Heiße Nacht mit einem Fremden

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Zuerst glaubt James an einen heißen Traum, doch es ist süße Wirklichkeit: Eine hinreißende Fremde schlüpft wortlos in sein Bett und beginnt, ihn mit sinnlichen Zärtlichkeiten zu erregen...


  • Erscheinungstag 02.08.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733779269
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Diese Museumspartys sind super“, stellte C.C. fest.

„Göttlich“, bestätigte Diane.

„Jedenfalls stehen wir den vier Frauen aus Sex and the City in nichts nach“, konstatierte Mara begeistert.

„Könnt ihr nicht noch ein paar Minuten bleiben?“ fragte Signe Sargent, die nebenbei Drinks an die kostümierten Gäste verteilte. Sie stand hinter einer improvisierten Bar und blickte ihre drei Freundinnen an. Die drei waren als Katzen verkleidet.

Durch die riesigen Fenster des Metropolitan Museums schien der fast volle Mond hinein und beleuchtete den Tempel von Dendur, der zur permanenten Ausstellung des Museums gehörte.

„Wir würden wirklich gern bleiben“, antwortete C.C. und richtete den Haarreif mit den Katzenohren, „aber wir wollen unbedingt zu Gus, solange unsere Katzenkostüme noch halbwegs frisch aussehen.“ Gus war der Besitzer einer In-Bar in Greenwich Village, wo Signe lebte.

Diane öffnete ihr Lippenstiftetui und kontrollierte ihr Aussehen. „Schade, dass du arbeiten musst, Signe, sonst könntest du mitkommen.“

„Und tausend Dank, dass du uns auf die Gästeliste geschmuggelt hast“, flüsterte Mara.

Diane klickte ihr Lippenstiftetui wieder zu und trank den Rest aus ihrer Sektflöte, bevor sie sie auf ein Tablett neben Signe stellte. „Das Risiko hat sich allemal gelohnt“, sagte sie lächelnd und wedelte vielsagend mit einer Visitenkarte, die sie von einem der begehrten Junggesellen bekommen hatte.

Signe hatte ihre drei Freundinnen unter falschen Namen für die Museumsparty angemeldet, die von einem Computermogul ausschließlich für die Crème de la Crème von New York gegeben wurde.

„Das ist eine der besten Partys des Monats“, seufzte C.C.

„Fantastische Horsd’œuvres“, fügte Mara hinzu.

Signe angelte sich ein kleines Häppchen in Kürbisform und nickte zustimmend. „Ich habe den göttlichen Garrity noch gar nicht gesehen.“

Niemand wusste mehr, wann und wo es angefangen hatte, aber George Garrity wurde praktisch von ganz New York als „der göttliche Garrity“ bezeichnet.

„Der kommt noch“, sagte C.C.

Vielleicht. Signe blickte durchs Fenster hinaus in den Central Park. Im Herbst liebte sie den Park besonders, wenn die Bäume in allen erdenklichen Farben leuchteten. Davon war jetzt in der Dunkelheit zwar nichts zu sehen, stattdessen aber wurden die Baumkronen vom Mondlicht in einen romantischen Silberschein getaucht.

Selbst der verbittertste New Yorker Zyniker musste bei diesem Anblick weich werden. Der Abend war ideal für ein Stelldichein mit dem göttlichen Garrity.

Signe blickte sich ein weiteres Mal suchend im Raum um. Die alten ägyptischen Steinsärge, die Götterstatuen und der Tempel, alles war genauso aufgebaut, wie es über Jahrtausende in Dendur gestanden hatte.

„Ich habe einen Rockefeller kennen gelernt“, sagte Diane.

Signe nickte, hörte allerdings nur mit einem halben Ohr zu, während sie nach dem göttlichen Garrity Ausschau hielt. Bei den Partys im Museum, von denen nur Eingeweihte erfuhren, traf sich normalerweise alles, was in New York Rang und Namen hatte. So kannte sie auch die Gesichter am heutigen Abend beinahe alle aus der Zeitung oder den Klatschblättern.

„Ich habe Ghardi getroffen“, erzählte Mara. „Ihr wisst schon, von den tollen Schuhen im Retrolook mit den nach oben geschwungenen Spitzen.“

„Wir sollten uns jetzt trotzdem auf den Weg machen“, sagte C.C., „sonst sind bei Gus alle wieder ausgeflogen, und ich will doch die Kostüme sehen.“ Heute Abend fand die Halloweenparade in Greenwich Village statt. „So viele Partys und so wenig Zeit.“

„Und an Halloween selbst werden es sogar noch mehr“, ergänzte Mara.

Signe drückte einem Mann in einem Bärenkostüm einen Martini in die Kunstpfote und einer Frau im Hexenkostüm einen Cosmopolitan in die Hand. Dann drehte sie sich wieder zu ihren Freundinnen um und schmunzelte. Obwohl sie alle drei dasselbe Kostüm trugen – einen schwarzen Catsuit mit angestecktem Schwanz und Fellohrenhaarreif sowie schwarze Larven über den Augen – sahen sie sich kein bisschen ähnlich.

C.C. war zierlich und föhnte sich ihr rotblondes Haar so glatt, dass es wie gebügelt aussah. Diane, die stets als Erste die Männerblicke auf sich zog, war mittelgroß, blond und kurvenreich, und Mara schließlich war brünett und attraktiv genug, um selbst mit einem Kurzhaarschnitt und einem Minimum an Make-up ausgesprochen weiblich zu wirken – auch wenn ihr Kleidungsstil an den „Grunge Look“ erinnerte, wie Diane meinte.

„Ich wünschte, ich könnte mitkommen“, sagte Signe bedauernd. „Bleibt’s bei unserm gemeinsamen Frühstück morgen?“

C.C. nickte. „Was haltet ihr von Sarah’s an der West Side? Die haben diesen sündhaft leckeren Apfelkuchen.“

Der Vorschlag wurde einstimmig angenommen.

„Und was ist mit diesem Hexendings?“ fragte Signe. Diane hatte vor einem Jahr ein Reisebüro in Manhattan eröffnet, Wacky Weekends, in dem sie ausgefallene Kurzreisen für gelangweilte Großstädter anbot. Unlängst hatte sie von einer Gruppe Frauen aus New Jersey erfahren, die in den Catskill Mountains regelmäßige Treffen veranstalteten, bei denen Hexentänze und – beschwörungen stattfanden. Da Diane meinte, diese monatlichen Veranstaltungen könnten für ihre weiblichen Kunden interessant sein, hatte sie ihre Freundinnen gebeten, mit ihr an einem Probewochenende teilzunehmen.

„Es ist dieses Wochenende“, antwortete Diane. „Wird also Zeit, dass wir die organisatorischen Fragen klären.“

„Ich kümmere mich um den Mietwagen“, sagte C.C., die Einzige der vier Frauen, die gern Auto fuhr.

„Nimm ein Cabrio“, schlug Signe vor. „Laut Wetterbericht wird es warm.“

„Hab ich auch gehört“, pflichtete Mara ihr bei.

„Für die Wagenmiete legen wir zusammen“, sagte Diane.

Signe nickte. „Was müssen wir mitnehmen?“

„Aspirin“, kam prompt von C. C. „Angeblich schenken sie dort ein Spezialgetränk aus, das einem den Schädel sprengt.“

„Vergiss das Aspirin“, erwiderte Diane. „Ich bring alles für Bloody Marys mit.“

„Und vergiss auch deinen Badeanzug, Sig“, sagte Mara. „Wenn es warm ist, werden wir nackt im See baden.“

C.C., die ein ebenso gespaltenes Verhältnis zur Natur hatte wie Signe, fragte skeptisch: „See? Was für ein See?“

„Na, die Hütten liegen an einem See“, erklärte Mara.

C.C. und Signe rümpften die Nasen, und Signe sagte: „Das heißt, wir brauchen Insektenschutzlotion. Ich glaube, ich habe noch welche vom letzten Mal übrig, als ich in die Wildnis verschleppt wurde.“

„Ein Glück. Und vergesst nicht, etwas von dem Mann mitzubringen, den ihr mit einem Zauber belegen wollt. Am Samstagabend wird ein Kessel in den magischen Kreis gestellt“, sagte C.C. geheimnisvoll und kicherte.

„Und wir alle werfen etwas hinein, wobei wir unseren Zauberspruch vorlesen“, ergänzte Mara.

„Damit sich ein bestimmter Kerl in uns verliebt?“ fragte Signe und dachte dabei an den göttlichen Garrity.

„Das, oder damit er mit uns ins Bett geht“, antwortete C.C., die von tiefen Gefühlen und Bindungen nicht allzu viel hielt.

Genau in diesem Moment erblickte Signe George Garrity am anderen Ende des Raums und hielt die Luft an. Seit er von der Wall Street wegging, um die Position seines Vaters an der Spitze von Garrity Enterprises zu übernehmen, war er regelmäßig auf den Titelseiten des New York Magazine, der New York Business World und People gewesen. Garrity Enterprises war ein Konglomerat von diversen Unternehmen, die weltweit tätig waren. Und das Aufregendste an dem göttlichen Garrity war, dass er sich für Signe zu interessieren schien.

„Wenn man vom Teufel spricht“, sagte Mara.

„Er sieht hier rüber“, flüsterte C.C. begeistert. „Gleich kommt er her, also machen wir uns lieber aus dem Staub.“

Signe kontrollierte den Sitz ihrer goldenen Bluse und ihrer Seidenhose, dann strich sie sich über die schwarze Perücke. Hoffentlich gefiel ihm ihr Kleopatrakostüm. Bei dem Gedanken, mit George Garrity bloß reden zu müssen, wurde ihr schon ganz heiß. An mehr mochte sie überhaupt nicht denken.

Sie seufzte. „Er ist so unglaublich reich.“

„Versuch dir vorzustellen, er wäre ein ganz normaler Mann“, ermutigte C.C. sie.

Aber an dem göttlichen Garrity war nichts wie bei einem „ganz normalen Mann“. Er war groß, umwerfend gut aussehend und nicht weniger edel als die eleganten Sportsakkos, die er gewöhnlich trug, wenn er mittags ins Café des Metropolitan Museums kam.

„Er will eindeutig hierher, nur diese komische Kuh hält ihn auf, siehst du, die, die sich als Bauernmagd kostümiert hat“, flüsterte Diane.

„Klar kommt er her“, sagte Signe leise. „Er will einen Drink.“

„Ja, natürlich. Und er kommt jeden Mittag ins Museum, weil sie bei Garrity Enterprises keinen Kaffee kochen können“, meinte C. C. kichernd. „Sig, sieh’s endlich ein, der Typ flirtet mit dir.“

Zu demselben Schluss war Signe auch gekommen. „Er hat mir angeboten, George zu ihm zu sagen.“

„Achtung, er kommt!“ zischte Mara.

Signe war schrecklich nervös. Schließlich war sie bloß die Bedienung im Museumscafé. Mit ihrem Job ließ sich wahrlich kein Staat machen. Ihre Freundinnen hatten mittlerweile alle eine Karriere vorzuweisen – Diane mit ihrem Reisebüro, C.C. als Steuerberaterin und Mara als Immobilienmaklerin. Aber Signe gab die Hoffnung nicht auf.

Seit sie Bibliothekswissenschaften und Kunst studiert hatte, träumte sie von einer Stelle als Kuratorin am Metropolitan Museum. Nach dem Examen hatte sie zunächst ein paar Jahre in der öffentlichen Bücherei gearbeitet und sich erfolglos beim Museum beworben. Deshalb hatte sie sich für diese neue Taktik entschieden und einen Job als Kellnerin im Museumscafé angenommen. So konnte sie jede Gelegenheit nutzen, mit den Kuratoren zu sprechen.

Sie liebte das Metropolitan Museum mit seinen langen Korridoren, seinen Marmortreppen und dem Geruch von Ölfarben. Allein die Luft hier drinnen einzuatmen, ließ ihr Herz fast ebenso rasen wie der Anblick von George Garrity. Und wie es aussah, sollten sich sechs Monate Kaffeeausschenken und Bedienen bei privaten Partys bezahlt machen.

Ihr Chef, Edmond Styles, hatte ihr heute Abend erzählt, dass eine der Archivmitarbeiterinnen kündigen wollte. Wenn sie am Montag fristgerecht ihre Kündigung einreichte, würde Signe die Stelle ihrer Träume offiziell angeboten werden.

Sie war so aufgeregt. Ihr Leben sollte eine neue Wende nehmen. Und wo ihr das Glück schon mal hold war, wer weiß, vielleicht bescherte es ihr dann auch gleich eine heiße Nacht mit George Garrity …

Mit einem zufriedenen Seufzer blickte sie sich in der Halle um. Die meisten Statuen hatte sich der Computermogul für die heutige Party bei privaten Sammlern ausgeliehen. Sie standen auf beleuchteten Podesten. Ja, Signe hatte wahrlich gute Arbeit geleistet. Edmond Styles hatte ihr nämlich die verantwortungsvolle Aufgabe übertragen, die Ausstellungsstücke zu arrangieren. Bis hin zum Einschalten des Alarms für jedes einzelne Exponat hatte sie alles selbst erledigt. Diese Ausstellung war quasi ihr Baby.

„Die Figuren sind wirklich beeindruckend“, bemerkte Diane, die Signes Blicken folgte. Mara kicherte. Bei den meisten handelte es sich um Fruchtbarkeitsgötter mit übertriebenen männlichen Geschlechtsmerkmalen.

„Ich glaube, den da kenne ich“, sagte Diane und zeigte lachend auf eine der Statuen.

„Davon träumst du wohl“, scherzte Mara.

„Ruhe!“ zischte C.C. „Mr. Wonderful kommt.“

Signe atmete tief durch. Zwischen George Garrity und ihr lagen Welten. Zwar waren ihre Eltern gut situiert – ihr Vater war Anwalt und ihre Mutter Geschichtsdozentin –, aber ihr Lebensstil nahm sich doch sehr bescheiden aus, verglichen mit dem der Garritys.

„Verkauf dich ja nicht unter Wert“, ermahnte Mara sie. „Denk dran: Du siehst aus wie Winona Ryder.“

„Ja, vielleicht, aber das muss nicht unbedingt ein Plus sein“, entgegnete Signe, die häufiger auf ihre Ähnlichkeit mit der berühmten Schauspielerin angesprochen worden war. „Habt ihr schon vergessen, dass sie wegen Ladendiebstahls vor Gericht stand?“

„Das ist Jahre her und längst vergessen“, beteuerte Diane.

Signe hörte ihr nicht mehr zu, denn sie starrte fasziniert George Garrity an. Er war als Höfling aus dem siebzehnten Jahrhundert kostümiert, trug einen dunkelroten bestickten Überwurf über einem weißen Hemd mit steifem Spitzenkragen und sogar ein Schwert, dessen reich verzierte Scheide den Blick des Betrachters unwillkürlich auf die sehr eng geschnittene Hose lenkte. Signe fiel sofort die deutliche Wölbung unterhalb der Gürtelschnalle auf.

„Dann mal los, Mädchen“, flüsterte C.C.

Signe zwang sich, weiterzuatmen und woanders hinzusehen. Sie konzentrierte sich auf die üppige weißblonde Perücke und den dreieckigen roten Samthut.

„Vergiss nicht, dass du irgendwas von ihm brauchst, einen Stift oder ein Feuerzeug“, hauchte Mara. „Wir sind dann weg.“

Der Gedanke, George Garrity mit einem Zauber zu belegen, machte ihr eine Gänsehaut. Sollte sie ihn dazu verzaubern, sie zu heiraten oder nur mit ihr schlafen zu wollen? „Ich glaube nicht an Zauberei“, sagte sie.

„Ich auch nicht, aber man kann’s ja mal versuchen“, erwiderte Mara.

„Wir sehen uns morgen bei Sarah’s, um zehn“, sagte C.C.

Signe nickte. „Ja, bis dann.“

Ihr Herz hämmerte wie verrückt, als George Garrity sich einen Moment später lässig an den Bartresen lehnte. „Was kann ich Ihnen bringen“, sie machte eine kurze Pause, „George?“

Er schenkte ihr ein filmreifes Lächeln. „Bringen Sie mich hier raus“, sagte er vertraulich. „Wenn mich noch eine Milchmagd anspricht, die ein Date mit mir will, kriege ich einen Schreikrampf.“

„Und wohin sollte ich Sie bringen?“

„Eine Frau wie Sie? Nun, ich würde sagen, fangen wir mit dem Himmel an und warten ab, wie es von da aus weitergeht.“

Was das Flirten betraf, war der Mann begnadet wie kein anderer. Wann immer er in ihrer Nähe war, fühlte Signe sich wie Cinderella. „Aber Sie geben doch hoffentlich zu, dass die Kunstwerke hier interessant sind?“

„Durchaus. Ich glaube, einige der Stücke sind Leihgaben meines Onkels Harold an Jack.“ Jack war der Vorname des Veranstalters.

Signe versuchte, sich ein Leben in Kreisen vorzustellen, in denen einer dem anderen Kunstwerke für Partys auslieh. Sie sah sich um. Die kostümierten Kinder, die von ihren Eltern mitgebracht worden waren, wuchsen in solchen Kreisen auf und hielten es wahrscheinlich für etwas Selbstverständliches, unvorstellbar teure Kunstwerke zu besitzen.

„Tatsächlich?“ fragte sie.

„Ja, unter anderem der Eros da drüben.“

Signe wurde rot. Angesichts des sehr übertrieben großen Penis, mit dem die Statue ausgestattet war, wollte sie eigentlich nicht hinsehen, andererseits wollte sie auch nicht den Eindruck erwecken, prüde zu sein. Ihre Freundinnen fanden sie nämlich prüde, was George Garrity auf gar keinen Fall wissen durfte.

„Eros haben wir in Kunstgeschichte durchgenommen“, sagte sie und sah in George Garritys unendlich blaue Augen. „Man sagt, eine Statue von ihm verleiht ihrem Besitzer große sexuelle Potenz.“ Allein bei der Erwähnung des Wortes Potenz in seiner Gegenwart wurde ihr schwindlig.

„Wirklich?“ fragte er lächelnd, als wüsste er sehr wohl um diese Wirkung. „Tja, mag sein. Onkel Harold hat sich jedenfalls nicht mit einer Ehefrau begnügt.“

„Im Geschenkeshop verkaufen wir Reproduktionen der Statue, und sie gehen reißend weg.“

„Hat denn eigentlich eine Reproduktion denselben Effekt wie das Original?“

„Offensichtlich ja.“

„Besitzen Sie eine?“

„Eine Eros-Statue?“ Ihr Herz setzte kurzfristig aus. Was konnte sie auf eine solche Frage antworten? Zugegeben, sie hatte in letzter Zeit häufiger davon geträumt, wie sich der göttliche Garrity in ihren Laken rekelte, aber deshalb musste sie ihm ja nicht gleich den Eindruck vermitteln, sie wäre leicht zu haben. „Nein, ich besitze keine. Die einzige Form von Anregung, die ich anbieten kann, wäre so etwas hier“, erklärte sie schließlich und hielt eine Flasche Wein hoch.

George Garrity sah sie an und schien einen Moment zu überlegen. „Nein, ich denke, dann entscheide ich mich eher für einen Wodka-Bitterlemon.“

„Kommt sofort“, sagte sie und machte sich daran, seinen Drink zu mixen. Dabei musterte sie ihn verstohlen auf der Suche nach einem Gegenstand, den sie ihm für den Zauber abluchsen könnte.

Schwert, Hut und Gürtel waren sämtlichst zu groß und zu sperrig. Aber sie könnte ihn um einen Schreiber bitten oder eine Visitenkarte.

In dem Augenblick fiel ihr das rote Seidentaschentuch auf, das in seinem Hosenbund steckte. Sie erschauderte. Ihn bloß anzusehen, brachte sie schon vollkommen durcheinander. Der Mann war sagenhaft gut gebaut, besonders seine muskulösen Schenkel. Die verdankte er zu einem wesentlichen Teil seiner Leidenschaft fürs Polospiel, so viel wusste Signe bereits.

Er lächelte sie an, und sie erwiderte sein Lächeln. Sie konnte es einfach nicht glauben. Vor ihrem Flirt mit dem göttlichen Garrity hatte sie nur wenige Gedanken an Sex verschwendet. Nicht, dass ihr Sex nichts bedeutete, doch in Bezug auf Männer dachte sie in erster Linie praktisch.

Bei George Garrity jedoch war alles anders. Da mochte sie sich noch so oft sagen, dass er in einer ganz anderen Liga spielte als sie, bei ihm versagte ihre Vernunft.

Sie gab ihm seinen Drink, trat einen Schritt zurück und täuschte einen Nieser vor. Ohne zu zögern, reichte er ihr sein rotes Taschentuch. Signe tat, als würde sie sich die Nase putzen, und lächelte ihn dankbar an. „Darf ich es waschen und bügeln? Sie bekommen es dann wieder, wenn Sie das nächste Mal vorbeikommen. Sie sind ja häufiger im Museum.“

„Und Sie sind immer hier“, antwortete er schmunzelnd. „Gibt man Ihnen eigentlich nie frei?“

Aha! Wollte New Yorks begehrtester Junggeselle sie etwa um ein Date bitten? „Doch, tut man. Dieses Wochenende beispielsweise habe ich frei und fahre in die Catskills.“

„Wohin da?“

„In den Naturschutzpark. Die Gegend dort heißt Clover Fields.“

„Kleefelder? Bringen Kleeblätter nicht Glück?“

Wollte er etwa andeuten, dass er sich Glück wünschte? „Mal sehen.“ Sie kicherte. „Ich bin in Hütte sieben, vielleicht bringt mir die Zahl ja Glück.“

„Da bin ich sicher.“

Die Hütten waren für jeweils drei Personen ausgelegt. Da sie vier Freundinnen waren, hatte Signe sich freiwillig bereit erklärt, eine Hütte mit einer Frau aus New Jersey zu teilen – die sie bislang noch nicht kannte.

„Reisen Sie allein?“ fragte George.

„Nein, mit Freundinnen“, antwortete sie, doch als er sie enttäuscht ansah, fügte sie hinzu: „Es sei denn, Sie kommen spontan vorbei.“

„Ich? Vorbeikommen?“

Sie war nicht sicher, ob sie gerade etwas vollkommen Idiotisches gesagt hatte. „Na ja, falls Sie zufällig gerade in der Gegend sein sollten.“

Er lächelte. „Stimmt, wir könnten uns tatsächlich zufällig über den Weg laufen.“

Sie blickten sich für eine halbe Ewigkeit in die Augen und hätten es wahrscheinlich noch länger getan, wäre da nicht plötzlich dieser Schrei gewesen.

„Was war das?“ fragte Signe ein wenig benommen.

„Die Eros-Statue!“ rief jemand.

Signe wandte ruckartig den Kopf und sah zu dem Platz, an dem die Statue noch vor wenigen Minuten auf ihrem Podest gestanden hatte. Sie blinzelte. Beinahe bildete sie sich ein, sie noch zu sehen – ungefähr dreißig Zentimeter hoch und aus dunklem Holz geschnitzt – aber sie war fort. Und mit ihr wahrscheinlich auch ihr Traum von einer Stelle im Museumsarchiv.

Am nächsten Morgen, einen Tag vor Halloween, rutschte Signe nervös auf einem Stuhl im Konferenzraum des Metropolitan Museums hin und her, während Detective Alfredo Perez vom 84. Polizeirevier vor ihr auf und ab ging und misstrauisch ihre kleine Reisetasche beäugte. Detective Perez war groß, hager und hatte kurze dunkle Haare sowie einen schmalen Oberlippenbart, der ihn wie einen mexikanischen Schurken aus einem Billigwestern aussehen ließ.

„Ich wollte Ihnen eigentlich gerade mitteilen, dass Sie die Stadt nicht verlassen dürfen.“

Kein gutes Zeichen. „Bin ich verhaftet?“

„Wohin wollen Sie?“ fragte er, statt ihr zu antworten.

„Zu einem Hexentreffen.“

„Hexen?“

„Na, Sie wissen schon, Magie, Hexen.“

„Aha“, sagte er. „Dann sind Sie eine Hexe?“

Großartig! Sie konnte ihm direkt ansehen, was er jetzt dachte. Detective Perez nahm sie spätestens jetzt in den Kreis der Hauptverdächtigen auf, denn wer sonst, wenn nicht eine Hexe, würde eine heidnische Skulptur stehlen? „Nein, bin ich nicht. Und weder habe ich jemals welche gekannt, noch kenne ich heute irgendwelche echten Hexen“, erklärte sie lächelnd.

Er schien nicht amüsiert. „Und wie steht es mit Katzen?“ fragte er und hielt ihr ein Foto hin, das sie mit C.C., Diane und Mara an der Bar zeigte. Scheinbar war die Aufnahme von einer der Sicherheitskameras gemacht worden.

Schlimm genug, dass alle glaubten, Signe hätte den Alarm nicht eingeschaltet, obwohl sie sicher war, dass sie es getan hatte. Aber sie würde ganz bestimmt gefeuert werden, wenn sie zugab, ihre Freundinnen auf die Party geschmuggelt zu haben.

„Ich weiß genau, dass ich den Alarm aktiviert habe.“

Detective Perez betrachtete sie prüfend. „Wer sind diese Frauen?“

Sein Misstrauen verunsicherte sie. „Weiß ich nicht.“ Gewiss würde sich bald herausstellen, dass sie keine Schuld traf, und außerdem hatten ihre Freundinnen nichts mit dem Diebstahl zu tun, also warum sollte sie sie erwähnen? „Wer die Statue gestohlen hat, wird versuchen, sie zu verkaufen“, sagte sie. „Ich meine, sie taucht wahrscheinlich demnächst auf dem Schwarzmarkt auf, denken Sie nicht?“

„Vielleicht.“

Signe interpretierte das als Ja und seufzte erleichtert. Nein, sie würde ihre Zukunft nicht aufs Spiel setzen, indem sie zugab, ihre Freundinnen heimlich auf die Gästeliste gesetzt zu haben.

Detective Perez sah sie ungerührt an. „Worüber unterhalten sich diese drei Katzen?“

Sie überlegte. „Vor allem über Wohltätigkeitsarbeit.“ Ja, das klang passend.

„Und was für Wohltätigkeitsarbeit?“

„Weiß ich nicht mehr genau. Jedenfalls schienen sie ganz nett zu sein, nicht die Sorte Frauen, die herumlaufen und Kunstobjekte stehlen.“

„Das können Sie beurteilen? Ich denke, Sie haben nicht mit Ihnen gesprochen?“

„Na ja“, sagte Signe und schluckte. „Ich schließe es aus der Art, wie sie ihre Drinks bestellten.“

„Wie sie bestellten?“

„Na, sie hörten sich nicht an wie Diebe.“

„Und wie hören sich Diebe an?“

„Eben nicht wie nette Damen.“

„Ich habe den Eindruck, unsere Unterhaltung bewegt sich im Kreis.“

Wenigstens fiel es ihm auf. Signe langte nach unten und griff den Henkel ihrer kleinen Reisetasche. Dabei dachte sie zum ersten Mal seit Beginn der Befragung wieder an George Garrity. Nachdem der Diebstahl entdeckt worden war, hatte er sich ihr gegenüber ausgesprochen freundlich verhalten. Zwar hatte er das Wochenende in den Catskills nicht wieder erwähnt, doch sie schätzte die Chancen mit zehn zu eins ein, dass er heute Abend dorthin kam.

„Hören Sie, Detective Perez, ich möchte Ihnen wirklich helfen, und sollten Sie noch irgendwelche Fragen haben …“

Ausgerechnet in diesem Moment klingelte ihr Handy, und sie holte es aus der Handtasche. „Hallo?“

„Ich sitze in einem traumhaften gelben Cabrio“, verkündete C.C. „Die anderen habe ich schon eingesammelt. Sei in zehn Minuten vorm Museum, ja?“

Signe stellte das Telefon aus und warf einen verstohlenen Blick auf das körnige Foto von ihren drei Freundinnen. Detective Perez sah ihr natürlich an der Nasenspitze an, dass sie ihm etwas verheimlichte, denn Signe war noch nie eine begnadete Lügnerin gewesen.

Als Kind hatte sie das Lügen sogar vor dem Spiegel trainiert, wenn auch ohne Erfolg. Und als sie sieben war, ließ ihr Vater sie auf die Bibel schwören, niemals Poker zu spielen.

„Wenn das dann alles wäre“, sagte sie und stand auf, „würde ich gern gehen.“

„Eine Frage noch.“

„Ja?“

„Wie steht es mit Ihrem Privatleben, Miss Sargent?“

Sie riss die Augen auf. „Mein Privatleben?“ Wollte er damit etwa andeuten, sie könnte ein Motiv gehabt haben, eine potenzfördernde Statue zu stehlen? Sie wurde rot. „Alles bestens“, sagte sie. Abgesehen von den wöchentlichen Anrufen ihrer Mutter, jeden Donnerstagabend um dieselbe Zeit, bei denen sie sich danach erkundigte, ob Signe nicht inzwischen „einen netten jungen Mann“ kennen gelernt hätte. „Nett“ war für ihre Mutter übrigens gleichbedeutend mit „Akademiker in fester Stellung und mit vielversprechender Zukunft.“

Ehe Detective Perez weitere peinliche Fragen stellen konnte, wandte Signe sich um und ging zur Tür.

„Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Sie aussehen wie Winona Ryder?“

Sie drehte sich zu ihm um. „Ja“, antwortete sie lächelnd. Bestimmt dachte der Polizist bei dem Namen der Schauspielerin auch gleich an Ladendiebstahl.

Sie verabschiedete sich von ihm und eilte den Flur hinunter Richtung Ausgang. Als sie an der großen Freitreppe vor dem Ausgang ankam, blickte sie nach oben zu dem großen Tiepolo-Gemälde über dem Treppenabsatz. Sie liebte dieses Museum.

Jahrelang hatte sie davon geträumt, den Rest ihres Lebens hier zu verbringen und mit Kunst umzugehen. Und jetzt war sie auf einmal eine Verdächtige in einem Kunstdiebstahl! Viel schlimmer konnte es kaum noch kommen.

Autor

Jule Mc Bride
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