Historical Exklusiv Band 57

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SCHLEIER UND SCHWERT von BRISBIN, TERRI
Schottland, 1356: Eine Nonne zu begehren ist eine Todsünde! Und doch lodert heißes Verlangen in Highlander Rurik Erengislsson, seit er die betörende Klosterschülerin Margriet auf ihrer Reise zu den Orkney Inseln begleitet. Eigentlich soll er sie beschützen und in die Obhut ihres Vaters übergeben. Stattdessen sehnt Rurik sich mit jeder Faser seines Körpers danach, ihren Schleier zu lüften und sie in die Kunst der Liebe einzuweisen …

LORD GARROWS WIDERSPENSTIGE BRAUT von STONE, LYN
Lady Susanna ist außer sich: Ihr Vater hat sie einem Fremden versprochen? Zornbebend beschließt sie, den unliebsamen Verehrer loszuwerden … Doch der stolze Highlander James Garrow, Laird of Galioch, erweckt nie gekannte, sinnliche Gefühle in ihr. Trotzdem ist Susanna überzeugt, dass sie durch eine Heirat nur verliert - ihren Besitz und ihre Freiheit. Oder kann der attraktive James sie etwa vom Gegenteil überzeugen?


  • Erscheinungstag 09.02.2016
  • Bandnummer 57
  • ISBN / Artikelnummer 9783733760809
  • Seitenanzahl 512
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Terri Brisbin, Lyn Stone

HISTORICAL EXKLUSIV BAND 57

1. KAPITEL

Lairig Dubh, Schottland
1356

Sein Schwert sang sein tödliches Lied. Es klang in Ruriks Seele wider und verlieh ihm Kraft und Entschlossenheit, als er die Waffe hoch über seinen Kopf hob und mit der scharf geschliffenen Spitze nach unten zielte. In diesem Augenblick, in dem er eins wurde mit dem Todesboten in seiner Hand, ließ er den tief in seinem Innern verborgenen Wikinger zum Leben erwachen. Und nur seine im letzten Moment geübte Selbstbeherrschung hinderte ihn daran, dem Mann, der vor ihm auf der Erde lag, den Todesstreich zu versetzen. Wie ein Berserker in alter Zeit stieß Rurik, das Gesicht zur Sonne erhoben, seinen Schlachtruf aus, so laut und anhaltend, dass er jenseits der Hofanlage und sogar jenseits der Burgmauern von Lairig Dubh zu hören war.

Klugerweise gewährte sein Gegner ihm den Augenblick des Triumphes und rührte sich nicht. Sicher war die scharfe Schwertspitze an seinem Hals ein weiterer Grund, warum Connor sich nicht regte und darauf wartete, dass Rurik sich wieder beruhigte. Als die Zuschauer in Hochrufe ausbrachen, nahm Rurik das Schwert fort und beugte sich zu seinem besiegten Gegner nieder. Es war der Mann, den er Laird nannte.

„Fast glaubte ich, das wäre jetzt das Ende“, stieß Connor MacLerie, Laird MacLerie und Earl of Douran leise hervor. „In deinen Augen lag ein Ausdruck, den ich bei dir noch nicht kannte, Rurik.“

Der Laird wischte sich den Dreck ab und streckte die Hand nach seiner Waffe aus, die Rurik während ihres Zweikampfs zur Seite geschleudert hatte. Ein Junge rannte los, hob sie auf und brachte sie Connor zurück.

Rurik räusperte sich und spuckte auf den Boden. „Ich töte nicht, wem ich diene.“

Connor deutete mit dem Kopf auf die goldenen Armbänder, die Rurik neuerdings trug. Der Laird war ein Mann, dem nichts entging. „Das Schwert. Die Armbänder. Ich vermute, dass sie etwas mit den Besuchern zu tun haben, die sich in meiner Halle aufhalten und darauf warten, dass du dort erscheinst.“

„Besucher?“, fragte Rurik.

Mit einer Kopfbewegung rief er einen der Burschen zu sich, die um sie herumstanden. Sie hatten dem Kampf zugesehen. Er beugte sich zu dem Jungen, gab ihm einige Anweisungen und händigte ihm dann sein Schwert aus. Dann wandte er sich wieder Connor zu. Er wusste, dass es dem Laird nicht gefallen würde, wenn er erneut versuchte, Überraschung vorzutäuschen. Schließlich war er sein Freund und würde solch einen Versuch als Beleidigung betrachten.

„Sie sind gekommen, um Rurik Erengislsson zu sehen und bringen Nachricht von den Orkneyinseln – von deinem Vater.“

Nichts Neues also. Nichts, was Rurik nicht schon wusste.

Ihre beiden früheren Besuche waren ihm nicht verborgen geblieben. Aber nachdem sie jedes Mal keinen Erfolg gehabt hatten, waren sie wieder in den Norden zurückgekehrt. Obwohl es ihm gelungen war, ihnen aus dem Weg zu gehen, hatte er die Gegenstände, die sie ihm brachten, nicht einfach leichten Herzens fortwerfen können wie die Briefe, die er von ihnen erhielt.

„Ich weiß“, sagte er. Und während er sich den Schweiß von der Stirn wischte, meinte er achselzuckend: „Ich möchte nicht mit ihnen reden.“

Connors eindeutiger Blick über seine Schulter hinweg verriet Rurik, dass die besagten Männer bereits hinter ihm aufgetaucht waren und näher kamen. Es wäre einfach für ihn gewesen, sie zu Boden zu schlagen. Aber er wusste, dass Connor die beiden willkommen geheißen hatte und sie so mit seinem Namen und seiner Gastfreundschaft schützte. Er konnte sie jetzt nicht angreifen, um Zeit zur Flucht zu gewinnen. Denn dann hätte er sich MacLerie zum Feind gemacht. Ruriks Verlangen, einfach davonzulaufen, wuchs. Und das brachte ihn noch mehr aus der Fassung.

„Das über mir schwebende Schwert in deiner Hand hat mir etwas anderes erzählt, Rurik.“ Connor schlug ihm auf die Schulter. „Du kannst nicht fortwährend vor deiner Vergangenheit davonlaufen. Das ist eine Lektion, die auch ich lernen musste. Du solltest darüber nachdenken.“ Er beugte sich zu ihm und senkte die Stimme. „Du musst meine Fehler nicht wiederholen, um daraus zu lernen.“

Mit dem Schwert hatte Rurik einen Fehler begangen. Die Armbänder, auch wenn sie ihm gut gefielen, besaßen keine so große Bedeutung wie das Schwert. Er verfluchte sich dafür, schwach geworden zu sein. Warum hatte er die Waffe nicht einfach vergraben, nachdem man sie ihm überreicht hatte! Rurik sah zu dem Jungen hinüber und beobachtete, wie er seinen Anweisungen gemäß das Schwert reinigte.

Rurik schickte sich in das Unvermeidliche, nickte Connor zu und sah dann den beiden Männern entgegen, die verbissen jeden seiner Schritte verfolgt hatten – seit drei Monaten.

Sie mussten gar nicht erst ihre Kapuzen abnehmen. Auch so erkannte er die inzwischen erwachsenen Freunde aus seiner Kindheit. Nacheinander hielt Rurik jedem die Hand hin. Erinnerungen blitzten in ihm auf. Sie brachten ihm ins Gedächtnis zurück, in welche Schwierigkeiten drei großmäulige, mit wenig Verstand gesegnete Buben kommen konnten, wenn sie zu viel Zeit und zu wenig Führung hatten.

„Sven. Magnus.“

Es war nur ein kurzer Moment des Zögerns. Dann streckte Sven die Arme aus und zog Rurik in eine herzliche, freundschaftliche Umarmung. Rurik löste sich rasch wieder von ihm. Sogar sich selbst wollte er nicht eingestehen, wie gut ihm diese Begrüßung tat. Magnus’ Reaktion hätte ihn eigentlich nicht überraschen dürfen. Trotzdem raubte ihm der Schlag, der ihn jetzt traf, fast die Besinnung. Im Hof war es totenstill, während er sich wieder hochrappelte und sich den Schmutz von den Hosen klopfte. Danach brach er in lautes Gelächter aus.

„Connor, komm her und begrüße diese beiden nutzlosen …“

Als er sich zu dem Laird umwandte, warfen sich Sven und Magnus auf ihn. Rurik konnte nicht aufhören zu lachen, während alle drei zu Boden stürzten. Einige Minuten lang behauptete er sich gegenüber den beiden. Dann schob er sie von sich und machte so der Rauferei – und der anfänglichen Unbehaglichkeit – ein Ende. Connor trat jetzt näher, und Rurik stellte sie auf Gälisch einander vor. Das war die Sprache des hiesigen Clans. Aber als der Laird sie einlud, es sich in der Halle bequem zu machen, schüttelte Rurik den Kopf. Er wollte nicht, dass das bevorstehende Gespräch vor allen Leuten dort stattfand.

Während er die beiden durch den Hof und durchs Tor hinaus ins Dorf führte, fühlte Rurik, wie sich ein Knoten in seinem Innern immer mehr zusammenzog. War er vielleicht im Begriff, einen Fehler zu begehen, indem er sich bereit erklärte, ihre Botschaft zu hören?

Er hatte Connor angelogen. In der Tiefe seines Herzens kannte er die Wahrheit – er fürchtete sich vor der Nachricht, die sein Vater ihm sandte. Er fürchtete sich vor der Wahl, die er vielleicht treffen musste, wenn die Botschaft erst einmal verkündet war. Es war leicht zu schwören, nie mehr zu den Inseln im Norden zurückzukehren, wenn niemand einen einlud. Was sollte er jetzt tun?

Auf dem Weg zur Hütte, die Rurik in Lairig Dubh bewohnte, sprachen Sven und Magnus kein Wort. Wenn Rurik fort war, kümmerte sich eine Frau aus dem Dorf um seine Unterkunft. Und wenn er da war, hielt sie die Hütte sauber und sorgte für Vorräte. Rurik lächelte bei dem Gedanken an das, wofür die reizende Daracha während seines Aufenthalts sonst noch sorgte. Seine Männlichkeit wurde hart, und ihn erfüllte die Vorfreude auf das, was in dieser Nacht geschehen mochte, wenn es im Dorf erst einmal still wurde.

Sven und Magnus würden wohl in der Burg schlafen müssen.

Er stieß die Tür auf und ließ die beiden als Erste eintreten. Die Tür ließ er offen, damit frische Luft in die Hütte kam, zog die wenigen Hocker und den Stuhl an den kleinen Tisch und forderte die Männer auf, sich zu setzen. Dann ging er zu einem Vorratsregal und griff nach einem Krug Bier und drei Bechern. Er setzte sich nieder, und während er die Becher füllte, nickte er Sven zu, von dem er annahm, dass er den Brief von ihm erhalten würde.

„Seit fast drei Monaten suchen wir dich jetzt schon, Rurik. Wieso gehst du uns aus dem Weg?“

„Euer Brief und derjenige, der euch schickt, interessierten mich nicht“, meinte er. Er war sich nicht sicher, ob sein Freund die Entschuldigung glaubte. Aber er fand sie nicht schlecht.

„Und jetzt?“, fragte Magnus. „Wieso willst du sie jetzt hören?“

Rurik ließ den Blick durch die Hütte schweifen. Er fragte sich selbst, aus welchem Grund er den beiden seit Monaten aus dem Weg ging, wie sie sagten, und warum er sich ihnen jetzt auf einmal stellte. „Es ist eben an der Zeit.“

Sven und Magnus ließen fast gleichzeitig ein Schnauben hören, wechselten bedeutungsvolle Blicke und zuckten die Achseln. Dann nahmen sie noch einen Schluck Bier. Ihre Anspannung ließ nach, als sei es jetzt, wo sie wussten, dass er sie anhören würde, unwichtig, wieso er versucht hatte, sie auszutricksen.

„Er will, dass du zurückkommst. Er ist bereit, dich als Sohn und Erben anzuerkennen“, sagte Sven ohne große Umschweife.

„Als Erbe?“

Bevor er sich versah, war Rurik das Wort entschlüpft. Eine starke Sehnsucht erfüllte ihn. Jahrelang hatte er dagegen angekämpft. Und mit diesem einen Wort war alles wieder da.

„Er braucht jemanden, der über seine Ländereien in Schweden wacht. Und es gibt ein Heiratsangebot, das bedacht werden muss.“

Rurik gab sich Mühe, ein Lächeln zu unterdrücken. Damit war er genauso erfolgreich wie bei dem Versuch, seine Gier nach dem Angebot zu unterdrücken, das ihm gerade gemacht worden war. „Eine Heirat?“

„Jetzt komm schon, Rurik, du kennst doch seine Verbindungen. Viele Frauen würden gern mit dem Sohn von Erengisl Sunesson verheiratet werden. Bastard oder nicht, für manch eines Edelmanns Tochter stellst du eine vorteilhafte Partie dar.“

Die Anspielung auf seine illegitime Geburt schmerzte. Aber er wusste, dass Svens Worte der Wahrheit entsprachen. Viele Bündnisse kamen durch Heirat zustande. Für viele, die sich nach einer Verbindung mit jenen sehnten, die politische oder gesellschaftliche Macht oder Reichtum besaßen, würde seine Geburt kein Hindernis sein. Und sein Vater besaß beides.

„Wirst du mit uns kommen?“, fragte Magnus.

Rurik kämpfte gegen den einen Teil von sich an, der das Angebot am liebsten sofort angenommen hätte. Aber viele hingen von ihm ab, und er wollte sie nicht enttäuschen. Der Laird war einer von ihnen wie auch ihr beider Onkel, der Rurik, ohne Fragen zu stellen und ohne ihm seine Herkunft übel zu nehmen, bei sich aufgenommen hatte. Auch wenn er eigentlich nicht viel von sich preisgeben wollte, wusste Rurik, dass er es wohl oder übel tun musste, wollte er eine kluge Entscheidung treffen.

„Ich werde darüber nachdenken, Magnus. Ich brauche Zeit.“

Sven und Magnus wechselten wieder einen Blick und sahen sich dann beide in der Hütte um. Ihr Plan war offensichtlich, ihr Misstrauen oder ihr Verdacht augenfällig. Sie wandten sich ihm wieder zu.

„Die Gastfreundlichkeit des Lairds gilt auch für euch beide. Ihr werdet euch über die Reichhaltigkeit oder die Qualität seines Essens nicht zu beklagen haben, noch über die Sauberkeit seiner Burg.“

Er erhob sich und wartete, während Sven und Magnus ihr Bier austranken. Dann machten sich alle drei auf den Rückweg zur Burg. Es dauerte nicht lange, und entlang des Wegs nahe seiner Hütte tauchten Frauen auf. Rurik nickte ihnen im Vorübergehen lächelnd zu. Auch Sven und Magnus bemerkten sie.

„Bleibt den Jungfrauen fern. Der Laird würde Anstoß nehmen, wenn ihr mit ihnen tändelt und euch dann davonmacht. Es gibt genug andere, die sehr willig sind“, sagte Rurik und deutete mit dem Kopf auf einige Frauen. Mit ihnen hatte er sich seit Naras Abreise etliche Male vergnügt.

Sven und Magnus schenkten den Frauen ein Lächeln, während sie an ihnen vorübergingen, und nickten auch der einen oder anderen zu. Männer hatten eben Bedürfnisse, und Frauen erfüllten sie. Und wenn die Frauen es gern taten, kam das Vergnügen noch dazu.

„Eines solltet ihr wissen“, sagte Rurik mit leiser Stimme. „Sie glauben, dass alle Männer aus dem Norden so sind wie ich, wenn ihr versteht, was ich meine.“

Über die Jahre hinweg hatte er sich bei den MacLeries den Ruf eines Liebhabers von Frauen erworben und eines großen noch dazu. Sven, Magnus und er hatten genügend Nächte mit Frauen und Wein verbracht. Er wusste, dass sie ihm oder ihrem alten Erbe keine Schande bereiten würden, träfen sie hier mit Frauen zusammen.

Rurik und seine alten Freunde gingen zur Burg, wo der Laird und seine Gattin sich um ihr Wohlergehen kümmerten. Dann begaben sie sich ins Dorf zurück, wo die Frauen für eine andere Art von Wohlergehen sorgten.

Fünf Tage waren vergangen, seitdem Rurik vom Angebot seines Vaters erfahren hatte. Doch zu einer Entscheidung war er immer noch nicht gekommen. Sein Onkel sagte nichts, obwohl Rurik überzeugt war, dass er den Inhalt des Briefes kannte. Kein einziges Mal hatte Dougal davon gesprochen, was seiner Schwester, Ruriks Mutter, geschehen war. Und Rurik fragte auch nie nach, wie viel Dougal darüber wisse. Nur eines war sicher: Dougal hatte den Sohn seiner Schwester zu sich genommen und für ihn gesorgt. Und bei allem, was Rurik tat, um Teil des MacLerie-Clans zu werden, war er sein zuverlässigster Helfer gewesen.

Nun musste Rurik feststellen, dass er zögerte, über den strittigen Punkt zu sprechen. Er suchte bei seinem Freund Rat. Nach dem Nachtmahl begab er sich zu Connors Lieblingsplatz in der Burg – wenn man einmal von dem Bett seiner Frau absah. Und dort, hoch oben auf der Mauer, fand er den Laird, der das Kommen und Gehen im Burghof beobachtete.

„Also, wann brichst du auf?“, fragte Connor, als Rurik zu ihm trat.

„Ich habe mich noch nicht entschlossen, auf seinen Ruf zu antworten.“

„Rurik“, meinte Connor und schlug ihm auf die Schulter, „sobald die Worte ausgesprochen waren, hattest du dich entschieden. Sogar noch früher“, sagte er und deutete mit dem Kopf auf Ruriks Schwert. „Die Entscheidung war in dem Augenblick gefallen, als du dieses Schwert aus dem Versteck nahmst und es benutzt hast.“

„Ich …“, hub Rurik an. Aber er konnte es nicht länger leugnen.

Connor schüttelte den Kopf. „Es ist nicht nötig, dass du die Wahrheit vor mir verbirgst. Und Dougal versteht es genauso gut. Er will nur nicht mit dir darüber reden.“

Rurik fehlten die Worte, um seine Überraschung oder auch seine Dankbarkeit für das Verständnis der beiden Menschen auszudrücken, die ihm am nächsten standen. Bevor er verlegen werden konnte, streckte Connor die Hand aus. „Darf ich das Schwert sehen?“

„Ich würde meinen, du hast es nahe genug gesehen, als du am Boden lagst?“, spottete Rurik. Spötteln war so viel einfacher, als von Gefühlen zu sprechen.

„Als ich dir in die Augen sah und begriff, dass der Mann, der über mir stand und den Tod an meine Kehle hielt, nicht der Rurik war, den ich kannte, da wusste ich, dass du deine Entscheidung getroffen hast.“ Rurik ließ das Schwert aus seiner Scheide gleiten und hielt es, den Griff nach vorn gerichtet, Connor entgegen. „Wunderschön“, sagte Connor, und seine Stimme war voller Bewunderung für das Kunstwerk, das ein Schwert wie dieses sein konnte. „Es ist also das Schwert deines Vaters?“

„Und vor ihm war es das Schwert seines Vaters. Während ich aufwuchs, sah ich es immer in der Halle hinter seinem Platz hängen. Fünf Generationen von Kriegern in seiner Familie haben dieses Schwert benutzt.“

Connor trat einen Schritt zurück und ergriff mit beiden Händen das Heft. Er schwang das Schert hoch über seinen Kopf. Rurik wusste, dass die Waffe perfekt ausbalanciert und genauso tödlich wie schön war. Schweigend sah er zu, wie Connor einige Kampfbewegungen machte. Nur ein Krieger wusste eine Waffe wie diese zu würdigen. Connor konnte es.

„Und jetzt gehört es dir?“, fragte er.

„Ja, wie es scheint.“

„Wann brichst du auf?“, fragte Connor. Und fügte dann rasch hinzu: „Hast du es Jocelyn schon gesagt?“

Rurik schüttelte den Kopf. Die Gattin des Lairds war ihm eine gute Freundin geworden, doch sie würde die Nachricht seiner Abreise nicht gut aufnehmen. Und auch er würde sie vermissen.

„Feigling!“, sagte Connor. Er war einer der wenigen, der Rurik so nennen und doch weiterleben durfte, um davon zu erzählen. „Nun gut, ich werde es ihr sagen, wenn du fort bist.“

Rurik nickte und schob das Schwert zurück an seinen Platz. Worte reichten nicht, um auszudrücken, was er fühlte, und so streckte er Connor nur die Hand hin. „Laird“, sagte er und neigte den Kopf.

„Freund“, erwiderte Connor, umfasste die Hand mit festem Griff und schüttelte sie. „Bei den MacLeries wird es immer einen Platz für dich geben, Rurik. Vergiss das nicht.“

Rurik wurde die Kehle eng. Connor ließ seine Hand wieder los. Mit einem kurzen Nicken wandte Rurik sich ab. Er verließ den Laird und ging seinem Schicksal entgegen.

2. KAPITELL

Kloster der Heiligen Jungfrau
Caithness, Schotland

Margriet saß auf den Stufen, die zu der kleinen Kapelle hinaufführten, und hielt sich die Ohren zu. Wenn jetzt noch eine der Ehrwürdigen Schwestern zu heulen anfing, bekäme sie nicht übel Lust – Gott möge ihr verzeihen –, sie zu erwürgen. Zugegeben, sie waren Novizinnen und daher noch jung. Doch Schwester Madeline und Schwester Mary jammerten so laut, wie Margriet noch nie jemanden hatte jammern hören. Schwester Susan war wieder in Ohnmacht gefallen. Wenigstens ihr Geschrei hatte aufgehört.

Die Ehrwürdige Mutter, Mutter Ingrid, vom Anblick der Soldaten an ihrem Tor völlig aufgewühlt, war prompt zur Kirche gelaufen und auf die Knie gefallen, um zu beten. Sie würde auf keine Fragen und Forderungen reagieren. Üblicherweise zeichnete sich das Verhalten der Mutter durch Ruhe und Selbstbeherrschung aus. Margriet vermutete, dass es wohl mit jedermanns Ruhe vorbei war, wenn er sich einer Schar solch Furcht erregender Männer gegenübersah. Und so blieb die Verantwortung – wie gewöhnlich in den letzten Tagen – wieder einmal an Margriet hängen. Sie wusste nicht recht, was sie tun sollte.

„Mylady?“ Eine leise Stimme riss sie aus ihren Gedanken.

Margriet blickte auf und sah, dass es sich um Schwester Sigridis handelte und dass sie gar nicht flüsterte, sondern schrie. Sie ließ die Hände sinken. „Was ist, Schwester?“

„Er ruft schon wieder nach Euch.“

„Ja, Schwester. Das tut er jetzt schon seit zwei Tagen.“

„Meint Ihr nicht, dass Ihr ihm nicht vielleicht antworten solltet? Er klingt noch wütender als zuvor.“

Margriet holte tief Luft und stieß sie wieder aus, bevor sie sich erhob. Jedes Mal, wenn der Soldat ihren Namen brüllte, bekamen die Nonnen wieder ihre hysterischen Anfälle. Margriet ging auf das Haupttor zu – und auf ihn. Während sie sich das braune Gewand aus dickem Stoff zurechtrückte, das sie trug, betete sie, dass er dieses Mal nachgab und sie und die anderen endlich in Frieden ließ. Bisher hatte ihr jedoch bei jeder Begegnung sein entschlossener Gesichtsausdruck etwas anderes erzählt.

Um die Wahrheit zu sagen, unter anderen Umständen hätte sie ihn vielleicht sogar anziehend gefunden. Auf jeden Fall war er gut gebaut, und seine starken Arme garantierten denen, für die er sorgte, Schutz. Immerhin schlug er damit heftig genug an das hölzerne Tor, um es fast zu zerbrechen. Sein Kopf, den er sich gewöhnlich kahl zu scheren schien, war jetzt mit hellem, flaumigem Haar bedeckt. Doch anstatt dass es seine Erscheinung beeinträchtigte oder seine Härte milderte, verlieh es ihm ein gefährliches Aussehen. Es juckte Margriet in den Fingern, dieses Haar zu berühren, zu prüfen, ob es wirklich so weich war. Die Haare waren das einzig Weiche an ihm. Schon die Wildheit seiner tiefen Stimme ließ ihr Herz vor Entsetzen rasen.

Da sie diejenige war, die er suchte, war Margriet höchst verärgert über sein Benehmen und die Art, wie er ihre Zustimmung zu erhalten versuchte. Schwester Sigridis blieb zurück und hielt sich in einiger Entfernung vom Tor auf, während Margriet in den Wachturm hinaufkletterte, um über die Mauer zu blicken.

„Ich bat Euch doch, die guten Schwestern nicht länger in Angst und Schrecken zu versetzen, Sir.“

In ihren Ohren hörten sich die Worte sehr tapfer an. Jetzt wartete sie auf seine Antwort. Margriet trat einen kleinen Schritt vor, sodass sie auf ihn hinunterblicken konnte. Der Mann trat einige Schritte zurück, damit er zu ihr hinaufsehen konnte. Da sie das Gewand einer Nonne trug, wusste sie, dass er nicht viel mehr als einen kleinen Teil ihres Gesichts erkennen konnte. Das stoffreiche Gewand bedeckte sie von den Schultern bis zu den Füßen, der Wimpel und der lange Schleier bedeckten alles andere.

„Und ich bat, Lady Margriet möge sich zeigen, damit man sie nach Hause geleitet, Schwester. Tritt das eine ein, erfolgt gewiss auch das andere“, rief er ihr zu. Wenn er nicht so brüllte, konnte seine Stimme ganz angenehm sein – für einen Barbaren.

„Lady Margriet hat ein Gelübde abgelegt … ein Schweigegelübde …“, antwortete sie. Das war doch ein ausgezeichneter Grund, nicht mit ihm zu sprechen, dachte sie. „Und sie fürchtet um ihre Seele, sollte sie es brechen.“

Das schallende Gelächter der Männer unter ihr erfüllte die Luft. Offensichtlich hielten sie eine Frau nicht für fähig zu schweigen.

„Bringt sofort das Mädchen her!“ Jetzt brüllte er wieder und hämmerte gegen das Tor. Margriet befürchtete, das Tor würde seiner Kraft bald nicht mehr standhalten.

„Nur einen kleinen Aufschub, bitte, Sir. Lasst mich sehen, ob ich sie überzeugen kann, Euch zu treffen“, schlug Margriet vor.

Unten brach unter den Männern ein heftiges Gemurmel aus, und sie besprachen sich eifrig. Dann kam die Antwort. „Eine Stunde, gute Schwester. Ihr habt nur eine Stunde Zeit, das Mädchen davon zu überzeugen, dass es mit mir sprechen muss. Sonst werde ich dieses Kloster niederbrennen und es eigenhändig herausholen.“

Sie wusste genau, welche Folgen seine Drohung gleich haben würde. Schon fingen ihr linkes Auge und die Augenbraue an zu zucken. Im nächsten Moment kniff Margriet die Augen zu und knirschte mit den Zähnen.

Lautes, hysterisches Geschrei und Gejammer hub in der Kapelle an und breitete sich aus, als die Novizinnen und auch einige der Frauen, die keine Nonnen waren, in den entsetzlichen Chor einstimmten. Die wenigen Männer, die hier arbeiteten, die Felder bestellten und die schweren Arbeiten ausführten, welche die Frauen nicht tun konnten, sahen Margriet besorgt an. Sie konnten das Kloster nicht gegen den Angriff dieses Soldaten verteidigen. Neben ein paar Messern, einem Bogen und einem Köcher Pfeile für die Jagd besaßen sie keine Waffen außer einigen bäuerlichen Werkzeugen.

Margriet stieg rasch wieder hinunter und winkte Schwester Sigridis zu sich. Die Nonne schüttelte aber den Kopf. Das einfältige Mädchen glaubte womöglich, Margriet wolle sie hinausschicken, um auf die Forderungen des Soldaten zu antworten. „Bitte, Schwester, sagt der Ehrwürdigen Mutter, dass ich mit diesem Rurik sprechen werde und sehen will, ob ich ihn davon überzeugen kann, mich hierzulassen.“

„Seid Ihr sicher, Mylady? Wenn Ihr diese Mauern verlasst, könnte er Euch mit Gewalt nehmen.“

Obwohl es bestimmt Schwester Sigridis Absicht war, ihr Trost zu spenden, spürte Margriet bei dem Mädchen auch ein Gefühl der Erleichterung darüber, dass es nicht mit dem Mann sprechen musste. Sie machte der Schwester keinen Vorwurf daraus. Aber sie wusste jetzt, dass nur sie allein einen Kompromiss aushandeln und die Belagerung beenden konnte, bevor sie richtig begann.

„Das bin ich, Schwester.“

Margriet zog sich das Habit über den Kopf und löste Wimpel und Schleier. Sofort umfächelte sie kühle Luft. Zurzeit vertrug ihr Körper die Hitze nicht. Es war eine Erleichterung für sie, das Gewand abzulegen. Während sie einem Bediensteten die jetzt nicht benötigte Kleidung zuwarf, überlegte sie, wie sie ihre Aufgabe lösen sollte. Wie konnte man diesen Mann dazu bringen, seine Belästigungen einzustellen und fortzugehen?

Während all der langen Jahre hatte Margriet nur schriftlichen Kontakt mit ihrem Vater gehabt. Also beschloss sie, eine Botschaft vorzubereiten, die dieser Soldat anstatt ihr mitnehmen und ihrem Vater überreichen konnte.

Sie betrat das Kloster durch die Küche und beruhigte alle, die dort arbeiteten. Auch wenn sie keine Nonne war und offiziell keine Verantwortung trug, machten ihre starke Persönlichkeit und ihre Intelligenz es ihr leicht, die Ehrwürdigen Schwestern so zu lenken, dass sie taten, was sie wollte. Margriet hatte herausgefunden, dass Menschen zu führen, Spaß machte und sehr befriedigend sein konnte. Und da sie wusste, dass sie nur zum Besten der Nonnen handelte, war sie überzeugt, dass ihre Gegenwart und ihr Tun für die Klostergemeinschaft von Vorteil waren. Da nichts mehr sie ablenkte, widmete Mutter Ingrid jeden Tag mehr Stunden dem Gebet. Und das machte sie sehr glücklich. Und so erging es auch Margriet.

Sie öffnete die Tür zur Kammer der Ehrwürdigen Mutter und suchte auf dem Schreibtisch nach einem unbenutzten Blatt Pergament oder nach einem, das sie abkratzen und wieder benutzen konnte. Als sie eines fand, setzte sie sich hin und verfasste einen Brief an ihren Vater. Sie erklärte, wie sehr sie sich wünschte, bei den Schwestern zu bleiben und ein Leben der religiösen Betrachtung und des Gebets zu führen. Er würde ihr doch sicher nicht die Erlaubnis verweigern, auf diese Weise Gott dem Herrn zu dienen?

Margriet brauchte fast die ganze Stunde, um zuerst die alte Tinte von dem Schreibpergament zu kratzen und dann sorgfältig ihre Worte zu wählen und niederzuschreiben. Als sie den Brief beendet hatte und Sand über das Pergament streute, wusste sie, dass ihr Plan funktionieren würde. Sie rollte das Blatt sorgsam zusammen. Dann ging sie nach draußen, legte erneut die Nonnentracht an und sah sich nach einer Gefährtin um, die sie vor die Klostermauern begleiten sollte.

Vermutlich würde keine der Schwestern bei dieser Maskerade ihren Anweisungen folgen. Also machte Margriet sich auf die Suche nach dem Mädchen, das in der Wäscherei arbeitete und kaum je ein Wort mit irgendjemandem sprach. Wenn der Soldat aus dem Norden glaubte, Gunnars Tochter wäre immer noch ein junges Mädchen, dann würde sie ihm auch ein junges Mädchen präsentieren, und zwar eines, das beständig schwieg. Sie würde für das Mädchen sprechen. Nachdem die Magd zustimmend mit dem Kopf genickt hatte, ging Margriet mit ihr im Schlepptau zum Tor. Während Margriet darauf wartete, dass Elspeth das zweite Habit anlegte, das sie besorgt hatte, konnte sie die Männer auf der anderen Seite reden hören. Es ging Margriet nur noch darum, das Versprechen eines Waffenstillstands zu erhalten.

„Schwört Ihr, dass Ihr keine Gewalt gegen Lady Margriet anwenden werdet?“, rief sie den Männern, das heißt, rief sie diesem Soldaten zu.

„Bei Gott, Schwester, Ihr würdet selbst die Geduld der Heiligen, zu denen Ihr betet, auf eine harte Probe stellen! Bringt endlich das Mädchen heraus.“

Elspeth lächelte bei seinen Worten. Margriet hegte den Verdacht, dass andere im Kloster das Gleiche von ihr behaupteten. Margriet musste sich aber noch gegen die Stärke und die Waffen der Männer draußen rückversichern. Sie wusste, dass die Eitelkeit eines Mannes gegen ihn eingesetzt werden konnte. Und so beschloss sie, eine andere Taktik anzuwenden.

„Dies ist ein Gotteshaus, Sir. Gewiss stimmt selbst ein so gewaltiger Krieger wie Ihr im Namen des Allmächtigen einem Waffenstillstand zu.“

Die bösen, unflätigen Flüche, die selbst durch die dicken Mauern zu ihr drangen, kündeten ihr von ganz anderen Interessen, die er hatte. Doch Margriet wartete schweigend ab. Nach etlichen Minuten wilden Flüsterns und einigem Gelächter der anderen Männer gab ihr Anführer schließlich nach.

„Ihr bekommt Euren Waffenstillstand, Schwester. Und jetzt bringt das Mädchen heraus!“

Er brüllte schon wieder, und Margriet konnte das erneute Jammern der Schwestern hören. So zog sie sich den Schleier tiefer ins Gesicht und hob den Riegel des Tors. Sie schob es ein Stück weit auf und trat, gefolgt von Elspeth, durch den engen Spalt. Das Mädchen hielt den Kopf gesenkt, wie sie es ihm befohlen hatte.

„Lady Margriet?“, fragte er.

Er trat einen Schritt näher und hob das Kinn des Mädchens an, um dessen Gesicht besser sehen zu können. Der Teufel sollte den Kerl holen! Margriet befürchtete, dass Elspeth Reißaus nehmen könne. Aber das Mädchen blieb an ihrer Seite und hielt seiner Prüfung stand. Als dann allerdings sein Blick auf sie fiel und er sie anstarrte, fürchtete Margriet, in Ohnmacht zu fallen.

Seine Augen schienen bis ins Innerste ihrer Seele vorzudringen. So stark und bohrend war sein Blick, dass sie versuchte, sich von ihm abzuwenden. Doch es gelang ihr nicht. Er betrachtete ihr Gesicht, als suche er etwas darin. Dann ließ er den Blick über ihren Körper gleiten. Trotz des weiten Gewands und des Schleiers war Margriet, als würden seine Hände über ihre Haut streichen. Bei dieser Prüfung schien jeder Zoll von ihr Feuer zu fangen. Ihre Blicke trafen sich, und der Augenblick dehnte sich ins Unendliche. Schließlich hüstelten die Männer, die hinter ihm standen. Margriet riss sich zusammen und räusperte sich.

„Das ist Lady Margriet Gunnarsdottir aus Kirkvaw. Um ihrem Vater ihre Lage zu erklären, hat sie diesen Brief hier vorbereitet. Wenn Ihr so gut sein wollt, ihn ihm bei Eurer Rückkehr zu übergeben …“

Ihr Stolz darüber, dass sie ihm die Botschaft so fließend übermittelt hatte, fiel in sich zusammen, als er einfach das Siegel erbrach, mit dem sie den Brief versehen hatte, und begann, seinen Inhalt zu lesen. Dann lachte er so laut, dass sein Gelächter von den Bäumen widerhallte, die sie umgaben, und bis in den Wald hineinschallte. Schließlich reichte er einem der Männer neben ihm das Pergament. Der las es und gab es zurück. Der Mann sagte zwar nichts, aber er schüttelte den Kopf, als könne er es nicht glauben.

„Sirs, Ihr spottet über das gottgefällige, geistliche Leben, das diese Dame führen möchte. Werdet Ihr den Brief Lord Gunnar aushändigen?“

„Nein, Schwester. Überbrächten wir ihm statt seiner Tochter diesen Brief, so müssten wir alle dem Tod ins Auge blicken.“

Er ließ den Brief zu Boden fallen und trat ihn mit seinem Stiefel in den Dreck. Margriet schnappte nach Luft angesichts einer solchen Verschwendung von Pergament und versuchte, das Blatt zu retten. Da packte der Soldat sie am Arm und zog sie hoch. Margriet sah die raue Hand an, die sie gefasst hielt. Dann blickte sie in sein Gesicht. Noch nie hatte jemand sie so angefasst. Keiner würde es je wagen, sie auf diese Art zu berühren. Doch im Moment war sie nur eine einfache Schwester, die dem Auftrag dieses Kriegers im Weg stand. Ihm schien sein unangemessenes Betragen plötzlich bewusst zu werden, und er ließ sie los.

„Ich bitte um Verzeihung, Schwester“, meinte er zuvorkommend. „Ich werde ersetzen, was ich zerstört habe und dem Kloster eine großzügige Schenkung zukommen lassen, um mein Benehmen wiedergutzumachen. Natürlich erst, nachdem die Dame sich mit uns auf die Reise begeben hat.“ Dass er lächelnd seine Rede beschloss, besänftigte Margriets Furcht keineswegs. Und es lenkte sie auch nicht davon ab, wie ernst er seine Worte meinte.

Schon längst hätte Margriet die schwere Lektion über die männliche Arglist gelernt haben sollen. Aber sie war wie gebannt von der Art, wie seine festen Lippen sich zu diesem Lächeln verzogen. Es ließ seine Gesichtszüge weich werden, ohne ihnen die Männlichkeit zu nehmen. Als sein Lächeln sich vertiefte, zeigte es ihr einen Mann, der anziehender war, als sie es bei ihren ersten Begegnungen für möglich gehalten hatte.

Er überragte sie an Größe. Er machte jetzt einen Schritt auf sie zu. Margriet wich zurück. Mit einem Mal wurde sie sich der wahren Gefahr dieser Nähe bewusst. Sie griff nach Elspeths Hand und zog das Mädchen zurück durchs Tor, bevor er sie packen konnte. Die beiden Frauen stemmten sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen die Torflügel, ließen den Riegel herab und sicherten ihn. Margriet wagte gerade wieder, Luft zu holen, als seine Worte an ihr Ohr drangen. Er sprach ganz ruhig, aber was er sagte, war gefährlicher als alles, was er bis dahin von sich gegeben hatte.

„Lady Margriet, ich weiß nicht, wer dieses Mädchen ist. Aber wenn Ihr Euch mir nicht bei Sonnenaufgang außerhalb dieses Tors präsentiert, werde ich das Kloster niederbrennen.“

„Sir …“, begann sie, stockte aber, als er sie unterbrach.

„Glaubt nicht, dass Ihr mich noch einmal zum Narren halten könnt. Seid bei Sonnenaufgang vor dem Tor. Wenn ich Euch sonst erst einmal an mein Pferd gefesselt habe und heim zu Eurem Vater schleppe, bleiben hier nur noch Asche und jammernde Frauen zurück.“

Margriet schauderte bei seiner Drohung. Sie blickte zu Elspeth, deren Gesicht alle Farbe verloren hatte. Ihre Taktik war fehlgeschlagen. Auch wenn sie ihn nicht kannte, so zweifelte sie doch nicht an seiner Entschlossenheit. Wortlos lief sie, Elspeth hinter sich herziehend, zur Kapelle. Am Ende war Mutter Ingrids Wunsch nach Abgeschiedenheit und Gebet eine bessere Lösung als alle ihre Pläne?

Es brauchte einige Zeit, die Schwestern und alle anderen zu beruhigen. Noch mehr Zeit brauchte sie, um ihr Schicksal zu akzeptieren. Sie wollte einfach nicht glauben, dass dieser Mann derart drastische Maßnahmen ergreifen würde, um sie zu zwingen, das Kloster zu verlassen. Doch als Schwester Sigridis meldete, dass die Männer Holz im Wald sammelten, um es zu einem mächtigen Stoß aufzuschichten, konnte sie die Wahrheit nicht mehr leugnen. Nach all den schönen Jahren, welche die Schwestern ihr hier im Kloster bereitet hatten, würde sie nicht zulassen, dass sie jetzt wegen ihr leiden mussten.

Während sie in dieser Nacht auf ihrer Matratze lag und darüber nachdachte, dass sie so gut wie keine andere Wahl hatte, erkannte Margriet, dass die Schwestern sie nie bitten würden, das Kloster zu verlassen. Noch würden sie sie dazu zwingen. Aber Margriets Gewissen konnte es gar nicht so weit kommen lassen. Während sie mit der Hand über ihren sich langsam rundenden Leib strich, überlegte sie, ob am Ende alles vielleicht Gottes Werk war. Finn hatte ihr die Ehe versprochen. Aber etwas war geschehen und hatte ihn gezwungen, sie zu verlassen, bevor er sein Versprechen einlösen konnte. Wenn sie diese Männer nach Kirkvaw begleitete, ihn fand und ihm die Wahrheit über ihren Zustand offenbarte, würde er zu seinem Wort und zu seiner Liebe stehen.

Würde er doch?

Margriet glaubte, gerade erst die Augen geschlossen zu haben, als sie aufwachte, weil jemand sie heftig rüttelte. Während sie sich die Augen rieb und hoffte, dass sie nicht die Übelkeit, die sie bisher jeden Morgen geplagt hatte, überfiel, richtete sie sich auf – und begegnete den sehr besorgten Blicken von vier Schwestern.

„Was ist los?“, fragte sie, während sie vom Lager aufstand und ihre Stiefel anzog. Auf dem Weg zur Tür strich sie sich die vom Schlaf zerzausten Haare aus dem Gesicht und wartete darauf, dass eine der Schwestern ihr erklärte, was geschehen war.

Der Geruch von brennendem Holz verkündete ihr mehr als alle Worte. Margriet stürmte aus der kleinen Kammer und rannte zum Tor. Sie wusste, dass sie dem Schicksal nicht länger entgehen konnte. Also hob sie den Riegel hoch und ließ ihn zu Boden fallen. Obwohl alle Nonnen sie beobachteten, hielt keine sie auf oder versuchte, sie zum Bleiben zu überreden. Der immer dichter werdende Rauch brannte ihr in den Augen, als sie nach draußen trat und sich ihrem Gegner stellte.

Fünf Männer standen mit lodernden Fackeln in den Händen da und warteten auf den Befehl ihres Anführers.

Ein schwacher Ausdruck des Triumphs huschte jetzt über sein Gesicht. Und bevor sie noch reagieren konnte, trat er mit ein paar großen Schritten dicht vor sie. In seinen Händen hielt er keine Fackel, sondern ein Stück Seil. Und sie vernahm seine drohenden Worte.

„Kommt Ihr freiwillig mit oder muss ich Euch fesseln?“

Keiner von denen, die zusahen, ließ einen Laut hören. Noch regte sich einer von ihnen, während Rurik auf ihre Antwort wartete. In diesem Augenblick erinnerte sie sich an das Blut ihrer Ahnen, das durch ihre Adern floss. Es weckte ein Selbstbewusstsein in ihr, wie sie es so noch nie gespürt hatte.

„Ich bin Margriet Gunnarsdottir und werde Euch freiwillig folgen, wenn Ihr mir die Sicherheit derer garantiert, die im Kloster sind.“

Beide wussten sie, dass ihr gar keine andere Wahl blieb. Doch dann tat er etwas völlig Unerwartetes. Statt hämisch zu grinsen, wie es die meisten in dieser Situation getan hätten, lächelte er sie an, und sie spürte, dass ihre Entscheidung ihn stolz machte. Respekt lag in seinem Blick, sodass Margriet innerlich ganz warm wurde. Dann forderte er die Männer auf, ihre Fackeln zu senken. Wie ein Mann verneigten sich alle vor ihr.

Einen Augenblick lang stand Margriet verblüfft da und versuchte, sich über ihre Gefühle klar zu werden. Da überkam sie plötzlich wieder diese leidige Übelkeit. Es blieb ihr keine Zeit mehr, eine Warnung auszusprechen. Sie erbrach sich auf die Stiefel des Mannes. Das Erbrechen drückte nun aber ganz und gar nicht die Gefühle aus, die sie eigentlich hatte zeigen wollen.

Oder vielleicht doch?

3. KAPITEL

Rurik verspürte eine gewisse Befriedigung, als Margriet sich seinem Befehl fügte. Doch das Gefühl wurde getrübt durch das, was sie dann tat. Nun gut, er hatte seine Beute gestellt. Und der Auftrag, den sein Vater ihm gegeben hatte – zweifellos wollte er ihn prüfen –, würde bald ausgeführt sein. Bei jemandem, der dem schwachen Geschlecht angehörte, konnte solch eine nervöse Reaktion wohl als normal betrachtet werden. Jedenfalls hatten seine Stiefel im Laufe der Zeit schon Schlimmeres erlebt. Ihretwegen machte er sich keine Sorgen … nun, jedenfalls keine allzu großen. Es würde sich abwaschen lassen.

Die Tore standen jetzt offen, doch die Bewohner des Klosters blieben außer Sichtweite. Eine Nonne stand in der Tür zur kleinen Kapelle. Sie schien der Beobachtungsposten der Ehrwürdigen Schwestern zu sein. Immer wenn Rurik oder einer seiner Männer etwas sagten, grunzten, ausspuckten oder sich nur bewegten, wandte sie sich um und flüsterte mit denen, die sich im Innern des Gotteshauses aufhielten. Sven und Magnus bekamen das ziemlich rasch spitz. Jetzt gestikulierten und sprachen sie nur noch, um zu sehen, welche Reaktion ihr Verhalten hervorrief. Die Nonne hatte noch nicht bemerkt, dass sie der Grund für ihre Belustigung war. Rurik hätte den beiden Einhalt gebieten müssen. Sich auf Kosten der Klosterfrauen lustig zu machen, war etwas, dass er nicht gutheißen konnte. Doch es war ein harmloser Spaß, der schließlich niemanden verletzte.

Ein heftiger Windstoß trug einen Übelkeit erregenden Geruch an seine Nase. Rurik wusste, dass das Erbrochene schwer zu entfernen sein würde, wenn es erst einmal auf seinen Stiefeln eingetrocknet war. Er sah sich in dem kleinen ummauerten Hof um und entdeckte einen Brunnen. Nichts deutete darauf hin, dass die Dame gleich auftauchen würde. Vor ihrem Aufbruch würde er also sicher noch genügend Zeit haben, sich um seine Stiefel zu kümmern. So ging er zu dem Brunnen. Als er nach dem Eimer greifen wollte, näherte sich ihm überraschend ein alter Mann.

„Sie ist noch nicht viel geritten!“, platzte er ohne Vorwarnung heraus.

Rurik fuhr mit seiner Arbeit fort. Er warf den Eimer in den Brunnen und zog ihn hoch, als er voll war. Dann ließ er das Wasser über seine Stiefel laufen. Er benutzte den einen Fuß, um damit das Erbrochene von dem anderen abzukratzen und fuhr damit fort, bis er den meisten Schmutz entfernt hatte. Das war der eine Grund, warum er nicht antwortete. Der andere war, dass er wusste, sein Schweigen würde den alten Mann dazu bewegen weiterzusprechen. Tatsächlich brauchte er nicht lange zu warten.

„Seitdem ihr Vater sie hierher schickte, hat sie das Kloster nicht verlassen“, meinte er.

Rurik bemerkte, dass der Mann nicht aufrecht stand. Durch seine vielen Lebensjahre schien er geschrumpft zu sein. „Was hat das mit mir zu tun, alter Mann?“, fragte Rurik. Nachdem der unangenehm riechende Schmutz von seinen Stiefeln entfernt war, warf er den Eimer wieder dorthin, wo er ihn gefunden hatte, und sah den Mann an. „Glaubst du, dass ich sie misshandeln werde?“

„Gunnars Tochter ist etwas Besonderes und sollte mit Respekt behandelt werden“, erwiderte der Mann und richtete sich zu einer Größe auf, die Rurik nicht für möglich gehalten hätte. „Du wirst mir für jedes Übel, das ihr zustößt, Rede und Antwort stehen.“

Rurik war versucht zu lachen, doch er beherrschte sich. Sie beide wussten, dass der Mann ihn, was Kraft und Geschicklichkeit betraf, niemals würde besiegen können. Aber Rurik achtete seinen Versuch, ihn einzuschüchtern. Interessanter war, dass die Worte und die Inbrunst, mit der sie gesprochen wurden, Rurik viel über seinen wahren Gegner in dieser Auseinandersetzung verrieten – Lady Margriet.

Rurik verbeugte sich vor dem alten Mann und nickte. „Du hast mein Wort. Solange sie unter meinem Schutz steht, wird ihr nichts Schlimmes zustoßen, alter Mann.“

Der Alte starrte Rurik angestrengt an. Offensichtlich dachte er über dessen Versprechen nach. Dann gab er ein Grunzen von sich und nickte. „So sei es.“

Mit dem Stolz eines Hochlandkriegers streckte er den Arm aus und bot ihn Rurik an. Rurik trat zu ihm und umfasste den Arm. „Wie nennt man dich, alter Mann? Und was ist deine Aufgabe hier?“

„Man nennt mich Black Ian, und ich sorge für die Herden.“

Irgendwann in seinem Leben mochten seine Haare wohl einmal schwarz gewesen sein. Doch jetzt hätte es besser zu ihm gepasst, wenn man ihn den Grauen oder den fast kahlen Ian genannt hätte. Die plötzliche Aufregung, die vom Hauptgebäude ausging und sich bis in den Hof fortpflanzte, unterbrach jede weitere Unterhaltung. Unwillkürlich fasste Rurik nach seinem Schwert, während er sich umwandte, um sich dem Tumult zu stellen. Als er eine Gruppe Frauen aus dem Kloster kommen sah, wusste er, dass sein Schwert nicht benötigt wurde.

Die weinende Gruppe barg in ihrer Mitte die Frau, von der sie gerade gesprochen hatten. Sie allein weinte nicht, noch gab sie irgendeinen Laut von sich, während alle auf ihn zukamen. Ein Nonnenschleier bedeckte ihr taillenlanges schwarzes Haar und auch den größten Teil ihres Gesichts. Ihre Augen, die vom hellsten Blau waren, das Rurik je gesehen hatte, hoben sich leuchtend von ihrer blassen Haut ab. Zumindest von der Haut, die Rurik zu sehen bekam. Zum ersten Mal überlegte Rurik, ob sie nicht vielleicht doch ihr Gelübde abgelegt hatte.

Während er noch den Kopf schüttelte über solch eine Verschwendung von Schönheit, machte er seine Männer mit einem Pfiff aufmerksam und deutete mit dem Kopf zum Tor. Sven und Magnus hörten mit ihren Späßen auf, gingen zum Tor hinüber und versammelten den Rest der Männer. Endlich, nach Tagen des Wartens, würde ihre Reise beginnen. Als er über die Köpfe der Nonnen hinweg, die sie umgaben, Margriets Blick auffing, war Rurik überrascht über die plötzliche Verletzlichkeit, die er darin entdeckte. In der Sicherheit des Klosters war Margriet ihm furchtlos erschienen. Jetzt, wo sie dabei war, sich in seinen Schutz zu begeben, verrutschte ihre Maske der Tapferkeit. Er war überzeugt, dass auch die anderen es bemerkten.

Er ging auf sie zu, drängte mühelos die anderen beiseite und nahm Margriets Arm. Dann geleitete er sie zum Tor und hätte fast nicht bemerkt, wie sie stehen blieb und sich nicht mehr rührte. Wieder wurde er ärgerlich und drehte sich zu ihr um.

„Keine Verzögerungen mehr, Mylady“, befahl er. „Ich glaube, in meinen Anweisungen habe ich mich klar genug ausgedrückt. Ich gab Euch eine Stunde, nicht mehr, um Eure Vorbereitungen zu treffen.“

„Schwester!“, berichtigte sie und schürzte auf verlockend rebellische Art die Lippen. Sie bezauberte Rurik. Gleichzeitig machte es ihn wütend, dass er so auf sie reagierte. „Ihr dürft mich ‚Schwester‘ nennen.“

Es herrschte Stille. Jeder wartete auf seine Antwort. Trotz ihrer Tracht und ihres Schleiers war Rurik sich ihres Standes immer noch nicht so recht sicher. Aber er war bereit, ihr im Zweifelsfall zu glauben. „Gut, dann Schwester. Wir haben nur noch ein paar Stunden Tageslicht, und ich möchte jeden Augenblick davon nutzen. Auch, um dich so weit wie möglich von hier fortzubringen und um dann die Wahrheit über dich herauszufinden.“

Was sie nun tat, überraschte ihn. Sie trat nahe an ihn heran und beugte sich so dicht zu ihm, dass er den Kopf senken musste, um ihre Worte zu verstehen. „Ich möchte Euch noch um ein paar Minuten bitten. Ich will von der Ehrwürdigen Mutter Abschied nehmen.“ Margriet sah ihn an. Er entdeckte Tränen in ihren Augen. „Ich habe hier länger gelebt als bei meinem Vater. Ich bitte Euch zu gehen, damit ich noch einmal unter vier Augen mit der Ehrwürdigen sprechen kann, bevor ich das Kloster verlasse.“

Rurik hob den Kopf und sah zu jenen hinüber, die im Klosterhof standen und sie beobachteten. Er holte tief Luft, stieß sie wieder aus und hatte gute Lust, um sich zu schlagen. Er und seine Männer warteten nun schon seit fast drei Tagen, während die Frau vor ihm all seine Versuche durchkreuzte, seinen Auftrag auszuführen. Ja, er wollte endlich diesen Ort verlassen und seine – ihre – Reise nach Norden beginnen. Doch bis jetzt hatte Margriet durch ihr Tun klar gezeigt, dass sie nicht nach Hause zurückkehren wollte. Vielleicht waren der Ton des väterlichen Briefs oder auch nur einige Worte darin der Grund für ihr Zögern. Ungeachtet dessen würde Rurik doch eher ihr Begleiter als ihr Wächter sein.

Er beschloss, eine andere Taktik anzuwenden, und wandte sich der Kapelle zu. „Ich würde gern selbst mit der Ehrwürdigen Mutter sprechen. Vielleicht beunruhigt Euch diese Abreise weniger, wenn ich der Mutter versichere, dass Ihr bei mir in Sicherheit seid.“

Margriet schüttelte so heftig den Kopf, dass ihr Schleier flog. „Nein, Sir. Sie sagte, dass Ihr sie in Angst und Schrecken versetzt, und dass sie nicht mit Euch sprechen will.“

„Dann beeilt Euch, My– Schwester. Wir müssten schon längst unterwegs sein.“

Er wollte ihr nicht den Sieg überlassen und ging zum Tor. Die Arme vor der Brust verschränkt, erwiderte er den Blick seiner Männer. Sie sollten ja keinen Ton sagen! Und klug wie sie waren, taten sie das auch nicht. Stattdessen erledigten sie die letzten Handgriffe beim Beladen der Pferde.

Es waren wirklich kluge Männer.

Schneller, als er es für möglich gehalten hatte, tauchte die Dame wieder auf, gefolgt von der jüngeren Frau, die sie versucht hatte, als sich selbst auszugeben. Fast hätte Rurik laut aufgelacht, als er sah, dass die beiden immer noch ihre Schwesterntracht trugen. Er trat zur Seite und erlaubte ihnen vorbeizugehen. Dann sah er zu, wie seine Männer sie zu den Pferden führten, die sie ihnen für den Ritt nach Norden mitgebracht hatten, und ihnen in den Sattel halfen.

Einige Minuten später, nachdem das Hab und Gut der Damen auf den Pferden festgezurrt war, befanden sie sich endlich auf dem Weg.

Margriet kämpfte gegen das Bedürfnis an zurückzublicken und verlor den Kampf. Der Ort, den sie ihr Zuhause nannte, und die Menschen, die ihre Familie geworden waren, nachdem ihr Vater sie nach Caithness verbannt hatte, verloren sich immer mehr in der Ferne. Jetzt musste sie darum kämpfen, dass ihr die Tränen, die ihr in Augen und Kehle brannten, nicht über die Wangen liefen. Nach einem letzten Blick und einem tiefen Atemzug wandte sie sich wieder um und sah auf die vor ihr liegende Straße.

Während sie sich erneut getrocknete Kräuter in den Mund steckte und darauf herumkaute, um die Übelkeit zu vertreiben, gab sie sich alle Mühe, ihre Gedanken auf die Zukunft anstatt auf die Vergangenheit zu konzentrieren. Sie klammerte sich an die Vorstellung, dass diese unerwartete Veränderung ihres Lebens jetzt vielleicht sogar das, was sie für unmöglich gehalten hatte, beschleunigte. Und ihr wurde bewusst, dass sie das erste Mal nach so vielen Jahren die Welt außerhalb des Klosters zu sehen bekam. Sie würde ihre Heimat wiedersehen und das Meer. Der Gedanke an donnernde Wellen und tosendes Wasser weckte mit einem Mal die Hoffnung in ihr. Sie wurde ganz aufgeregt und versuchte zu lächeln. Am Ende würde aus diesem chaotischen Beginn vielleicht doch noch etwas Gutes erwachsen.

Das Sonnenlicht durchdrang das dichte Blätterdach, hüllte sie ein und malte verstreut Schatten auf den feuchten Grund. Auch wenn dieser Teil der Straße ihr nicht unbekannt war, so war es doch ihr Anblick. Wenn die Männer, die ihre Gruppe anführten, einen Sonnenstrahl durchritten, wurden ihre Gestalten in schimmerndes Gold getaucht. So- sehr sie auch versuchte, nicht hinzuschauen, sie verlor den Kampf und bewunderte diese männliche Schönheit.

Trotz der Jahre, die sie im Kloster gelebt hatte, und trotz ihrer in der Vergangenheit begangenen Verfehlung, deren Preis sie noch würde zahlen müssen, erlaubte Margriet sich das Vergnügen, den Männern, die sie begleiteten, einen Blick zu schenken. Zumindest jenen, die ihr vorgestellt worden waren.

Jeder war auf seine Weise anziehend, und bis auf den letzten Mann hatten sie alle die Körpergröße der nordischen Krieger aus alten Zeiten geerbt. Da war Magnus mit seinem dunklen Haar und den dunklen Augen, die ihn geheimnisvoll und fast gefährlich erscheinen ließen, außer wenn er lächelte. Dann verschwand dieser Eindruck. Sven war, was die Farbe betraf, das genaue Gegenteil von Magnus. Er erlaubte seinem weizenfarbenem Haar frei über seinen Rücken zu fallen. Und Margriet bemerkte, dass seine Augen die Farbe des Himmels bei Sonnenuntergang hatten.

Die Bäume wiegten sich im Wind, und das Licht fiel auf den Anführer ihrer Eskorte. Rurik – er hatte ihr seinen Namen genannt, ohne den seiner Familie oder seines Vaters hinzuzufügen. Es war kein unüblicher Name in Kirkvaw oder auf den Orkneyinseln. Margriet hatte also keine Möglichkeit, ihn mit der einen oder anderen Familie in Zusammenhang zu bringen, außer er enthüllte ihr seine Herkunft. Sie hatte die Stirn gerunzelt über so viel Verschlossenheit. Doch er war standhaft geblieben, und sie ließ es für den Augenblick dabei bewenden. Ihr Vater würde ihr sicher nur einen angesehenen, vertrauenswürdigen Mann schicken. Während sie nach Norden ritten, um dann übers Meer zu den heimatlichen Orkneyinseln zu segeln, würde sie außerdem noch genügend Zeit haben, seine familiären Bindungen herauszubekommen.

Margriet spürte ein leises Flattern im Magen. Das Atmen wurde ihr schwer, wenn sie sich an seine Kraft und seine Nähe erinnerte. Und ganz besonders daran, wie seine Augen die Farbe wechselten. Vom Grün der Blätter, die sie umgaben, hin zur Farbe des Smaragds, der den Knauf des Schwerts ihres Vaters zierte. Plötzlich wandte Rurik sich um, als habe er ihre Gedanken vernommen, und sie traf ein durchdringender Blick. Jetzt stockte ihr wahrhaftig der Atem.

Obwohl sie ihn nur einen kurzen Moment lang aus der Ferne betrachtet hatte, befürchtete Margriet, dass er es bemerkt haben könnte. Sie zwang sich, die Augen zu senken. Unruhig rutschte sie auf ihrem Pferd umher. Für eine Nonne war es ungebührlich, prüfende Blicke auf einen Mann zu werfen. Sie musste an ihre Verkleidung denken, sonst würde die Maskerade ihr oder Elspeth wenig nützen und ihnen keinen Schutz bieten.

Als sie das nächste Mal den Blick zu heben wagte, beobachtete Rurik sie immer noch. Jetzt war es an ihm, den nun schon länger währenden Kontakt zu unterbrechen. Während er sich abwandte, sagte er etwas zu Magnus. Welche Bemerkung er auch gemacht haben mochte, sie schien sich auf Margriet bezogen zu haben, denn Magnus lenkte sein Pferd zur Seite und erlaubte dem Rest der Gruppe, an ihm vorbeizuziehen … bis er auf gleicher Höhe mit ihr war.

„Schwester“, begann er. Er schien dabei aber nicht über das Wort zu stolpern wie sein Anführer. „Rurik fragt, ob es Euch gut genug geht, um schneller zu reiten. Wir haben noch eine weite Strecke zurückzulegen, bevor das Tageslicht schwindet.“

„Gut genug?“

„Ihr wart doch krank … vorhin.“ Wie viele Männer geriet Magnus ins Stammeln, wenn er es mit einem weiblichen Wesen und gewissen Leiden zu tun bekam. Margriet richtete sich im Sattel etwas auf und räusperte sich.

„Sagt Rurik, er muss keine Angst haben. Ich werde mit ihm Schritt halten.“

Jetzt lächelte Magnus und zeigte dabei ein angenehm männliches Gesicht mit hoher Stirn und energischem Kinn. Wenn sie sich nicht täuschte, lag ein fröhliches Leuchten in seinen Augen. Nach einem kurzen Nicken ritt er zu Rurik zurück. Als Margriet ihr Lachen hörte und die Blicke sah, die sie tauschten, war sie überzeugt, etwas falsch gemacht zu haben. Sie dachte über ihre Worte nach, konnte aber nichts Verkehrtes daran finden.

Sie würde die Männer nie verstehen.

Ein Teil dieses Problems war ihr Mangel an Erfahrung. Die einzige Erfahrung, die sie gemacht hatte, hatte sie völlig falsch eingeschätzt! Margriet hatte herausgefunden, dass sie die Fähigkeit besaß, sehr lernfähig zu sein, was neue Situationen und Umstände betraf. Der heutige Tag würde ihr Gelegenheit geben, etwas über Männer zu lernen und darüber, wie sie miteinander umgingen und sich Frauen gegenüber benahmen, die sie respektieren sollten. Wie sie die einfachen Frauen behandelten, die keinen Schutz besaßen, wusste sie schon.

Elspeth ritt an ihrer Seite. Als die Männer vor ihnen schneller wurden, trieb auch Margriet ihr Pferd an. Vorsichtig, um das Tier nicht zu erschrecken und auch, um nicht herunterzufallen, setzte sie sich fester in den Sattel. Natürlich hatte sie auch schon zuvor auf einem Pferd gesessen. Aber noch nie war sie mit derart erfahrenen Soldaten unterwegs gewesen, deren unangestrengte Haltung den Anschein erweckte, als verbrächten sie ihr ganzes Leben im Sattel.

Der Nachmittag verging quälend langsam. Margriet war nahe daran zu glauben, dass Rurik jetzt, wo sie unter seiner Aufsicht stand, kein Erbarmen mehr kannte. Ihr ganzer Körper schmerzte. Bald war sie bereit, Rurik um das zu bitten, was er ihr anscheinend nicht gewähren wollte. Oder nicht gewähren konnte.

„Sir …“, rief sie mit schwacher Stimme. „Sir!“

Die Männer trugen ihre Botschaft weiter, bis sie hörte, wie Rurik einen Befehl rief. Jeder Muskel ihres Rückens und ihrer Beine schien aufzuschreien, während sie sich auf dem armseligen Kissen aufrichtete, das ihr Hinterteil vor den schlimmsten Folgen eines solchen Ritts schützen sollte. Es war dieser Aufgabe ganz und gar nicht gerecht geworden. Ihre früheren Reitübungen auf dem fast lahmen Pony des Klosters hatten sie nicht im Geringsten darauf vorbereitet, in solchem Tempo ein Pferd wie dieses zu reiten. Margriet wischte sich den Schweiß von der Stirn und sah, wie Rurik vom Kopf des Zuges her auf sie zuritt und an ihre Seite kam.

„Ich muss gestehen, Sir …“, begann sie und wischte sich wieder mit ihrem Ärmel über Stirn und Gesicht, „… ich muss gestehen, ich bin nicht daran gewöhnt, so schnell zu reiten, und ich bitte Euch deshalb, mir … uns … eine kleine Rast zu erlauben.“

Hätte sie in diesem Moment zur Seite geschaut, ihr wäre der triumphierende Ausdruck entgangen, der sich bei ihren Worten auf seinem Gesicht zeigte. Dann folgte ein Moment der Verwirrung, und schließlich nickte Rurik nur kurz. Was hatte er geglaubt, was sie ihm gestehen wollte? Seine Worte verschafften ihr Klarheit.

„Mylady …“, sagte er und hielt wieder inne. Er räusperte sich, blickte sie an und begann erneut. „Ihr müsst nicht bitten, Schwester. Verlangt einfach, was Ihr braucht. Ich werde versuchen, Euer Verlangen zu stillen.“

Bei seinen Worten stand ihr der hübsche Mund vor Erstaunen ein wenig offen, und ihre eisblauen Augen weiteten sich. Dann sah Rurik, wie sich eine verräterische Röte über ihre Wangen ergoss, und er fühlte, dass seine Männlichkeit hart wurde.

Bei den Reizen Freyas! Sie war wundervoll, wenn sie sich aufregte!

Eigentlich hätte er sie um Verzeihung bitten müssen. Stattdessen fühlte er, wie er immer noch auf das plötzliche Aufblitzen in ihren Augen reagierte. Es enthüllte ihm so viel! Schon vor Langem hatte er gelernt, im Gesicht einer Frau zu lesen. Und das ihre verriet ihm, dass Schwester Margriet mehr über die Liebeskunst wusste, als eine Nonnen wissen durfte.

Er hätte schwören können, dass sie seine zweideutigen Worte verstanden hatte. Und aus der Art, wie seine Männer im Sattel hin und her rutschten und sich bemühten, nicht zu ihnen hinüberzuschauen, wusste er, dass auch sie den Doppelsinn erfasst hatten. Margriet machte den Mund zu und schluckte einige Male. Leider verwehrte die klösterliche Tracht ihm einen Blick auf ihren hübschen Hals.

„Eine kurze Rast“, sagte sie endlich. „Ich spüre meine Beine nicht mehr, Sir“, fügte sie so leise hinzu, dass nur er es hören konnte. Vermutlich hatte sie gar nicht bemerkt, dass die anderen Männer in dem Bemühen zu hören, was sie sagte, schon fast von ihren Pferden fielen.

Rurik sah sich um, bedachte die Strecke, die sie bereits zurückgelegt und das Stück Weg, das sie noch vor sich hatten, bevor sie ihr Lager für die Nacht aufschlagen konnten, und nickte. Er sorgte sich um ihre Sicherheit. Sie hatten bereits einige Stunden verloren, und deshalb war er wirklich nicht erfreut darüber, jetzt eine Pause einzulegen. Er warf einen Blick auf die andere junge Nonne und bemerkte, wie blass sie war. Die beiden Frauen waren wirklich keine erfahrenen Reisenden.

Er hob den Arm und gab den Männern das Zeichen anzuhalten. Dann beobachtete er, wie einige zum Anfang und zum Ende des Zuges ritten und Posten bezogen. Von dort aus konnten sie die Truppe vor allen Überraschungsangriffen schützen. Rurik glitt vom Pferd und übergab einem der Männer die Zügel, damit er selbst den Frauen beim Absteigen helfen konnte. Als er die Hände ausstreckte, um Margriet aus dem Sattel zu heben, schüttelte sie den Kopf.

Etwas hatte er sehr früh in seinem Leben gelernt. Dass es nämlich Menschen gab, die jede Situation komplizierter machten, als sie eigentlich war, und auch, dass es unmöglich war, sie von dieser Haltung abzubringen. Margriet – Schwester Margriet – schien genau solch ein Mensch zu sein. Rurik trat einen Schritt zurück und sah mit verschränkten Armen zu, wie sie versuchte, allein vom Pferd zu steigen.

Es war klar, dass ihre Beine ihr den Dienst verweigern würden. Er erlaubte ihr, auf dem Pferd herumzurutschen und zu versuchen, aus dem Sattel zu klettern, bis ihre Unruhe das Pferd dazu brachte, nervös zur Seite zu tänzeln. Rurik trat heran, ergriff die Zügel und brachte das Pferd wieder unter Kontrolle.

Gunnars Tochter besaß einen störrischen Charakter. Das konnte man an der Art erkennen, wie sie versuchte, unbedingt ihre Beine über das Pferd zu schwingen, obwohl die sich einfach nicht mehr bewegen ließen. Auch wenn sie ein, zwei Mal zu ihrer Begleiterin hinüberschaute, ihm schenkte sie keinen einzigen Blick. Eigensinnig und stolz, das war sie.

Keine der beiden Eigenschaften war ein Attribut, das er bei einer Braut Jesu erwartet hätte. Vielleicht war sie ja deswegen von Gunnar verbannt worden …? Hatte Gunnar vielleicht gehofft, die guten Schwestern würden ihr diese Attribute durch Arbeit, Gebet oder Schläge austreiben? Was Rurik über Gunnars Tochter wusste – und das war wegen seines Alters und seines damaligen Interesses am schönen Geschlecht nicht viel – war, dass ihre Mutter bald nach Margriets oder der Geburt eines anderen Kindes starb. Und Margriet war dann fortgegangen. Wenn er so zurückdachte, dann war wohl zur gleichen Zeit der Kampf um die Herrschaft über die Orkneys ausgebrochen. Und bei der Ungewissheit, was die politische Lage und die Loyalität der Männer betraf, war es von Gunnar sehr klug gewesen, Margriet in den Süden zu schicken. Nun, da Caithness der Herrschaft eines schottischen Earls unterstellt und Erengisl von Schweden fest als Earl der Orkneys etabliert war, hielt ihr Vater die Zeit wohl für günstig, sie wieder nach Hause zu holen. Wahrscheinlich tat er dies in der Absicht, sie zu verheiraten.

Während Rurik ihr dabei zusah, wie sie fast vom Pferd stürzte und ihn trotzdem immer noch nicht um Hilfe bat, kam ihm der Verdacht, dass ihr Vater genauso erstaunt sein mochte wie er, wenn er erfuhr, dass Margriet sich dem Klosterleben verschrieben hatte. Als er dann merkte, dass sie gleich herunterfallen und im Schmutz landen würde, streckte er die Arme aus und packte ihre Taille. Sie vom Pferd zu heben, bedeutete für ihn nicht mehr, als ein Kind herunterzuheben. Sie zu heben war nicht das Problem.

Als er ihre schmale Taille spürte und das Beben ihrer Hüften fühlte, wurde das Loslassen zu einem Problem für ihn.

Nein, dachte er im nächsten Augenblick, der wirkliche Verdruss begann, als sie sich gegen seinen Griff wehrte. Dabei rutschte seine Hand nämlich hoch und landete auf ihrem vollen Busen. Margriet war es nicht entgangen. Das Aufblitzen ihrer hellen Augen und die Art, wie still sie danach wurde, verrieten es.

Das Beste – nun, das Höflichste wäre gewesen, sie sofort loszulassen. Doch im Moment hatte er wirklich keine Lust, höflich zu sein. Sein Körper reagierte. Das Blut floss heiß durch seine Adern und weckte in ihm den Wunsch, das zu tun, wofür seine Vorfahren berühmt gewesen waren – sie zu nehmen und die Lust zu genießen.

Bei Odin, er konnte die Sagen der Alten verstehen! Sein Körper verstand sie und war bereit. Und als Margriet ihm die Hand auf die Schulter legte, war er nahe daran, alles um sich herum zu vergessen.

„Ich danke Euch für Eure Hilfe, Sir.“

Ihre Stimme durchbrach den Malstrom in seinem Kopf und bremste seine wilden Gedanken. Doch sie änderte nichts an der Hitze, die in seinen Adern brannte.

Rurik nickte und setzte Margriet auf den Boden. Er spürte, wie sie zitterte, und wartete noch etwas, damit sie ihr Gleichgewicht wiederfinden konnte. Er brauchte jetzt etwas Abstand. Deshalb wandte er sich ab, um der jüngeren Frau zu helfen. Unglücklicherweise wurde er von Magnus dieses Vorwands beraubt.

Da er dicht neben Margriet stand, hörte er ihr schweres Atmen, während sie versuchte, den ersten Schritt zu tun. Ihr Eigensinn ließ sie taumelnd gegen ihn fallen, als ihre Beine nachgaben.

„Bei Thor, My… Schwester, lasst mich Euch doch helfen“, sagte er und packte sie an den Schultern, um sie aufzufangen.

Sie hob den Kopf und zeigte mit einem Nicken ihr Einverständnis. Doch in ihren Augen flammte Zorn auf. Nach kurzer Zeit ließ er sie los und bot ihr den Arm, dann ging er an ihrer Seite.

„Ich danke Euch, Sir“, sagte Margriet nach ein paar Schritten und löste ihre Hand von seinem Arm.

Rurik sah ihr nach, wie sie davonging, zwar immer noch schwankenden Schritts, aber entschlossen. Als er sich umwandte, musste er feststellen, dass die Männer ihn mit dem gleichen Interesse beobachteten, mit dem er der Frau nachgeschaut hatte. Das war ganz und gar nicht gut.

Mit einem Kopfnicken forderte er einen der Männer auf, den Frauen zu folgen, die gerade den Pfad verließen. Anscheinend wollten sie nach der stundenlangen Reise etwas Privatsphäre haben. Rurik war kein Mann, der je seine eigenen Schwächen geleugnet hätte. Schwächen konnten seinen und den Tod derer bedeuten, denen er die Treue geschworen hatte. Und deswegen dachte er jetzt darüber nach, warum er so auf eine Nonne reagierte.

Erstens hatte er nicht erwartet, dass Gunnars Tochter schon in diesem Alter war. Die Briefe ihres Vaters hatten ihn glauben lassen, dass sie noch ein kleines Mädchen war.

Zum Zweiten hatte er nicht damit gerechnet, auf eine Nonne zu treffen – denn die Tochter eines so hoch geachteten Mannes, von dem Rurik wusste, dass er ein immenses Vermögen besaß, stellte eine begehrte Partie dar und wurde nicht der Kirche geschenkt. Ihr Anblick in der Nonnentracht hatte ihn verblüfft.

Doch darüber hinaus hätte er nie eine so energische, entschlossene, willensstarke und schöne Frau wie sie erwartet. Vom ersten Augenblick ihres Widerstands an hatte Margriet sich als stolze Tochter des Nordens erwiesen. Vom ersten Zusammentreffen bis zu ihrem letzten Befehl, den sie gab, als sie das Kloster verließ, war zu erkennen gewesen, dass sie es war, die das Kloster leitete. Mindestens fünfzig Nonnen und Laien hatte Rurik gezählt. Alle wohnten sie innerhalb der Mauern. Und vom Kleinkind bis zum ältesten Mann schienen alle wohlgenährt und bei guter Gesundheit. Selbst für einen erfahrenen Verwalter wäre das keine einfache Aufgabe gewesen, geschweige denn für eine Nonne.

Rurik musste schlucken, als er den Grund seiner Schwäche erkannte. Auch wenn er einer Nonne begegnet war, sein Körper und all seine Sinne reagierten auf die Frau unter der Schwesterntracht. Die Anziehungskraft, die er verspürte, und das Verlangen, das ihn erfüllte, konnten für ihn zu einer Gefahr werden.

Während sein Blick ihre Gestalt suchte, die gerade hinter einigen Büschen verschwand, erkannte Rurik, dass dies eine Schwäche war, die er sich nicht leisten konnte.

4. KAPITEL

Elspeths leises Schnarchen machte Margriet nur noch bewusster, dass sie selbst nicht schlafen konnte. Sie drehte der Frau neben sich den Rücken zu. Sie musste ein Stöhnen unterdrücken, als der harte Untergrund sie noch eine Stelle an ihrem Körper entdecken ließ, die ihr wegen des stundenlangen Ritts wehtat. Sie bekam einen Krampf und streckte das Bein aus, um den Schmerz zu lindern. Sosehr sie auch versucht war, sich durch einen Spaziergang Erleichterung zu verschaffen, das laute Schnarchen draußen vor dem kleinen Zelt kündete von der Unmöglichkeit ihres Vorhabens. Als sich jetzt aber auch noch Rückenschmerzen meldeten, beschloss Margriet, doch einen Versuch zu wagen.

Das Zelt, nur wenige Fuß hoch und zwei Schritte breit, sollte ihnen ein wenig Abgeschlossenheit bieten. Vorsichtig, um Elspeth nicht zu stören, schlüpfte Margriet unter der gemeinsamen Decke hervor und kroch zum Zelteingang. Da sie in ihren Kleidern schliefen, war das Ankleiden kein Problem – aber ihr Haar.

Margriet befürchtete, dass ihre Verkleidung wegen ihrer Eitelkeit noch zum Scheitern verurteilt sein würde. Besonders seitdem die Männer und ihr Anführer ihr Haar gesehen hatten, weil sie in Panik mit unbedecktem Kopf aus dem Kloster gelaufen war. Frauen, die ihr Gelübde ablegten, schnitten sich das Haar ab, bevor sie den Schleier nahmen. Dass sie ihr Haar noch besaß, weckte Zweifel an ihrer Ehrlichkeit. Und das konnte gefährlich werden. Nachdem sie sich das Haar geflochten und die Zöpfe hochgesteckt hatte, zog sie einen wollenen Schal aus ihrem Bündel. Sie legte ihn sich um den Kopf und spähte dann vorsichtig hinaus.

Der Mann, der ihr Zelt bewachte, schlief sehr nahe am Eingang. Sie würde über ihn hinwegsteigen müssen, um hinauszukommen. Doch zusammen mit Elspeths sanftem Schnarchen übertönte sein lautes Sägen jedes Geräusch, das sie machte. Rücken, Hüften und Beine meldeten sich schmerzhaft, während sie über ihn hinwegkletterte. Sie machte einen unsicheren Schritt … und taumelte gegen den Mann, den sie Sven nannten. Glücklicherweise packte er ihre Hände und half ihr, das Gleichgewicht zu halten, sonst wäre sie auf dem Boden gelandet.

„Alles in Ordnung, Schwester?“, fragte er mit leiser Stimme. Er sah zum Zelt und dann wieder auf sie. „Es ist mitten in der Nacht. Ihr solltet Euch ausruhen, solange Ihr könnt.“

Wenigstens er schien zu verstehen, wie ungewohnt und unbequem diese Reise für sie war. Ganz anders als diese Bestie, die ihre Gruppe anführte. Die trieb alle nur immerfort an, und das mit einer Sturheit, die Margriet entsetzte. Sie war es gewohnt, Verantwortung zu tragen. Wahrscheinlich war die veränderte Situation die Ursache für ihre schlechte Gemütsverfassung. Auch ihr körperlicher Zustand sorgte dafür, dass ihre Gedanken nicht zur Ruhe kamen und zerstörte jede Hoffnung auf Schlaf.

Sven räusperte sich, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Sie nickte.

„Wenn es erlaubt ist, so möchte ich ein wenig umhergehen, um die Steifheit aus meinen Beinen zu vertreiben“, flüsterte sie und versuchte, eine Sanftmut vorzutäuschen, die sie ganz und gar nicht verspürte. Sie hatte gelernt, dass Männer es gern sahen, wenn Frauen handelten, als gebe es in ihrem Kopf keinerlei Gedanke oder Plan.

Sven ließ den Blick über das Lager schweifen und sah dann wieder auf sie. In einen dunklen Mantel gehüllt, den Rücken an einen Baum gelehnt, schlief ihr Anführer Rurik im Sitzen. Hätte Sven nicht in seine Richtung geschaut, Margriet hätte ihn gewiss nicht entdeckt.

Vielleicht war das seine Absicht.

Als ihr Sven die Hand reichte, stieg in Margriet der Verdacht auf, dass Rurik durch irgendein unsichtbares Zeichen Sven seine Erlaubnis dazu gegeben hatte. Sie stützte sich auf Svens muskulösen Arm und ließ sich von ihm weg vom Zelt geleiten. Zuerst sprachen sie nicht, doch als sie sich etwas von den schlafenden Männern entfernt hatten, konnte Margriet ihre Neugier nicht mehr zügeln.

„Euer Anführer scheint nicht besonders glücklich darüber zu sein, dass er mich nach Kirkvaw bringen muss“, begann sie.

Sven ließ ein Schnauben hören und meinte dann: „Rurik ist nicht glücklich darüber, dass er überhaupt nach Kirkvaw zurückkehrt.“

„Was meint Ihr damit, Sir? Wird er denn nicht dafür belohnt werden, dass er den Auftrag meines Vaters ausführt“

„Oh ja, er wird belohnt werden, aber nicht von Eurem Vater.“ Sven beugte sich zu ihr, als wollte er ihr etwas Vertrauliches mitteilen, doch eine Stimme aus dem Dunkel hinderte ihn daran.

„Sven, du solltest nicht mit Gunnars Tochter über solch persönliche Dinge sprechen.“

Die leise Drohung, die in der Stimme lag, ließ Margriet zusammenzucken. Sven lächelte nur. Er nickte Rurik zu und ging, als habe ein stummer Befehl ihn dazu aufgefordert.

Und damit ließ er Margriet in Begleitung des Menschen zurück, dem sie lieber aus dem Weg gegangen wäre.

Rurik bot ihr den Arm, und sie legte die Hand darauf. Wortlos führte er sie im Kreis um ihr Zelt herum. Jeder Schritt fiel ihr leichter als der vorherige. Schließlich ließen die krampfartigen Schmerzen in ihrem Rücken und ihrer Hüfte nach. Rurik ging immer weiter, bis Margriet stehen blieb, als sie zum dritten Mal an ihrem Zelt angelangt waren.

„Ich danke Euch, Sir“, sagte sie, während sie beide neben dem schlafenden Wächter standen. Margriet wunderte sich, warum er den Mann nicht wach rüttelte und ihn dafür tadelte, dass er ihre „Flucht“ verschlafen hatte. Rurik schien Gedanken lesen zu können, denn er beantwortete ihre nicht ausgesprochene Frage.

„Er ist für Euer Wohlbefinden zuständig, nicht für Eure Sicherheit. Wenn ich glaubte, dass uns in dieser Gegend Gefahr droht, würde keiner der Männer schlafen.“

„Mein Wohlbefinden?“

„Ja. Solltet Ihr irgendetwas benötigen, so sagt es ihm nur.“ In diesem Augenblick erkannte sie, dass der Mann nicht schlief, sondern sie und Rurik von seinem Platz aus beobachtete. Doch der Ton von Ruriks Stimme ließ sie wieder den Blick auf sein Gesicht richten.

Der Mond schien hell in dieser Nacht und machte es ihr leicht, Ruriks Gesichtsausdruck zu erkennen. Trotzdem fiel es ihr nicht leicht, ihn zu deuten. Gern hätte sie geglaubt, dass er scherzte. Doch nichts, was sie bisher an ihm kennengelernt hatte, ließ auf etwas anderes als absolute Ernsthaftigkeit schließen.

„Also sollte ich das nächste Mal besser nicht über ihn hinwegsteigen, wenn mir nach einem nächtlichen Spaziergang ist?“ Der Wächter ließ sich keins ihrer Worte entgehen. Sagte aber nichts.

„Nein, Schwester.“ Rurik schüttelte den Kopf. „Beim nächsten Mal solltet Ihr ihn wecken, um Euch von ihm zu verabschieden.“ Der Wächter ließ ein Grunzen hören, das sehr einem unterdrückten Lachen ähnelte.

Verblüfft durch Ruriks veränderte Haltung ihr gegenüber und neugieriger, als sie es sich eingestehen wollte, beschloss sie, das Risiko einzugehen und ihm die gleiche Frage zu stellen, die sie Sven gestellt hatte, bevor sie unterbrochen worden waren.

„Dann ist es also wahr? Ihr wünscht nicht, nach Kirkvaw zurückzukehren?“

Eigentlich war das nur die erste Frage. Sie hatte noch viele, viele Fragen über ihn und Kirkvaw und ihren Vater.

„Ich möchte Euch das Gleiche fragen, Schwester. Warum wünscht Ihr nicht, nach Kirkvaw zurückzukehren?“

Sie öffnete den Mund zu einer Erwiderung. Aber die Antwort, die sie ihm geben wollte und die, welche sie geben sollte, waren nicht die gleiche. Sie hatte keine Lust, mit ihm über dieses Thema zu sprechen. Außerdem befürchtete sie, dass ihre Worte mehr verraten würden, als irgendjemand wissen durfte. Und wieder, als könne er ihre Gedanken lesen, meinte er, bevor sie noch etwas sagen konnte: „Es ist nur eine Frage, Schwester. Nur eine Frage.“

Margriet blieb nichts anderes übrig, als zähneknirschend zu schweigen. Sie wusste, dass alles falsch wäre, was sie sagen würde. Sie gestand sich ihre momentane Niederlage ein, raffte die Röcke, ging um den Wächter herum, der sich die ganze Zeit nicht gerührt hatte, und kroch ins Zelt zurück. Während sie die Eingangklappe schloss, erhaschte sie einen letzten Blick auf Rurik. In dem langen Mantel, der seine breite Brust verhüllte und fast bis zum Boden reichte, die Arme vor der Brust verschränkt, stand er immer noch da.

Mit leiser Stimme – zu leise, als dass sie etwas von dem, was gesprochen wurde, hätte hören können – unterhielt er sich mit dem Wächter, der jetzt nicht nur unverständliche Laute von sich gab. Er sprach den Dialekt des einfachen Volks der Orkneys. Margriet gab sich alle Mühe, etwas zu verstehen. Obwohl die Ländereien rund um das Kloster vor einigen Jahren unter die Herrschaft des schottischen Lord Alexander de L’Ard gekommen waren, war Earl Erengisl der wichtigste Geldgeber dieses und einiger anderer Klöster in Caithness. Auf seiner Burg sprach man das formelle Nordisch des königlichen Hofs. Mutter Ingrid, die aus einem anderen Teil Schottlands stammte, hatte Margriet in der gälischen Sprache unterrichtet, die man in dieser Gegend sprach. Doch Margriet besaß zwar Begabung für Zahlen und das Organisieren, nicht jedoch für das Erlernen fremder Sprachen.

Rurik sprach ruhig und ohne jeden Ärger. Ein kurzes, gemeinsames Lachen beendete das Gespräch. Margriet hegte den Verdacht, dass das Gelächter auf ihre Kosten ging. Als sie sich so weit nach draußen beugte, dass Rurik sie bemerkte, schickte er sie mit einer Kopfbewegung ins Zelt zurück. Sie schämte sich, weil sie nicht die Kraft fand, ihm zu widersprechen oder wenigstens zu zögern. Doch dann schlüpfte sie unter die Decke und legte sich nieder. Dieses Mal knackten ihre Gelenke zwar, aber sie schmerzten nicht mehr. Margriet machte es sich unter der Decke bequem, während Elspeth immer noch schlief.

Am nächsten Morgen ging die Sonne früher auf, oder wenigstens schien es Margriet so. Ihr war, als habe sie gerade erst die Augen geschlossen, als draußen der Befehl ertönte, das Lager abzubrechen. Wenigstens hatte sie die Geistesgegenwart besessen, die Kräuter, die sie am Morgen immer brauchte, aus ihrer Tasche zu nehmen und in Reichweite neben ihre Lagerstatt zu legen, bevor sie eingeschlafen war. Wenn sie sie sofort nach dem Aufwachen kaute und einen Schluck Wasser dazu trank, half ihr das, die morgendliche Übelkeit zu dämpfen, mit der ihr Magen zu kämpfen hatte.

Ohne die Zeit zu haben, noch ein wenig liegen zu bleiben, betete Margriet, ihr Magen möge sich wieder beruhigen. Sie wollte nicht, dass sich das Ereignis von gestern wiederholte, während sie die Decken zusammenfaltete. Sie atmete tief ein und aus, wie die Köchin es ihr geraten hatte, konzentrierte sich auf ihre Aufgabe und ihre Schritte und kämpfte gegen Wellen der Übelkeit, die in ihr aufstiegen und wieder verebbten. Falls Elspeth es bemerkte, so sagte sie nichts. Beide Frauen sahen zu, wie man ihr Zelt abbrach und einpackte. Als ihnen der Mann, der sie die Nacht über bewacht hatte, eine Schale mit etwas, das aussah wie Haferbrei, reichte, rebellierte Margriets Magen erneut.

Elspeth blieb dicht hinter ihr und verscheuchte Gott sei Dank die Männer, die ihnen folgen wollten. Resoluter, als Margriet es von dem Mädchen erwartet hatte, erklärte es den Männern, dass die Schwestern einem persönlichen Bedürfnis nachkommen müssten. Doch als Margriet auf die Knie fiel und ihr Magen seinen kärglichen Inhalt wieder von sich gab, war sie allein. Auch als das Würgen seinen Zweck erfüllt hatte, konnte sie nicht damit aufhören. Und es dauerte einige Zeit, bevor sie sich auf die Fersen hockte und nach Atem rang.

Nachdem ihr Magen sich beruhigt hatte, wischte sich Margriet zitternd den Mund ab. Das Knacken von Ästen hinter ihr verriet ihr Elspeths Kommen. Sie stemmte sich in die Höhe und drehte sich herum, um dem Mädchen für seinen Beistand zu danken. Doch statt Elspeth entdeckte sie Rurik, der einige Schritte entfernt von ihr stand und sie beobachtete. Während er sie anstarrte, schienen seine harten Gesichtszüge wie aus Stein gemeißelt. Er musterte sie, und Margriet fühlte sich wie gelähmt unter seinem prüfenden Blick.

„Sir?“ Elspeths Stimme zitterte, und Margriet wusste, ihre Stimme würde genauso zittern, wenn sie jetzt versuchte, etwas zu sagen.

Sie kämpfte gegen diese seltsame Macht an, die sie verspürte. Es war etwas, dass es ihr schwer machte, zu atmen oder auch nur den Blick von Rurik zu wenden. Mit der Hand fasste sie sich an den Kopf, um sich zu vergewissern, dass ihr Wimpel und ihr Schleier richtig saßen. Denn ihr war, als würde sie am hellen Tag nackt vor ihm stehen.

„Sir?“, fragte das Mädchen erneut.

Was immer es für ein Zauber war, der sie gefangen gehalten hatte, dieses Mal verschwand er, und beide drehten sich zu Elspeth um – und Sven und etlichen anderen. Margriet holte tief Luft und riss sich zusammen. Sie drängte sich an Rurik vorbei und ging zum Lager zurück. Als die anderen keine Anzeichen machten, ihr zu folgen, wandte sie sich zu ihnen um und versuchte, sie mit entschlossenen Worten von ihrer Lage abzulenken.

„Verzeiht mir bitte mein Benehmen. Aber ich hatte das große Verlangen, etwas Privatsphäre zu genießen.“

In der Annahme, dass die Gefahr, bei einer Unwahrheit ertappt zu werden desto geringer war, je weniger sie sagte, wandte sie sich wieder dem Pfad zu, der zwischen den Bäumen hindurchführte.

„Verzeiht auch uns, dass wir diese Privatsphäre verletzt haben, Schwester.“

Ohne sich umzuwenden, nahm Margriet mit einem Nicken seine Entschuldigung entgegen und versuchte, das Getuschel zu ignorieren, das immer lauter wurde. Schließlich konnte sie sogar einige Worte verstehen. Wie immer war es Ruriks Stimme, die sie abrupt stehen bleiben ließ.

„Euer Würgen konnte man bis ins Lager hören, Schwester. Wir fürchteten um Euer Wohlbefinden.“

Wie sollte sie darauf reagieren? Ihr unterschwelliger Sarkasmus verwirrte sie. Sollte sie ihm sofort darauf antworten oder sollte sie warten, bis sie unter vier Augen miteinander sprechen konnten? Seine Provokation zu ignorieren – denn es war eine Provokation –, konnte nur noch mehr Ärger hervorrufen. Aber was sollte sie sagen?

„Ich danke Euch für Eure Sorge und Euren Beistand, werte Herren“, erklärte sie und sah dabei jeden von ihnen an, ihn allerdings zuletzt. „Ich fürchte, ich bin noch nicht oft genug auf Reisen gewesen, noch reite ich gut genug. Wie es scheint, rebelliert mein Körper dagegen.“

Rurik hörte sich ihre Erklärung kommentarlos an. Er wusste immer noch nicht genau, was ihm daran am meisten missfiel – dass sie nötig war, weil Margriet unter irgendetwas litt, von dem er nichts wusste, oder dass er ihre Behauptung für eine komplette Lüge hielt. Ihre überstürzte Flucht aus dem Lager, die Würgelaute, die die Stille des Waldes durchbrochen hatten, und die Art, wie ihre Augen dunkel wurden, als ihre Blicke sich trafen. Instinktiv gefiel ihm all das nicht. Aber er hätte nicht erwartet, dass die Möglichkeit, Margriet könnte ihn belügen, ihn derart faszinierte.

Rurik winkte die meisten Männer zurück an ihre Arbeit. Nur Sven und Magnus bedeutete er zu bleiben. Sie mussten für das Wohlbefinden dieser Dame sorgen. Dass sie jetzt schon zwei Tage hintereinander krank war, bedeutete nichts Gutes für ihre Reise. Sie – das hieß er – konnte nicht bei Gunnar erscheinen und dessen von der Reise halb tote Tochter im Karren hinter sich herziehen. Wenn sie die Reise überleben und er seine Aufgabe erfolgreich zu Ende bringen sollte, musste er auf ihren Zustand Rücksicht nehmen.

„Holt Eure Landkarten und trefft mich dann im Lager“, sagte er. „Ich glaube, für Gunnars Tochter sind unsere Reisepläne zu anspruchsvoll.“

„Wenigstens waren heute Morgen nicht deine Stiefel ihr Ziel“, meinte Magnus. „Wenn es Schwester Margriet schon an Land so schlecht geht, wie wird es ihr dann erst während unserer Seereise zu den Inseln ergehen?“

Rurik sah von einem zum anderen und stellte fest, dass sie genau wie er das Gesicht verzogen. Immerhin hatte er das Problem bereits jetzt erkannt. Die Frau zu zwingen, schneller zu reiten, würde nur zu einem Misserfolg führen. Trotz der Verspätung, mit der er diese Aufgabe angegangen war, würde noch lange genug gutes Reisewetter herrschen, bevor die Winterstürme die See, die sie überqueren mussten, unpassierbar machten. Das wusste Rurik. Also würden sie auf das wichtigste Mitglied ihrer Gruppe Rücksicht nehmen. Eine langsamere Reise, ein paar Tage mehr auf der Landstraße, fielen nicht ins Gewicht.

„Holt Eure Karten.“

Es brauchte nur wenig Zeit, den geplanten Verlauf der Reise zu überprüfen und dann zu entscheiden, wie und wo sie eine Pause einlegen würden. Das Kloster befand sich in der südwestlichen Ecke von Caithness, in einer Gegend, wo sich die Grenze mit jedem neuen Herrn verschob. Zu Anfang zogen sie östlich auf die Küste zu, südlich des Gebietes, wo die Ländereien von Caithness begannen. Diese Straße, die in Wahrheit kaum mehr als ein schmutziger Pfad war, würde sie an etlichen kleinen Dörfern vorbeiführen, wo sie ihren Proviant auffüllen konnten.

Der nördlichste Teil von Caithness, kurz bevor man die Küste der Nordsee erreichte, war offenes Moorgebiet. Nirgendwo gab es Wälder, die Tieren Schutz boten oder Pflanzen, die die Tiere fressen konnten. Also war es klüger, den Flüssen oder der Küste zu folgen. Diese Route würde sie einige Tage mehr kosten. Aber es war immer noch sicherer, als auf dem Meer an diesem nördlichen Teil der Küste entlangzufahren. Die Flüsse, denen sie folgten, versorgten sie mit Fisch und Wasservögeln und entschädigten sie so mehr als genug für die zusätzlichen Reisetage. Wenigstens würde das Land eben sein, und sie müssten nicht diese entsetzlichen Klettertouren auf sich nehmen, um das Gebirge zu überwinden, von dem das Kloster umgeben war.

Nachdem er die Männer fortgeschickt hatte, damit sie die Vorbereitungen für die nächste Tagesreise beendeten, blickte Rurik sich um und sah die beiden Frauen auf einem umgestürzten Baumstamm sitzen. Obwohl beide die Kleidung trugen, die sie als Mitglieder einer religiösen Gemeinschaft kennzeichnete, konnte er sich Margriet immer noch nicht als eine Ordensfrau vorstellen. Das Blitzen ihrer Augen, wenn sie herausgefordert wurde oder zornig war, zeugte gewiss nicht von der stillen Duldsamkeit, die er von jemandem erwartete, der das Gelübde des Gehorsams abgelegt hatte. Und die Art, wie sie beim Gehen die Hüften schwang! Auch die rabenschwarzen Locken, von denen er wusste, dass sie ihr immer noch über Schultern und Rücken fielen, deuteten nicht auf eine Frau hin, die freiwillig nach dem Gelübde der Keuschheit lebte.

Als er sich die Männer ansah, die ihn umgaben, stellte er fest, dass er wohl der Einzige war, der sich auf diese Weise von ihr angezogen fühlte. Die anderen sprachen in respektvollem Ton mit ihr, sahen ihr immer nur kurz in die Augen, streckten nie die Hand aus, um die ihre zu berühren, und starrten sie auch nie so an wie er es tat. Alle behandelten die beiden Frauen mit dem Respekt, den ihre Tracht verdiente.

Alle, außer ihm.

Trotz seiner Bemühungen, die Situation so zu akzeptieren, wie sie sich ihm darbot, sah er immer nur eine junge Frau vor sich. Eine junge Frau, die voller Leben war und die man an die Kirche verschwendete. Aber er musste es so akzeptieren. Seine Aufgabe war nur, sie ihrem Vater zurückzubringen und fertig. Denn just in diesem Augenblick wurden Pläne für seine Zukunft geschmiedet, und er bezweifelte, dass Gunnars Tochter darin eine Rolle spielte, auch wenn ihr Vater der High Counselor war.

Und um die Wahrheit zu sagen, auch für sie wurden Pläne geschmiedet. Wenn auch nicht von königlichem Geblüt, so war ihr Vater doch von Geburt ein reicher und mächtiger Mann. Auch er diente dem Earl of the Orkneys und regierte in dessen Namen, wenn Erengisl sich auf seinen anderen Besitztümern aufhielt oder im Auftrag des Königs unterwegs war.

Nach dem, was er Svens und Magnus’ Gesprächen entnommen hatte, würde Erengisl die Orkneys wegen wichtigen Angelegenheiten verlassen müssen. Die Lage im Königreich erforderte seinen politischen Scharfblick und seine Autorität. Er hatte vor, einen seiner Söhne in Kirkvaw zu lassen und den anderen mit der Führung des Familiensitzes in Näsby und einiger ihrer Besitztümer in der Provinz Viipuri zu beauftragen.

Während Rurik beobachtete, wie Margriet mit einer graziösen Bewegung die Hand ausstreckte und einen Becher Bier von einem der Männer entgegennahm, wurde ihm klar, wie sehr ihre Väter sich glichen. Keiner von ihnen war von königlichem Blut, doch beide hatten sie dadurch Reichtum und Macht angehäuft, dass sie denen dienten, die von königlichem Blut waren. Und Rurik wusste, dass auch Margriet und er etwas gemeinsam hatten. Beide waren sie Schachfiguren in den größeren Plänen ihrer Väter. Wegen seinen Grübeleien wäre ihm fast entgangen, was sie in diesem Moment tat. Damit seine Anwesenheit ihr nicht verriet, dass er sie beobachtete, trat er unter die Bäume zurück.

Sehr unauffällig griff sie in eine Tasche ihrer Tunika. Dann steckte sie das, was immer sie dort gefunden hatte, in den Mund. Er konnte fast fühlen, wie sie den Atem anhielt, während sie kaute. Und als sie glaubte, dass niemand sie beobachtete, goss sie den größten Teil ihres Biers in Schwester Elspeths Becher. Danach nahm sie ein kleines, viereckiges Stück Stoff und wickelte den Kanten Brot und das Stück Käse, die sie zum Frühmahl erhalten hatte, darin ein. Indem sie sich von ihrem Sitz erhob, kaschierte sie die flüchtige Bewegung, mit der sie das Bündel in ihrer Tasche verbarg.

Rurik fand das interessant. Sie nahm nichts von dem Proviant zu sich, den er mitgenommen hatte, sondern versteckte ihn, für … ja wofür? Für später? Für jemand anderen? Schwester Elspeth aß ihre Mahlzeit langsam und stetig, aber jedes Bröckchen und jeder Tropfen, den man ihr gab, wurde auch hinuntergeschluckt. Sie bat nicht um mehr. Rurik nahm also an, dass sie satt war. Von der anderen Seite des Lagers rief Sven nach ihm. Rurik ging zu ihm und verdrängte all diese Fragen, um sich dringenderen Dingen zu widmen.

Kurze Zeit später sah er, wie man den Frauen auf die Pferde half. Er konnte die Freude auf Margriets Gesicht entdecken, als sie die zusätzlichen gefalteten Decken entdeckte, die als Polster die Folgen des stundenlangen Ritts mildern sollten. Sofort schweifte ihr Blick zu ihm, und er ertappte sich dabei, wie er wieder einmal an die weiblichen Formen unter ihrer Schwesterntracht dachte.

Der Atem stockte ihm, als sie ihm ein freundliches Lächeln schenkte. Aber als sie sich über die Lippen leckte und die Worte Vielen Dank formte, lief ein Zittern durch seinen Körper, und seine Männlichkeit erwachte so jäh, dass er glaubte, Thors Hammer habe ihn getroffen.

In diesem Augenblick erkannte er, dass dies eine Reise voller Gefahren werden würde. Gefahren, an die er nie gedacht hatte, als er den Auftrag angenommen hatte. Welcher Mann verlor schon wegen einer Nonne die Beherrschung?

Rurik gab das Zeichen zum Aufsitzen, und in kürzester Zeit ritten sie von der Lichtung zurück in den Wald. Er erlaubte Sven, die Führung zu übernehmen und zog es vor, zurückzubleiben und über seine unvernünftigen Reaktionen nachzudenken.

Sich nach einer Nonne zu verzehren? War er denn verrückt geworden?

Er liebte die Frauen. Aber vielleicht liebte er sie zu sehr? Vielleicht hatte ihn die jahrelange Liebe zu ihnen so weit gebracht? Seit er in Schottland war und unter den Leuten seines Onkels lebte, war er hinter jeder Frau hergewesen, hatte sich nach jeder verzehrt und jede geliebt. Einmal erwacht, war sein Appetit immer größer geworden.

Obwohl die Zeiten schon lange vorbei waren, in denen seine Vorfahren auf Wikingerfahrt gingen und sich Ländereien und Frauen nahmen – ob man sie ihnen nun freiwillig überließ oder nicht – hatte Rurik sich nie die Mühe gemacht, unter dem Schutz der MacLeries sein Leben auf andere Art zu führen. Die MacLeries glaubten immer noch an diese alten Geschichten. Und da dieser seit Generationen überlieferte Ruf noch unter ihnen lebte, versuchte Rurik sein Bestes, ihre Erwartungen zu erfüllen.

Man erzählte sich, dass er nur selten allein schlief, aber nie eine Frau nahm, die nicht genommen werden wollte. Und das stimmte auch. Doch wenn er einmal ihre Bereitschaft erkannt und sie ihre Zustimmung gegeben hatte, folgte ein hemmungsloses Liebespiel.

Rurik atmete tief die frische Gebirgsluft ein und betrachtete die Kolonne der Pferde vor ihm, die den ausgetretenen Pfad entlangzog. In diesem Moment erinnerte er sich an die schönste Zeit und an die beste aller Frauen aus seiner Vergangenheit. Eine Welle der Trauer überflutete ihn, als er Naras Bild vor seinem inneren Auge sah.

Ungeachtet seines Rufs und der wilden Geschichten über seinen Erfolg bei Frauen – wenn Rurik mit einer Frau zusammen war, die Treue erwartete, dann war er auch treu. Er und Nara waren fast drei Jahre ein Paar gewesen, als der erste Ruf seines Vaters ihn erreicht hatte. Ob das der Grund für ihr Fortgehen gewesen war, wusste er nicht. Nara allein hatte er die Wahrheit über das Leben mit seinem Vater erzählt. Noch bevor seine Freunde ein zweites Mal gekommen waren, hatte Nara ihn und Lairig Dubh verlassen und war zu ihrer Familie gereist, die in einem weiter entfernten Dorf lebte.

Während sie so auf der Straße dahinritten, und Rurik sich erlaubte, in diesen ungewohnt sentimentalen Gefühlen zu schwelgen, fiel ihm auf, dass Margriet sich im Sattel leicht zur Seite drehte und etwas aus ihrer Tasche nahm. Während sie versuchte, sich wieder den Bewegungen des Pferdes anzupassen, hätte sie beinah das kleine Bündel losgelassen. Sie packte es fester, hielt es dicht am Körper verborgen, und Rurik sah, wie sie in kleinen Bissen davon aß. Niemand, der in diesem Augenblick zu ihr hinschaute, hätte erkennen können, was sie tat. Aber Rurik wusste es.

Er wusste es, weil nichts, was sie tat, seinem Blick entging.

Gar nichts.

Nicht die Art, wie sie den Mund bewegte, wenn sie sprach.

Nicht die Art, wie sie mit den Fingerspitzen leicht über alles strich, das sie im Vorüberreiten erreichen konnte.

Nicht die Art, wie ihre Stimme dunkel wurde, wenn sie vor dem Essen oder dem Einschlafen ihre Gebete murmelte.

Keine einzige ihrer verfluchten oder gesegneten Reaktionen.

Als Rurik bewusst wurde, was er tat, schloss er die Augen und bat den Allmächtigen um Vergebung. Er erbat sie nicht von den vielen Göttern seiner Vorfahren, sondern von dem Einen, der wirklich Himmel und Erde regierte.

Denn er war ein Mann, dessen Herz die einzige Frau vermisste, die er sich je zu lieben erlaubt hatte. Auch wenn er sich jetzt nach einer Nonne verzehrte.

5. KAPITEL

Auch nicht die kleinste Brise wehte und schaffte Margriet Erleichterung in dem schweren Gewand, das sie zu tragen beschlossen hatte. Sie verwünschte ihre eigene Torheit, während sich der Schweiß auf ihrer Stirn sammelte, ihr unter dem Wimpel in den Nacken tropfte und zwischen den Schultern den Rücken hinunterlief. An diese Wirkung ihrer Verkleidung hatte sie nicht gedacht.

Sie hatte erwartet, dass das Habit ihr Schutz vor Zudringlichkeiten ihrer Reisegruppe bieten würde, und das hatte es auch. Die Männer behandelten sie und Elspeth mit Rücksicht und Respekt und hielten gebührenden Abstand zu ihnen. Keiner schien auf den Gedanken zu kommen, sie könnten keine Nonnen sein. Keiner, außer ihrem Anführer. Sie ertappte ihn in den seltsamsten Momenten dabei, wie er sie beobachtete. Und Margriet hegte den Verdacht, er könnte ahnen, dass etwas nicht in Ordnung war.

Vielleicht lag es aber auch nur an dem schlechten Gewissen, das sie hatte?

Ihr Plan war gut gewesen. Selbst die Ehrwürdige Mutter schien ihn gut gefunden zu haben. Das war vor der Reise gewesen, bevor sie das abgelegene Tal verlassen hatten, das mit seinem Überfluss an Wäldern und Flüssen das Kloster umgab, es schützte und ihm herrlichen Schatten bot. Gestern zu früher Stunde hatten sie das Tal verlassen, und immer noch durchquerten sie einen flachen Landstrich, der nichts als harte Erde mit wenigen, niedrigen Büschen und kümmerlichen Kriechpflanzen zu bieten hatte.

Am Anfang hatte ihr Plan auch wirklich gut funktioniert. Aber wie auch immer, die Hitze hatte sie nicht bedacht. Sie erinnerte sich auch nicht, dass je eine der Schwestern sich über Hitze beklagt hätte. Wieder ein Beweis dafür, dass sie sich nie für ein Leben im Kloster eignen würde. Als habe er ihre stumme Erkenntnis vernommen, drehte Rurik sich in diesem Moment um, und ihre Blicke trafen sich. Margriet wurde noch heißer. Jetzt konnte sie spüren, wie ihr der Schweiß zwischen den Brüsten hinunterlief. Ihr Haar, das sie unter die Tunika gesteckt hatte, damit es nicht in seiner ganzen Länge zu sehen war, machte alles nur noch schlimmer. Und Margriet kam der Gedanke, dass sie vielleicht den falschen Weg gewählt hatte.

Wieder einmal.

Wie immer.

Seufzend wandte sie den Blick von Rurik ab. Sie griff in ihren Ärmel, zog ein Leinentuch hervor und tupfte sich den Schweiß ab, der in Strömen floss. Es war sehr schwer, die Haltung unerschütterlicher Ruhe zu bewahren, wie sie Nonnen zu haben schienen. Besonders, wenn die Wolken am Himmel sich verzogen und die Sonne den Reisenden mehr als nötig zusetzte. Margriet sah sich nach Elspeth um. Die Hitze schien dem Mädchen noch mehr Unbehagen zu bereiten als ihr selbst. Während sie sich mit dem Tuch die Stirn abwischte, fragte sich Margriet, ob das Mädchen wohl schweigen und ihr Geheimnis bis zum Ende der Reise bewahren würde.

„Schwester?“

Margriet drehte sich um und entdeckte, dass Sven jetzt an ihre Seite ritt. Er war der freundlichste der Männer und immer um ihr Wohlbefinden besorgt. „Wollt Ihr etwas trinken?“ Er hielt einen Schlauch in der Hand und bot ihr seinen Inhalt an.

„Vielen Dank, Sven“, sagte sie dankend, nahm einige Schluck und reichte ihm den Schlauch wieder zurück. Das Wasser war nicht kalt, erfrischte sie aber trotzdem. Sven reichte den Schlauch an Elspeth weiter, die ebenfalls trank.

„Vielleicht wollt Ihr Euch etwas davon über Euer Gewand schütten und Euch das Gesicht kühlen“, meinte er und errötete dann. Vielleicht sollte er als Mann einer Nonne gegenüber derart persönliche Dinge nicht erwähnen. Er kam kurz ins Stottern, bevor er endlich den nächsten Satz herausbrachte. „Verzeiht, Schwester, aber Euer Gesicht ist sehr rot, und ich glaubte, Ihr könntet Euch … nicht wohlfühlen.“

Margriet versuchte, seine Verlegenheit zu mildern und erwiderte: „Ich danke Euch, dass Ihr Euch so um mein Wohlbefinden sorgt. Aber ich möchte nicht selbstsüchtig Eure Vorräte verschwenden, auch wenn es bei dieser Hitze eine willkommene Erfrischung wäre.“

Sie fürchtete, dass diese Worte nicht fromm genug klangen und fügte hinzu: „Und ich ertrage solche Leiden im Namen unseres Herrn.“ Sie hob die Augen zum Himmel und schloss sie dann kurz. So ahmte sie die Geste nach, die sie hundert, nein, tausend Mal während ihrer Klosterzeit bei den Nonnen gesehen hatte.

Margriet entfaltete das Tuch und versuchte, ein trockenes Fleckchen zu finden, um sich erneut den Schweiß abzuwischen. Sie kannte die Reisepläne nicht, aber sie zögerte, das Wasser für ihr eigenes Wohlbefinden zu verwenden. Wieder stieg der Gedanke in ihr auf, sie könne einen Fehler begangen haben. Sven nickte und bot ihnen erneut das Wasser an. Nachdem beide Frauen einen Schluck genommen hatten, trieb er sein Pferd an und nahm wieder seinen Platz an der Spitze der Gruppe ein.

Autor

Lyn Stone
Lyns Ausflug in die Romanliteratur begann in den 90-ern. Am Valentinstag des Jahres 1996 unterschrieb sie ihren ersten Vertrag mit dem kanadischen Verlag Harlequin. “Blumen, Süßigkeiten, Küsse und auch noch ein Buchverkauf! Es wird nie wieder so einen Tag wie diesen geben!“sagt sie begeistert
Lyn studierte Kunst und arbeitete in Europa,...
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Terri Brisbin
Das geschriebene Wort begleitet Terri Brisbin schon ihr ganzes Leben lang. So verfasste sie zunächst Gedichte und Kurzgeschichten, bis sie 1994 anfing Romane zu schreiben. Seit 1998 hat sie mehr als 18 historische und übersinnliche Romane veröffentlicht.
Wenn sie nicht gerade ihr Leben als Liebesromanautorin in New Jersey genießt, verbringt sie...
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