Historical Saison Band 52

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BETÖRT VON EINEM HERZENSBRECHER von HEATH, VIRGINIA
Es war doch nur ein unbedachter Augenblick der Schwäche! Lady Constance kann nicht fassen, dass ihr Erzfeind Aaron Wincanton ihr mit einem einzigen Kuss die Ehre geraubt hat. Auf dem Ball. Vor den Augen ihres Vaters. Die einzige Lösung? Eine Heirat. Und das obwohl sie keinerlei Gefühle für den attraktiven Schwerenöter hegt!

DIE DUCHESS SEINER SEHNSUCHT von JUSTISS, JULIA
"Sie werden niemals allein sein, solange ich noch atme." Als David Tanner Smith seine Jugendliebe Faith, die Duchess of Ashedone, vor Räubern rettet, gibt er ihr ein folgenschweres Versprechen. Denn er ist ein einfacher Bürgerlicher - und kann ihr nie mehr als ein Freund sein! Auch wenn er sich heimlich nach ihr verzehrt …


  • Erscheinungstag 13.02.2018
  • Bandnummer 0052
  • ISBN / Artikelnummer 9783733734190
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Virginia Heath, Julia Justiss

HISTORICAL SAISON BAND 52

1. KAPITEL

Ein Ballsaal in London, November 1815

Wie üblich wurde er von einer Schar kichernder junger Damen umringt, die ihn für charmant hielten. Zum Glück gehöre ich nicht dazu, dachte Lady Constance Stuart, während sie ihn vom anderen Ende des Ballsaals aus beobachtete. Wie bei seinem Vater war Aaron Wincantons Haar so dunkel wie die Nacht und sein Herz so schwarz wie die Sünde. Constance war dazu geboren, ihn abgrundtief zu hassen. Doch Aaron Wincanton hatte etwas an sich, das sie schon immer irritiert hatte. Vielleicht war es seine großspurige Überheblichkeit oder die Art und Weise, wie er unablässig mit jeder Frau kokettierte. Womöglich war es einfach der Umstand, dass er der bestaussehende Mann im Raum war. Woran auch immer es lag – Constance hatte eine besonders tiefe Abneigung gegen ihn entwickelt.

Die Gruppe alberner junger Damen trat auf sein Geheiß im Gleichschritt zurück, und Constance beobachtete widerwillig und zugleich fasziniert, wie Aaron Wincanton eine ungeöffnete Flasche Champagner in die Luft hielt. Er hatte sich offenbar von jemandem ein Schwert ausgeliehen und streckte es mit seiner rechten Hand nach oben, wobei seine Bewegung schwungvoller war als nötig. Die Klinge schimmerte im Licht der Kronleuchter, wodurch noch mehr Aufmerksamkeit auf das außergewöhnliche Schauspiel am Rand der Tanzfläche gelenkt wurde. Nun legte Wincanton die flache Seite der Klinge an den Flaschenhals, und seine Zuschauerinnen fingen an, aufgeregt zu zählen. „Eins … zwei …“

Bei drei schwang er das Schwert schnell am Hals der Flasche entlang, umspielte den Korken und teilte dann den Flaschenhals mit einem vollkommen glatten Schnitt in zwei Hälften. Der Champagner schoss mit einer großen Fontäne aus der Flasche. Die Umstehenden hielten Wincanton ausgelassen ihre Gläser entgegen oder klatschten begeistert angesichts der kühnen Darbietung.

Als ob er wüsste, dass sie ihn beobachtet hatte, hob er langsam den Blick und sah ihr direkt in die Augen. Bevor sie sich abwenden konnte, grinste er bereits anzüglich und zwinkerte ihr auf seine ach so arrogante Art zu, als ob er ihr sagen wollte, dass er ihr Starren sehr wohl bemerkt hatte. Was für eine Frechheit!

Constance ärgerte sich zutiefst über diesen unverschämten Kerl und ihre eigene Dummheit, sich wieder dabei erwischen zu lassen, wie sie ihn beobachtete. Rasch zwang sie sich, woandershin zu schauen. Ihr Blick wanderte zu einem anderen Teil des Ballsaals – jenem Teil, den sie unbedingt hatte vermeiden wollen. Zum dritten Mal an diesem Abend sah sie, wie sich der Marquis of Deal, mit dem sie seit wenigen Wochen verlobt war, über Penelope Rothmans üppigen Ausschnitt beugte. Ihr Vater hatte Constance angewiesen, dies zu ignorieren, da eine gute Ehefrau verstehen müsse, dass ein Gentleman ab und zu die Gesellschaft anderer Damen suche. Trotzdem bereitete ihr Deals Verhalten immer noch Schwierigkeiten. Hätte er seine Bedürfnisse nicht aus Respekt vor seiner zukünftigen Gattin für kurze Zeit zügeln müssen?

Es sei denn, dies war ein bitterer Vorgeschmack auf das Leben, das ihr an seiner Seite bevorstand. Auch wenn die Ehe arrangiert worden war, hatte Constance gehofft, dass der Marquis und sie dennoch glücklich werden könnten. Insgeheim hatte sie sich der Vorstellung hingegeben, dass er sich eines Tages sogar in sie verlieben und hinter die harte Schale blicken würde, mit der sie sich vor der Welt schützte. Sie hatte davon geträumt, dass er eine besondere Schönheit in ihrem auffällig roten Haar und ihrer hoch aufgeschossenen, wenig ansehnlichen Figur finden würde. Vielleicht würde er die gefühlvolle Frau, die in dieser wenig attraktiven Hülle verborgen war, entdecken und lieb gewinnen. Jene Frau, die die Dinge etwas zu tief empfand und ständig fürchtete, nicht gut genug zu sein. Was war sie doch für eine hoffnungslos dumme Närrin, von so etwas Unmöglichem zu träumen!

Der Marquis of Deal würde sie niemals lieben. Es war kein Geheimnis, dass ihr Vater ihre Mitgift als Anreiz für Deal erhöht hatte. Penelope Rothman hingegen galt als der Blickfang der Saison. Wie demütigend war die Erkenntnis, dass der Marquis seine Verlobte aus rein finanziellen Gründen ausgewählt hatte. Mehr als das verband sie beide nicht, würde sie nie verbinden. Connies äußere Erscheinung könnte ihn nie auf dieselbe Art reizen wie Penelopes goldenes Haar und ätherische Schönheit. Sie selbst verkörperte lediglich die bessere finanzielle Absicherung. In Wahrheit würde er lieber Penelope heiraten, und kein Geld der Welt konnte daran etwas ändern. Connie wagte einen flüchtigen Blick auf Aaron Wincanton und bemerkte, wie er kurz zu Deal und Penelope schaute, bevor er wieder sie ansah. Seinem gelangweilten Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hatte auch er erkannt, dass ihr Verlobter hübsche Blondinen hochgewachsenen Rothaarigen vorzog. Alle Welt zog zarte Blondinen einer riesigen Rothaarigen vor.

So plötzlich wurde sie von einer Welle der Enttäuschung erfasst, dass ihr die Tränen in die Augen stiegen, doch eher würde die Hölle zufrieren, bevor irgendjemand sie weinen sahen. Constance löste sich still aus der Gruppe ihrer Mutter, an deren Seite sie gestanden hatte, und begab sich zu einer leeren Wandnische. Sobald sie sich gefasst hatte, würde sie Deal die Meinung sagen und ihn daran erinnern, welches Verhalten von einem Gentleman zu erwarten war. Irgendwann – in ferner Zukunft – würde sie vielleicht in der Lage sein, seine Taktlosigkeiten zu übersehen, was allerdings nicht bedeutete, dass sie sie mitansehen wollte.

Wahrscheinlich wird mich ohnehin niemand vermissen, dachte sie, während sie die anderen Gäste aus der Ferne beobachtete. Am wenigsten mein ergebener Marquis. Wie immer war ihre Tanzkarte beschämend leer, von den gelegentlichen höflichen Anfragen alter Familienfreunde abgesehen. Den ersten Walzer hatte sie bereits mit ihrem gleichgültigen Verlobten getanzt. Jetzt würde sie den Rest des Abends mit den älteren Damen und den Mauerblümchen verbringen müssen – wie gewöhnlich.

So war es schon gewesen, als sie vor sechs Jahren in die Gesellschaft eingeführt worden war. Sie war dazu verdammt, jeden Ball aus einer Ecke des Saals zu beobachten. Ihre Lage hatte sich noch verschlimmert durch den unglücklichen, aber unglaublich passenden Spitznamen, den Aaron Wincanton ihr an ihrem Debütantinnenabend bei Almack’s gegeben hatte. Natürlich hatten alle sofort ihn übernommen, und Connie war er zum ersten Mal zu Ohren gekommen, als eine Gruppe Debütantinnen im Damensalon darüber lachte. Dank Wincanton trug sie seitdem den schmachvollen Beinamen „Die Rote Amazone“.

Das erste Jahr war schrecklich gewesen. Nur ihr Stolz hatte ihr geholfen, jene Zeit zu überstehen; über all das Geflüster und Gekicher war sie erhobenen Hauptes hinweggegangen. Sie versuchte, dankbar zu sein für die paar armseligen Verehrer, die es auf ihre Mitgift abgesehen hatten und ihr Glück bei ihr versuchten. Sie wusste, dass sie im Vergleich zu den anderen jungen Frauen alles andere als anmutig aussah. Niemand wusste besser als sie, wie wenig anziehend sie war. Noch nie hatte es eine Debütantin von ihrer Statur gegeben. Auch gab es keine, die so riesige Füße hatte – selbst ihr Schuster prahlte damit, die größten Damenschuhe von ganz London anzufertigen. Die für Debütantinnen üblichen Pastellfarben ließen ihre helle Haut noch blasser erscheinen. Sie überragte nicht nur die Frauen, sondern auch die meisten Gentlemen um Längen. Dumme Witze über ihre Größe ertrug sie höflich lächelnd, obwohl sie jedem, der sie fragte, wie das Wetter dort oben sei oder ob sie in einem Gewächshaus zu schlafen pflegte, am liebsten ins Gesicht geschlagen hätte.

Um nicht aufzufallen, hatte sie mehrere Monate sogar versucht, die Beine in den Knien zu beugen. Zwar erschien sie dadurch kleiner, doch die Wirkung wurde zunichte, sobald sie sich bewegen musste. Es war einfach zu schmerzhaft, mit gebeugten Knien zu laufen oder – Gott behüte – zu tanzen.

Im zweiten Jahr war Constance besser vorbereitet gewesen. Wenn sie schon mit einer sagenhaften Kriegerin verglichen wurde, konnte sie sich genauso gut wie eine benehmen. Niemand würde je wieder Notiz von ihrem mangelnden Vertrauen in die eigene Anziehungskraft nehmen. Sie gewöhnte sich an, das Geschehen mit einer gleichgültigen und leicht herablassenden Haltung zu betrachten, so als würde es ihr im Traum nicht einfallen, das Interesse heiratsfähiger Herren gewinnen oder sich mit den albernen tratschenden jungen Damen anfreunden zu wollen. Sie stand über den Dingen. Lady Constance Stuart klimperte nie mit den Wimpern, noch schwärmte sie für einen besonderen Herrn oder lächelte einfältig. Stolz ragte sie über jeden Gentleman hinaus, der die Frechheit besaß, kleiner zu sein als sie. Außerdem trug sie kräftige Farben, die ihre kupferfarbenen Locken am besten in Szene setzten. Türkis und Smaragd wurden ihre Lieblingsfarben, und wenn sie sich besonders reizlos fühlte, trug sie karminrot. Ihre Kleider waren nicht mehr schlicht; jedes einzelne glich nun einer Kampfansage.

Lady Constance hatte den Ruf erworben, eine scharfe Zunge zu haben, und machte davon Gebrauch, wann immer es nötig war – was im Laufe der Jahre immer weniger der Fall war. Wie eine echte Amazone flößte sie ihrer Umgebung Respekt ein. Sie spielte ihre Rolle so überzeugend, dass sie manchmal sogar vergessen konnte, wie sehr das alles schmerzte und wie sehr sie es hasste, von den anderen als eine Laune der Natur und nicht als Frau wahrgenommen zu werden.

Aus den Augenwinkeln sah sie, wie ihr Verlobter mit den Fingern über Penelope Rothmans wohlgeformte Wange strich und ihr etwas ins Ohr flüsterte, woraufhin ihr vollkommenes Antlitz einen sehr hübschen Roséton annahm. Jetzt reichte es! Ein derart demütigendes Verhalten würde Lady Constance Stuart niemals stillschweigend hinnehmen. Sie würde mit ihrem Verlobten sprechen und ein paar Regeln aufstellen.

Würdevoll schritt Connie auf den Marquis zu, der immer noch um Penelopes Gunst buhlte. „Mylord, könnte ich unter vier Augen mit Ihnen sprechen?“ Sie bemerkte, wie er angesichts ihres eisigen Tons überrascht blinzelte.

„Natürlich, meine Liebe.“

Sie ging zielstrebig zur Terrassentür und hörte, wie er ihr nach draußen folgte. Da sich trotz der kühlen Witterung mehrere andere Gäste im Freien aufhielten, achtete sie darauf, dass sie sich außer Hörweite befanden, bevor sie sich zu ihm umdrehte. Aufgrund ihres Größenunterschiedes beugte Connie leicht die Knie, sodass sie ihm geradewegs in seine perfekten blauen Augen schauen konnte.

„Ihr Verhalten heute Abend war beleidigend für mich. Wir sind frisch verlobt. Es ist überaus peinlich, dass Sie weiterhin mit anderen Frauen in der Öffentlichkeit kokettieren. Wenn ich Ihre Gattin werden soll, erwarte ich, mit etwas Respekt behandelt zu werden.“ Ihr fiel beim besten Willen nicht ein, wie sie ihr Anliegen hätte freundlicher ausdrücken können.

Er erschien verwundert über ihre Worte. „Inwiefern bitte war ich respektlos? Ich habe den ersten Walzer mit Ihnen getanzt. Ich habe mehrere Minuten mit Ihnen verbracht. Sicherlich werden Sie nichts dagegen haben, wenn ich die Gesellschaft meiner Freunde suche? Verheiratete oder verlobte Paare pflegen auf Veranstaltungen wie dieser nicht die ganze Zeit zusammen zu sein. Die Leute würden reden, wenn wir uns so verhalten würden.“ Der Marquis of Deal schenkte ihr ein gütiges Lächeln. Dabei bildete sich ein hübsches Grübchen in seinem markanten Kinn. Seine strahlend blauen Augen standen in einem interessanten Kontrast zu seinem dichten goldenen Haar. Der Mann war äußerst gut aussehend – und er war sich dessen nur allzu bewusst. „Auch wenn mir Ihre Eifersucht schmeichelt, ist sie fehl am Platz. Ich kann Ihnen versichern, dass Penelope und ich uns lediglich kurz und freundschaftlich unterhalten haben.“

„Das war wohl kaum kurz. Sie haben mindestens eine Stunde an ihrer Seite verbracht, und den anderen Gästen ist dies nicht verborgen geblieben.“ Aaron Wincanton hatte auf jeden Fall Notiz davon genommen. „In Zukunft wäre es mir lieb, wenn Sie aus Respekt vor mir solche vertrauten Unterhaltungen mit Penelope – oder auch mit anderen jungen Damen – vermeiden würden.“ Connie hatte gehofft, dass Deal sich für sein Verhalten schämen würde. Stattdessen sah er verärgert aus.

„Es steht Ihnen nicht zu, mir zu sagen, was ich tun oder lassen soll, Madam, und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich darauf besinnen könnten. Erwarten Sie ernsthaft, dass ich keinen Kontakt zu anderen Damen pflege? Ich habe bereits ausführlich mit Ihrem Vater darüber gesprochen, und er versicherte mir, Sie würden verstehen, dass unsere Vereinbarung vorwiegend pragmatischer Natur ist.“

Diese Worte aus seinem Mund fühlten sich wie eine Ohrfeige an, und Connie zuckte zusammen. „Empfinden Sie denn gar keine Zuneigung für mich?“ Sie konnte die Hoffnung nicht aufgeben, dass er sie wenigstens ein bisschen mochte. Zugleich hasste sie sich selbst dafür. Was war sie doch für eine dumme, verträumte Närrin!

Deal starrte sie an, als hätte sie den Verstand verloren. „Unsere Ehe wurde arrangiert, Constance. Sie basiert auf einer Übereinkunft, die unseren Familien gleichermaßen zugutekommt. Ich dachte, Sie hätten das verstanden. Mit dieser Hochzeit erweise ich Ihnen einen großen Gefallen! Seit Jahren gehören Sie zum alten Eisen, niemand hat Sie gewollt. Ehrlich gesagt, sollten Sie mir dankbar sein und mit diesem Unsinn aufhören. Ich werde Ihnen meinen Namen, ein eigenes Zuhause und ein Kind oder zwei schenken, damit Sie Gesellschaft haben und die Erbfolge gesichert ist.“

Ein eigenes Zuhause? Was genau sollte das bedeuten? Es klang jedenfalls nicht so, als ob er es mit ihr teilen wollte. So viel zu ihrem Traum von einer glücklichen Ehe! „Und was dann?“, fragte sie kühn, auch wenn sie die Antwort schon ahnte. Deals Einstellung ihr gegenüber würde sich niemals ändern.

„Dann werden wir beide so leben, wie es uns beliebt! Sie werden natürlich bei den Kindern auf dem Land bleiben, aber nachdem Sie mir einen Erben geschenkt haben, können Sie von mir aus tun, was Sie wollen, solange Sie sich diskret verhalten.“

Connie wurde übel. Dem konnte ihr Vater nicht zugestimmt haben! Hatte er sie wirklich wie eine Zuchtstute an einen Mann verkauft, der nur vorübergehend ihren Ehemann spielen wollte? „Und ich soll mich damit abfinden, dass Sie in der Stadt weiterhin wie ein Junggeselle leben?“

Bei diesen Worten sah er sie mit unverhohlener Verachtung von oben bis unten an, bevor sich ein belustigter Ausdruck auf sein Gesicht legte. Als er schließlich sprach, lösten sich ihre Träume endgültig in Luft auf.

„Was haben Sie sich denn erhofft, Constance? Doch sicherlich nicht, dass ich mich auf wundersame Weise verlieben würde? In Sie?“

2. KAPITEL

Aaron hatte gesehen, wie sich ihr Gesichtsausdruck fast unmerklich verändert hatte, bevor sie aus dem Ballsaal gestürmt war. Jetzt betrachtete er den Marquis of Deal voller Verachtung. Auch wenn es ihn kaum etwas anging, dass Lady Constance einen Schürzenjäger heiraten würde, konnte er nicht umhin, sich etwas über das Verhalten des Marquis zu ärgern. Offen um eine andere Frau zu werben, während sich die eigene Verlobte im gleichen Raum aufhielt, zeugte nach Aarons Meinung von schlechtem Stil – insbesondere wenn die umworbene Frau der Verlobten bei Weitem nicht das Wasser reichen konnte.

Constance Stuart benahm sich ihm gegenüber vielleicht ablehnend und überheblich, doch ein anderes Verhalten konnte er in Anbetracht ihrer unglücklichen Geschichte nicht von ihr erwarten. Anderen gegenüber verhielt sie sich stets wie der Inbegriff einer Dame. Obwohl sie unnahbar war und eine der schärfsten Zungen des Landes hatte, verhielt sie sich auf eine Weise, die sie von vielen anderen jungen Damen des ton unterschied. Auch aufgrund ihrer Größe, ihrer schlanken Figur und ihres dichten roten Haars hob sie sich von den anderen ab. Hinzu kamen ihre offenkundige Intelligenz und ihre Würde – zusammen mit einem seltenen, aber aufsehenerregenden Lächeln, das jeden Raum zum Strahlen brachte. Natürlich kam es nie vor, dass sie ihn anlächelte, was sich in absehbarer Zeit auch nicht ändern würde. Allerdings konnte er sich gut vorstellen, wie es sich anfühlen musste, wenn einem dieses Lächeln geschenkt wurde: so als wäre soeben die Sonne in all ihrer Pracht aufgegangen. Dennoch zog Deal es vor, diese außergewöhnliche junge Frau zu demütigen, indem er die Rothman umwarb. Noch nie in seinem Leben hatte Aaron eine so intrigante und hohlköpfige Person wie Penelope kennengelernt.

Schließlich besann er sich auf sein eigenes Anliegen, wandte sich wieder Violet Garfield zu und täuschte Interesse vor. Wenn er der jungen Dame einen Antrag machen wollte, musste er zumindest den Anschein erwecken, als würde ihn interessieren, worüber sie gerade sprach. Seit zwei Stunden befand er sich auf dem Ball und spürte bereits, wie seine Maske bröckelte. Aaron Wincanton zu sein, wurde immer anstrengender.

Die Rolle des charmanten und leicht durchtriebenen Frauenhelden war ihm einst so natürlich vorgekommen wie das Atmen. Doch jenen vor Energie überschäumenden jungen Mann hatte er auf irgendeinem Schlachtfeld in Spanien hinter sich gelassen, und er glaubte nicht, dass er je wieder auftauchen würde. Der neue Aaron Wincanton fand weder Freude an Bällen und Festen noch an privaten Zusammenkünften oder ruhigen, besinnlichen Momenten. Er verdiente es nicht mehr, glücklich zu sein. Die meiste Zeit spürte er eine große Last, die ihn niederdrückte. Die restliche Zeit fühlte er sich – wenn er Glück hatte – einfach taub. Er bemerkte, wie Violet ihn erwartungsvoll anschaute, so als würde sie auf eine Antwort von ihm warten. Er hatte ihr nicht zugehört und wollte sie nicht verärgern. Aus reiner Gewohnheit bediente er sich seines Charmes. „Violet, wenn ich mit Ihnen zusammen bin, wünsche ich, dass aus Minuten Stunden und aus Stunden Tage werden.“ Zumindest fühlte sich die Zeit mit ihr so an.

Wie erwartet, wirkte die dumme Floskel Wunder, und sie plapperte erneut so enthusiastisch, dass er lediglich zuhören und nicken musste. Wenige Sekunden später schweiften seine Gedanken wieder ab, was ihn etwas beunruhigte. Er hatte gehofft, sich mit Violet zufriedengeben zu können. Zweifellos war sie sehr hübsch, was ein Pluspunkt war, aber auch wenn er sie mochte, langweilte die arme Violet ihn zu Tode. Nichtsdestotrotz war sie eine reiche Erbin mit einer ungemein großen Mitgift. Bittsteller wie er konnten es sich nicht leisten, wählerisch zu sein. Das Familienanwesen benötigte schnellstens Geldmittel, und sein Vater wollte noch miterleben, wie sein Sohn die nächste Generation der Wincantons zeugte. Daher musste Aaron sich sputen und Violet einen Antrag machen. Es musste noch heute Abend geschehen.

Vorher jedoch benötigte Aaron etwas Ruhe, um sich Mut anzutrinken. Da es am Getränketisch nichts Stärkeres als Ratafia gab, entschuldigte er sich bei Violet und verließ den Ballsaal, um etwas zu finden, das ihn für sein Vorhaben stärken würde.

Am anderen Ende des dunklen Flurs fand er die Bibliothek, die leer war – abgesehen von der vollen Brandykaraffe und einer rothaarigen Dame, die allein auf einem riesigen Sofa saß und gedankenverloren in den Kamin starrte. Einen Moment lang überlegte Aaron, umzukehren und einen anderen Rückzugsort zu suchen. Das Letzte, was er brauchte, war eine Schimpftirade von Lady Constance Stuart, auch wenn er hoffte, dass sie ihm irgendwann ihren Bruder vorstellen würde. Dann könnte er endlich mit ihm darüber sprechen, die dumme Fehde zwischen ihren Familien zu beenden, die die Wincantons in den Bankrott zu treiben drohte. Aber ausgerechnet heute lagen seine Nerven ohnehin schon blank, und er brauchte eine Pause, bevor er wieder in die Haut des draufgängerischen Aaron Wincanton schlüpfen musste. Er wollte sich schon zum Gehen wenden, doch etwas an der Art, wie sie dasaß – mit ungewöhnlich hängenden Schultern –, ließ ihn zögern. Hatten sie vielleicht beide den Trost nötig, den ihnen ein kleines Wortgefecht verschaffen würde?

„Wie clever von Ihnen, Constance“, sagte er in der Absicht, sie zu ärgern, „einen Ort zu aufzusuchen, an dem wir ungestört sind.“

Überrascht wandte sie den Kopf, und Aaron glaubte, das Schimmern von Tränen in ihren grünen Augen zu sehen. Selbst wenn dem so war, überspielte sie es schnell mit ihrer üblichen kühlen Art. Ihr entrüsteter Gesichtsausdruck wich sofort einem finsteren Stirnrunzeln.

„Sie sind wie ein schlechter Geruch, Mr. Wincanton, der mir immer zu folgen scheint.“ Steif stand sie auf und funkelte ihn an. „Ich hatte gehofft, dass Sie mich nur dieses eine Mal in Ruhe lassen würden.“

„Und wo bliebe dann der Spaß? Ich freue mich immer auf unsere kleinen Wortwechsel, Connie. Ich finde Ihre Verachtung erfrischend, werde ich doch immer nur bewundert, wohin ich auch gehe.“

„Also suchen Sie mich zu Ihrer Unterhaltung auf? Weiß Ihr Vater, dass Sie regelmäßig mit einer Stuart reden?“

„Wohl genauso wenig, wie Ihr Vater weiß, dass Sie mit einem niederträchtigen Wincanton zu sprechen pflegen.“ Aaron zwinkerte ihr unverhohlen zu, denn er wusste, dass sich sonst niemand traute, mit ihr zu kokettieren. Gereizt kniff sie die Augen zusammen.

„Aber ich suche Sie nicht auf, Mr. Wincanton. Das ist der Unterschied. Ich könnte liebend gern das Zeitliche segnen, ohne ein weiteres Wort mit Ihnen gesprochen zu haben. Daher kann ich nur den Schluss ziehen, dass ich eine besondere Faszination auf Sie ausüben oder eine spezielle Herausforderung für Sie darstellen muss. Stört es Sie, dass Sie mit Ihrem Charme bei mir nichts ausrichten können? Verletzt meine offensichtliche Abneigung etwa Ihren zerbrechlichen Stolz?“

Sie sah ihn vernichtend an, was ihn nur noch mehr anspornte. Wenn sie verärgert war, wurden ihre grünen Augen so hart wie Smaragde. Ihr rotes Haar wirkte im Schein des knisternden Kamins, als würde es selbst in Flammen stehen. Es war ein grandioser Anblick, bei dem vielleicht so manch einer das Weite gesucht hätte, doch Aaron war aus einem härteren Holz geschnitzt. Er hatte gegen Napoleon gekämpft, also würde er auch ein Wortgefecht mit dieser feurigen Rothaarigen überstehen. Abgesehen davon verfolgte er ein Anliegen, das er nicht vernachlässigen durfte. Er musste ihre Beziehung verbessern, um die kostspielige Familienfehde zu beenden. Bisher war Constance die einzige Stuart, die sich dazu herabgelassen hatte, mit ihm zu reden. „Warum geben Sie es nicht zu, Connie? Sie finden meine Beharrlichkeit aufregend. Die meisten Männer hofieren Sie mit abgedroschenen Komplimenten; die restlichen langweilen Sie, weil sie aus Angst vor Ihrer Schlagfertigkeit gar nicht den Mund aufmachen. Ich hingegen bin anders. Ich bringe Ihr Blut in Wallung. Vermutlich könnte ich sogar Ihre Leidenschaft entfachen.“

Der Mann war nicht nur irrsinnig, sondern auch unausstehlich. Seltsamerweise war Connie jedoch froh, dass er da war. So konnte sie ihre ganze Wut und ihren Schmerz an ihm auslassen. Zumindest würde sie sich dann nicht so unglaublich niedergeschlagen und ohnmächtig fühlen. „Bilden Sie sich nichts ein, Mr. Wincanton. Sie entfachen mein Temperament, aber nicht meine Leidenschaft.“

„Wie oft muss ich Sie darum bitten, mich Aaron zu nennen? Nach all den erquicklichen Unterhaltungen der letzten Monate können wir die Formalitäten nun beiseitelassen, Connie.“

Er wusste ganz genau, dass sie von allen nur Constance genannt wurde – ihr Vater hegte eine Abneigung gegen Kosenamen – und dass sie ihm niemals erlauben würde, sie so zu nennen. Zugleich war er der einzige Mensch auf Erden, der ihren Namen zu Connie abkürzte. Sie fand seinen vertraulichen Umgangston schrecklich, doch gleichzeitig gefiel ihr der Name recht gut. „Falls es Ihnen entgangen sein sollte, Mr. Wincanton – wir sind Todfeinde. Haben Sie etwa vergessen, dass die Stuarts und Wincantons seit beinah dreihundert Jahren zerstritten sind?“

„Tatsächlich? Ich muss gestehen, ich weiß gar nicht mehr, wozu der ganze Wirbel. Was kümmert uns ein Streit, der vor dreihundert Jahren anfing? Ich würde lieber ein Friedensangebot unterbreiten und das Ende der Fehde verkünden.“

„Natürlich. Am besten kehren wir auch gleich unter den Teppich, wie unsäglich sich Ihr Vater vor nur wenigen Jahren verhalten hat, als er meinen um das Land brachte, das ihm rechtmäßig zustand.“

Aaron machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ein Missverständnis, Connie. Nichts weiter.“

Manchmal belustigte seine Respektlosigkeit sie, aber das würde sie ihm niemals zeigen. Es gab niemanden, der so mit ihr sprach wie Aaron Wincanton. Niemand sonst traute sich das. „Dann gab es da noch jenen unglücklichen Zwischenfall beim Zusammentreffen unserer Großväter. Was hat Ihr verdorbener Großvater meinem doch gleich angetan?“ Sie tippte sich wie in Gedanken versunken ans Kinn. „Ach, ja! Jetzt erinnere ich mich. Er hat ihn bei einem Duell in Hampstead Heath erschossen.“

„Der Gerechtigkeit halber muss man sagen, dass mein Großvater nur deshalb so gehandelt hat, weil Ihr Großvater meine Großmutter verführt hatte. Es war ein anständiges Duell, beim dem Sekundanten die Einhaltung der Regeln überwachten. Es ist wohl kaum meine Schuld, dass Ihr Großvater nicht dazu in der Lage war, richtig zu zielen.“

Connie ging nicht auf seine verzerrte Sichtweise ein. „Über solche Dinge kann man nicht hinwegsehen. Wenn mein Vater mich dabei erwischen würde, wie ich mit Ihnen rede, würde er mich enterben. Dennoch sind Sie wieder hier, Mr. Wincanton, und gehen mir auf die Nerven.“

So war es die gesamte Saison über gewesen. Seit seiner ruhmreichen Rückkehr aus Waterloo hatte er ihr nachgestellt. Trotz der erbitterten langen Fehde zwischen ihren Familien war es den Stuarts und den Wincantons gelungen, in der High Society nebeneinander zu existieren, indem sie einfach so taten, als ob es die andere Seite nicht gäbe – auch wenn ihre Grundstücke direkt aneinander grenzten. Sie wurden stets auf dieselben Veranstaltungen eingeladen, wo sie die andere Seite schlichtweg wie Luft behandelten. In der Gesellschaft verstand man das nur allzu gut. Daher gab es nie eine öffentliche Szene – geschweige denn einen Annährungsversuch. Dieses System funktionierte hervorragend, da es bereits seit Jahrhunderten so praktiziert wurde. Bis jetzt.

Leider hatte Aaron Wincanton, der Erbe des Hauses Ardleigh und ein durchtriebener Schuft, keinerlei Respekt vor dieser Tradition. Vor zwei Monaten hatte er sie erstmals angesprochen. Natürlich geschah es weder vor den Augen der Öffentlichkeit noch im Beisein eines Mitglieds ihrer oder seiner Familie, doch auf jeder Veranstaltung gelang es ihm in irgendeinem Moment, sie allein abzufangen – unabhängig davon, wie sehr sie versuchte, ihm aus dem Weg zu gehen. Jedes Mal kokettierte er ein bisschen mit ihr und versuchte, sie zum Lächeln zu bringen. Manchmal hielt er sich nahe dem Damenzimmer auf, wenn sie gerade hinaustrat, dann wieder fand er sie in einer Mauernische, tauchte hinter einer Palme auf oder stellte sich neben sie an den Getränketisch. Und jetzt war er hier, in dieser abgelegenen Bibliothek, in die sie geflüchtet war, und hätte fast gesehen, wie sie weinte. Connie war in eine Situation geraten, die nicht hinnehmbar war.

Trotzdem zuckte er bei ihrer Antwort lediglich mit den Achseln, so als ob das böse Blut zwischen ihren Familien nicht von Bedeutung wäre, und sah sie mit seinem außergewöhnlichen, intensiven Blick an. Außergewöhnlich, weil man nur aus der Nähe sehen konnte, dass seine Augen von einem warmen Braun mit goldenen Einsprengseln waren, umgeben von einem dunklen, fast schwarzen Ring. Diese Augen konnten manchmal sehr verstörend wirken, so als würden sie zu viel sehen. „Ist es Ihnen schon einmal in den Sinn gekommen, Connie, dass unsere Lage ähnlich ist wie die der Montagues und Capulets? Die Geschichte verlangt von uns, Feinde zu sein, doch offenbar ist es der Wille des Schicksals, dass wir Freunde sind – oder vielleicht sogar mehr als das?“

„Sie wissen schon, Mr. Wincanton, dass die Geschichte von Romeo und Julia nur erfunden und daher für unsere Situation nicht relevant ist? Wenn ich mich richtig erinnere, fanden Romeo und Julia außerdem ein sehr tragisches Ende, weil sie nicht auf ihre Väter gehört haben. Vielleicht hätten sie den Willen des Schicksals, wie Sie es nennen, besser ignoriert. Es hätte vielleicht besser geendet, wenn sie den Dingen ihren Lauf gelassen hätten. Wie dem auch sei, eine Sache scheinen Sie nicht zu verstehen: Romeos Aufmerksamkeiten haben Julia gefallen. Ihre gefallen mir nicht. Falls es Ihnen entgangen sein sollte, Mr. Wincanton, bin ich verlobt und darüber sehr glücklich.“

„Wie können Sie glücklich darüber sein, einen Mann zu heiraten, der Penelope Rothman heute Abend mehr Aufmerksamkeit geschenkt hat als Ihnen?“ Sobald die Worte über seine Lippen waren, bereute Aaron sie schon. Er fühlte sich noch schlechter, als er sah, wie ihr finsterer Blick sich in einen Ausdruck puren Schmerzes verwandelte, bevor sie ihre Miene wieder unter Kontrolle hatte. „Es tut mir leid, Connie. Das war unangebracht. Ich entschuldige mich.“

„Denken Sie nicht weiter daran“, erwiderte sie achselzuckend und mit einer Tapferkeit, die sie anscheinend sehr viel Kraft kostete. „Der Marquis of Deal hat heute Abend etwas zu viel getrunken, und Penelope Rothman versucht, meine Eifersucht zu wecken – jedoch ohne Erfolg. Sie muss sehr verärgert darüber sein, dass sie ihren ranghöchsten Verehrer an die Rote Amazone verloren hat.“

Sie schaute ihm mit eisigem Blick in die Augen und sah, wie er bei ihren Worten zusammenzuckte. Er fühlte sich immer noch schuldig dafür, dass er sie so genannt hatte – umso mehr, da der Spitzname nicht in Vergessenheit geraten war. Damals war er jung und dumm gewesen, und sie hatte seinen Stolz verletzt. Dabei hatte er nie beabsichtigt, dass sie davon erfuhr oder dass ihr Vater darin einen weiteren Angriff der Wincantons sah. Sein Entsetzen war groß gewesen, als er nach dem jahrelangen Kampf gegen Napoleon nach Hause zurückkehrte und feststellen musste, wie sehr sich die Lage zwischen ihren beiden Familien verschlimmert hatte. Sein Vater war so besessen von der Fehde, dass er das Familienanwesen fast vollkommen heruntergewirtschaftet hatte, nur um sich an Connies Vater zu rächen.

„Nun, es tut mir auch leid, dass ich Sie so genannt habe.“

Sie schenkte ihm ein erhabenes, kühles Lächeln, das ihre Augen nicht erreichte, und richtete sich langsam zu ihrer vollen Größe auf. Ihr Gesicht war fast auf derselben Höhe wie seines. „Ich kann Ihnen versichern, Mr. Wincanton, dass ich nie einen weiteren Gedanken daran verschwendet habe.“

Plötzlich brach sie – zu ihrer beider Entsetzen – vor ihm in Tränen aus.

Aaron fühlte sich wie ein unbeholfener Schuljunge. Da er nicht wusste, wie er sonst mit einer weinenden Dame umgehen sollte, ging er mit großen Schritten auf sie zu und zog sie in seine Arme. „Schon gut, Connie“, murmelte er, ohne dass es eine Wirkung gehabt hätte. Sie schluchzte weiterhin geräuschvoll, während sie ihr Gesicht an seine Halsbeuge legte. „Es tut mir aufrichtig leid, dass ich Sie eine Amazone genannt habe. So verhält sich kein Gentleman.“

„Ich weine nicht deswegen, Sie Narr!“ Verärgerung blitzte in ihren Augen auf, wodurch er sich gleich besser fühlte. Zumindest galt dieser unerwartete und laute Gefühlsausbruch nicht ihm. Der armen Frau machte offensichtlich Deals ungehobeltes Verhalten zu schaffen.

„Ich bin mir sicher, dass Deals Tändelei mit Penelope nichts weiter zu bedeuten hat“, sagte er, ohne selbst daran zu glauben. Deal war ein schamloser Frauenheld, der noch dazu gern mit seinen unzähligen Eroberungen prahlte.

„Wohl kaum. Es bedeutet, dass er ihre Vorzüge meinen vorzieht“, schluchzte sie. „Und wer kann es ihm verübeln? Penelope ist so schön. Das sagen alle. Im Vergleich zu ihr bin ich blass und unansehnlich mit meinen schrecklichen Sommersprossen. Meine Figur ist so flach wie ein Waschbrett. Und ich habe dieses hässliche karottenfarbene Haar.“

Offenbar war er wieder in ein Fettnäpfchen getreten. Aaron fühlte, wie ihre schmalen Schultern zitterten, während sie weinte. In ihm stieg das sonderbare Bedürfnis auf, den Marquis of Deal aufzusuchen und ihm einen wohlverdienten Schlag ins Gesicht zu verpassen. „Zuerst einmal ist Ihr Haar wunderschön. Ihre Haut ist nicht einfach blass, sondern eher wie Alabaster. Die Sommersprossen in Ihrem Gesicht sind überaus entzückend. Das sind sie wirklich. Ich habe nie verstanden, warum Sommersprossen als unansehnlich gelten. Außerdem sind Sie nicht so flach wie ein Brett. Sie haben eine reizende Figur.“ Mit seinen Händen konnte er die sanfte Kurve ihrer Hüften fühlen, und er spürte auch, wie sich etwas Weiches an seine Brust drückte, worauf sein Körper unmittelbar reagierte – wider seines besseren Wissens und trotz seiner schlechten Laune. Was um alles in der Welt war in ihn gefahren? Das war Constance Stuart. Constance Stuart.

Connie hob den Kopf von seiner Schulter und sah ihn mit geschwollenen Lidern an; in ihrem Gesicht spiegelte sich großer Schmerz. „Wenn ich so liebreizend bin, warum hat er dann nicht einmal versucht, mich zu küssen? Sagen Sie mir das. Wir sind schließlich verlobt.“ Sie sah überaus verzweifelt aus. „Der Marquis findet mich abstoßend. Das hat er mir deutlich genug zu verstehen gegeben.“

Ein weiterer Beweis, dass Deal ein verdammter Narr ist, dachte Aaron. Es fühlte sich herrlich an, sie in den Armen zu halten. Er genoss es, einer Dame zur Abwechslung in die Augen sehen zu können, ohne auf sie herabschauen zu müssen. Connie war eine angenehm große Frau, die offenbar perfekt zu seinem eigenen großen Körper passte. Und sie hatte Verstand. Niemand konnte behaupten, dass Constance Stuart auf den Kopf gefallen war. Die Diskussionen mit ihr waren immer der Höhepunkt eines jeden Balls. Der verführerische Duft ihres Rosenparfums stieg ihm in die Nase und berauschte seine Sinne, was ihn auf Gedanken brachte, die er lange Zeit nicht gehabt hatte. Wie um alles in der Welt hatte Deal ihr widerstehen können? Ihre vollen Lippen waren rot und geschwollen und verlangten förmlich danach, geküsst zu werden. Wenn sie seine Verlobte wäre, könnte er nicht an sich halten … Ohne nachzudenken, neigte er den Kopf und gab seinem Verlangen nach.

Als seine Lippen ihre berührten, vergaß er alles um sich herum. Überrascht von seiner Unverfrorenheit sog sie scharf den Atem ein, stieß ihn jedoch nicht von sich weg, sodass er erneut mit seinen Lippen über ihre strich. Und noch einmal. Beschützend legte er die Arme um sie und zog sie enger an sich. Anfangs stand sie stocksteif da und hielt den Atem an, doch dann öffneten sich ihre Lippen leicht, und sie seufzte. Als sie ihren Mund zögerlich an seinen schmiegte, gab es für Aaron kein Halten mehr, und er küsste sie wie ein Verdurstender in der Wüste.

Aaron Wincanton zu küssen war ganz anders, als ihre Vorstellung vom Küssen gewesen war. Sie spürte es nicht nur auf ihren Lippen, sondern auch in ihren Beinen. Sie waren seltsam wackelig. Connie bekam eine Gänsehaut, jede Faser ihres Körpers prickelte vor Verlangen. Sie bemerkte nicht, wie die Zeit verstrich, und hätte nicht sagen können, ab wann der Kuss immer stürmischer wurde. In einem Moment war sie noch verärgert und wollte seine Arme abschütteln, im nächsten lag sie fast auf dem Sofa, die Hände in seinem dunklen Haar vergraben. Er strich mit seiner großen, warmen Hand über ihre Seidenstrümpfe, bis er ihre nackte Haut über dem Strumpfband berührte. Es war ungeheuerlich, aber es fühlte sich herrlich an, auf diese Weise begehrt zu werden – und das von einem Mann, der kein Interesse an ihrer Mitgift oder ihrer gesellschaftlichen Stellung hatte.

Er küsste sie.

Connie.

An der Art, wie er stoßweise atmete und wie sein Herz heftig gegen seine Rippen schlug, erkannte sie, dass er den Kuss ebenso tief empfand wie sie. Diese intensive Leidenschaft rief Gefühle in ihr hervor, die so unerwartet und überwältigend waren, dass sie glaubte, sie wäre in eine andere Welt versetzt – eine Welt, die sie nie wieder verlassen wollte. Endlich gab es jemanden, der sie anziehend und begehrenswert fand. Sie fühlte sich schön, voller Leben und unglaublich weiblich.

Sie hörte weder, wie die Tür der Bibliothek geöffnet wurde, noch wie mehrere Menschen den Raum betraten.

„Was zum Teufel geht hier vor sich?“

Als sie die wütende Stimme des Marquis of Deal hörte, schreckte sie hoch und schubste Aaron kurzerhand auf den Boden, während sie versuchte, ihre Röcke in Ordnung zu bringen. Links neben ihrem Verlobten stand ihr Vater, der sie eiskalt anstarrte, und rechts neben ihm Penelope Rothman, deren Lippen ein hämisches Grinsen umspielte.

„Es ist nicht so, wie es aussieht“, stotterte Connie. Ihre Augen waren vor Entsetzen geweitet, während sie hilfesuchend und voller Angst Aaron anschaute. Sein Gesicht war angespannt, als er sich erhob, doch er sagte nichts, sondern half ihr, vom Sofa aufzustehen.

„Ihre Tochter wurde kompromittiert.“ Verächtlich wandte sich Deal an ihren Vater. „So will ich sie nicht mehr.“

Als ihr Vater sie wieder ansah, loderte etwas wie Hass in seinen für gewöhnlich kalten Augen. „Du hast Schande über die Familie gebracht, Constance!“

Connie war übel und schwindelig, der Boden unter ihren Füßen schien nachzugeben. Sie war vollkommen überwältigt. Wie konnte ihr das passieren? Noch mehr Gäste strömten in den Raum, um das schreckliche Schauspiel mitanzusehen, und sie konnte hören, wie draußen noch andere herbeigerufen wurden. Unter ihnen waren ihr jüngerer Bruder Henry und ihre Mutter. Die Gesichter der beiden waren bleich vor Entsetzen. Ihre Mutter sah aus, als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen. Hinter ihnen erschien Aarons Vater, Viscount Ardleigh. Die versammelte Menge teilte sich wie das Rote Meer vor Mose, als er in den Raum trat.

Zweifellos sah er das zerzauste Haar seines Sohnes und die geöffneten Knöpfe an dessen Weste. Connie wollte nicht darüber nachdenken, wie sie auf ihr Publikum wirken musste, aber wenn ihr Anblick nur ansatzweise dem von Aaron glich, dann musste sie vollkommen verrucht aussehen – so als habe sie sich soeben ihrem Verlangen voller Inbrunst hingegeben. Eine Locke ihres allzu roten Haares, die Aaron bei seiner leidenschaftlichen Umarmung gelöst hatte, strich über ihre Wange. Ihre Schuld war unverkennbar. Wo sie auch hinsah – überall tuschelten die Damen hinter vorgehaltenen Fächern voll empörter Schadenfreude.

Der alte Wincanton betrachtete die Szene lange, ohne sich zu regen. Nach einer Ewigkeit richtete er den Blick auf seinen Sohn. „Gut gemacht, Aaron“, sagte er mit einem Anflug von Stolz. „Und ich dachte, du hättest es nicht in dir.“ Dann warf er den Kopf in den Nacken und begann schallend zu lachen.

3. KAPITEL

Connie erinnerte sich vage daran, wie sie des Ballsaals verwiesen worden war. An die Kutschfahrt zum Stadthaus ihrer Familie hatte sie jedoch eine genaue Erinnerung. Es war schrecklich gewesen. Ihre Mutter saß in eisigem Schweigen da, ihr Bruder Henry war blass und verstört. Ihr Vater schäumte vor Wut und stieß einen Fluch nach dem anderen aus. Seine Vorhaltungen waren noch schlimmer als bisher und liefen immer auf dasselbe hinaus: Er hielt sie für eine dumme, undankbare Dirne. Für ihn war sie gestorben. Sie sollte ihre Sachen packen, am nächsten Morgen das Haus verlassen und nie wieder an seine Tür klopfen. Selbst jetzt – mehrere Stunden später – fühlte sich Connie wie betäubt. Ein lächerlicher und unüberlegter Moment der Schwäche, und ihr Leben lag in Trümmern. Sie hatte keine Ahnung, was sie tun oder wohin sie gehen sollte.

Nach ihrer Heimkehr war ein Dienstmädchen auf ihr Schlafzimmer geschickt worden, um ihr beim Packen zu helfen. Zwei Truhen und eine Tasche standen in einer Ecke des Raumes. Obwohl draußen noch tiefe Nacht war, konnte Connie keinen Schlaf finden. Ihre Gedanken kreisten um die schrecklichen Ereignisse, und noch immer konnte sie nicht verstehen, wie alles so schlimm hatte enden können. Allerdings wusste sie durchaus, wer dafür verantwortlich war.

Aaron Wincanton.

Er hatte sie in einem Moment der Schwäche ertappt und dies skrupellos ausgenutzt, um den dummen Rachefeldzug gegen ihre Familie fortzuführen. Wahrscheinlich hatte es ihm noch Freude bereitet, sie zu ruinieren.

Ein Dienstmädchen klopfte zaghaft an die Tür. „Sie werden im Arbeitszimmer Seiner Lordschaft erwartet, Mrs. Constance. Ich soll Ihnen ausrichten, nicht zu trödeln.“

Der Morgen hatte gerade erst gedämmert, und ihr Vater wünschte sie bereits fort. Schweren Herzens stand Connie auf und begab sich nach unten. Da die Tür des Arbeitszimmers geschlossen war, klopfte sie an, bevor sie eintrat. Selbst in guten Zeiten mochte ihr Vater es nicht, gestört zu werden – und jene Zeiten waren nun endgültig vorbei. Seine Stimme war kälter als sonst. „Herein.“

„Du wolltest mich sehen, Vater?“ Connie schaute auf ihre Hände, um nicht die Enttäuschung in seinen Augen sehen zu müssen.

„Sprich mich nie wieder so an. Was mich angeht, habe ich keine Tochter mehr.“

Er hätte keine grausameren Worte finden können. Erst als Connie entsetzt aufblickte, bemerkte sie Aaron Wincanton, der steif in der anderen Ecke des Zimmers stand. Als er auf sie zuging, konnte sie nicht erkennen, welche Gefühle seinen Blick trübten, aber es war ihr auch egal. Wie von selbst ballten sich ihre Hände zu Fäusten. Waren die Wincantons so boshaft, dass einer von ihnen ihren Ruin bis zum Ende miterleben wollte? „Was hat er hier zu suchen?“

Ihr Vater sah ihn nicht an. „Er hat um deine Hand angehalten. Unter den vorliegenden Umständen habe ich eingewilligt.“

„Ich werde ihn nicht heiraten. Ich hasse ihn!“ Connie schleuderte ihre Worte direkt in das Gesicht dieses Scharlatans.

„Das mag so sein“, fuhr ihr Vater in gelangweiltem Ton fort, „aber deine Mutter hat mich gebeten, dich nicht auf die Straße zu werfen. Diese Lösung ist uns daher recht. Du hast dein Schicksal besiegelt, Constance, als du ihm gestattet hast, deine Tugend zu rauben.“

„Ich habe nicht …“

Ihr Vater unterbrach sie mit erhobener Hand. „Der halbe Ballsaal hat es gesehen. Ob ihr bis zum Letzten gegangen seid, spielt keine Rolle. Dass du diesem … diesem …“, er deutete erstmals mit dem Kopf in Aarons Richtung und sah ihn mit abgrundtiefer Verachtung an, „… diesem Wincanton erlaubt hast, dich zu berühren, obwohl ich die perfekte Verbindung zwischen dir und Deal arrangiert hatte, ist nicht zu fassen. Aber du hast es getan und musst jetzt mit der Schande und den Konsequenzen leben. Er hat eine Sondergenehmigung für euch besorgt, sodass ihr beide schnellstmöglich heiraten könnt.“

Connie spürte, wie ihre Beine nachgaben, und taumelte zurück, um sich auf einer Sofalehne abzustützen. „Nein! Du kannst mich nicht zwingen. Ich bin bereits volljährig. Du kannst mich nicht zwingen, jemanden zu heiraten, den ich nicht will.“

„Doch, das kann ich, Constance! Die Alternative wäre, dich auf die Straße zu werfen mit nichts außer deinen Kleidern am Leib.“

„Das wäre mir lieber, als einen Wincanton zu heiraten.“ Connie schritt zur Tür, ohne ihren Vater oder ihn anzusehen. Beide Männer waren abscheulich.

„Tu, was du nicht lassen kannst, aber dann werde ich deine Mutter zusammen mit dir hinauswerfen. Wenn sie eine bessere Anstandsdame gewesen wäre, wäre das alles nie passiert. Du warst schon immer nicht nur unansehnlich, sondern auch eigenwillig und schwierig. Sie hat dir viel zu viel durchgehen lassen. Ich werde nicht auf ihre herzzerreißenden Bitten hören, denn ich halte sie für genauso verantwortlich für die Schande, die du mit deinem Verhalten über unsere Familie gebracht hast.“

Ungläubig drehte sich Connie zu ihrem Vater um, der ihren Blick mit unbarmherziger Härte erwiderte. Meinte er es tatsächlich ernst? War er wahrhaftig so kaltherzig, sie beide hinauszuwerfen, um seinen Willen durchzusetzen?

Voller Bitterkeit erkannte sie, dass dem so war. Das Wort des Earls of Redbridge war Gesetz, und in Bezug auf die Fehde zwischen den Stuarts und Wincantons war dieses Gesetz in Stein gemeißelt. Sowohl ihre Mutter als auch sie selbst waren im Vergleich dazu bedeutungslos. Solange er einen Erben hatte, war ihr Vater zufrieden. Connie wagte einen kurzen Blick auf Aaron. Er beobachtete sie immer noch aufmerksam, die Kiefermuskeln angespannt. Seine dunklen Augen funkelten ärgerlich, allerdings wusste sie nicht, ob seine Wut ihr oder ihrem Vater galt.

„Dann lass den Pfarrer rufen, damit wir diese Farce hinter uns bringen können.“ Connie gab sich geschlagen. Aaron konnte es in ihren Augen sehen. Es war, als ob alles Licht aus ihnen gewichen wäre. Für sich allein mochte sie tapfer und kühn sein, aber die Loyalität zu ihrer Mutter war so stark, dass sie sich nicht über die Anordnung ihres Vaters hinwegsetzen konnte. Aaron fragte sich, wie sich eine solche Verbindung anfühlen musste. Seine Mutter war kurz nach seiner Geburt gestorben, weshalb er als Heranwachsender nie die bedingungslose Liebe eines Elternteils gespürt hatte. Sein Vater und der Earl of Redbridge hatten offenbar vieles gemein, denn ihren Kindern gegenüber waren beide äußerst herzlos. Beinah hätte sich Aaron eingemischt, um Connie zu verteidigen, erkannte jedoch, dass ihr Vater sie beide dann wahrscheinlich in hohem Bogen hinausgeschmissen hätte. Wenn das passierte, würde sie ihn niemals heiraten. Einem derart harten Leben wollte er sie nicht aussetzen.

Connies Vater ging zur Tür und redete leise mit einem Diener, sodass Aaron Gelegenheit erhielt, mit ihr zu sprechen.

„Es wird alles gut, Connie. Das verspreche ich“, flüsterte er, während er sanft ihre Hand ergriff. Sofort entzog sie ihm die Hand, als hätte sie sich verbrannt.

„Fassen Sie mich nicht an! Ich verabscheue Sie, Aaron Wincanton. Das wird sich niemals ändern.“

Obwohl die Worte verletzend waren, konnte er sie ihr nicht verübeln. Diese ganze Misere war allein seine Schuld. Er hätte nie in die Bibliothek gehen sollen. Er hatte sie zum Weinen gebracht und mit dem Kuss angefangen, der sie ruiniert hatte. Kein Wunder, dass sie ihn hasste. Er hasste sich selbst, aber das war nichts Neues. Eigentlich hätte er Violet Garfield einen Antrag machen müssen, um die Zukunft des Wincanton-Anwesens zu retten. Stattdessen hatte er alles in Unordnung gebracht und das Leben eines weiteren unschuldigen Menschen zerstört.

Als sein Vater ihn in der Bibliothek vor den Augen aller dazu beglückwünscht hatte, den Stuarts eins ausgewischt zu haben, hatte sich Aaron geschworen, sein jüngstes Vergehen wiedergutzumachen. Als er jedoch mitansehen musste, wie Connie vollkommen aufgelöst aus der Bibliothek taumelte, empfand er eine so überwältigende Schuld, dass er es kaum mit sich im gleichen Raum aushalten konnte.

„Ich wusste, dass mein Erbe mich nicht enttäuschen würde“, sagte sein Vater voller Stolz, als sie beide endlich allein waren. „Jetzt wird sie niemand mehr haben wollen.“

Aaron erkannte die Wahrheit in diesen Worten. In der feinen Gesellschaft würde man nie über das Vergehen einer Frau hinwegsehen. Wenn er es nicht wiedergutmachte, würde Connie ausgestoßen und zu einem freudlosen Leben als alte Jungfer verdammt werden. „Ich werde sie heiraten“, verkündete er plötzlich.

„Das wirst du nicht. Ich verbiete es. Ich werde mir meinen Stammbaum nicht durch das Blut einer Stuart verderben lassen!“

„Es gibt keine andere Lösung. Ich habe sie ruiniert. Es ist meine Pflicht, sie zu heiraten.“ Aaron ging zur Tür.

„Es ist nicht deine Pflicht. Die Welt ist voller ruinierter Frauen, die es hätten besser wissen müssen. Sobald sich die Wogen geglättet haben, kannst du immer noch um Violet Garfields Hand anhalten. Du bist eine zu gute Partie, als dass sie den Antrag ablehnen könnte.“

Für einen kurzen Moment dachte Aaron ernsthaft über die Worte seines Vaters nach. Violets Mitgift könnte sie retten. Doch dann verwarf er den Gedanken genauso schnell wieder. Auch wenn er ein Wincanton war, hatte die Armee ihn gelehrt, was es hieß, Verantwortung zu übernehmen. Es war seine Pflicht, Connie Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Er hatte sich nicht ehrenwert verhalten und würde nicht zulassen, dass sie allein dafür zahlen musste. Aaron hatte bereits genügend Leben zerstört; seine früheren Sünden lasteten schon schwer genug auf seinem Gewissen.

„Ich werde um Constance Stuarts Hand anhalten und ihr die Entscheidung überlassen.“ Er hoffte aufrichtig, dass sie ablehnen würde – trotz der unglücklichen Beziehung ihrer beider Familien verdiente sie einen besseren Mann als ihn. Aber sie selbst sollte die Entscheidung treffen.

„Wenn du das tust, dann werde ich …“

„Was, Vater?“ Es war eine altbekannte Drohung, die vor langer Zeit ihre Wirkung auf ihn verloren hatte. „Du kannst mich nicht enterben. Das Gesetz sieht vor, dass das Anwesen auf mich übergeht. Du kannst mich hinauswerfen, doch ich werde zurückkehren, wenn du stirbst, was – wie wir beide wissen – eher früher als später geschehen wird. Bis dahin werde ich mich über Wasser halten.“ Aaron ging auf seinen Vater zu und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. „Finde Trost darin, dass ich aus Versehen eine Stuart ruiniert habe, Vater. Das ist die einzige Genugtuung, die du aus dieser leidvollen Angelegenheit ziehen kannst.“ Aaron machte auf dem Absatz kehrt.

„Du bist weich wie deine Mutter! Sie hatte auch kein Rückgrat. Ich habe schon immer gesagt: ‚Wie die Mutter, so der Sohn.‘ Und jetzt willst du noch so eine von dieser Sorte in unser Haus holen!“

Aaron wirbelte herum und knurrte förmlich in das Gesicht seines Vaters. „Wenn Connie mich haben will, wird sie bereits morgen meine Gemahlin sein, und du wirst sie mit dem nötigen Respekt behandeln. Ich habe dir innerhalb des nächsten Jahres einen Enkel versprochen. Was macht es für einen Unterschied, wer ihn auf die Welt bringt?“

Schließlich war er zurückgewichen – denn sonst hätte der Wunsch, seinem Erzeuger etwas anzutun, ihn zu einer unbedachten Tat hingerissen. Es war noch dunkel, als er losgezogen war, um sich eine spezielle Heiratsgenehmigung ausstellen zu lassen. Erst danach hatte er Connies Vater aufgesucht und war nicht wenig überrascht, dass der Earl sich so bereitwillig einverstanden erklärt hatte. Jetzt, da er sah, wie dieser seine einzige Tochter behandelte, überraschte es ihn jedoch nicht mehr. Der Earl war fest entschlossen, Connie für die Schmach, die sie ihrer Familie bereitet hatte, bluten zu lassen. Um noch mehr Öl ins Feuer zu gießen, hatte er nur in die Verbindung eingewilligt, wenn Aaron auf die Mitgift verzichten würde, was er natürlich sofort getan hatte. Auch wenn er das Geld dringend gebraucht hätte, war das wohl kaum Connies Schuld. Welche größere Strafe hätte ihr Vater ihr auferlegen können, als sie vollends zu enterben und mit dem Feind zu verheiraten?

Wie bei Aarons Vater hatte die Fehde bei dem Earl of Redbridge so viel Bitterkeit und Hass hervorgerufen, dass er unfähig war, über den eigenen Tellerrand hinauszusehen. Beide Männer waren Tyrannen, und bei der Begegnung mit ihnen stellten sich Aaron die Nackenhaare auf.

Connie saß zusammengesunken auf dem Sofa und sah zugleich entmutigt und angewidert aus. Da Aaron nicht wusste, was er ihr sagen sollte, setzte er sich in den Sessel neben sie und wartete. Keiner von beiden sprach. Was gab es zu sagen? Sie waren jetzt dazu verdammt, zusammen zu sein, obwohl keiner von beiden den anderen in seiner Nähe haben wollte. Zum Glück mussten sie nicht lange warten. Ein überaus nervös wirkender Pfarrer erschien. Betreten blinzelte er sie beide durch seine dicken Brillengläser an. „Dürfte ich die Genehmigung sehen?“

Aaron reichte sie ihm, und er las sie schnell durch. „Es scheint alles in Ordnung. Allerdings kann ich nicht umhin zu bemerken, dass Sie beide nicht sonderlich erfreut aussehen.“ Freundlich schaute er Connie an, doch es war ihr Vater, der ihm antwortete.

„Das sind nur die Nerven der Braut. Meine Tochter freut sich genauso wie ich.“

Der Pfarrer sah nicht überzeugt aus, sondern schaute besorgt zwischen Aaron und Connie hin und her. „Wir brauchen zwei Zeugen.“

„Sie warten im Zimmer nebenan“, erwiderte der Earl of Redbridge kurz angebunden. „Ich werde sie holen, damit Sie es hinter sich bringen können.“ Er ging zur Tür, drehte sich aber noch einmal um und sprach Aaron direkt an, so als wäre seine Tochter gar nicht anwesend. „Ich werde nicht zurückkommen. Sobald die Zeremonie vorbei ist, schaffen Sie sie aus meinem Haus. Ich will nichts mehr mit ihr zu tun haben. Sie ist jetzt Ihr Problem. Und sie wird Ihnen Schwierigkeiten bereiten. Das hat sie immer getan.“ Damit verließ er den Raum.

„Es wäre vielleicht sinnvoll, etwas zu warten.“ Der Pfarrer legte seine Hand sanft auf Connies. „Vielleicht erscheint Ihnen in ein paar Tagen alles viel klarer. Diese Hochzeit wirkt etwas überstürzt.“

Sie schüttelte den Kopf, ohne ihn anzusehen, und sackte dann wieder in sich zusammen. Zwei leichenblasse Diener traten ein und stellten sich verlegen im Raum auf. Connie stand steif neben Aaron, starrte ins Nichts und versuchte, nicht zu weinen.

„Wollen Sie, Constance Elizabeth Mary Stuart, diesen Mann, Aaron Phillip Arthur George Wincanton, zu Ihrem rechtmäßig angetrauten Ehegatten nehmen?“

Aaron hielt den Atem an, bis Connie einmal nickte.

„Sie müssen es sagen, Lady Constance.“

Es entstand eine lange Pause. Aaron sah, wie sie die Hände an ihren Seiten zu Fäusten ballte und wie ein Sturm von Gefühlen über ihr Gesicht huschte. Schließlich wandte sie den Kopf und sah ihn voller Hass an.

„Ja, ich will.“

Den restlichen Schwur murmelte sie so, als wäre sie in Gedanken woanders. In der Eile hatte Aaron vergessen, einen Trauring zu besorgen, und musste daher seinen Siegelring als Ersatz nehmen. Er war viel zu groß für ihren zarten Finger und wirkte vollkommen fehl am Platz. Alles an dieser Ehe war falsch. Sie waren bestenfalls Fremde und schlimmstenfalls Erzfeinde.

Als die ersten Sonnenstrahlen in das Arbeitszimmer fielen, erklärte der Pfarrer sie zu Mann und Frau. Er schlug Aaron nicht vor, die Braut zu küssen. Sogar der Geistliche hatte erkannt, dass Connie ihren Gatten lieber umgebracht als geküsst hätte. Doch es war vollbracht. Aaron konnte nicht sagen, was ihn am Abend zuvor dazu getrieben hatte, ihr in der Bibliothek Gesellschaft zu leisten, aber jetzt würden sie beide ein Leben lang Zeit haben, seine unüberlegte Entscheidung zu bereuen.

„Komm, Connie“, sagte er niedergeschlagen, „es ist Zeit, zu gehen.“

4. KAPITEL

Aaron setzte sich nicht zu ihr in die Kutsche, als sie von London direkt nach Ardleigh Manor fuhren, sondern ritt neben ihr her. Obwohl sie dankbar dafür war, dass er offenbar erkannt hatte, dass sie ihm nichts zu sagen hatte, bedeutete es zugleich, dass sie stundenlang mit nichts außer ihren Gedanken und Ängsten beschäftigt war.

Ardleigh Manor.

Obwohl sie fast jeden Tag ihres Lebens von ihrem Schlafzimmerfenster in Redbrigde House auf das Land der Wincantons geschaut hatte, war ihr deren Stammsitz vollkommen fremd. Das Anwesen grenzte zwar an das Land ihres Vaters, aber das könnte jetzt genauso gut auf dem Mond liegen, so unerreichbar weit weg erschien es. Sie war von ihrer Familie verstoßen worden. Nie wieder würde sie mit ihrem Bruder Henry oder ihrer Mutter die Zeit verplaudern, ihr geliebtes Pferd reiten oder die Geborgenheit, die Gerüche und die Behaglichkeit ihres Elternhauses erleben. Auch wenn sie nicht glaubte, dass sie ihren Vater vermissen würde – für ihn war sie seit dem Tag ihrer Geburt eine einzige Enttäuschung gewesen – erschien ihr das Ausmaß des Verlustes grausam. Connie fühlte sich, als ob man ihr Herz aus der Brust gerissen und in kleine Stücke zerfetzt hätte. Es gab nichts, was sie daran ändern konnte. Sie fühlte sich verletzt, ungerecht verurteilt und beschämt. Zugleich war sie unglaublich wütend.

Als sie hörte, wie Kies unter den Rädern der Kutsche knirschte, zwang sie sich, aus dem Fenster einen Blick auf ihr neues Zuhause zu werfen. Aus der Nähe war Ardleigh Manor größer, als sie geglaubt hatte. Die symmetrische, klassisch gestaltete Fassade hob sich strahlend weiß gegen den Nachthimmel ab; aus den Fenstern fiel warmer Kerzenschein. Wenn es einer anderen Familie als den niederträchtigen Wincantons gehört hätte, hätte sie das Haus vielleicht hübsch und weniger bedrohlich gefunden, doch als die Kutsche langsam zum Stehen kam, wappnete sich Connie dafür, Feindesland zu betreten.

Ein streng wirkender Butler und eine kleine untersetzte Haushälterin warteten vor der geöffneten Eingangstür. Kühn ignorierte Connie die Hand, die ihr ihr Gatte als Hilfe anbot, und stieg die wenigen Stufen der Kutsche schnell hinab. Ihr Blick war auf die riesige, bedrohlich aufragende Flügeltür gerichtet. Im Grunde stellte diese Tür die Pforten zur Hölle dar: Da Aaron Wincanton ihr wie der leibhaftige Teufel erschien, würde ihr Leben auf Ardleigh Manor vermutlich die Hölle werden. Connie wusste nur nicht, ob sie bei diesem Szenario eine verlorene Seele oder eine Sünderin darstellte. Wahrscheinlich ein bisschen von beidem. Bei ihren Zärtlichkeiten hatte Aaron lediglich ihren Ruin im Sinn gehabt, wohingegen sie seine Berührungen genossen hatte – was war sie für eine dumme, verzweifelte Närrin gewesen! Es ärgerte sie über alle Maßen, sich die eigene Mitschuld einzugestehen, trotzdem würde sie ihr Schicksal nicht einfach hinnehmen. Aaron Wincanton würde den Tag bereuen, an dem er sie benutzt hatte, um die alte Fehde fortzusetzen. Dessen war sie sich sicher.

Der Butler trat vor. „Darf ich Ihnen im Namen des Hauspersonals unsere Glückwünsche aussprechen, Mr. Aaron? Willkommen auf Ardleigh Manor, Mrs. Wincanton. Mein Name ist Deaks, das ist Mrs. Poole.“

Es war das erste Mal, dass sie als eine Wincanton angesprochen wurde. Als sie ihren Namen hörte, wurde Connie mulmig. Aus Höflichkeit neigte sie den Kopf in Richtung des Dieners. Es war kaum seine Schuld, dass sie hier war.

„Ich habe die Räume vorbereitet, wie Sie es gewünscht haben, Mr. Aaron. Ich hoffe, es ist alles zu Ihrer Zufriedenheit, Mrs. Wincanton. Ein leichtes Abendessen steht bereit, falls Sie hungrig sind.“

Connie schüttelte den Kopf, bevor sie sich auf ihre Manieren besann. „Danke, aber ich habe keinen Hunger. Mr. Deaks … Mrs. Poole.“

„Es war ein langer Tag für uns“, warf Aaron ein. „Wenn Sie das Gepäck meiner Gemahlin hochbringen lassen würden, Deaks. Ich glaube, sie würde sich gern zurückziehen.“

„Natürlich, Sir.“ Noch einmal wandte sich der Butler Connie zu, und sie wusste genau, was jetzt kommen würde. „Entschuldigen Sie, Madam, aber Sie sind sehr groß, nicht wahr?“ Immerhin verdrehte Mrs. Poole die Augen und stieß ihm unsanft einen Ellbogen in die Rippen.

Connie starrte ihn wortlos an, bis er verschämt seinen Blick abwandte. Normalerweise ertrug sie solche Bemerkungen mit einem kühlen Lächeln, doch heute fehlte ihr die Kraft dazu. Aaron schritt ein und half dem Butler aus seiner misslichen Lage. „Vielen Dank, Deaks, Mrs. Poole. Das wäre alles.“ Der Butler verbeugte sich steif und trat zur Seite.

Ohne sie zu berühren, führte Aaron sie in das Haus und eine beeindruckende, reich verzierte Marmortreppe hinauf. „Sicherlich findest du das alles sehr beunruhigend. Mir geht es jedenfalls so.“ Er lächelte sie befangen an. Sein Lächeln erstarb, als sie stumm blieb. „Ich habe dich in den ehemaligen Räumen meiner Mutter untergebracht. Sie bieten eine Aussicht auf den Garten. Dazu gehört auch ein kleiner Salon. Ich dachte, du würdest vielleicht etwas Privatsphäre schätzen, während du dich mit deinem neuen Zuhause vertraut machst.“

Sie gingen auf das Ende eines langen Flurs zu. Aaron öffnete eine Flügeltür und trat zurück, um ihr den Vortritt zu lassen. Der kleine Salon war tatsächlich sehr hübsch. Ein Feuer brannte im Kamin, vor dem ein schönes altmodisches Sofa mit Brokatbezug und zwei passende Sessel standen. Die Tapete an den Wänden waren zitronenfarben gestreift, und ein großes Gemälde hing an der Wand. Connie nickte und war dankbar, dass sie einen Ort haben würde, an dem sie sich fernab dieser schrecklichen Familie aufhalten konnte. Weit weg von dem Mann, der wusste, wie sehr sie es hasste, groß und hässlich zu sein. Dem Mann, der sie weinen gesehen und aus Mitleid geheiratet hatte.

„Ich habe dafür gesorgt, dass mein Vater bis nächste Woche in London bleibt, damit du dich einleben kannst.“ Aaron hatte den alten Herrn vielleicht angewiesen, fortzubleiben, aber das hieß nicht, dass er auf seinen Sohn hören würde. „Da du die neue Hausherrin von Ardleigh Manor bist, wird das Personal auf Anweisungen von dir warten. Mrs. Poole wird dich morgen der Köchin und den anderen Bediensteten vorstellen.“ Er konnte nicht umhin festzustellen, dass ihre grünen Augen wieder hart wie Smaragde waren und sie den Mund verächtlich verzog. „Es sei denn, du möchtest das lieber verschieben, bis du dich wohler fühlst.“ Trotz des Feuers schien die Temperatur im Salon um mehrere Grade gesunken zu sein, seit Connie ihn betreten hatte.

„Dort geht’s zum Schlafgemach.“ Verlegen öffnete Aaron die Verbindungstür – wohl wissend, dass er nur daherredete, um die unangenehme Stille zu überspielen. Als er sah, dass die Diener bereits das Bett – beide Seiten des Bettes – bezogen hatten, versagte ihm die Stimme. Sie kannten sich kaum und standen jetzt allein in einem Schlafgemach. Die große Matratze des Himmelbetts schien ihn von der Mitte des Zimmers aus zu verspotten. Sie war für zwei Personen gedacht, doch er war sich nicht sicher, ob Connie und er heute Nacht das Bett miteinander teilen würden. Es wird wohl erwartet, dass ein Hochzeitstag mit einer Hochzeitsnacht endet, dachte er. Da ihre Trauung jedoch auf so schnelle und gefühllose Weise vollzogen worden war, würde er es Connie nicht vorwerfen, wenn sie ein bisschen warten wollte. Schließlich kannten sie sich kaum.

„Hast du ein eigenes Schlafgemach?“, fragte sie plötzlich, während sie ebenfalls auf das Bett starrte.

„Ja, weiter den Flur hinunter.“ Mein Gott! Hatte er je eine unangenehmere oder steifere Unterhaltung geführt?

„Gut.“ Als sie sich ihm zuwandte, sah er Feindseligkeit in ihrem hübschen Gesicht. „In diesem bist du nicht willkommen.“

Aaron nickte verständnisvoll – seltsam erleichtert, dass er heute Nacht darum herumkommen würde. Sie waren beide immer noch so entsetzt darüber, miteinander verheiratet zu sein, dass sie die zusätzliche Last ungewollter Vertraulichkeiten nicht auch noch bewältigen konnten. „Ich ging ohnehin nicht davon aus, dass du mich jetzt schon hier haben wolltest. Ich denke, wir sollten einander erst etwas kennenlernen, bevor wir … äh …“

„Ich werde dich nie hier haben wollen. Glaube ja nicht, dass sich diese Gefühle jemals ändern werden. Die Vorstellung deiner Hände auf meinem Körper macht mich krank. Es wird nur geschehen, wenn du mich dazu zwingst, und selbst dann werde ich nicht still unter dir liegen, wie es von einer pflichtbewussten Ehefrau erwartet wird. Ich werde mich mit Händen und Füßen wehren und meinen Hass auf dich hinausschreien, damit alle Diener es hören können!“

Nun, das würde meine guten Absichten auf jeden Fall in Zweifel ziehen, dachte Aaron. Aber vermutlich habe ich es nicht anders verdient. Er hatte ein besonderes Talent dafür, das Leben anderer Menschen zu zerstören. „Es tut mir leid, dass alles so gekommen ist, Connie. Das war nie meine Absicht.“

Ihre Hände ballten sich zu Fäusten, und für einen Moment glaubte er, dass sie ihn schlagen würde, so offensichtlich war ihre Wut. „Wie kannst du es wagen, mich anzulügen? Erwartest du ernsthaft von mir zu glauben, dass ein durchtriebener Wincanton nicht die erstbeste Gelegenheit ergreifen würde, die einzige Tochter seines Todfeindes zu ruinieren? Du hast es geplant, Aaron Wincanton! Du kamst in die Bibliothek mit der festen Absicht, mich zu kompromittieren.“

Die Frau hatte offenbar eine allzu blühende Fantasie. Allerdings war sie erschöpft, weshalb er ruhig antwortete. Vielleicht gelang es ihm, sie zur Vernunft zu bringen. „So war es nicht. Ich gebe zu, ich bin in die Bibliothek gegangen, obwohl du dort warst. Im Nachhinein erkenne ich, dass es unbesonnen und dumm war, aber es sollte nie jemand davon erfahren.“

Sie stemmte die Hände in die Hüften. „Ach, tatsächlich? Dann soll ich also glauben, dass der Kuss – gefolgt vom Erscheinen meines Verlobten und unserer Väter just im richtigen Moment – ebenfalls Zufall war? Verkauf mich nicht für dumm, Aaron!“

Er konnte verstehen, dass die Situation so auf sie wirkte, trotzdem entsprach dies nicht der Wahrheit. „Ich bin nicht in die Bibliothek gegangen, weil ich dich verführen wollte, Connie.“

„Warum dann?“

Das war eine berechtigte Frage, doch er war sich nicht sicher, was er darauf antworten sollte. Er wollte ihr gegenüber nicht zugeben, wie kritisch seine finanzielle Lage war. Verdrossen fuhr er sich mit einer Hand durch sein dunkles Haar. „Ich habe dich immer wieder aufgesucht, weil ich hoffte, dass das irgendwann zu einer Unterhaltung mit deinem Bruder führen würde. Ich möchte eine Brücke zwischen unseren Familien bauen. Ich dachte, dass wir als neue Generation diese dumme Fehde beenden könnten. Etwas anderes hatte ich nie im Sinn.“

„Natürlich nicht.“ Sie wanderte im Zimmer auf und ab; mit ihren langen Beinen legte sie den Abstand von einer Wand zur anderen schnell zurück. Während sie voller Sarkasmus weitersprach, gestikulierte sie dramatisch mit den Händen. „Du hast mir diesen ganzen Mist von Romeo und Julia erzählt und bist dabei versehentlich auf romantische Ideen gekommen. Dann hast du mich geküsst, weil du dem Zauber des Augenblicks erlegen bist und von meiner offensichtlichen Schönheit geblendet warst – und dann hast du das Publikum hereingebeten, du Schurke.“

Langsam wurde er wütend. Ihn einen Schurken zu nennen, war unangebracht. „Du hast meinen Kuss erwidert, wenn ich mich richtig erinnere, und zwar voller Inbrunst. Du bist nicht völlig schuldfrei. Meine Weste hat sich nicht von selbst aufgeknöpft, Connie. In Bezug auf das Publikum war ich so überrascht wie du, als sie plötzlich alle vor uns standen.“ In jenem Augenblick hatte er sofort erkannt, dass seine sorgfältig geschmiedeten Zukunftspläne zerplatzt waren. Jetzt waren Connie und er dazu verdammt, ein mittelloses, jämmerliches Leben zu führen.

Sie stemmte die Hände in die Hüften und sah ihn gebieterisch an. „Das kam dir aber sehr gelegen.“

Aaron sah rot – im wahrsten Sinne des Wortes. Bis zu diesem Moment hatte er den Ausdruck nie verstanden. Doch es war zu viel, mitanzusehen, wie sie ihn derart selbstgerecht beschimpfte – als hätte sie ihn nie so leidenschaftlich geküsst, dass sie darüber beide den Verstand verloren hatten. Er begriff nicht, wie sie ihm solch lächerliche Unterstellungen machen und dann jede seiner Erklärungen sarkastisch abwiegeln konnte. Jener fatale Kuss hatte viel mehr bewirkt, als nur Constance Stuarts Ruf zu ruinieren: Er hatte das Leben jedes verarmten Pächters auf dem Land der Wincantons zerstört.

„Gelegen? Bist du von Sinnen?“ Ohne zu überlegen, ging er auf sie zu und stellte sich dicht vor ihr in seiner vollen Größe auf, wie er es noch nie bei einer Frau getan hatte. Er ballte seine Hände zu Fäusten, um sich daran zu hindern, sie an den Schultern zu packen und zu schütteln, bis ihr die Zähne im Mund klapperten. „Du glaubst, dass mir diese Ehe gelegen kommt? Natürlich tut sie das nicht! Diese Ehe kommt mir überaus ungelegen, Connie. In Wahrheit ist sie eine absolute Katastrophe! Ich stand kurz davor, um Violet Garfields Hand anzuhalten! Jetzt habe ich dich am Hals.“ Violet war zwar dumm wie Brot, hatte jedoch ein fröhliches Naturell und sah voller Bewunderung zu ihm auf. Constance Stuart hingegen nahm kein Blatt vor den Mund und blickte von oben auf alle herab – insbesondere auf ihn. Nun, er hatte genug davon.

„Beantworte mir einmal Folgendes, wenn du schon die Unschuld in Person spielst: Wenn ich das Ganze eingefädelt habe, um dich zu ruinieren und mich an deiner schrecklichen Familie zu rächen, warum zum Teufel ließ ich dich die Suppe dann nicht allein auslöffeln? Wäre das nicht der größtmögliche Triumph für einen durchtriebenen Wincanton wie mich gewesen? Dich zu kompromittieren und dazu zu verdammen, die Anfeindungen aller Welt allein zu ertragen? Doch das habe ich nicht getan. Entgegen der Wünsche meines Vaters und meines besseren Wissens habe ich diesen Ball sofort verlassen, um eine Heiratsgenehmigung zu besorgen. Dann habe ich dich geehelicht. Ich gab dir meinen Namen, meinen Schutz und ein Zuhause. Ein wahrhaft boshafter Wincanton hätte tatenlos zugesehen, wie man dich auf die Straße wirft, wie es dein Vater vorhatte, und dich auslacht, wenn du in der Gosse gelandet wärst!“

Wortlos starrte sie ihn an, aber er war noch nicht fertig. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann sein Temperament zuletzt mit ihm durchgegangen war. Vor langer Zeit hatte er aufgehört, sich von irgendetwas persönlich betroffen zu fühlen. Stattdessen akzeptierte er alles, was ihm widerfuhr, als gerechte Strafe für seine Taten. Hier lagen die Dinge allerdings anders. Connie musste ihren Teil der Schuld anerkennen, selbst wenn er wusste, dass die größte Schuld bei ihm lag. Sie sah ihn immer noch vernichtend an – vollkommen uneinsichtig und wutentbrannt. Ihre Selbstgerechtigkeit machte ihn noch zorniger. Wieder überlegte er ernsthaft, die Frau durchzuschütteln oder sie über das Knie zu legen und ihr eine Lektion zu erteilen – wenn sie sich schon aufführte wie ein trotziges Kind.

Um seine aufbrausenden Gefühle zu beruhigen, begann Aaron, am Fuße des Bettes auf und ab zu laufen. Es nützte nichts. Wie konnte sie ihm unterstellen, sie aus derart niederträchtigen Gründen verführt zu haben! Sein einziges Verbrechen hatte darin bestanden, die kostspielige und unsinnige Fehde beenden zu wollen, damit er in Frieden mit seinen Nachbarn leben konnte. Er wollte nicht sein Leben damit verbringen, ständig auf der Hut sein zu müssen – wie es sein Vater und sein Großvater getan hatten – und immer den nächsten Angriff zu erwarten oder zu planen. Den Krieg hatte er ausgiebig erlebt; er wollte keinen weiteren vor seiner eigenen Haustür führen. Krieg brachte nur Tod und Zerstörung mit sich. Er war ein sinnloses und teures Unterfangen – überaus teuer, da das Anwesen kurz vor dem Bankrott stand.

Aaron hatte sich der lächerlichen Hoffnung hingegeben, dass er sich mit Connie und schließlich mit ihrem Bruder anfreunden könnte, um nach dem Tod ihrer Väter Frieden zu schließen. In der Zwischenzeit hätte er mit Violets Mitgift das Anwesen wieder in einen gewinnbringenden Betrieb verwandelt, der zukünftigen Generationen von Wincantons ein unbeschwertes Leben sicherte. Dafür hätte er zwar sein eigenes Glück opfern müssen, aber das war für ihn ohnehin nicht von Bedeutung.

Sein Plan war allerdings auf spektakuläre Weise gescheitert. Violet und ihre Mitgift waren für ihn endgültig verloren. Noch schlimmer war der Umstand, dass Connies Vater nun mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln gegen die Wincantons vorgehen würde, nachdem seine einzige Tochter von einem von ihnen ruiniert worden war. Anstatt die Kluft zwischen den Familien zu überwinden, hatte Aaron für ein noch größeres Zerwürfnis gesorgt. Jetzt gab es keine Möglichkeit mehr, sich von den Schulden zu befreien. Er hatte Connie zur Frau genommen, ohne auch nur eine Münze dafür zu bekommen. Nein, an dieser Ehe kam ihm nichts gelegen. Alles war nun deutlich schlimmer als zuvor. Connie hätte zumindest etwas Reue zeigen können.

Aaron starrte seine frischgebackene Gemahlin an. Ihre blasse Stirn zeigte eine strenge Falte, und die Lippen waren so unnachgiebig zusammengepresst, dass sie kaum sichtbar waren. Und sie glaubte, dass er enttäuscht wäre, wenn sie ihn nicht in ihr Bett einlud! Dass er so weit gehen würde, sie zu zwingen, diese Ehe zu vollziehen! In Wahrheit hätten ihn keine zehn Pferde dazu gebracht, ihr Bett aufzusuchen – unabhängig davon, wie sehr sich sein Vater einen Enkel wünschte.

„Mach dir nichts vor, Connie! Ich bin vollkommen entsetzt darüber, dein Mann zu sein. Die Vorstellung, dass ich für immer an dich gebunden bin, bis das der Tod uns scheidet … Gott steh mir bei!“ Aaron ging zur Tür, doch dann drehte er sich noch einmal um, um sich gebührend zu verabschieden. „Du willst mich also nicht in deinem Bett haben? Ich bitte dich! Welcher Mann würde freiwillig das Bett mit einer Widerspenstigen wie dir teilen? Eher würde ich wieder in den Krieg ziehen!“ Er sah sie von oben herab an, trotzdem schien sie noch immer unbeeindruckt. Wieder stemmte sie die Hände in die Hüften – eine Geste, die inzwischen wie ein rotes Tuch auf ihn wirkte. Wie konnte sie es wagen? Mit erhobenem Zeigefinger stand er vor ihr. „Du bist jetzt meine Frau und wirst deine Pflicht erfüllen, wenn ich es sage. Wenn ich mich dazu überwinden kann, dich anzufassen, wirst du mir einen Erben schenken!“

Aaron schlug die Tür so heftig zu, dass die Fensterscheiben klirrten, und ging in sein Schlafgemach. Es überraschte ihn nicht, dass er schlecht schlief. Anders als sonst wurde sein Schlaf aber nicht von den üblichen Albträumen voller Kanonendonner und toter Soldaten beeinträchtigt, sondern von Träumen von einer trotzigen Rothaarigen, die sein Blut in Wallung brachte und in seinen Lenden ein Feuer entfachte.

5. KAPITEL

Ein Dienstmädchen brachte ihr am nächsten Morgen ein Frühstückstablett herein. „Mr. Aaron hat mich gebeten, Ihnen auszurichten, dass er den Tag auswärts verbringen wird. Falls Sie etwas benötigen, wird sich Mr. Deaks darum kümmern.“

Connie lächelte das Mädchen höflich an und nahm das Tablett entgegen. Ihr knurrte der Magen. Der gebratene Speck duftete köstlich – auch wenn er aus der Küche der Wincantons kam – und erinnerte sie daran, dass sie seit über vierundzwanzig Stunden nichts gegessen hatte. Vielleicht sollte sie sich stärken, um danach ihre verwirrten Gedanken und Gefühle besser zu ordnen. Wenigsten war sie ihn für längere Zeit los.

Ihre Lage erschien aussichtslos, aber vielleicht gab es ein Licht am Ende des Tunnels: eine Annullierung. Wenn Aaron einwilligte, die Ehe aufheben zu lassen, wäre sie zwar nach wie vor eine skandalöse Person und von ihrer Familie verstoßen, doch ihr Vater würde wohl kaum ihre Mutter auf die Straße werfen. Die Annullierung wäre schlichtweg eine weitere Grausamkeit der Wincantons. Ihr Vater müsste lediglich glauben, dass es nicht ihre Schuld war. Falls er sich dann immer noch nicht versöhnen wollte, könnte sie ihren Lebensunterhalt vielleicht als Lehrerin an einer Damenschule oder als Gouvernante verdienen. Wenn sie ihren Namen änderte und weit wegzog, könnte das gelingen.

Am vernünftigsten wäre es, Aaron zu fragen. Es bestand die Möglichkeit, dass er offen für den Vorschlag war. Eine Annullierung würde jedoch einen weiteren Skandal verursachen – wäre er dazu bereit? Auf alle Fälle würde er ihrem Vorschlag wohl kaum zustimmen, solange sie zerstritten waren. Vermutlich würde er ihn sofort ablehnen, nur um sie zu ärgern.

Dennoch war sie nicht dazu bereit, sich für ihr Verhalten von letzter Nacht zu entschuldigen. Ihr blieb nur ihr Stolz, und auch Aaron hatte einige sehr verletzende Dinge gesagt. Seine wütenden Worte hatten bestätigt, dass er sie nicht anziehend fand. Hatte er nicht gesagt, dass er niemals das Bett mit ihr teilen wollte, und sie eine Widerspenstige genannt? Noch demütigender war die Tatsache, dass sie sein Temperament aufregend gefunden hatte. Bisher hatte ihr niemand so die Stirn geboten, die meisten Männer waren ihr einfach aus dem Weg gegangen. Aaron hatte den Streit mit ihr nicht gescheut und sich dicht vor sie gestellt – so nahe, dass sie seine Körperwärme hatte spüren können. Die Intensität und Leidenschaft, die in seinen dunklen Augen loderten, entfachten ein Feuer in ihrem Inneren, das nach und nach jede Faser ihres Körpers erfasste. Sie musste daran denken, wie herrlich es gewesen war, als er ihr seine Leidenschaft auf eine ganz andere Art gezeigt hatte.

Ihre Lippen prickelten bei der Vorstellung, seine ein weiteres Mal zu berühren, obwohl sie zugleich entrüstet war über alles, was aus seinem Mund kam. Schließlich hatte er verlangt, dass sie ihren Pflichten ihm gegenüber nachkommen würde. Daraufhin war eine Hitze in ihr aufgestiegen, die nichts mit der Temperatur im Raum zu tun gehabt hatte, sondern allein mit den Gefühlen, die die bloße Anwesenheit dieses Mannes in ihr weckte. Hätte er sie in diesem Moment geküsst, dann hätte ihr verräterischer Körper sich ihm bereitwillig hingegeben. Hätte ihr bedürftiges Herz vielleicht dasselbe getan?

Doch er war gegangen, hatte sie allein gelassen in einem fremden Haus, umgeben von fremden Menschen und den Kopf voller seltsamer Gedanken. Wie wäre es, ihm ein Kind zu schenken? Wäre das so schrecklich? Eine eigene Familie, die sie lieben und um die sie sich kümmern konnte?

Natürlich wäre es das, denn er hatte ihr bereits deutlich zu verstehen gegeben, dass er sie nicht wollte, sie für ihn nichts anderes als eine Last darstellte – so wie es bei ihrem Vater und ihrem gleichgültigen Verlobten gewesen war. Anscheinend wollte niemand sie. Wie der Marquis of Deal hatte Aaron sie daran erinnert, dass sie nicht zu den Frauen gehörte, die die Leidenschaft eines Mannes weckten. Connie nahm sich fest vor, dass sie ihm nie die Gelegenheit geben würde zu erkennen, wie verzweifelt sie sich danach sehnte, eine solche Frau für jemanden – selbst für ihn – zu sein. Je länger sie hierbleiben müsste, desto schwieriger würde es werden, jenes Verlangen vor ihm zu verbergen.

Ihr blieb also nur eines übrig, um ihren Stolz zu bewahren und ihn von seiner schrecklichen Bürde zu befreien: eine einvernehmliche Aufhebung der Ehe. Könnte sie das Thema vielleicht später, wenn sich die Lage zwischen ihnen beruhigt hätte, anschneiden?

Als das Hausmädchen ihr das Mittagessen brachte, fühlte sich Connies privater Salon immer mehr wie ein Kerker an. Ihr neuer Gatte hatte sich noch immer nicht blicken lassen, und Connie wollte nicht länger auf ihn warten. Trotz ihres Streits war sie davon ausgegangen, dass er ihr das Haus zeigen und ihr die Hausangestellten vorstellen würde. Da er seine guten Manieren offenbar vergessen hatte, entschied sie, sich auf eigene Faust mit ihrer Umgebung vertraut zu machen.

Autor

Virginia Heath
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Julia Justiss
Julia Justiss wuchs in der Nähe der in der Kolonialzeit gegründeten Stadt Annapolis im US-Bundesstaat Maryland auf. Das geschichtliche Flair und die Nähe des Meeres waren verantwortlich für zwei ihrer lebenslangen Leidenschaften: Seeleute und Geschichte! Bereits im Alter von zwölf Jahren zeigte sie interessierten Touristen das historische Annapolis, das für...
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