Historical Saison Band 65

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EIN HÖCHST VERFÜHRERISCHER VISCOUNT von SCOTT, BRONWYN
Betörend schön, blitzgescheit, auf jedem Ball der umschwärmte Mittelpunkt - sieben Anträge hat die unkonventionelle Miss Dulci Wycroft schon abgelehnt. Doch dann bringt Jack, Viscount Wainsbridge, ihr Herz mit seinen sinnlichen Küssen zum Rasen! Ein adliger Abenteurer, der ihr mehr als die Unschuld rauben will …

DER EARL UND DIE SKANDALÖSE LADY von MARTIN, LAURA
"Nur eine Verlobung kann uns retten." Um jeden Preis will Lord Harry Edgerton Lady Anna Fortescues Ruf bewahren! Zudem passt eine Scheinehe in seine Pläne. Doch der wagemutige Lord hat weder mit der erwachenden Leidenschaft für Anna gerechnet - noch mit der drohenden Gefahr, in der seine Zukünftige schwebt …


  • Erscheinungstag 09.07.2019
  • Bandnummer 0065
  • ISBN / Artikelnummer 9783733737399
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Bronwyn Scott, Laura Martin

HISTORICAL SAISON BAND 65

1. KAPITEL

London, Frühling 1835

Jack Hanley, erster Viscount Wainsbridge, war der festen Überzeugung, dass ein Ballsaal dafür da war, Geschäfte zu tätigen. Kronleuchter, Topfpflanzen, perlender Champagner – Ballsäle gaben das ideale Büro für einen Gentleman ab. Hier fanden die wichtigsten Geschäftstransaktionen statt – die Sicherung einer guten Stellung in der Gesellschaft und eine lohnende Heirat. Jack hatte Ersteres bereits erreicht, beabsichtigte allerdings nicht, eine Heirat folgen zu lassen. Auch der heutige Abend war da nicht anders als alle übrigen.

Unter dem gewölbten Eingang zum Ballsaal der Fotheringays blieb Jack kurz stehen, um den Blick unauffällig durch den Raum gleiten zu lassen und festzustellen, wer heute anwesend war. Es sah so aus, als wäre es auch heute eine Versammlung derselben Leute wie immer. Das war ihm nur recht. Heute Abend wollte er mit der kürzlich angekommenen Gesandtschaft Venezuelas zusammenkommen. Er hatte den Auftrag, sie zu treffen und herauszufinden, ob man den diskret weitergeleiteten Gerüchten glauben durfte, die besagten, dass Venezuela Streit suchte wegen der noch ungeklärten Grenzen zu Britisch-Guayana.

„Wainsbridge!“ Eine aufgeregte weibliche Stimme machte sich mühelos über den dumpfen Lärm aller übrigen Gespräche hinweg bemerkbar. Seine Gastgeberin steuerte entschlossen auf ihn zu, eine Schar von Frauen im Schlepptau. Jack unterdrückte ein Stöhnen. Das war der Preis, den man zahlte, wenn man erst kürzlich einen Titel geerbt hatte und ein attraktiver Junggeselle mit einem gewissen Ruf bei den Damen war. Dazu kam, dass er noch immer eine Art Neuigkeitswert bei den Mitgliedern des ton genoss, da seine Arbeit für die Krone ihn selten nach London führte.

„Lady Fotheringay, wie reizend Sie heute Abend aussehen.“ Jack setzte ein freundliches Lächeln auf, das seine Resignation verbarg. Auch Frauen tätigten im Ballsaal Geschäfte – ihre Art von Geschäften.

„Ich möchte Ihnen meine Nichten vorstellen, Wainsbridge.“ Die violetten Straußenfedern in Lady Fotheringays Haar wippten gefährlich. Es waren insgesamt fünf und alle nach einer Blume benannt – fünf Nichten, nicht Straußenfedern, wenn Jack es der albernen Frau auch zutrauen würde, selbst ihren Federn Namen zu geben.

Als die Vorstellungen endlich hinter ihm lagen, fand Jack sich von weiteren Damen umgeben, die alle ihre Gastgeberin darum baten, ihnen doch den gut aussehenden, frischgebackenen Viscount mit den geheimnisvollen Vorfahren vorzustellen. Im Augenblick war er von allen Seiten umzingelt und kein Mann außer ihm in Sicht. Allerdings konnte er sich gut denken, wohin seine Geschlechtsgenossen sich verzogen hatten – zweifellos an den Kartentisch mit einem Glas guten Brandys in Reichweite.

Mit vorgetäuschtem Interesse lauschte er Miss Violet Fotheringays recht fader Abhandlung über die jüngste Mode und grübelte darüber nach, wie er sich von dieser Gruppe entfernen könnte, um die Gesandtschaft aus Venezuela zu suchen, da hörte er es – das unverwechselbare, rauchig aufregende Lachen von Lady Dulcinea Wycroft.

Selbst in einem Menschengedränge wie hier, war ihre Stimme auf eine angenehme Art unverkennbar, etwa in der Art von Odysseus’ Sirenen – ein Klang, der selbst einen klugen Mann um seinen Junggesellenstatus fürchten ließ. Natürlich nur gesetzt den Fall, dass besagte Dame überhaupt heiraten wollte. Dulcinea schien jedoch nicht geneigt zu sein, ihre Stellung als Londons führende Schönheit aufzugeben, und das in all den acht Jahren nicht, seit sie in die Gesellschaft eingeführt worden war. Gelegenheit dazu hätte sie jedenfalls gehabt. Jack wusste von sechs Anträgen, und sehr wahrscheinlich gab es noch eine ganze Reihe mehr, die ihm während seiner häufigen Reisen entgangen war.

Diese Abneigung gegen die Ehe machte sie in Jacks Augen nur umso reizender. Wenn es eine Versuchung gab, gegen die Jack hilflos war, dann eine amüsante, wortgewandte, kluge Frau, die offenbar ebenso fest dazu entschlossen war wie er, niemals zu heiraten. Da diese Einstellung jedoch für eine Frau sehr ungewöhnlich anmutete, stellte Dulcinea Wycroft eine Herausforderung dar. Jack gefiel nichts besser als eine schöne Herausforderung, und im Lauf der Jahre hatte Dulcinea sich wahrlich als Herausforderung herausgestellt für die guten Männer des ton, von denen es keinem gelungen war, sie vor den Altar zu locken. Wenn auch nicht, weil sie es nicht versucht hätten.

Mit verstohlenem Blick, um Miss Fotheringay nicht zu vernachlässigen, folgte Jack dem Lachen zur Quelle. Ah, das erklärte, wo alle Männer abgeblieben waren. Offenbar hielt nicht nur er heute Hof. Zwei Säulen von ihm entfernt herrschte Miss Wycroft über ihren eigenen Hof von Bewunderern, den begehrtesten Gentlemen Londons. In ihrem auffallenden roten Ballkleid und dem im Licht der Kronleuchter schimmernden blau-schwarzen Haar war sie genau, wie man sich die Schöne Helena vorstellte.

Jack war alles andere als immun gegen ihre Schönheit. Ebenso wenig wie die meisten Männer Londons. Sie wurde regelrecht belagert von ihren Bewunderern. Wenn man ihn im Augenblick für die interessanteste männliche Partie hielt, so war Dulcinea sein weibliches Gegenstück. Ebenso wie er ließ sie sich nicht leicht erobern, und gewiss nicht von diesem Rudel von jungen Schnöseln. Jack unterdrückte ein überlegenes Lächeln, als er sah, wer sich um sie versammelt hatte. Diese Dummköpfe. Wussten sie nicht, dass es aussichtslos war? Aber wer konnte es ihnen verdenken? Im Vergleich mit ihrer Lebendigkeit und ihrem Witz erschienen Damen wie Violet Fotheringay ganz besonders fade.

Eine Frau wie Dulcinea würde sich niemals mit einer typischen Vernunftheirat begnügen. Diese überschäumende Lebensfreude könnte sich nicht in einem Herrenhaus in Mayfair einsperren lassen. Insgeheim wunderte sich Jack, wie es kam, dass ihre unleugbare Leidenschaft Dulci noch nicht ruiniert hatte. Erfahrung hatte gezeigt, dass die hellsten Flammen am schnellsten niederbrannten. Leider war es sehr wahrscheinlich, dass Dulcis inneres Feuer am Ende doch ihr Niedergang sein würde. Es war eigentlich ein Wunder, dass es nicht schon geschehen war.

Er wandte Violet wieder seine Aufmerksamkeit zu, doch in Gedanken war er noch immer bei Dulcinea. Als langjähriger Freund ihres Bruders Brandon, eines Earls, kannte er Dulci seit vielen Jahren, wenn auch nicht gut. In diesen Jahren hatte er verschiedene diplomatische Posten in der Karibik versehen und befand sich erst seit vier Jahren wieder in England. Es hatte ihn nicht wenig überrascht, eine völlig veränderte Dulci Wycroft vorzufinden, wann immer er kurz nach London gekommen war. Sie nahm einem den Atem, nicht nur weil sie schön war, sondern auch geistreich und intelligent.

Während er in der Stadt wohnte, verkehrten sie in den gleichen Kreisen und begegneten sich unweigerlich auf denselben Gesellschaften und politischen Veranstaltungen. Im vergangenen Winter hatte er gleich mehrere Male die Freude gehabt, im Gespräch mit ihr die Klingen zu kreuzen.

Jack dachte an eine ganz besondere Begegnung mit ihr zurück. Während des Weihnachtsfests hatten sie mehr getan, als lediglich miteinander zu reden – wahrscheinlich angespornt durch den Mistelzweig und zu viel Wein. Er hatte sie in Lady Weatherbys Orangerie geküsst, und jene Küsse hatten etwas Wildes, Gefährliches in ihnen entfesselt.

Normalerweise hätte eine solche Leidenschaft zu einem ganz natürlichen Ende geführt, jedenfalls so weit es Jack anging. Doch Dulci machte eine solche Handlungsweise unmöglich und brachte ihn aus gleich zwei Gründen in eine üble Zwickmühle. Die Notwendigkeit zur Diskretion, die seine Arbeit mit sich brachte, schloss jede Art von engerer Bindung aus. Nicht, dass er zu einer Beziehung dauerhafterer Natur bereit gewesen wäre. Und das führte zum zweiten Problem. Die Verbindung, die er am liebsten mit Dulci eingegangen wäre, würde zweifellos nicht auf Brandons Zustimmung stoßen. Man konnte unmöglich die Schwester seines besten Freundes zu seiner Geliebten machen oder eine Affäre mit ihr anfangen. Und Jack würde sie gewiss nicht wegen einiger weniger, vom Glühwein verursachter Küsse heiraten, von denen noch nicht einmal jemand etwas wusste.

Der Himmel wusste, dass jene Begegnung sehr viel besser hätte enden können – oder schlechter, je nachdem, wie man die Sache betrachtete –, wenn er nicht unerwartet von der Hausparty wegbeordert worden wäre. Tatsächlich hatte er von Glück sagen können, dass er relativ billig davongekommen war – Dulci hatte nur einen Topf nach ihm geworfen. Sie war wütend gewesen wegen seiner Frechheit, wie sie es genannt hatte, obwohl Jack eher vermutete, dass ihr der Kuss ebenso gefallen hatte wie ihm. Sie war nicht auf ihn wütend gewesen, sondern auf sich selbst.

Seitdem hatte ihr Geplänkel jedoch eine gewisse Schärfe angenommen. Was Jack allerdings nicht viel ausmachte. Ein Blick auf sie genügte, und er war auch heute mehr als bereit, genau dort weiterzumachen, wo sie damals aufgehört hatten – selbst wenn er Gefahr liefe, einen Topf an den Kopf zu bekommen.

Allen übrigen Männern im Saal ging es nicht anders. Hätten die Dinge sich so entwickelt, wie es sich eigentlich gehörte, hätte Dulci inzwischen einen von ihnen geheiratet und würde ein Leben als würdige, gesetzte Matrone der guten Gesellschaft führen. Doch Dulci tat nie, was von ihr erwartet wurde. Sie machte keinen Hehl aus ihrem Wunsch, unabhängig zu sein, oder aus ihrem Interesse am Fechten und an der Royal Geographic Society, einer vor wenigen Jahren gegründeten Gesellschaft zur Förderung von Forschung und Lehre der Geographie. Dulci genoss ihre Freiheit ganz offensichtlich sehr viel mehr als andere unverheiratete Damen aus guter Familie. Dieses Vertrauen in ihre eigene Bedeutung machte selbstverständlich einen großen Teil ihrer Anziehungskraft aus. Kein Gentleman glaubte auch nur einen Moment, dass Dulci Wycroft wirklich einen Mann nötig hatte.

Und sie konnte es sich leisten, jeden abblitzen zu lassen, weil sie darauf achtete, jene eine Regel nicht zu brechen, die den Kern jeder Gesellschaft ausmachte. Dulcis guter Ruf war über jeden Verdacht erhaben. So sehr sie in intellektueller Hinsicht jede Grenze überschritt, die man gemeinhin einer Frau setzte, so ließ sie doch nie auch nur den Schatten eines Verdachts auf ihren unbescholtenen Ruf fallen.

Jack dachte an die Orangerie. Nun, soweit man von einigen wenigen verstohlenen Küssen absah.

Nicht weit entfernt von ihm beugte Dulci sich gerade vor, um dem Mann zu ihrer Linken ihr Interesse zu zeigen – und einen etwas zu aufschlussreichen Bick auf ihren Busen, wie Jack fand. Es war ein ausgesprochen attraktiver, spanisch aussehender Mann. Aha. Gewiss einer der Männer, die Jack suchte. Er stieß einen leisen Fluch aus. Zum Henker. Er würde an Dulci vorbeikommen müssen, um zu ihnen zu gelangen. Da der Vorfall in der Orangerie noch zwischen ihnen lag, hätte er es besonders heute vorgezogen, Arbeit und Vergnügen zu trennen.

Aber eigentlich hätte er es ahnen müssen. War es nicht selbstverständlich, dass sie im Mittelpunkt der Aufregung stehen würde? Dulcie kannte jeden, den man kennen musste, und wenn sie jemanden nicht kannte, sorgte sie dafür, dass dieser Missstand behoben wurde. Die Delegation war erst seit knapp einer Woche in London, und schon hatte Dulci es geschafft, den Ehrengästen zu begegnen – eben jenen Gästen, die Jack unter die Lupe nehmen wollte. Den Beschreibungen zufolge, die man Jack gegeben hatte, war der Mann an ihrer Seite, der gerade so interessiert ihren Busen beäugte, kein geringerer als Calisto Ortiz, ein Mitglied der Gesandtschaft aus Venezuela und Neffe eines hochrangigen, ehrgeizigen Staatsbeamten. Ganz offensichtlich würde Jack versuchen müssen, von Dulci eine Vorstellung zu erwirken. Und das bedeutete, dass es zu einer Szene kommen würde, wenn auch hoffentlich nur einer kleinen.

Wenn er an ihre letzten Worte in der Orangerie zurückdachte, war eigentlich mit nichts anderem zu rechnen. Er hatte sich sehr schlecht benommen. Man stahl einer jungen Frau keinen Kuss und eilte dann einfach davon, nachdem man eben noch im Begriff gewesen war, ihr ein wenig mehr als einen Kuss zu stehlen.

Plötzlich fiel Jack auf, dass Miss Fotheringay aufgehört hatte zu reden. „Sehr aufschlussreich“, sagte er hastig und lächelte die erwartungsvoll zu ihm aufblickende junge Frau an. „Ich bin sicher, viele junge Damen teilen Ihre Ansicht.“ Davon ging er tatsächlich aus, allerdings konnte er beim besten Willen nicht sagen, um welche Ansicht es sich handelte. Sehr unangenehm, bei einer solchen Unaufmerksamkeit ertappt zu werden. Höchste Zeit, dass er fortkam.

„Unser kleines Gespräch hat mir großes Vergnügen bereitet, meine Damen, aber dort drüben sind einige Leute, die ich sprechen muss. Wenn Sie mich also entschuldigen wollen.“ Er verabschiedete sich mit einem liebenswürdigen Lächeln von seinen Verehrerinnen und hielt diskret auf die Gruppe zu, die Dulcinea umringte. Doch er nahm die längere Route, um niemandes Gefühle zu verletzen. Es gehörte sich nicht, von einer Gruppe direkt zur nächsten zu eilen.

Jack zog unbewusst seine Weste zurecht, als wappnete er sich für eine Schlacht. Wenn er in Dulcis Nähe war, schien alles ein Wettkampf zu sein, wenn auch ein sehr erfreulicher, und er musste makellos aussehen und bereit sein. „Ganz ruhig, alter Bursche“, redete er sich leise zu. Er hatte nichts zu befürchten. Wenn es um Frauen wie Dulci Wycroft ging, war Jack so unbesiegbar wie Damaszenerstahl.

Unauffällig schob er einen jungen Verehrer beiseite, dessen einziges Verbrechen darin bestand, dass er genau neben Dulcinea stand. Lieber Himmel, ihre Bewunderer wurden aber auch von Jahr zu Jahr jünger. Heute befand sich Lord Balens Sohn unter ihnen. War er überhaupt schon alt genug, um allein nach London kommen zu dürfen? Oder wurde Jack mit seinen vierunddreißig Jahren einfach zu zynisch? In jedem Fall besaß keiner dieser jungen Hunde den Verstand, um Dulcis Aufmerksamkeit zu halten.

„Guten Abend“, begrüßte er die Anwesenden, indem er den Blick kurz freundlich auf jedem von ihnen ruhen ließ.

Alle hielten unwillkürlich den Atem an und warteten darauf, dass der Spaß begann. Es war inzwischen zu einer Art besonderem Vergnügen für den ton geworden, wenn Jack und Dulci sich auf einer Gesellschaft eins ihrer Wortgefechte lieferten. Nun, es waren nicht wirkliche Gefechte. Vielmehr würde er es mit einem Schlagabtausch wie bei einem Tennisspiel vergleichen, bei dem vorsichtig in scheinbar höfliche Worte gekleidete Beleidigungen abgefeuert wurden. „Guten Abend, Lady Dulcinea.“

Das Match hatte begonnen.

Alle Blicke gingen zu Dulci. Falls seine Anwesenheit sie überraschte, ließ sie es sich jedenfalls nicht anmerken. Ihre Begrüßung war von kühler Höflichkeit, so wie man sie einem flüchtigen Bekannten zukommen ließ. Doch Jack war sehr viel mehr für sie.

„Wainsbridge. Ich hatte nicht damit gerechnet, Sie heute Abend hier anzutreffen.“ Duci ließ den Blick ihrer blauen Augen gleichgültig über ihn gleiten.

Jack wappnete sich für die unvermeidliche Stichelei. Im Vergleich zu dem Meer von jungen Gecken mit ihren farbfrohen Westen und modischem Firlefanz, die sie umgaben, musste er mit seiner eher düsteren Erscheinung – lediglich aufgehellt von einer taubengrauen Brokatweste – natürlich einen sehr viel strengeren Eindruck machen. Der geschätzte Berater des Königs konnte sich unmöglich wie ein Pfau der frivolsten Art in der Gesellschaft blicken lassen. Wenn es auch für viele ein Geheimnis blieb, in welcher Hinsicht er den König beriet.

„Wainsbridge, ist dieser bedrückende Aufzug das Beste, was Sie fertigbringen? Eine solche Farbwahl stürzt ja selbst die fröhlichste Gesellschaft in Schwermut.“ Dulci hob eine vollkommen geschwungene schwarze Augenbraue, und schon drehten sich alle Köpfe zu ihm herum.

Jack verbeugte sich gelassen. „Ich stehe Ihnen zur Verfügung, Lady Dulcinea. Welche Farbe würden Sie an mir vorziehen? Der Regenbogen gehört Ihnen. Wählen Sie eine Farbe, und morgen zur selben Zeit werde ich keine Kleidung mehr besitzen, die nicht Ihren Geschmack befriedigt.“

Ihre Bewunderer hingen an ihren Lippen, atemlos auf ihre Antwort wartend. Jack war sicher, dass er nicht der Einzige sein würde, der morgen Dulcis geliebte Farbe trug. Die Schneider der Stadt würden bald sehr viel zu tun bekommen.

Dulci fächelte sich Luft zu und bedachte Jack mit einem durchdringenden Blick. Wie auch von ihm beabsichtigt, war ihr klar geworden, dass er sie in eine Zwangslage gebracht hatte. Sie konnte ihn unmöglich dazu zwingen, eine besonders scheußliche Farbe zu tragen, da alle übrigen Männer seinem Beispiel folgen würden, um Dulci zu gefallen. Ebenso wenig konnte sie neutral bleiben, da sie ihm gerade eben vor aller Augen den Fehdehandschuh hingeworfen hatte. Schließlich hatte auch sie einen Ruf zu verteidigen.

„Blau. Ich wähle Blau“, verkündete sie kokett, nachdem sie eine Weile so getan hatte, als würde sie über ihre Antwort nachdenken müssen. Eine ausgezeichnete Antwort, fand Jack. Immerhin überließ sie es ihren Verehrern, den Blauton nach Belieben auszusuchen.

Er verbeugte sich wieder. „Ihr Wunsch ist mir Befehl, Lady Dulcinea. Ich nehme Ihren Vorschlag auf, und all diese Gentlemen sind meine Zeugen. Morgen Abend beim Danby-Ball werde ich mein Versprechen erfüllen.“ Daraufhin wanderte sein Blick wie von ungefähr zu dem Mann neben ihm, als wäre er Jack jetzt zum ersten Mal aufgefallen. „Lady Dulcinea, dürfte ich Sie bitten, mir den Gentleman vorzustellen. Ich denke, wir sind uns noch nicht begegnet.“ Das Match war vorüber. Dulci hatte gewonnen, doch er hatte erhalten, wofür er gekommen war. Die übrigen Gäste würden das nicht erkennen. Dulci jedoch schon.

Sie setzte ein gezwungenes Lächeln auf und tat ihm notgedrungen den Gefallen. „Wainbridge, dies ist Señor Calisto Ortiz von der venezolanischen Gesandtschaft. Ich hatte das Glück, ihn vor einigen Tagen bei einer Gesellschaft in der Royal Geographic Society kennenzulernen. Señor, erlauben Sie mir, Ihnen Viscount Wainsbridge vorzustellen.“

Der Spanier verbeugte sich geschmeidig und stellte seinerseits zwei weitere Gentlemen vor, einen Señor Adalberto Vargas, offensichtlich den Leiter der Gesandtschaft, und Señor Dias, dessen eher bescheidene Kleidung seine untergebene Position deutlich machte.

Ortiz zeichnete sich durch hervorragende Manieren aus. Jack fasste augenblicklich eine Abneigung gegen ihn. Über zehn Jahre jünger als seine Landsleute und sehr attraktiv mit seinem tintenschwarzen Haar, gehörte Calisto Ortiz offensichtlich zu jenen Männern, die eine große Anziehungskraft auf das schwache Geschlecht ausübten. Er gewann Jacks Zuneigung auch dann nicht, als er gleich darauf bei Dulci seinen erheblichen Charme spielen ließ.

Jack hatte für heute Abend genug davon, dem Burschen dabei zuzusehen, wie er bewundernd Dulcis Brust anschielte, besonders, da ihr enges Mieder eindeutig zu viel davon ahnen ließ. In Ortiz erkannte er sofort einen Frauenhelden allererster Güte – aber schließlich war es nicht schwer, seinesgleichen zu erkennen.

Es wurde Zeit, seinerseits den Fehdehandschuh hinzuwerfen, wenn natürlich auch auf die höflichste Weise. Unerwartete Rivalität brachte jeden dazu, sein wahres Gesicht zu zeigen, und Jack rechnete nicht damit, dass Ortiz eine Ausnahme darstellte. Hier ging es nicht darum, dass Jack neue Freundschaften schloss. Seine Anweisungen lauteten klar, er solle die Gentlemen der venezolanischen Gesandtschaft einschätzen. Mit keinem Wort war angedeutet worden, dass er sie sich zu Freunden machen sollte.

Señor Ortiz, como le gusta Londres?“

Sein fließendes Spanisch hatte die erwünschte Wirkung. Ortiz war einen Moment lang verblüfft. Jack wollte ihn erstaunen und ihn warnen. Die Venezolaner sollten begreifen, dass sie es hier nicht mit Politikern zu tun hatten, denen die Geografie der Neuen Welt nicht vertraut war.

Ortiz schenkte ihm ein kühles Lächeln. „Ich versichere Ihnen, ich spreche fließend Englisch.“ Seine knappe Antwort veränderte die bisher gesellige Atmosphäre. Empfindlicher Bursche, dachte Jack.

„Je parle français, aussi“, fuhr Ortiz fort, den Blick herausfordernd auf Jack geheftet.

„Très bien. J’aime parler français“, erwiderte Jack ungerührt. Das Spielchen konnte er allerdings nicht allzu lange fortsetzen, sollte Ortiz darauf bestehen. Jack besaß kein umfangreiches polyglottes Wissen, aber er konnte eine Frau in sechs verschiedenen Sprachen verführen.

Señor Vargas lenkte hastig ein. „Señor Ortiz ist an den besten Schulen erzogen worden. Er ist der Neffe eines unserer Vizekönige.“

„Ah“, rief Jack mit all der Anerkennung, die der aufbringen konnte. Señor Ortiz’ Rolle in der Gesandtschaft wurde immer klarer. „Sind Sie also für einen offiziellen diplomatischen Posten vorgesehen?“

Seine Frage traf ins Schwarze, und Jack sah zu seiner Befriedigung, wie das Lächeln des jungen Mannes verschwand und er die Lippen grimmig zusammenpresste. „Ich bin eine Art Vertrauensmann.“

„Ich verstehe. Sehr eindrucksvoll.“ Doch er machte Ortiz natürlich nichts vor. Beide wussten, dass ein Vertrauensmann über nur sehr begrenzte Befugnisse verfügte und es kaum mehr als ein Ehrentitel war, wahrscheinlich dazu gedacht, Ortiz’ Stolz zu besänftigen.

Ortiz’ Augen blitzten gefährlich auf, doch Jack antwortete lediglich mit einem gleichgültigen Lächeln. Gut, Ortiz hatte seine Ironie erkannt und hatte den Anstand, beleidigt zu sein. Sein Blick zeigte jedoch, dass er sich nicht geschlagen gab. Jack würde ein Auge auf den Mann haben müssen. Ganz offensichtlich geriet Ortiz leicht in Rage und war sehr wahrscheinlich zu impulsiven Handlungen fähig, die er später bereuen könnte.

Dulci legte die Hand auf Jacks Arm. „Es ist Zeit für den Tanz, den Sie mir versprochen haben.“

Bereitwillig neigte er den Kopf. Er hatte bekommen, was er hier gesucht hatte. Jetzt wusste er einiges mehr über die venezolanische Gesandtschaft, und es war sehr aufschlussreich.

2. KAPITEL

Dulcis Worte wurden von allen außer Jack mit lautstarkem Protest entgegengenommen. „Aber der nächste Walzer gehört mir“, wandte der Sohn des Earl of Carstairs empört ein.

Doch der junge Mann war nicht schnell genug. Jack legte sich entschlossen Dulcis Hand auf den Arm. „Ich bin sicher, Lady Dulcinea kann Ihnen etwas für später aufsparen.“

„Beim Kontertanz können wir zusammen antreten“, tröstete Dulci ihn schnell.

„Gute Wahl“, meinte Jack leise, während er sie zur Tanzfläche führte. „Während eines Kontertanzes ist es nicht so einfach, Konversation zu machen. Wahrscheinlich tust du ihm sogar einen Gefallen. Der Junge sieht nicht so aus, als könnte er zwei Sätze aneinanderreihen, geschweige denn so viele, wie für einen langen Walzer nötig wären.“

„Ich tue mir selbst einen Gefallen.“ Dulci legte Jack eine Hand auf die Schulter. „Der arme Kerl hat den Verstand und die Statur eines Ochsen. Beim Balfour-Ball vergangene Woche ist er mir, sage und schreibe, fünfmal auf die Zehen getreten.“

„Und ich dachte, du wolltest Ortiz beschützen, dabei warst du nur auf einen Tanz mit mir aus.“

„Schmeichle dir nicht. Ich verzehre mich nicht nach einem Tanz mit dir so wie manch andere Dame heute Abend.“

„Die möchten mehr, als nur mit mir zu tanzen, versichere ich dir.“ Dulci errötete, genau wie er es beabsichtigt hatte. „Was ist? Habe ich etwas Unanständiges gesagt?“, fragte er scheinbar unschuldig.

„Nichts, was aus dem Munde eines anderen Mannes nicht völlig harmlos geklungen hätte. Wie ich sehe, bist du noch immer so von dir überzeugt, wie ich dich in der Orangerie erlebt habe.“

Jack lachte. Es machte ihm Spaß, mit ihr die Klingen zu kreuzen. Das war schon immer so gewesen. Darüber hinaus genoss er ihre Nähe – seine Hand auf ihrem Rücken, die Wärme ihres Körpers, die er durch den dünnen Seidenstoff ihres Kleides spüren konnte.

„Ich sage aber nicht mehr als die Wahrheit.“ Die Musik setzte ein, und sie begannen zu tanzen. Insgeheim fragte er sich, ob er es zulassen würde, sich heute Abend von seiner eigentlichen Aufgabe ablenken zu lassen. Nichts würde ihn mehr reizen, als zu versuchen, Dulci einen weiteren Kuss zu rauben.

„Dass alle Frauen sich vor Liebe nach dir verzehren?“

„Du brauchst wirklich nicht neidisch zu sein. Schließlich liegt dir die andere Hälfte Londons zu Füßen.“ Er warf dem enttäuschten Erben, der sie eifersüchtig beobachtete, einen schnellen Blick zu. „Ich hätte gedacht, dass Frauen ihn attraktiv finden. Er ist groß, auf seine bullige Art gut gebaut und ein ausgezeichnetes Exemplar englischer Männlichkeit.“

„In zehn Jahren hat sich das alles in Fett verwandelt“, meinte Dulci nüchtern. „Mir gefallen schlankere Männer besser, und vierschrötige Männer sind keine guten Tänzer.“

„Dein Bruder ist auch sehr groß“, wandte Jack ein. „Und die Damen tanzen sehr gern mit ihm, wenn Nora ihnen die Gelegenheit dazu gibt.“

„Brandon ist eine Ausnahme.“

„Da wir gerade von Brandon sprechen – vor einem Monat erhielt ich eine Nachricht von deinem Bruder. Er und Nora werden wohl dieses Jahr wegen des Babys nicht in die Stadt kommen, oder?“

„Nein. Wie nicht anders zu erwarten war. Ich habe noch nie so vernarrte Eltern gesehen.“ Ein Lächeln erschien um Dulcis Lippen bei dem Gedanken an ihren kleinen Neffen und verlieh ihrem Gesicht eine Sanftheit, die es nur selten annahm. Jack stellte sich vor, dass das Leben einer Unvergleichlichen recht einsam sein musste. Die Freundinnen, mit denen sie vor acht Jahren in die Gesellschaft eingeführt worden war, hatten inzwischen geheiratet und waren zu Müttern geworden. Bisher hatte er nie überlegt, welchen Preis Dulci für ihre Entschlossenheit zahlte, ungebunden zu bleiben. Auf ähnliche Weise wie er für den Lebensstil, den er gewählt hatte. In seinem Fall war es eher ungewollt geschehen. Galt das auch für Dulci?

Ihm wurde bewusst, dass er Dulci Wycroft gar nicht so gut kannte. In all den Jahren seiner Abwesenheit hatte sie sich verändert. Sie war volljährig geworden und hatte die Gesellschaft erobert, während es ihm mit seinen diversen Aufträgen am Ende gelungen war, den Titel des Viscounts zu gewinnen. Er hatte lange Zeit fern von England gelebt und Dinge für das Königreich getan, die er niemandem anvertrauen konnte. Und so wusste er herzlich wenig über die Frau, zu der Dulci herangewachsen war. Als er England verlassen hatte, war sie gerade eben sechzehn Jahre alt gewesen und er vierundzwanzig. Jack wusste nur, dass ihre Schönheit, ihr Witz, die Lebensfreude und die Wildheit, die sie zu verbergen suchte, ihn gegen seinen Willen stark anzogen. Nur wagte er nicht, zu intensiv über die Gründe nachzudenken, weswegen er sie so reizvoll fand. Er durfte sich nicht erlauben, sich zu verlieben, am allerwenigsten in Dulci, denn wie hätte er es Brandon erklären sollen?

Dulci betrachtete ihn mit leicht zur Seite geneigtem Kopf. „Was führst du heute Abend im Schilde, Jack? Es muss wichtig sein, wenn du dafür in Kauf nimmst, in meine Nähe zu kommen. Und mach mir nichts vor. Ich weiß, dass du den Venezolanern vorgestellt werden wolltest.“

Geschickt wich Jack dem weniger aufmerksamen Earl of Hertfordshire und seiner Tanzpartnerin aus. „Warum muss ich denn etwas im Schilde führen? Vielleicht wollte ich ganz einfach mit dem schönsten Mädchen im Ballsaal tanzen?“

„Kaum. Als wir uns das letzte Mal begegneten, warf ich dir einen Blumentopf an den Kopf.“ Sie musterte ihn nachdenklich. „Du wirst mir nicht verraten, was du wirklich hier tust, nicht wahr?“, fragte sie vorwurfsvoll.

Eine vertraute Frage, eine vertraute Wunde, die weit über den Streit in der Orangerie hinausging. Jack hatte dieses Gespräch schon mit anderen Frauen geführt, doch es war ihm nicht erlaubt, mit Dulci oder sonst jemandem über seine Arbeit zu sprechen. Eine Frau konnte ihn niemals ganz besitzen, da die Krone einen großen Teil von ihm für sich beanspruchte.

Allerdings gehörte Dulci nicht zu den Frauen, die sich mit weniger zufriedengeben konnten. Dass sie unverheiratet geblieben war, bewies das. Hätte sie Halbheiten dulden können, hätte sie sich schon längst auf eine Vernunftheirat eingelassen. Leider hatte er nur Halbheiten zu bieten. Was er für den König tat, unterlag der strengsten Geheimhaltung und würde der feinen Gesellschaft kaum gefallen. Natürlich war ihm bewusst, dass Dulci ihre eigenen Theorien aufgestellt hatte, und keine davon, das ahnte er, warf ein besonders vorteilhaftes Licht auf ihn.

„Du wirst Señor Ortiz doch wohl nicht in eine Falle locken wollen, wie du es mit Wembley getan hast, dem du in einem Kartenspiel sein bestes Vollblutpferd abgeluchst hast?“

Jack musste lachen. „Was für eine kleine Heuchlerin du doch bist, meine Liebe. Warum sollst du die Einzige sein, die Spaß hat, hm? Außerdem hatte Wembley es verdient.“ Er beugte sich dichter zu ihr und atmete ihren Lavendelduft ein, frisch und betörend, wie die Verführerin, die ihn trug. „Wie ich höre, hast du vergangene Woche ein Wettrennen nach Richmond gewonnen.“

Dulci sah einen Moment erschrocken aus. „Davon weiß doch niemand. Wer hat es dir verraten?“ Doch sie schüttelte den Kopf und gab die Antwort selbst. „Schon gut. Nur wir zwei wussten davon, also kann ich mir denken, wer es war.“ Sie verzog den Mund zu einem anbetungswürdigen Schmollen. „Das hätte ich nicht von Lord Amberston erwartet.“

Jack lachte wieder. „Keine Sorge, dein guter Ruf ist in Sicherheit. Dennoch scheint mir, als würdest du ein wenig zu sehr mit dem Feuer spielen. Weiß die Gesellschaft eigentlich, dass ihre geliebte Unvergleichliche in regelmäßigen Abständen skandalöse Dinge tut?“

Falls es seine Absicht gewesen war, Dulci abzulenken, wurde er enttäuscht. „Hier geht es nicht um mich, Jack. Ich will, dass du mir dein Wort gibst. Ich möchte nicht, dass du mit Señor Ortiz Karten spielst.“

Jack setzte eine feierliche Miene auf. „Ich schwöre dir, ich habe kein Interesse daran, mit ihm Karten zu spielen.“ Wenn die Situation nicht so ernst gewesen wäre, wäre ihr Geplänkel zum Lachen gewesen. Doch Dulci konnte nicht wissen, dass es ihm darum ging, einen Krieg zu verhindern, und er durfte es ihr leider auch nicht verraten.

„Wirklich nicht?“, hakte sie skeptisch nach.

„Du hast mein Wort, Dulci. Und ich möchte deins, dass es nie wieder ein Pferdewettrennen bei Mondlicht geben wird. Es ist viel zu gefährlich. Du solltest wirklich klüger sein, als dein Leben und das deines Pferdes so leichtfertig aufs Spiel zu setzen.“

„Und wer ist jetzt der Heuchler?“ Dulci schenkte ihm ein Lächeln, das die Grübchen in ihren Wangen zum Vorschein brachte. „Du bist kaum der Richtige, um Moral zu predigen. Ich erinnere mich noch sehr gut, wie du dich vor einigen Jahren als alberner Geck verkleidet hast, um Brandon dabei zu helfen, die Katze von Manchester zu fassen. Jenes Abenteuer war gefährlich nahe daran gewesen, das Gesetz zu brechen. Mein Pferdewettrennen war lediglich unvernünftig.“

Jack lächelte in Erinnerung an damals. „Das war der beste Dienst, den ich deinem Bruder je geleistet habe. So hat er seine Frau gefunden und ist seitdem der glücklichste Mann auf Erden.“

Dulci erwiderte sein Lächeln. Etwas Warmes leuchtete in ihren blauen Augen auf. In der nächsten Drehung zog Jack sie unmerklich dichter an sich, und sie widersetzte sich ihm nicht. Ihre Blicke trafen sich. Er wusste, dass sie sich daran erinnerte, wie aufregend es gewesen war, Nora zu retten, dann die mitternächtliche Hochzeitszeremonie, bei der Brandon die berüchtigte Katze geheiratet hatte. Vielleicht erinnerte sie sich auch an die gefährlich heftige Leidenschaft, die Weihnachten in der Orangerie plötzlich und ungebeten zwischen ihnen aufgelodert war.

„Nicht, Jack“, warnte sie ihn leise.

„Was nicht, Dulci?“, forderte Jack sie heraus, da er wusste, dass ihre Gedanken in dieselbe Richtung gegangen waren. Er spürte, wie sein Körper viel zu sehr auf ihre Nähe reagierte, viel mehr, als es sich auf der Tanzfläche eines Ballsaals gehörte. „Ich soll mich nicht daran erinnern, wie du in der Orangerie ausgesehen hast? Mit deinem Haar, das sich aus der Frisur gelöst hatte, den feuchten roten Lippen, deinem erhitzten Gesicht, das du emporhieltst, damit ich dich erneut küssen konnte? Wir pressten uns so dicht aneinander, wie es zwei Menschen nur tun können, ohne sich auszuziehen. Wie könnte ich das vergessen, wenn du seitdem jede Nacht so vor meinem inneren Auge erscheinst?“ Es war ein unvorstellbar berauschender Moment gewesen. Für einen Mann mit seiner Erfahrung hatte er sich von der Situation viel zu sehr entflammen lassen und konnte nicht aufhören, daran zurückzudenken – und das viel öfter, als ihm lieb war.

Nichts war dieser Erfahrung jemals gleichgekommen, obwohl Jack in den folgenden Monaten alles getan hatte, um Dulci mit anderen Frauen aus seinem Gedächtnis zu verbannen. Dulci war nun einmal nicht die Richtige für ihn, aber ein kleiner Flirt war doch sicher nicht verboten. Er genoss die Herausforderung, die sie darstellte, einfach zu sehr.

Erfreut sah er den Puls an ihrem Hals heftig klopfen und wusste, dass ihre Worte gelogen waren. „Nein, erinnere dich nicht, Jack. Wir wissen beide, dass es ein Fehler war, und es würde wieder nicht mehr als ein Fehler sein.“

„Ich mache keine Fehler, wenn es darum geht, eine schöne Frau zu verführen, Dulci.“

„Nein, aber danach machst du viele. Dein seductus exitus lässt viel zu wünschen übrig.“

„Das ist kein Lateinisch.“

„Doch, exitus bedeutet Abgang, und es ändert in jedem Fall nichts daran, dass du noch daran feilen musst.“

„Nur Übung macht den Meister“, antwortete Jack und seufzte übertrieben. „Leider bekomme ich nur sehr selten Gelegenheit dazu.“

„Da habe ich aber etwas ganz anderes gehört.“

Doch Jack war nicht danach zumute, über jene Gerüchte zu reden, auf die Dulci sich sehr wahrscheinlich bezog – Gerüchte über eine gewisse Schauspielerin, Erdbeeren und andere Dinge, in denen mehr als nur ein Körnchen Wahrheit lag. Falls es ihm gelingen sollte, Dulci von der Menge zu entfernen, die jede ihrer Bewegungen verfolgte, könnten sie sich vielleicht richtig unterhalten – und vielleicht auch mehr als das. Allerdings wollte er wirklich mit ihr reden. Er wollte herausfinden, was sie über die Venezolaner wusste. Andererseits, wem machte er hier etwas vor? Selbstverständlich verlangte es ihn nach sehr viel mehr als einem Gespräch. Er wollte wissen, ob jene Gefühle noch immer vorhanden waren. Vielleicht war Weihnachten eine Ausnahme gewesen, die sich niemals wiederholen würde. Es war zwar ein riskantes Unterfangen, besonders wenn er sich irrte. Doch heute war Jacks Widerstandskraft dieser hinreißenden Göttin in roter Seide und der Erinnerung an ihre heißen Küsse nicht gewachsen.

„Nur ein kleiner Spaziergang im Garten, Dulci“, bat er, den Mund dicht an ihrem Ohr und tief ihren Lavendelduft einatmend. Er spürte, wie ihr Körper nachgab, obwohl sie noch zögerte und offensichtlich nach einer Ausrede suchte, um dem Anstand zu genügen, der verlangte, dass sie seinen Vorschlag ablehnte.

„Na schön. Aber nur ein Spaziergang“, sagte sie schließlich streng.

„Ich bin sicher, es wird sich etwas finden lassen, das du mir an den Kopf werfen kannst, falls es nötig sein sollte.“ Mit einem leichten Druck seiner Hand auf ihrer Taille geleitete er Dulci zu den Verandatüren. Ballsäle waren der richtige Ort für Geschäfte, doch Gärten waren zum Vergnügen da.

Mit Jack in den Garten zu gehen war eine schlechte Idee gewesen. Alles, was mit Jack zusammenhing, war eine schlechte Idee, das wusste Dulci nur allzu gut. Schließlich hatte er nicht umsonst einen solch verruchten Ruf. Sie bereute es nicht, ihm nachgegeben zu haben, aber sie wusste, dass sie es bald tun würde. Und trotzdem erlaubte sie ihm, sie in den Garten zu locken, weil sie seit Weihnachten an kaum etwas anderes als ihn denken konnte und weil Jack trotz seiner Fehler einfach unwiderstehlich war.

Gewiss hatte er zahlreiche Fehler, aber das machte Dulci nur umso neugieriger. Wohin ging er, wenn er monatelang aus London verschwand? Welchen Dienst hatte er König William erwiesen, um vom Sohn eines armen Landadligen zu einem Viscount emporkatapultiert zu werden? Wie viel Wahres war an den Gerüchten dran, die manche Damen sich hinter vorgehaltenen Fächern zuwisperten, dass er ein unvergleichlicher Liebhaber sei? Doch neugierige Katzen verbrannten sich die Tatzen. Es wäre klüger von ihr aufzuhören, an solch anstößige Dinge zu denken, und zu hoffen, dass Jack kein Gedankenleser war.

Doch im Moment erwies es sich als zu schwierig für Dulci, nicht an ihn zu denken. Jack zog sie von einem Gartenpfad herunter und zu einem kleinen Alkoven mit einem plätschernden Springbrunnen und einer Steinbank. Über ihnen schien der Mond, und überall hingen Papierlaternen im festlich geschmückten Garten, sodass keine Gefahr bestand, sie könnten über etwas stolpern.

In dieser Umgebung sah Jack einfach hinreißend aus. Das Mondlicht verlieh seinem weizenblonden Haar einen silbernen Schimmer. Der perfekt geschnittene Frack betonte seine breiten Schultern und die schmalen Hüften, und die modische enge Hose konnte nicht verbergen, dass dieser elegante Mann lange, muskulöse Beine hatte. Nichts an seinem makellosen, gepflegten Aussehen konnte die Kraft eines Mannes vergessen lassen, der ein aufregendes, wildes Leben führte.

Dulci fragte sich oft, ob auch andere Menschen diese Eigenschaften an Jack bemerkten. Je länger sie ihn kannte, desto weniger glaubte sie, ihn zu kennen. Er war ein Meister der Verstellung. Man bekam nur zu sehen, was Jack einem zeigen wollte, und sie selbst war ebenso leicht von ihm zum Narren gehalten worden wie alle anderen.

Doch wie gern hätte sie mehr über ihn erfahren! Seit jenem Abend in der Orangerie hatte sie recht oft an Jack denken müssen und hatte begierig jedem Gerücht gelauscht, das über ihn in Umlauf gebracht worden war. Wie man sich sagte, war er seit Weihnachten damit beschäftigt gewesen, Lady Scofield in ihrem großen Garten in Lambeth zu küssen.

Ein genüsslicher Schauer überlief sie. Hatte er sie womöglich hierhergebracht, um mit ihr dasselbe zu tun? Und sollte sie es ihm erlauben? Nun, sie wollte sich nichts vormachen – sie wünschte sich sehr, Jack möge sie küssen und vielleicht sogar ein wenig mehr. Es war unmöglich, die Hitze zu vergessen, die ihren ganzen Körper erfasst hatte, als Jack sie gestreichelt hatte. Und eine Sehnsucht nach mehr war in ihr erwacht. Dulci wollte diese Gefühle noch einmal erleben. Aber sie ließ sich nichts anmerken. Jack sollte sie nicht für übereifrig halten. Es würde sein ohnehin schon zu großes Selbstbewusstsein nur unnötig verstärken.

„Und jetzt, Jack?“ Dulci warf ihm ein kokettes Lächeln zu, betrat den Alkoven und sah sich prüfend um. „Der Springbrunnen bietet sich nicht an, würde ich sagen. Aber die Bank wäre eine Möglichkeit.“

„Hast du daran gedacht, dass ich dich vielleicht nicht hergebracht habe, um dich zu verführen? Wenn ich mich recht erinnere, gefällt dir eine solche Umgebung nicht besonders für intimere Zusammenkünfte.“ Jack lehnte sich lässig an die Steinsäule am Eingang zum Alkoven. Er sah sehr gelassen aus, nur allzu vertraut mit einer solchen Situation. Doch Dulci spürte seinen Blick heiß auf sich, wie er jeder ihrer Bewegungen folgte. Sie würde ihn nicht lange täuschen können, denn er war zu erfahren in diesem Spiel, um nicht zu erkennen, wann es begonnen hatte.

„Wann hätte dich das jemals aufgehalten, Jack? Je größer die Herausforderung, desto heftiger deine Bemühungen.“ Sie ließ die Hand durch das Wasser im Brunnen gleiten.

„Ja, man sagt mir nach, dass ich mich der Situation meist gewachsen zeige.“ Jack lächelte breit und ging auf sie zu.

Dulci erkannte dieses Lächeln, das er den meisten Frauen zeigte, um sie davon zu überzeugen, dass ihnen seine ganze Aufmerksamkeit galt und er ihnen jeden Wunsch, jedes Verlangen erfüllen würde. Dulci hatte oft mit ansehen müssen, dass die Frauen ihm glaubten. Und es war auch wirklich leicht, diesem Lächeln zu vertrauen. Sie selbst – und wider besseres Wissen – glaubte ihm in diesem Moment.

Hastig machte sie einen Schritt, um ihm nicht so nah zu sein. Deswegen war sie gewiss nicht zum Fotheringay-Ball gekommen. Tatsächlich hatte sie nicht damit gerechnet, Jack hier zu treffen. Dazu war es eigentlich noch zu früh in der Saison, und sie hatte gehofft, einige Wochen ruhig hinter sich bringen zu können, bevor Jack erscheinen und ihre Sinne in Aufruhr versetzen würde. Hatte man ihr nicht gesagt, dass er gar nicht in London sei? „Du hast jede Frau im Ballsaal verzaubert, Jack. Da brauchst du mich doch nicht.“

„Aber du bist die Einzige, die ich will.“ Sein Lächeln vertiefte sich. Zum Kuckuck, er wusste, welche Wirkung er auf sie hatte.

„Nein, du kannst es ganz einfach nur nicht ertragen, dass auch nur eine Frau nicht in Ohnmacht fällt vor Bewunderung, sobald sie dich sieht.“

Er lachte. Die markanten Züge seines vornehmen Gesichts wurden weicher und verspielt wie die eines unbeschwerten Jungen. „Bei Gott, Dulci, niemand bringt es fertig, mich so wirkungsvoll in meine Schranken zu verweisen wie du. Aber manchmal verdiene ich es wohl auch.“ Plötzlich sah er zehn Jahre jünger aus, als hätten geheime Sorgen, die ihn plagen mochten, sich in Luft aufgelöst. Dulci fragte sich, wie er vorher gewesen sein mochte, bevor ihn diese geheimnisvolle Aura umgeben hatte?

„Dulci.“ Ihr Name auf seinen Lippen klang wie eine Einladung zur Sünde. Es genügte vollkommen und erreichte, was Jack niemals mit Schmeicheleien gelungen wäre. Sie lag schon im nächsten Moment in seinen Armen und erlaubte sich, die Kraft zu genießen, die sein Körper ausstrahlte, und den Mandelgeruch seiner Seife tief einzuatmen. Sofort vergaß sie alle Gründe, die sie davor warnten, so unvernünftig zu sein. Er küsste Dulci tief und hingebungsvoll und erregte sie mit der trägen Art, mit der er ihren Mund erforschte, eine Hand in ihrem Nacken, die Finger in ihrem Haar. Dulci spürte, wie ihr immer wärmer wurde.

„Es tut mir leid, was in der Orangerie passiert ist, Dulci“, flüsterte er schließlich aufrichtig. Wie hätte sie ihm nicht vergeben können? Doch dann bemerkte sie etwas, als sie flüchtig über seine Schulter sah, und erstarrte. Plötzlich fiel ihr wieder ein, weswegen es Wahnsinn war, sich mit Jack einzulassen.

Er streichelte ihr ermutigend den Nacken. „An dieser Stelle solltest du sagen, wie leid es auch dir tut, dass du mir einen Blumentopf an den Kopf geworfen hast. Und du streichst mir über das Haar, um zu sehen, ob noch etwas von der Beule übrig ist, die du mir verpasst hast.“

„Ich glaube, ich muss dich enttäuschen, Jack.“ Dulci stieß ihn von sich und versuchte, ihre eigene Enttäuschung zu verbergen. Sie war mehr als bereit gewesen, ihm zu glauben. Mit einer Kopfbewegung machte sie ihm ein Zeichen, sich umzudrehen. Die Situation der Orangerie wiederholte sich.

Jemand räusperte sich verlegen, und dann brachte ein aufgeregter, errötender Junge, angetan mit der königlichen Livree, stammelnd seine Nachricht hervor. „V…verzeihen Sie, Mylord. Ich bringe eine eilige Nachricht von Clarence House. Man sagte mir, ich soll Sie suchen und Ihnen sagen, dass Sie bitte sofort kommen mögen.“

Dulci sah, wie Jack die Schultern straffte. Die jungenhafte Freude von eben war verschwunden. Die Veränderung vollzog sich so schnell, dass Dulci fast glaubte, sie hätte sich den sorglosen Jack nur eingebildet. Er drückte dem Jungen einige Münzen in die Hand, zweifellos um sich dessen Verschwiegenheit zu sichern, und schickte ihn fort, bevor er sich zu ihr umdrehte.

„Es tut mir leid, Dulci. Ich muss gehen. Darf ich dich wieder hineinbegleiten?“ Jetzt war er wieder ganz der pflichtbewusste Gentleman. Passierte ihm das eigentlich mit jeder Frau, oder war nur sie es, die Pech bei ihm hatte?

„Was kann der König denn um diese späte Stunde von dir wollen? Ist er jetzt nicht immer in einem seiner Clubs oder bei sonstigen Vergnügungen?“ Clarence House war die Residenz von König William IV., wie Dulci natürlich wusste.

„England schläft niemals, Dulci.“ Jack schenkte ihr ein Lächeln, das sie recht herablassend fand.

„Sei nicht so gönnerhaft, Jack“, fuhr sie ihn an.

„Ich besuche dich morgen“, versprach er, doch dieses Friedensangebot reichte Dulci nicht.

„Ich werde nicht da sein. Glaub ja nicht, ich warte auf dich, bis du zufällig wieder in der Stadt bist.“ Sie rauschte an ihm vorbei, eigentlich eher wütend auf sich selbst als auf ihn. Jack würde sich niemals ändern, und sie fragte sich, wann sie das endlich begreifen würde. Doch bevor sie einige Schritte getan hatte, hielt er sie am Arm fest, und sie hörte ihn leise lachen.

„Du kannst mich nicht einfach ignorieren, Dulci. Schön, wenn du willst, empfange mich nicht. Aber ich werde dich morgen dennoch sehen. Auf der Gesellschaft bei den Danbys, du erinnerst dich. Ich bin der Mann in Lavendelblau, falls du nach mir Ausschau halten solltest.“

Dulci würde nicht nach ihm Ausschau halten, und wenn er der letzte Mann auf Erden wäre. Sie ballte unwillkürlich die Hände zu Fäusten. Sah es Jack nicht ähnlich, einen Scherz zu machen, wenn sie außer sich war vor Wut? Zum Henker mit ihm. Die Wette hatte sie bereits ganz vergessen. In ihrem Ärger erlaubte sie sich den nicht sehr damenhaften Luxus, zornig mit dem Fuß aufzustampfen. Hatte sie nicht geahnt, dass es keine gute Idee wäre, mit Jack in den Garten zu gehen? Nichts, was man mit Jack tat, erwies sich je als gute Idee.

Eine Stunde später kehrte Dulci nach Hause zurück. Allein in der Kutsche, hatte sie Gelegenheit, sich in aller Ruhe dem Grübeln hinzugeben. So gern sie Jack die Schuld an ihrer schlechten Laune gegeben hätte, wusste sie doch, dass ihn nicht die ganze Schuld traf.

Jack hatte mit seinen Küssen ihre Neugier geweckt. Mit ihren sechsundzwanzig Jahren rechnete Dulci nicht mehr damit, noch jemals eine Ehe eingehen zu können, die ihrem Naturell entsprach. Allerdings hielt sie das nicht davon ab, die Geheimnisse des Ehebettes kennenlernen zu wollen – die Geheimnisse erotischer Befriedigung.

Sie war nicht so naiv, nicht zu merken, wenn eine gewisse Sorte von Gentlemen sich anerboten, ihr ebendiese Geheimnisse zu enthüllen. Bisher war es ihr immer gelungen, jeden Versuch in dieser Richtung im Keim zu ersticken. Es gab Risiken, die es nun einmal nicht wert waren, eingegangen zu werden. Die Männer, die ihr solche Freuden versprachen, waren nicht vertrauenswürdig. Lieber Himmel, Amberston hatte es ja nicht einmal geschafft, ihr Wettrennen geheim zu halten!

Jack ist anders. Der plötzlich aufgetauchte Gedanke ließ sie fast vom Sitz rutschen. Doch dann dachte sie genauer darüber nach. Warum nicht Jack? Eine Frau, die acht Saisons hinter sich hatte, ob sie nun noch Jungfrau war oder nicht, wusste genau, ob ein Mann sie begehrte – und Jack begehrte sie, das spürte Dulci. Vielleicht wollte er sie nur für eine Nacht und sie stellte für ihn nicht mehr als den Reiz des Neuen dar. Aber was auch seine Motive sein mochten, er begehrte sie, und nur das war wichtig. Und sollte sein Verlangen nur eine Nacht anhalten, umso besser. Auch sie selbst wollte ja nicht mehr als ihre Neugier stillen. Jack hatte bereits bewiesen, dass er heiße Leidenschaft in ihr erwecken konnte, und er war verschwiegen. Schließlich waren sogar die Geheimnisse des Königreichs bei ihm sicher. Da konnte er gewiss eine kurze Affäre für sich behalten und würde sie niemals Brandon verraten.

Dulci tippte sich mit dem Zeigefinger ans Kinn. Brandon könnte sich als Problem erweisen. Jacks Freundschaft mit ihrem Bruder könnte ihren Plan vereiteln. Plötzlich musste Dulci lachen. Sie saß doch tatsächlich hier und plante, wie sie am besten den berüchtigten Viscount Wainsbridge verführen konnte! Sie musste den Verstand verloren haben. Welche tugendhafte Frau würde freiwillig ihr wertvollstes Gut verschenken? Außerdem hatte sie in ihren unzähligen Saisons oft mit ansehen müssen, was mit jungen Frauen geschah, die der größten Versuchung vor der Ehe zum Opfer fielen. Die Welt war nicht groß genug für eine Frau, die ihren guten Ruf verloren hatte.

Allerdings nur, wenn sie ertappt wird, flüsterte ihr eine verwegene innere Stimme zu. Was nicht unbedingt geschehen musste. Jack war diskret und geschickt und selbst ebenso wenig darauf erpicht, sie oder jede andere junge Frau zu kompromittieren.

Wieder musste sie lachen über die seltsamen Ideen, die ihr heute kamen. Und dennoch konnte Dulci nicht den Gedanken unterdrücken, dass sie trotz der vielen vernünftigen Gründe, die gegen einen solchen Plan sprachen, ihn vielleicht doch durchführen würde.

3. KAPITEL

Jack Henley, der erste Viscount Wainsbridge, und das seit nicht mehr als fünf Jahren, folgte einem Ruf von Clarence House stets mit der größten Eile und voller Unbehagen, um welche Tages- oder Nachtzeit er ihn auch ereilen und in wessen Bett er ihn vorfinden mochte. In Eile, da man seinen König nicht warten ließ, ganz besonders, da man seinen Titel erst kürzlich von ihm erhalten hatte. Und voller Unbehagen, weil er ahnte, dass die Aufforderung zu kommen lediglich der Auftakt zu neuem Ärger war. William hätte ihn nicht rufen lassen, wenn nicht etwas im Argen läge. Zweifellos gab es neue Entwicklungen, die mit den Venezolanern zu tun hatten, doch es erstaunte Jack, wie schnell alles voranging. Schließlich war er den Männern erst vor einer Stunde begegnet.

„Ich brauche Sie, um einen Krieg zu verhindern“, sagte William ohne Einleitung, kaum dass Jack eingetreten war. Jack nickte lediglich, als wären diese Worte nicht weiter erstaunlich, und schloss die Tür des Arbeitszimmers in Clarence House hinter sich. Also waren die Gerüchte bestätigt worden.

„Wann, Euer Majestät?“ Er ließ den Blick kurz zum dritten Mann im Raum gleiten – Viscount Gladstone vom Außenministerium – und grüßte ihn mit einem Nicken.

William IV. spielte geistesabwesend mit einem Briefbeschwerer. „Der Krieg hat noch nicht begonnen, doch Gladstone hier versichert mir, dass es geschehen wird, wenn wir nicht sofort etwas dagegen unternehmen.“

Also handelte es sich um eine präventive Maßnahme. Das lag Jack am meisten. Er schenkte sich selbst ein Glas Brandy ein und nahm in einem der Sessel Platz, nachdem er geschickt die Schöße seines Abendfracks hochgeschlagen hatte. Verstohlen sah er zu Gladstone hinüber. Er hatte seine ganz persönlichen Gründe, den Mann nicht zu mögen. Gladstone machte keinen Hehl aus seiner Verachtung für Jacks bescheidenere Geburt und allzu jungen Titel, doch in seiner Tätigkeit im Geheimdienst bewies er erstaunlichen Scharfsinn.

„Sagen Sie Wainsbridge, was Sie mir berichtet haben“, wies William ihn an.

Gladstone räusperte sich. „Venezuela zweifelt die Grenzen zu Britisch-Guayana an. Sie wünschen, dass wir sie zu ihren Gunsten verschieben. Es versteht sich natürlich von selbst, dass wir nicht bereit sind, unsere Ansprüche auf das entsprechende Gebiet aufzugeben.“ Er erhob sich, trat an einen langen Tisch und gab Jack ein Zeichen, ihm zu folgen.

Mit einem langen, dünnen Zeigefinger fuhr Gladstone an den Grenzen auf einer Landkarte entlang. „Die Grenze, um die es geht, befindet sich südöstlich des Essequibo-Stroms.“

Jack nickte. Er war einer der wenigen, die die Bedeutung eines Flusses in Britisch-Guayana wirklich begreifen konnten. Aufgrund der morastigen Landschaft in jener Gegend stellten die Flüsse entlang der Küste den einzigen Zugang zum Landesinneren dar. „Das ist kein geringer Streitpunkt. Es geht hier um ungefähr dreißigtausend Quadratmeilen.“ In einem Land, das sonst nur aus Sümpfen und Flüssen bestand, war jede Meile festen Bodens einen Kampf wert.

Jack sah von der Landkarte auf und wandte sich zu William um. Diese Informationen waren nichts Neues für ihn, sondern gerade der Grund für seine Anwesenheit beim Ball der Fotheringays gewesen. Allerdings ergab sich daraus eine andere Frage. „Haben wir eine Vermutung, weswegen Venezuela plötzlich an diesem bestimmten Bereich interessiert ist?“

Seit das Britische Königreich im sechzehnten Jahrhundert seine Ansprüche auf Guyana geltend gemacht hatte, hatte Spanien sich darauf beschränkt, eine Handvoll Missionen an der Grenze entlang zu gründen. Die Grenze war unbestimmt geblieben und dennoch friedvoll. Inzwischen war es jedoch nicht mehr Spanien, sondern ein unabhängiges Venezuela, das die Grenze mit ihnen teilte. Vielleicht wollte Venezuela nach kaum mehr als zehn Jahren Unabhängigkeit demonstrieren, dass seine Macht in der Region gewachsen war.

„Das herauszufinden, wird Ihre Aufgabe sein, Wainsbridge.“ William lehnte sich in seinem Sessel zurück.

„Selbstverständlich. Wie Euer Majestät wünschen. Ich stehe jederzeit zu Ihrer Verfügung“, erwiderte Jack leichthin, ohne sich seine Sorge anmerken zu lassen. Im Lauf der vergangenen Jahre hatte er gelernt, sich in Williams Anwesenheit zurückzuhalten. Der Mann verhielt sich mehr wie ein ehemaliger Marineoffizier, der er ja auch war, als ein König. Und tatsächlich hatte es Zeiten gegeben, da hätte niemand damit gerechnet, dass er den Thron besteigen würde. Der hochgewachsene weißhaarige Mann mit dem weichen Kinn und den freundlichen Augen erinnerte Jack mehr an einen geliebten Onkel als einen Mann, der über eine Nation herrschte. Doch einem Onkel konnte man gelegentlich eine Bitte ausschlagen, dem König niemals.

„Erzählen Sie, wie Ihr Abend mit der venezolanischen Gesandtschaft verlaufen ist. Sind die Gerüchte über den Grenzstreit wahr?“

„Ich bin ihnen begegnet, allerdings nur kurz.“ Jack musterte Gladstone misstrauisch. Nichts an seiner Mission schien bisher so eilig gewesen zu sein. Was war geschehen, dass der König ihn so dringlich hatte rufen lassen?

Gladstone meldete sich zu Wort. „Es hat eine neue Entwicklung gegeben. Einer der Gentlemen der Gesandtschaft wird stark von einem privaten und sehr mächtigen Konsortium venezolanischer Geschäftsmänner beeinflusst, denen sehr daran gelegen ist, von dem Grenzstreit zu profitieren. Wir wollen ihn so bald wie möglich identifizieren. Man glaubt, besagter Gentleman, wer immer er ist, sei im Besitz einer gefälschten Landkarte, die die Grenzen so anzeigt, wie sie für Venezuela von Vorteil wären. Es könnte sein, dass er versuchen wird, sie als ein legitimes Dokument auszugeben und als Beweis zu benutzen, um ein neues Grenzabkommen zu erzwingen.“

Jack musste sofort an Calisto Ortiz denken, an seine geschmeidige Art und seine Rolle als „Vertrauensmann“ für die Gesandtschaft, die ihn ein wenig zum Außenseiter machte. Jack kehrte zu seinem Sessel zurück und machte sich daran, Bericht zu erstatten.

„Ich denke, wir können Adalberto Vargas ausschließen. Er ist das älteste Mitglied, ein Mann Anfang fünfzig. Nach seiner Haltung heute Abend zu schließen, ist er eher ein Anhänger der traditionellen Diplomatie. Es ist nicht wahrscheinlich, dass er sich auf solch riskantes und hinterlistiges Unterfangen wie das Fälschen einer Landkarte einlassen würde. Dasselbe gilt für Hector Dias. Er hat weder die Manieren von Ortiz noch den intellektuellen Hintergrund von Vargas.“ Jack vermutete, dass Hector Dias lediglich Positionen mit beschränkter Autorität ausfüllte und – worauf seine bescheidenere Kleidung gestern Abend ein Hinweis war – auch nicht über den Reichtum verfügte, sich auf andere Weise größere Macht anzueignen.

„Also bleibt nur Calisto Ortiz“, warf Gladstone ein, offensichtlich erfreut darüber, dass es so leicht gewesen war, den wahrscheinlichen Kandidaten zu finden.

„Ja. Er hat den nötigen Charme, die Leute von seinen Ideen zu überzeugen. Außerdem fungiert er nur als Vertrauensmann der Gesandtschaft, muss sich also nicht so sehr an die Regeln halten wie die anderen zwei. Sein Englisch ist ausgezeichnet und seine Verbindungen ebenfalls. Offenbar ist er ein Neffe eines der regionalen Vizekönige Venezuelas und hat sogar familiäre Bindungen mit dem Gouverneur. Mir scheint, er ist unser Mann.“

„Wir werden ein detaillierteres Dossier über ihn zusammenstellen, jetzt, da wir wissen, wonach wir suchen müssen“, sagte Gladstone. „Wenn er so gute Verbindungen hat, besitzt unser Geheimdienst gewiss Informationen über seine Familie. Vielleicht will er einen Plantagenaufruhr organisieren. Plantagen machen einen großen Teil der Geschäfte aus in seinem Land.“

„So groß auch wieder nicht“, bemerkte Jack herablassend, und Gladstones Miene wurde finster.

„Ich würde gerne hören, was Sie vorzuschlagen haben“, forderte Gladstone ihn kühl heraus.

Statt eine Antwort zu geben, erhob Jack sich und beugte sich wieder über die Karte. Geschäftsmänner interessierten sich gemeinhin nicht für die Schönheiten der Natur. Irgendetwas Lukrativeres musste es in diesem Flusstal geben, vielleicht einen wertvollen Bodenschatz. „Gold“, sagte er zu niemandem im Besonderen.

„Gold?“, echote Gladstone ungläubig.

„Sie vergessen, dass ich die Region dort kenne. Ich war 1830 dort, nachdem ich Schomburgk bei seiner Anegada-Expedition geholfen habe.“ Seine Arbeit damals war es gewesen, die den Grundstein für seinen Titel gelegt hatte. „Die Flusstäler sind zu feucht und die Wälder im Inneren zu dicht, als dass Landwirtschaft betrieben werden könnte. Kein Geschäftsmann würde in dieser Gegend eine Plantage gründen wollen. Nicht genug Profit.“ Gladstone sah aus, als hätte er Jack liebend gern erdrosselt.

William mischte sich ein, zweifellos, um die Situation zu entschärfen: „Wir müssen genau wissen, was sie haben wollen. Dann können wir es dazu benutzen, die Verhandlungen in unserem Sinne zu beeinflussen, wenn es nötig sein sollte. Bis dahin weichen Sie Ortiz nicht von der Seite, Wainsbridge. Ich will wissen, warum sie so sehr an dieser Gegend interessiert sind und was sie bereit sind zu tun, um sie zu bekommen.“

Damit waren sie entlassen, verbeugten sich vor ihrem König und verließen Clarence House durch den Vordereingang. Jack war froh, dass er mit seiner Kutsche gekommen war. Sehr ungern nur hätte er sich eine Mietdroschke mit Gladstone teilen wollen. Gemeinsam traten sie in die Nacht hinaus.

Jacks Kutsche stand am Bordstein, doch bevor Jack einstieg, konnte Gladstone sich eine letzte Spitze nicht verkneifen. „Wie ich höre, haben wir eine gemeinsame Bekannte – Lady Dulcinea Wycroft.“

„Sie hören die erstaunlichsten Dinge, Gladstone“, erwiderte Jack reserviert.

„Und ich sehe auch oft welche“, entgegnete Gladstone geheimnisvoll.

„Sie haben es einfach noch immer nicht verwunden, von Lady Dulcinea abgewiesen worden zu sein.“ Jack antwortete gelassen, doch es fiel ihm schwer, sich seinen Zorn nicht anmerken zu lassen. Wahrscheinlich hatte Gladstone einige seiner Männer geschickt, den Ballsaal zu beobachten. Obwohl Jack den Auftrag hatte, die Gesandtschaft unter die Lupe zu nehmen, hatte Gladstone sich wohl selbst ein Bild machen wollen. Jack traute ihm zu, dass er das heutige Treffen mit Seiner Majestät erzwungen hatte, nur um ihn von Dulci zu trennen.

Gladstones Miene verfinsterte sich. „Hinter Ihrer vornehmen Kleidung sind Sie nichts weiter als ein Emporkömmling, der Sohn eines bedeutungslosen Landjunkers. Ich kann nur ahnen, wie vielen Sie die Stiefel lecken mussten, um so weit emporzusteigen.“

„Gewiss. Sie können nur sicher sein, was Ihre eigene Stiefelleckerei angeht. Da brauchen Sie sich nicht auf Ihre Ahnung zu verlassen. Ihre Familie bettelt seit dem siebzehnten Jahrhundert um die Gunst des Hofes. Schmutzige Angelegenheit, zwei Jahrhunderte lang Stiefel lecken zu müssen.“ Jack kletterte in seine Kutsche. „Gute Nacht, Gladstone.“

Er schlug die Wagentür hinter sich zu und sank in die Polster zurück, ganz und gar nicht so gelassen, wie er sich gab. Die Angelegenheit mit den Venezolanern konnte sich als sehr gefährlich erweisen. Verhandlungen, die im Geheimen stattfanden, hielten sich meist an keine Regeln. Dennoch war es nichts, was Jack nicht gewohnt gewesen wäre – und die Angelegenheit hätte ihn nicht weiter beunruhigt, wenn Dulci nicht darin verwickelt gewesen wäre. Doch leider war sie es. Ihre Verbindung zu den drei Männern, um die es hier ging, versetzte sie genau in das Zentrum eines Sturms. Das bedeutete Schwierigkeiten – Schwierigkeiten, mit denen Jack nicht gerechnet hatte.

Dulci Wycroft war der festen Überzeugung, dass man in Schwierigkeiten geriet, wenn man es am wenigsten erwartete. Aber sie hatte ein Gegenmittel dafür – sie rechnete immer damit.

Schon früh hatte sie erkannt, dass das Sammeln von Kunstgegenständen nicht zu den Hobbys zählte, die man gemeinhin von einer alten Jungfer erwartete. Nicht, dass sie sich für eine alte Jungfer gehalten hätte, obwohl sie das erhabene Alter von sechsundzwanzig erreicht und bereits sechs Heiratsanträge abgelehnt hatte. Ebenso wenig war sie auf der Suche nach Sicherheit.

Denn hätte es sich anders verhalten, wäre sie in diesem Moment nicht hier gewesen. Sie schloss die Finger um die kleine Pistole in ihrer Tasche, während sie sich wachsam im trüben Licht des Hafenspeichers umsah – bereit, bei jeder verdächtigen Bewegung in Deckung zu gehen. Hafenspeicher wie dieser hier waren ihr nicht fremd. Doch dieser hier, in einem besonders rauen Teil von Southwark, erwies sich als der bisher schlimmste.

Sie war froh, dass sie mit ihrer eigenen, nicht gekennzeichneten Kutsche gekommen war, statt sich auf eine Mietkutsche zu verlassen. Ihr war aufgefallen, dass kaum Mietkutschen zu sehen waren, je tiefer sie in diese Gegend vorgedrungen war – ein sicheres Zeichen für die eher unappetitliche Natur dieser Umgebung, jetzt da sie den Lärm und die vergleichsweise Sicherheit der Kais von Hays Wharf weit hinter sich gelassen hatte.

Plötzlich trat ein Mann aus den Schatten hervor. Dulci zuckte zusammen, entspannte sich aber wieder. Zwar vertraute sie diesem Mann nicht völlig, aber sie kannte ihn. Er war der Grund für ihre Anwesenheit hier in dieser recht fragwürdigen Umgebung.

Schnell kam er vorwärts, wie immer elegant gekleidet und robust aussehend mit seiner olivfarbenen Haut. „Señorita, buenos días!“, begrüßte er sie überschwänglich und beugte sich schwungvoll über ihre Hand. Zu schwungvoll. Schweißperlen bedeckten seine Oberlippe, und Dulci fiel sofort auf, dass diese übertriebenen Gesten nur dazu dienten, seine Aufregung zu verbergen. Seine gewohnte Selbstsicherheit schien heute seltsamerweise verschwunden zu sein.

Dulci entzog ihm ihre Hand, sobald die Höflichkeit es zuließ. „Señor Vasquez, halten wir uns nicht mit Artigkeiten auf“, sagte sie kühl. „Was haben Sie für mich, das so dringend ist, dass es nicht bis zum Nachmittag warten konnte?“ Ihr Treffen mit Señor Vasquez erlaubte ihr leider nicht, den Vortrag der Royal Geographic Society über die Westindischen Inseln zu verfolgen. Mit ein wenig Glück würde sie aber vielleicht noch rechtzeitig vor dem Ende dort sein.

„Ich habe etwas für Sie aus Amerika.“ Er deutete auf eine offene Kiste, doch Dulci entging nicht, dass sein Blick in eine andere Richtung huschte.

„Erwarten Sie noch jemanden, Señor?“, fragte sie in scharfem Ton und sah sich ebenfalls misstrauisch um.

„Ich habe viele Verabredungen, Señorita, und möchte lediglich, dass Sie sich die Gegenstände allein ansehen. Sie stammen aus Venezuela, das Sie in letzter Zeit besonders interessiert.“

„Wirklich?“, erwiderte Dulci kühl und hob die Brauen, ein Zeichen eher milder Anerkennung. Ihr wahres Entzücken zu enthüllen, hätte nur dazu geführt, Señor Vasquez’ Preis zu erhöhen.

Dulci griff mit einer behandschuhten Hand in die Kiste und schob das Stroh beiseite. Die andere Hand behielt sie in ihrer Tasche und hatte den Blick unverwandt auf Señor Vasquez gerichtet. Sie spürte Stein unter ihren Fingern und holte eine kleine Statuette heraus. Vaquez wusste wirklich, was ihr gefiel.

„Es ist eine Zemi.“ Dulci musste sich bemühen, sich ihre Erregung nicht anmerken zu lassen, während sie den Gegenstand ehrfurchtsvoll betrachtete. Die Figur war ohne Kleidung, sodass Brüste und ein gerundeter Bauch deutlich zu sehen waren. „Es ist das Abbild eines einheimischen Gottes, oder in diesem Fall einer Göttin. Wenn ich mich nicht vollkommen irre, ist dies ein Fruchtbarkeitsfetisch.“ Sie kümmerte sich nicht darum, dass diese offene Unterhaltung ihm deutlich peinlich war. „Kam das Stück mit einer …“

„Einer Schale?“, fuhr Vasquez für sie fort. „Selbstverständlich, Señorita.“ Ein enttäuschtes Lächeln auf den Lippen, fügte er hinzu: „Ich würde Ihnen doch niemals etwas vorenthalten.“

Dulci stellte die kleine Statue hin und fasste jetzt mit beiden Händen in die Kiste hinein, bis sie die Schale fand. „Ja, da ist sie.“ Sie holte eine Steinschale hervor und fügte sie an der dafür vorgesehenen Stelle mit der Statuette zusammen. „So, jetzt können Sie sehen, wie alles zusammengehört. Die Götterabbilder sind flachköpfig, damit man für die Götteranbetung eine Steinschale darauflegen kann.“

Buena, Señorita. Nennen Sie einen Preis, und es gehört Ihnen.“

Er schien viel zu erpicht darauf zu sein, sie loszuwerden. „Ich ziehe es vor, den Rest des Inhalts zu sehen“, sagte Dulci und begann, die Kiste zu leeren. „Dies ist sehr wahrscheinlich ein Amulett, das hier ein Metate. Sie benutzten es, um Saatgut zu zermahlen“, erklärte sie geistesabwesend, eher für sich selbst als für Señor Vasquez.

Am Ende wischte sie sich den Staub von den Händen und betrachtete prüfend die insgesamt sieben Gegenstände. Ihr war nicht entgangen, dass Señor Vasquez bereits zweimal auf die Uhr geschaut hatte. Ganz offensichtlich erwartete er noch jemanden, oder war ängstlich darauf bedacht, jenem Besucher nicht zu begegnen. Die Kunstgegenstände waren gewiss aufregend, doch Dulci hatte nicht vergessen, wie dringend Vasquez sie hergebeten hatte. „Ist das alles?“

„Ja. Bis auf dieses letzte Objekt.“ Vasquez reichte ihr ein abgenutztes, ledergebundenes Buch von der Größe eines Tagebuches.

Sie musterte Vasquez verwundert. „Haben Sie das Beste für den Schluss aufbewahrt?“

Vasquez legte sich eine Hand aufs Herz. „Ich wünsche nur, Ihnen Freude zu bereiten, Señorita. Ich weiß, wie gern Sie lesen. Schauen Sie, es gibt sogar einige sehr detaillierte Landkarten.“

Neugierig blätterte Dulci in dem Buch und besah sich die Zeichnungen von unbekannten Pflanzen und Orten. „Das Tagebuch eines Entdeckungsreisenden? Womöglich das eines Missionars?“ Die Anmerkungen waren in Englisch verfasst, und sie musste sofort an Jack denken. Das Tagebuch würde ein wundervolles Geschenk für ihn abgeben, eine Erinnerung an seine Arbeit vor einigen Jahren in derselben Gegend. Nicht, dass er ein solches Geschenk verdient hätte nach seinem Verhalten gestern Abend.

„Ich kann nur raten, Señorita“, meinte Vasquez ausweichend. „Ich bin lediglich ein schlichter Händler.“

Das weckte sofort Dulcis Misstrauen. Nichts an Vasquez war „schlicht“. Der Spanier war schließlich reich geworden durch diverse Transaktionen in Südamerika. „Wie sind Sie an dieses Buch gekommen?“

Er zuckte mit den Schultern. „Es lag mit der Statuette in derselben Kiste, die mit dem letzten Schiff eintraf. Ich packte es aus und dachte an Sie, mehr nicht.“

Nichts war je so unkompliziert, wie Vasquez es beschrieb. „Sind die Gegenstände gestohlen?“, fragte sie geradeheraus. Sie hatte schon vorher Geschäfte mit Vasquez gemacht, und er hatte sich als zuverlässige Verbindung erwiesen, da er zweimal im Jahr von Spanien nach London reiste. Dennoch kam ihr heute irgendetwas nicht ganz richtig vor.

„Selbstverständlich nicht. Ich halte mich an die Gesetze. Der Handel mit Diebesgut würde nur meinem guten Ruf schaden“, verteidigte Vasquez sich empört.

„Wenn das hier kein gestohlenes Gut ist, warum diese Eile? Wir hatten abgemacht, uns morgen früh zu treffen. Was für einen Unterschied kann ein Tag schon für Sie ausmachen?“

„Ach, Señorita, ich muss mich entschuldigen, dass ich Sie beunruhigt habe. Ich muss morgen früh bereits die Reise nach Hause antreten statt später erst in ein paar Tagen, wie geplant. Eine persönliche Angelegenheit. Und ich wollte nicht abreisen, ohne Sie zu treffen.“ Er senkte verschwörerisch die Stimme. „Es gibt noch andere, die an den Kunstgegenständen interessiert sind, und ich werde sie heute Abend treffen. Aber ich gebe zu, ich wollte, dass Sie die erste Wahl haben.“

Dulci nickte, und ihre Sorge legte sich ein wenig. Der Mann war schließlich ein Händler durch und durch und hatte gewiss alles so arrangiert, um den Preis zu steigern. Das Gefühl der Dringlichkeit verlieh jedem Geschäft eine gewisse Würze. „Ich zahle Ihnen einhundert Pfund für die Kiste und das Tagebuch.“

„Einhundert Pfund? Madre de dios, zu einem solchen Preis könnte ich mich nicht davon trennen“, protestierte er sofort. „Sie verstehen mich doch sicher, Señorita. Denken Sie an die Mühe, die es kostet, solche Gegenstände über den Atlantik bis nach London zu transportieren.“

Dulcis Ton wurde strenger. „Gewiss werden Sie mich verstehen. Ich bin nicht in der Stimmung, mit Ihnen zu feilschen wie ein Fischweib. Ihretwegen komme ich bereits zu spät zu einem sehnsüchtig erwarteten Vortrag, und Sie wissen sehr wohl, dass mein Preis mehr als fair ist.“

„Weil Sie meine beste Kundin sind, werde ich nachgeben“, meinte Vasquez seufzend. „Einhundert Pfund, Señorita.“

Dulci nickte knapp. „Schicken Sie die Kiste umgehend zu meinem Stadthaus. Dort wird man Sie bezahlen. Wenn Sie sich beeilen, werden Sie keine Probleme haben, Ihr Geld zu bekommen, bevor Sie abreisen müssen. Es war mir wie immer ein Vergnügen, Señor.“

Vasquez beugte sich über ihre Hand. „Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite.“

Die hübsche Señorita hatte das Gebäude kaum verlassen, da begann er bereits schnell die Kunstgegenstände einzupacken. Je eher er diese Kiste loswurde, desto besser. Er hatte die Señorita nicht angelogen – nichts war gestohlen und er hatte wirklich einen triftigen Grund, um morgen abreisen zu müssen –, aber ihm war sehr an seiner Gesundheit gelegen. Solange er im Besitz dieser Gegenstände blieb, war seine Gesundheit allerdings in Gefahr.

Vor Kurzem hatte er von einem seiner zahlreichen Informanten erfahren, dass ein sehr hoher Beamter der venezolanischen Regierung diese Kunstwerke unbedingt haben wollte. Dabei machten sie keinen besonderen wertvollen Eindruck – es handelte sich lediglich um ein paar Stein- oder Holzschnitzereien, die meisten davon nicht einmal besonders kunstvoll gefertigt.

Doch das war gleichgültig. Sie hätten mit Juwelen bedeckt sein können, und er hätte sie dennoch nicht behalten wollen. Der ursprüngliche Interessent hatte es sich im letzten Moment anders überlegt. Vasquez begriff, dass diese Gegenstände, aus welchen Gründen auch immer, nicht für fremde Augen bestimmt waren. Ihr Besitzer war im Grunde bereits so gut wie tot. Doch er war jetzt in Sicherheit. Jede Erwähnung der Gegenstände hatte er aus seinem Logbuch entfernt, und sollte man in seinem Londoner Speicher danach suchen, würde man nichts finden, dass diese Ware mit ihm in Verbindung bringen könnte.

Dass man die Kunstgegenstände bei der exzentrischen Señorita Wycroft vermutete, war eher unwahrscheinlich. Wenn man die Stücke nicht bis zu ihm zurückverfolgen konnte, war auch sie sicher. Und so würden sie allmählich in Vergessenheit geraten, lediglich in einer Glasvitrine im Stadthaus der Señorita zur Schau gestellt. Sein Gewissen – soweit man in seinem Fall von einem Gewissen sprechen konnte – war rein. Vasquez schloss die Kiste und erlaubte sich zum ersten Mal seit Tagen, erleichtert aufzuatmen.

4. KAPITEL

Calisto Ortiz versetzte einer leeren Kiste einen wütenden Tritt und stieß auf Spanisch einen wahren Schwall von Flüchen aus. Seine Männer hatten schon wieder versagt. Wie schwierig konnte es sein, eine Landkarte wiederzufinden, von der niemand wusste, dass sie existierte? Und doch war es seinen Männern nicht gelungen, sie in Venezuela an sich zu bringen, nachdem die Karte versehentlich mit seinen archäologischen Funden eingepackt worden war. Hier in London war sie den Idioten zum zweiten Mal durch die Finger geschlüpft. Doch als die Spuren sie zu einem Importeur namens Vasquez führten, hatte Ortiz geglaubt, seine Arbeit sei fast erledigt. Er musste lediglich zu Vasquez gehen und die Karte verlangen. Doch wieder war er zu spät gekommen. Der Speicher war leer, wies aber noch Spuren einer Fracht aus Spanien auf, offensichtlich erst vor Kurzem eingetroffen, denn es fehlten der Schmutz und die Furchen, die alte Kisten meist aufwiesen.

Calisto Ortiz blaffte seine Männer mit neuen Befehlen an. „Durchsucht den Kai. Vielleicht ist das Schiff noch nicht losgesegelt. Und sucht auch in den Schenken und Wirtshäusern nach Vasquez.“

Die Männer beeilten sich, ihm zu gehorchen, und ließen ihn allein im Speicher zurück. Calisto kippte eine Kiste um, setzte sich darauf und seufzte tief auf. Das Schiff war ihm weniger wichtig als Vasquez selbst. Denn wenn er Vasquez nicht fand und also auch nicht die Karte, dann befand sie sich irgendwo in London. Dann wäre es so, als wollte er nach der berühmten Nadel im Heuhaufen suchen.

Doch es gab noch einen Grund, weswegen er Vasquez unbedingt finden musste. Vasquez hatte bemerkenswerte Eile an den Tag gelegt. Den Berichten zufolge lag das Schiff des Händlers erst kurze Zeit im Londoner Hafen, und schon war es bereit weiterzusegeln oder war schon fort und der Speicher fast leer. Vasquez wusste also, dass er etwas in Händen gehalten hatte, das gefährlich war, und er war nach London gekommen, um es jemandem zu geben, um es loszuwerden. Also war die Karte kein wohlgehütetes Geheimnis mehr. Seine, Ortiz’, Mission hatte jetzt zwei Ziele – die Karte wiederzufinden und jene zum Schweigen zu bringen, die davon wussten.

Er fuhr sich mit der Hand durch das dunkle Haar und atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Ein Schritt nach dem anderen, eine Überlegung nach der anderen. Erst einmal galt es, Vasquez aufzutreiben, um herauszufinden, ob der Mann überhaupt wusste, welchen Wert die Karte hatte. Es konnte schließlich sein, dass Vasquez gar keine Ahnung hatte. Außer der Karte waren da schließlich auch Statuetten gewesen, Zemis und Metates. Nun, in jedem Fall würde er auch jenem den Mund schließen müssen, dem Vasquez alles verkauft hatte.

Und im schlimmsten Fall hatte er es an jemanden verkauft, der die Bedeutung der Karte erkannte – ihre Bedeutung für die Verhandlungen, die bald zwischen der britischen Regierung und der venezolanischen Gesandtschaft über die Grenzfrage stattfinden würden.

Calisto wusste, dass er ein gefährliches doppeltes Spiel spielte, und das nicht nur mit den Engländern, sondern auch mit der venezolanischen Regierung – nicht dass Letztere etwas dagegen einzuwenden gehabt hätte, solange sie als Sieger daraus hervorgingen. Manche mochten ja behaupten, dass die Karte eine Fälschung war, doch Calisto zog es vor, sie lediglich als ein wenig voreingenommen zu bezeichnen. Er wäre schließlich nicht der erste Mensch seit Anbeginn der Zeit, der einen Kartenhersteller – nun, sagen wir, finanziell unterstützt hatte, damit er an gewissen Grenzverläufen hier und da ein wenig herumfeilte. Tatsächlich war Britisch-Guayana so wenig erforscht, dass keiner sagen konnte, wo die Grenzen wirklich verliefen.

Es würden Jahre vergehen, um die Grenzen auf seiner Karte zu widerlegen, und – wie hieß es noch so schön: Frechheit siegt. Bis dahin würde Venezuela ein Stück Land besitzen, das sehr lukrativ war und ihn und seinen Onkel reich machen würde.

Der Plan würde funktionieren. Er war ein Mann, der wusste, wie man seine Spuren verwischte und seinerseits den nötigen Hinweisen folgte. Seine Männer waren im Begriff, Vasquez aufzuspüren. Er selbst konnte im Moment nichts weiter tun. Ein Blick auf seine Taschenuhr zeigte ihm, dass ihm gerade noch genügend Zeit blieb, um sich vor der Gesellschaft bei den Danbys umzuziehen und zu dinieren. Mit ein wenig Glück würde auch die reizende Lady Dulcinea anwesend sein, vorzugsweise ohne ihren mürrischen, vielsprachigen Freund.

Das Glück war ihm heute Abend nicht hold. Die Gesellschaft war bereits in vollem Gang, als Jack eintraf. Er hatte gehofft, so früh kommen zu können, dass er Dulci entführen konnte, bevor ihre unermüdlichen Verehrer sie umgaben. So hatte er sich ihr Wiedersehen nicht vorgestellt. Leider war er von wichtigen Angelegenheiten aufgehalten worden. Den Nachmittag hatte er damit zugebracht, Ortiz zu einem leeren Hafenspeicher in einem besonders verwahrlosten Teil von Southwark zu folgen.

Das ungeplante Abenteuer war sehr aufschlussreich gewesen und hatte gleich mehrere interessante Fragen aufgeworfen. Warum zum Beispiel hielt sich ein Mann von Ortiz’ Rang an den Docks auf? Jack hatte festgestellt, dass, was immer in jenem Speicher vorgefallen war, Ortiz ausgesprochen aufgeregt hatte. Obwohl Jack den Raum danach überprüft hatte, hatte er nicht mehr finden können als einige leere Kisten mit spanischen Stempeln an der Außenseite. Bis er Gladstone diese Informationen mitgeteilt, sich zu Hause gewaschen und seine neuen, in dunklem Lavendelblau gehaltenen Sachen angezogen hatte, war es bereits Abend geworden.

Natürlich bestand nicht die geringste Hoffnung, Dulci allein anzutreffen, was sofort durch die Gruppe von Männern, alle in verschiedenen Blautönen gekleidet, bewiesen wurde, die sich bereits um sie geschart hatten. Jack straffte die Schultern, vergaß seine politischen Sorgen und bahnte sich entschlossen einen Weg zu ihr, ohne auf die verschiedenen Proteste zu achten. Er machte galant einen Kratzfuß vor ihr. „Wie mir scheint, habe ich mehr getan, als mein Versprechen zu halten, Lady Dulcinea.“ Er sah sich grinsend um. „Ich glaube, ich habe eigenhändig unsere Wirtschaft gerettet, wenigstens für diesen einen Tag.“

Dulci lachte und fächelte sich mit einem blau bemalten Fächer Luft zu, der in denselben blassblauen Tönen gehalten war, wie ihre Abendrobe. „Die Schneider der ganzen Stadt stehen in Ihrer Schuld, Wainsbridge.“

„Das ist doch einen Tanz wert, will ich hoffen.“ Jack lächelte charmant und reichte ihr die Hand.

Wieder wurde mürrischer Widerspruch laut. „Er stiehlt die besten Tänze.“

„Er hat schon gestern Abend mit ihr getanzt.“

Dulci überging die Proteste mit einem Lächeln. In Jacks Augen war sie ein Engel, der für einen Abend zur Erde herabgestiegen war, so hinreißend sah sie aus. Wie immer raubte ihre Schönheit ihm den Atem. Doch er wusste natürlich, dass Dulci Wycroft kein Engel war, und wenn doch, so ein Racheengel. Bevor sie ihm erlaubte, sich wieder mit ihr zu vertragen, würde sie ihn leiden lassen. Würde sie mit der Wette anfangen oder der gestrigen Unterbrechung?

„Dieses dunkle Lavendelblau ist deutlich eine Verbesserung, Jack.“ Aha, also die Wette. „Aber trotzdem noch weit entfernt von der Mode, auf die du früher geschworen hast. Ich erinnere mich noch, in Manchester hattest du einen Frack mit Diamantknöpfen. Brandon sagte, du hast ihn auch auf seinem Verlobungsball getragen. Was ist nur aus all jenen verschwenderisch mit Spitze besetzten Hemden geworden?“

„Ich habe sie verbrannt“, antwortete er knapp. „Ich spiele schon seit Jahren nicht mehr den Gecken. Eine solche Fassade ziemt sich nicht für einen Berater des Königs.“

„Früher war das anders. Du sagtest doch immer, die Menschen würden sich im Gespräch viel leichter verraten, weil sie davon ausgehen, ein Geck habe nichts als Stroh im Kopf.“

Ging das schon wieder los? Wollte sie einfach nicht aufhören, nach Dingen zu fragen, über die er nicht mit ihr sprechen konnte? „Ich bin Berater, kein Spion. Und ein Mann mit Stroh im Kopf wird letztendlich nicht respektiert. Den Dummkopf zu spielen bedeutete am Ende zu viele Nachteile für einen Berater.“

Autor

Bronwyn Scott
Bronwyn Scott ist der Künstlername von Nikki Poppen. Sie lebt an der Pazifikküste im Nordwesten der USA, wo sie Kommunikationstrainerin an einem kleinen College ist. Sie spielt gern Klavier und verbringt viel Zeit mit ihren drei Kindern. Kochen und waschen gehören absolut nicht zu ihren Leidenschaften, darum überlässt sie den...
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Laura Martin
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