Julia Best of Band 229

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DREI TAGE UND DREI NÄCHTE
War alles nur ein schöner Traum? In seinem luxuriösen Penthouse am Strand von Byron Bay schenkt der berühmte Milliardär Peter Ramsey seiner Liebsten den Himmel auf Erden. Doch als sie ihm unerwartet enthüllt, wer sie wirklich ist, will er dem Zauber ein Ende setzen …

EROBERUNG IN DER KARIBIK
Der Sand ist fein wie Puderzucker, das Meer leuchtet smaragdgrün, die Sonne strahlt am Himmel. Die Tage, die Rosalie in Adams Villa in der Karibik verbringt, sind einfach wundervoll! Doch obwohl ihre Gefühle in Aufruhr sind, bleibt sie distanziert. Sie weiß einfach nicht, was Adam will …

VERFÜHRUNG WIE IM MÄRCHEN
Was für eine widerspenstige Schönheit! Scheich Zageo ist von der temperamentvollen Emily hingerissen. Zu gern möchte er sie in einer sinnlichen Nacht in seinem Palast verführen. Weshalb er einen ebenso aufregenden wie riskanten Plan schmiedet …


  • Erscheinungstag 31.07.2020
  • Bandnummer 229
  • ISBN / Artikelnummer 9783733714710
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Emma Darcy

JULIA BEST OF BAND 229

1. KAPITEL

Die junge Frau hob die Stoppkelle, trat vom Straßenrand auf den Zebrastreifen und brachte damit seinen Wagen zum Stehen. Eine Schar Kindergartenkinder wartete darauf, die Straße überqueren zu können und in den Park auf der gegenüberliegenden Seite zu kommen. Jedes der Kleinen trug eine Butterbrotdose unter dem Arm.

Genau der richtige Tag für ein Picknick im Park, dachte Peter und lächelte unwillkürlich über die fröhlichen kleinen Gesichter.

„Tolles Auto!“

Der anerkennende Kommentar riss Peter aus seinen Gedanken, und er richtete seinen Blick auf die Kindergärtnerin mit der Stoppkelle. Ein offenes Lachen stand auf ihrem Gesicht, die Augen funkelten verschmitzt. Macho in protzigem Cabrio für eine Truppe Kleinkinder angehalten, schien sie in Gedanken zu sagen. Sie genoss ihre augenblickliche Macht ganz offensichtlich. Peter machte es nichts aus. Ihr Lachen war ansteckend, und so grinste er zurück.

Jetzt drehte sie sich zur Seite, um den Kleinen über die Straße zu helfen, und ein Funke von Interesse flammte in Peter auf. Er konnte nicht umhin, sie zu beobachten. Sie gefiel ihm. Ihre Jeans schmiegte sich um ihren runden Po und ihre extrem langen Beine. Sie war sehr groß, wohl kaum kleiner als er selbst. Das T-Shirt mit dem runden Ausschnitt betonte ihre schmale Taille und ihre festen, runden Brüste. Ganz eindeutig war sie eine Augenweide.

Ihm gefiel es auch, dass sie ihr Haar zu einem schlichten Pferdeschwanz gebunden hatte. Dunkles Haar, fast schwarz. Der Zopf wippte vorwitzig, während sie den Kopf hin- und herdrehte, um ihre Schützlinge zu überwachen. Ihre zierliche Stupsnase zeigte frech leicht nach oben, und ihre kleinen Ohren ließen ihn an eine Elfe denken. Sie hatte helle, klare Haut und trug offensichtlich kein Make-up, außer dem rosa Lipgloss, das zu ihrem pinkfarbenen T-Shirt passte. Diese Frau war eine natürliche Schönheit. Ungefähr Mitte zwanzig? Schwer zu schätzen.

Das letzte Kind, ein kleiner Junge, fasste jetzt nach ihrer Hand, als würde er nach einem heiß ersehnten Preis greifen, und zog sie entschlossen mit sich. Ich kann’s dir nicht verübeln, Kleiner, dachte Peter und sah, wie der Junge bewundernd zu ihr aufschaute.

Jetzt drehte sie sich zu Peter um und sah ihn direkt an. Mit diesem wunderbaren Lächeln winkte sie mit der Kelle, ein kecker Gruß, um sich bei ihm für seine Geduld zu bedanken. Er hob die Hand und grüßte zurück, und sein Mund verzog sich automatisch ebenfalls zu einem Lächeln. Spontan erfasste ihn ein seltsames Glücksgefühl. Er beobachtete, wie sie mit dem Jungen an der Hand im Park verschwand, und am liebsten hätte er seinen Wagen geparkt und wäre ihr gefolgt.

Hinter ihm ertönte eine Hupe.

Widerstrebend fuhr er an, obwohl er wusste, dass sein Impuls, ihr folgen zu wollen, absolut unsinnig war. Was verband ihn schon mit einer Kindergärtnerin? Aber hatte Prinzessin Diana nicht auch mit kleinen Kindern gearbeitet, bevor sie Prinz Charles heiratete? Sicher, die Ehe war schiefgegangen, aber Diana würde den Menschen immer als Königin der Herzen in Erinnerung bleiben. Sie hatte die Menschen berührt …

Welche Frau hatte ihn in den letzten Jahren berührt? Peter Ramsey, begehrtester Junggeselle in ganz Sydney, Erbe eines Milliardenvermögens und zudem Milliardär aus eigener Kraft, kannte den Grund nur zu genau, warum er jede schöne Frau haben konnte. Für sein Sexleben war das natürlich fabelhaft, doch keine hatte auch nur annähernd tiefe Gefühle in ihm geweckt, sodass die Beziehung den ersten Lustrausch überdauert hätte. Vielleicht lag es ja auch an ihm. Vielleicht war er zu zynisch geworden, weil sich immer die Frage nach seinem Vermögen stellte, sobald das Wörtchen „Heirat“ sich einschlich.

Selbst das hübsche Ding dort mit dem Pferdeschwanz … Hatte sie ihn nur wegen seines Sportwagens angelächelt?

Trotzdem … großartiges Lächeln.

Und der Funke Interesse war noch immer da.

Geh sie dir anschauen, flüsterte dieser Funke ihm zu. Du hast doch Zeit.

Und Lust.

Nach der künstlichen Manieriertheit von Alicia Hemmings – seiner letzten Ex – wäre es … erfrischend und aufregend, eine Frau kennenzulernen, die völlig natürlich auf ihn reagierte. Vor allem im Bett. Keine Vorspiegelung falscher Tatsachen, immer mit Hintergedanken und Blick auf den Nestbau. Nein, wenn er hinterher dieses natürliche Lächeln sehen würde, dann …

Noch während er sich selbst für seine abstrusen Hirngespinste verspottete, schlug er das Lenkrad ein und bog in die nächste Seitenstraße. Er parkte den Wagen im ersten Parkplatz, den er fand. Ein Druck auf den Knopf, und das Faltdach fuhr hoch und schloss sich über ihm. Da er nicht als der Cabriofahrer erkannt werden wollte, zog er die Kappe vom Kopf, setzte die Sonnenbrille ab, zog Jackett und Krawatte aus und öffnete den obersten Knopf seines Hemdes. Schnell rollte er noch seine Ärmel auf und setzte sich dann in Bewegung zu einem harmlosen Spaziergang im Park.

Es war durchaus denkbar, dass man ihn als Peter Ramsey erkannte, angesichts der Häufigkeit, mit der sein Gesicht in den Medien auftauchte. Aber wer würde das schon glauben, an einem solchen Ort? Außerdem war es so oder so egal. Die Frau war von Kindern umringt, also kaum der richtige Zeitpunkt, sich ihr vorzustellen – auf welche Weise auch immer. Natürlich war dieser Impuls, ihr zu folgen, absurd, dennoch ließ ihn die Neugier nicht los. Im Gegenteil, sie war geradezu drängend geworden. Diese Frau war einfach anders, sie gehörte nicht zu der Sorte, die in seiner Welt lebte.

An einem Kiosk kaufte er sich zwei Sandwiches und eine Dose Cola. Eigentlich war es doch eine gute Idee, und jeder würde es nachvollziehen können, dass er seinen Lunch hier im Park einnahm. Es machte ihm sogar Spaß, dieses neue Spiel, sich zu geben, als wäre er ein anderer. So impulsiv zu handeln war auf jeden Fall nicht langweilig.

Die Kinder saßen im Gras, von einem Feigenbaum mit ausladenden Ästen und großen Blättern vor der heißen Mittagssonne geschützt. Alle Gesichter waren auf die dunkelhaarige Frau mit dem Pferdeschwanz gerichtet, die anscheinend eine Geschichte erzählte, der alle konzentriert lauschten. Peter ließ sich auf einer Bank in der Nähe nieder, von wo aus er die junge Frau beobachten und gleichzeitig der Geschichte zuhören konnte.

Ihr Gesicht war äußerst lebendig, und es war ein wunderschöner Anblick, ihr zuzusehen. Auch ihre Stimme war faszinierend. Mit wunderschönen Versen und einem fließenden Singsang erzählte sie das Märchen von einer Prinzessin mit einem magischen Regenbogenlächeln und einem Herzen aus Gold, die aus dem wunderbaren Immerland gekommen war, um allen Kindern Glück und Freude zu bringen.

Natürlich kam auch ein Bösewicht in dem Märchen vor – ein wirklich mieser und heimtückischer Bengel, der nur schwarz trug und es darauf anlegte, jedem Kind die Freude zu verderben und Lügen über die Prinzessin zu verbreiten, damit sie aus dem Leben der Kinder verschwand. Nur ein kleiner Junge glaubte die Lügen des Schlingels nicht, und mit mächtigem Löwengebrüll rief er die Prinzessin aus Immerland zurück und stellte den gemeinen Kerl als das bloß, was er war – als hinterhältigen, elenden Lügner.

Das klassische Märchen – Gut siegt über Böse. Und doch war Peter fasziniert von den Reimen und dem lebendigen Vortrag. Die Kleinen schienen die Geschichte auswendig zu kennen, denn manchmal fielen sie in die Reime mit ein, und vor allem, als die Erzählung zu der Stelle mit dem Löwengebrüll kam, waren sie alle mit vollem Einsatz dabei. Offenbar handelte es sich um ein bekanntes Kinderbuch. Peter nahm sich vor, sich danach zu erkundigen. Er würde es als Geschenk für seinen Neffen kaufen.

Nachdem die letzte Zeile verklungen war, sprangen die Kinder auf und fassten sich bei den Händen, um einen Ringelreihen zu tanzen. Natürlich gab es Gerangel, wer denn nun die Hand der Geschichtenerzählerin halten durfte. Bis einer der anderen Erwachsenen vorschlug: „Stell dich doch als Prinzessin in die Mitte des Kreises, Erin.“

Erin also … ein hübscher Name. Und offensichtlich konnte sie gut mit Kindern umgehen, denn jedes der Kleinen betete sie geradezu an.

Nun, er fühlte sich ebenfalls zu ihr hingezogen und keineswegs nur wegen ihres Äußeren, auch wenn dessen Wirkung ihm mehr und mehr zu schaffen machte. Er stellte sich vor, wie sie ihm Märchen erzählen würde … erotische Märchen im Bett. So wie Scheherazade dem Sultan.

Das würde ihm gefallen. Sehr sogar.

Doch wie konnte er Prinzessin Erin auf ungezwungene Weise kennenlernen?

Vielleicht war sie ja verheiratet. Oder bis über beide Ohren verliebt. Energisch verdrängte Peter diese Gedanken. Er musste sich auf das Wesentliche konzentrieren, um sein Ziel erreichen zu können.

Einen direkten Weg gab es hier wohl nicht. Wie viel einfacher war es da für seinen Freund und jetzigen Schwager Damien Wynter gewesen. Nach dem ersten Blick auf Peters Schwester war Damien vorangestürmt und hatte Charlotte davon überzeugt, ihn heiraten zu müssen und nicht den Mitgiftjäger, der fast schon einen Ring an Charlottes Finger gesteckt hatte.

Peter erinnerte sich daran, dass er Damien gefragt hatte, woher er so genau wusste, dass Charlotte die Richtige war. Die Antwort würde Peter wohl nie vergessen.

„Irgendwo klingelt da was in deinem Kopf. Eine Stimme sagt dir, dass du das, was du mit dieser Frau vielleicht haben könntest, auf gar keinen Fall verpassen darfst. Weil sie diejenige ist, auf die du gewartet hast.“

Wollte ihm sein Instinkt etwa sagen, Erin sei die Richtige? Sofort spöttelte die Stimme der Erfahrung, dass hier eindeutig die Pferde mit ihm durchgingen. Dennoch wusste er, dass er im Moment nichts lieber wollte, als hierzubleiben und Erin zuzusehen. Und wer konnte sagen, wo es ihn hinführen würde? Vielleicht zu etwas Besserem, als er es aus der Vergangenheit gewohnt war. Auch wenn das eher unwahrscheinlich …

„Hey!“, schrie eine der Erzieherinnen alarmiert auf, als ein Mann den Kreis der tanzenden Kinder sprengte, einen kleinen Jungen in seine Arme riss und fest an sich drückte.

„Er ist mein Sohn!“, knurrte er die drei Frauen an, die sofort auf ihn zustürmten. Fast klang es wie das Knurren eines wilden Tieres. Der Mann wich mit ruckartigen Bewegungen zurück, den Jungen noch immer an seine Schulter gepresst.

Die Frauen redeten auf den Mann ein, und die Kinder begannen zu weinen, aufgeregt durch die bedrohliche Atmosphäre, die so plötzlich entstanden war.

Peter sprang auf und schritt vorsichtig auf die Gruppe zu. Fetzen der erregten Unterhaltung drangen an sein Ohr, während er um die große Feige herumging, um sich rücklings an den verzweifelten Vaters anzupirschen.

„Ich bin sein Vater. Ich habe jedes Recht der Welt, Thomas mitzunehmen.“

„Wir tragen die Verantwortung für Thomas, Mr. Harper. Seine Mutter hat ihn uns für den Tag überlassen, und …“

„Seine Mutter hat ihn mir weggenommen. Er ist mein Sohn!“

„Das sollten Sie mit Ihrer Frau klären, Mr. Harper.“

„Zu mir lässt sie ihn nicht, aber dann lädt sie ihn bei Leuten wie Ihnen ab. Sie bedeuten ihm doch nichts, wer sind Sie schon? Aber ich, ich bin sein Vater!“

„Wir werden die Polizei verständigen müssen, wenn Sie Thomas mitnehmen.“

„Mr. Harper, das ist keine gute Idee. Wenn Sie im Gefängnis sitzen, werden Sie Ihren Sohn erst recht nicht sehen können.“ Das war Erins Stimme, die leise an seine Vernunft appellierte.

Doch ein hysterisches Lachen machte alle Vernunft zunichte. „Das nennt man wohl Gerechtigkeit, was? Ich habe nichts Falsches getan, aber meine untreue Ehefrau, diese Schlampe, darf meinen Sohn behalten!“

„Gehen Sie vors Familiengericht“, versuchte Erin es weiter. „Dort bekommen Sie eine faire Verhandlung, wenn Sie …“

„Fair? Nichts ist fair!“ Tränen der Wut und der Verzweiflung schossen in Mr. Harpers Augen. „Sie hat ihrem aufgeblasenen Staranwalt unmögliche Lügen über mich erzählt. Mir bleibt keine andere Chance als diese hier! Keine andere Chance! Sagen Sie meiner Frau, sie kann ihren reichen Lover ruhig behalten, aber meinen Sohn, den kriegt sie nicht … Niemals!“ Die gequälten Schluchzer des Mannes gingen jedem durch und durch. Strauchelnd wich er zurück.

„Ich rufe jetzt die Polizei.“ Eine der Erzieherinnen holte ihr Handy hervor.

„Tun Sie es nicht!“ Peter trat vor und legte dem schluchzenden Vater einen Arm um die Schultern, sowohl stützend als auch, um ihn in Gewahrsam zu nehmen.

Erin sah erstaunt zu ihm hin. „Wer sind Sie?“

Sie hatte grüne Augen.

Faszinierende grüne Augen.

Und Peter wollte am liebsten die Frage, die er in diesen wunderschönen Augen las, ehrlich beantworten … Nur, er hatte nicht vor, das Gewicht seines Namens hier in die Runde zu werfen.

„Das ist nicht wichtig. Ich bin nur ein Mann, der nicht mit ansehen kann, wie ein anderer Mann zusammenbricht“, antwortete er knapp und warf einen einschüchternden Blick voller Autorität zu der Erzieherin mit dem Handy. „Lassen Sie das bitte. Wenn Sie die Polizei rufen, machen Sie alles nur noch schlimmer. Ich kümmere mich um diese Sache.“

„Und ich trage die Verantwortung für die Kinder“, widersprach die Frau gereizt. Sie war um einiges älter als Erin, etwa Mitte fünfzig, mit stahlgrauem Haar und einer untersetzten Figur. „Ich werde Mrs. Harper Rede und Antwort stehen müssen, wenn Thomas etwas geschieht.“

„Thomas wird gar nichts geschehen“, versicherte Peter. „Mr. Harper möchte seinen Sohn nur für ein paar Minuten halten. Das ist unter den gegebenen Umständen doch verständlich, oder?“

„Er muss ihn aber bei uns lassen“, insistierte die Ältere.

„Natürlich. Das wird er auch tun, dafür sorge ich.“ Der Vater war so verzweifelt und erschüttert, er würde sich nicht auf einen Kampf einlassen. Und selbst wenn, gegen Peter hätte er keine Chance.

Die Frau musterte Peter von Kopf bis Fuß. Seine Größe – gut eins neunzig –, seine breiten Schultern, seine muskulöse Gestalt. Harper dagegen war klein und schmächtig, er reichte Peter gerade bis zum Kinn. Es war von vornherein klar, wer bei einem Kräftemessen die Oberhand gewinnen würde.

„Er soll den Jungen absetzen“, verlangte die Frau.

Doch in diesem Moment begann der Junge zu weinen. „Ich will zu meinem Daddy. Ich hab meinen Daddy lieb.“ Er schlang die Arme um den Hals seines Vaters und schmiegte seinen Kopf an dessen Schulter. „Nicht weinen, Daddy. Ich will nicht, dass du weinst.“

Den Jungen jetzt von seinem Vater wegzuzerren wäre brutal. Es gab schonendere Alternativen. „Geben wir uns doch ein wenig Zeit, damit sich jeder wieder beruhigen kann.“ Peter hoffte darauf, einen Funken Mitgefühl in der älteren Erzieherin zu wecken. „Ich werde mich mit Mr. Harper dort drüben auf die Bank setzen“, er deutete mit dem Kopf zu der Parkbank, auf der er vorhin gesessen hatte. „Dann kann er mit Thomas zusammen sein, und die anderen Kinder können unter Ihrer Aufsicht noch eine Weile spielen.“

„Sie sind alle völlig aufgeregt“, widersprach die Frau. „Wir sollten sie zum Kindergarten zurückbringen.“

Peter richtete seine Aufmerksamkeit auf Erin, die ihn offen ansah, Verwunderung und Erstaunen in den wunderbaren grünen Augen. Verlangen brandete in ihm auf, jäh und mächtig, und alle Zweifel an seiner impulsiven Handlung verpufften. Adrenalin pulste durch sein Blut, und er verspürte ein Ziehen in seinen Lenden.

„Erzählen Sie den Kindern noch eine Geschichte“, wandte er sich lächelnd an sie. „Sie erzählen wunderbar, ich habe Ihnen auch zugehört, als ich meinen Lunch aß. Bei einem Ihrer Märchen vergessen die Kinder bestimmt sofort die unangenehme Situation.“

Es zuckte schwach um ihre Mundwinkel, die Andeutung eines Lächelns. „Danke. Ich glaube auch, das ist eine wirklich gute Idee.“

„Erin …“, protestierte die andere. Es störte sie ganz offensichtlich, dass ihr die Kontrolle aus der Hand genommen wurde.

„Sarah, er ist doch wirklich groß und kräftig genug“, erwiderte Erin mit einem zuversichtlichen Blick auf Peter und tat den Einwand mit einem Handwisch ab.

Es war kein Ring an ihrem Finger. Das registrierte er sofort.

„Außerdem kannst du immer noch die Polizei rufen, wenn es schiefgeht.“

Ein Triumphgefühl durchlief Peter. Erin war auf seiner Seite. Der erste Schritt war gemacht, und darauf ließ sich aufbauen.

Sie wandte sich jetzt wieder ihm zu. „Auf dem Rückweg zum Kindergarten holen wir Thomas wieder ab.“

„Einverstanden. Aber wahrscheinlich sollten Sie allein kommen, um den Jungen zu holen. Thomas wird sich wohl weniger sträuben, wenn die Prinzessin ihn bei der Hand nimmt und von seinem Dad wegholt.“

Ein Hauch Röte zog über ihren wunderbar hellen Teint. Peter kannte keine Frau, die je rot geworden wäre. Er fand es bezaubernd.

„Gut“, erwiderte sie hastig, dann drehte sie sich um, um die Kinder wieder zu einer kleinen Gruppe um sich zu scharen.

Mit gerunzelter Stirn warf Sarah Peter einen verärgerten Blick zu. Anscheinend hatte sie nicht vor, weiterhin gegen seinen Vorschlag anzugehen. Doch offensichtlich gefiel es ihr ganz und gar nicht, in eine Situation gedrängt worden zu sein, in der sie einem Fremden vertrauen sollte. Dennoch wandte sie sich schließlich ab, um sich ebenfalls um ihre Schützlinge zu kümmern.

Da Peter sich nun sicher war, Erin noch einmal allein zu sehen, schob er den armen Harper zu der Bank hinüber, darauf bedacht, durch Mitgefühl das Vertrauen des Mannes zu gewinnen. „Ich kann mir vorstellen, dass Ihnen das alles über den Kopf gewachsen ist. Aber lassen Sie uns reden und sehen, ob es nicht einen Weg gibt, wie Sie mit Ihrem Sohn zusammenkommen können.“

Jeder Kampfgeist hatte Harper verlassen, der Mann war am Ende seiner Kräfte, so schien es Peter. Erschöpft ließ er sich auf die Bank fallen und wiegte sich vor und zurück, seinen Jungen in den Armen – das Bild eines Mannes, der alle Hoffnung verloren hatte.

Als er sich genügend gesammelt hatte, sah er Peter verzweifelt an. „Sie hat dem Anwalt gesagt, ich würde meinen Sohn schlagen. Aber das stimmt nicht. Ich würde meinen Jungen nie anrühren …“

Peter glaubte ihm. Denn der Junge hatte keine Angst, sondern klammerte sich an seinen Vater, als hätte er ihn ebenso vermisst wie der Vater den Sohn. Die Liebe zwischen den beiden war nicht zu übersehen.

„Ein guter Anwalt sollte das klären können“, riet er dem Mann.

„Ich kann mir keinen leisten. Ich hab meinen Job verloren. Konnte einfach nicht mehr die Energie dafür aufbringen.“

„In welchem Beruf arbeiten Sie?“

„Als Handelsvertreter.“

„Also gut. Wie wäre es, wenn ich Ihnen eine neue Stelle besorge und Sie zu einem Anwalt bringe, der auf Familienrecht spezialisiert ist? Dann haben Sie jemanden, der Ihnen am besten raten kann, wie es weitergehen soll.“

„Warum sollten Sie so etwas tun?“ Argwohn und Unsicherheit spiegelten sich in Harpers Blick wider. „Sie kennen mich doch gar nicht.“

Peter stutzte. Ja, welche Motive standen hinter seinem Vorschlag? Weil es ihn störte, dass ein Vater von seinem Sohn getrennt werden sollte? Weil er nicht mit ansehen konnte, wie ein Mann zerstört wurde, weil die Ehefrau ihm alles nahm? Weil er schlicht und einfach die Ungerechtigkeit nicht ertragen konnte?

Oder weil spontane Entscheidungen heute sein Leben zu steuern schienen?

Erin …

Wenn er sich der Sache mit Thomas annahm, konnte er die Verbindung zu ihr halten. Er hatte dann einen Fuß in der Tür zu ihrem Arbeitsplatz. Harper wusste es natürlich nicht, aber er war ein Geschenk des Himmels, um die Bekanntschaft zu der Frau, die Peter mehr wollte als je eine andere, ausweiten zu können.

Doch jetzt würde er es bei einer einfachen Antwort belassen. „Weil ich die Möglichkeit dazu habe, Harper. Und ich bin der Ansicht, Thomas braucht seinen Vater. Das ist wichtig im Leben eines Kindes.“

Harper schüttelte ungläubig den Kopf. „Sie versprechen da eine Menge.“

„Sie können mir ruhig glauben. Ich kann und ich werde halten, was ich verspreche.“

Seine Miene spiegelte Zweifel, den Wunsch, es glauben zu können, und das Hoffen auf ein Wunder wider. Schließlich fragte er: „Wer sind Sie?“

Die gleiche Frage hatte auch Erin gestellt.

Dieses Mal würde er antworten müssen. Damit wäre auch sofort seine Glaubwürdigkeit garantiert. Peter zog seine Brieftasche hervor und hielt Harper seinen Führerschein hin.

„Peter Ramsey“, las Harper laut, und sofort traf ihn der Schock. Der Name des Milliardärs war ausreichend bekannt. Mit aufgerissenen Augen starrte Harper sein Gegenüber an, das Gesicht, das regelmäßig in den Medien zu sehen war – das markante Kinn, das dunkelblonde Haar, die blauen Augen, die hohen Wangenknochen, die Sommersprossen auf der geraden Nase, verblichene Zeichen einer Kindheit an der frischen Luft und in der Sonne. Erkennen und Fassungslosigkeit stand ihm nun ins Gesicht geschrieben. „Was tun Sie hier?“, stieß er hervor.

Allein in einem öffentlichen Park, ohne die üblichen Sicherheitsvorkehrungen, die ihn normalerweise umgaben? Peter zuckte mit den Schultern. „Ich nehme mir eine kleine Auszeit von meinem gewohnten Leben.“

„Die Chancen standen eins zu einer Million …“, stammelte Harper überwältigt.

Peter lächelte leicht ironisch. „Da haben Sie heute wohl einen Glückstreffer gelandet.“

„Meinen Sie das wirklich ernst? Sie wollen mir helfen?“

„Ja. Am besten Sie kommen gleich mit mir mit, damit wir die Dinge für Sie in eine positive Richtung lenken können, gleich nachdem Thomas mit den anderen wieder zum Kindergarten zurückkehrt. Und inzwischen – warum lassen Sie sich nicht von Ihrem Sohn erzählen, wie es ihm geht, was er so macht, was es Neues bei ihm gibt?“

Harper streckte spontan die Hand aus. „Das ist unglaublich großzügig von Ihnen, Mr. Ramsey.“

„Keine Ursache“, erwiderte Peter und schüttelte die dargebotene Hand.

„Ich heiße Dave. Dave Harper.“

„Freut mich, Dave.“

Es freute ihn wirklich – mitzuerleben, wie der Mann seinem Jungen versicherte, dass Daddy jetzt wieder in Ordnung sei und dass sie sich bestimmt sehr bald wiedersehen würden.

Währenddessen zog Erin die Gruppe der Kinder mit einem weiteren Märchen in ihren Bann. Nicht eines der Kleinen drehte den Kopf, um vielleicht nach Thomas und dessen Vater zu sehen. Die Krise war gemeistert, dachte Peter zufrieden.

Nichtsdestotrotz würde Sarah sich verpflichtet fühlen, Thomas’ Mutter von dem Vorfall zu berichten, wenn die Frau am Nachmittag ihr Kind abholte. Und das würde Dave mit Sicherheit Schwierigkeiten einbringen. Auch wenn die Entführung verhindert worden war, so würde man Dave unterstellen, dass ein wiederholter Versuch in Zukunft nicht auszuschließen war. Er würde versuchen müssen, das von vornherein zu unterbinden.

Außerdem – das zu regeln würde Peter die Chance bieten, Erin offiziell kennenzulernen.

Ihm würde wohl nichts anderes übrig bleiben, als seinen Namen in die Waagschale zu werfen, um Sarah aufzuhalten. Nun, lange würde er seine Identität vor Erin so oder so nicht verheimlichen können.

Peter zog eine leichte Grimasse. Das Preisgeben seiner Identität würde eine unvermeidliche Rolle spielen, wenn es darum ging, ob und wie gut Erin ihn kennenlernen wollte.

Das war immer ein Problem.

Doch im Moment war Peter das gleich.

Das Verlangen nach ihr war zu stark, um sich über solche Probleme den Kopf zu zerbrechen.

2. KAPITEL

Was für ein Mann!

Ein Teil von Erins Gedanken kreiste unablässig um diesen Fremden, während sie die Aufmerksamkeit der Kinder mit einem weiteren Märchen fesselte.

Ein großartiger Mann – in jeder Hinsicht. Er besaß Stärke, Mitgefühl, Durchsetzungsvermögen, mal ganz abgesehen von der fantastischen Figur. Und er war so extrem männlich! Ganz sicher war er so etwas wie ein Prinz. Sie hätte auch gar nichts dagegen, seine Prinzessin zu sein!

Vorhin schon war er ihr aufgefallen, wie er durch den Park schlenderte. Und als er sich dann auf der Bank in Hörweite niedergelassen hatte, war sie dem unwiderstehlichen Drang gefolgt, ihren Vortrag mit besonders viel Elan aufzusagen. Sie hatte viel mehr Ausdruck hineingelegt als sonst. Was natürlich albern war. Erstens war der Mann ein Fremder, und zweitens war es höchst unwahrscheinlich, dass er sie überhaupt wahrnehmen würde, wenn sie hier mit einer Gruppe Kinder zusammensaß.

Doch dann hatte er auch noch beherzt eingegriffen, als Thomas’ Vater im Begriff war, einen schrecklichen Fehler zu begehen. Normalerweise mischten die Leute sich nicht spontan in Angelegenheiten ein, die sie nicht betrafen. Doch dieser Mann hatte sich nicht nur eingemischt, sondern die ganze verfahrene Situation auch noch sehr schnell unter Kontrolle gebracht und auf Anhieb eine Alternative angeboten. Eindeutig ein Beweis, dass er es gewohnt war, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und in Sekundenschnelle Lösungen zu finden.

Außerdem hatte er mit seiner Autorität Sarah gebremst, und Erin kannte niemanden, dem es je gelungen wäre, Sarah dazu zu bringen, sich unterzuordnen. In diesem Falle war es nur gut so. Thomas’ Vater brauchte Hilfe, keinen Gefängnisaufenthalt, der jede Hoffnung auf ein gemeinsames Sorgerecht für seinen Sohn von vornherein zunichtemachte. Mr. Harper tat Erin leid. Die Frau verließ ihn wegen eines reicheren Mannes und nahm auch noch das Kind mit … Er befand sich in einer unmöglichen Lage.

Sarah war anscheinend der Ansicht, dass sie sich hier ebenfalls in einer unmöglichen Lage befanden. Sobald Erin nämlich geendet hatte, drängte die Ältere die Kinder, ihre Butterbrotdosen einzusammeln und aufzustehen, damit sie zum Kindergarten zurückgehen konnten. Sie nahm sogar selbst die Stoppkelle auf und wies Erin an, Thomas zu holen. „Und lass dich nicht von diesem anderen Kerl einschüchtern. Die Mutter des Jungen verklagt uns sonst noch wegen Aufsichtsverletzung.“

„Ich bin sicher, er hält sich an die Abmachung“, erwiderte Erin überzeugt.

„Hat deine Mutter dir nie beigebracht, dass man Fremden nicht trauen soll?“, murmelte Sarah in sich hinein.

Man kann einen fremden Menschen aber auch durchaus an seinen Taten messen, hielt Erin in Gedanken dagegen, als sie in Richtung Parkbank ging, wo der große Mann saß, der Thomas und dessen Vater geholfen hatte. Dieser Mann gehörte eindeutig zu den Guten. Um genau zu sein, mit seiner Statur und dem dichten blonden Haar würde er einen wunderbaren Wikingerkrieger abgeben, der sein mächtiges Schwert dazu einsetzte, das Böse in der Welt zu bekämpfen. Sie sah es schon vor sich … Der Held ihrer nächsten Geschichte würde ganz bestimmt einige seiner Züge aufweisen.

Als er sie jetzt kommen sah, stand er auf. Mr. Harper blieb sitzen, Thomas auf dem Schoß. Der Junge genoss die Nähe seines Vaters ganz offensichtlich. Erins Puls beschleunigte sich rasant, als der blonde Fremde ihr entgegenblickte. Seine blauen Augen besaßen eine durchdringende Intensität, so als könne er ihr direkt ins Herz schauen.

Ihre Haut begann zu prickeln, als hätte sie ein elektrischer Schlag getroffen. Sie war aufgrund ihrer Literaturkarriere schon weit herumgekommen und hatte viele Männer getroffen, aber nie hatte ein Mann eine solche Wirkung auf sie ausgeübt. „Bleib in meinem Leben“, wollte sie sagen, doch das wäre ein absolut lächerlicher und zudem extrem peinlicher Vorstoß.

„Wir müssen gehen“, sagte sie stattdessen zu Mr. Harper und war sich des höhnischen Gegensatzes ihrer Worte nur zu bewusst.

„Natürlich.“ Es war Peter, der antwortete. „Ihr Name ist Erin, richtig?“

„Ja.“ Sie zögerte. „Erin Lavelle.“ Würde er ihren Namen mit den vielen Publikationen in Verbindung bringen? Und würde das vielleicht sein Interesse wecken, sodass er sie kennenlernen wollte?

„Lavelle“, wiederholte er und ließ sich den Namen auf der Zunge zergehen.

Doch Erin sah, dass der Name ihm nichts sagte. Er kannte sie nicht. Wahrscheinlich war er eher ein Mann der Tat als ein verträumter Büchernarr. Sie waren wahrscheinlich einfach nur zwei Menschen aus vollkommen verschiedenen Welten, die sich an einem schönen Sommertag zufällig im Park begegneten. Mehr nicht.

Jetzt lächelte er und zeigte dabei eine Reihe perfekter weißer Zähne. Dieses Lächeln erinnerte Erin an den Cabriofahrer. Aber das konnte doch unmöglich derselbe Mann sein?

„Sarah ist die Leiterin des Kindergartens?“

„Ja, Sarah Deering. Sie ist meine Tante.“ Warum erzählte sie ihm das? Das war doch völlig unwichtig.

„Ich nehme an, Miss Deering hat nicht vor, den Vorfall unter den Tisch fallen zu lassen?“, fragte er vorsichtig. „Ich meine, besteht die Möglichkeit, dass sie Thomas’ Mutter nichts davon sagen wird?“

Erin schüttelte den Kopf. „Sarah wird sich absichern wollen. Für den Fall, dass so etwas noch einmal vorkommen sollte.“

Peter nickte und überreichte ihr seine Visitenkarte. „Richten Sie Ihrer Tante aus, ich werde persönlich dafür sorgen, dass die korrekte Vorgehensweise hinsichtlich des Sorge- beziehungsweise Besuchsrechts eingehalten wird.“ Der Blick aus den blauen Augen wurde hart und entschieden. „Vielleicht möchte sie das auch an Mrs. Harper weiterleiten.“

Aus irgendeinem Grund schien er davon auszugehen, dass er sich in einer Machtposition befand. Um genau zu sein, diese Macht ging jetzt so überdeutlich von ihm aus, dass Erin ein kleiner Schauer über den Rücken lief, während sie auf die Visitenkarte blickte.

Peter Ramsey.

Der Name sagte ihr nichts.

Verwundert blickte sie auf. „Wer sind Sie? Und wieso glauben Sie, dass Sie Einfluss nehmen könnten?“

Sein erstes Erstaunen über ihre Unkenntnis schwand sofort erheiterter Erleichterung. „Legen Sie die Karte einfach Ihrer Tante vor, Erin. Glauben Sie mir, der Name hat Einfluss auf die Menschen.“

Sie seufzte. „Ich scheine nicht auf dem Laufenden zu sein.“

„Und das ist ganz reizend.“ Er grinste. „Darf ich Sie um einen Gefallen bitten?“

„Sicher“, erwiderte sie erfreut. Dieses Lächeln schien nämlich zu sagen, dass er sie ebenfalls attraktiv fand.

„Meine Handynummer steht auf der Karte. Rufen Sie mich doch bitte heute Nachmittag an, nachdem Mrs. Harper im Kindergarten gewesen ist.“

Eine Welle der Erregung erfasste sie. Vielleicht war diese vielversprechende Begegnung doch noch nicht vorbei. „Sie wollen wissen, wie es weitergeht?“

„Ich würde gern Ihre Einschätzung hören, wie die Mutter reagiert hat, wenn sie erfahren hat, was hier passiert ist.“ Er verzog das Gesicht. „Bei einer Scheidung kommt die notwendige Distanz leider oft zu kurz, und man verliert das Wohl des Kindes aus den Augen.“

„Da haben Sie auf jeden Fall recht“, stimmte Erin voller Überzeugung zu. Sie war selbst ein Scheidungskind.

„Also rufen Sie mich an?“, hakte er nach.

„Ja, das mache ich“, versprach sie. Und sie nahm sich vor, Wort zu halten. Schließlich könnte der Anruf vielleicht zu einem weiteren Treffen mit diesem außergewöhnlichen Mann führen.

„Gut!“ Zufrieden wandte Peter sich nun an Vater und Sohn. „Sie müssen Thomas jetzt mit Erin gehen lassen, Dave.“

Es kam kein Widerspruch. „Ich entschuldige mich für den Aufruhr, den ich verursacht habe“, sagte Mr. Harper und übergab seinen Sohn an Erin.

„Ich hoffe wirklich, Sie werden in Zukunft Zeit mit Ihrem Sohn verbringen können“, erwiderte Erin aufrichtig. Dann brachte sie den Jungen zu der Gruppe, wo Sarah bereits unruhig darauf wartete, endlich gehen zu können.

Während sie sich von Peter Ramsey entfernte, war Erin sich ihres Körpers extrem bewusst. Sie konnte spüren, wie er ihr nachsah, fühlte seinen abschätzenden Blick auf sich liegen. Unwillkürlich straffte sie die Schultern und zwang sich, die Knie, die plötzlich nachgeben wollten, durchzudrücken. Sie musste sich zusammenreißen, um sich nicht umzudrehen und zurückzublicken. Schließlich war sie kein Teenager, der schamlos einen fremden Mann anhimmelte. Sie hatte seine Visitenkarte. Und sie würde ihn heute Nachmittag anrufen.

Als sie zurück im Kindergarten waren, half Erin ihrer Tante, die Kinder für den Nachmittagsschlaf hinzulegen. Eigentlich hatte sie danach gehen wollen. Ihre Tante hatte sie lediglich um den Gefallen gebeten, den Ausflug mit den Kindern zu begleiten. Eine Märchenstunde mit Erin Lavelle im Park war ein großartiges Aushängeschild für den Kindergarten, ohne unbedingt betonen zu müssen, dass Erin Sarahs Nichte war. Wegen der denkwürdigen Begegnung im Park hatten sie ihre Pläne allerdings ändern müssen.

Nachdem Erin die wissenswerten Daten von Peter Ramseys Visitenkarte in ihr Adressbuch, das sie immer bei sich trug, übertragen hatte, ging sie in das Büro ihrer Tante. Sarah saß am Schreibtisch, eine frisch gebrühte Tasse Kaffee vor sich. Sie wirkte, als könne sie den Kaffee wirklich gebrauchen, um die angegriffenen Nerven wieder zu beruhigen.

„Das hätte unschön werden können. Äußerst unschön.“ Sarah schlug die Augen zur Decke auf. „Danke für deine Hilfe, Erin. Ich weiß nicht, wie ich allein mit der Sache fertig geworden wäre.“ Mit einem Seufzer schüttelte sie den Kopf. „Die Kinder hätten in Panik ausbrechen können …“

„Nur gut, dass Peter Ramsey da war“, warf Erin schnell ein.

Die Erwähnung des Namens riss Sarah aus ihren Gedanken. Sie blickte ihre Nichte alarmiert an. „Wer, sagtest du?“

„Der Mann, der eingegriffen hat. Er heißt Peter Ramsey. Er hat mir seine Visitenkarte gegeben.“ Sie legte die Karte neben die Kaffeetasse und setzte sich auf die Schreibtischkante. „Er meinte, du solltest seinen Namen gegenüber Mrs. Harper erwähnen, falls sie Ärger wegen des Vorfalls mit ihrem Mann macht.“

Sarah starrte ungläubig und stumm auf die Visitenkarte.

Erin fuhr unbeirrt fort: „Außerdem sagte er, er persönlich werde sicherstellen, dass Mr. Harper einen Rechtsbeistand bekommt, der sich der Klärung des Besuchsrechts annimmt. Damit du dir keine Sorgen mehr zu machen brauchst, dass Mr. Harper noch einmal so überreagiert, nur weil er seinen Sohn nicht zu sehen bekommt.“

„Peter Ramsey“, stieß ihre Tante geradezu ehrfürchtig aus. Mit großen Augen sah sie Erin an. „Ich hätte ihn erkennen müssen. Aber wieso sollte ausgerechnet Peter Ramsey in dem Park sein?“

„Wieso hättest du ihn erkennen müssen?“, hakte Erin interessiert nach.

„Weil er Peter Ramsey ist. Warum sonst?“, antwortete Sarah ungeduldig, dann fiel ihr Erins fragende Miene auf. „Jetzt sag nicht, du hast noch nie von ihm gehört. Er ist Lloyd Ramseys Sohn und Erbe.“

Die Bilder, die Erin in ihrer Fantasie schon von ihnen beiden gemalt hatte, verpufften bei dieser Eröffnung. „Redest du etwa von Lloyd Ramsey, dem Multimilliardär?“

„Von ebenjenem“, bestätigte ihre Tante.

Lloyd Ramsey war eine lebende Legende. Sein Name war über die Jahre so oft auf den Titelblättern der Zeitungen zu finden gewesen, dass sogar Erin, die schon immer in der Welt der Bücher gelebt hatte, die Macht und den Einfluss dieses Mannes nicht hatte übersehen können. Der Hai, das war sein Beiname, weil er sich mit seinem Geld und seinem Einfluss praktisch in jedes große Unternehmen „hineinbiss“. Und Sarahs Reaktion nach zu urteilen führte sein Sohn Peter die Familientradition fort.

Erin hatte plötzlich das mulmige Gefühl, dass er sich von ihr entfernte und in einer ganz anderen und für sie unerreichbaren Welt lebte. „Heißt das, Peter Ramsey ist auch so ein Finanztycoon?“, fragte sie.

„Genau, und zwar auf internationalem Parkett“, lautete die niederschmetternde Antwort. „Er hat irgendetwas mit Hightech zu tun, so ganz genau weiß ich das nicht. Ich weiß aber, dass er ständig in den Gesellschaftsseiten zu finden ist. Da sieht man Fotos von ihm mit den großen Stars. Und wenn er mal wieder eine neue Freundin hat, füllt das sofort die Klatschspalten.“

Erin fühlte sich, als hätte sie einen schweren Schlag in den Magen bekommen. „Du meinst, er ist … ein Playboy?“ Das Bild des Machos in dem Cabrio tauchte plötzlich vor ihrem geistigen Auge auf. War er etwa doch der Fahrer gewesen?

Ihre Tante zuckte gleichgültig die Schultern. „Nun, er ist immer noch zu haben. Bisher hat er nicht geheiratet. Wahrscheinlich hat er keine Zeit für längere Beziehungen. Ist ja auch ständig unterwegs. Und mal ehrlich, ein Mann in seiner Position kann wohl jede Frau bekommen, die er will.“

Ja, wahrscheinlich konnte er das.

Die prickelnde Aufregung, die Erin vorhin durchzogen hatte, verflog. Die Chancen, dass Peter Ramsey ausgerechnet ihr Prinz sein könnte, sanken rasant gegen null.

Und doch hatte er im Park den edlen Ritter gespielt. Und sie hatte eindeutig gespürt, dass es eine Verbindung zwischen ihnen gegeben hatte. Allerdings lag dies vielleicht lediglich daran, dass sie beide gleichermaßen Verständnis für Mr. Harpers Situation aufbrachten. Und schließlich hatte Erin spontan auf Peters Sex-Appeal reagiert.

Dennoch wollte sie mehr von ihrer Tante erfahren. „Wieso hat er sich deiner Meinung nach eingemischt?“

Sarah zuckte wieder mit den Achseln. „Wieso war er im Park? Vielleicht gibt es da ja eine Verbindung zwischen den beiden.“

„Was meinst du?“

„Irgendwas muss seine Einmischung ausgelöst haben.“ Sarah hielt nachdenklich inne. „Vielleicht hat er Mr. Harper schreien gehört, dass seine Frau ihm alles genommen hat. Das könnte ein wunder Punkt bei Peter Ramsey sein.“

„Wieso? Ist er auch von einer Frau ausgenommen worden?“

„Soweit ich weiß, nicht.“ Sarah lehnte sich in ihren Stuhl zurück, ein zynisches kleines Lächeln auf den Lippen. „Aber bei einem solchen Vermögen besteht wohl immer die Gefahr, nicht wahr? Man braucht sich ja nur anzusehen, was seiner Schwester widerfahren ist.“

Erin schüttelte den Kopf. „Ich habe nie etwas über seine Schwester gehört.“

„Nicht?“ Sarah sah ihre Nichte erstaunt an. „Aber die Story war doch wochenlang in den Medien.“

„Wann war das?“

„Oh“, sie machte eine unsichere Geste, „muss vor ungefähr drei Jahren gewesen sein.“

Erin überlegte. „Da bin ich gerade durch Asien gereist.“

„Immer unterwegs“, seufzte Sarah. „Du solltest öfter zu Hause bleiben, Erin.“

Sofort schoss ihr die zynische Frage in den Kopf: Welches Zuhause? Ihre Mutter hatte wieder geheiratet und sich mit ihrem zweiten Mann ein neues Heim geschaffen. Da gab es keinen Platz für die Tochter. Und ihr Vater … es bestand kaum die Aussicht, dass sie länger als eine oder zwei Stunden bei ihm willkommen war. Und das Haus, das sie sich bei Byron Bay gekauft hatte, war nur ihre Basis, hier schrieb sie ihre Bücher. Aber es war immer einsam dort, nicht wie ein Heim eigentlich sein sollte.

Doch stattdessen sagte sie nur: „Also was war mit Peter Ramseys Schwester?“

„Ein Riesenskandal!“ Ihre Tante schien es zu genießen. „Charlotte Ramsey stand kurz vor der Hochzeit, als ihr zukünftiger Mann sich weigerte, den Ehevertrag zu unterzeichnen, den der alte Ramsey hatte aufsetzen lassen. Und dann dreht sie sich um und heiratet praktisch aus dem Stand den britischen Milliardär Damien Wynter. Der Exverlobte wollte vor Gericht ziehen, wegen der Wohnung, in der sie zusammen gelebt hatten. Doch die hat er schließlich ohne Gerichtsverhandlung bekommen. Charlotte hat sie ihm einfach überschrieben, obwohl das Apartment ihr allein gehörte. Nun, was ich damit sagen will …“

„Der Typ war also hinter einem Anteil der Ramsey-Milliarden her.“

Sarah trommelte mit den Fingern auf die Schreibtischplatte, um die nächste Bemerkung noch zu unterstreichen. „Wahrscheinlich nicht nur hinter einem Anteil.“

„Und mit Damien Wynter stellte sich das Problem erst gar nicht“, folgerte Erin richtig. „Eigentlich traurig, wenn man sich vorstellt, dass man nur des Geldes wegen geheiratet wird. Ich frage mich, ob Charlotte Ramsey mit ihrem Milliardär glücklich ist.“

„Erin, deine Geschichten kannst du mit einem Happy End enden lassen, im wahren Leben kannst du das leider nicht garantieren“, erwiderte die Tante trocken.

„Stimmt. Aber aus welchem Grund auch immer … Peter Ramsey scheint entschlossen, für Thomas und seinen Vater einen glücklichen Ausgang zu schreiben.“ Bittend fuhr sie fort: „Hast du etwas dagegen, wenn ich bleibe, um mitzuerleben, wie Mrs. Harper die Nachricht auffasst?“

Die Frage handelte ihr einen argwöhnischen Blick ein. „Wieso interessiert dich das?“

„Die Macht des Namens“, gab Erin gespielt gleichgültig zurück. „Ich würde gern sehen, wie so etwas funktioniert.“

„Sie kommt aber erst um fünf.“

„Kein Problem. Ich gehe inzwischen spazieren.“

„Mmh …“, Sarah dachte nach. „Es könnte durchaus nützlich sein, einen Zeugen dabeizuhaben.“

„Das denke ich auch“, bekräftigte Erin. Und bevor ihre Tante es sich anders überlegen konnte, glitt sie vom Schreibtisch und winkte ihr auf dem Weg zur Tür zu. „Bis später dann.“

Weit ging Erin nicht. Ihre Füße schlugen automatisch den Weg zum Park ein, hin zu der Bank, auf der Peter Ramsey gesessen hatte. Sie setzte sich und ließ ihren Gedanken freien Lauf.

Er hatte sich nicht wie ein Playboy verhalten, im Gegenteil. Ernst und Anteil nehmend hatte er gewirkt. Allerdings musste sie zugeben, dass diese Anteilnahme Vater und Sohn gegolten hatte, die scheinbar beide unter dem Verhalten der Frau beziehungsweise Mutter zu leiden hatten.

Vielleicht lag es ja an seiner Einstellung zu Frauen. Welche Erfahrungen mochten einen Mann wie ihn geprägt haben, die ihn dazu brachten, sich einzumischen und einem Mann und einem Jungen zu helfen, die er nicht einmal kannte?

Erin spürte, dass ihre Neugier zu stark war, um Peter Ramsey einfach den Rücken zu kehren. Sie wollte mehr über ihn erfahren. Und außerdem hatte sie versprochen, ihn anzurufen und ihm zu berichten, wie es mit Thomas’ Mutter gelaufen war. Sie würde diesen Anruf auf jeden Fall machen.

Falls sie sich sein Interesse an ihr nur eingebildet hatte, würde es zu keinem weiteren Treffen mehr kommen. Wenn sie es sich aber nicht eingebildet hatte und er sie wiedersehen wollte …

Ihre Aufregung verdrängte die Vorsicht – und die Vernunft. Ja, sie wollte ihn wiedersehen, wollte mehr von ihm erfahren. Wie oft war ihr das in ihrem Leben schon passiert?

Niemals!

Dann nutze die Gelegenheit, sagte sie sich entschlossen.

Falls sich diese Gelegenheit überhaupt bieten würde.

3. KAPITEL

„Peter Ramsey.“

Die Stimme, mit der er sich meldete, drückte Autorität und Ungeduld aus und signalisierte dem Anrufer, sich kurzzufassen und klar auszudrücken.

Erin holte tief Luft. Sag was! Rede mit dem Mann! Du hast nur diese eine Chance! „Hi, Erin Lavelle hier.“ Das kam atemlos und viel zu hastig. Na toll! Jetzt hielt er sie bestimmt für eine Glücksritterin, die glaubte, mit diesem Anruf den großen Wurf landen zu können.

„Sie haben eine unverkennbare Stimme.“ Es hörte sich fast an, als lächle er bei den Worten.

Vor Vergnügen!

Ein Anflug von Hoffnung stieg in ihr auf. „Sie baten um meinen Anruf“, erinnerte sie ihn.

„Den hatte ich schon viel früher erwartet. Und dann dachte ich, Sie würden sich gar nicht mehr melden. Ich bin froh, dass Sie es doch tun.“

Jetzt war es nicht nur Hoffnung, sondern auch ein reelles Glücksgefühl. „Mrs. Harper kam erst um fünf, um ihren Sohn abzuholen. Sie ist gerade erst fort.“

„Ah!“ Es klang sehr zufrieden. „Sicher haben Sie mir eine Menge zu erzählen. Was halten Sie davon, wenn wir zusammen zum Dinner gehen, Erin? Ich habe fast den ganzen Nachmittag mit Dave Harper bei einem Anwalt verbracht, damit er seine Seite der Geschichte schildern kann. Jetzt würde ich gerne von Ihnen hören, welchen Eindruck Sie von Mrs. Harpers Reaktion gewonnen haben.“

„Dinner …“ Die Einladung war so schnell gekommen, dass ihr schwindelte.

„Ungeachtet dessen, was man Ihnen inzwischen von mir erzählt haben mag, ich bin keineswegs der große böse Wolf, der sich sofort auf Sie stürzt“, versicherte er ihr spöttisch.

„Natürlich nicht.“ Die Vorstellung, wie Peter Ramsey sich auf sie stürzte, brachte ihren Puls zum Rasen. „Wann und wo?“ Sie wollte gleichgültig und geschäftsmäßig klingen und vor allem nicht zu eifrig.

„Wie und wo es Ihnen am besten passt, Erin.“

Damit hatte er den Ball wieder zurück in ihr Feld geschossen. War das etwa ein Test, um zu sehen, ob es ihr lediglich um sein Geld ging?

Am besten blieb sie wohl auf einem Territorium, auf dem sie sich sicher fühlte, wenn sie vor Aufregung, ihn wiederzusehen, sowieso schon völlig unruhig war. Dann auch noch ein elegantes Restaurant, und ihre Nerven wären völlig dahin …

„Sind Sie einverstanden mit einem bescheidenen Restaurant?“ Sie fragte sich, ob er wohl nur ungern auf die Privilegien verzichtete, die ihm automatisch zukamen, sobald er sich an den angesagten Orten sehen ließ.

„Kein Problem“, kam es von ihm zurück.

Sein Ego brauchte also keine konstanten Schmeicheleien. Das war schon mal gut. „Mögen Sie thailändisches Essen?“

„Keine Einwände.“

Das ging ja leichter als gedacht. Erin strahlte. „Auf der Oxford Street, gleich beim Taylor Square, liegt ein kleines Restaurant mit dem Namen Titanic Thai. Treffen wir uns dort um halb acht.“

„Soll ich einen Tisch reservieren?“

„Nein, ich schaue kurz rein und mache das persönlich.“

„Wohnen Sie in der Nähe?“

„So in etwa“, wich sie aus. So viel wollte sie noch nicht von sich preisgeben. „Also, abgemacht?“

„Halb acht, Oxford Street, das kleine Thai-Restaurant“, wiederholte er amüsiert.

„Genau“, sagte sie noch und legte auf. Sie war sehr zufrieden mit sich. Nicht nur hatte sie die Gelegenheit beim Schopfe gepackt, nein, sie hatte auch die Zügel in die Hand genommen.

Fast wäre sie den restlichen Weg zur Bushaltestelle vor Vorfreude gehüpft!

Jawohl!

Peter streckte triumphierend die geballte Faust in die Luft. Dann lachte er über sich selbst, weil er so lächerlich aufgeregt war wegen des Treffens mit einer Frau. Noch dazu eine Frau, deren Leben so weit entfernt von seiner Welt war, dass sie außer Dave Harpers misslicher Lage wohl kaum etwas zu bereden hatten.

Dieses Stückchen Realität schmälerte jedoch keineswegs sein Bedürfnis, alles über Erin Lavelle herauszufinden. Er wollte das Unmögliche wahr werden lassen, und zwar seit genau dem Moment, da sie ihm vom Zebrastreifen aus angelächelt hatte. Heute Abend kam also der nächste Schritt. Da sie jetzt wusste, wer er war, hätte sie ein teures Dinner in einem der besten Restaurants herausschlagen können. Er hätte auch gar nichts dagegen gehabt. Dass sie aber ein einfaches Restaurant gewählt hatte, begeisterte ihn regelrecht. Es passte zu der ganzen Situation – nichts ließ sich für ihn mehr einschätzen.

Titanic Thai, ich komme!“ Peter grinste vor sich hin, als er die Treppe zu seinem Schlafzimmer in der Maisonettewohnung am Bondi Beach voller Schwung hinauflief. Rasieren, duschen, umziehen. Dann zum Taylor Square und das Restaurant ausfindig machen …

Heute Abend würde er die Prinzessin mit dem Regenbogenlächeln und dem goldenen Herzen bekommen!

Erin wusste natürlich, dass es am klügsten wäre, sich Peter Ramsey gegenüber völlig gelassen zu geben. Sie sollte nicht so wirken, als erwarte sie etwas von ihm, sollte einfach in Jeans auftauchen und so tun, als hoffe sie nicht voller Spannung darauf, er möge sie so begehrenswert finden wie sie ihn. Ihre Leben waren zu unterschiedlich, um eine ernstere Beziehung überhaupt in Betracht zu ziehen.

Auf der anderen Seite – noch nie war sie von einem Mann so fasziniert gewesen. Selbst ein kleiner Flirt wäre schon unglaublich aufregend.

Schließlich war die Versuchung stärker als die Vernunft und hatte die Oberhand gewonnen, als Erin im Hyde Park Apartment Hotel ankam, wo sie immer wohnte, wenn sie in Sydney war. Von hier aus war es nur ein kurzer Fußmarsch bis zum Thai-Restaurant.

Während Erin duschte und sich danach vor dem Spiegel die schwarzen Haare föhnte, malten sich ihre Gedanken in den schillerndsten Farben aus, was alles zwischen Peter Ramsey und ihr passieren könnte. Und praktisch wie von selbst griffen ihre Hände nach dem gelb-limonengrünen Kleid im Kleiderschrank. Das Kleid war einfach umwerfend. Erin liebte die Farben, und die Farben liebten sie. Zudem war es aufreizend knapp geschnitten.

Am Hals wurde es mit einem Band zusammengehalten und ließ den Rücken komplett frei. Sie konnte also keinen BH darunter tragen und bot somit den Blick auf ein großzügiges Dekolleté. Der Gürtel betonte die schmale Taille, und der Rock fiel dann in luftigem Faltenfall bis zum Knie. Mit Riemchensandalen und ohne weitere Accessoires getragen, so entschied Erin, wäre es sicherlich nicht zu übertrieben, oder?

Und selbst wenn es ein wenig auffällig war, na und?!

Peter Ramsey war wie von Zauberhand in ihrem Leben aufgetaucht. Warum also sollte sie nicht ein wenig weibliche Magie einsetzen, um ihn so lange darin zu halten, bis sie sich über die Gefühle, die er in ihr erweckte, klar geworden war?

Sie war jetzt dreißig Jahre alt. In diesen dreißig Jahren hatte sie ihre Rolle als unbeteiligter Beobachter des Lebens perfektioniert. Nie hatte sie sich genug geliebt gefühlt, um sich auf eine tiefe Beziehung einzulassen. Sicher, eine ernsthafte Beziehung zu Peter Ramsey war natürlich auch unwahrscheinlich, aber selbst eine kurze …

Bei dem erregenden Schauer, der Erin bei der Vorstellung durchlief, würde es sich auf jeden Fall lohnen, die Möglichkeiten auszuloten.

Peter sah auf seine Armbanduhr, während die Bedienung die Flasche Chardonnay entkorkte, die er in dem Spirituosenladen nebenan gekauft hatte. Fünf vor halb acht. Nur noch ein paar Minuten, bevor Erin kommen würde. Wenn sie pünktlich war. Eigentlich gab es keinen Grund, warum sie zu spät kommen sollte. Besondere Sorgfalt beim Zurechtmachen würde sie nicht benötigen. Dieses Restaurant hier bestand sicher nicht auf formelle Garderobe.

An der einen Wand in der vorderen Hälfte des Raumes standen einige Herde und mehrere Fritteusen sowie der Verkaufstresen. Gegenüber war eine Bank, auf der die Kunden, die ihr Essen mitnahmen, auf ihre Bestellung warten konnten. Im hinteren Teil waren zwei Reihen von jeweils fünf Tischen angeordnet. Peter hatte man an den dritten Tisch geführt, sodass immerhin ein wenig Abstand zur Laufkundschaft bestand.

Es waren einfache Tische, laminiert, um ohne viel Aufwand sauber gehalten werden zu können. Papierservietten standen in einem Spender bereit, Salz, Pfeffer und verschiedene Soßen in einer Gewürzmenagerie. Eine Flasche Wasser und zwei Gläser standen daneben. Wollten die Gäste Wein zu ihrem Essen trinken, so musste man ihn selber mitbringen – dies war Peter mitgeteilt worden, als er vorhin angekommen war. Immerhin hatte man einen Eiskübel zur Verfügung gestellt. In diesen ließ die Bedienung nun die Weinflasche gleiten, nachdem sie Peters Glas eingeschenkt hatte.

Er nippte an dem edlen Chardonnay und hoffte, der Wein würde Erins Geschmack treffen. Er wollte ihr gefallen und wünschte sich, dass sie von ihm beeindruckt sein möge. Ihre Wahl eines Treffpunkts schien deutlich zu sagen, dass sie eine Romanze zwischen ihnen für absolut undenkbar hielt. Zweifelsohne hatte der Name Ramsey sie so sehr eingeschüchtert, dass sie zu dieser Schlussfolgerung gekommen war. Ein kleines Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Nun, das würde ihn nicht daran hindern, dieses Hindernis mit einer umfassenden Charme-Offensive niederzurennen.

Nur … ein Niederrennen war gar nicht nötig.

Dies erkannte er im gleichen Moment, als er Erin das Restaurant betreten sah. Nichts an ihrer Erscheinung war lässig oder gar nachlässig, im Gegenteil. Sie strahlte eine umwerfend verführerische Weiblichkeit aus.

Sofort loderte ein kaum zu zügelndes Verlangen in ihm auf. Erin Lavelle war eine umwerfende Frau. Das schwarze Haar fiel ihr seidig über die Schultern, die Konturen ihrer verlockenden Figur wurden von dem Kleid betont – ein Kleid, dessen Farbkombination das Grün ihrer Augen unterstrich und ihm den Atem nahm.

Doch gleichzeitig machte sich Enttäuschung breit. Die anfängliche uneingeschränkte Bewunderung war soeben verpufft.

Zu der Enttäuschung gesellte sich Zynismus. War diese Aufmachung auf seinen Namen zurückzuführen? Hatte das Mädchen mit dem Regenbogenlächeln beschlossen, den Topf mit Gold zu suchen?

Es war doch ein Fehler! schoss es Erin durch den Kopf.

Sie hatte freudige Aufregung verspürt, als Peter Ramsey sich bei ihrem Eintreten vom Stuhl erhoben hatte, um sie zu begrüßen. Er sah ihr mit erstaunter Bewunderung entgegen, doch mit seinem Lächeln stimmte etwas nicht. Es reichte nicht bis zu seinen Augen. Und dann zuckte es auch schon spöttisch um seine Mundwinkel.

Ihr aufgeregt flatterndes Herz hatte soeben einen herben Schlag erhalten. Vor Verlegenheit hätte Erin sich am liebsten sofort wieder umgedreht. Sie hatte seine Einladung zum Dinner falsch verstanden. Die Anziehungskraft beruhte also nicht auf Gegenseitigkeit. Und sie hatte sich gerade zu einer Riesennärrin gemacht.

Der Schutzmechanismus setzte ein, jetzt ging es um Schadensbegrenzung.

„Hi!“, grüßte sie unbeschwert und streckte ihm die Hand entgegen. „Sie müssen meinen pompösen Aufzug entschuldigen. Für diesen Ort hier ist es wohl etwas übertrieben. Aber ich bin noch auf eine Party eingeladen. So war es einfacher, dann muss ich mich nicht noch einmal umziehen gehen.“

„Bitte, keine Entschuldigungen. Jeder, der Sie heute so sieht, wird begeistert von Ihnen sein.“ Peter wollte sie beruhigen, schließlich sollte sie sich wohlfühlen. Allerdings arbeitete die Art, wie er ihre Hand hielt, wohl eher dagegen. Denn er griff ihre Finger fest, fast besitzergreifend, und sandte mit seiner Berührung einen Stromstoß durch ihren Arm. „Treffen Sie sich nachher mit Ihrem Freund?“

Sein durchdringender Blick zwang sie, die Wahrheit zu sagen. „Ich habe keinen Freund.“

Erstaunt hob Peter eine Augenbraue. „Dann werden auf der Party die Männer sicherlich Schlange stehen.“

War das nun ein Kompliment oder nicht? Vor allem angesichts des aufreizenden Kleides.

„Aber wird von meiner Seite auch der Funke überspringen?“, erwiderte sie nachdenklich und dachte unwillkürlich daran, wie selten ihr das passiert war. Und derjenige, bei dem es heute Abend vielleicht hätte passieren können, distanzierte sich immer mehr von ihr.

„Sehr schwer einzufangen, dieser Funke“, bemerkte er trocken.

„Das finden Sie also auch?“

„Warum sollte ich nicht so denken?“

Der kritische Unterton ließ sie sich albern vorkommen. Damit erstickte er jede Annahme ihrerseits, sein Leben wäre leicht für ihn. Sie hatte ja auch gar keine Vorstellung davon, wie sein Leben aussah. Sie war hergekommen, um mehr darüber herauszufinden – aber bisher war jeder Schritt ein Schritt in die verkehrte Richtung gewesen.

„Ich bin überzeugt, bei Ihnen steht eine größere Anzahl an Kandidatinnen zur Auswahl bereit“, verteidigte sie sich.

„Was es nicht weniger flüchtig macht, glauben Sie mir.“

„Ich habe mir sagen lassen, dass Sie häufig in weiblicher Begleitung zu sehen sind, Peter.“

„Man muss es ausprobieren, um seine Fehler erkennen zu können. Wie viele Fehler haben Sie schon gemacht, Erin?“

Sie schüttelte den Kopf, verwirrt über die Richtung, die das Gespräch eingeschlagen hatte. „Ich weiß wirklich nicht, wie wir darauf gekommen sind. Sie wollten doch von Mrs. Harper hören.“

„Und die Fehler, die dort gemacht wurden.“ Endlich ließ er ihre Hand los, und sie setzten sich. „Haben Sie es eilig, dieses Dinner hinter sich zu bringen?“

Die Frage brachte Erin in Verlegenheit. Alles an diesem Treffen lief bislang schief. Und ihre Lüge von der Party setzte natürlich auch ein Zeitlimit. „Nein“, murmelte sie. „Zeit spielt wirklich keine Rolle. Hier geht es vor allem um Thomas. Er leidet unter dem Krieg, den seine Eltern miteinander führen.“

„Sie sorgen sich mehr um Thomas als um seinen Vater?“

Erin überlegte kurz. „Ja, ich kann Thomas’ Situation eher nachvollziehen. Meine Eltern ließen sich scheiden, als ich sechs war.“

„Sie sind ein Einzelkind?“

„Ja.“ Sie konnte sich noch zu gut an das Gefühl von Verlorenheit erinnern. „Dazu noch ein sehr einsames Kind.“

„Wer hat das Sorgerecht für Sie erhalten?“

„Meine Mutter.“

„Entsprach das Ihrem Wunsch?“

„Ich wünschte mir, dass die beiden zusammenbleiben.“ Entschlossen sah sie ihn an. „Man sollte keine Kinder bekommen, wenn die Ehe nicht stabil ist.“

„Sind Sie aus diesem Grund noch nicht verheiratet? Weil Sie Ihre Beziehungen nie als sicher genug erachtet haben?“

Diese Konversation lief aus dem Ruder. Erin hatte nicht vor, sich selbst zu analysieren, nicht vor ihm und vor keinem anderen. So oder so hatte sie schon Dinge von sich preisgegeben, die sie noch keinem anderen gestanden hatte und die ihn absolut nichts angingen. „Wir sind doch nicht hier, um über mich zu reden“, erinnerte sie ihn mit erstickter Stimme.

„Ich bin einfach neugierig, woher Sie kommen.“ Peter griff nach der Weinflasche in dem Kübel. „Möchten Sie ein Glas?“, fragte er.

Auf gar keinen Fall würde sie in dieser Situation auch noch Alkohol trinken. Sie war ohnehin schon zu aufgeregt und ihre Zunge zu locker. Sie nickte in Richtung der Wasserflasche. „Nein, danke, ich bleibe bei Mineralwasser.“

„Sie warten also lieber auf die Partycocktails.“

Diese Partylüge tauchte schon wieder auf und regte Fragen an, die auf ihr Privatleben zielten. Und warum wollte Peter Ramsey mehr über ihr Privatleben erfahren, wenn er kein Interesse an ihr hatte?

Seine Reaktion auf ihren Versuch, attraktiv auszusehen, war eindeutig negativ gewesen. Seit er jedoch davon ausging, dass es nichts mit ihm zu tun hatte, schien er wieder mehr über sie herausfinden zu wollen. Obwohl sie verwirrt war durch die konfuse Situation, sah Erin ihm direkt in die Augen. „Nein, ich behalte einfach nur lieber einen klaren Kopf.“

„Selbst auf einer Party?“

„Vor allem auf einer Party.“

„Haben Sie schlechte Erfahrungen gemacht?“

„Nein, aber darauf kann ich auch verzichten.“

„Hört sich an, als wäre es Ihre oberste Priorität, die Kontrolle zu behalten.“

Er bohrte schon wieder! Und obgleich sie nüchtern war, fühlte Erin besagte Kontrolle schwinden, sobald es um Peter Ramsey ging. „Ich werde die Kontrolle über mein Leben nicht jemand anderem überlassen.“ Die Worte waren heraus, bevor sie sich noch klar werden konnte, wie viel sie damit von sich preisgab.

Und natürlich sprang Peter sofort darauf an. „Unabhängigkeit ist also sicherer als Vertrauen, Erin?“

„Wenn man von den Menschen, denen man eigentlich vertrauen können sollte, ständig herumgeschoben wird, lernt man schnell, unabhängig zu sein. Und dieses Schicksal steht wohl auch Thomas Harper bevor.“ Es wurde höchste Zeit, das Gespräch wieder in die geplanten Bahnen zu lenken. Um die gespannte Atmosphäre zu brechen, griff Erin nach der Wasserflasche und schenkte sich ein.

„Entschuldigen Sie, das hätte ich für Sie übernehmen sollen.“

Der reuige Ton reizte sie nur noch mehr. „Wieso?“

Er zuckte lächelnd mit einer Schulter. „Das tut ein Gentleman eben für eine Lady.“

„Und was tut eine Lady in Ihrer Welt für einen Gentleman, Peter?“

Sie geht mit ihm ins Bett. Die Antwort schoss ihr sofort in den Kopf. Dennoch war es ein Schock, genau diese Aussage offen in seinen blauen Augen lesen und das plötzliche Aufflackern von Verlangen sehen zu können.

Und selbst sein Lächeln schien sie verführen zu wollen, als er leise erwiderte: „In meiner Welt kümmert sich ein Gentleman um eine Lady, die seine Bedürfnisse erfüllt.“

In ihrem Kopf begann plötzlich alles zu wirbeln. „Und welches Ihrer Bedürfnisse erfülle ich?“

„Meinen Wunsch, mit Ihnen zu reden.“

Er antwortete so schnell und so ernsthaft, dass sie sich fragte, ob sie sich das Feuer in seinem Blick nur eingebildet hatte. Allerdings prickelte ihre Haut noch immer …

Glücklicherweise trat in diesem Augenblick die Kellnerin an ihren Tisch, um die Bestellung aufzunehmen. Was Erin die Atempause verschaffte, die sie dringend benötigte, um die Situation in einer vernünftigen Perspektive zu sehen.

Es hatte Peter nicht gefallen, dass sie in seinen Augen begehrenswert erscheinen wollte. Zog er es also vor, wenn sie sich unnahbar gab? Liebte er die Herausforderung? Wahrscheinlich gab es genug Frauen, die sich ihm offen anboten, und er hatte geglaubt, sie sei anders. So wie die Wahl des Restaurants. Der Reiz des Neuen …

Erin seufzte. Im realen Leben war alles so kompliziert. Deshalb füllte sie ihre Zeit ja auch viel lieber mit den Geschichten, die sie erfand. Da hatte sie die völlige Kontrolle über die Charaktere und deren Reaktionen.

„Erin?“

Peters Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Sie lächelte die Kellnerin an.

„Ich nehme die Garnelen in Chili-Konfitüre.“

„Sie mögen es also scharf?“, wollte Peter wissen.

„Chili-Konfitüre ist eher herzhaft als scharf“, korrigierte sie.

„Für mich das Gleiche, bitte“, sagte er zu der Bedienung und wartete, bis die Frau mit der Bestellung zur Küche zurückging. „Ich mag herzhaft.“ Er grinste vielsagend.

In Erins Magen begannen Hunderte von Schmetterlingen zu flattern. Dieses Lächeln, dieses unmissverständliche Funkeln in seinen Augen … Zielte sein Kommentar auch auf sie?

Aber sie musste vernünftig bleiben. Also schüttelte sie den Kopf. „Wieso werde ich das Gefühl nicht los, dass Sie heute in Abenteuerlaune sind, Peter?“

Er lachte auf, und Erin liebte dieses Lachen sofort. Sein Lachen vertrieb die düstere Verwirrung aus ihren Gedanken und ließ ihre ursprünglichen Gefühle für Peter Ramsey wieder aufblitzen.

Ja, er war anders als die anderen. Und sie wollte alles über ihn erfahren. Also war es wohl das Beste, wenn sie sich entspannte, sich ganz natürlich gab und alles auf sich zukommen ließ. Wer konnte schon sagen, wohin das führte?

4. KAPITEL

Da war er wieder – dieser Ausdruck fast kindlicher Neugier in ihren wunderbaren grünen Augen. Dieser Ausdruck rührte etwas in Peter an. Nur mit Mühe hielt er sich davon zurück, es ihr zu sagen.

„Sie sind mein Abenteuer, Erin Lavelle.“

Eine direkte Offenheit, die sie abschrecken oder beleidigen könnte. Vielleicht zog sie sich jetzt zurück und brach das Kennenlernen hier ab. Was er bis jetzt herausgefunden hatte, gefiel ihm. Vor allem, dass sie keinen Freund hatte. Und ihre geschiedenen Eltern hatten wohl auch keinen Einfluss mehr auf sie. Sie war frei, um zu tun, was immer sie wollte. Und heute hatte sie entschieden, mit ihm zum Dinner zu gehen, bevor sie weiter auf eine Party zog.

Nicht, dass sie es je zu dieser Party schaffen würde. Peter war nämlich fest entschlossen, selbst diesen Abend mit Erin zu verbringen.

„Der heutige Tag war völlig anders, als ich es üblicherweise gewohnt bin.“ Er wusste, dass sie für seinen Ausspruch eine Erklärung brauchte, die Sinn ergab. „Aber ich muss sagen, es war ein erstaunlich gutes Gefühl, und so wünsche ich mir, dass der Tag auch mit einem guten Gefühl endet.“

„Wieso waren Sie in dem Park?“

Weil du da warst! Würde diese Antwort ihr schmeicheln? Oder würde sie sie verängstigen?

Sein Instinkt warnte ihn, dass es klüger sei, sie besser kennenzulernen, bevor er zu offen würde. Also zuckte er scheinbar gleichgültig mit einer Schulter. „Eine Laune. Ich habe den ganzen Vormittag auf der Randwick-Rennbahn verbracht, weil ich dort eine Besprechung mit meinem Trainer hatte. Das Herbst-Derby steht bevor, und das wollte er mit mir besprechen. Auf der Fahrt zurück in die Stadt dachte ich mir, es ist ein viel zu schöner Tag, um ihn im Büro zu verbringen.“ Er lächelte und hoffte, sie würde sein Lächeln erwidern. „Ich hatte auf einmal Lust, Rosenduft zu riechen.“

Tatsächlich lachte Erin unbeschwert auf. „In dem Park gibt es keine Rosen.“

„Na, dann eben frische Luft und Sonnenschein genießen. In Vorstandszimmern gibt es das nicht.“

Ihre Augen tanzten vor Vergnügen. „Wann haben Sie das letzte Mal von Ihrem üblichen Leben blaugemacht?“

Er schüttelte den Kopf. „Kann mich nicht mehr erinnern.“

„Und ist das Gefühl noch immer gut?“ Mit einer ausholenden Geste schloss Erin das gesamte Restaurant ein. „Ich meine, in dieser Umgebung?“

„Wie sollte es kein gutes Gefühl sein, wenn die Prinzessin aus Immerland gekommen ist, um einem Kind Glück und Freude zu schenken?“

„Oh!“ Sie schlug die Hände an die plötzlich brennenden Wangen. „Sie haben ja wirklich zugehört, als ich die Geschichte erzählte!“

„Die Kinder hingen an jedem Ihrer Worte, und ich konnte mich dem Zauber auch nicht entziehen.“

„Hat es Ihnen gefallen?“, fragte sie überrascht und erfreut zugleich.

„Sie haben wirklich eine besondere Gabe, Erin“, versicherte Peter.

„Das ist eine meiner Lieblingsgeschichten. Ich bin ja so froh, dass sie …“, hastig unterbrach sie sich und runzelte die Stirn, als sei ihr der begeisterte Ausbruch peinlich. Verlegen schlug sie die Augen nieder.

Auf Peter wirkte es, als wolle sie etwas vor ihm verheimlichen. „Sprechen Sie doch weiter“, drängte er. Er wollte dieses lebendige Feuer wieder in ihrer Miene sehen. Es war so offen und natürlich.

Mit einem entschuldigenden Lächeln ergriff sie ihr Wasserglas. „Danke für das Kompliment, Peter. Aber jetzt lassen Sie uns endlich über die Harper-Familie reden. Deshalb sind Sie doch gekommen.“

Es lag ihm schon auf der Zunge zu widersprechen. Er war ihretwegen gekommen. Einen Bericht über die Reaktion von Daves Exfrau hätte er auch telefonisch einholen können. Aber wahrscheinlich war es tatsächlich noch zu früh, Erin zu gestehen, dass sein Interesse vor allem ihr galt. Also war es wohl besser, das Thema Harper abzuhandeln.

„Ich gehe davon aus, dass Ihre Tante meine Visitenkarte benutzt und Mrs. Harper erklärt hat, warum ich eingegriffen habe?“, setzte er an.

„Anfangs nicht. Sie hat Mrs. Harper erzählt, dass Thomas’ Vater im Park aufgetaucht ist und …“, Erin hielt mit gerunzelter Stirn inne. „Es war wirklich seltsam, Peter. Sie reagierte weder verärgert noch erschreckt. Sie sah regelrecht zufrieden aus, triumphierend – so als sei ihr Exmann in die Falle getappt, die sie ihm gestellt hat. Sie konnte vor Aufregung kaum an sich halten, als sie fragte, ob die Polizei gerufen worden sei.“

Peter nickte. „Das passt zu Daves Story. Er behauptet, sie wolle ihn komplett aus dem Weg räumen, damit sie Thomas für sich allein haben kann, und sie lässt sich alles Mögliche einfallen, damit es auch dazu kommt. Ihre Tante musste sich sicherlich einiges anhören, als Mrs. Harper erfuhr, dass die Polizei nicht zum Einsatz kam.“

„Sie ist regelrecht explodiert, als wäre eine Bombe losgegangen.“ Selbst jetzt noch spürte Erin die Beklemmung, als sie an die Szene zurückdachte. „Drohungen und Beschimpfungen, Mrs. Harpers Gesicht war rot vor Rage. Endlich gelang es Sarah, sich in diesem Anfall Gehör zu verschaffen und Mrs. Harper zu sagen, dass Sie sich Mr. Harpers angenommen haben. Sie reichte ihr auch Ihre Visitenkarte.“

„Und?“

„Auf jeden Fall hat Ihre Visitenkarte ihr den Wind aus dem Segeln genommen. Sie war völlig fassungslos, wollte es nicht glauben. Hat ständig wiederholt: ‚Woher kennt Dave ihn? Wieso sollte Ramsey sich einmischen? Es geht ihn doch gar nichts an.‘ Nun, wie auch immer, Sarah betonte, dass Sie Dave unter Ihre Fittiche genommen haben und sich für ihn einsetzen. Da ist sie hysterisch geworden, hat herumgeschrien, es sei ihr Leben, und sie würde es auf ihre Art leben.“

„Das passt auch.“ Peter war zufrieden, dass er hier eine gerechte Sache unterstützte. „Dave erzählte, dass er um des lieben Friedens willen immer nachgeben musste, aber dass sie ihm den Sohn wegnehmen will, das erträgt er nicht.“

„Ich glaube, sie wird bis zum bitteren Ende kämpfen“, warnte Erin. „Sie ist zu sehr daran gewöhnt, ihren Willen zu kriegen, um überhaupt einen Kompromiss suchen zu wollen.“

„Daran zweifle ich nicht. Aber ich habe Dave zu einem Anwalt gebracht, der die Sache mit dem Besuchsrecht regelt. Er wird Dave vor Gericht vertreten. Es wird also nicht alles nach Mrs. Harpers Nase gehen.“

Seine unumstößliche Zuversicht weckte ihre Neugier. „Wieso mischen Sie sich da überhaupt ein, Peter? Ich meine, in einer Hinsicht hat Mrs. Harper recht – es geht Sie doch eigentlich nichts an.“

„Stört es Sie?“

„Nein, ganz und gar nicht. Es ist nur … normalerweise tun Leute das nicht – die Sache eines Fremden zu der eigenen zu machen und dann alles ihnen Mögliche für diesen Fremden zu unternehmen.“

Sie war also von seiner Großherzigkeit beeindruckt. Natürlich könnte er jetzt aus ihrer Bewunderung Kapital schlagen, aber er fühlte sich nie wohl dabei, wenn Geld der ausschlaggebende Faktor war. „Es ist leicht, den barmherzigen Samariter zu spielen, wenn man ein dickes finanzielles Polster im Rücken hat, Erin“, spöttelte er.

„Sicher, das könnte sein“, stimmte sie nachdenklich zu. „Aber Sie haben Mr. Harper ja nicht nur mit Geld geholfen, sondern auch Ihre Zeit investiert. Sie haben sich persönlich eingesetzt, um die Sache für ihn ins rechte Lot zu bringen.“

„Ich wollte nicht, dass er seinen Sohn verliert. Bei einer Scheidung geht es oft ungerecht zu, und viele Väter verlieren ohne ihre Familie den Halt. Ich weiß, wenn ich in der gleichen Lage wäre, ich würde mit Zähnen und Klauen um meine Kinder kämpfen.“

Erin glaubte ihm aufs Wort. Da lag etwas Hartes, ja Skrupelloses in seiner Stimme, und seine Miene hatte sich verfinstert, seine Augen blickten unnachgiebig. Gnade Gott der Frau, die versuchen sollte, Peter Ramsey von seinen Kindern zu trennen!

Aber … wäre der Besitzanspruch der Auslöser, oder wollte er wirklich ein Vater sein, der aktiv mit Hand anlegte?

„Manche Väter scheuen die Verantwortung, ihr Kind großzuziehen“, sagte sie vorsichtig. „Das überlassen sie dann lieber den Müttern.“

Der Blick aus den blauen Augen schien ihr bis ins Herz zu sehen. „Ist das Ihre persönliche Erfahrung, Erin?“

„Richtig“, gab sie zu. „Mein Vater ist Akademiker, ein Englischprofessor, der in seiner eigenen literarischen Welt lebt. Er setzt als selbstverständlich voraus, dass eine Frau sich um seine Bedürfnisse kümmert. Und was die Bedürfnisse eines Kindes betrifft …“, sie lächelte freudlos. „Er tat nur das, woran er selbst Spaß hatte. Also redeten wir hauptsächlich über Bücher. Natürlich gefiel es mir auch, aber alles, was darüber hinausging, war für ihn uninteressant. Unsere Beziehung beschränkte sich allein darauf. Und als meine Eltern sich dann trennten, musste ich die schmerzhafte Erfahrung machen, dass es wenig Zweck hatte, überhaupt je mehr von ihm zu erwarten.“

Peter verzog bedauernd den Mund. „Scheinbar ein Mann, der nur an sich selbst denkt. Das tut mir leid, Erin. Aber nicht alle Männer sind so.“

„Ich weiß. Und nicht alle Frauen sind wie Mrs. Harper.“

Autor

Emma Darcy
Emma Darcy ist das Pseudonym des Autoren-Ehepaars Frank und Wendy Brennan. Gemeinsam haben die beiden über 100 Romane geschrieben, die insgesamt mehr als 60 Millionen Mal verkauft wurden. Frank und Wendy lernten sich in ihrer Heimat Australien kennen. Wendy studierte dort Englisch und Französisch, kurzzeitig interessierte sie sich sogar für...
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