Julia Ärzte zum Verlieben Band 163

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NUR EINE NACHT MIT DR. KNIGHT? von LUCY RYDER
Nach ihrer geplatzten Verlobung flüchtet Samantha sich in die Hotelbar und findet Trost bei einem attraktiven Gast. Im Rausch der Gefühle lässt sie sich zu einer hemmungslosen Liebesnacht verführen. Zu spät erkennt sie schockiert, wer Dr. Adam Knight ist: ihr neuer Boss!

RETTUNGSEINSATZ FÜR DIE LIEBE von EMILY FORBES
Ryder ist zurück am Bondi Beach! Der sexy Rettungsschwimmer war die erste und einzige Liebe von Sanitäterin Poppy – bis er wegging und ihr das Herz brach. Als sie ihn jetzt erstmals nach Jahren trifft, fühlt sie sich gegen jede Vernunft sofort wieder zu ihm hingezogen …

DU BIST SO UNWIDERSTEHLICH! von TINA BECKETT
Egal, wie attraktiv ihr neuer Kollege Dr. Ellis Rohal ist, Lyric hat nach einer frustrierenden Beziehung keine Lust auf Männer. Sie kümmert sich bloß noch um ihren Klinikjob und ihre Nichte! Wenn es in Ellis‘ Nähe nur nicht so unwiderstehlich erregend prickeln würde …


  • Erscheinungstag 08.04.2022
  • Bandnummer 163
  • ISBN / Artikelnummer 9783751511544
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Lucy Ryder, Emily Forbes, Tina Beckett

JULIA PRÄSENTIERT ÄRZTE ZUM VERLIEBEN BAND 163

LUCY RYDER

Nur eine Nacht mit Dr. Knight?

Dr. Adam Knight kann die geheimnisvolle, sexy Fremde nicht vergessen, mit der er einen heißen One-Night-Stand hatte. Unverhofft sieht er sie wieder: Sie heißt Samantha und ist die neue Geschäftsführerin seiner Stiftung! Aber warum zeigt sie ihm plötzlich die kalte Schulter? Ist er etwa nicht gut genug für die High-Society-Lady?

EMILY FORBES

Rettungseinsatz für die Liebe

Als Ryder nach zwölf Jahren in seine Heimat zurückkehrt, trifft er dort auf seine Jugendliebe Poppy. Beim Anblick der attraktiven Rettungssanitäterin stockt ihm der Atem. Am liebsten würde er sie sofort wieder zu einem leidenschaftlichen Kuss in die Arme ziehen. Doch was empfindet Poppy? Offenbar gibt es längst einen anderen Mann in ihrem Leben …

TINA BECKETT

Du bist so unwiderstehlich!

Liebe, Familie? Das war noch nie etwas für Einzelgänger Dr. Ellis Rohal! Doch seit er der schönen Ärztin Lyric Westphal begegnet ist, erfüllt ihn eine gefährliche Unruhe, und er muss ständig an sie denken. Besser, er hält sich von ihr fern! Nur wie soll er das anstellen, wenn er in der Klinik künftig mit ihr zusammenarbeiten muss?

1. KAPITEL

Samantha Jefferies sah sich nervös um, bevor sie in die Hotelbar schlüpfte. Zu ihrer Erleichterung war es hier ziemlich voll und dunkel, sodass der aufdringliche Trauzeuge sie vielleicht nicht finden würde. Sie brauchte eine kurze Verschnaufpause von dieser Hochzeit des Grauens, bei der sie eine von elf Brautjungfern war. Wenn sie noch mehr Gekreische und gerührte Tränenausbrüche ertragen musste, würde sie womöglich anfangen zu schreien und nie mehr aufhören.

Elf! Wer zum Teufel brauchte elf Brautjungfern?

Andererseits hatte ihre Cousine Stacey ihr Leben wenigstens im Griff, während Sams gerade richtig den Bach runterging. Warum nicht ein wenig Pause von ihrem verkorksten Dasein machen? Ein paar Stunden lang so tun, als wäre sie jemand anders. Als hätte sie nichts gesehen und als wäre ihre eigene Hochzeit deshalb nicht geplatzt. Oder würde zumindest platzen, sobald Sam ihrer Großmutter davon erzählte.

Bei der Vorstellung verzog sie das Gesicht. Das würde nicht lustig werden. Endlich war Lilian Gilford mal einverstanden mit einem von Sams Männern, und dann das. Sie würde bestimmt ausflippen.

Als Sam sich so weit wie möglich von der Tür entfernt an den Tresen setzte, musste sie wieder daran denken, wie sie vor zwei Tagen das große und sehr geschmackvoll eingerichtete Büro ihres Verlobten betreten und ihn in flagranti mit seinem Assistenten erwischt hatte. Seinem Assistenten wohlgemerkt!

Und als wäre das nicht schon schlimm genug, war sie heute auch noch gezwungen, ein schulterfreies erdbeerrosa Kleid zu tragen – jawohl, erdbeerrosa! Das hautenge Mieder zeigte mehr von ihren Kurven, als ihr lieb war, und erregte viel zu viel männliche Aufmerksamkeit. Außerdem zeigte der weite Tüllrock so viel Bein, dass sie aussah wie ein aus dem Zoo von San Diego ausgebrochener Flamingo.

Dabei war Samantha Jefferies die Enkeltochter von Lilian Gilford, Geschäftsführerin von Gilford Pharmaceuticals und Rangälteste der High Society von Boston. Und normalerweise würde sie niemals etwas tragen, in dem sie aussah wie der Revue eines Varietétheaters entsprungen.

Doch dank jahrelanger Konditionierung gelang es ihr, das Feixen und die abschätzigen Blicke der männlichen Gäste zu ignorieren, als sie sich mit ihren hochhackigen Sandalen in der Hand auf einen Hocker setzte und ihren Rock zurechtzupfte. Als nicht mehr ganz junger frischgebackener Single konnte etwas männliche Aufmerksamkeit zwar nicht schaden, aber die sollte sie vielleicht nicht gerade mit ihrem sehr neuen, sehr skandalösen rosa Tanga-Slip erregen.

Obwohl sie sich beim Kauf eigentlich fest vorgenommen hatte, von jetzt an alles auszuprobieren, was das Leben zu bieten hatte, bevor sie gezwungen wurde, ihre Pumps gegen bequeme Gesundheitslatschen einzutauschen.

Der Barkeeper tauchte vor ihr auf und musterte sie belustigt. Würde er nicht aussehen wie ungefähr zwölf, würde sie vielleicht mit ihm flirten, um ihre neu gewonnene Freiheit auszutesten. „Haben Sie sich etwa auf dem Weg zum Abschlussball verlaufen, Prinzessin?“

„Sind Sie etwa schon alt genug, um Alkohol auszuschenken?“, konterte sie süß lächelnd, obwohl sie ihn am liebsten angeschnauzt hätte. Noch eine Bemerkung zu ihrem Outfit, und sie würde ausrasten.

Er seufzte resigniert. Anscheinend war es nicht das erste Mal, dass jemand sein jugendliches Aussehen kommentierte. „Was darf’s sein?“

„Geben Sie mir die Karte mit den Shooters.“ Was soll’s, wenn sie schon ein neues Leben als Single anfangen musste, konnte sie es wenigstens richtig krachen lassen. Bisher hatte sie nie auch nur einen Fuß in eine Bar gesetzt, geschweige denn einen Shooter getrunken. Als Enkeltochter von Lilian Gilford und Verlobte von Lawrence Winthrop dem Dritten nahm sie nichts zu sich, das stärker war als ein Sherry. Das schickte sich nämlich nicht für eine Dame.

Tja, das würde sich von jetzt an ändern!

„Weiß Ihre Mutter, dass Sie gerade Alkohol bestellen?“, frotzelte der Barkeeper.

„Her mit der Karte, Schätzchen“, sagte sie gedehnt. „Und zwar pronto. Du setzt nämlich gerade dein Trinkgeld aufs Spiel.“

Lachend schob er ihr die Getränkekarte hin. „Gern, Prinzessin. Was soll es denn sein?“

„Ich fange einfach oben an und probiere mich nach unten durch.“ Wenn schon, denn schon!

Dr. Adam Knight fiel die Frau, die die Bar des Nobelhotels in San Francisco betrat, sofort auf – vermutlich, weil sie in dieser Bar voller Hockeyspieler und lärmender Samstagnachtschwärmer so fehl am Platz war wie eine Pfingstrose in der Wüste.

Aber wahrscheinlich wäre sie ihm auch so aufgefallen. Sie war nämlich überaus weiblich – von ihrem kastanienbraunen Haar, das sie hochgesteckt und mit Blumen geschmückt trug, über ihre nackten Schultern, den schlanken kerzengeraden Rücken und die endlos langen Beine bis hin zu ihren nackten Füßen. Ein Paar hochhackiger rosa Sandalen baumelte von einem Finger.

Adams Freund und Kollege Wes Kirkland zeigte grinsend auf die Vision in Pink. „Ich wette zehn Dollar, dass sie aus der Mansion kommt.“

Ihre Kollegin Janice riss sich von ihrem Handy los. „Mansion?“, fragte sie verwirrt. „Wovon redet ihr überhaupt?“ Sie machte schmale Augen, als ihr Blick auf das Objekt des Interesses fiel. „Ach, ihr meint die Playboy-Mansion! Ihr Männer denkt immer nur an das eine. Wenn ihr mich fragt, kommt sie direkt von einer Faschingsparty.“

Wes lachte. „Und als was hat sie sich verkleidet? Als Flamingo?“

Adam beobachtete, wie die Unbekannte ein paar Worte mit dem Barkeeper wechselte. Kurz darauf hatte sie eine Reihe kleiner Gläser vor sich stehen. Aus der Entfernung konnte er die Drinks zwar nicht identifizieren, aber nach dem zweiten Glas legte die Fremde die Vegas-Showgirl-Beine auf einen freien Hocker, und nach dem dritten war sie von Hockeyspielern umringt, die auch alle Shots bestellten und mittranken.

Er sah die Pfingstrose lachend den Kopf schütteln und sich am Tresen festhalten, um nicht vom Hocker zu kippen, als einer der Typen ihr einen Arm um die Taille schlang, um sie runterzuziehen. Ein weiterer Mann mischte sich ein, und für einen Moment sah es so aus, als würde es zu einer Prügelei kommen.

Sie sagte etwas, das die beiden Männer zu beruhigen schien, bevor sie ihnen die kräftigen Arme tätschelte und vom Hocker glitt, um sich zu ein paar Frauen auf die Tanzfläche zu gesellen. Der erste Kerl folgte ihr, um sie zurückzuholen, doch sie entzog sich ihm lachend und versuchte, sich zwischen den Tänzerinnen zu verstecken.

Daraus wird nichts, dachte Adam lächelnd. Nicht in dem pinken Kleid.

„Ich wette, ich würde sie sofort dazu kriegen, mit mir zu tanzen“, verkündete Wes. „Ich brauche nur zu sagen, dass ich Arzt bin. Darauf stehen die Mädels.“

Janice schnaubte verächtlich. „Ich glaube, sie stehen eher auf Hockeyspieler.“ Sie zeigte auf ein paar Frauen, die sich um die Männer am Tresen scharten.

Dem verbalen Schlagabtausch seiner Kollegen nur mit einem Ohr folgend beobachtete Adam, wie der große Hockeyspieler der schönen Unbekannten auf die Tanzfläche folgte und ihr einen Arm um die Taille schlang. Sie schüttelte den Kopf, als er etwas zu ihr sagte, und verdrehte gutmütig die Augen, als er anfing, sie über die Tanzfläche zu schieben wie eine Eishockeyscheibe durch eine Reihe von Verteidigern. Er schien sein imaginäres Ziel zu erreichen, denn plötzlich drehte er sie um sich selbst und warf sie dramatisch über einen Arm wie der männliche Frauenheld in einem Filmklassiker.

Tief und kehlig lachend versuchte sie, sein Gesicht von ihrem Dekolleté wegzuschieben. Als sie dabei Adams Blick begegnete, durchzuckte es ihn so heiß, dass für einen Moment die Welt stillzustehen schien. Doch schon riss der Typ sie wieder hoch und begann, sie zu betatschen.

Bevor Adam protestieren oder sich von dem seltsam intensiven Blickkontakt erholen konnte, schubste sie den Hockeyspieler weg und stolperte zurück, wobei sie das Gleichgewicht verlor und … direkt auf Adams Schoß landete.

Instinktiv schlang er die Arme um sie. „Hab dich“, murmelte er.

Kaum hatte Sam sich gegen den grobmotorischen Hockeyspieler zur Wehr gesetzt, landete sie auch schon auf einem sitzenden Gast. Ihr stockte der Atem, als sie einen muskulösen Arm um ihre Taille spürte und an eine noch muskulösere, herrlich warme Brust gezogen wurde. Für einen flüchtigen Moment genoss sie das Gefühl, bevor sie sich wieder aufrichtete und dabei mit dem Ellenbogen gegen ihn stieß. Der Typ unter ihr atmete scharf ein.

Sie erschrak so heftig, dass sie ganz vergaß, sich zu entschuldigen. Oh Gott, wie schlimm würde dieser Abend denn noch werden? Erst der aufdringliche Trauzeuge, dann der nicht minder nervige Hockeyspieler, und jetzt das hier!

Als der Mann, auf dessen Schoß sie saß, die durchtrainierten Schenkel unter ihr bewegte, wurde sie so scharf, dass es sie schockierte. Dabei hatte sie den Mann noch nicht mal gesehen!

Vorsichtig drehte sie sich zu ihm um und sah sich Auge in Auge mit dem Mann, dessen Blick sie gerade auf der Tanzfläche aufgefangen hatte. Himmel, aus der Nähe sah er sogar noch besser aus als aus der Entfernung! Er hatte eine hohe Stirn, scharfe Wangenknochen, ein markantes Kinn und kupfergoldene Haut. Sein Gesicht strahlte eine edle Kraft aus, und seine ganze Erscheinung ließ auf eine Abstammung von amerikanischen Ureinwohnern schließen.

Wie hypnotisiert senkte sie den Blick zu seinen belustigt zuckenden Lippen, die nur wenige Zentimeter von ihren entfernt waren. Wahrscheinlich amüsierte es ihn, dass ihm eine Frau in Pink spontan einen ungeschickten Lapdance bot.

„’tschuldigung“, murmelte sie atemlos. Da es ihr nicht gelang, den Blick von seinen Lippen loszureißen, konnte sie nur hoffen, dass er ihren Zustand auf den Schreck schob. Aber die Wahrheit war, dass ihre Hormone in einem Raum voller Testosteron nur auf ihn ansprangen.

Ihr Blick blieb an seinem vollen Haar hängen, das ihm fast bis zu den Schultern reichte. Um die Hände nicht durch die tiefschwarze Pracht gleiten zu lassen, umklammerte sie seine harten Schultern, was auch nicht zu verachten war. Mmm, dachte sie. Breit und fest und …

Sein Lächeln vertiefte sich, als könnte er ihre Gedanken lesen. Weiße Zähne blitzten im Halbdunkel auf. „Nichts passiert“, sagte er mit einer tiefen, männlichen Stimme, die ihr einen lustvollen Schauer über den Rücken jagte. Als er eine große, warme Hand auf ihre Hüfte legte, machte ihr Herz einen Satz, und ihre Knie wurden so weich, dass sie froh war zu sitzen.

Oh Mann, er war mit Abstand der schärfste Typ, dem sie je begegnet war! Er strahlte so viel Sexappeal aus, dass sie in seiner Gegenwart den Mund nicht aufkriegen würde, wenn sie nicht gerade angenehm beschwipst wäre. Inzwischen war sie fast froh über ihr kleines Missgeschick. Wenn sie schon Single war, konnte sie sich keine bessere Gelegenheit vorstellen als die hier, um ihre nicht vorhandenen Flirtkünste zu testen.

Fasziniert betrachtete sie sein markantes Kinn, seine gerade Nase und seine Augen, deren Farbe sie an den Lieblingswhisky ihres Großvaters erinnerte. Und deren Ausdruck ihr genauso rasch zu Kopf stieg wie der Alkohol. „S…sorry“, murmelte sie, als sie sich in den Tiefen seiner braunen Augen verlor. „Ich …“

„Hey!“, riss eine männliche Stimme sie aus ihrer Trance. „Lass gefälligst die Pfoten von meiner Freundin!“

Die Stimme gehörte zu dem Hockeyspieler, der versuchte, sie an einer Schulter von dem Fremden wegzuzerren. Sam schüttelte die Hand ab und schlang die Arme um den Hals des scharfen Typen. „Retten Sie mich“, flüsterte sie an seinen Lippen, bevor sie etwas tat, das sie noch nie getan hatte: Sie vergrub die Finger in dem vollen Haar des Fremden und küsste ihn.

So etwas hätte sie ohne die zwei – oder drei? – Shooters und die zwei Gläser Sekt niemals getan. Und ohne die achtundvierzig Stunden alte Erkenntnis, warum ihr gut aussehender Verlobter darauf bestanden hatte, mit dem Sex bis zur Hochzeitsnacht zu warten. Dabei hatte er durchaus Interesse an Sex – nur nicht mit ihr. Stattdessen unterhielt er eine Affäre mit seinem Assistenten Ronnie.

Hätte sie die beiden Männer nicht auf Lawrence’ Schreibtisch erwischt, würde sie jetzt wahrscheinlich nicht auf dem Schoß eines heißen Fremden sitzen. Aber schließlich war sie wieder Single. Und hatte sie sich nicht fest vorgenommen, das Leben bei den Hörnern zu packen, anstatt sich gehorsam nach den Vorstellungen ihrer Großmutter zu richten?

Dieser Vorsatz war so befreiend, dass ihr fast schwindlig wurde. Außerdem würde sie schon morgen wieder nach Boston zurückfliegen und niemanden hier je wiedersehen.

Doch als sie dem Fremden in die whiskyfarbenen Augen sah, erwachte etwas in ihr zu neuem Leben – etwas, von dem sie geglaubt hatte, es sei längst abgestorben. Für einen seltsamen Moment hatte sie das Gefühl, ihn zu kennen, und ihr Herzschlag beschleunigte sich in einer Mischung aus Euphorie und Verlangen, die so furchterregend wie aufregend war.

Als der Mann die Hände hob, befürchtete Sam schon, er würde sie wegschieben. Doch er ließ nur eine Hand zu ihrem Hinterkopf und die andere zu ihrer Hüfte gleiten und zog Sam noch enger an sich, um ihren Kuss zu erwidern. Als er mit ihrer Zunge zu spielen begann, hatte sie das Gefühl, den Verstand zu verlieren, denn plötzlich kam es ihr so vor, als gehöre sie zu ihm.

Es ist nur der Kuss, sagte sie sich benommen. Ein toller Kuss zwar, aber die Vorstellung, zu einem Mann zu gehören, dem sie gerade erst begegnet war, war absurd. Liebe auf den ersten Blick – so etwas gab es nicht.

Nur wie durch einen Nebel hörte sie ihn den Hockeyspieler wegschicken, so trunken war sie von seiner Körperwärme, seinen Lippen und seiner Zunge. So etwas hatte sie bisher nur in ihren Träumen erlebt. Es war, als würde sie nach fast achtundzwanzig Jahren in eisigem Ödland plötzlich das Feuer entdecken. Endlich wusste sie, wovon alle immer sprachen.

Seine Lippen waren weicher als gedacht. Wärmer. Ein glückliches Seufzen entschlüpfte ihr, als er mit seinem Zungenspiel eine Reaktionskette in ihr auslöste, die sie dazu brachte, sich sinnlich auf ihm zu winden und sich noch enger an ihn zu pressen. Er schmeckte einfach herrlich – nach etwas Dunklem, Köstlichem, einzigartig Männlichem.

Nach ihm.

Sein Kuss war so erregend, dass er sie förmlich in Flammen versetzte. Die Hitze seiner muskulösen Schenkel drang durch das schreckliche rosa Kleid und ließ ihre Sinne verrücktspielen. Noch nicht mal in ihren kühnsten Fantasien war sie so geküsst worden – so als wolle er sie gleich hier vor all diesen Fremden verführen.

Und das würde ihr noch nicht mal etwas ausmachen.

Bei dieser Erkenntnis hob sie erschrocken den Kopf. „Ich … äh … tut mir l…leid …“, stammelte sie. Wie zum Teufel kam sie nur dazu, einen Mann zu küssen, dem sie erst vor ein paar Minuten begegnet war? Und das auch noch in aller Öffentlichkeit?

Er erwiderte ihren Blick unter halb geschlossenen Lidern. „Mir nicht.“

Beim Klang seiner tiefen, heiseren Stimme erschauerte sie wieder lustvoll und spürte, wie sich die Hitze von ihrem Unterleib bis in ihr Gesicht ausbreitete.

Als sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm, sah sie zu ihrer Bestürzung Jared, den aufdringlichen Trauzeugen, auf sich zusteuern. Verdammt, war ja klar, dass er sie ausgerechnet jetzt aus der Anonymität reißen musste! Dabei fing sie gerade erst an, Spaß zu haben.

„Amanda!“, sagte er vorwurfsvoll. „Was machst du hier? Ich habe überall nach dir gesucht!“

Sie war drauf und dran, ihn zum hundertsten Mal darauf hinzuweisen, dass sie Samantha hieß und nicht Amanda. Doch ihr Verlangen, ihm den selbstgefälligen Ausdruck vom Gesicht zu fegen, war stärker. Sie hatte nämlich keine Lust, sich einschränken und maßregeln zu lassen.

Sie wollte sich kopfüber ins Leben stürzen, anstatt sich immer zurückzuhalten. Das kultivierte Image ablegen, das man ihr von klein auf aufgepfropft hatte, und sich wie eine normale Frau benehmen. Eine Frau mit Bedürfnissen und Emotionen – Lichtjahre entfernt von der kühlen, beherrschten und eleganten Erscheinung, auf die ihre Großmutter solchen Wert legte.

Oh ja, dachte sie, während sie sich verführerisch auf dem Schoß des Mannes rekelte und prompt wieder eine Hitzewallung in ihr aufstieg. Zum Teufel mit elegantem und beherrschtem Benehmen. Das hatte sie ein für alle Mal abgelegt, als sie in Boston ihrem Verlobten und seinem Gespielen den Rücken zugekehrt hatte.

Jared ignorierend griff sie nach dem attraktiven, markanten Kinn des scharfen Fremden, sah ihm lächelnd in die Augen und küsste ihn weiter. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, als er ihren Kuss mit schmeichelhaftem Enthusiasmus erwiderte und dabei die Hände über ihren Rücken gleiten ließ.

Nur widerstrebend löste sie die Lippen von seinen, um ein letztes Mal sein Gesicht zu betrachten und sich den Anblick seiner vor Erregung verschleierten Augen einzuprägen. Er gab ihr das Gefühl, eine heißblütige Frau zu sein, die ein überaus attraktiver Mann begehren könnte. Eine Frau, die die Chancen nutzte, die das Leben ihr bot.

„Die Pflicht ruft“, murmelte sie und ließ voller Bedauern einen Finger über seine Unterlippe gleiten, bevor sie mit zittrigen Beinen aufstand. Vor ihren Augen verschwamm alles.

Okay, keine weiteren Shooters mehr.

Und keine betörenden Küsse von Fremden. Aber verdammt, sie wollte mehr davon!

„Bist du sicher, dass du nicht noch bleiben willst?“, fragte der Fremde und brachte sie damit in Versuchung. In große Versuchung sogar.

„Amanda!“, sagte Jared streng – mit genau jenem Tonfall, den ihre Großmutter immer dann anschlug, wenn Sam wieder nicht dem hohen Standard der Gilfords entsprach. Kein Wunder, er war genau der Typ Mann, auf den die alte Schreckschraube stand: Er stammte aus einer guten Familie mit einem beeindruckenden Stammbaum, hatte Geld wie Heu … und war todlangweilig.

Bedauernd schüttelte sie den Kopf. „Ich … kann nicht.“

Er erwiderte ihren Blick sehr lange. „Schade“, murmelte er schließlich und drückte ihr zum Abschied warm und tröstlich eine Hand.

2. KAPITEL

Mit gezückter Zimmerkarte ging Adam zu den Fahrstühlen am Ende der Lobby. Nachdem die Pfingstrose – Amanda, wie der steife Typ sie genannt hatte – gegangen war, war der Abend für ihn im Grunde gelaufen gewesen.

Vielleicht wäre es übertrieben zu behaupten, dass er ihr Verschwinden als schmerzhaften Verlust empfunden hatte, aber sein Zustand kam dem schon ziemlich nahe. Es fühlte sich an, als sei ihm etwas sehr Bedeutsames entgangen.

Seine Großmutter hätte das, was sich vorhin in der Bar abgespielt hatte, vermutlich als das Erkennen zweier Seelen bezeichnet, aber das war ihm zu kitschig. Wahrscheinlich waren einfach seine Hormone nach langem Winterschlaf erwacht und hatten irgendeinen archaischen Besitzanspruch auf die Frau in dem pinken Kleid angemeldet. Aber er wurde allmählich zu alt für One-Night-Stands.

Als er bei den Fahrstühlen ankam, schob er eine Hand zwischen zwei gerade zugleitende Türen, um sie zu öffnen. Als er viel rosa Tüll und erschrocken aufgerissene blaue Augen sah, erstarb seine Entschuldigung auf seinen Lippen. Er ließ den Blick von Amandas zerzaustem kastanienbraunem Haar zu ihren schmalen Füßen gleiten, die nicht mehr nackt waren. Die rosa hochhackigen Sandalen, die sie vorhin in der Hand gehabt hatte, ließen ihre Beine noch länger erscheinen. Ihm fiel auf, dass sie sogar im grellen Fahrstuhllicht gut aussah. Vor allem, wenn sie errötete – so wie jetzt.

Ihre Verlegenheit stand in krassem Gegensatz zu ihrem verführerischen Verhalten vor zwei Stunden. Er fand das noch faszinierender als ihr rosa Pfingstrosenkleid und ihre langen Beine.

Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er immer noch die Fahrstuhltür aufhielt und ihn Amandas sehr schwangere Begleiterin sehr interessiert musterte.

„Guten Abend“, murmelte er, betrat den Fahrstuhl und drückte auf die Nummer seines Stockwerks. Als sich die Tür schloss, lehnte er sich gegen eine Wand und betrachtete wieder die Frau, die ihn ansah, als hätte sie ihn nicht vor zwei Stunden wild und leidenschaftlich geküsst.

„Äh … hi“, sagte sie, wobei sie noch heftiger errötete. Ihre Stimme klang genauso tief und heiser wie in seiner Erinnerung, was ihn total antörnte. Bis ihm einfiel, was sie an seinen Lippen gemurmelt hatte, bevor sie ihn halb besinnungslos geküsst hatte.

„Wie ich sehe, sind Sie Ihrem Gefängniswärter entkommen?“

Für einen Moment wirkte sie etwas verwirrt. „Meinem Gefängnis...? Ach, Sie meinen Jared?“ Sie verzog gequält das Gesicht. „Wir sind kein Paar, falls Sie das denken“, fügte sie hinzu, als die hochschwangere junge Frau, ebenfalls ganz in knallrosa Tüll und Organza, verächtlich aufschnaubte.

„Nein, keine Frau, die bei klarem Verstand ist, würde mit Jared zusammen sein“, sagte die künftige Mutter und rieb sich den riesigen Bauch. „Jeder weiß doch, was für Langweiler Buchhalter sind.“

„Daphne“, zischte Amanda und verzog verlegen das Gesicht.

Adams Lächeln vertiefte sich.

„Was ist?“, fragte die andere Frau.

Amanda streifte ihn mit einem verlegenen Blick. „Vielleicht ist er ja Buchhalter“, flüsterte sie.

Bevor er den beiden Frauen versichern konnte, dass er das keineswegs war, schüttelte Daphne den Kopf. „Niemals! Sieh ihn dir doch mal an. Sieht er etwa wie ein Buchhalter aus?“

„Wie willst du das beurteilen? So etwas sieht man doch niemandem … oh“, rief sie erschrocken, als der Fahrstuhl so abrupt stehen blieb, dass die beiden Frauen sich festhalten mussten, um nicht umzukippen.

Das Licht flackerte ein letztes Mal auf. Doch bevor es komplett erlosch, sah Adam, wie Daphne sich erschrocken an den Bauch fasste. „Oha!“

Ihm schwante nichts Gutes.

„Keine Panik, Daph“, hörte er Amanda nervös sagen. „Das ist wahrscheinlich nur ein Softwarefehler. Es geht bestimmt gleich weiter, und dann kannst du dich erst mal in der Badewanne entspannen, während ich Stan anrufe und …“

Daphne stöhnte laut auf. „Der Fahrstuhl ist nicht mein Problem“, unterbrach sie ihre Freundin. „Ich glaube, mir ist gerade die Fruchtblase geplatzt.“

Im Licht der Notbeleuchtung sah Adam, dass Amanda ihre Freundin entsetzt anstarrte. „Aber … aber kann doch nicht sein!“ Sie packte Daphne an einem Arm. „Es ist doch noch gar nicht so weit!“ Sie holte zittrig Luft. „Außerdem ist Stan nicht hier. Du kannst dein Kind doch nicht ohne Stan zur Welt bringen!“

„Tja …“, Daphne umfasste mit einem erstickten Lachen ihren Bauch. „Ich fürchte, dieses Baby hat nicht vor, auf Stan zu warten. Oh du meine Güte!“, jammerte sie, als schon die nächste Wehe kam, und packte Amandas linken Arm. „Ich hoffe, du kennst dich mit Geburtshilfe aus.“

Amanda wurde kreidebleich. Es war offensichtlich, dass sie verzweifelt um Selbstbeherrschung in einer Situation rang, die ihr komplett entglitt. „Ich habe absolut keine Ahnung von Babys, Daphne, ganz zu schweigen davon, wie man sie zur Welt bringt!“

Adam zog sein Handy aus seiner Jeanstasche und warf es Amanda zu. „Ich schon.“ Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Als er wieder hochsah, starrten die Frauen ihn an, als hätte er gerade etwas Obszönes gesagt. „Ich bin Arzt“, erklärte er geistesabwesend, während er gedanklich überschlug, wie viel Zeit zwischen den beiden Wehen vergangen war.

Amandas Erleichterung war nicht zu übersehen. „Sie sind Arzt? Bitte seien Sie ein Gynäkologe!“

Er ignorierte diese Bemerkung. Die beiden brauchten nicht zu wissen, dass er Herzchirurg war. „Wählen Sie 911“, befahl er und half Daphne, auf alle viere zu gehen, bevor er ihr den Rücken rieb. „So ist es besser“, sagte er und richtete den Blick wieder auf Amanda, die so starr vor Angst war wie ein Reh im Scheinwerferlicht. „Schildern Sie die Situation, und sagen Sie, wir brauchen einen Krankenwagen und die Feuerwehr.“

„Feuerwehr?!“, fragten die beiden Frauen entsetzt.

„Sie meinen, es brennt?! Auf keinen Fall werde ich mein Kind in einem brennenden Fahrstuhl zur Welt bringen!“

„Nein“, antwortete Amanda, während sie Adam flehentlich aus blauen Augen ansah und mit zitternden Fingern die drei Ziffern eintippte. „Ich glaube, das ist nur für den Fall, dass die Verwaltung den Aufzug nicht rechtzeitig zum Laufen bekommt und man die Kabine aufbrechen muss, um uns rauszuholen.“

Adam nickte. „Ganz genau“, bestätigte er.

Daphne stöhnte wieder laut auf. „Na gut. Aber können die das nicht jetzt gleich machen?“

„Bald“, versprach Adam. „Aber jetzt konzentrieren Sie sich erst mal aufs Atmen. Noch nicht pressen, okay? Einfach weiteratmen.“

Nachdem Amanda die Details durchgegeben hatte, legte sie auf. „Ich hoffe, Sie wissen, was Sie t…tun“, sagte sie zitternd zu Adam. „Ich habe nämlich k…keine Ahnung.“

Adam nahm ihre linke Hand und legte sie auf Daphnes Kreuz. „Ich schon“, sagte er lächelnd. „Massieren Sie Daphnes Rücken weiter? Keine Sorge, sie und das Baby wissen, was zu tun ist.“

„Tue ich das?“, fragte Daphne keuchend. „Ich sage das ja nur sehr ungern, Hübscher, aber das ist mein erstes Mal. Ich habe keine Ahnung, was auf mich zukommt.“

Amanda schluckte und fuhr sich nervös mit der Zungenspitze über die Lippen. „Ich dachte, du warst bei einem Geburtsvorbereitungskurs?“

„War ich auch“, grunzte Daphne. „Aber da hat man uns nicht auf eine Geburt im Fahrstuhl vorbereitet.“ Stöhnend kniff sie die Augen zu.

Hilflos hob Sam den Blick zu dem durchtrainierten Arzt. Adam, rief sie sich ins Gedächtnis. Er hieß Adam, und er würde sich um Daphne kümmern. Ihr fiel auf, dass er verdammt attraktiv war, wenn er sich konzentrierte. „Alles in Ordnung, Daph?“ Ihr Herz raste, und sie spürte einen Anflug von Hysterie in sich aufsteigen. Oh Gott, hoffentlich kam der Krankenwagen gleich!

„Nein“, stieß die andere Frau hervor, während sie schnaufend die Finger in Sams Arm vergrub. „Ich muss gleich eine Wassermelone durch meine Vagina pressen. Was soll daran in Ordnung sein?“

Sam zuckte zusammen – nicht nur wegen ihres schmerzhaften Griffs, sondern weil Daphne gerade in Gegenwart eines Mannes das V-Wort benutzt hatte.

„Das wird schon“, sagte Adam halb tröstend, halb belustigt, doch das Lächeln verging ihm, als ihn gleich zwei wütende Frauen anfunkelten.

Daphne musterte ihn angewidert. „Das ist alles nur Ihre Schuld“, zischte sie durch zusammengebissene Zähne.

„Meine?“, fragte er verwirrt.

„Sie sind doch schließlich ein Mann, oder?“ Anklagend zeigte sie auf ihn. „Wenn Sie und … Ihresgleichen uns Frauen nicht immer so … so ansehen würden, würde so etwas wie das hier nie passieren! Und so, wie Sie aussehen, können Sie eine nichts ahnende Frau aus hundert Schritten Entfernung schwängern“, fuhr sie keuchend fort. „Nimm dich bloß in Acht vor ihm!“, sagte sie zu Amanda. „Der ist gefährlich! Ein Blick von ihm, und plötzlich machst du nackt einen Lapdance auf seinem Schoß!“

Erschrocken aufkeuchend presste Sam die Knie zusammen. Wusste Daphne etwa, was vor ein paar Stunden in der Bar passiert war? Und als wüsste er, woran sie gerade dachte, fing er belustigt ihren Blick auf und hielt ihn grinsend gefangen.

Als sie schon dachte, schlimmer könnte es nicht mehr kommen, hörte sie ihn plötzlich sagen: „Würden Sie ihr bitte den Slip ausziehen, damit ich die Weite überprüfen kann?“

Schockiert blinzelte sie ihn an. „Das ist ja wohl nicht Ihr Ernst! Nie im Leben ziehe ich irgendjemandem die Unterwäsche aus. Schon gar nicht jemandem, dem ich erst vor zwei Tagen begegnet bin!“

„Hey“, protestierte Daphne durch zusammengebissene Zähne. „Wir haben gemeinsam diese Hochzeit überstanden. Ich glaube, das schweißt zusammen.“

Adams Blick ließ keinen Zweifel daran, was er gerade dachte. Dass Sam nicht so ablehnend reagieren würde, wenn er sie gebeten hätte, ihren eigenen Slip auszuziehen.

Okay, da hatte er vielleicht nicht ganz unrecht …

„Nun stell dich nicht so an“, platzte Daphne heraus. „Es ist ja nicht so, dass er dich gleich da unten bis zur Unkenntlichkeit gedehnt sieht! Ich würde es ja selbst machen, aber … oh verdammt!“ Panisch sah sie Adam an und warf sich keuchend zu Boden. „Sagen Sie mir, dass das nicht schon die nächste Wehe ist, denn hier bekomme ich mein Kind auf keinen Fall!“

„Okay, ich sag nichts. Aber es wäre ganz hilfreich, wenn ich mir ansehen könnte, wie weit Sie sind.“ Er sah Sam scharf an.

Nach kurzem Zögern seufzte sie resigniert. Die Ahnungslose zu spielen, änderte leider auch nichts an der Situation. Außerdem war sie schon fast achtundzwanzig. Praktisch dreißig. Viel zu alt, um in Momenten wie diesen verlegen zu werden oder eine Panikattacke zu bekommen.

Sie griff unter Daphnes Brautjungfernkleid und tastete nach dem Bündchen ihres Slips. Daphne, die sich anscheinend köstlich über Sams Unbehagen amüsierte, versuchte kichernd, den schweren Körper zu heben, um Sam zu helfen. Zu beschäftigt damit, Adams unterdrücktes Lächeln zu ignorieren und so zu tun, als würde sie anderen Menschen täglich die Unterwäsche ausziehen, kämpfte Sam sich tapfer und verbissen vor, bis das Spitzenteil sich an einem von Daphnes hohen Absätzen verfing.

Du meine Güte! Heftig errötend löste sie das Teil und schob es der unkontrolliert kichernden Daphne in die Hand.

„Gut gemacht“, sagte Adam so todernst, dass Daphne laut losprustete. Er nutzte die Gelegenheit, ihre Beine zu spreizen und sich vorzubeugen, um nachzusehen, wie weit das Baby war.

„Sagen Sie, Sie haben sich geirrt undich bin nicht kurz davor … oh!“, stöhnte sie, als die nächste Wehe sie überwältigte.

„Es besteht leider kein Zweifel, Daph“, sagte Adam ruhig und sah Sam aus schmalen Augen an. „Juniors Kopf ist schon zu sehen. Erst pressen, wenn ich es sage, okay?“

„Ich habe doch schon gesagt, wir machen das hier nicht! Außerdem will ich gerade nichts lieber als pressen … außer vielleicht Stan erwürgen.“ Sie griff nach Sams Hand und drückte zu, als die nächste Wehe kam. „Und sobald ich hier wieder raus bin“, stieß sie durch zusammengebissene Zähne hervor, „sag ich ihm, dass er Sex in Zukunft vergessen kann. Daraus wird nichts mehr … nie wieder!“

„Okay, Daphne“, sagte Adam. Er wirkte total konzentriert. „Der Kopf kommt. Jetzt pressen.“

Daphne krümmte sich vor Anstrengung, und ihr Gesicht wurde so rot, dass Sam schon befürchtete, ihr würde eine Ader platzen. Sie gab einen so schrecklichen Laut von sich, als würde es sie von innen zerreißen. Sams Herz verkrampfte sich voller Mitgefühl.

Nervös richtete sie den Blick auf Adam, aber der war die Ruhe in Person. Was ist, wenn etwas schiefgeht? dachte sie plötzlich. Was war, wenn das Baby feststeckte und sie es nicht rausbekamen? Ihr Herz begann zu rasen, und ihre Brust wurde so eng, dass es ihr die Luft abschnürte. Ihre Finger wurden taub, und in ihrem Kopf hörte sie ein lautes Rauschen. Was war … was war, wenn Sam erstarrte und Daphne – oder ihr Baby – starben, weil sie sich vor lauter Angst nicht rühren konnte? Was war …?

„Amanda“, durchdrang eine tiefe männliche Stimme das weiße Rauschen in ihrem Kopf, das alles übertönte – außer den Erinnerungen, die ihr immer noch Alpträume verursachten. Erinnerungen, die sie auch fast zwanzig Jahre später noch lähmten …

„Hey“, sagte Adam leise.

Sam blinzelte, als ihr bewusst wurde, dass er mit ihr sprach. „Hm?“

Er wartete, bis sie ihn richtig ansah. „Alles okay?“

Sie leckte sich die trockenen Lippen. „Es g…geht mir gut“, sagte sie mit grimmiger Entschlossenheit. Reiß dich zusammen, befahl sie sich. Schließlich bist du nicht diejenige, die gerade ein Baby bekommt. „Ich war nur noch nie b…bei einer G…geburt dabei.“

Er nickte nach kurzem Zögern. „Es wird alles gut gehen“, versicherte er ihr und stand auf, um sein Jackett auszuziehen. „Frauen bringen schon seit Jahrtausenden Babys zur Welt.“

Sein Jackett landete fast in ihrem Gesicht, als er es ihr zuwarf. Sie wollte ihn gerade fragen, was zum Teufel ihm einfiel, als er mit einer Hand nach hinten zwischen seine Schulterblätter griff und sich auf jene typisch männliche Art sein T-Shirt über den Kopf zog. Schockiert – und voller Bewunderung – starrte sie ihn an.

„Verdammt“, keuchte Daphne beim Anblick all seiner sich unter satinglatter Haut wölbenden Muskeln und sprach damit genau das aus, was Sam gerade dachte. „Ich würde Sie hassen, wenn Sie nicht so hübsch anzusehen wären.“

Sam fiel auf, dass ihm das Blut ins Gesicht schoss. Sie blinzelte überrascht. Ist der heiße Typ etwa gerade rot geworden?

„Noch mal pressen, Daph“, wies er Daphne an und warf Sam einen herausfordernden Blick zu, bevor er ihr sein T-Shirt zuwarf. „Hier, halten Sie mal. Ich würde Sie ja bitten, Ihr Kleid für das zu opfern, was als Nächstes kommt, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass Sie darunter nicht viel anhaben.“

Sam fing das Shirt auf und konnte nicht widerstehen, einen letzten Blick auf seinen muskulösen Oberkörper und seinen kupfergoldenen Waschbrettbauch zu werfen – die perfekte Ablenkung von ihrer drohenden Panikattacke. Doch noch während ihr Herzschlag sich verlangsamte, runzelte er plötzlich die Stirn und befahl Daphne, mit dem Pressen aufzuhören.

„Aufhören?“ Daphne hob keuchend den Kopf. „Sind Sie verrückt geworden?“ Sie stieß ein lang gezogenes Stöhnen aus, das so gruselig klang, dass Sams sämtliche Nackenhaare sich aufstellten. „Ich kann jetzt unmöglich aufhören!“

„Es ist die Nabelschnur“, murmelte Adam und machte etwas zwischen Daphnes Beinen, das Sam nicht erkennen konnte. „Sie ist um den Hals des Babys geschlungen.“ Er hob den Kopf, als die beiden Frauen erschrocken aufkeuchten. „Keine Sorge“, sagte er beruhigend, bevor er weitermachte. „Solange Sie jetzt nicht pressen …“ Er stieß einen leisen Fluch aus, bei dem es Sam kalt überlief. „Ich hab’s“, sagte er schließlich aufmunternd. „Alles frei. Nur noch zwei Mal pressen, Daph, und Sie haben Ihr Baby im Arm!“

Als sie vor dem Fahrstuhl Stimmengewirr und ein panisches „Daphne, ich komme, Babe!“ hörten, war schon alles vorbei. Daphne, an Sam gelehnt, betrachtete ganz verzaubert das Wunder in ihren Armen.

Eine Viertelstunde später kam der Fahrstuhl in der Lobby an, und die Sanitäter stürmten herein, um sich um die frischgebackene Mutter und ihr Baby zu kümmern.

Sam stand noch immer so unter Schock, dass es ihr nur mit Adams Hilfe gelang, aufzustehen und den Fahrstuhl zu verlassen. Sie beobachtete, wie die Sanitäter Daphne auf eine Trage legten, während Stan seine Frau und seinen Sohn mit so offensichtlicher Freude und Stolz in die Arme schloss, dass Sam die Tränen in die Augen schossen. Was für ein Glück, dass Adam zufällig da gewesen war und verhindert hatte, dass Daphnes Baby sich an der Nabelschnur strangulierte.

Und was für ein Glück, dass ich nicht komplett versagt habe, dachte sie. Sie war drauf und dran gewesen, die Beherrschung zu verlieren. Aber nach dem ersten Anflug von Panik war es ihr gelungen, einigermaßen ruhig zu bleiben und bei der Geburt des Kindes mitzuhelfen. Schon allein das war ein Riesenfortschritt, aber …

„Warten Sie!“, forderte Daphne die Sanitäter auf und riss Sam damit aus ihren Gedanken. „Mir fällt nur eins ein, womit ich mich bei euch bedanken kann. Ich hoffe, es ist euch auch recht?“

Sam blinzelte verwirrt. „Was meinst du?“

„Ich will unseren Sohn nach euch beiden benennen – Samuel Adam Prescott.“

Sam sah Daphne verblüfft an. „Aber ich … ich … habe doch gar nichts gemacht!“

„Doch, hast du“, sagte Daph heiser vor Rührung. „Mehr als du glaubst.“

Sam schluckte die Tränen hinunter, die ihr in die Augen schossen. „G…gern geschehen“, sagte sie mit rauer Stimme.

Adam, dem aufzufallen schien, wie schwer es ihr fiel, kam ihr zu Hilfe: „Es war mir eine Ehre, Daph, aber sie hat völlig recht – im Grunde haben wir nichts gemacht. Den Hauptjob haben Sie übernommen.“

„Ich habe mich da drin wie eine Verrückte aufgeführt“, widersprach Daphne kopfschüttelnd. „Aber ich habe mich geirrt.“

Nervös fuhr Sam sich mit der Zungenspitze über die trockenen Lippen. „G…geirrt?“ Ihr war bewusst, dass sie wahrscheinlich gerade wie ein Papagei klang, aber vor lauter Adrenalin, Erleichterung und wegen des Mannes hinter ihr konnte sie sich einfach nicht klar artikulieren.

Daphne lächelte Adam zu. „Ihr Männer seid das hier absolut wert“, sagte sie. „Sogar aus hundert Schritten Entfernung“, fügte sie verschmitzt hinzu, bevor die Sanitäter sie aus der Hotellobby nach draußen schoben.

Sam errötete, als sie Adam lachen hörte. Er stand so dicht hinter ihr, dass sie seinen Atem an ihrem Ohr spüren konnte. Ihre Haut fühlte sich plötzlich viel zu heiß und eng an, und ihre Hormone spielten wieder verrückt.

Was zum Teufel ist bloß los mit mir? dachte sie entsetzt. Welche normale Frau wurde von einer Krise so angetörnt, dass sie Lust bekam, einen Wildfremden zu vernaschen? Sie musste dringend hier weg, bevor sie noch etwas Leichtsinniges und Verrücktes machte!

3. KAPITEL

Adam fiel auf, dass Amanda hochrot angelaufen war und flach atmete. „Alles okay?“, fragte er.

Sie zuckte so erschrocken zusammen, als hätte er ihr einen Stromschlag versetzt. „Äh, wie bitte?“

„Sie sind ganz rot und nervös.“

Noch heftiger errötend fächelte sie sich mit einer Hand Luft zu. „Es ist so schrecklich heiß hier“, behauptete sie atemlos, obwohl sie wegen der kühlen Luft der Klimaanlage über ihren Köpfen eine Gänsehaut hatte. „Ich glaube, ich kriege einen Herzinfarkt. Vielleicht hätte ich mich gleich mit untersuchen lassen sollen.“

„Sie haben keinen Herzinfarkt“, sagte Adam belustigt.

Nach Luft ringend legte sie eine Hand aufs Herz. „Sind Sie sicher? Es fühlt sich nämlich gerade so an.“

Er schüttelte den Kopf. „Sie haben anscheinend eine Panikattacke.“

Nur widerstrebend erwiderte sie seinen Blick. „Seien Sie nicht albern! Ich habe keine Panikattacke.“

„Okay, dann ist der rasende Puls an Ihrem Hals wohl ein Zeichen für sexuelle Erregung.“ Sofort flog ihre Hand zu ihrem Hals. „Und Ihre Hand zittert, weil Sie mich berühren wollen, und Sie atmen deshalb so flach, weil Sie sich nach einem Kuss von mir sehnen.“

Erschrocken starrte sie ihn an. „Was? N…nein!“ Sie wich zurück und sah sich hektisch um, als suchte sie nach einem Fluchtweg.

Adam folgte ihr und legte ihr die Hände auf die Schultern. „Dann verrat mir, was dir solche Angst macht, dass du drauf und dran bist, in die Dunkelheit zu fliehen“, sagte er mit seiner beruhigenden Arztstimme. „Wovon ich dir übrigens dringend abraten würde“, fügte er hinzu, als ihr Blick wieder Richtung Ausgang flackerte. „Zumindest in diesem Kleid.“

Sie sah ihn wieder voller Panik an, ließ nach ein paar Sekunden jedoch resigniert die Schultern sinken und wandte das Gesicht ab.

Adam fragte sich, was sie so quälte. Während er sie ansah, spürte er, wie sich etwas in seiner Brust regte. Wieder überkam ihn das seltsame Gefühl, sie schon lange zu kennen.

Da er es nicht ertrug, sie leiden zu sehen, bückte er sich etwas, damit sie ihn ansah. „Hey …“ Sanft bewegte er sie an den Schultern vor und zurück. „So schlimm ist es doch nicht.“

„Vielleicht nicht für dich“, antwortete sie unter Tränen lachend. „Du bist schließlich nicht derjenige, der gerade wie ein neurotischer Flamingo aussieht.“

„Flamingo stimmt. Aber ein sehr niedlicher“, erwiderte er lächelnd. Zu seiner Erleichterung wich die Panik aus ihren schönen blauen Augen. „Außerdem hat jeder seine Neurosen.“

Sie holte so tief Luft, dass sich das enge Mieder ihres Kleides über ihren Brüsten spannte, bevor sie seufzend ausatmete. „Du doch bestimmt nicht“, sagte sie. „Du bist unter Garantie nicht in heiklen Momenten vor Angst so gelähmt, dass du zu nichts mehr zu gebrauchen bist.“

Adam sah sie aufmerksam an. Was mochte ihr nur zugestoßen sein, dass sie zu Panikattacken neigte? „Das mag sein“, räumte er ein. „Aber ich habe auch meine Dämonen.“

Das schien sie aufhorchen zu lassen. „Nur, dass du dich davon offensichtlich nicht so verunsichern lässt“, sagte sie mit einer Stimme, in der eine Spur Selbstverachtung mitschwang.

„Sei nicht so streng mit dir. Ich habe einfach Routine mit medizinischen Notfällen.“ Was Emotionen anging jedoch … die versetzten ihn regelmäßig in Panik. Vor allem plötzliche Emotionen für Frauen in Pink. Emotionen, die ihn dazu bewogen, sie in die Arme nehmen zu wollen, um sie zu beschützen.

Solche Emotionen waren gefährlich und mussten um jeden Preis vermieden werden.

„Ich komme aus einer Familie von Medizinern“, sagte sie mit einem Tonfall, als gestände sie ihm gerade ihr dunkelstes Geheimnis. „Da sollte man eigentlich nicht gleich ausflippen, nur weil jemand Wehen bekommt.“

„Hey, sogar ich bekam Panik, als es bei Daphne losging“, gestand er. „Ich bin Herzchirurg, kein Gynäkologe. Bei einem Herzinfarkt bin ich der Richtige, aber bei einer Geburt?“ Er schauderte übertrieben. „Ich war total überfordert.“

Sie lachte ungläubig „Warst du nicht. Du bist total professionell mit Daphne umgegangen.“ Sie wurde wieder ernst. „Du bist wirklich ein toller Arzt.“

„Stimmt“, sagte er so übertrieben selbstgefällig, dass sie schon wieder lachen musste. „Siehst du? Jetzt hast du ganz vergessen, dass du fliehen wolltest.“

Für einen Moment sah sie ihn verdutzt an. „Hm, du bist ganz schön raffiniert“, sagte sie und tastete hinter sich nach den Fahrstuhlknöpfen, bevor sie erstarrte und die Hand hastig wieder wegzog. „Glaubst du …?“

„Ich glaube, wir können es riskieren“, sagte er trocken. „Wie hoch ist schon die Wahrscheinlichkeit, dass der Fahrstuhl zwei Mal an einem Abend stehen bleibt?“

„Sag das nicht!“, rief sie erschrocken.

„Warum nicht?“

„Um das Schicksal nicht herauszufordern!“

Belustigt sah er sie an. „Würde es dir helfen, wenn ich dich begleite?“, fragte er und beugte sich an ihr vorbei, um selbst auf den Fahrstuhlknopf zu drücken.

Ihre Augen weiteten sich. „Also, ich …“

Die Fahrstuhltür öffnete sich. Amanda schien innerlich mit sich zu ringen, ob sie sein Angebot annehmen sollte, denn sie rührte sich nicht. Adam hielt eine der Türen fest, um sie am Zugleiten zu hindern, und schob Amanda sanft mit der freien Hand in den Fahrstuhl.

„Trau dich“, sagte er lächelnd, als sie widerstrebend den Fahrstuhl betrat. „Das Problem scheint inzwischen gelöst zu sein.“ Beim Anblick ihrer zitternden Lippen erlosch sein Lächeln. „Aber wenn du dir solche Sorgen machst, können wir auch gern die Treppe nehmen.“

Sie seufzte. „Bis zum vierundzwanzigsten Stockwerk?“ Kopfschüttelnd schob sie seine Hand weg und drückte auf den Knopf. Die Tür glitt zu, und der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung.

Verstohlen atmete Adam ihren Duft ein – kühl und voller Klasse mit einem Hauch Glut und Wildheit. Er fragte sich, wie sie nun eigentlich war – beherrscht und kultiviert oder wild und leidenschaftlich. Er würde das nur zu gern herausfinden. Er hatte nämlich das Gefühl, dass sich hinter ihrem kühlen Äußeren eine wilde Leidenschaft verbarg, die förmlich darauf wartete, entfesselt zu werden.

„Ich bin so froh, dass du da warst und Daphne geholfen hast“, sagte sie. „Wäre ich mit ihr allein gewesen, hätten wir ein echtes Problem gehabt.“

„Du stellst dein Licht viel zu sehr unter den Scheffel. Ich glaube, du hättest dich tapfer geschlagen.“

„Ich werde beim Anblick von Blut ohnmächtig“, gestand sie. „Es ist nicht ganz einfach, jemandem zu helfen, wenn man das Bewusstsein verliert.“

Das schien ein echtes Problem für sie zu sein – vermutlich, weil ihre Familie eins daraus machte. Dabei hatte sie andere Qualitäten. Sie war intelligent und humorvoll. Und sie strahlte eine Wärme und Gutherzigkeit aus, die ihn unglaublich anzog. Sanft strich er ihr mit einem Daumen über die vollen Lippen. „Du solltest dich nicht von anderen Menschen definieren lassen.“

Für einen Moment sah sie ihn verdutzt an, doch seine Worte schienen sie nachdenklich zu machen. „Du hast recht, das sollte ich nicht“, sagte sie nach kurzem Zögern.

Der Fahrstuhl stoppte. Sie waren in seinem Stockwerk angekommen. „Da wären wir also.“ Die Vorstellung, auszusteigen und sie nie wiederzusehen, widerstrebte ihm jedoch so sehr, dass er möglichst beiläufig hinzufügte: „Lust auf einen Schlummertrunk?“

Sam war bewusst, dass Adam ihr mehr anbot als nur einen Schlummertrunk. Die Versuchung, sein Angebot anzunehmen, war groß, aber die Erwähnung ihrer Familie hatte sie sehr unsanft in die Realität zurückbefördert.

„Ich …“ Wieder seufzte sie tief. „Ich kann nicht.“

Dank der Umstände – und ihres betrügerischen Verlobten – befand sie sich zwar gerade an einer Art Scheideweg, aber deshalb konnte sie trotzdem nicht einfach ihren Hormonen freien Lauf lassen. Es wäre nämlich viel zu leichtsinnig, den relativ sicheren Fahrstuhl mit einem Mann zu verlassen, mit dem sie gerade zwar ein paar sehr intensive Stunden erlebt hatte, den sie jedoch überhaupt nicht kannte. Genauso leichtsinnig, wie ihn in sein Zimmer zu begleiten, wenn schon seine bloße Gegenwart reichte, um ihren Verstand auszuschalten.

Um der Versuchung zu widerstehen, schlang sie die Arme um sich selbst. Oh verdammt, wie gern würde sie Ja sagen!

Seine Augen verdunkelten sich, als er sah, dass sie innerlich mit sich kämpfte. „Bist du sicher?“, fragte er mit verführerisch tiefer und etwas heiserer Stimme. Sein Tonfall war weder fordernd noch aggressiv, was sie sofort abgeschreckt hätte.

Nickend biss sie sich auf die Unterlippe, obwohl die Versuchung groß war … so schrecklich groß …

Adam sah sie ein letztes Mal forschend an, bevor er sich umdrehte, um den Fahrstuhl zu verlassen. Er war schon fast im Flur, als etwas in ihr die Oberhand gewann. Sie hielt ihn an einem Arm fest und stieß einen erstickten Laut aus, der wie ein „Warte!“ klang, bevor sie ihn gegen die offene Fahrstuhltür schob, um sich an seinen muskulösen, warmen Körper zu pressen und ihn zum zweiten Mal an diesem Abend zu küssen.

Adam wehrte sich nicht und hinterfragte sein Glück auch nicht. Stattdessen zog er Amanda eng an sich und erwiderte ihren Kuss, bis sie heiser stöhnte. Himmel, schmeckte sie herrlich – so süß wie die Sünde. Sie küsste ihn mit einer unwiderstehlichen Mischung aus Scheu und Hemmungslosigkeit, genauso wie vorhin in der Bar. Und mit mehr Enthusiasmus als Geschick, was jedoch keine Rolle spielte, denn er wurde so hart wie ein Jugendlicher bei seinem ersten Zungenkuss. Er zog sie an seine Erektion, um keinen Zweifel daran zu lassen.

Wieder stöhnte sie laut auf, bevor sie die Finger in seinem Haar vergrub und sich hungrig an ihn presste. Er war drauf und dran, die Kontrolle zu verlieren, so übermächtig wurde sein Verlangen.

Verdammt, dachte er, als er die Hände von ihren Hüften über ihre Taille bis zu ihren Brüsten gleiten ließ. Er wusste nicht, wann er eine Frau je so begehrt hatte. Am liebsten würde er ihr gleich hier und jetzt das pinke Kleid ausziehen, um die Lippen über ihren nackten Körper gleiten zu lassen.

Aber zuerst musste er etwas klären. „Amanda“, murmelte er, während er ihren Hals mit zarten Küssen bedeckte. „Bist du nüchtern? Ich muss wissen, ob du das hier wirklich willst. Ob du dir ganz sicher bist.“

Sie bog etwas den Kopf zurück, um ihm besseren Zugang zu verschaffen. „Sicher?“, fragte sie atemlos.

„Was das hier angeht“, erklärte er heiser und presste die Lippen auf ihre linke Schulter, während er mit den Daumen die Außenseiten ihrer Brüste streichelte. Ihr Aufseufzen war das schärfste Geräusch, das er je gehört hatte.

„Ja, ich bin sicher. Hör nicht auf“, flehte sie.

Stöhnend presste Adam die Lippen auf ihren Mund, was seine Erregung nur noch steigerte. Er küsste sie so lange, bis ihm der Kopf zu zerspringen drohte. Erst als ihn etwas in den Rücken stieß, wurde er aus seiner Trance gerissen. Er brauchte ein paar Sekunden, um zu realisieren, dass es sich um die zugleitende Fahrstuhltür handelte. Sie standen nämlich genau dazwischen.

Schwer atmend hob er den Kopf, doch nur, um Amanda am Po zu packen und hochzuheben. Sofort schlang sie ihm die langen Beine um die Taille.

Benommen blinzelnd schob er sich seitlich aus der Tür. Hoffentlich hatte er genug Kraft, um es bis zu seiner Suite zu schaffen. Im Flur blieb er für einen Moment stehen, um sich zu orientieren.

Als sie vor seiner Tür ankamen, presste er Amanda mit dem Rücken gegen die Wand, um mit einer zitternden Hand seine Karte aus der Hosentasche zu ziehen. Ihren Lippen und Händen ausweichend versuchte er mehrfach vergeblich, die Karte durch den Schlitz zu ziehen, bevor es ihm endlich gelang.

Lachend stolperte er ins Zimmer und stieß mit einem Fuß die Tür zu, bevor er Amanda gegen die nächstbeste Wand drückte und sie wild zu küssen begann. Noch bevor er ihren Reißverschluss fand, zerrte sie ihm sein Jackett von den Schultern und ließ hungrig die Hände über seinen Rücken gleiten, wobei ihre Nägel eine feurige Spur hinterließen.

Fluchend versuchte er, es langsamer angehen zu lassen, aber sie schien fest entschlossen zu sein, ihn schnellstmöglich seiner Kleidungsstücke zu entledigen und ihm den Verstand zu rauben. Also ließ er sie nur kurz los, um sein Jackett abzuschütteln, bevor sie fortfuhren, sich zu küssen und gegenseitig ihre Körper zu erkunden.

„Amanda … Schatz“, keuchte er, als sie ihn in die Halsbeuge biss. „Mach langsamer, sonst … verdammt!“ Er griff nach ihren Händen und hielt sie rechts und links von ihrem Kopf fest. „Stopp! Sonst ist es vorbei, bevor es angefangen hat!“

Der Name Amanda riss Samantha aus ihrer sinnlichen Trance. Plötzlich realisierte sie, dass sie sich in einem fremden Hotelzimmer befand und drauf und dran war, Sex mit einem Wildfremden zu haben. Diese Erkenntnis sollte sie eigentlich schockieren, denn Samantha Jefferies war nicht die Art Frau, die sich fremden Männern an den Hals warf.

Es lag ihr auf der Zunge, Adam ihren wahren Namen zu verraten. Aber war es nicht genau das, was sie gewollt hatte – für eine Nacht eine andere sein? In diesem Moment war sie nicht Samantha Jefferies, Tochter von Vivienne und Edward Jefferies, sondern Amanda – eine Frau, die einfach eine High-Society-Hochzeit verließ und in einer Bar einen scharfen Typen küsste. Eine Frau, die dabei half, ein Baby zur Welt zu bringen, und sich an der Erektion eines Mannes rieb, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt.

Heute Nacht konnte sie sein, wer sie wollte. Und sie wollte Amanda sein. Also löste sie die Beine von den Hüften des Mannes, der genauso scharf auf sie zu sein schien wie sie auf ihn, und glitt verführerisch langsam an ihm herunter, was sie an genau den richtigen Stellen zum Kribbeln brachte. Und Adams Stöhnen nach zu urteilen, ging es ihm ebenso.

Es war ein unglaublich befreiendes Gefühl. Zum ersten Mal in ihrem Leben verstand sie, was die Leute meinten, wenn sie von der „Macht einer Frau“ sprachen. Sie meinten die Art Macht, die Männer um den Verstand brachte. Und aus irgendeinem Grund gefiel ihr die Vorstellung, Adam um den Verstand zu bringen.

Hungrig presste sie sich an ihn und begann, ihn wild und hemmungslos zu küssen. Er war mit Abstand der anziehendste Mann, dem sie je begegnet war. Seine durchtrainierten Schultern und sein Oberkörper waren ein wahres Kunstwerk, und seine kupfergoldene Haut war so sexy, dass sie ihn am liebsten von Kopf bis Fuß küssen würde.

Und dann erst seine Muskeln! Sein harter Waschbrettbauch sah aus, wie von Künstlerhand gemeißelt – mit den herrlichen Furchen über den Hüftknochen, die ihre Aufmerksamkeit auf den Bund seiner Jeans lenkten. Ihr wurde ganz anders bei der Vorstellung, die Finger über dieses Meisterwerk der Natur gleiten zu lassen … und tiefer. Ihr lief buchstäblich das Wasser im Mund zusammen.

„Hören wir etwa schon auf?“, fragte er schwer atmend.

Natürlich nicht, ich will dich nur kurz bewundern.

Seinen glühenden Blick erwidernd fuhr sie sich mit der Zungenspitze über die Lippen. Er sah so erregt aus, dass ihr ein halb lustvoller, halb nervöser Schauer über den Rücken lief. Sie beugte sich vor und presste die Lippen auf seine erhitzte Brust. Und da ihr das noch nicht reichte, ließ sie die Lippen höher gleiten, biss ihm in den muskulösen Hals und küsste eine harte Schulter.

Aufgestachelt von seinem scharfen Einatmen und seinen gemurmelten Flüchen genoss sie den salzigen Geschmack seiner bronzenen Haut. Es war total erregend, seine Muskeln unter ihren Lippen und ihrer Zunge zucken zu spüren. Dass er sie am Po packte und ihn massierte, steigerte ihre Erregung noch.

Hungrig ließ sie die Fingernägel über seinen Bauch gleiten und griff nach dem Metallknopf seiner Jeans. Als sie sah, wie sich der Reißverschluss seiner Jeans über seiner harten Erektion spannte, stockte ihr der Atem. „Das sieht ja ziemlich unbequem aus“, sagte sie aufreizend und zog den Reißverschluss auf, um eine Hand in Adams Jeans gleiten zu lassen. Sie erschauerte, als sie seine steinharte Erektion mit der samtigen Spitze berührte.

Es war verrückt, aber anscheinend war er genauso angetörnt wie sie. Ermuntert von seinem glühenden Blick raunte sie ihm ins Ohr: „Ich will dich.“ So forsch und fordernd war sie noch nie gewesen.

Aber bisher hatte sie sich auch noch nie von einem Mann so angezogen gefühlt.

Adams vor Erregung verschleierte Augen und sein rauer Fluch törnten sie so an, dass sie fast vergaß, dass sie diejenige war, die ihn um den Verstand bringen wollte.

Schwer atmend nahm er ihre Hände und hielt sie mit einer Hand über ihrem Kopf fest. Seine hohen Wangenknochen waren gerötet, und seine Augen glitzerten vor Verlangen. Sein fiebriger Blick raubte ihr fast die Selbstbeherrschung, vor allem, als er mit der freien Hand eines ihrer Knie hob und sich zwischen ihre Beine drängte.

Sie wild küssend ließ er die Finger in ihr Spitzenhöschen und in ihre feuchte Hitze gleiten. Sie stöhnte laut auf, schon jetzt war sie kurz davor zu kommen. Ihre Lust wurde so übermächtig, dass sie die Lippen von seinen lösen musste, um nach Luft zu schnappen.

Jetzt bloß nicht ohnmächtig werden, dachte sie fast verzweifelt. Ich habe ihn noch nicht mal nackt gesehen. Und das Beste kommt erst noch.

Adam gönnte ihr keine Verschnaufpause; er bedeckte ihren Hals mit heißen Küssen und biss sie sanft in die zarte Stelle unter dem Ohr. Bereitwillig bog sie den Kopf zur Seite, während er sie weiter zwischen den Beinen streichelte. Stöhnend warf sie den Kopf in den Nacken, als er ihr Bein noch höher hob und sich vorbeugte, um an einer ihrer Brustwarzen zu saugen, bis sie vor Lust fast verging.

Nur wie durch einen Nebel bekam sie mit, dass er etwas zu ihr sagte. „W…was?“

„Kommst du an meine Hosentasche ran?“

Verwirrt blinzelte sie ihn an.

„Kondom“, stieß er schwer atmend hervor. „Beeil dich!“

Mit zitternden Händen zog sie seine lederne Brieftasche aus seiner Hosentasche. Nach ein paar Fehlversuchen gelang es ihr, sie aufzuklappen und herauszunehmen, wonach sie suchte. Sie warf die Brieftasche zur Seite, schob eine Ecke des viereckigen Päckchens zwischen die Zähne und riss es auf.

Adam schob ihren Tanga zur Seite und befreite sich von seiner Jeans. Samantha lehnte sich gegen die Wand und griff nach seiner imposanten Erektion, um ihm das Kondom überzustreifen, doch er riss es ihr aus der Hand. „Nächstes Mal“, sagte er heiser, während er es überstreifte. Bevor sie ihm sagen konnte, dass es kein nächstes Mal geben würde, hob er sie hoch und drang mit einer harten, geschmeidigen Bewegung in sie ein.

Instinktiv bog Sam den Rücken durch und beobachtete fasziniert, wie er erstarrte und für einen Moment reglos mit zurückgebogenem Kopf und harten Halsmuskeln dastand, offensichtlich um Selbstbeherrschung ringend. Es war der erotischste Anblick, den sie je gesehen hatte.

Sie konzentrierte sich wieder auf die Stelle, wo er sie so stark dehnte, dass es fast wehtat. Er war gut gebaut – größer als jeder andere Mann, mit dem sie bisher geschlafen hatte, und ihr letztes Mal war schon fast zwei Jahre her. Trotzdem konnte sie sich nicht erinnern, dass es sich je so gut angefühlt hatte. Dass sie sich so gut gefühlt hatte.

Ihre Brüste spannten, und ihre Muskeln waren aufs Äußerste gespannt. Noch nie war sie so bei sich und im Hier und Jetzt gewesen – so blind und taub für alles andere.

Rhythmisch begann Adam, sich in ihr zu bewegen – sich bewusst langsam zurückzuziehen, um dann umso härter wieder in sie einzudringen. Aufkeuchend hob Sam die Hüften, um ihn noch tiefer in sich aufzunehmen.

Er beschleunigte sein Tempo stöhnend, bewegte sich immer kraftvoller und tiefer in ihr. Sams Lust wurde so übermächtig, dass sie Sterne sah. Als sie es kaum noch aushielt, veränderte er etwas den Winkel. Schwere Atemzüge, gemurmelte Ermunterungen, raue Flüche und das rhythmische Klatschen von nackter Haut auf nackter Haut erfüllten das Zimmer.

„Öffne die Augen, Amanda“, stieß er hervor. „Ich will dich sehen, wenn du kommst.“

Unfähig, seinem Befehl zu widerstehen, schlug sie die Augen auf und sah ihm hilflos in die goldbraun brennenden Augen, deren Pupillen riesig waren. Das dunkle Haar fiel ihm in die Stirn und bewegte sich mit jedem Stoß. Der Anblick war so erregend, dass sein nächster Stoß sie über die Schwelle brachte. Sie schrie so laut auf, dass sie sich eigentlich dafür schämen müsste, aber dazu fehlte ihr die Kraft. Nur wie durch einen Nebel bekam sie mit, wie Adam sich hart und wild in ihr weiterbewegte und sich stöhnend in ihr ergoss.

4. KAPITEL

Zwei Monate später …

Sam schnallte sich ab und griff nach ihrem Handy. Nur gut, dass sie in den letzten zwei Monaten zu beschäftigt gewesen war, um über Lawrence, ihre geplatzte Hochzeit und San Francisco nachzudenken.

Zumindest tagsüber. Nachts … tja, da sah die Sache leider schon ganz anders aus. Aber damit war jetzt Schluss, denn in ihrem Leben würde es keine großen, tollen Fremden mehr geben.

Sie musste an ihren letzten Flug in die entgegengesetzte Richtung denken. Die ganze Strecke war sie zwischen Euphorie, Scham und Entsetzen hin und her geschwankt. Damals wurde ihr wieder ganz heiß bei der Erinnerung daran, dass sie vorher mit einem Typen Sex gehabt hatte, den sie gerade erst kennengelernt hatte.

Ach du Schande! Ich habe mit einem Wildfremden geschlafen!

Und das nur zwei Tage nachdem sie ihre Verlobung mit einem Mann gelöst hatte, den sie jahrelang gekannt und geliebt hatte. Auch wenn sie Lawrence offensichtlich nicht annähernd so gut gekannt hatte wie gedacht …

So oder so hatte sie sich danebenbenommen und würde dafür bestimmt ihre Strafe bekommen. Im Moment flog sie zwar erst mal nur nach Kalifornien, aber für ihre Großmutter war da kein Unterschied. Seit Sam die Bombe mit der nicht stattfindenden Hochzeit hatte platzen lassen, strafte Lilian sie nämlich mit eisiger Missachtung. Doch das war Sam egal. Sie wollte nun mal kein so verlogenes Leben führen wie ihre Großmutter.

An jenem Wochenende in San Francisco war etwas mit ihr passiert, und seitdem gab es keinen Weg mehr zurück. Denn dort war sie in einem kurzen rosa Prinzessinnenkleid, mit dem sie besser auf einen Highschool-Abschlussball gepasst hätte, von einer geradezu ekelerregend kitschigen Hochzeit, auf der sie die größte und älteste Brautjungfer gewesen war, in eine Bar geflohen, hatte Shooters mit Namen gekippt, die einer Debütantin aus Boston nicht mal im Traum einfallen, geschweige denn über die Lippen kommen würden, und hatte einem Wildfremden eine Art Lapdance gegeben.

Und dann hatte sie ihn geküsst, als würde es kein Morgen geben. Nur weil er wie die leibhaftige Versuchung ausgesehen hatte mit seinen whiskyfarbenen Augen und den sinnlichen Lippen. Und zu allem Überfluss hatte sie auch noch mit ihm geschlafen und den besten Sex ihres Lebens gehabt.

Wie könnte sie das je vergessen? Kein Wunder, dass sie sich bei ihrer Rückkehr nach Boston irgendwie verwandelt gefühlt hatte. Das Leben, das sie bis dahin geführt hatte, war ihr auf einmal fremd vorgekommen. So fremd, dass sie sich nicht mehr zurechtgefunden hatte – wie gefangen in einem falschen Leben und mit einem Körper, der für andere Dinge bestimmt war.

Da kam das Jobangebot von Colleen Rutherford, die seit fast vierzig Jahren die Geliebte ihres Großvaters und wie eine mütterliche Tante für sie war, wie gerufen. Streng genommen hatte Colleen ihr zwar schon vor einem Jahr angeboten, die Geschäftsleitung der Galahad Foundation zu übernehmen, aber da war Sam noch zu beschäftigt mit ihrer Verlobung und der Planung ihrer Hochzeit gewesen.

Ein besonders schwieriges Gespräch mit ihrer Großmutter gab letztlich den Ausschlag für Sams Entscheidung, ihr Leben zu ändern. Während eines Mittagessens in einem Restaurant hielt diese ihr nämlich einen langen Vortrag über ihre Pflichten als Enkelin der Geschäftsführerin von Gilford Pharmaceuticals. Und sie verlangte von Sam, ihr kindisches Selbstmitleid abzuschütteln und Lawrence Winthrop den Dritten trotz allem zu heiraten.

Sam konnte es einfach nicht fassen, obwohl die Einstellung ihrer Großmutter sie eigentlich nicht hätte überraschen dürfen. Lilian war der äußere Schein immer schon wichtiger gewesen als Substanz. Sie schob Sams Einwände einfach beiseite, indem sie sie darauf hinwies, dass Ehemänner ihre Frauen nun mal betrogen und Sam es den Gilfords schuldig war, eine gute Partie zu machen. Schließlich hatte ihre Mutter der Familie durch ihre Ehe mit einem Jefferies schon genug Schande bereitet.

Als Sam bewusst wurde, dass ihre Argumente auf taube Ohren stoßen würden, ließ sie ihre Großmutter höflich ausreden, kehrte ins Kunstmuseum zurück, in dem sie für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig war, und rief Colleen „Coco“ Rutherford an, um sie zu fragen, ob der Job noch zu haben war. Colleen versicherte ihr, dass das der Fall und Sam in San José herzlich willkommen war.

Und so hatte Sam gekündigt und ihr Haus einem Makler übergeben – alles innerhalb eines Nachmittags. Jetzt, einen Monat später, war sie endlich unterwegs Richtung Westen, um ein neues Leben anzufangen. Zu dumm nur, dass sie wegen der erzwungenen Untätigkeit im Flugzeug ständig an ihre Nacht mit Adam denken musste. So befreiend dieser Akt der Rebellion in dem Moment auch gewesen war, so übermächtig waren ihre Panik und ihre Reue nach dem Aufwachen am nächsten Morgen. Und da sie nicht gewusst hatte, wie sie mit der Situation umgehen sollte, hatte sie einfach die Flucht ergriffen.

Aber inzwischen war das alles Schnee von gestern. In San José würde sie ein neues Kapitel aufschlagen und ihr Leben endlich selbst in die Hand nehmen. Kein Mensch kannte dort die Gilfords aus Boston oder wusste, dass sie die einzige Versagerin in einer Familie war, deren Erfolge sogar die der Rockefellers und Oppenheimers in den Schatten stellten.

Sie beschloss, gleich ein paar Regeln für ihr neues Leben aufschreiben. Rasch begann sie in ihr Handy zu tippen:

Keine Verlobungen mehr mit „passenden“ Männern, zumindest nicht nach Gilford-Maßstäben

Mich nie mehr dem Druck der Familie beugen

Nie mehr versuchen, jemand zu sein, der ich nicht bin

Nie mehr meine Kurven, meine Haare oder meine „unweibliche“ Körpergröße verbergen

Keine züchtige, geschmackvolle Unterwäsche oder flache Schuhe mehr tragen

Keine Panikattacken mehr bekommen

Und definitiv keine One-Night-Stands mit scharfen dunklen Männern mehr

Oh ja, von jetzt an würde sie selbst über ihr Leben bestimmen – und wenn sie dabei draufging!

Adam lehnte sich in seinem Stuhl zurück und unterdrückte ein Gähnen. Nach zehn Stunden OP war dieses Meeting an einem Dienstagabend um acht das Letzte, was er gebrauchen konnte. Er hörte daher nur mit einem Ohr hin, als Dr. Rutherford die Tugenden und Errungenschaften der neuen Geschäftsführerin der von ihm mitgegründeten Galahad Foundation rühmte, obwohl die Frau auffällig durch Abwesenheit glänzte.

Coco Rutherford hatte ihm schon so oft von Samantha Jefferies aus Boston vorgeschwärmt, dass Adam ihrer Einstellung vor einem Monat, ohne zu zögern, zugestimmt hatte. Er war froh, dass sie ihm und seinen Kollegen lästige Zusatzaufgaben wie die Organisation von Terminen für Transplantationen und Operationen sowie die Beschaffung von Spendengeldern abnehmen würde.

Ein weiteres Gähnen unterdrückend ließ er seine Gedanken schweifen – genau dorthin, wohin sie immer abdrifteten, wenn er mal zwei Minuten Ruhe hatte: zu seiner Pfingstrose. Er bekam die Frau schon seit dem Wochenende, an dem er an der UCSF School of Medicine eine Forschungsarbeit vorgestellt hatte, nicht mehr aus dem Kopf. Obwohl von Anfang an klar gewesen war, dass es sich nur um einen One-Night-Stand gehandelt hatte, fragte er sich oft, wo sie wohl steckte und warum sie ohne Abschied verschwunden war. Und ob er sie je wiedersehen würde.

Dabei konnte er eigentlich froh sein, dass es vorbei war. Er hatte nämlich erst zu spät den Abdruck eines Rings an ihrem linken Ringfinger gesehen, und normalerweise war es nicht seine Art, mit verheirateten Frauen zu schlafen.

Oder mit Frauen, die verlobt waren und ein letztes Mal ihre Freiheit auskosten wollten, bevor sie den Bund fürs Leben schlossen. Als Produkt einer solchen Liaison wusste er nämlich, was für schmerzhafte Folgen so etwas haben konnte – für alle Beteiligten. Solange er denken konnte, hatte er sich weder in der Welt seines Vaters noch der seiner aus einer reichen weißen Familie stammenden Mutter heimisch gefühlt.

Er wusste zwar nicht, ob auch Amanda aus gutem Haus war, hatte aber das Gefühl gehabt, dass der Sex mit ihm auch bei ihr ein Akt der Rebellion gewesen war. Trotzdem hätte er gern noch den nächsten Tag mit ihr verbracht, bevor ihre Wege sich wieder trennten.

Denn so, wie die Dinge standen, wusste er nichts über sie außer ihrem Vornamen und dass sie in Krisensituationen Panik bekam. Ach ja, und dass sie an der linken Brust ein winziges Muttermal hatte sowie sexy Grübchen am Steiß. Und dass sie die sinnlichste Frau war, mit der er je geschlafen hatte.

Unwillkürlich dachte er wieder an ihre weichen, vollen Lippen, die er viel lieber geküsst hatte als die jeder anderen Frau. Und an ihre schönen Augen, die bei Erregung fast kobaltblau wurden. Bei der Erinnerung daran, wie sie sich auf die Unterlippe gebissen hatte, um ihr heiseres Stöhnen und ihre sexy Seufzer zu unterdrücken, als er ihren Körper mit dem Mund erforscht hatte, schoss ihm prompt das Blut in die Lenden.

Er wollte Coco gerade vorschlagen, dem Stiftungsvorstand die neue Kollegin ein andermal vorzustellen, als er plötzlich eine seltsam vertraute Stimme aus dem Vorzimmer hörte. Drei Sekunden später flog die Tür auf, und eine Frau mitsamt Parfumwolke wirbelte in den Raum.

„Tut mir schrecklich leid, dass ich so spät komme“, entschuldigte sie sich atemlos und setzte sich eilig auf den nächsten freien Platz – zufällig direkt gegenüber von Adam. „Aber mein Flieger hatte schon in Boston Verspätung, und nach meiner Ankunft am Flughafen war mein Koffer plötzlich verschwunden.“

Adam war so vom Donner gerührt, dass er kaum mitbekam, was sie als Nächstes sagte und wie Coco Rutherford und die anderen darauf reagierten. Er bekam gar nichts mehr mit, denn die Frau, die plötzlich vor ihm saß, war genau die, an die er gerade so intensiv gedacht hatte.

Oder?

Er musterte die Neue aufmerksam. Obwohl sie der Frau, mit der er in San Francisco eine leidenschaftliche Nacht verbracht hatte, verblüffend ähnlich sah, war sie eher der Typ elegante, gepflegte Geschäftsfrau und nicht seine wilde, leidenschaftliche Pfingstrose.

Verschwunden waren das zerzauste Haar und das kurze pinke Prinzessinnenkleid. An dessen Stelle war ein knielanges türkisfarbenes Wickelkleid mit schwarzen Abnähern getreten, das sich eng um ihre tollen Kurven schmiegte. Das kastanienbraune Haar hatte sie sich zu einem strengen Knoten hochgesteckt, was ihre schönen blauen Augen und ihre helle, zarte Haut betonte. Ihr Make-up war trotz des verspäteten Flugs und des Ärgers mit dem Gepäck perfekt.

Adam schwirrte so der Kopf, dass er Cocos einleitende Worte komplett verpasste. Als er sich gerade fragte, ob es wirklich zwei Frauen auf der Welt geben konnte, die sich so ähnlich waren, begegnete die Neue seinem Blick und keuchte erschrocken auf. Das Grübchen, das dabei auf ihrer linken Wange erschien, bestätigte seinen Verdacht, dass es sich bei dieser kühlen, beherrschten Fremden und bei seiner leidenschaftlichen, zerzausten Pfingstrose um dieselbe Frau handelte.

Betont lässig stand er auf und beugte sich über den Tisch, um ihr zur Begrüßung die Hand hinzuhalten. Um nicht unhöflich zu wirken, blieb ihr nichts anderes übrig, als sie zu schütteln. Er spürte, wie sehr ihr dies widerstrebte, und musste bewundernd anerkennen, wie gut es ihr trotzdem gelang, die Fassung zu wahren.

Er schüttelte ihr die Hand, bis ihre Augen wütend aufblitzten. „Sie sind also … Samantha?“, fragte er gedehnt und ließ dabei einen Daumen über ihre Handfläche gleiten.

Das schien sie etwas aus dem Konzept zu bringen, denn sie blinzelte verwirrt. „Korrekt.“

Coco sah aufmerksam zwischen ihnen hin und her. Ihr schien die seltsame Spannung nicht zu entgehen, und schrägerweise schien sie sich darüber zu freuen.

Adam setzte sich wieder hin, verschränkte die Arme vor der Brust und sah seine Mentorin herausfordernd an. Coco reagierte mit einer erhobenen Augenbraue und einem flüchtigen Lächeln, bevor sie sich wieder den übrigen Teilnehmern zuwandte.

Adam tat so, als höre er ihr zu, bekam jedoch nicht das Geringste mit. Er war viel zu beschäftigt damit, seine Pfingstrose aus einem Augenwinkel zu beobachten, während diese ihn geflissentlich ignorierte. Aber natürlich tat sie nur so, als nähme sie ihn gar nicht zur Kenntnis. Denn ab und zu ertappte er sie dabei, wie sie ihm einen nervösen Seitenblick zuwarf. Ihre innere Anspannung war nicht zu übersehen.

Als sie das nächste Mal in seine Richtung sah, drehte er ihr das Gesicht zu und fing ihren Blick direkt auf. Hastig wandte sie sich wieder ab, griff zur Mappe mit dem aktuellen Geschäftsbericht und fächelte sich damit Luft zu.

Als Coco das Meeting schließlich für beendet erklärte und die Anwesenden zu einem Begrüßungsdrink nach nebenan einlud, leerte sich der Raum sofort. Bis auf Coco und Adam.

Er schob seinen Stuhl zurück und folgte Samantha mit dem Blick, als sie fast fluchtartig das Zimmer verließ. Er konnte es kaum erwarten, sie zur Rede zu stellen. Aber eins nach dem anderen.

Coco griff nach ihrem Handy – wahrscheinlich um so zu tun, als sei sie beschäftigt. Aber Adam kannte seine Mentorin schon seit der Uni und ließ sich daher nicht so schnell täuschen. „Was ist los?“, fragte er sie.

Sie hob den Zeigefinger, um ihm zu signalisieren, dass er sich einen Moment gedulden sollte, bevor sie den Kopf hob und ihn kühl und fragend ansah. Doch Adam entging das kurze belustigte Aufblitzen in ihren Augen nicht. „Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst. Vielleicht kannst du dich etwas deutlicher ausdrücken?“

„Ich spreche von deinem Blick. Ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass du irgendwas im Schilde führst.“

Coco stand lachend auf. „Du bist ja paranoid“, sagte sie. „Wahrscheinlich arbeitest du zu viel. Komm mit, du siehst hungrig aus. Außerdem kannst du es offensichtlich kaum erwarten, mit Sammie zu reden.“

Himmel, war er wirklich so leicht zu durchschauen? „Glaubst du?“

Autor

Lucy Ryder
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Tina Beckett
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