Historical Saison Band 64

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EIN WALZER MIT CINDERELLA von TINLEY, CATHERINE
Heimlich hat Charlotte sich auf den Ball geschlichen - und wird für ihren Mut belohnt: Ausgerechnet der attraktive Earl of Shalford fordert sie zum Tanz auf. Doch wenn die letzten Töne des Walzers verklungen sind, muss sie fliehen. Denn sie ist nur ein einfaches Dienstmädchen - keine standesgemäße Gemahlin für einen Earl!

DAS KALTE HERZ DES CAPTAINS von TINLEY, CATHERINE
Ein sinnlicher Kuss - und plötzlich ist alles anders? Captain Harry Fanton ist ein stadtbekannter Herzensbrecher, nie wollte er sich auf eine Frau festlegen. Bis Juliana vor ihm steht und ihn regelrecht verzaubert. Aber wenn er ihren Verlockungen weiter nachgibt, bringt seine dunkle Vergangenheit sie beide in Gefahr!


  • Erscheinungstag 28.05.2019
  • Bandnummer 0064
  • ISBN / Artikelnummer 9783733737382
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Catherine Tinley

HISTORICAL SAISON BAND 64

PROLOG

London, 1814

An eine vergoldete Säule gelehnt, beobachtete der Earl of Shalford gelangweilt das muntere Treiben im Ballsaal. Lady Jerseys Fest war gut besucht. Gäste jeden Alters drängten sich in den eleganten Räumen, und alle schienen fest entschlossen, den Abend zu genießen. Gerade war ein Kontertanz im vollen Gang. Die kichernden jungen Ladys und die übermütigen Gentlemen, die eifrig umherhopsten, erschienen dem Earl unsäglich albern.

„Ah, hier bist du Adam! Taxierst du die Damen?“

Missbilligend musterte Shalford seinen jüngeren Bruder und richtete sich auf. „Nein, das überlasse ich dir, Harry. Ich werde jetzt gehen.“

„So früh? Der Ball hat eben erst begonnen. Du hast versprochen, mit Miss Ross den Cotillion zu tanzen.“

„Am besten entschuldige ich mich mit einer plötzlichen Unpässlichkeit“, erwiderte der Earl achselzuckend.

„Aber du bist nicht indisponiert, abgesehen von dieser unangebrachten Trägheit. Komm schon, hier sind so viele bildschöne Mädchen, mit denen du tanzen und flirten kannst. Du bist einfach zu engstirnig und verdirbst dir damit selber den Spaß.“

„Nicht engstirnig – angeödet. Keine dieser jungen Damen kann meine Aufmerksamkeit für längere Zeit fesseln. Wenn ich mit einer getanzt habe, vergesse ich sie sofort. Ich kann sie nicht einmal voneinander unterscheiden.“

„Dann tu’s nicht. Genieß einfach den Augenblick. Monatelang haben wir Papas Tod betrauert. Und du benimmst dich, als …“

„Als würde ich immer noch um ihn trauern? Keine Bange, Harry, ich habe den Verlust akzeptiert, ebenso wie die Verantwortung für die Grafschaft, die nun auf meinen Schultern liegt.“

„Es muss keine Last sein, Adam. Du kannst das Leben trotzdem noch genießen.“

„Was ich ja auch tue. Diesem Treiben kann ich allerdings nichts abgewinnen.“ Der Earl wies in den überfüllten Saal. „Viel lieber würde ich einen Abend mit Freunden verbringen – mit Menschen, die mir nahestehen, mit angeregten Gesprächen.“

„Schau mal, deine Freunde sind hier.“ Harry zeigte in eine Ecke nahe dem Speisesalon, wo ein paar junge Herren Lady Jerseys alkoholreichem Punsch zusprachen.

„Heute Abend bin ich nicht in geselliger Laune. Viel Spaß, Harry. Flirte nach Herzenslust mit all den jungen Damen und mach dem Namen Fanton keine Schande.“

Harry schüttelte den Kopf. „Du solltest wirklich hierbleiben …“

Doch Adam ließ sich nicht umstimmen, winkte ihm lässig zu und ging davon. Zuerst sprach er mit Miss Ross, die sichtlich enttäuscht nickte, dann verabschiedete er sich von Lady Jersey, der Gastgeberin.

Resigniert beobachtete Harry, wie sein Bruder den Saal verließ. Ich wünschte, ich könnte dich aufheitern, Adam. Aber wie soll mir das gelingen, wenn dich nicht einmal die hübschesten Mädchen und amüsantesten Tänze erfreuen?

1. KAPITEL

Buxted House war ein elegantes Gebäude an der Half-Moon Street, ideal gelegen zwischen der Curzon Steet und dem Green Park. Als die Kutsche vor dem Eingang hielt, stieg Colonel Sir Edward Wyncroft aus und schaute sich um. Am späten Morgen herrschte reges Treiben auf der Straße. Lieferanten, Straßenfeger und Botenjungen erledigten ihre Geschäfte. Die Luft duftete nach Frühling, vermischt mit den üblichen Londoner Gerüchen von Pferdemist und dem Rauch der Schornsteine.

Sir Edward stieg die Stufen der Eingangstreppe hinauf. Er war ein schlanker Gentleman mit klaren blauen Augen und lockigem, dunklem Haar, das von nur wenigen grauen Strähnen durchzogen wurde. Sein federnder Gang und seine jugendliche Erscheinung straften sein Alter Lügen. Dennoch näherte er sich bereits seinem sechzigsten Geburtstag.

In der Halle übergab er dem Lakaien, der ihm die Tür geöffnet hatte, seinen Hut und den Spazierstock. Anschließend wandte sich an den Butler. Wie er sich erinnerte, hieß der Mann Biddle.

„Ich glaube, Ihr Herr erwartet mich, Biddle.“

„Gewiss, Sir Edward. Bitte, folgen Sie mir.“

Der Butler führte den Colonel in den Frühstücksraum, wo ein korpulenter Gentleman in mittleren Jahren vor einem Teller mit einer reichen Auswahl an kaltem Braten und Brötchen saß. In der rechten Hand hielt er eine Kaffeetasse.

Als Biddle den Besucher meldete, erhob sich der Hausherr und schüttelte dem Colonel herzlich die Hand. Er bot ihm an, Platz zu nehmen und lud ihn zum Frühstück ein.

„Nein, Freddy“, erwiderte Sir Edward, nachdem sie sich gesetzt hatten, „ich habe schon gegessen. Wie du weißt, bin ich ein Frühaufsteher.“

„Ach ja“, bestätigte Frederick Buxted. „Zweifellos bist du in Venedig immer schon vor der Morgendämmerung aus dem Bett gekrochen?“

„In Wien, mein Lieber. Mir gelingt es einfach nicht, bis in den Vormittag hinein zu schlafen, eine alte Gewohnheit aus meiner Zeit als Soldat. Aber es gibt ja auch genug zu tun, sodass es nicht von Schaden ist, früher aufzustehen.“

Argwöhnisch musterte Buxted seinen Freund. „Warum bist du nach Marias Tod in der Armee geblieben? Das habe ich nie verstanden. Man sagt, du konntest es nicht ertragen, ohne sie heimzukommen …“

Seufzend erinnerte sich Sir Edward an seine vor langer Zeit verstorbene Gemahlin. „Eine blonde Schönheit, meine Maria … Daran lag es jedoch nicht. Ich bin Soldat mit Leib und Seele. Außerdem gab es damals keinen Grund, nach England zurückzukehren.“

„Keinen Grund? Und deine Tochter?“

„Ach, Freddy! Hast du vergessen, dass Maria und die kleine Charlotte immer bei mir waren, im Tross der Armee? So ein liebes, umgängliches Kind! Immer mit allem zufrieden. Ihre Kinderfrau hat sie vergöttert. Was sollte ich denn tun, nachdem Maria gestorben war? Hier in England mein Haus öffnen und die Kleine mit einem Heer von Dienstboten aufwachsen lassen? Nein, da war sie bei mir besser aufgehoben.“

„Bei dir?“ Beinah verschluckte sich Mr. Buxted an seinem Kaffee. „Ein Leben in fremden Städten und zwischen Schlachtfeldern? In ständiger Gefahr?“

„Niemals geriet sie in Gefahr. Sie wohnte stets bei Familien anderer Armeeangehöriger, war immer in Sicherheit – weit entfernt von den Schlachtfeldern. Nun ja, meistens …“ Der Colonel runzelte die Stirn. „Während des Iberischen Krieges allerdings, bei den Kämpfen in Burgos … Und einmal mussten wir uns in einem Keller verstecken. Aber meine Lottie hat das Herz eines Soldaten. Als meine Frau noch lebte, brachten wir das Kind manchmal nach England, doch Maria wollte sich nie längere Zeit von mir trennen …“

„Soweit ich mich erinnere, war deine Tochter nie lange hier.“

„Das stimmt. Nach Marias Tod quartierte ich Lottie mit einer Zofe und einer Gouvernante zuerst in Madrid, dann in Florenz ein. Im Moment lebt sie in Wien. Dort besuchte sie eine sehr gute Schule für junge Damen, die sie just vor ein paar Tagen beendet hat. Nun ist es an der Zeit, dass sie sich in London umsieht und junge englische Ladys kennenlernt.“ Prüfend schaute er seinen Freund an. „Wie geht es deiner Familie? Mrs. Buxted? Deinen Töchtern? Ich nehme an, beide haben schon debütiert?“

„Ja, und allen geht es gut. Louisa und die Mädchen liegen noch im Bett. Gestern Abend waren sie auf Lady Jerseys Ball, und ich nutze meine Chance, ein ruhiges Frühstück zu genießen. Das heißt – natürlich ziehe ich es vor, mit meiner Gemahlin zu frühstücken, es ist nur …“

„Verstehe, so zeitig am Morgen willst du dir keinen Unsinn anhören müssen. Und ich bin froh, dass ich dich allein antreffe, Freddy, denn ich möchte dich um einen Gefallen bitten.“

„Was immer in meiner Macht steht …“

„Es geht um den Korsen.“

„Den Korsen?“ Buxted riss die Augen auf. „Also um Napoleon?“

„Er lebt inzwischen auf der Insel Elba im Exil. Letzte Woche wurde alles vereinbart.“

„Vor ein paar Tagen haben wir hier in London davon erfahren. Natürlich sind wir alle froh, dass der Krieg vorbei ist.“

„Unserem Außenminister Castlereagh missfällt die Situation, doch der Zar muss großzügig sein. Die Sicherung des Friedens hat oberste Priorität.“

„Eine schwierige Aufgabe …“

„Zweifellos. Dieser korsische Emporkömmling darf sich nicht einbilden, er wäre tatsächlich ein Kaiser. Aber weshalb ich mich an dich wende … Ich denke, es ist an der Zeit, dass Charlotte nach England heimkehrt. In Kürze werde ich mit einigen Beamten des Außenministeriums nach Paris reisen. Wenn auch alles geklärt scheint – ich traue den Franzosen nicht. Deshalb kann Charlotte mich nicht begleiten, und ich möchte dich bitten, sie für eine Weile aufzunehmen. Du bist Marias Cousin und hast zwei Töchter. Für mein Mädchen wäre das ideal.“

„Ja, ich verstehe, aber …“

„Sie wird euch keine Schwierigkeiten machen. Zu diesen gewissen anspruchsvollen jungen Damen gehört sie nicht. Sie ist ein ruhiges, kluges Kind. Glaub mir, sie wird dir gefallen, Freddy. Alle Leute mögen sie.“

„Wie lange soll sie denn bei uns bleiben?“

„Ein paar Monate. Wie es in der Politik zugeht, weiß du ja. Ich kann nicht abschätzen, wie lange ich in Paris gebraucht werde. Jedenfalls ist das meine letzte Mission. Sobald Napoleon endgültig von der europäischen Bühne verschwunden ist, kehre ich für immer heim.“

„Aber …“, begann Buxted zögernd.

„Selbstverständlich wird Charlotte dich keinen Penny kosten, Freddy. Ich werde ihr regelmäßig eine ausreichende Summe zukommen lassen. Da wäre nur noch eine Frage zu klären. Hättest du in deinem Stall Platz für ihr Pferd?“

Nun konnte Buxted keine Einwände mehr erheben und nickte.

„Gut, dann wäre das geregelt. Charlotte wird deiner Gattin schreiben und ihr das Datum ihrer Ankunft mitteilen.“

Zufrieden und ohne weitere Umstände verabschiedete sich Sir Edward. Buxted blieb allein mit der schwierigen Aufgabe, seine Gemahlin über den neuen Hausgast zu informieren.

Etwa drei Wochen später, nachdem ein höflicher Briefwechsel mit Mrs. Buxted stattgefunden hatte, fuhr Miss Charlotte Wyncroft mit einer Kutsche vor Buxted House vor. Sie wurde von ihrer Zofe Miss Priddy begleitet, einer gertenschlanken Frau, die bereits Maria Wyncroft gedient hatte. Während beide noch in der Kutsche saßen, sorgte der Reitknecht Joseph, Miss Priddys Bruder, dafür, dass das umfangreiche Gepäck abgeladen wurde. Anschließend kümmerte er sich um eine schöne Fuchsstute, die von der Reise etwas erschöpft wirkte. Charlotte schaute aus dem Kutschenfenster.

„Wundervoll, Priddy, endlich sind wir da!“

„Kein Grund für übertriebene Begeisterung, Miss Charlotte.“

„Aber das ist London! Wie lange wünsche ich mir schon, nach England zu reisen, insbesondere in diese Stadt! In meiner Kindheit war ich manchmal hier. Leider erinnere ich mich kaum daran. Oh, da sind meine Cousinen! Was für hübsche Mädchen!“ Möglichst diskret musterte Charlotte zwei elegant gekleidete, blonde junge Damen, die neben ihrer Mutter auf der obersten Stufe der Eingangstreppe standen. Als der Wagenschlag von einem Lakaien geöffnet wurde, konnte Charlotte hören, wie die Damen sich unterhielten.

„Schau doch, Mama, diese unzähligen Truhen und Hutschachteln!“, rief die eine, bei der es sich offenbar um die jüngere Miss Buxted handelte.

Infolge der Briefe, die sie mit Louisa Buxted in den letzten Wochen gewechselt hatte, hatte Charlotte ein ungefähres Bild ihrer beiden Cousinen erhalten. Mit hellblauen Augen und flachsfarbenen Locken wirkte die achtzehnjährige Faith nicht ganz so attraktiv wie ihre Schwester Henrietta. Diese war zwei Jahre älter und eine auffallende goldblonde Schönheit mit großen tiefblauen Augen. Sicher hat sie viele Verehrer, dachte Charlotte.

Henrietta rümpfte die Nase. „Hoffentlich macht sie uns keine Unannehmlichkeiten, Mama.“

„Nun ja, christliche Wohltätigkeit beginnt in den eigenen vier Wänden“, bemerkte Mrs. Buxted. In einem burgunderroten Kleid aus Norwich-Krepp hielt sich die Hausherrin kerzengerade. Sie mochte etwas über vierzig Jahre alt sein. Um ihren Mund und die Lippen herum hatten sich bereits harte Linien gebildet, aber ihr Gesicht zeigte noch immer Spuren einstiger Schönheit. Wie Sir Edward erzählt hatte, waren es diese Reize gewesen, die den jungen Frederick Buxted zu einem Heiratsantrag bewogen hatten.

„Es ist mir unverständlich, warum euer Vater sich zu dieser Dummheit überreden ließ. Warum halst er mir ein fremdes Mädchen auf, obwohl ich meine eigenen Töchter unter die Haube bringen muss? Unglaublich!“

Schweigend stand Mr. Buxted hinter seiner Familie; alle Farbe schien aus seinem Gesicht gewichen zu sein. Charlotte schaute ihre Zofe an, die entsetzt blinzelte. Glauben Mrs. Buxted und ihre Töchter, wir würden ihre Worte nicht hören? Charlotte stieg aus der Kutsche, ging leichtfüßig die Eingangsstufen hinauf und zwang sich zu einem höflichen Lächeln. „Vielen Dank für die großzügige Einladung, Tante Louisa. Was für ein schönes Haus! Und das müssen meine Cousinen sein.“

„Meine Töchter Henrietta und Faith“, bestätigte Mrs. Buxted. Die Mädchen knicksten.

„Wie ich mich freue, euch alle kennenzulernen!“

„Ich bin Onkel Freddy, meine Liebe.“ Von Charlottes Herzlichkeit gerührt, trat Mr. Buxted vor und gab ihr einen onkelhaften Kuss auf die Stirn. „Ich bin sehr glücklich, dass dein Vater dir diesen Besuch erlaubt hat.“

„Nun, Onkel Freddy, dazu hat er dich sicher genötigt. Er ist es gewohnt, immer seinen Willen durchzusetzen.“ Sie neigte sich vor und murmelte augenzwinkernd: „Deshalb ist er so ein guter Colonel.“

Als Mr. Buxted laut auflachte, zuckten seine Gattin und seine Töchter verwirrt zusammen. Aufmerksam betrachtete Mr. Buxted Charlottes Gesicht. „Du siehst meiner lieben Cousine Maria gar nicht ähnlich.“

„Ja, das stimmt wohl. Sie war eine anerkannte Schönheit, nicht wahr? Angeblich bin ich nach Papa geraten.“

Henrietta seufzte dramatisch. „Wie traurig muss es für dich gewesen sein, ohne Mutter aufzuwachsen!“

„Keineswegs“, widersprach Charlotte fröhlich. „Ich erinnere mich nur ganz vage an Mama. Als sie starb, war ich erst sechs.“

„Aber dir fehlte eine leitende Hand, die jedes Mädchen braucht“, wandte Louisa Buxted ein. „Die Weisheit einer Mutter.“

„Mag sein. Vielleicht verhalte ich mich manchmal nicht besonders weise.“

„Dann können wir dir während deines Besuchs sicher helfen, dich zu bessern“, meinte Henrietta.

„Ich fürchte, ich bin ein hoffnungsloser Fall. An der Schule für höhere Töchter, die ich in Wien besuchte, habe ich mir große Mühe gegeben, gehorsam und vernünftig zu sein, doch es fiel mir furchtbar schwer“, gestand Charlotte. Dabei zwinkerte sie Faith zu und freute sich, als das jüngere Mädchen verständnisvoll lächelte. „Reverend Welford, der Kaplan der Wiener Schule, gab die Hoffnung bald auf. Trotzdem versicherte er mir, er würde mich so mögen, wie ich bin. Immerhin lobte er meinen Versuch, mich wie ein braves Mädchen zu benehmen.“

Mit verkniffenen Lippen entgegnete Mrs. Buxted: „Nun, wir werden sehen.“

Henrietta wandte sich zu ihrer Mutter. „Nur gut, dass unsere Cousine dunkelhaarig ist – nicht blond wie Faith und ich.“

„Welche Rolle spielt das?“, fragte ihre Schwester verblüfft. „Charlotte hat immerhin die gleichen blauen Augen wie wir.“

„Das schon, aber braune Haare sind nicht in Mode. Außerdem ist Charlotte eher hübsch als schön. Also bin noch immer ich die Schönheit in unserer Familie. Glücklicherweise ist unsere Cousine hübsch genug, sodass wir ihretwegen von der feinen Gesellschaft nicht schräg angeschaut werden.“

„Und elegant.“ Mrs. Buxted inspizierte Charlottes geschmackvolle blaue Pelisse, unter der sie ein modisches Musselinkleid trug.

Erstaunt hörte Charlotte zu, wie freimütig über sie gesprochen wurde – in ihrem Dabeisein. In Wien wäre dies ein unverzeihlicher Fauxpas gewesen.

„Ja, ja“, mischte sich hastig Mr. Buxted ein. „Sicher werdet ihr alle großartig miteinander auskommen. Meine Lieben, ich lasse euch jetzt allein, damit ihr euch noch besser kennenlernen könnt. Zum Dinner bin ich wieder da.“ Entschlossen stieg er die Stufen hinab und wich den Lakaien aus, die Miss Wyncrofts zahlreiches Gepäck ins Haus trugen.

Nachdem die Damen in die Halle gegangen waren, machte Mrs. Buxted Charlotte mit einer rundlichen Frau in mittleren Jahren bekannt. „Dies ist Mrs. Walker, unsere Haushälterin. Sie wird dir dein Zimmer zeigen, Charlotte. Sicher willst du dich von der langen Reise ausruhen.“„Vielen Dank, aber heute war ich nur ein paar Stunden unterwegs. Damit wir nicht abends hier eintreffen, haben wir gestern in Godalming übernachtet. Dennoch würde ich mich gern frisch machen. Darf ich Ihnen meine Zofe Miss Priddy vorstellen?“

Miss Priddy, die ihrer Herrin gefolgt war und deren Schmuckkassette an sich presste, knickste vor den Damen Buxted. Dann wandte sich Charlotte an die Haushälterin, und gemeinsam stiegen sie die breite Treppe hinauf – dicht gefolgt von Miss Priddy und zwei mit Truhen beladenen Lakaien.

Charlottes Zimmer war sehr komfortabel eingerichtet und in harmonisch abgestimmten Grüntönen gehalten. An den Fenstern, die zur Straße hinausgingen, hingen dezent gemusterte Vorhänge.

Als sie mit ihrer Zofe allein war, schaute Charlotte hinaus. „Oh, das wird sicher interessant, Priddy. Meinen Onkel und Faith mag ich. Bei Tante Louisa und Henrietta bin ich mir nicht so sicher. Wie unbefangen sie reden! Vielleicht ist das unter den Londoner Ladys so üblich.“ Nachdenklich drehte sie sich zu ihrer Zofe um, die bereits eine Truhe geöffnet hatte und ein zerknittertes weißes Seidenkleid hochhielt. „In Wien und Brüssel werden Besucher immer freundlich willkommen geheißen. Geht es hier anders zu? Oder liegt es an mir? Mögen diese Frauen mich nicht?“

„Sie sind jetzt in London, Miss, im Zentrum der Londoner Gesellschaft. Viele Dinge werden Ihnen fremdartig erscheinen. Aber wenn die Damen Sie besser kennen, werden sie Ihnen ihre Zuneigung schenken.“

„Hoffentlich haben Sie recht, Priddy. Ich habe mich so gefreut, endlich in meiner Heimat zu sein. Wie lange habe ich darauf gewartet! Nun möchte ich das Beste daraus machen und fabelhafte Abenteuer erleben.“

2. KAPITEL

Charlotte spornte ihre Stute Andalusia zu einem Kanter, einer lockeren Art des Galopps, an. Als sie im Green Park eine Wiese überquerte, wehte ihr eine frische Brise ins Gesicht. Auf dem Wasser des Queen’s Basin funkelte heller Sonnenschein.

Am Ende des offenen Feldes versetzte sie die Stute in eine gemächlichere Gangart und ließ sich von Joseph einholen.

„Sie wissen genau, wie Sie mit Ihrer Stute umgehen müssen, Miss“, lobte sie der Reitknecht, der ihr in Spanien während des Wellesley-Feldzugs Reitunterricht gegeben hatte.

„Ja, das hat dir gefallen, nicht wahr, Lusy? Leider dürfen wir hier nicht galoppieren.“ Sie beugte sich vor und streichelte den Hals des Pferdes. „Jetzt sollten wir umkehren, Joseph, weil heute Nachmittag Besuch erwartet wird. Ich bin schon spät dran.“

Auf dem Rückweg zur Half-Moon Street erinnerte sie sich an ihre erste Woche in London. Tante Louisa tolerierte Partys und Bälle nur, weil sie keine andere Möglichkeit sah, passende Ehemänner für ihre Töchter zu finden. In ihren ersten beiden Saisons hatte Henrietta nur kleine Veranstaltungen und gelegentlich das Almack’s, den angesehensten Gesellschaftsclub Londons, besuchen dürfen. Wie Faith ihrer Cousine schüchtern anvertraut hatte, missbilligte die „liebe Mama“ große Bälle. Doch da Henrietta trotz ihrer Schönheit immer noch nicht verlobt war, hatte Mrs. Buxted ihre strengen Regeln ein wenig gelockert.

„Mama will nur das Beste für uns“, hatte Faith betont. „Deshalb will sie uns vor geistlosen Belustigungen bewahren. Aber ich muss zugeben, ich genieße es in vollen Zügen, ein schönes Ballkleid zu tragen und ausgelassen zu tanzen.“

„Das solltest du auch“, hatte Charlotte sie bestärkt. „Es ist allein schon wundervoll, sich für einen Ball zurechtzumachen und eine elegante Robe anzuziehen.“

In London war Charlotte bisher von allen größeren abendlichen Veranstaltungen ausgeschlossen worden. Mrs. Buxted, eine penible Verfechterin der Schicklichkeit, hatte erklärt, die „liebe Charlotte“ müsse vorerst darauf verzichten, weil sie noch nicht am Königshof vorgestellt worden sei. Nur kleinere, wenig formelle Feste durfte sie besuchen.

Bitter enttäuscht fügte Charlotte sich in ihr Schicksal. Schon am ersten Abend in Buxted House hatte sie erfahren, auf welche Weise sie sich den Gepflogenheiten dort anpassen musste.

„In der Londoner Gesellschaft sind wir hoch angesehen“, hatte die Tante verkündet. „Darauf bin ich stolz. In deinen Adern fließt auch Buxted-Blut, Charlotte, allerdings etwas verdünnt durch das der Wyncrofts, der weniger vornehmen Familie deines Vaters. Wie du deine Kindheit verlebt hast, will ich mir gar nicht ausmalen – von einem Witwer großgezogen, im Schlepptau der Armee!“

Charlotte öffnete den Mund, um ihren geliebten Papa zu verteidigen, doch Mrs. Buxted ließ sie nicht zu Wort kommen.

„Nein, ich möchte nicht hören, was du zu sagen hast. Hier stehst du unter meiner Obhut, und du wirst tun, was ich dir sage. Ich erwarte, dass du dich untadelig benimmst. Jahrelang habe ich meine Töchter auf die Londoner Gesellschaft vorbereitet. Und ein Niemand aus Wien oder Paris – oder wo immer du gewesen sein magst – wird die Zukunft der beiden nicht aufs Spiel setzen. Hast du mich verstanden?“

„Ja, Tante“, murmelte Charlotte, weil ihr nichts anderes übrig blieb.

Schweren Herzens hatte sie ihre Hoffnung auf interessante Menschen und aufregende Erlebnisse aufgegeben. Zudem hatte sie es nicht geschafft, sich so mit ihren Cousinen anzufreunden, wie sie es ersehnt hatte. Faith war nett und gutmütig, allerdings etwas begriffsstutzig, Henrietta arrogant und eitel.

Schon jetzt vermisste sie ihren Vater. Nie zuvor war sie monatelang von ihm getrennt gewesen. Manchmal weinte sie nachts in ihr Kissen, dennoch versuchte sie stets, dieser Stimmung nicht nachzugeben und sich nicht entmutigen zu lassen. Ich werde versuchen, mich gut zu benehmen und die Zeit in London zu genießen, Papa. Aber du fehlst mir …

Bislang hatte sie ihre Sache recht gut gemacht. Niemals verließ sie das Haus ohne ihre Zofe, abgesehen vom täglichen Ausritt mit Joseph. In Gesellschaft befolgte sie stets die Regeln der Tante, was unter anderem bedeutete, dass sie in Gesprächen keine eigene Meinung äußern durfte.

„Eine Dame darf nicht gebildeter oder belesener erscheinen als die Gentlemen“, hatte Tante Louisa doziert. „Unser schwaches weibliches Gehirn kann die komplizierten Zusammenhänge von Politik oder Wissenschaft nicht erfassen. Wenn eine Dame den Eindruck erweckt, sie wüsste über diese Dinge Bescheid, ist das unnötiger, affektierter Unsinn. Eine junge Dame darf niemals für einen Blaustrumpf gehalten werden; es gibt nichts Schlimmeres.“

Für Charlotte, die an Diskussionen mit vorurteilsfreien Männern und Frauen gewöhnt war, erwies sich diese Anweisung als schwierig. Sie interessierte sich für Politik und las einschlägige Bücher. Trotzdem stellte sie sich dumm, um ihre Tante zufriedenzustellen – zumindest in deren Anwesenheit. Könnte Papa mich dabei beobachten, würde er in Gelächter ausbrechen.

Als sie in Buxted House angekommen war und gerade die Halle betreten hatte, hörte sie Mrs. Buxteds Stimme, die aus dem Salon drang. „Wo bleibt denn dieses elende Mädchen?“

Rasch eilte Charlotte zu dem Raum, der erst vor Kurzem im französischen Stil mit zierlichen vergoldeten Möbeln, einer zartgelben Tapete und neuen Vorhängen ausgestattet worden war. Nachdem sie geklopft hatte, trat Charlotte ein. In einem thronartigen Ohrensessel saß die Hausherrin, rechts und links von ihr, auf passenden Chaiselongues, hatten ihre Töchter Platz genommen. Faith hielt einen Stickrahmen in der Hand, Henrietta ein Gebetbuch, und beide wirkten überaus züchtig.

„Da bist du ja, Charlotte!“, stöhnte die Hausherrin. „Immer noch im Reitkostüm! Schnell, zieh dich um! Die Gäste werden jeden Moment eintreffen.“

Charlotte rannte in ihr Zimmer hinauf, wo Priddy ihr in ein hübsches hellblaues Musselinkleid mit zarten Rüschen am Saum half.

„Was soll das Getue!“, seufzte Charlotte. „Um die anderen Besucher, die diese Woche hier waren, hat meine Tante nicht so ein Aufheben gemacht.“

„Auch die Dienstboten sind mächtig aufgeregt wegen der jungen Gentlemen, die heute erwartet werden“, berichtete die Zofe.

„Faith sagte, es wären zwei Brüder, Adam und Harry Fanton.“

„Eigentlich sollte man den Dienstbotenklatsch nicht beachten.“ Priddy begann, ihre Herrin zu frisieren. „Aber die Leute munkeln, dass Mrs. Buxted vorhat, Henrietta mit Adam, dem älteren Bruder, zu verheiraten. Er ist der Earl of Shalford, angeblich auf der Suche nach einer reichen Gemahlin.“

„Oh, falls Henrietta ihn einfängt, wird meine Tante überglücklich sein.“

„Hmpf … Mit Ihrem Haar kann ich heute nicht viel anfangen, Miss. Warum mussten Sie denn unbedingt ausreiten, so kurz vor einem Besuch? Ihr Gesicht ist ganz rot.“

„Ärgern Sie sich nicht, Priddy.“ Besänftigend lächelte Charlotte ihre Zofe an, bevor sie nach unten zurückeilte. Sie ahnte nicht, wie hinreißend sie mit ihren rosigen Wangen und dem etwas zerzausten Haar aussah.

Als sie sich dem Salon näherte, hörte sie Männerstimmen. Schließlich blieb sie im Türrahmen stehen und betrachtete die Szene, die sich ihr darbot. Noch immer saßen die Damen stocksteif da, während die beiden Besucher neben ihnen Platz genommen hatten. Sobald die Gentlemen Charlottes Ankunft bemerkten, erhoben sie sich, und Mrs. Buxted machte sie mit ihnen bekannt.

„Der Earl of Shalford, und sein Bruder, Captain Harry Fanton. Dies ist Miss Charlotte Wyncroft. Ihre Mutter war Maria Buxted, die Cousine meines Mannes. Bis vor wenigen Wochen hat Miss Wyncroft mit ihrem Vater, Colonel Sir Edward Wyncroft, im Ausland gelebt.“

Hochgewachsen und breitschultrig hatten beide Gentlemen schwarzes Haar und markante, attraktive Gesichter. Der Earl mochte fast dreißig Jahre alt sein. Mit kühlen grauen Augen musterte er Charlotte. Der Captain hingegen lächelte freundlich. Er glich seinem älteren Bruder, doch er hatte blaue Augen und war etwas kleiner.

Die beiden Herren verbeugten sich, der Earl ernst und förmlich, der Captain etwas lässiger. Er ergriff auch zuerst das Wort. „Wie lange werden Sie in London bleiben, Miss Wyncroft?“

„Das weiß ich noch nicht genau. Mein Vater hat derzeit in Paris zu tun, und es ist noch ungewiss, wann er nach England zurückkehrt.“

Inzwischen hatten sich alle wieder gesetzt, und der Earl, der neben Henrietta saß, schaute auf. „Zusammen mit Castlereagh?“

„Mein Bruder kennt all diese wichtigen Gentlemen“, erklärte der Captain. „Dieses Jahr hat er seinen Sitz im Oberhaus eingenommen, aber er hat sich schon immer für Politik interessiert.“

„So wie ich“, antwortete Charlotte eifrig, ohne an die Ermahnungen ihrer Tante zu denken. „Leider weiß ich sehr wenig über die Vorgänge im Westminster Palace. Ich wuchs auf dem Kontinent auf. Zuletzt lebten wir in Österreich, wo es kaum eine Möglichkeit gab, sich über die Beschlüsse des britischen Parlaments zu informieren. In Wien waren wir armen Emigranten auf die Berichte englischer Besucher angewiesen.“

„Bisher war meine Cousine nur ganz selten in England“, warf Henrietta ein. „Also ist sie beinah eine Ausländerin.“

„Die Gentlemen müssen Charlottes unordentliche äußere Erscheinung entschuldigen“, fügte Mrs. Buxted hinzu. „Entgegen meines Wunsches ist sie vorhin ausgeritten. Sie muss erst lernen, wie man sich auf einen Besuch vorbereitet.“

Ausnahmsweise war Charlotte sprachlos, doch der Captain kam ihr zu Hilfe.

„Ah, eine junge Dame ganz nach meinem Herzen. Nur zu gut weiß ich, wie wundervoll es ist, an einem sonnenhellen Tag wie heute einer leichten Brise entgegenzureiten.“

Dankbar lächelte Charlotte ihn an. „Ich reite für mein Leben gern. Wenn ich ein paar Tage nicht an der frischen Luft war, fühle ich mich furchtbar rastlos. Onkel Buxted war so freundlich, meine Stute in seinem Stall einzuquartieren.“

„Sie haben Ihr eigenes Pferd mitgebracht? Aus Österreich?“

„Ja, aber Papa hat die Stute in Spanien gekauft. Daher habe ich sie Andalusia genannt.“

„Ich würde das Tier gern kennenlernen. Mein Bruder und ich reiten fast täglich aus. Vielleicht dürfen wir Sie einmal begleiten?“

„Falls Ihre Pferde mit Andalusia Schritt halten können …“, scherzte Charlotte.

„Das klingt nach einer außergewöhnlichen Herausforderung, nicht wahr, Adam?“

„In der Tat.“ Mit spitzen Fingern schnippte der Earl eine winzige Fluse von seinem Ärmel.

Captain Fanton grinste. „Wie ich zugeben muss, vermag ich Herausforderungen nicht zu widerstehen, Miss Wyncroft. Wenn es Ihnen recht ist, werde ich Ihnen morgen auf Ihrem Ausritt Gesellschaft leisten.“

„Sehr gern, Sir.“

„Großartig, ich kann es kaum erwarten“, beteuerte er, während sein Bruder schweigend die Beine übereinanderschlug.

„Auch Faith reitet liebend gern – nicht wahr, Faith?“, warf Mrs. Buxted mit lauter Stimme ein und lenkte alle Blicke auf ihre jüngere Tochter.

Unglücklicherweise hatte Faith gerade in ein Stück Kuchen gebissen, und die Behauptung ihrer Mutter verwirrte sie dermaßen, dass ihr ein Krümel im Hals stecken blieb. Sie hustete und nahm einen Schluck Tee. Als sie sich erholte hatte, bestätigte sie die Frage mit ja, sie würde gern reiten.

Charlotte bezwang den Impuls, eine Augenbraue zu heben. Bei einem gemeinsamen Nachmittagsritt im Hyde Park hatten ihre Cousinen nur einen extrem langsamen Schritt auf sanftmütigen Pferden gewagt. Zudem waren ihr beide Mädchen ziemlich nervös erschienen, sobald sie sich den Pferden nur genähert hatten.

Während Henrietta den Earl in ein Gespräch verwickelte, plauderte Mrs. Buxted mit dem Captain und Faith über eine gemeinsame Bekannte.

Diese Gelegenheit nutzte Charlotte, um die beiden Gentlemen genauer zu betrachten. Der Earl gab sich reserviert, eher gelangweilt. Als sie einander vorgestellt worden waren, hatte er ihr nur einen kurzen Blick gegönnt, seine kühlen grauen Augen hatten sein deutliches Desinteresse offenbart.

Trotzdem hörte er nun Henrietta höflich zu. Charlotte unterdrückte ein Lächeln. Bevorzugte er pflichtbewusste Blondinen, die ihre Besucher pünktlich empfingen und sich in tadelloser äußerer Erscheinung präsentierten?

Captain Fanton war viel umgänglicher. Sie fand seine lebhaften blauen Augen ebenso sympathisch wie sein unbefangenes Wesen.

Nun wandte sich Lord Shalford an die Gastgeberin. „Madam, heute sind wir aus einem ganz bestimmten Grund in Ihrem Haus erschienen.“

Lachend schüttelte sein Bruder den Kopf. „Musst du so förmlich sein, Adam?“

„Allem Anschein nach. Wie Sie sich vermutlich denken können, Mrs. Buxted, war ich seit dem Tod meines Vaters im letzten Jahr damit beschäftigt, diverse Angelegenheiten zu regeln. Zudem musste ich mich in die Verwaltung des Landguts einarbeiten. Als der ältester Sohn und Erbe bin ich natürlich schon mit verschiedenen Verwaltungsaufgaben vertraut, dennoch habe ich noch einiges zu lernen.“

„Ohne Zweifel ist das Landgut bei Ihnen in den besten Händen, Sir.“ Mrs. Buxteds Lächeln erreichte nicht ihre Augen. Stattdessen glaubte Charlotte Neugier und eine gewisse Berechnung darin zu lesen.

„Das wird die Zeit erweisen. Was den Zweck meines heutigen Besuchs betrifft …“

„Ja, Adam, komm endlich zur Sache!“, drängte der Captain, schaute Charlotte an und schnitt eine Grimasse, woraufhin sie ihm belustigt zuzwinkerte.

Dieses kleine Zwischenspiel blieb nicht unbemerkt – der Earl strafte sie mit einem durchdringenden Blick. Charlotte fühlte sich wie ein zurechtgewiesenes Kind. Was nahm Shalford sich ihr gegenüber heraus?

„Nach dem Ende der Trauerzeit“, fuhr der Earl fort, „ist eine Rückkehr zur Normalität sehr wichtig – für unsere Familie und die Menschen auf Gut Chadcombe. Mein Vater war sehr lange krank. Wie Sie vielleicht wissen, Madam, starb meine Mutter erst drei Jahre zuvor. Nun, daher habe ich beschlossen, eine Hausparty auf Chadcombe zu geben, wenn die diesjährige Parlamentsperiode beendet ist. Meine Großtante Miss Langley hat sich freundlicherweise bereit erklärt, als Gastgeberin zu fungieren. Ich wäre erfreut, wenn Sie uns mit Ihrer Familie – und natürlich Ihrem Gast …“ Sekundenlang schaute er in Charlottes Richtung. „… besuchen würden.“

„Eine Hausparty auf Chadcombe?“, rief Henrietta hellauf begeistert.

Mrs. Buxted warf ihr einen mahnenden Blick zu. „Diese Einladung nehmen wir sehr gern an, Lord Shalford. Schon lange waren wir nicht mehr in Surrey, obwohl Ihr Landsitz und unserer nah beieinander liegen.“

An Charlotte gewandt, erläuterte Henrietta: „Vor zwei Jahren hinterließ uns Papas Großvater das Gut Monkton Park, das im Osten an die Chadcombe-Ländereien grenzt.“

„Eine hübsche kleine Domäne“, ergänzte ihre Mutter. „Allerdings bevorzugen wir das größere Landgut meiner verstorbenen Tante in der Nähe von Melton Mowbray. Monkton Park soll an diejenige meiner Töchter gehen, welche zuerst heiratet. Meine Tante hat Henrietta stets vergöttert. Vermutlich war es ihr Wunsch, ihren Landsitz meiner älteren, schöneren Tochter zu vererben. Daher wird sie ihn erhalten – sobald sie verheiratet ist.“

Diesen Worten folgte betretenes Schweigen. Nur Henrietta lächelte selbstgefällig. Charlotte starrte auf ihre ineinander verschlungenen Hände hinab.

Unbeirrt fügte Mrs. Buxted hinzu: „Ich werde mit meinem Gemahl über Ihre Einladung sprechen, doch ich bin sicher, dass wir für Anfang Juli keine andere Verabredung haben.“

„Ausgezeichnet.“ Der Earl wandte sich wieder an Henrietta, die sofort eine unschuldige Miene aufsetzte. „Und Sie, Miss Buxted? Würde es Ihnen gefallen, meinen Landsitz zu besuchen?“

„Oh ja, Lord Shalford“, beteuerte sie in sanftem Ton. Der Earl nickte, augenscheinlich zufrieden mit ihrer zurückhaltenden Antwort.

Fast hätte Charlotte die Augen verdreht. Wäre Shalford am Vormittag im Haus gewesen, als Henrietta ihre Schwester wegen eines Satinbands angeschrien hatte, würde er ihr Verhalten weniger schätzen.

Wie Charlotte inzwischen festgestellt hatte, zog ihre Tante die ältere Tochter vor. Von der fügsamen Faith wurde erwartet, in allen Belangen hinter Henrietta zurückzustehen, insbesondere, wenn es um die erhoffte Heirat mit einem Earl ging.

Die Gentlemen verabschiedeten sich. Als der Captain sich vor Charlotte verbeugte, erinnerte er sie an den vereinbarten Morgenritt, auf den er sich bereits freuen würde. Sein Bruder nickte ihr nur kurz zu.

Sobald sich die Tür hinter den beiden geschlossen hatte, säuselte Mrs. Buxted triumphierend: „Meine liebe Henrietta, welch ein Erfolg! Glaub mir, diese Einladung gilt hauptsächlich dir. Wenn du deine Chance zu nutzen weißt, wird der Earl noch auf Chadcombe bei deinem Vater um deine Hand bitten.“

„Oh Mama, vorhin hat er mich gefragt, ob es mir gefällt, seinen Landsitz zu besuchen. Stell dir vor, ich werde eine Countess, die Herrin von Chadcombe!“

„Bilde dir bloß nicht ein, du hättest den Earl schon erobert. Erst mal musst du seiner sicher sein. Glücklicherweise bist du ja eine begehrenswerte Partie – mit deiner Schönheit, deiner Herkunft und deinem damenhaften Benehmen.“

… und mit deinem Grundbesitz, dachte Charlotte. Sie hörte dem Gespräch der drei anderen Damen nicht mehr zu, sondern widmete sich ihren eigenen Überlegungen. Gewiss war Monkton Park ein beträchtlicher Anreiz, um Henrietta den Hof zu machen. Außerdem hatte Priddy aus Gesprächen der anderen Dienstboten herausgehört, dass auch das Landgut bei Melton Mowbray an Mr. Buxteds älteste Tochter gehen würde. Folglich würde für Faith nur eine finanzielle Mitgift übrig bleiben.

Die Fantons wirkten zwar nicht so, als wären sie gezwungen, sich reiche Ehefrauen zu suchen. Beide Brüder strahlten das Selbstvertrauen begüterter Aristokraten aus und trugen teure Kleidung. Dennoch war die zu erwartende Mitgift für viele Gentlemen ein wichtiger Aspekt, wenn sie sich auf dem Heiratsmarkt umsahen.

Über ihre eigene Mitgift wusste Charlotte nichts. Genauso wenig kannte sie die finanzielle Situation ihres Vaters. Während ihrer Aufenthalte in den verschiedenen europäischen Städten war stets genug Geld vorhanden gewesen, sodass es ihr nie an irgendetwas gefehlt hatte.

Anscheinend war Louisa Buxted besser informiert. Beim gestrigen Dinner hatte sie unverblümt erklärt: „Ich habe Mr. Buxted nach deiner Mitgift gefragt, Charlotte. Er meint, wegen der Schulden deines Großvaters würden die Wyncrofts nur ein bescheidenes Vermögen besitzen. Im Lauf der Jahre hat dein Vater vielleicht etwas von seinem Sold zurückgelegt, aber dabei wird es sich sicher um eine eher unbedeutende Summe handeln.“

Obwohl sie die Indiskretion ihrer Tante als unangebracht empfunden hatte, war Charlotte nachdenklich geworden. Ihr Vater redete nie über Geld. In Shawfield gab es einen Landsitz, den sie vor etwa zehn Jahren zuletzt gesehen hatte. Wie sie sich vage erinnerte, war über Hypotheken gesprochen worden, die mit fragwürdigen Geschäften ihres Großvaters zusammenhingen.

In Österreich hatte sich Herr Lenz, ein Advokat, um ihre finanziellen Angelegenheiten gekümmert. Ihr Vater hatte geplant, Banküberweisungen an Mr. Buxted zu schicken, die sämtliche Kosten für Charlottes Aufenthalt in London decken sollten. Kurz vor ihrer Abreise nach England hatte Onkel Freddy ihrem Vater jedoch geschrieben, er würde keinen Penny für ihren Besuch in seinem Haus annehmen und sehr gern als ihr „Finanzier“ fungieren.

Nun biss sie sich unbehaglich auf die Lippen. Weil er freundlich sein wollte? Oder weil er vermutete, Papa könnte sich meinen Aufenthalt in London nicht leisten?

„Oh Mama, ist dir aufgefallen, wie er mich angeschaut hat?“

Henriettas schrille Stimme riss Charlotte aus ihren Gedanken und ließ sie in die Gegenwart in den Salon der Buxteds zurückkehren. Seufzend musste sie feststellen, dass sich das Gespräch noch immer um die glänzenden Heiratschancen der Buxted-Erbin drehte. Wahrscheinlich würde es an diesem Tag kein anderes Thema mehr geben.

Plötzlich ertrug Charlotte die übertriebene Begeisterung ihrer Cousine nicht mehr. Sie entschuldigte sich mit der Ausrede, sie müsse Klavier üben, und ging ins Erdgeschoss hinab, wo ein edles Pianoforte im Musikzimmer stand.

Auf der Treppe hielt sie erstaunt inne, denn die Gentlemen hatten das Haus noch nicht verlassen. Offenbar hatten sie in der Halle auf ihre Kutsche gewartet. Da sie gerade zur Eingangstür gingen, bemerkten sie Charlotte nicht, die jedoch einen Teil ihres Gesprächs aufschnappte.

„… Gast ein charmantes Mädchen.“

„Mag sein. Aber leichtfertig und albern wie alle anderen.“

„Immerhin lebhaft und temperamentvoll. Unverständlich, warum du ihre Cousine vorziehst, Adam …“

Dann fiel die Tür hinter ihnen ins Schloss.

Leichtfertig? Albern? So schätzte der Earl sie ein? Oh, hoffentlich heiratet er Henrietta, diese Nervensäge. Die Aussicht auf künftige Ehequerelen im Hause Fanton besänftigte Charlottes verletzten Stolz, bis ihr bewusst wurde, wie lächerlich solche Fantastereien waren. Leise lachte sie über sich selbst.

3. KAPITEL

Wie vereinbart erschien Captain Fanton am nächsten Morgen in der Half-Moon Street auf dem Rücken eines schönen Grauschimmels. Anders als Charlotte erwartet hatte, wurde er von seinem arroganten Bruder begleitet, der einen imposanten Vollblüter ritt. Ungeduldig tänzelte der Rappe umher. „Ruhig, Volex!“, ermahnte ihn der Earl.

Für ihre Ankunft hatten die beiden genau den richtigen Zeitpunkt gewählt, denn der Reitknecht hatte gerade das Pferd aus dem Stall geholt und Charlotte die Zügel gereicht. Wie gewöhnlich trug sie ein elegantes Reitkostüm aus dunkelblauem Samt mit militärisch anmutenden Epauletten und Silberknöpfen, die gerade sehr en vogue waren. Ein Tschako, ein hoher Hut nach Art der Husaren, saß verwegen schief auf ihren braunen Locken.

„Wie reizend Sie aussehen, Miss Wyncroft!“ Bewundernd lächelte der Captain sie an, während Joseph ihr auf den Pferderücken half. „Um Ihre Stute sind Sie wirklich zu beneiden. Werden Ihre Cousinen uns begleiten?“

„Heute nicht, denn sie sind einkaufen gegangen.“ Hätte Henrietta gewusst, dass der Earl auftauchen würde …

„Ah, die Lieblingsbeschäftigung aller Frauen“, bemerkte Lord Shalford in höflichem Ton, doch die darin enthaltene Kritik entging ihr keineswegs.

„Meine nicht“, erwiderte sie kühl. „Da bin ich furchtbar unweiblich.“

Inzwischen war auch Joseph auf sein Pferd gestiegen und folgte ihnen, als sie langsam zum Park ritten.

„Wie, Sie kaufen nicht gern ein, Miss Wyncroft?“, fragte der Earl. „Nach meiner Erfahrung reden die jungen Damen, wenn sie nicht gerade flirten oder Klatschgeschichten austauschen, nur über Bänder, Hüte und Modemagazine.“

Charlotte verkniff sich eine spitze Antwort. „Freuen Sie sich nicht, wenn sie eine gut gekleidete Dame sehen, Sir?“

„Doch, eine elegante Dame ist ein fabelhaftes Ornament.“

Ein Ornament, eine bloße Verzierung? „Mehr dürfen wir nicht sein?“ Als er verwirrt blinzelte, schenkte sie ihm ein strahlendes Lächeln. „Auch ich genieße es, mich schön anzuziehen. Ebenso wie Sie, Lord Shalford.“ Anerkennend musterte sie seine enganliegenden Wildlederbreeches, das gut sitzende Reitjackett und die glänzend polierten Stiefel. „Um solche Dinge kümmern sich bei den Gentlemen die Schneider und Kammerdiener. Unsereins muss selbst für das alles sorgen. Daher gehe ich einkaufen, wenngleich ich viel lieber reite.“

Obwohl er skeptisch die Stirn runzelte, ließ er es dabei bewenden.

Nun ergriff Captain Fanton das Wort. „Was für eine ungewöhnliche junge Dame Sie sind! Vermutlich liegt es daran, dass Sie in militärischen Kreisen aufgewachsen sind?“

„Wahrscheinlich. In meinem bisherigen Leben war ich stets von Familien des militärischen oder diplomatischen Corps umgeben. Ich kam in Portugal zur Welt, dann folgte ich meinem Vater durch fast ganz Europa. Für mich war es eine wunderbare Kindheit.“

„Sprechen Sie Portugiesisch?“

„Ja. Und Französisch, Deutsch, Italienisch und Spanisch. Falls man mich deshalb für einen Blaustrumpf hält, ist das ungerecht. Ich habe diese Sprachen nicht gelernt, ich beherrsche sie einfach.“

„Das verstehe ich“, versicherte der Captain. „Niemals würde ich Sie einen Blaustrumpf nennen.“

Lächelnd nickte sie ihm zu und wandte sich wieder an seinen Bruder. „Lord Shalford, ich habe mich noch gar nicht für die Einladung auf Ihr Landgut bedankt. Das hole ich hiermit nach. Wenn ich mich recht entsinne, liegt Chadcombe in Surrey, nicht wahr?“

„Ja, zwischen Godalming und Guildford. Dort sind die Fantons seit fast vierhundert Jahren ansässig.“

„In Godalming habe ich auf der Reise nach London übernachtet. Eine hübsche Stadt. Gerade wird ein neues Rathaus gebaut. Mit dem Aussichtstürmchen auf dem Dach sieht es fast wie eine Pfeffermühle aus.“

„Früher stand dort eine alte Markthalle, die noch aus dem Mittelalter stammte.“

„Ist Ihr Haus – äh – mittelalterlich, Sir?“

Die Augen des Earl verengten sich. „Nur keine Bange, Miss Wyncroft! Der mittelalterliche Teil wird bereits seit Längerem als Stall genutzt. Mein Großvater baute das neue Wohnhaus, was ihn fast in den Bankrott trieb. Falls Sie glauben, Sie müssten auf modernen Komfort verzichten, täuschen Sie sich: Bei uns gibt es Wassertoiletten und einen Herd mit vollständig geschlossenem Feuerraum.“

„Oh, ich sterbe vor Neugier! Ein Herd mit geschlossenem Feuerraum! So etwas habe ich noch nie gesehen!“

Verblüfft lauschte der Captain dem seltsamen Wortwechsel. „Wäre ich über Ihr Interesse an häuslichen Einrichtungen informiert gewesen, Miss Wyncroft, hätte ich Sie zu einem Küchengerätehändler geführt, statt mit Ihnen auszureiten.“

„Nein, bitte, ich ziehe den Green Park wirklich vor. Sind sie oft in Chadcombe, Captain Fanton?“

„Wann immer es möglich ist. Nach dem Tod unserer Mutter und der Erkrankung unseres Vaters war das leider viel zu selten. Die letzten zwei Jahre habe ich fast vollständig bei meinem Regiment verbracht, sodass die Sorge um das Gut allein auf Adams Schultern lag.“

„Unser Vater hat hart gearbeitet, um Chadcombe von der Schuldenlast zu befreien“, erläuterte der Earl. „Das war sicher eine der Ursachen für seine schwere Krankheit. Jetzt sorge ich dafür, dass das Landgut wieder floriert. Davon sind viele Familien abhängig, nicht nur die unsere.“

„Ja, ich weiß, Adam“, seufzte sein Bruder. „Ich wünschte nur, du würdest dich ab und zu entspannen und das Leben genießen.“

„Das brauche ich nicht, Harry, ich bin zufrieden.“

Zu ihrer eigenen Verblüffung empfand Charlotte eine gewisse Sympathie für den Earl, denn es beeindruckte sie, wie wichtig er seine Pflichten nahm.

Nach wenigen Minuten des Schweigen wandte sich der Captain wieder zu ihr und erkundigte sich nach ihrer Zeit im Gefolge der Armee und eventuellen gemeinsamen Bekannten. Wie sie feststellten, gab es mehrere, und sie unterhielten sich angeregt.

Schweigend hörte Lord Shalford zu, während sie gemächlich durch den Green Park ritten.

Immer wieder musste Charlotte über lustige Begebenheiten lachen, von denen der Captain erzählte. Sein Humor erinnerte sie an die jungen Soldaten, die sie in Wien kennengelernt hatte und die für sie wie jüngere Brüder gewesen waren.

„Da fällt mir ein, was in der Nähe von Ciudad Rodrigo passiert ist.“ Amüsiert verdrehte er die Augen. „Eines Tages steckten meine Männer ein Schwein in eine Uniform mit allem Drum und Dran. Was für ein Spektakel …“ Plötzlich unterbrach er sich, sein Lächeln erlosch, und seine blauen Augen verdunkelten sich. „Viele von ihnen sind nicht mehr am Leben.“

„Also waren Sie bei der Belagerung von Bajadoz dabei?“, fragte Charlotte leise. Bedrückt dachte sie an jenes entsetzliche Blutbad.

„Ja“, bestätigte er knapp. Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „An diesem sonnigen Tag sollten wir nicht über so etwas reden. Wo können wir den Pferden die Zügel schießen lassen?“

„An dieser Stelle habe ich mir schon mehrmals einen Kanter gegönnt; von hier bis zum Ende der Wiese.“

„Los!“ Captain Fanton ritt voraus, gefolgt von Lord Shalford und Charlotte, während Joseph einen größeren Abstand wahrte.

Auf halber Strecke drosselte der Captain sein Tempo und ließ seinen Bruder und Charlotte herankommen. Dann spornten alle drei die Pferde an.

Seite an Seite preschten Charlotte und der Captain dahin, während der Earl etwas zurückblieb. Mit einer knappen Kopflänge errang Charlotte den Sieg.

„Sie haben mich gewinnen lassen!“, beschuldigte sie den Captain, als Lord Shalford bei ihnen eintraf, zwei Pferdelängen hinter ihnen. Noch langsamer näherte sich Joseph.

„Was, ich?“, protestierte der Captain grinsend. „Niemals!“

„Das spielt keine Rolle, weil ich Sie beide gewinnen ließ“, behauptete der Earl. Seine Augen funkelten.

Interessiert beobachtete Charlotte die Lachfältchen, die sich in seinen Augenwinkeln bildeten, und runzelte die Stirn. Fand sie schon wieder etwas anziehend an diesem arroganten Mann? Nein, das war Unsinn …

„Zum Teufel mit dir, Adam!“, rief der Captain. „Du willst einfach nicht zugeben, dass du keine Chance gegen mich hattest.“

Auf dem Rückweg setzten die Brüder ihre Hänseleien fort und erinnerten einander an gewonnene oder verlorene Wettrennen ihrer Kindheit.

Amüsiert – und ein bisschen neidisch – hörte Charlotte zu. „Wie gern hätte ich einen Bruder oder eine Schwester … Leider kann ich solche Erinnerungen mit niemandem teilen. Haben Sie noch weitere Geschwister?“

„Eine Schwester, Olivia“, antwortete Lord Shalford. „Sie ist siebzehn und hat noch nicht debütiert. Derzeit lebt sie zurückgezogen auf meinem Landsitz – einer der Gründe, warum ich die Buxteds und Sie nach Chadcombe eingeladen habe, Miss Wyncroft. Sie braucht weibliche Gesellschaft.“

„Das hat mein Papa auch über mich gesagt, als wir über meine Reise nach England sprachen. Allerdings habe ich eine Schulfreundin, Juliana, die mir so nahesteht wie eine Schwester.“

„Olivia hat ebenfalls Freundinnen. Dennoch glaube ich – hoffe ich, sie wird das Beisammensein mit Damen schätzen, die ein wenig älter sind als sie, aber um einiges jünger als meine Großtante.“

Charlotte dachte an einen weiteren Grund für die Einladung. Auf der Hausparty wollte der Earl herausfinden, ob Henrietta eine geeignete Gemahlin wäre.

In der Halle von Buxted House wurde Charlotte von Henrietta erwartet, die sie sichtlich verärgert anfuhr: „Auf ein Wort!“

Voller Unbehagen folgte Charlotte ihr die Treppe hinauf. Im Salon traf sie ihre Tante und Faith an, die ihr unsicher zulächelte. Mrs. Buxted bestickte ein Taschentuch, blickte kurz auf und befasste sich wieder mit ihrer Handarbeit.

„Guten Tag“, begann Charlotte. „Hoffentlich ist euer Einkaufsbummel angenehm verlaufen.“

„Charlotte!“, rief Henrietta in scharfem Ton und klopfte mit einer Fußspitze auf den Boden. „Wie mir die Dienstboten verraten haben, bist du mit Lord Shalford und dem Captain ausgeritten.“

„In der Tat. Das ist kein Geheimnis. Gestern haben Captain Fanton und ich es so verabredet, du warst ja dabei. Dass der Earl uns begleiten würde, wusste ich nicht.“

Schweigend kräuselte Henrietta ihre Lippen.

Charlotte nahm ihren Hut ab, ging zu dem Spiegel, der über dem Kamin hing, und glättete ihr Haar. Bedauerlicherweise musste sie sich dazu auf die Zehenspitzen stellen, was die beabsichtigte Pose ruhiger Würde verdarb. „So ein erfreulicher Morgenritt … Die beiden Gentlemen waren ausnehmend nett, und wir führten interessante Gespräche.“ Lächelnd drehte sie sich zu den Damen um. „Nächstes Mal solltet ihr alle mitkommen.“

„Mit zwei Männern bist du ausgeritten!“ Auf Henriettas Wangen bildeten sich hochrote Flecken. „Welche Sitten in Spanien oder Frankreich oder anderen unzivilisierten Ländern herrschen, weiß ich nicht – und will es auch gar nicht wissen! Hier in London solltest du es vermeiden, leichtlebig zu erscheinen!“

Die Brauen leicht erhoben, entgegnete Charlotte sanft: „Meine liebe Henrietta, ich bin dir dankbar für deine Sorge. Aber da mein Reitknecht mich begleitet hat, war mein Ruf wohl kaum gefährdet.“

„Dein … dein Reitknecht?“, stammelte Henrietta. „Das wusste ich nicht …“ Verlegen senkte sie den Blick. „Nun, dann war sicher alles in Ordnung. Aber … ich versuche dir zu helfen.“

Daran zweifelte Charlotte. Daher erklärte sie ihrer Cousine: „Die Gentlemen waren enttäuscht, weil Faith und du nicht mit uns ausgeritten seid.“

„Oh … Was … haben sie gesagt? Hat er … mich erwähnt?“

„Nun, der Earl erzählte von seiner jüngeren Schwester Olivia. Er hofft, dass ihr die weibliche Gesellschaft auf der Hausparty guttun wird.“

Während Henriettas Gefühlsausbruch hatte Mrs. Buxted geschwiegen. Erst jetzt wandte sie sich an ihre ältere Tochter. „Mit der Schwester musst du dich anfreunden, meine Liebe. Und heute hättest du wirklich mit den Gentlemen ausreiten sollen. Aber du musst die Konkurrenz deiner Cousine nicht fürchten.“

Charlotte blinzelte. Natürlich wusste sie – und es störte sie kein bisschen –, dass Henrietta die schönste junge Dame im Haus war. Doch warum muss Tante Louisa es so unverblümt aussprechen? Vielleicht war es nicht verwunderlich, wenn man Louisa näher kannte, dennoch war es äußerst unhöflich.

„Nächstes Mal reite ich mit dem Earl aus.“ Besänftigt streichelte Henrietta die goldblonden Löckchen, die ihre Wangen reizvoll umrahmten, und inspizierte Charlottes elegante Aufmachung. „Dafür brauche ich ein neues Reitkostüm von Milton’s. Wird das in einer Woche fertig?“

„Sicher, wenn ich es verlange“, erwiderte ihre Mutter. „Morgen gehen wir hin.“

„Mama …“, begann Faith schüchtern. „Du hast gesagt, ich soll ein neues Reitkostüm bekommen, weil mein altes zu klein geworden ist. Kann ich euch begleiten?“

„Nein“, entschied Henrietta. „Sie soll die Angestellten bei Milton’s nicht von mir ablenken. Mein Reitkostüm muss perfekt sein.“

„Aber … Mama …“

„Hör nicht auf sie, Mama! Heute habe ich den Ausritt versäumt. Und alles Mögliche. Deshalb muss ich ein sensationelles Reitkostüm haben!“

Mrs. Buxted nickte. „Mit dir gehe ich ein anderes Mal zu Milton’s, Faith.“

Sofort gab sich ihre jüngere Tochter geschlagen. „Ja, Mama“, murmelte sie mit zitternder Stimme. Charlotte schaute sie voller Mitgefühl an.

Ohne ihre enttäuschte Schwester zu beachten, fragte Henrietta: „Hast du mit den Gentlemen vereinbart, wann ihr nächstes Mal ausreiten werdet, Charlotte?“

„Ja, am Dienstagmorgen. Und ich sagte ihnen, ich würde hoffen, dass ihr beide mitkommt.“

„Wenigstens etwas hast du richtig gemacht. Und vorher, am Freitag, treffen wir sie auf Lady Cowpers Ball … Oh – den wirst du ja leider verpassen, weil du noch nicht bei Hofe vorgestellt wurdest.“ Henrietta lächelte honigsüß. „So ein Pech! Vorerst musst du auf all die großen Festivitäten verzichten.“

„Das macht mir nichts aus.“ Mit zusammengebissenen Zähnen erwiderte Charlotte das Lächeln. „Ich beschäftige mich sehr gern mit anderen Dingen. Vielleicht lese ich oder schreibe Briefe an Papa.“

„So was macht dir Spaß? Sonderbar …“ Henrietta rümpfte die Nase. „Übrigens, du solltest dich wirklich umziehen, du riechst nach Pferd.“

„Äh – danke für den Hinweis.“ Charlotte verkniff sich die Bemerkung, dass Henrietta sie daran gehindert hatte, ihr Zimmer sofort aufzusuchen, und ergriff die Flucht.

4. KAPITEL

Am Freitag – am Abend von Lady Cowpers Ball – würde das Dinner für Charlotte zu einer Tortur werden. Mrs. Buxted hatte die Fanton-Brüder eingeladen, außerdem Mr. Foxley, ihren Patensohn.

Schon Tage vorher hatte Henrietta sich wortreich darüber beschwert. „Gewiss, seine Mutter ist deine alte Schulfreundin, Mama, aber Mr. Foxley ist sterbenslangweilig, noch dazu ein zweitgeborener Sohn ohne nennenswertes Vermögen.“

„Captain Fanton ist ebenfalls ein zweitgeborener Sohn, und den magst du.“ Ausnahmsweise wagte Faith, ihre Schwester herauszufordern.

Bravissima, dachte Charlotte.

„Nicht so sehr wie seinen Bruder“, betonte Henrietta. „Für dich wäre es ein Riesenerfolg, wenn du den Captain einfangen könntest. Immerhin ist er ein Fanton – und Mr. Foxley ein Niemand.“

„Ja, meine Liebe“, stimmte Mrs. Buxted zu. „Er hat jedoch tadellose Manieren, und Charlottes wegen brauchen wir ihn, damit Ladys und Gentlemen in gleicher Zahl an der Tafel sitzen.“

Ärgerlich starrte Henrietta ihre Cousine an. „Nun, vielleicht möchte Charlotte in ihrem Zimmer essen. Sie wird ja sowieso nicht auf den Ball gehen.“

Schweigen erfüllte den Raum. Nach einer kleinen Pause sagte Charlotte: „Ich würde am Freitagabend gern allein in meinem Zimmer essen, Tante Louisa. Keinesfalls will ich Ihnen Unannehmlichkeiten bereiten.“„Mama“, mischte Faith sich entsetzt ein. „Du kannst Charlotte nicht in ihr Zimmer schicken! Sie ist unser Gast.“

„Selbstverständlich werde ich das nicht tun, ich kenne meine Pflichten.“ An ihre ältere Tochter gewandt, fuhr Mrs. Buxted fort: „Als Herrin von Chadcombe wirst du manchmal gezwungen sein, unerwünschte Gäste zu empfangen. Dann wirst du dich stets so würdevoll verhalten, wie du es deinem Gemahl und seinem Namen schuldig bist.“

„Mein Gemahl …“, hauchte Henrietta. „Oh ja, Mama, wenn ich Countess of Shalford bin, werde ich viele Herausforderungen meistern müssen. Also gut, Charlotte soll am Dinner teilnehmen.“

Charlotte presste die Lippen zusammen und unterdrückte eine scharfe Antwort. Mit jedem Tag fiel es ihr schwerer, Henriettas bissige Attacken zu erdulden.

Sie beobachtete, wie Faith hinter dem Rücken ihrer Schwester den Kopf schüttelte. Bald darauf hatte Charlotte sich entschuldigt und war nach oben gegangen, in ihr Zimmer.

Noch am selben Tag wurden die Einladungen verschickt und angenommen. Mrs. Buxted verbrachte mehrere Stunden mit der Köchin, mit der sie ein erlesenes Menü plante. Einer Schildkrötensuppe – einer besonderen Delikatesse – sollten gedämpfter Steinbutt, Rebhühner mit Lauch und ein Kalbsragout folgen, zum Dessert diverse Puddings, Obst und Eiscreme. Unter der Aufsicht des Butlers wurde das Tafelsilber geputzt, die Lakaien erhielten spezielle Anweisungen. Wie wichtig das Ereignis war, war allen Dienstboten bewusst.

Schließlich war es so weit, der große Abend war angebrochen. Da Charlotte nicht auf den Ball gehen durfte, wollte sie wenigstens das Dinner genießen. Über einem Unterkleid aus weißer Seide trug sie eine leichte kornblumenblaue Robe aus durchscheinender Gaze. Priddy hatte ihr braunes Haar zu einem perfekten griechischen Knoten arrangiert. Während Charlotte sich im Spiegel betrachtete, meinte die Zofe: „Heute werden Sie Ihre Cousinen ausstechen, Miss Charlotte.“

„Gewiss nicht.“ Charlotte hatte stets akzeptiert, dass sie hübsch war, aber nicht so schön wie andere junge Damen. Und sie wusste, was an diesem Abend wirklich für sie zählte: Sie musste Henriettas Giftpfeile möglichst würdevoll tolerieren. Ein wenig bedrückt begab sie sich ins Erdgeschoss.

Zuerst erschien Mr. Foxley, ein dezent gekleideter junger Gentleman mit einem schüchternen Lächeln, für den sich Charlottes Herz sofort erwärmte. Faith, die in einem Kleid aus lavendelblauem Krepp mit aufgestickten Perlen bezaubernd aussah, errötete und begrüßte ihn stammelnd. Henrietta und Mrs. Buxted empfingen ihn höflich, aber wortkarg und warteten auf die bedeutsameren Gäste.

Mr. Foxley, Charlotte und Faith nahmen im Salon Platz und plauderten. Bald gelang es dem Gast, der jungen Miss Buxted die Scheu zu nehmen. An Charlottes Leben auf dem Kontinent inmitten militärischer und diplomatischer Wirren zeigte er großes Interesse. Dann wurde das Thema gewechselt, und Charlotte freute sich, als er erklärte, nichts gefalle ihm besser, als in seiner Bibliothek zu sitzen und ein gutes Buch zu lesen – oder im Freien, wenn es das Wetter gestattete.

„Oh, da geht es Ihnen genau wie mir, Sir. In Wien genoss ich meine Lektüre in unserem Rosengarten. Papa wusste stets, wo er mich finden würde.“

„Das kann ich mir gut vorstellen. Zu meinem Elternhaus in Kent gehört ein kleiner ummauerter Garten, der im Frühling die Sonnenwärme einfängt. Dort sitze ich oft mit meinen Büchern.“

„Wie schön muss das sein …“, meinte Faith leise. Mr. Foxley schaute sie hingerissen an.

„Ja, ich bewundere jede Art von Schönheit.“

Faith lächelte unsicher, ihre Wangen glühten erneut.

Nun meldete der Butler die Ankunft des Earl und seines Bruders. In eleganter Abendkleidung traten die beiden ein. Zu formellen Kniehosen trugen sie Westen und Jacketts aus edlem schwarzem Wollstoff. Die schneeweißen Krawatten waren kunstvoll im Wasserfallstil geknotet.

Die Gentlemen verbeugten sich und begrüßten zuerst die Gastgeberin, dann die jungen Damen und Mr. Foxley. Charlotte vollführte einen korrekten Knicks und murmelte höfliche Floskeln.

Natürlich hatte Henrietta, die in einem weißen Seidenkleid mit Rüschen und Volants traumhaft aussah, nur Augen für Lord Shalford. Sofort beanspruchte sie seine ungeteilte Aufmerksamkeit und verkündete, wie wahnsinnig sie sich auf den Ball freue. Als er sie bat, den ersten Tanz für ihn zu reservieren, kicherte sie affektiert und erfüllte seinen Wunsch.

Mrs. Buxted ging völlig in der Rolle der vornehmen Gastgeberin auf und dankte den Besuchern, weil sie zu ihrem „kleinen, informellen Dinner in einem bescheidenen Heim“ gekommen waren.

Die Sitzordnung bei Tisch war sorgsam geplant worden. Henrietta saß zwischen dem Earl und Mr. Foxley, gegenüber dem Captain zwischen Faith und Charlotte. Mr. Buxted hatte den Platz am Kopfende eingenommen, seine Gattin saß ihm gegenüber am anderen Ende des Tisches.

„Während des Dinners müsst ihr ständig plaudern“, hatte sie ihren Töchtern eingeschärft. „Bisher habe ich mich auf Henrietta und den Earl konzentriert, Faith. Aber mittlerweile ist mir aufgefallen, dass du dich zu wenig um den Captain bemühst. Du bist ein hübsches Mädchen, wenn auch längst nicht so schön wie deine Schwester. Trotzdem müsste es dir gelingen, den Mann einzufangen, wenn du dich ein bisschen anstrengst. Sitz nicht stumm wie ein Fisch neben ihm, sonst bin ich ernsthaft verstimmt.“

Mit bebenden Händen hatte Faith ihr Taschentuch zerknüllt und versprochen, dass sie ihr Bestes tun werde.

Nun machte sie etwas verkrampft Konversation mit Captain Fanton. Dadurch verschaffte sie Charlotte, die links von ihm saß, die Gelegenheit, ihre Tischgenossen zu beobachten.

Mr. Buxted konzentrierte sich ausschließlich auf die Speisenfolge. „Delikat“, murmelte er mehrmals. Oder: „Prächtige Würze!“

Captain Fanton versuchte erfolglos, der armen Faith die Befangenheit zu nehmen. Sie beantwortete seine Fragen höflich, aber ohne Geist und Witz. Falls er sich langweilte, verbarg er es.

Auch Mr. Foxley, gegenüber von Charlotte, hatte Pech mit der Konversation. Er saß zwischen Mr. Buxted und Henrietta, doch keiner der beiden beachtete ihn. Während er appetitlos auf seinem Teller herumstocherte, war sein Blick auf Faith und den Captain gerichtet.

Mrs. Buxted wiederum war bester Stimmung und freute sich über ihre Töchter, die pflichtschuldig die Aufmerksamkeit der Fantons beanspruchten.

Charlotte lauschte abwechselnd den einzelnen Gesprächen. In keinem wurden interessante Dinge erörtert. Da sie oft genug an Dinnerpartys teilgenommen hatte, wusste sie, dass dergleichen üblich war. Gleichwohl war sie entsetzt über das banale Geschwätz ihrer Cousinen.

Sie hatte sich noch nicht daran gewöhnt, dass die Mädchen der oberen Gesellschaftsschichten in England keine eigene Meinung äußern durften – oder hatten sie vielleicht gar keine?

Der Captain erläuterte der verschüchterten Faith gerade die verschiedenen Möglichkeiten, lange Kutschfahrten angenehm zu überstehen. Unterdessen faselte Henrietta über das korrekte Verhalten junger Damen und betonte, wie dankbar sie der „lieben Mama“ für ihre ausgezeichnete Erziehung sei. Die Augen des Earl schienen sich milchig zu verschleiern.

Fast musste Charlotte kichern. Obwohl sie versuchte, ihr Amüsement zu verbergen und die Lippen zusammenpresste, musste das Funkeln in ihren Augen sie verraten haben, denn im selben Moment sah Lord Shalford zu ihr herüber und zog die Brauen hoch. Unfähig, der Versuchung zu widerstehen, zwinkerte sie ihm zu und entlockte ihm ein verständnisinniges Lächeln, das er jedoch sofort bezwang.

Zu spät! Henrietta hatte den wortlosen Gedankenaustausch bemerkt. Mit erhobener Stimme lenkte sie alle Blicke auf sich. „Ist es nicht besser, in England aufzuwachsen, als eine zügellose Jugend inmitten von Soldaten und Ausländern zu verbringen, Lord Shalford?“

5. KAPITEL

Diese garstige, eindeutig auf Charlotte gemünzte Frage rief ein peinliches Schweigen hervor, wenn auch die anderen Personen am Tisch nicht wussten, wodurch die Attacke provoziert wurden war. Der Earl wirkte verwirrt und schien sich zu fragen, was zwischen den Cousinen vorging.

Warum Henrietta sich trotz ihrer vornehmen Erziehung dermaßen blamierte, verstand Charlotte nicht. Der komplizenhafte Blick, den sie mit dem Earl gewechselt hatte, war bedeutungslos und bedrohte die von Henrietta angestrebte Position als Shalfords Countess nicht im Mindesten.

Einerseits war Henrietta egozentrisch – andererseits unsicher. Offenbar dachte sie sich nichts dabei, wenn sie sich undamenhaft, aggressiv und verletzend benahm.

In ihrem Zorn war Charlotte versucht, ihr die Kränkung heimzuzahlen. Doch das durfte sie keinesfalls, sie durfte die Cousine nicht einmal direkt ansprechen. Allein schon damit würde sie schlechte Manieren bekunden und Henriettas Beleidigung bestätigen. Daher senkte sie nur den Blick, schnitt ein Stück von ihrem Steinbutt ab und steckte es in den Mund. Während sie langsam kaute, hörte sie die Antwort des Earl.

„Je nachdem“, begann er diplomatisch. „Zweifellos gibt es im Ausland und in England viele Menschen, denen es an Bildung oder Kultur mangelt. Und ebenso viele verfügen über eine untadelige Erziehung.“

Unauffällig spähte Charlotte über den Tisch und sah Henrietta verstört blinzeln. Bravo! Wahrscheinlich ahnt sie gar nicht, was er mit seiner feinsinnigen Bemerkung meint. Dankbar suchte sie seinen Blick, worauf er mit einem Lächeln reagierte.

Nun wandte sich Captain Fanton zu ihr. „Miss Wyncroft, ich habe neulich unseren Kanter durch den Park sehr genossen.“

„Oh, ich auch. Am Dienstag reiten wir wieder aus, nicht wahr?“ Glücklicherweise zitterte ihre Stimme nicht so wie ihre Hände, die sie hastig im Schoß verborgen hatte.

„In der Tat. Darauf freue ich mich schon jetzt.“

Auf der anderen Seite des Tisches fing der Earl wieder ein Gespräch mit Henrietta an, und die angespannte Atmosphäre lockerte sich allmählich.

Nach dem Dinner fanden die Buxted-Damen keine Zeit, um sich in den Salon zurückzuziehen. Die Gentlemen verzichteten auf den üblichen Portwein, weil die Kutschen bereits vorfuhren. Während die Lakaien den Tisch abräumten, halfen die Zofen den drei Damen in der Halle mit Umhängen und Handschuhen.

Lord Shalford nutzte den allgemeinen Wirbel und trat zu Charlotte. „Hoffentlich hat jener gewisse Teil des Tischgesprächs Sie nicht gekränkt, Miss Wyncroft.“

Das wollte sie zunächst leugnen, doch dann las sie aufrichtige Sorge in seinen grauen Augen. „Vielen Dank für Ihren Beistand. Was mich am meisten erschrocken hat, ist, dass ich Henriettas Beleidigung fast mit einem ähnlichen Angriff quittiert hätte. Normalerweise verliere ich nicht so leicht die Fassung, dennoch benehme ich mich manchmal wie ein ungezogener Wildfang.“

„Wohl kaum. Wie ich zugeben muss, hat mich die Äußerung Ihrer Cousine ziemlich überrascht.“

Charlotte wollte verhindern, dass er einen schlechten Eindruck von Henrietta gewann. „Wahrscheinlich hat sie unseren Blickwechsel beobachtet, Lord Shalford, und geglaubt, wir würden uns über sie lustig machen. Unter diesen Umständen ist ihr Fauxpas begreiflich.“

„Nicht nach meiner Ansicht. Sie sind viel zu nachsichtig.“

„Nein, Henrietta ist noch sehr jung und neigt zu Gefühlsausbrüchen.“

„Jetzt reden Sie wie eine ältere Matrone, obwohl Sie nicht älter als neunzehn sein können.“

„In ein paar Wochen werde ich einundzwanzig.“

„Also sind Sie im gleichen Alter wie Miss Buxted. Gerade heute hat sie mir erzählt, sie wird im August einundzwanzig.“

„Ich bin nur ein bisschen älter. Deshalb hoffte mein Vater, wir würden uns anfreunden. Leider …“ Charlotte verstummte, und der Earl hob die Brauen.

„Verstehen Sie sich nicht gut mir ihr?“

„Nun – wir sind grundverschieden.“

„Ja, das glaube ich auch“, sagte er nachdenklich.

Zu spät erkannte sie, wie freimütig sie gesprochen hatte, und versicherte rasch: „Henrietta besitzt viele gute Eigenschaften. Und ich kann furchtbar entnervend sein. Wir wuchsen unter gänzlich verschiedenen Bedingungen auf. Daher sind wir nicht immer einer Meinung.“

Er nickte. „Außerdem muss man jungen Damen überbordende Gefühle zugestehen – ein Verhalten, das man bei Männern oder älteren Damen beklagen würde. Debütantinnen sind nun einmal …“

„Albern?“, unterbrach sie ihn etwas bissig, denn sie erinnerte sich an sein Urteil über sie, das sie nach dem ersten Besuch der Fantons mitangehört hatte.

Verwundert runzelte er die Stirn, doch er widersprach nicht. Um das Thema zu wechseln, fragte er: „Stört es Sie, dass Sie nicht auf den Ball gehen, Miss Wyncroft?“

„Ich dachte, es würde mir nichts ausmachen. Aber wenn ich jetzt sehe, wie Sie alle festlich gekleidet und erwartungsvoll aufbrechen, fällt es mir schwer, daheimzubleiben. Ich tanze für mein Leben gern. Hoffentlich finden Sie das nicht lächerlich.“

„Keineswegs. Und es missfällt mir, Sie hier zurückzulassen. Können Sie wirklich nicht mitkommen?“

„Meine Tante hat mir erklärt, dass ich keine großen Bälle besuchen darf, bevor ich nicht bei Hofe vorgestellt worden bin. Leider ist es in dieser Saison zu spät dafür, denn ich bin erst vor wenigen Wochen in London angekommen. Ich weiß sehr wenig von solchen Dingen, da ich bisher nur selten in England war.“

„Ich verstehe …“

„Lord Shalford!“, unterbrach Henriettas schrille Stimme das Gespräch. „Die Kutschen warten vor dem Haus. Wir müssen jetzt gehen, sonst versäumen wir den ersten Tanz!“

Wehmütig lächelte er Charlotte an, verbeugte sich vor ihr und nahm seinen Platz an der Seite ihrer Cousine ein.

„Genieß deinen beschaulichen Abend, Charlotte“, flötete Henrietta. „Sicher wirst du erleichtert aufatmen, sobald du uns los bist.“

„Wie schade, dass Sie uns nicht begleiten, Miss Wyncroft.“ Charlotte las aufrichtiges Bedauern in Captain Fantons blauen Augen. „Werden Sie sich einsam fühlen?“

„Oh nein“, beteuerte sie rasch, als sie Mrs. Buxteds missbilligenden Gesichtsausdruck bemerkte. „Ich möchte mich wirklich ausruhen. Viel Vergnügen auf dem Ball!“

Nun nahmen auch die Gentlemen ihre Hüte, Umhänge und Spazierstöcke entgegen, die ihnen die Lakaien reichten, und wandten sich mit den Damen zur Tür. Bevor der Earl als Letzter das Haus verließ, drehte er sich zu Charlotte um, mit einem seltsam unsicheren Ausdruck in den Augen.

„Kommen Sie, Lord Shalford“, rief Henrietta gebieterisch, „Sie fahren in unserer Kutsche!“

Charlotte schlenderte in die Bibliothek, dann in den Salon und wusste nichts mit sich anzufangen. Das fand sie sonderbar. Bin ich wirklich so oberflächlich? Macht mir der Verzicht auf einen Ball dermaßen zu schaffen? Offensichtlich, denn sie konnte sich nicht auf die Lektüre eines Buchs konzentrieren. Schließlich versuchte sie, einen Brief an ihren Vater zu schreiben, aber ihr fehlten die Worte und sie legte die Feder seufzend beiseite.

Nachdem sie fast zwei Stunden untätig verbracht hatte, ging sie in ihr Zimmer hinauf. Priddy half ihr beim Ausziehen. „Glauben Sie mir, Miss Charlotte, dieser Ball ist keinesfalls so grandios, dass Sie ihn nicht besuchen dürften“, erklärte die Zofe. „Mrs. Buxted will Sie nur von den jungen Gentlemen fernhalten, diese raffinierte alte Kupplerin.“

„Welch ein Unsinn, Priddy! Ich möchte nicht heiraten. Außerdem bin ich keine Konkurrenz für ihre Töchter.“

„Oh, Sie sind viel attraktiver, weil Sie eine starke Persönlichkeit ausstrahlen. Und die wird von längerer Dauer sein als die hohle Schönheit von Miss Henrietta. Das weiß ihre Tante ganz genau.“

„Ach, Priddy, das reden Sie sich ein, weil Sie mich mögen. Trotzdem danke ich Ihnen.“

Entschieden schüttelte die Zofe den Kopf. „Ich sage die reine Wahrheit. Und Ihr Wunsch, nicht zu heiraten? Pah, jedes Mädchen wünscht sich einen lieben Ehemann.“ Blicklos starrte sie vor sich hin. „Ein eigenes Zuhause. Und Kinder.“

„War das auch Ihr Wunsch?“, fragte Charlotte neugierig.

„In meiner Jugend gab es einen Mann. Wir wollten heiraten. Doch er starb an einem Fieber. Es sollte eben nicht sein.“

„Oh, das tut mir so leid!“ Impulsiv umarmte Charlotte die Frau, die ihr seit der frühen Kindheit die Mutter ersetzte.

„Nun ja“, murmelte Priddy verlegen. „Das ist lange her … Wenn Sie die Chance haben, glücklich zu werden, Miss, dann sollten Sie sie nutzen. Wir alle wissen nicht, wie viel Zeit uns auf Erden bleibt.“

Über diese Worte dachte Charlotte nach, als sie hellwach im Bett lag und den nächtlichen Geräuschen der Stadt lauschte. Kutschen polterten über das Pflaster, Hunde bellten, und in der Ferne grölten Betrunkene. Sie wusste nur zu gut, wie schnell ein Leben erlöschen konnte. In ihrem kurzen Leben hatte sie schon viele Menschen gekannt, die gestorben waren – auf Schlachtfeldern oder an Krankheiten.

Wurde Captain Fanton vielleicht auch von Träumen voller Blut und Tod heimgesucht, so wie viele junge Männer, die sie in Wien getroffen hatte?

Ihre Gedanken wanderten zu seinem Bruder. An diesem Abend war Lord Shalford sehr freundlich gewesen, kein bisschen arrogant. Bei der Erinnerung an seine grauen Augen, die sie so eindringlich angesehen hatten, breitete sich eine merkwürdige Wärme in ihrer Brust aus. Dabei war sie sich durchaus bewusst, dass er grundsätzlich nichts von jungen Damen hielt. Die törichten Differenzen mit Henrietta mussten ihn in seinem Vorurteil bestärkt haben. Dennoch war seine Anteilnahme aufrichtig gewesen.

Was mochte nur dieses sonderbare neue Gefühl sein, das er in ihr geweckt hatte? Etwas ähnliches wie – Zuneigung? Aber es war mehr als das, denn eine angenehme Unruhe flirrte in ihren Adern, wann immer sie an ihn dachte. Unwillkommene Fantasiebilder stiegen in ihr auf. Seufzend malte sie sich aus, wie alle anderen auf dem Ball tanzten, lachten, schwatzten, und fühlte sich – einsam.

6. KAPITEL

Lady Sophia Annesley befand sich in ihrem geschmackvoll eingerichteten Salon, als Adam eintraf. Da er Ihre Ladyschaft regelmäßig besuchte, war er dem Personal wohlbekannt und wurde sofort vorgelassen.

Unglücklicherweise lag sie gerade auf einem Sofa und schnarchte leise, ein Taschentuch über dem Gesicht, um ihre empfindlichen Augen vor dem grellen Tageslicht zu schützen. Adam hüstelte diskret. Sogleich schreckte sie hoch, ihr Spitzenhäubchen verrutschte ein wenig, und das Tuch glitt hinunter. Adam beugte sich hinab, half ihr, sich aufzurichten, und küsste ihre Wange. „Guten Tag, liebe Patentante. Welch ein kleidsames Häubchen.“

„Um Himmels willen, Adam, warum tauchst du so plötzlich ohne Vorwarnung auf? Du solltest einer Dame stets genug Zeit für gewisse Vorbereitungen auf einen Besuch geben.“

Resignierend deutete sie ihm, Platz zu nehmen, und er setzte sich zu ihr auf das Sofa.

Lady Sophia war eine rundliche, umgängliche Dame in den mittleren Jahren. Sie besaß einen scharfen Verstand und kannte die gesamte Hautevolee. Obwohl sie allgemein beliebt war, wurde sie auch von gewissen Leuten gefürchtet, die sie geringschätzig als „schwachsinnige Schwätzer“ bezeichnete.

Während sie ihr Häubchen zurechtrückte, musterte sie ihren Patensohn. Tadellos und korrekt gekleidet, frisch und munter – dabei wusste sie, dass er auf Lady Cowpers Ball bis in die Morgenstunden getanzt, geplaudert und getrunken hatte. „Wieso bist du zu dieser unchristliche Stunde so wach? Ich bin eben erst aus dem Bett gestiegen.“

Adam schaute zur vergoldeten Uhr auf dem Kaminsims. „Fast zwei Uhr nachmittags …“

„Aber ich fühle mich unwohl. Vielleicht waren die Garnelen gestern Abend nicht mehr frisch. Natürlich würde ich das Emily Cowper niemals sagen.“

„Wie ein neugeborenes Lämmchen siehst du aus. Trotz der – äh – beträchtlichen Punschmenge, die letzte Nacht geflossen ist.“

Lady Sophia warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Besten Dank für das Kompliment! Wie auch immer – du solltest nicht unangemeldet hereinplatzen.“

„Hast du vergessen, dass du mich mit der Nachricht von irgendeiner bedrohlichen Krise aus dem Bett geholt hast? Deshalb kam ich so schnell wie möglich hierher.“

„Ach ja – während des Balls wurde der Name Fanton viel zu oft erwähnt, leider auf wenig schmeichelhafte Weise.“

„Tatsächlich? Was hat man denn behauptet?“

„Nun, du bist zusammen mit den Buxteds erschienen. Und wir sind Fantons. Deshalb sollten sich die Klatschbasen nicht den Mund über uns zerreißen.“

„Was finden sie denn so furchtbar, Tante Sophia? Die Buxteds sind eine respektable Familie. In Surrey grenzen ihre Ländereien an die unseren, außerdem kennen wir sie schon lange.“

„Trotzdem ist allgemein bekannt, dass du nie auf vertrautem Fuß mit ihnen gestanden hast. Anscheinend hat Mrs. Buxted mit deinen zahlreichen Besuchen in ihrem Stadthaus geprahlt. Du würdest dich mit ihren Töchtern zum Reiten verabreden und bei ihnen dinieren. Angeblich hast du sogar die ganze Familie nach Chadcombe eingeladen!“

„Und wenn schon?“

„Begreifst du denn nicht, was das bedeutet, Adam?“, fragte Lady Sophia. „Damit erweckst du den Eindruck, du würdest einer der Töchter den Hof machen. Ich weiß, nach dem Tod deines Vaters hast du hart gearbeitet, um das Landgut vor dem Ruin zu retten. Du hast dich bewundernswert verhalten, doch es wäre verfrüht, wenn du die Kinderzimmer schon jetzt bevölkern willst. Warte lieber noch eine Weile, bis du das richtige Mädchen triffst.“ Als er schwieg und ihren Blick ausdruckslos erwiderte, griff sie nach seiner Hand. „Denkst du ernsthaft an eine Heirat?“

„Ja – nein!“ Adam lächelte gequält. „Ich weiß es nicht … Ich dachte, es wäre vernünftig. Leider fällt es mir schwer, einen Entschluss zu fassen. In den letzten Wochen habe ich viele Debütantinnen kennengelernt. Sie kichern dauernd, verhalten sich völlig unnatürlich, reden zu viel – oder zu wenig, haben keine Meinung oder die falsche. Manche sind auch – unverschämt.“

Er erhob sich und versuchte die Erinnerung an eine bestimmte junge Dame abzuschütteln.

„Zumindest muss ich darüber nachdenken, Tante Sophia. Ich bin verpflichtet, eine reiche Erbin zu heiraten. Großvater hat uns mit seinen Ausgaben fast ruiniert. Und die Anstrengung, dies wieder auszugleichen, hat Papa vor der Zeit ins Grab gebracht. Inzwischen bin ich in der Lage, seine Arbeit auf dem Gut erfolgreich fortzusetzen. Aber nach Mamas Tod hat das Haus seine warme, herzliche Atmosphäre verloren. Chadcombe braucht eine Herrin – und Olivia weibliche Gesellschaft. Großtante Clara ist doch ein bisschen zu alt für ein siebzehnjähriges Mädchen. Neuerdings streite ich oft mit Olivia. Was im Gehirn einer Frau vor sich geht, ist mir ein Rätsel.“

„Worüber streitet ihr denn?“

„Olivia fühlt sich auf Chadcombe eingesperrt. Da die Trauerzeit vorbei ist, will sie nächstes Jahr debütieren. Und ich ertrage den Gedanken nicht, dass ich sie dann auf zahllose Bälle und Partys begleiten muss. Allein das Almack’s, dieses grässliche Etablissement, eine Gerüchteküche, die vor Klatschmäulern nur so wimmelt …“ Adam schnitt eine Grimasse. „In dieser Saison habe ich wirklich versucht, meinen Platz in der feinen Gesellschaft einzunehmen und mich auf dem Heiratsmarkt umgetan, aber das ganze Getue widert mich an.“

„Offenbar bist du viel zu sehr mit deinen eigenen Wünschen beschäftigt … Starr mich nicht so an! Ich bin keine Debütantin, die du mit deinem bohrenden Blick einschüchtern kannst. Daher werde ich sagen, was ich denke.“

„Ich bin ganz Ohr, liebe Tante.“

„Gewiss bist du ein guter Junge, Adam. Du kümmerst dich vorbildlich um das Landgut. Auch dein Interesse an der Politik macht dir alle Ehre. Dein armer Vater wäre stolz auf dich. Dennoch bist du daran gewöhnt, nach deinen eigenen Vorstellungen zu leben. Du kannst tun und lassen, was du willst. Du bist unabhängig. Im Gegensatz zu Olivia.“

Autor

Catherine Tinley
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