Hocker, schwang ein Bein durch die Öffnung und zog sich ebenfalls hindurch. Dann setzte er den Stein und das Kreuz wieder an ihren Platz und schloss die Öffnung von innen. Dunkelheit umhüllte sie und sie hielt sich mit den Händen jeweils an einer Mauer fest, während sie versuchte, die Kälte zu ignorieren. Ihr Körper zitterte und ihre Zähne klapperten.

„Eure Kapuze“, begann sie zu fragen, aber er umfasste mit einem Arm ihre Taille und legte einen Finger auf ihre Lippen.

„Es ist wichtig, dass Ihr mir vertraut“, flüsterte er leise an ihrem Ohr. Sie vermutete, dass er deswegen seine Identität offengelegt hatte. Sie wusste zwar immer noch nicht, warum er hatte unsichtbar bleiben wollen. Aber diese Pläne schienen sich geändert zu haben.

Sie folgte seiner Aufforderung und rückte näher, um sich an seinem Körper zu wärmen. Er versteifte sich, als sie beide Arme um seine Taille schlang. Sie war so müde, so schwach. Das war der einzige Weg, das Zittern zu stoppen.

Er zog sie näher an sich und legte schützend die Arme um sie. Der Moment, in dem ihr Körper gegen seinen gepresst wurde, war für Carice wie eine Offenbarung. Plötzlich wurde sie sich seines harten, muskulösen Körpers und seines männlichen Geruchs bewusst. In seinen starken Armen fühlte sie sich beschützt und merkte, wie ihre Angst sich legte.

Sie kuschelte sich eng an ihn, genoß die willkommene Wärme seines Körpers. Raines Mund berührte ihr Haar und sie bemerkte eine leichte Veränderung in der Art und Weise, wie er sie festhielt. So als werde ihm bewusst, wie gut ihre Körper zueinander passten. Dicht an ihn gedrückt konnte sie seine plötzlich wachsende Erregung deutlich an ihrem Körper spüren.

Carices Verstand sagte ihr, dass sie Abstand zwischen ihn und sich bringen sollte. Es war die natürliche Reaktion eines Mannes, eine Frau zu begehren – besonders wenn ihre Körper sich so nah waren. Aber anstatt sich zu fürchten, spürte sie, wie sie auf seine Berührung reagierte. Sie lehnte ihre Wange an seine Brust, sodass ihr Kopf unterhalb seines Kinnes lag. Dieser Mann hatte viele Gelegenheiten gehabt, ihr Böses zu tun, doch er hatte sie nicht angerührt, außer um sie zu bewachen und zu beschützen.

Es war ein gutes Gefühl, in den Armen eines Mannes zu liegen. Je stärker sie sich seiner bewusst wurde, desto neugieriger wurde sie auf ihn. Er war zwar ein Fremder, aber ihr hatte gefallen, was sie gesehen hatte. Die meisten jungen Frauen wären angesichts der großen Nähe zu einem Mann schüchtern oder verlegen geworden. Aber Carices Haltung zum Leben hatte sich in den letzten Jahren verändert.

Es kümmerte sie nicht mehr, was von ihr erwartet wurde. Ihr Körper war so schwach. Aber das Bewusstsein ihres baldigen Todes gab ihr eine Kraft, die sie nicht vorausgesehen hatte. Dieser Mann hatte ein unerwartetes Bedürfnis geweckt und sie wollte mehr darüber wissen.

Plötzlich hörte sie, wie die Tür des Zimmers aufgestoßen wurde, und klammerte sich vor Schock an Raine. Die Geräusche von Männern, die den Raum betraten, drangen an ihre Ohren, kurz darauf vernahm sie die Stimme ihres Vaters.

„Ich will, dass ihr sie findet. Dies hier ist die erste echte Schutzmöglichkeit seit unserem Nachtlager. Sie muss hier gewesen sein.“

„Vielleicht war sie auch hier“, bemerkte einer der Männer. „Aber jetzt ist sie jedenfalls nicht mehr da.“

In der Dunkelheit spürte Carice Raines Anspannung. Er lauschte jedem Wort, das gesprochen wurde, seine Hände fest an ihrer Taille. Ob er es sich selbst eingestehen würde oder nicht – seine plötzliche Entscheidung, sie zu verstecken, war nicht die Tat eines Mannes, der sie ihrem Vater ausliefern würde. Sie atmete erleichtert auf. Sie war so dankbar für seinen Schutz.

Autor

Michelle Willingham
Michelle schrieb ihren ersten historischen Liebesroman im Alter von zwölf Jahren und war stolz, acht Seiten füllen zu können. Und je mehr sie schrieb, desto mehr wuchs ihre Überzeugung, dass eines Tages ihr Traum von einer Autorenkarriere in Erfüllung gehen würde. Sie besuchte die Universität von Notre Dame im Bundesstaat...
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