Im Palast des Prinzen

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Für sie war es Liebe, für ihn nichts als pure Rache. So schnell wie möglich will sich die hübsche Camille von dem arabischen Königssohn Rayhan wieder scheiden lassen! Doch der nutzt alle Mittel, das zu verhindern. Ganz und gar verbotene, verführerische Mittel …


  • Erscheinungstag 18.07.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733747855
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Wütend trat Rayhan ibn-Malik al-Rashad das Gaspedal seines Landrovers durch. Der Staub wirbelte hoch, während er mit Höchstgeschwindigkeit sein Anwesen Double Eagle verließ. Mit quietschenden Reifen fuhr er durch das offene Tor der Ellisons.

Nichts hatte sich auf der C-Bar-C-Ranch verändert, seit Rayhan die Unterschrift unter den Kaufvertrag für Double Eagle gesetzt hatte. Nichts war spürbar von dem Skandal, der sich hier in der Weite von Texas ereignet hatte.

Statt der Ölschürfrechte, wie Charles Ellison es ihm vorgegaukelt hatte, hatte er nur das Anrecht auf Weideland erworben.

Die C-Bar-C lag friedfertig da. Ölfördertürme waren am Horizont zu sehen. Eine Baumreihe säumte den Fluss, der die Grenze zwischen den beiden Ranches markierte. Überall sah man gut gepflegte Koppeln, auf denen die Pferde der Ellisons grasten.

Rayhans Herzschlag beschleunigte sich, als er am Stall vorbeifuhr und auf das Haupthaus zusteuerte. Es war nur wenige Tage her, seit er genau in demselben weiß getünchten Anwesen im Kolonialstil Bier getrunken und in aller Freundschaft den Vertrag mit Charles Ellison unterschrieben hatte.

Bitterkeit wallte in Rayhan auf. Eigentlich konnte er Ellison nichts vorwerfen. Vermutlich waren sein eigenes schlechtes Englisch und die Unfähigkeit seines Rechtsanwalts schuld an dem verheerenden Ergebnis. Aber nur zum Teil.

Rayhan krampfte die Hände fester um das Lenkrad, während er den Landrover direkt vor dem Ranchhaus scharf abbremste. Kieselsteine wirbelten hoch, bis er schließlich den Wagen zum Stehen brachte.

Als habe er Rayhan erwartet, tauchte Ellison auf der Veranda auf.

Rayhan konnte Charles’ Gesichtsausdruck nicht genau erkennen, da er im Schatten stand. Mit Wut im Bauch stieg er aus und schlug die Wagentür hinter sich zu. Und dann kam er direkt zur Sache: „Sie haben mich betrogen.“

Ellison lächelte. Aber es war kein triumphierendes Lächeln, er verzog den Mund nur zu einem schmalen Strich. Zu allem Übel gab er sich auch noch herablassend. „Nächstes Mal, mein Junge, schauen Sie sich genauer an, was Sie unterschreiben.“

Rayhan wurde rot vor Wut. Er war zwar erst zwanzig, aber er musste sich sein Alter und seine Unerfahrenheit nicht vorwerfen lassen. „Was heißt nächstes Mal? Dieser wertlose Vertrag hat mich mein ganzes Vermögen gekostet.“

Ellison zuckte abwehrend mit den Schultern. „Sie haben eine gute Ranch gekauft mit einer wunderbaren Herde von Hereford-Rindern.“

„Kühe!“, fauchte Rayhan. „Kühe, nichts als Kühe. Aber das Öl in der Erde kann ich nicht fördern.“ Ohne die zu erwartenden Ölfunde war das Land nutzlos für ihn. So hatte er seiner Familie nichts vorzuweisen. Nichts, was seinen Vater, den König von Adnan, dazu hätte bewegen können, ihm den ersehnten Posten in seiner Regierung anzubieten. Als jüngerer Sohn hatte er zwar akzeptiert, niemals selbst Herrscher werden zu können, dennoch strebte er nach Macht, Verantwortung und Respekt, die ihm aufgrund seiner Geburt und Erziehung zustanden.

„Ich könnte Ihnen die Ölschürfrechte nicht verkaufen, selbst wenn ich es wollte. Sie gehören ihr.“ Der gerissene Fuchs Ellison zeigte in Richtung des gepflegten Rasens, wo ein schmutziges, zerzaust aussehendes Mädchen mit mehreren jungen Hunden wild herumtollte.

Dieser Irrwisch soll ein reicher Ölmagnat sein, fragte sich Rayhan. Es fiel ihm schwer, das zu glauben. „Die Ölrechte gehören also diesem Kind dort drüben?“

„Ja, meiner Tochter Camille. Aber wir nennen sie Cami“, erklärte Ellison mit stolzgeschwellter Brust. Er stieg die Stufen von der Veranda hinab, marschierte an Rayhan vorbei hinüber zu dem Mädchen, während er weitersprach.

„Dieses Land gehörte der Familie ihrer Mutter. Deswegen heißt die Ranch auch C-Bar-C, das erste C steht für die Crowells, das zweite für Camille. Meine Frau hat alles Cami vermacht. Ich manage natürlich alles für sie. Aufgrund des Testaments kann ich zwar Landanteile verkaufen, aber nicht die Ölrechte. Wenn sie erwachsen ist, gehören sie allein ihr.“

Rayhans Blick wanderte hinüber zu dem blonden Kind, das ihn aus großen blauen Augen anstarrte. Und er schwor sich, dass er es diesem alten Mann, der versucht hatte, ihn hereinzulegen, heimzahlen würde. Aus Mädchen wurden irgendwann junge Frauen, und mit denen konnte er sehr gut umgehen.

Eines Tages, so sagte er sich, würde ihm alles gehören. Dieses Mädchen und die Ölrechte.

1. KAPITEL

Zehn Jahre später

Cami Ellison stand vor dem Badezimmerspiegel und kämmte sich die Haare. Sie schaute grimmig ihr Spiegelbild an, als könne sie so den Pickel an ihrem Kinn zum Verschwinden bringen. „Ich bin beinahe zwanzig und habe noch immer die Haut einer Dreizehnjährigen“, schimpfte sie.

Sie ließ die Bürste mit einem lauten Krachen auf die rosafarbenen Fliesen fallen, verteilte Sonnenschutzcreme auf ihrem Gesicht und verbarg den Pickel mit einem Abdeckstift. Ungeduldig flocht sie sich das blonde Haar zu einem Zopf, der ihr bis über die Schulter reichte. Mit schnellen Schritten durchquerte sie ihr Schlafzimmer und öffnete den riesigen Wandschrank, um seinen Inhalt zu begutachten.

Eine merkwürdige Rastlosigkeit hatte Besitz von ihr ergriffen. Sie wollte, dass etwas geschah, das ihre Alltagsroutine durchbrach. Ihr verwitweter Vater hatte sie maßlos verwöhnt, das wusste sie sehr wohl, aber nach einem Jahr im College fühlte sich Cami auf der C-Bar-C-Ranch, wo ein Tag wie der andere war, wie eingesperrt.

Seit sie aus San Antonio mit neuem betriebswirtschaftlichen Wissen zurückgekehrt war, hatte sie sich jeden Tag mit der Führung der Ranch beschäftigt. Aber heute hatte sie das Gefühl, dem Ganzen für eine Weile entfliehen zu müssen.

Cami verspürte eine innere Anspannung. Vielleicht würde ihr ein Ausritt helfen, zu sich selbst zurückzufinden.

Sie zog einen Sport-BH an, ein pinkfarbenes T-Shirt darüber und Stretchjeans. Dann tat sie noch einen Ledergürtel um. Schnell schlüpfte sie in ihre bereits ziemlich ramponierten Cowboystiefel und nahm sich ihren alten Stetson vom Haken.

Obwohl Cami ihren Vater liebte und auch ihre langjährige Haushälterin Robbie schätzte, erschauerte sie allein bei dem Gedanken, mit beiden irgendwelche Höflichkeiten bei Kaffee und Toast austauschen zu müssen. Sie beschloss, das Frühstück einfach sausen zu lassen, und eilte aus dem Haus in Richtung der Ställe.

Am Eingang atmete sie einmal tief durch. Sie genoss den Blick durch den Stall. Das Sonnenlicht fiel durch die hohen Fenster, und der vertraute Geruch nach Pferden erinnerte sie an ihre Kindheit.

Sie lief die Boxen entlang, begrüßte ihre Freunde, bis sie zu ihrem Lieblingspferd Sugar kam. Sugar war eine Palomino-Stute, die Cami seit ihren Teenagertagen gehörte, als Funnyface, ihr Pony, allmählich zu klein für sie geworden war.

Cami öffnete die Boxentür, und Sugar machte sofort einen Schritt auf sie zu. Sie rieb die Nase an Camis Schulter und begrüßte ihre Reiterin mit einem lauten Schnauben, wie sie das immer tat, wenn Cami auf der C-Bar-C-Ranch war. Cami ergriff Sugars Zügel und führte das Pferd hinaus zum Aufzäumen.

Ein paar Minuten später galoppierte sie über die Weiden der C-Bar-C. In der Ferne sah sie die Büsche und Bäume entlang des gewundenen Flusses, der ihr Anwesen von der Double Eagle Ranch ihres Nachbarn Ray Malik trennte.

In Mc Mahon, dem nächstgelegenen Ort, erzählte man sich, dass Maliks Araberpferde eine Vielzahl von Preisen gewonnen hatten, einschließlich einer Olympiamedaille für Dressur. Obwohl sie seit gut zehn Jahren Nachbarn waren, kannte Cami ihren Nachbarn Ray Malik nicht persönlich. Ihr Vater, der eigentlich mit fast jedem in der Gegend befreundet war, wollte mit Malik nichts zu tun haben. Er hatte ihr nie einen Grund dafür genannt, und Cami hatte auch nie gefragt.

Cami und Sugar suchten den Schatten der Baumwollfelder, die am Flussufer begannen. Cami ließ die Zügel locker, sodass Sugar tun konnte, was sie wollte. Die Stute bahnte sich ihren Weg durchs Gebüsch zu einer Wasserstelle. Dort senkte sie den Kopf und konzentrierte sich voll auf das köstliche Nass.

Nachdem Cami vom Pferderücken hinabgeglitten war, dehnte und streckte sie sich. Obwohl sie eine erfahrene Reiterin war, war sie seit Monaten nicht mehr zu Pferd unterwegs gewesen. Nicht mehr seit ihrem letzten Besuch auf der Ranch. Sie war richtig verspannt.

Durch die Zweige hindurch entdeckte sie einen weißen Fleck, der sich bewegte. Cami reckte ihren Hals vor, um mehr sehen zu können, während sie abwesend Sugars Mähne streichelte.

Ein Reiter mit arabischer Kopftracht tauchte auf einem großen Grauschimmel am anderen Ufer des Flusses auf. Wer um alles in der Welt mochte wohl so eine merkwürdige Kopfbedeckung tragen, fragte Cami sich.

Der Reiter führte sein Pferd zwischen den Pappeln hindurch ans Wasser. Cami und ihre Stute konnte er dabei nicht sehen, weil sie durch die Büsche verdeckt wurden.

Der Mann stieg ab und entfernte die Kopfbedeckung. Er zog auch sein weißes Hemd aus. Sein Oberkörper wirkte in der goldenen Morgensonne fast bronzefarben.

Cami hielt den Atem an. Sie hatte zwar schon Männer mit nacktem Oberkörper gesehen, aber keiner ihrer Studienkollegen war so gut gebaut.

Der Mann musste Ray Malik sein, ihr geheimnisvoller Nachbar. Die Jahre harter Arbeit als Züchter von arabischen Vollblutpferden zeigten sich in seinen breiten Schultern und den muskulösen Oberarmen. Er kniete am Ufer nieder und spritzte sich Wasser auf das Gesicht und den Hals. Das rabenschwarze Haar trug er länger, als das normal war für Männer. Es glitzerte richtig im Sonnenlicht.

Wie würde es sich anfühlen, diesen Mann zu berühren, überlegte Cami. Wie mochte es sein, mit den Fingern über seine muskulöse Brust zu streichen?

Bei diesen Gedanken verkrampfte sich ihre Hand unwillkürlich in Sugars Mähne. Die Stute schnaubte laut, machte ein paar Schritte vorwärts und gab so den Blick auf Cami frei.

Ruckartig sprang der Mann auf. Er musterte sie von oben bis unten, dann lächelte er ihr freundlich zu und bedeutete ihr, doch den Fluss zu überqueren und zu ihm zu kommen.

Cami zögerte einen Moment. Sie erinnerte sich daran, dass ihr Vater nichts mit dem Besitzer des Gestüts zu tun haben wollte. Andererseits hatte er ihr auch nicht verboten, die Double Eagle Ranch zu betreten.

Sie war schon immer neugierig auf diesen Ray Malik gewesen. In all den Jahren als Teenager hatte sie ihn hin und wieder in Mc Mahon von weitem erblickt oder auf einem seiner tollen Araberpferde über seine Ranch reiten sehen. Und sie hatte diverse Gerüchte über ihn gehört.

Es waren Geschichten über ihn in Umlauf, dass er ein arabischer Prinz sei, der wegen seiner politischen Einstellung von seiner Familie getrennt in den USA lebte. Andere hielten ihn für einen früheren Spion, der sich in diesen verlassene Winkel von Texas zurückgezogen hatte. Man munkelte auch viel über seine Frauengeschichten, obwohl man noch keine seiner exotischen Freundinnen hier in Mc Mahon gesehen hatte.

Cami hatte sich gewünscht, dass endlich etwas passierte. Und ein altes Sprichwort kam ihr in den Sinn: „Sei vorsichtig mit deinen Wünschen … sie könnten in Erfüllung gehen.“

Cami schnappte sich Sugars Zügel und stieg wieder auf. Sie schnalzte leise mit der Zunge und lenkte ihre Stute zu einer engen Furt, um überzusetzen.

Sie spürte so etwas wie Verlegenheit, als sie auf diesen großen Fremden zuritt. Er hatte sie dabei ertappt, wie sie ihn heimlich beobachtet hatte. Zudem war er älter und strahlte Erfahrung und Sinnlichkeit aus. Dieser Mann war ein ganz anderes Kaliber als die Jungen, mit denen sie am College ausgegangen war.

Sie war ehrlich genug, sich selbst gegenüber zuzugeben, dass er sie faszinierte und dass sie wollte, dass er sie als Frau wahrnahm, auch wenn sie nicht wusste, wie sie das anstellen sollte. Mit banalen Fragen wie „Kommen Sie oft hierher?“ oder „Was ist Ihr Sternzeichen?“ würde sie sich nur lächerlich machen. Und die beliebte Eingangsfrage auf dem College, welche Fächer man belegt hatte, war hier auch nicht angebracht. Aber was dann?

Cami wandte ihre ganze Aufmerksamkeit Sugar zu, damit sie Ray nicht in die Augen sehen musste, und führte ihr Pferd durch den Fluss. Erst als sie fast vor ihrem Gastgeber stand, hob sie den Blick.

Sie räusperte sich. „Hi. Darf ich mich vorstellen? Ich bin Cami, und das ist Sugar“, platzte sie dann einfach heraus.

Er lächelte über das ganze Gesicht. Cami fand ihn einfach umwerfend. Seine Haut hatte die Farbe von wildem Honig. Er besaß volle weiche Lippen, seine Augen wurden umrahmt von dichten Wimpern. Ihr wurde heiß bei seinem Anblick.

„Ich weiß, wer Sie sind, Camille Crowell Ellison. Und ich habe auch schon von Sugar gehört. Sie ist eine wirklich schöne Stute. Sie hat einen sehr guten Stammbaum.“ Er streichelte den Hals des Pferdes, und Sugar reagierte mit einem freundlichen Schnauben.

Cami war erstaunt, dass er ihren vollen Namen kannte. Aber noch mehr war sie überrascht über das, was er über ihr Pferd sagte. „Woher wissen Sie das?“

„Ich weiß alles über Sie.“

Cami fiel fast aus dem Sattel. „Wie soll das gehen? Niemand kann alles über einen anderen Menschen wissen.“

„Ich habe Sie viele Jahre lang beobachtet.“

Das überraschte Cami völlig. War er so etwas wie ein Spanner, der Frauen auflauerte? Aber andererseits hatte auch sie ihn gerade an diesem Tag heimlich beobachtet. „Warum?“, erkundigte sie sich.

„Nun, Sie sind eine hübsche junge Frau. Und Sie reiten fast so gut wie ich selbst.“ Ray blinzelte ihr verschwörerisch zu.

Cami, die bereits viele Reitwettbewerbe gewonnen hatte, war nicht so einfach bereit, sich von diesem eingebildeten Kerl in die zweite Reihe stellen zu lassen. „Wenn Sie meinen“, erklärte sie hochmütig.

Er grinste sie vergnügt an. „Ich wollte Sie nicht beleidigen“, erklärte er. Dann trat er kurz zur Seite, um sein Hemd wieder überzuziehen.

„Was ist mit dem Kopfschmuck?“, fragte Cami.

„Ach, gelegentlich habe ich Heimweh, dann trage ich die traditionellen Gewänder meiner Heimat. Haben Sie einen solchen Kopfschmuck schon einmal getragen?“

„Nein.“

Er ergriff die Zügel seines Arabers und schwang sich elegant in den Sattel.

Cami musste zugeben, dass ihr das so noch nie gelungen war. „Ein schönes Pferd. Aus Ihrer eigenen Zucht?“

„Ich habe Ihnen nicht verraten, wer ich bin.“ Er lächelte sie amüsiert an.

„Sie sind Ray Malik und züchten Araberpferde auf Double Eagle. Zumindest erzählt man sich das.“

„Ah, Sie wissen also auch alles über mich.“ Rayhan hoffte allerdings, dass das nicht stimmte. Wenn ihr Vater ihr von Rayhans Ärger über den missglückten Ölvertrag erzählt hätte, würden sich seine Rachepläne nicht so leicht umsetzen lassen.

In den vergangenen Jahren war Rayhan Charles Ellison gezielt aus dem Weg gegangen. Seit dem katastrophalen Landgeschäft hatte er sich auf die Pferdezucht konzentriert und war viel gereist. Und jetzt wollte er unbedingt die Unterhaltung in eine andere Richtung lenken. Rayhan griff dafür in seine Trickkiste der Schmeicheleien, die bei Frauen immer gut funktioniert hatten.

„Sie sitzen sehr elegant im Sattel. Bestreiten Sie auch Rennen?“

Cami errötete verlegen bei seinen Worten und senkte den Blick. Ich verhalte mich ja geradewegs so, als habe mir noch kein Mann ein Kompliment gemacht, schimpfte sie mit sich. Aber dieser Mann verunsicherte sie.

Ihr T-Shirt und die eng anliegende Jeans ließen ihre weiblichen Rundungen erahnen. Sie hat noch immer so hellblondes Haar wie früher, stellte Rayhan fest und lächelte. Doch jetzt war es zu einem ordentlichen Zopf geflochten. Das hässliche Entlein hatte sich in einen wunderschönen Schwan verwandelt. Die Rache würde süß sein.

„Ja“, antwortete sie. „Ich habe mit Sugar sogar einige Preise gewonnen. Aber ich bin jetzt auf dem College in San Antonio und habe leider nicht mehr genügend Zeit.“

„San Antonio ist eine sehr hübsche Stadt. Welche Fächer haben Sie denn belegt?“

Cami schaute ihn aus großen Augen an. Unwillkürlich zog sie die Zügel fester an. Aus irgendeinem Grund, den er nicht ganz verstand, schien seine Frage sie zu erstaunen.

„Seien Sie vorsichtig“, riet er ihr. „Sie sitzen zwar sehr elegant auf Ihrem Pferd, aber es mag so hektische Bewegungen nicht.“

„Ich weiß. Sie haben mich nur überrascht.“

„Es ist doch nicht ungewöhnlich für einen Mann, dass er sich für eine hübsche Frau interessiert, oder?“

„Sie haben bislang nicht das geringste Interesse an mir gezeigt.“

„Sie waren ja auch etwas zu jung. Es schickt sich nicht für einen erwachsenen Mann, mit einem kleinen Mädchen zu eng befreundet zu sein.“

Sie lachte laut auf. „Ich vermute, Sie haben recht. Aber um Ihre Frage zu beantworten, ich studiere Betriebswirtschaft.“

„So, so. Und wissen Sie schon, was Sie mit diesem Wissen anfangen wollen?“

„Ich möchte hier auf der Ranch bleiben“, erklärte Cami selbstbewusst. „Die C-Bar-C ist mein Zuhause. Ich werde irgendwann das Ölgeschäft der Familie übernehmen. Ich helfe meinem Vater schon seit Jahren bei der Buchhaltung.“

„Und was ist, wenn Sie irgendwann einmal heiraten?“ Er versuchte, möglichst unbeteiligt zu klingen.

„Was soll dann sein? Mein Mann sollte besser Texas so lieben wie ich, das ist alles, was ich dazu sagen kann.“

Rayhan beschloss, dass er Texas lange genug mochte, um endlich das zu bekommen, was er begehrte und ihm eigentlich zustand. Er verzog den Mund zu einem breiten Lächeln. „Dann ist es ja gut, dass ich Texas liebe.“

Ein Gefühl der Verwirrung überfiel Cami, doch sie zwang sich zu einem nervösen Lächeln. Rayhan erkannte, dass er zu schnell vorging.

„Wie schaffen Sie es, einfach so auf Ihr Pferd aufzusteigen? Sugar würde das nicht zulassen“, lenkte Cami vom Thema ab.

„Wie wäre es wenn, wenn wir auf das lästige Sie verzichten würden? Schließlich sind wir Nachbarn.“ Er lächelte sie aufmunternd an.

Cami war nur einen Moment lang verlegen. Dann lächelte auch sie und nickte ihm zu. „Okay!“

„Gut. Dann pass auf. Es ist ganz einfach, aber dein Pferd muss auf das plötzliche Gewicht vorbereitet sein. Versuch doch einmal, auf Kalil aufzusitzen“, befahl er und glitt aus dem Sattel.

Auch Cami stieg ab und näherte sich dem Araberpferd, streichelte ihm über die Nüstern. „Er ist ein Gedicht. Stammt er aus deiner Zucht?“ Auch sie war kurzerhand zum Du übergewechselt.

Sie stand ganz dicht vor Rayhan. Er nahm ihren Duft wahr. Sie benutzte kein schweres Parfüm, sondern nur ein leichtes Eau de Toilette, das Assoziationen an Wind und Himmel in ihm weckte. Ihre Augen waren tiefblau.

Es wird keine unangenehme Pflicht sein, mit ihr ins Bett zu gehen, um meine Rache zu stillen, sagte sich Rayhan.

Schnell wandte er seine Aufmerksamkeit wieder ihrem Gespräch zu. Worüber hatten sie gesprochen? Ah ja, über Kalil. „Ja, ich habe ihn selbst großgezogen. Aber ich habe schon früh gemerkt, dass er sich nicht für die Zucht eignet, daher habe ich ihn kastrieren lassen. Eigentlich ist er mein Lieblingsreitpferd.“

„Armer Kalil.“

Er lachte. „Hengste sind schlechte Reitpferde. Sie sind zu wild und ruhelos. Es würde dir bestimmt keinen Spaß machen, Karim, meinen Zuchthengst, zu reiten. Er würde dich binnen Sekunden abwerfen.“

„Karim und Kalil. Was bedeuten diese Namen?“

„Karim bedeutet ‚der Edle‘ und Kalil ‚der beste Freund‘.“

„Das sind wunderschöne Namen.“ Cami war ganz verzückt. Ray Malik war noch viel aufregender, als sie vermutet hatte. Er war gut aussehend, ausgesprochen nett und hatte ihr geradeheraus erklärt, dass er an ihr interessiert war. Er spielte keine Spielchen. Cami gefiel das.

„Jetzt versuch noch mal aufzusitzen. Der Trick besteht darin, gute Oberschenkelarbeit zu leisten.“

Cami sah zu Kalil hinüber. Sie glaubte Ray durchaus, dass der Wallach gute Manieren hatte, aber er war mindestens einen Meter siebzig hoch. Obwohl sie nicht klein war, würde sie dennoch nicht so elegant wie Ryan aufsteigen können. Und jetzt, da ihr Wüstenprinz Interesse an ihr gezeigt hatte, wollte sie sich nicht blamieren, indem sie ungraziös am Boden landete. „Vielleicht ein anderes Mal“, winkte sie ab.

„Bist du etwa ein Angsthäschen?“

Cami kicherte. Diese Verniedlichung aus Rays Mund klang irgendwie lustig. „Bin ich nicht!“, widersprach sie.

„Oh doch!“ Er lehnte sich gegen Kalil und sah sie aus halb geschlossenen Augen an.

Aus Schlafzimmeraugen. Anders konnte man seinen Blick nicht bezeichnen. „Das ist … lächerlich“, widersprach sie.

„Du nimmst die Herausforderung nicht an.“

Das regte Cami zu Widerspruch an. „Dass ich nicht lache. Ich kann alles, was du kannst, und sogar noch besser.“

„Gut, aber vielleicht sollten wir etwas weniger Anstrengendes ausprobieren, das aber aufregender ist.“

Er stand dicht vor ihr, sodass sie ihn fast hätte berühren können. Sein Hemd trug er offen, es ließ den Blick auf seinen muskulösen Oberkörper frei.

Autor

Sue Swift
Die Autorin Sue Swift studierte zunächst Schauspiel und Kunst. Doch als sie einen Masterkurs für kreatives Schreiben bei Professor Bud Gardner belegte, entdeckte sie ihre wahre Bestimmung. Seit ihrem ersten Roman in 1996 vergeht kein Jahr, in dem sie keinen Roman veröffentlicht. Ihre Romane erhalten regelmäßig exzellente Kritiken von Publishers...
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