Julia Best of Band 235

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NÄCHTE DER LIEBE - TAGE DER HOFFNUNG
Eine Ehe wie ein Geschäftsvertrag! Jessica soll ihm einen Erben schenken, im Gegenzug rettet Gabriel Dumont ihr Anwesen. Tagsüber ist er kühl. Doch nachts entführt er sie in den Himmel der Leidenschaft. Jessica wünschte, diese Nächte würden nie enden ...

LIEBE WIE IM RAUSCH
Alexandre Dupree, weit gereister Weingutsbesitzer, hat schon mit vielen schönen Frauen Affären gehabt, aber ausgerechnet die, die sein Herz im Sturm erobert hat, will nichts von ihm wissen. Erst als er ihr Tagebuch findet, erkennt er, wonach sich Charlotte sehnt. Alexandre wird alles dafür tun, um ihre geheimen Träume zu erfüllen ...

WIE VERFÜHR ICH MEINEN MANN?
Eine unerwartete Schwangerschaft zerstört alle Pläne: Vicki wollte die Scheidung, stattdessen verlangt Caleb eine zweite Chance. Vicki ist bereit. Unter einer Bedingung: Diesmal soll nicht hilfloses Schweigen die wichtigste Rolle spielen - sondern die Leidenschaft im Ehebett!


  • Erscheinungstag 15.01.2021
  • Bandnummer 235
  • ISBN / Artikelnummer 9783751502795
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Nalini Singh

JULIA BEST OF BAND 235

1. KAPITEL

Die letzte Person, die Jessica Randall bei ihrer Ankunft in Neuseeland auf dem International Airport von Christchurch zu sehen erwartet hatte, war der Mann, den sie bald heiraten würde. „Gabriel. Was machst du denn hier?“

„Du warst ein Jahr lang in L. A., und das ist alles, was du zu sagen hast?“

Verwirrt küsste sie ihn flüchtig auf die Wange. Es war ein ungewohntes, merkwürdiges Gefühl. „Entschuldige, ich war einfach überrascht. Hast du nicht alle Hände voll zu tun auf der Farm?“

„Ich wollte etwas mit dir besprechen. Aber eins nach dem anderen.“ Unvermittelt zog er sie an sich und küsste sie leidenschaftlich auf den Mund.

Das brachte Jessica völlig aus der Fassung, und sie klammerte sich an sein Hemd, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Deutlich spürte sie die knisternde Spannung zwischen ihnen. Jessicas Herz klopfte zum Zerspringen, und das Blut rauschte ihr in den Ohren.

Es war der intimste Kuss, den sie und Gabriel je getauscht hatten, der engste Körperkontakt, den sie bisher hatten. Jessica geriet geradezu in Panik. Nicht, weil es ihr nicht gefiel, sondern weil es ihr gefiel.

„Willkommen zu Hause.“ Gabriel gab sie frei. Der Ausdruck in seinen grünen Augen war unmissverständlich – Gabriel Dumont war bereit für die Hochzeitsnacht.

Mit leicht zittrigen Beinen sah Jessica zu, wie er ihr Gepäck aufnahm, dann folgte sie ihm zum Bereich des Flughafens für Inlandsflüge und weiter zum Flugfeld für die kleineren Maschinen. Dort wartete die Jubilee auf sie, eines der beiden Flugzeuge, die zur Angel-Farm gehörten.

Jessica fühlte sich derart unter Druck – wegen Gabriels Erwartungen, aber hauptsächlich wegen ihrer unerklärlichen Reaktion auf seine Umarmung –, dass sie kaum etwas wahrnahm. Im Laufe des vergangenen Jahres hatte sie sich eingeredet, ihre Ehe würde eine ruhige, geschäftsmäßige Angelegenheit werden. Sie hatte nicht einmal darüber nachgedacht, was es bedeuten könnte, wirklich Gabriels Frau zu sein –, von ihm berührt und in Besitz genommen zu werden.

Ihr Herz klopfte heftig, als Gabriel neben ihr den Platz des Piloten einnahm, die Kontrolle übernahm. Ihr Verlobter war ein Mann, der genau wusste, was er wollte. Man konnte ihn unmöglich ignorieren.

Gabriel Dumont war hochgewachsen, muskulös und schlank und wirkte geschmeidig. Seine Art sich zu bewegen erinnerte an einen jungen wilden Hengst, prachtvoll und stolz. Sie wusste von früher, dass die verblassten Brandnarben auf seinem linken Arm und auf seinem Rücken diese Wirkung nicht schmälerten – womöglich unterstrichen sie seine überwältigende Ausstrahlung sogar noch. Seine klaren grünen Augen und sein in der Sonne schimmerndes Haar ließen ihn perfekt wirken. Es war fast, als wäre er in dem Jahr ihrer Abwesenheit noch attraktiver geworden … noch unpassender für sie.

Bei Gabriels Anblick verschlug es den Frauen in der Regel den Atem. Man fühlte sich unweigerlich an die Schönheit eines Tigers erinnert – gefährlich und unberührbar. Nicht zum ersten Mal zweifelte Jessica an der Richtigkeit ihrer Entscheidung, einen Mann zu heiraten, von dem sie so wenig wusste, obwohl sie auf benachbarten Farmen aufgewachsen war.

„Und, was hast du in L. A. gelernt?“, fragte Gabriel, nachdem sie sicher abgehoben hatten.

Noch immer nervös von der Wirkung seines Kusses auf sie, bemühte Jessica sich, ruhig zu klingen. „Dass ich malen kann.“ Sie hatte bei Genevieve Legraux, einer bekannten Malerin, studiert.

„Das wussten wir beide vorher, Jessica. Deshalb bist du ja nach Amerika gegangen.“

„Stimmt. Ich meine, ich habe herausgefunden, dass ich auf einem Niveau malen kann, das zum Profi reichen könnte.“ Diese Entdeckung hatte sie überrascht, denn sie hatte als Kind und Jugendliche auf der kleinen Schaffarm ihrer Eltern nur gelegentlich Zeit für ihre Kunst gehabt.

„Genevieve hat mich ermutigt, meine Bilder zum Verkauf anzubieten. Sie will einige sogar an Richard Dusevic schicken, einem angesehenen Galeristen in Auckland.“

„Davon hast du bei unseren Telefonaten gar nichts erzählt.“

Achselzuckend dachte Jessica an die wöchentlichen Telefonate zurück. Sie hatten immer höchstens ein paar Minuten gedauert, doch sie hatte sich danach jedes Mal verloren und verwirrt gefühlt. „Ich wollte dir die Bilder zeigen.“ Gabriel glaubte nur, was er sah. „Sie sollten in Kürze ankommen. Ich habe sie als Schiffsfracht aufgegeben.“

„Wirst du Los Angeles vermissen?“

„Nein.“ Jessica warf einen Blick aus dem Fenster. Sie flogen gerade über die Canterbury Plains, die einem Flickenteppich glichen. Bald würden sie das Mackenzie Country erreichen, ein atemberaubendes Paradies im Schatten der Southern Alps Neuseelands und die einzige Gegend, in der sie sich zu Hause fühlte. „Ich musste für eine Weile weg von hier, doch jetzt komme ich zurück, um zu bleiben.“

„Wirklich?“

Sein scharfer Ton ließ Jessica sich Gabriel zuwenden. „Was für eine Frage ist denn das? Wir werden heiraten – oder hast du deine Meinung geändert?“ Vielleicht hatte er sich ja inzwischen in eine dieser sinnlichen, selbstsicheren Frauen verliebt, mit denen er in schöner Regelmäßigkeit das Bett teilte. Bei dem Gedanken ballte sie die Hände zu Fäusten.

„Ich bin bereit.“ Gabriel korrigierte ein wenig den Kurs. „Deinetwegen mache ich mir Sorgen.“

„Ich habe versprochen, dass ich zurückkomme, um zu heiraten. Und ich bin zurückgekommen.“ Traumatisiert von zwei Schicksalsschlägen, den Tod ihres Vaters und der Kündigung der Hypothek, mit der die Randall-Farm belastet war, hatte sie vor zwölf Monaten nicht die Kraft gehabt, jemandes Frau zu werden, schon gar nicht die eines Mannes wie Gabriel.

„Mark und Kayla haben sich getrennt.“

„Wie bitte? Aber du hast doch gesagt, Kayla sei schwanger.“

„Hochschwanger. Dein Freund hat sie vor drei Monaten verlassen.“

Das klang wie eine verbale Ohrfeige. „Mark ist ein guter Freund, mehr nicht.“

„Egal, wie sehr du dir etwas anderes wünschst?“

Gabriel sah sie an, und sein Blick war so kalt, dass Jessica nichts darin entdeckte als ihr eigenes Spiegelbild.

„Ja. Egal, wie sehr ich mir etwas anderes wünsche“, räumte sie ein, obwohl sie sich gedemütigt fühlte. „Er hat mich nie geliebt, nicht so wie er Kayla liebt.“

„Sieht mir nicht nach Liebe aus. Der Junge zieht mit allem durch die Gegend, was einen Rock trägt und Brüste hat.“

Die vulgäre Bemerkung ließ Jessica erröten. „Er ist wohl kaum ein Junge, immerhin ist er so alt wie ich.“ Und mit sechsundzwanzig sollte man erwachsen sein.

„Er benimmt sich momentan eben wie ein Kind“, überging Gabriel, der neun Jahre älter war als sie, Jessicas Einwand.

„Wie ist es passiert? Und warum hast du mir das nicht früher erzählt?“

Er warf ihr einen seltsamen Blick zu. „Hat Mark es dir denn nicht gesagt?“

Jessica strich sich das Haar hinter die Ohren. „Nein, wir haben nicht miteinander geredet, seit ich weggegangen bin.“

„Kein einziges Mal?“

„Nein“, schwindelte sie und bemühte sich, nicht an Marks einzigen Anruf vor vier Monaten zu denken. Er war betrunken gewesen und hatte Dinge gesagt, die kein verheirateter Mann sagen sollte – Dinge, die sie sich nicht hätte anhören sollen. „Sieht es schlecht aus?“

„Es geht das Gerücht, sie wollen sich scheiden lassen.“

„Die arme Kayla.“

„Scheinheiligkeit hätte ich nicht von dir erwartet.“

Jessica errötete erneut. „Egal, was du denkst, ich wünsche keiner Frau diesen Kummer. Es sei denn … hat sie die Trennung verlangt?“

„Es sieht nicht danach aus.“

„Ich kann es nicht glauben, dass Mark seine Ehe hinwirft.“

„Vielleicht hat er endlich gemerkt, was er aufgegeben hat.“ Gabriels herausfordernder Ton war nicht zu überhören. „Was wirst du tun?“

„Tun?“ Jessica war noch ganz benommen.

„Wir werden morgen heiraten, und ich will, dass wir verheiratet bleiben. Wenn du also vorhast, Mark nachzulaufen, dann solltest du mir das lieber gleich sagen.“

Jessica atmete tief durch. „Wie soll ich denn jetzt sofort eine Entscheidung treffen?“

„Genauso, wie du entschieden hast mich zu heiraten und mit meinem Geld nach L. A. zu gehen.“

„Wirf mir das nicht vor! Du warst einverstanden, dass ich für ein Jahr weggehe.“

„Beantworte die verdammte Frage. Willst du heiraten oder nicht?“ Seine Miene wirkte erbarmungslos.

In Wirklichkeit hatte Jessica gar keine Wahl. Wenn sie einen Rückzieher machte, verlor sie den letzten Einfluss auf das Land, das einmal die Randall-Farm war, ihr Zuhause. „Wie viel kostet es, die Farm zurückzukaufen?“ Gabriel hatte das Land nie wirklich haben wollen. Er hatte nur bei der Zwangsversteigerung mitgeboten, weil sie ihn inständig darum gebeten hatte. Aber das änderte nichts an der Tatsache, dass er die Farm jetzt besaß. Und sie gleich mit.

Gabriel schnaubte verächtlich. „Du hattest damals nicht so viel Geld, und du hast es jetzt nicht. Genauso wenig wie Mark.“

Das war unstrittig. Zudem war sie Gabriel etwas schuldig für das Jahr in L. A. – ein Jahr Auszeit, das sie unbedingt gebraucht hatte, um erwachsen zu werden. Egal, ob sie Mark liebte oder nicht, sie hatte ihrem Vater auf dessen Totenbett ein Versprechen gegeben, und das würde sie halten. Auf Randall-Land würde immer ein Randall leben. „Ich werde dich heiraten.“

„Du wirst einen Ehevertrag unterzeichnen müssen.“

Jessica verstand glasklar, was er damit sagen wollte. „Ich habe nicht die Absicht, das Land durch eine Scheidung zurückzubekommen. Du hast es rechtmäßig erworben.“ Damit hatte er es vor Grundstücksspekulanten gerettet, die es völlig zerstört hätten.

Den Preis zu bezahlen, den er verlangt hatte – die Ehe –, war ihr seinerzeit nicht als ein so großes Opfer erschienen. Besonders, da sie geglaubt hatte, sie würde keinerlei Gefühle in diese Verbindung einbringen müssen. Es war ihr nie in den Sinn gekommen, dass Gabriel ihr nicht gestatten würde, auf Distanz zu bleiben.

Jedenfalls nicht bis zu dem Moment, als er sie bei ihrer Ankunft geküsst hatte.

„Mein Anwalt wird die Papiere morgen früh vorbeibringen.“

„Schön.“ Hinter Gabriels Geld war sie nie her gewesen. Das Recht zu verlieren, das ihr anvertraute Land zu betreten, das hatte sie nicht ertragen können.

Im Cockpit breitete sich Schweigen aus. Jessica legte den Kopf zurück und versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Mark hatte sich von Kayla getrennt. Ein kleine egoistische Stimme in ihr forderte sie auf, die Hochzeit mit Gabriel abzusagen, doch sie hatte seit langem aufgehört sich etwas vorzumachen. Auch wenn Mark sich wieder wie ein Single aufführte, in ihr hatte er nie etwas anderes gesehen als eine Freundin.

Trotzdem musste sie immer wieder an Marks unerwarteten Anruf denken, an das, was er gesagt hatte. Sie schluckte und rief sich ins Gedächtnis, dass er betrunken gewesen war. Er hatte es nicht ernst gemeint. Rein gar nichts. Sie konnte es sich nicht leisten, etwas anderes zu glauben.

„Wie kommt es, dass du abgenommen hast?“ Gabriels harsche Frage durchschnitt das Schweigen wie ein Messer.

„Es ist einfach passiert.“ Eine Kombination aus Kummer, Schock und dem Stress der ersten Monate in einer fremden Stadt. „Ich dachte, du würdest dich freuen.“ Seine Geliebten waren immer langbeinige, schlanke Schönheiten gewesen. Sie dagegen war nicht besonders groß und auch jetzt nicht gerade gertenschlank.

„Ich heirate dich nicht deines Körpers wegen.“

Jessica biss sich auf die Unterlippe. „Nein.“ Trotz des atemberaubenden Kusses hatte sie keinen Zweifel daran, dass der wohlhabende, erfolgreiche und unglaublich attraktive Gabriel Dumont sie nicht ihres Körpers wegen heiratete. Und auch nicht ihres Verstandes wegen oder wegen ihrer fundierten Kenntnisse des Lebens auf einer Farm. Nein, Gabriel heiratete sie aus einem einfachen, praktischen Grund: Im Gegensatz zu jeder anderen Frau, die bisher seinen Weg gekreuzt hatte, machte sie sich keine romantischen Illusionen über ihn.

Sie erwartete nicht, dass er sie liebte, nicht jetzt, nicht irgendwann. Daher war sie eine ausgesprochen geeignete Heiratskandidatin für einen Mann, der unfähig war zu lieben und nicht von einer Frau behelligt werden wollte, die sein Leben mit Träumen von Romantik aus dem Tritt brachte.

„Ich habe mir in L. A. ein Kleid gekauft. Für die Hochzeit“, sagte sie.

„Nicht das kleinste bisschen unschlüssig?“

„Du hast mir ein Jahr Zeit gegeben. Ich bin jetzt bereit.“

Gabriel erinnerte sich nur allzu genau an ihre verzweifelte Bitte an dem Abend, an dem sie beschlossen hatten zu heiraten. Ich muss herausfinden, wer ich bin, ehe ich Mrs. Dumont werde, hatte sie gesagt. Ich habe nie gelernt, für mich selbst verantwortlich zu sein und bei dir werde ich das können müssen. Andernfalls wirst du mich zerstören, ohne es zu wollen.

Sie hatte den Mut gehabt, ihm ins Gesicht zu sagen, was viele nicht gewagt hätten –, dass er durchaus einen sanften, weniger starken Menschen mit seiner schroffen nüchternen Art zu zerstören vermochte.

Die Frau neben ihm hörte sich nicht mehr an wie das verzweifelte Mädchen von vor zwölf Monaten, doch sie war noch genauso mutig. „Gut“, sagte er, war sich aber gar nicht sicher, ob ihm ihre Stärke gefiel. Er hatte Jessica gewählt, weil er gewusst hatte, dass sie absolut nichts von ihm verlangen würde. Ihr lag lediglich daran, die Randall-Farm zu behalten.

„Du hast … du hast keine andere Frau gefunden?“

„Ich will, dass du meine Frau wirst, Jessie. Ich will, dass du auf der Angel-Farm lebst, meinen Namen trägst und meine Kinder bekommst.“ Er ließ keinen Zweifel daran, dass er fest entschlossen war. Er hatte seine Wahl getroffen, und er würde dabei bleiben.

Dass sie nichts für ihn empfand, störte ihn nicht im Mindesten. Er hatte vor langer Zeit beschlossen, dass Liebe in seiner Ehe, falls er einmal heiraten sollte, keine Rolle spielen würde. „Im Gegensatz zu Mark habe ich meine Hosen anbehalten, seit wir verlobt sind.“

„Wirst du seinen Namen bei jeder Unterhaltung, die wir führen, aufs Tapet bringen?“

Auf diesen unerwarteten Tadel hin warf er ihr einen Seitenblick zu. Sie hatte die Augen zusammengekniffen und die Arme verschränkt. Ihre Haltung amüsierte ihn. Sie mochte ein wenig erwachsener geworden sein, doch sie war immer noch ein Leichtgewicht verglichen mit ihm. „Wen möchtest du zur Hochzeit einladen?“

Frustriert aufseufzend strich sie durch ihr rotbraunes Haar. Er merkte, dass er den Blick auf ihren Locken verweilen ließ. Das war ein Merkmal Jessicas, das sich nicht geändert hatte – ihre unbändige, seidige Lockenpracht, die so gar nicht zu ihrem stillen, anspruchslosen Charakter passen wollte.

„Ich würde eine Hochzeit im kleinen Rahmen vorziehen, denn wenn wir einige Leute aus Kowhai“, das war die nächste Stadt, „einladen und andere nicht, wird es Gerede geben. Wie wär’s, wenn wir uns auf die Mitarbeiter der Farm beschränken?“

„Sonst niemand?“

„Nein.“ Jessica fragte sich, ob sie sich seinen neuerlichen scharfen Unterton bloß einbildete. „Wissen die Leute …?“

„Einige vermuten es, seit sie gehört haben, dass du direkt auf die Angel-Farm zurückkommst.“

Gabriel streckte die Hand aus, um einen Hebel zu bedienen, und Jessica fühlte sich wie hypnotisiert vom Anblick seines sehnigen Arms.

„Nach der Hochzeit ist es noch früh genug, die Gerüchte zu bestätigen“, fügte er hinzu.

Jessica nickte, unfähig den Gedanken zu verdrängen, dass Gabriels Hände bald sehr viel intimere Bereiche berühren würden als die Regler im Cockpit seines Flugzeugs. Die Vorstellung löste erneut Panik in ihr aus, doch sie bezwang sie. Der Tag, an dem sie dieser Panik die Oberhand ließ, würde der Tag sein, an dem sie jede Hoffnung aufgeben konnte, dass diese Ehe funktionierte. Gabriel würde niemals eine schwache Frau respektieren. „Das macht es einfacher.“

„Ist dir vier Uhr morgen Nachmittag recht?“

Ihr Hals war derart trocken, dass sie sich räuspern musste. „Okay.“ Es gab keinen Grund zu warten – sie hatten ihre Vereinbarung an einem regnerischen Abend vor einem Jahr getroffen.

Jetzt war die Zeit gekommen, ihre Schulden zu begleichen.

2. KAPITEL

„Ich habe dein Gepäck für heute Nacht ins Gästezimmer gebracht.“

Gabriel stand hinter Jessica und stützte die Arme rechts und links von ihr auf dem Verandageländer auf. Ihr krampfte sich der Magen zusammen, auch wenn sie wusste, dass er sie nie zu etwas zwingen würde. Falls sie sich weigern sollte, mit ihm zu schlafen, würde er sich zurückziehen, und alle Heiratspläne wären vom Tisch. Er würde sie bitten, die Farm zu verlassen und nie zurückzukommen.

„Nur für heute Nacht?“ Sie hielt den Blick auf die majestätischen Gipfel in der Ferne gerichtet. Das Mackenzie Country zog sich im Kessel unterhalb der Berge hin und der Anblick war selbst im ausklingenden Winter atemberaubend. Doch die Schönheit ihrer Heimat konnte sie im Moment nicht beruhigen. „Du meinst doch nicht, dass wir …?“

„Wir werden heiraten, Jessie.“

„Ich weiß. Aber wir können nicht …“

„Ich habe dir doch von Anfang an gesagt, dass ich Kinder will.“

Bei seiner Unnachgiebigkeit benötigte sie jedes Quäntchen Mut, das sie besaß. „Ich meine doch nur, wir sollten uns Zeit lassen, um uns in dieser Hinsicht aneinander zu gewöhnen.“

„In welcher Hinsicht?“

Er stand noch immer hinter ihr, und sein Atem fühlte sich auf ihrer empfindsamen Haut im Nacken wie eine heiße Liebkosung an. Heftiges Verlangen durchströmte sie, ein Schock, der ihre Welt auf den Kopf zu stellen drohte. „Du weißt, was ich meine.“

„Ich lebe seit einem Jahr enthaltsam. Wenn du mehr Zeit haben willst, such dir einen anderen Mann.“

„Ich fasse es nicht, dass du das eben gesagt hast.“ Jessica wollte sich zu ihm umdrehen, doch Gabriel hinderte sie daran. „Mit anderen Worten, du wirst die Hochzeit abblasen, wenn ich nicht einwillige, umgehend mit dir Sex zu haben?“

Er wich keinen Millimeter zurück. „Es ist doch klar, weshalb wir heiraten, Jessica. Du willst das Land der Randalls in der Familie behalten, und ich bin fünfunddreißig, also in einem Alter, in dem es Zeit für Kinder wird, um die Zukunft der Angel-Farm sicherzustellen.“

Nach einem Moment fügte er hinzu: „Im Grunde genommen geht es uns beiden darum, einen Erben zu bekommen. Wenn du nicht bereit bist zu tun, was nötig ist, was hat es dann für einen Sinn? Entweder nehmen wir unser Vorhaben in Angriff, oder wir lassen es ganz.“

Das war eine brutal sachliche Beschreibung ihrer Abmachung, die Jessica den Atem verschlug. Und es machte sie wütend. Warum hatte er nicht wenigstens versuchen können, dieses eine Mal, wo sie es am meisten gebraucht hätte, etwas sanfter zu sein? „Ich bin noch Jungfrau, Gabriel. Wenn ich morgen also ein paar Fehler mache, dann wirst du das entschuldigen müssen“, sagte sie ärgerlich.

Gabriel erstarrte. „Was hast du gesagt?“

Es freute sie, dass sie ihn aus dem Gleichgewicht gebracht hatte, doch ihr Eingeständnis machte sie reichlich nervös. „Du hast mich genau verstanden.“

„Soll das heißen, dass Mark nie etwas versucht hat?“

Wenn er ein anderer Mann gewesen wäre, hätte sie vermutet, er würde absichtlich Salz in ihre offenen Wunden streuen wollen. Doch Hinterhältigkeit war nicht Gabriels Stil – er griff immer frontal an. „Genau.“

„Und du hast dir keinen anderen Liebhaber gesucht?“ Gabriel beantwortete seine Frage selbst, ehe sie etwas sagen konnte. „Natürlich nicht. Du hast darauf gewartet, dass Mark sich in dich verliebt.“

Mit seiner gefühllosen Vermutung lag er ziemlich richtig. „Wir wissen beide, dass das nicht passiert ist, also bin ich weit weniger erfahren, als du es wahrscheinlich gewöhnt bist.“ Die Untertreibung des Jahrhunderts. Gabriels Geliebte hatten immer eine starke sinnliche Ausstrahlung gehabt und diesen wissenden Blick.

„Schön. Dann werde ich dich trainieren.“

Fassungslos wirbelte sie in seinen Armen herum. „Das sollte wohl ein Witz sein.“

Gabriel neigte den Kopf, bis sein Mund dicht vor ihrem war. „Ich dachte, du wüsstest es – ich habe keinen Humor.“ Sein Kuss war alles andere als sanft. Mit seiner ganzen Arroganz und Entschlossenheit zwang er sie, den Mund für ihn zu öffnen, und eroberte ihn dann.

Ohne Gnade. Ohne jede Rücksicht.

Genau wie am Flughafen erstarrte Jessica. Aber diesmal endete der Kuss nicht abrupt. Es war wie ein Inferno, und sie klammerte sich an Gabriel. Ihr Körper war an seinen gepresst, ihr Verstand von wildem Verlangen ausgeschaltet. Als er sie freigab, rang sie nach Atem. Bevor sie etwas sagen konnte, küsste er sie erneut, und sie war keines klaren Gedankens mehr fähig.

Gabriel ließ sich Zeit, Jessica zu erforschen, ihren weichen Mund zu genießen. Er zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass sie aus einem Urinstinkt heraus derart ungestüm auf ihn reagierte. Genau das hatte er erreichen wollen. Jessica mochte einen anderen Mann lieben, aber im Bett würde sie vor Lust den Namen ihres Ehemannes keuchen.

Allerdings hätte er nie damit gerechnet, dass sie ihm ihrerseits unglaubliche Lust verschaffte. Das machte ihn nicht glücklich. Leidenschaft untergrub die ausgefeiltesten Pläne, brachte die Dinge aus dem Lot. Indem er Jessica wählte, hatte er sich bewusst gegen körperliche Begierde entschieden.

Doch da war sie nun, Leidenschaft pur in seinen Armen.

Er beendete den Kuss und sah zu, wie Jessica heftig atmend um Fassung rang. Ihre Lippen waren feucht, ihre Augen geschlossen, ihr Körper an seinen geschmiegt. Es war verlockend, sie noch einmal zu küssen, doch er hatte nicht die Absicht, Macht auf diesem Gebiet abzutreten. Oder auf irgendeinem anderen.

Jessica öffnete die Augen.

Er strich mit dem Daumen über ihre Unterlippe und legte seine andere Hand auf ihre Hüfte. „Wir werden keine Probleme im Bett haben.“

Jessica versteifte sich augenblicklich. „Lass mich los. Du hast bewiesen, was du beweisen wolltest.“

Gabriel trat zurück, und dabei fiel sein Blick auf ihre verhärteten Brustknospen. Er bemerkte, dass Jessica errötete, sie unternahm jedoch keinen Versuch, ihre Brüste zu bedecken. Meine Frau ist also aufsässig, dachte er belustigt. Es würde ihm großen Spaß machen sie zu zähmen. „Geh schlafen. Morgen wird es viel zu tun geben. Und denk daran, ich bin kein Mann, der aufgibt, was ihm gehört.“

Mrs. Croft, Köchin und Haushälterin auf der Angel-Farm, werkelte in der Küche herum, als Jessica gegen sieben am nächsten Morgen nach unten kam.

Die ältere Frau begrüßte sie mit einem Küsschen auf die Wange, denn als Freundin ihrer Mutter kannte sie Jessica von klein auf.

„Wo ist denn Gabriel?“, erkundigte Jessica sich. Es gelang ihr nicht, nicht daran zu denken, mit welcher Unbarmherzigkeit er ihr am Vorabend vor Augen geführt hatte, wie sehr sie körperlich auf ihn reagierte. Sie hätte damit rechnen müssen. Gabriel war für seinen eisernen Willen in geschäftlichen Dingen bekannt. Warum hatte sie geglaubt, er würde als Ehemann anders sein?

„Unterwegs, um mit Jim, unserem Vorarbeiter, nach den Tieren zu sehen. Der Mann scheint nicht zu wissen, dass heute sein Hochzeitstag ist und dass er eigentlich nervös sein sollte.“

Die Vorstellung, dass Gabriel irgendetwas nervös machen könnte, hätte Jessica beinah zum Lachen gebracht. Nur, heute war ihr nicht nach Lachen. „Kann ich dir irgendwie zur Hand gehen?“ Sich zu beschäftigen, würde sie vielleicht von den beunruhigenden Gedanken, die ihr durch den Kopf wirbelten, ablenken.

Mrs. Croft winkte ab. „Setz dich und iss dein Frühstück. Danach hast du Zeit, um dich für die Hochzeit hübsch zu machen.“

Jessica hätte hinterher nicht sagen können, was sie eigentlich gegessen hatte. Ihre Gedanken kreisten um zu viele andere Dinge. Der Teil ihres Herzens, der Mark seit Ewigkeiten liebte, beharrte darauf, dass sie einen Riesenfehler mit dieser Ehe machte.

Vielleicht hat Mark …

Nein!

Kayla war schwanger. Jessica könnte nicht damit leben, falls Mutter oder Kind durch ihr Handeln leiden müssten. Zudem hatte Mark mehr als zwei Jahrzehnte Zeit gehabt, um sich in sie, Jessica, zu verlieben. Er hatte sich immer für andere Frauen entschieden.

Und sein Anruf vor drei Monaten? Ihre kleine innere Stimme wollte keine Ruhe geben. Erinnerst du dich nicht, was er …

Stopp!

Energisch schob sie ihren Teller beiseite. „Ich denke, ich mache einen Spaziergang, um einen klaren Kopf zu bekommen.“

Mrs. Croft nickte. „Gabriel ist draußen bei der östlichen Scheune.“

Also spazierte Jessica Richtung Westen. Nach dem, was sich am Vorabend abgespielt hatte, war ihr zukünftiger Ehemann die letzte Person, die sie jetzt treffen wollte. Ihre Reaktion auf seine Küsse hatte das Bild, das sie von sich selbst hatte, gründlich zerstört. Was für eine Frau war sie, dass sie einen Mann liebte und einen anderen mit einem derart leidenschaftlichen Verlangen küsste?

Zwei Schäferhunde kamen auf sie zugelaufen, umrundeten sie und trotteten neben ihr her. Ein Spaziergang war genau, was sie brauchte. Sie atmete tief die frische Morgenluft ein und ließ den Blick über die ungezähmte Schönheit des Landes ringsum schweifen – grasbewachsene Hügel voller robuster Wildblumen, die schöner waren als jede kultivierte Gartenblume, dazu weidende Schafe und über all dem ein endlos blauer Himmel.

Jessica wurde ruhiger. Ihre Entscheidung war richtig. Hier wollte sie leben. Sie könnte nie ganz von hier weggehen.

Egal, was es sie kostete.

Die Hunde sprinteten bellend davon, und ihr Blick fiel auf die westliche Scheune. Es war das einzige Gebäude, das den verheerenden Brand vor fünfundzwanzig Jahren überstanden hatte. Ihr Vater hatte in jener Nacht mitgeholfen, die Flammen zu bekämpfen, aber niemand hatte sie aufhalten können. Sie hatten fast alles verschlungen.

Sie betrat das alte Gebäude, um sich ein wenig umzusehen, und erschrak, als sie Gabriel darin vorfand. „Mrs. Croft sagte, du seist in der anderen Scheune.“

Gabriel war dabei, Heuballen zu stapeln. „So begierig mich zu sehen?“ Er zog seine Arbeitshandschuhe aus und steckte sie in die Gesäßtasche seiner Jeans.

Jessica bemühte sich, ihn nicht merken zu lassen, wie sehr er sie durcheinanderbrachte. „Was machst du hier?“ Es ärgerte sie, dass ihr Blick wie magisch von seinen schweißglänzenden, muskulösen Oberarmen angezogen wurde, die sein kurzärmeliges T-Shirt entblößte.

„Wir müssen hier etwas Platz schaffen, und alle anderen haben zu tun.“

Jessica trat von einem Bein auf das andere. „Kann ich dich etwas fragen?“

Er brummte etwas Unverständliches, während er in seine Schaffelljacke schlüpfte, und sie nahm es als Zustimmung. „Nach der Hochzeit, vielleicht morgen oder übermorgen … hättest du etwas dagegen, wenn wir das Grab meiner Eltern besuchen?“ Sie waren beide auf dem Familienfriedhof der Randalls begraben, etwa eine Stunde mit dem Wagen entfernt. Obwohl die Angel-Farm sehr groß war, lagen die Wohnhäuser der beiden Farmen nicht allzu weit voneinander entfernt.

„Natürlich habe ich nichts dagegen.“

Seine Miene war verschlossen, doch Jessica glaubte, einen Anflug von Milde aus seiner Stimme herauszuhören. Sein Verständnis würde ihre nächste Bitte wohl kaum überdauern, aber sie wollte diese Ehe so beginnen, wie sie sie zu führen vorhatte – sie würde Gabriel Dumont nicht erlauben, sie seelisch zu brechen. „Ich möchte auch die Gräber deiner Familie besuchen.“

Schweigen.

„Ich erinnere mich nicht an sie, aber ich weiß, dass Michael damals vier war und Angelica noch jünger.“ Keine Antwort. Sie drängte weiter. „Es ist deine Familie. Wir sollten ihrer gedenken.“

„Schön.“ Das war kurz und bündig, aber wenigstens hatte er zugestimmt. „Bist du bereit für die Hochzeit?“

Trotz der niedrigen Temperatur waren ihre Hände schwitzig. „So bereit, wie ich nur sein kann.“

Gemeinsam gingen sie Richtung Haupthaus.

„Wir werden keine Zeit für eine Hochzeitsreise haben.“

„Verstehe. Das ist okay.“ Das war nicht gelogen. Bei der Vorstellung, mit Gabriel in einen romantischen Urlaubsort zu fahren, krampfte sich ihr der Magen zusammen. Sie wollte gerade etwas sagen, da wurde ihre Aufmerksamkeit auf zwei Wagen gelenkt, die vor dem Haus vorfuhren. „Hast du noch andere Leute eingeladen?“

„Das ist David Reese, mein Anwalt. Der grüne Wagen wird Phil Snell gehören, deinem Anwalt.“

„Meinem Anwalt?“ Jessica musste fast rennen, um mit Gabriel Schritt zu halten.

„Wenn du einen Ehevertrag ohne unabhängige rechtliche Beratung unterschreibst, könntest du ihn später anfechten.“

„Aha.“

Beide Anwälte waren auf den ersten Blick nett, und als Phil sie für eine private Unterredung beiseite nahm, merkte Jessica schnell, dass er ein guter Kenner der Materie war. Das erstaunte sie nicht – Gabriel wollte, dass der Vertrag wasserdicht war.

„Falls Sie und Mr. Dumont sich scheiden lassen, werden Sie kein Anrecht auf das Randall-Land haben“, fasste Phil zusammen. „Aber Sie werden eine ansehnliche finanzielle Abfindung bekommen, abhängig von der Dauer der Ehe. Es ist ein ausgesprochen guter Vertrag. Ihr Verlobter ist ein großzügiger Mann.“

Es war ihr nie um Geld gegangen. Es ging um ihr Erbe, um Versprechen, um Loyalität. „Wo muss ich unterschreiben?“

Danach ging sie in ihr Zimmer hinauf. Ihr war unerklärlich schwer ums Herz. Es erschien ihr nicht richtig, dass ihr Hochzeitstag so anfing, mit einer Diskussion über Geld und Vermögen. Aber was hatte sie erwartet? Die Angel-Farm war Gabriels Ein und Alles, und als seine zukünftige Frau stand sie sehr viel weiter unten auf seiner Prioritätenliste.

„Das hast du doch gewusst“, flüsterte sie vor sich hin, während sie über den cremefarbenen Satin ihres Brautkleides strich. Warum war sie sich also plötzlich so sicher, den schlimmsten Fehler ihres Lebens zu begehen?

Ich vermisse dich, Jessie, hatte Mark am Telefon gesagt. Ich hätte dich nie gehen lassen sollen. Komm zurück zu mir …

Zitternd nahm sie den Telefonhörer auf, und ohne recht zu wissen, was sie tat, wählte sie seine Nummer. Anfangs war es leicht, doch vor der letzten Ziffer hielt sie inne. Eine Träne lief ihr über die Wange. Nein. Kopfschüttelnd legte sie auf, ehe sie das Andenken an ihren Vater beschädigen und ihre Selbstachtung über Bord werfen konnte, um einem unmöglichen Traum nachzujagen.

Ein paar Stunden später umklammerte Jessica die zarten Stiele ihres Brautstraußes. Dass Gabriel an ihrer Seite stand, hätte sie trösten sollen, doch es steigerte ihre Anspannung nur noch.

Er war ein Mann, der nie nachgeben würde, der nie etwas wie Zuneigung oder Liebe zeigen würde. Schon gar nicht einer Frau gegenüber, die nur ihren Zweck erfüllen sollte. Stattdessen würde er, wie seine Küsse gezeigt hatten, fordern. Und er würde viel mehr fordern, als sie je erwartet hatte geben zu müssen.

„Wollen Sie, Jessica Bailey Randall, diesen Mann zu Ihrem rechtlich angetrauten Ehemann nehmen?“

Selbst jetzt wartete sie noch darauf, Marks vertraute Stimme zu hören, mit der er die Ehe verhinderte. Wenn er aufgetaucht wäre, hätte sie vielleicht alles aufgegeben – ihre Grundsätze, ihre Versprechen, ihre Loyalitäten. Doch Mark erschien nicht, genau wie er am Tag zuvor nicht erschienen war, obwohl jeder in Kowhai wissen musste, dass sie zurück war.

Entschlossen reckte sie ihr Kinn vor. „Ja, ich will.“ Dabei sah sie Gabriel fest in die Augen und war erschreckt über das unverhohlene Verlangen, das sie in seinem Blick entdeckte. Gabriel Dumont war ein Mann, der an dem festhielt, was er besaß. Natürlich würde er Besitz von seiner Braut ergreifen, auch wenn sie aus anderen Gründen als Leidenschaft erwählt worden war.

Wie Gabriel es sah, gehörte sie jetzt ihm.

Laute Beifallsrufe rissen sie aus ihren Gedanken, und sie merkte, dass der Rest der Zeremonie an ihr vorbeigerauscht war.

„Jessie?“

Sie blinzelte und sah hoch. „Was ist?“

Gabriel strich eine Locke zurück, die sich aus ihrer Hochsteckfrisur gelöst hatte. „Sie warten auf einen Kuss. Und ich auch.“

„Oh.“ Jessica merkte, dass sie errötete, als sie sich auf die Zehenspitzen stellte.

Als Gabriel ihr eine Hand in den Nacken legte, fühlte sich das für sie wie eine erotische Liebkosung an. Sie versuchte ein Aufseufzen zu unterdrücken, doch es gelang ihr nicht. Mit stolzem Lächeln zog er sie an sich. Und dann küsste er sie.

Er ergriff Besitz von ihr. Absolut und ohne jeden Zweifel.

Es war, als brandmarke er sie. Trotzdem konnte sie auch diesmal nicht verhindern, dass sie sich automatisch an ihn schmiegte, ihm die Arme um die Taille legte. Ihre Vernunft und der Verstand schienen in einer Flut aufwühlender Emotionen unterzugehen.

Laute Pfiffe rissen sie aus ihrer Versunkenheit, und sie entzog sich Gabriel. Das gelang ihr jedoch nur, weil er sie freigeben wollte. Ehe er sich zu den Hochzeitsgästen umwandte, sah sie große Zufriedenheit und zugleich große Ungeduld in seinen Augen aufblitzen.

Gabriel war bereit, ihre Vereinbarung zu besiegeln.

Auf die denkbar körperlichste Art und Weise.

3. KAPITEL

Stunden später in ihrem Zimmer, nach endlosen Tänzen mit den Farmarbeitern, konnte Jessica sich nicht entscheiden, was sie anziehen sollte. Die Korsage aus Spitze, die sie unter ihrem Brautkleid trug, kam nicht infrage. Und das zarte Nachthemd, das eine strahlende Mrs. Croft ihr geschenkt hatte, auch nicht.

Doch wenn sie ihr altes Lieblings-T-Shirt anzog, dachte Gabriel vielleicht, sie würde sich ihm und dem genau ausgeführten Ehevertrag absichtlich widersetzen. Sie zweifelte nicht daran, dass er unerbittlich genug war, die ganze Geschichte rückgängig zu machen, falls sie ihre Seite der Abmachung nicht einhielt.

Als sie unschlüssig vor ihrem Kleiderschrank stand, hörte sie zu ihrer Überraschung die Verbindungstür zwischen ihrem Zimmer und dem Hauptschlafzimmer aufgehen.

Mit heftig klopfendem Herzen wirbelte sie herum. Vor ihr stand Gabriel. „Ich dachte, du wärst unten.“

Er hatte die Ärmel seines weißen Oberhemdes aufgerollt, und nun öffnete er die beiden obersten Knöpfe. „Ich war der Meinung, meine Besprechung mit Jim könnte bis morgen warten.“

„Oh.“ Jessica nestelte an ihrem Haar herum und ließ dann die Hand verunsichert wieder sinken. Wissen war eine Sache, Erfahrung eine ganz andere. „Ich bin noch nicht bereit.“

Gabriel lächelte träge und sehr zufrieden. „Darum kümmere ich mich schon.“

Sie errötete, obwohl sie sich geschworen hatte, die ganze Sache gelassen zu nehmen. Doch sie hatte nicht damit gerechnet, welche Wirkung Gabriel Dumont auf sie haben würde. Und in dieser Nacht würde er sich ausschließlich auf sie konzentrieren.

Ihr Atem ging schneller, und sie musste blinzeln, weil sie mit einem Mal nur noch ihren Ehemann sehen konnte. Er zog sie an sich, und dabei wurde sein Lächeln noch sinnlicher. Ihr Körper reagierte sofort, und ihr wurde heiß.

Jessica legte ihre Hände auf Gabriels Brust, weil sie Abstand zu ihm halten wollte, doch sie erkannte ihren Irrtum augenblicklich. Sie konnte ihn nicht abwehren, denn ihr Körper war nur allzu willig. Und als sie durch den Stoff seines Hemdes die Wärme seiner Haut spürte, sehnte sie sich plötzlich nach mehr Berührung statt nach weniger.

Gabriel zog die Haarnadeln aus ihrer Frisur. „Ich mag deine Locken, Jessie.“

„Mein Haar ist seit meiner Kindheit sehr viel dunkler geworden.“ Sie hätte nicht sagen können, was diese idiotische Bemerkung sollte. Als ob es ihn interessierte, dass sie als Kind ein richtiger Rotschopf war. Auch wenn sie inzwischen abgenommen hatte, fand sie, dass ihr Haar das einzig Hübsche an ihr war – und Gabriel gefiel es. Das hätte ihr egal sein sollen, aber das war es nicht.

Er fuhr fort, die aufgesteckte Lockenpracht zu lösen und ließ die Haarnadeln zu Boden fallen. „Ich möchte nicht, dass du es abschneidest.“

Jessica murmelte etwas Unverbindliches, und er lächelte amüsiert. „Du würdest es doch wohl nicht stutzen, nur um mich zu ärgern, oder?“

Dieser kindische Gedanke war ihr tatsächlich durch den Kopf geschossen, aber das würde sie nicht zugeben. Besonders, weil sie es selbst nicht verstand – es erschien ihr einfach nicht richtig, irgendetwas an dieser Ehe zu genießen, die doch eine geschäftliche Angelegenheit hätte sein sollen. „Sind alle Nadeln draußen?“

Gabriel durchwühlte mit beiden Händen ihre Locken. „Sieht so aus“, sagte er und strich über ihren Nacken.

Ein erregender Schauer rieselte über ihren Rücken, und Jessica hätte am liebsten genüsslich geseufzt und Gabriel angefleht, nicht aufzuhören.

Als ihr bewusst wurde, was sie dachte, wurde sie von Panik ergriffen, weil sie offenbar unfähig war, diesem Mann gegenüber stark zu bleiben. Dieses Gefühl gab ihrem Mut starken Auftrieb. „Gabe, du brauchst nicht langsam vorzugehen. Lass es uns hinter uns bringen.“ Sie wollte ihn absichtlich provozieren. Einem wütenden Gabriel könnte sie viel leichter widerstehen als diesem Verführer, der die Fähigkeit hatte, Gefühle in ihr zu entflammen, die tabu hätten sein sollen.

„Oh nein, Jessie. Du wirst diese Hochzeitsnacht nicht auf eine schnelle, bedeutungslose Nummer reduzieren.“

Jessica senkte verlegen den Blick, aber er war noch nicht fertig.

„Ich werde dir Lust bereiten, meine liebste Frau. Das ist nämlich mein Job als dein Mann.“

„Hör auf, Spielchen mit mir zu spielen.“ Sie war sicher, dass er sie neckte.

Ohne dass sie die Chance gehabt hätte, sich ihm zu entziehen, hob Gabriel sie kurzerhand auf die Arme. „Es ist mir absolut ernst. Ich will, dass meine Frau vor Wollust meinen Namen schreit.“

Die Entschlossenheit in seinem Blick ließ eine wohlige Gänsehaut über ihren Rücken laufen, und ihr fehlten die Worte für eine passende Antwort. Das erotische Knistern zwischen ihnen war beinah greifbar.

Ganz in seinem Bann, brachte sie nicht den Willen auf, die Arme, die sie Gabriel um den Nacken geschlungen hatte, sinken zu lassen, als er sie auf dem Ehebett absetzte und begann, den Reißverschluss ihres Kleides aufzuziehen, langsam und behutsam. Jeder Nerv ihres Körpers war zum Zerreißen gespannt. Und wie lustvoll er ihr Kleid öffnete, war kaum zu ertragen. Tief durchatmend schloss sie die Augen, um sich zu fassen.

Als er ihre Lippen eroberte, war es um sie geschehen. Gabriel küsste selbstsicher und besitzergreifend. Er war völlig Herr der Lage. Mit einer Hand durchwühlte er ihr Haar. Dabei zog er ihren Kopf zurück, damit er besseren Zugang zu ihrem Mund hatte, während er die andere in ihr Kleid schob und auf ihren nackten Rücken legte.

Jessica stöhnte auf, gefangen von dem wilden Verlangen, das aus seinem hemmungslosen Kuss sprach. Dass sie geschäftsmäßig kühl hatte bleiben wollen, hatte sie vergessen, süchtig nach ihm zu werden, war dagegen sehr gut möglich.

Als er den Kuss beendete und mit seinen Lippen über ihr Gesicht und ihren Hals strich, bog sie den Kopf zurück, um ihm unbewusst entgegenzukommen. Nichts in ihrem bisherigen Leben hatte sie auf diese unaufhörlich anwachsende Lust vorbereitet.

Gabriels Hand fühlte sich rau auf ihrer Haut an. Aber seine Lippen waren samtweich – ein aufreizender Gegensatz. Es nahm ihr den Atem, als er sie sacht mit den Zähnen liebkoste und über ihre empfindsame Haut strich.

Gabriel gab ein zufriedenes Seufzen von sich.

Weil ihr diese unverblümte Zustimmung so sehr gefiel, war Jessica plötzlich wieder hellwach. Das alles war nicht richtig, so sollte es nicht ablaufen.

Sie hatte sich darauf vorbereitet, mit Gabriel ins Bett zu gehen, hatte sich immer wieder gesagt, sie würde diese Erfahrung ertragen. Dachte, es würde sie schmerzen, mit einem Mann zu schlafen, den sie nicht liebte. Doch nun zerfloss sie geradezu in seinen Armen. Das verwirrte sie, und sie wollte sich ihm entziehen, schaffte es jedoch nicht.

Gabriel legte eine Hand federleicht auf ihren Brustkorb, um mit dem Daumen ihre Brust unter der Korsage zu streicheln, und ihre Gedanken an Widerstand verflogen. Ihr spitzer Aufschrei entlockte ihm ein Lachen. Es klang so sinnlich, dass sie erschauerte. In dieser Nacht war er der Lehrmeister und sie die Novizin.

Dieser Gedanke forderte erneut ihren Trotz heraus. Sie mochte vielleicht nicht in der Lage sein, ihren Untergang zu stoppen, aber sie weigerte sich, auf der ganzen Linie nachzugeben. Sie schob die Hände in sein Haar und zog seinen Kopf zurück, damit er sie ansah.

„Wieso muss ich zuerst ausgezogen sein?“, fragte sie heiser und atemlos, aber wenigstens hatte sie die Worte herausgebracht.

„Hier bin ich. Nur zu, knöpf das Hemd auf.“ Das war Anweisung und Herausforderung zugleich. Gabriel glaubte nicht, dass sie es tun würde.

Also tat sie es.

Gebräunte Männerhaut kam zum Vorschein – Verlockung pur, die Jessica die Sprache verschlug und Schmetterlinge in ihren Bauch zauberte. Sie hatte sich gründlich verrechnet. Doch sie hatte nicht die Absicht, klein beizugeben, deshalb öffnete sie alle Hemdknöpfe und zog ihm sogar das Hemd aus der Hose.

Als er sie erneut küsste, war es unvermeidlich, dass ihre Hände auf seine nackte Brust gepresst wurden. Es war ein Schock, ihn plötzlich hautnah zu spüren. An Gabriel war nichts weich oder sanft. Er war schlank und muskulös, und sie konnte ihn nur bewundern.

Jessica ließ die Hände sinken und gestattete ihm, ihr das Kleid über die Schultern zu streifen. Zu ihrer Überraschung hielt er inne, als ihre Brüste gerade noch bedeckt waren. Instinktiv griff sie nach dem rutschenden Kleid und hielt es fest.

In Gabriels Augen spiegelte sich unverhohlene Leidenschaft. „Tu es für mich, Jessie.“

Jessica hatte gar keine Wahl. Ihr Körper hatte über ihren Verstand gesiegt, und ihre Bedürfnisse und Sehnsüchte hatten die Oberhand gewonnen. Unfähig, Gabriels Blick länger standzuhalten, senkte sie den Blick und ließ das Kleid los. Es glitt zu Boden.

Stille.

Schließlich fand sie den Mut hochzusehen, geradewegs in Gabriels grüne Augen.

„Bildschön“, sagte er nach einer halben Ewigkeit und ließ träge den Blick über ihre Korsage, die ihre Brust so gut wie gar nicht bedeckte, gleiten, bis hinunter zum Spitzenrand ihrer halterlosen Strümpfe.

Jessica fühlte sich kaum in der Lage zu atmen, und ihr entschlüpfte ungewollt ein Seufzer.

„Wenn du mich berühren willst, tu dir keinen Zwang an.“ Gabriel zog sie an sich und umfasste ihren Po mit beiden Händen.

Diese Geste wirkte ausgesprochen besitzergreifend auf Jessica. Sie wehrte sich gegen ihr drängendes Verlangen ihn näher zu erkunden, obwohl er schöne, gebräunte Haut hatte und unglaubliche Kraft ausstrahlte.

Im nächsten Moment hob er sie hoch und legte sie vorsichtig aufs Bett. Dann setzte er sich auf die Bettkante und zog seine Socken aus. Der Anblick seines muskulösen Rückens ließ ihre Abwehr endgültig erlahmen. Sie wollte gerade die Hand ausstrecken, um ihn zu berühren, als Gabriel aufstand, um seinen Gürtel zu öffnen.

Wie hypnotisiert sah Jessica ihm dabei zu. Allerdings nahm sie gar nicht so recht wahr, wie der Gürtel auf den Teppichboden fiel. In dem Moment, als er den Reißverschluss seiner Hose aufzog, schloss sie errötend die Augen. Sie hörte ihn leise lachen, während er seine Hose ablegte und zu ihr ins Bett stieg.

Gabriel schob ein Bein über ihre Schenkel und legte ihr eine Hand auf den Bauch. „Ich bin nicht nackt … noch nicht“, flüsterte er ihr ins Ohr.

Jessica riss die Augen auf. Sein Mund war dicht vor ihrem Mund, und trotz seines Lachens wirkte er nicht amüsiert. Er ließ die Hand auf ihrem Bauch weiter abwärtsgleiten.

„Sieh mich an“, befahl er, weil sie den Kopf wegdrehen wollte.

Sie tat es und sagte sich, dass sie gleichberechtigt an diesem Spielchen teilnehmen sollte. Genau in dem Moment schob er seine Hand zwischen ihre Beine. Sie bog sich ihm entgegen und presste instinktiv die Schenkel zusammen, damit er seine Hand nicht wieder wegzog. Gabriel stöhnte auf und küsste sie wild und ungestüm, während er sie zwischen den Beinen streichelte. Einen Moment später zog er sich zurück, und Jessica stöhnte so enttäuscht auf, dass es sie zutiefst schockierte.

„Ich möchte dich nackt.“ Er begann, die Bänder ihrer Korsage aufzuziehen. Seine angespannte Miene ließ keinen Zweifel daran, dass er äußerst erregt war. „Wo hast du das gekauft?“

„Am Hollywood Boulevard“, brachte sie nur mühsam heraus.

Er küsste ihren Hals und schob ein Knie zwischen ihre Schenkel. „Zieh das noch mal für mich an.“ Das war ohne jede Frage eine Anweisung.

Sie hätte gegen seinen arroganten Ton protestiert, wenn er nicht in dem Moment die Korsage beiseite geschoben und ihre Brüste mit den Händen umschlossen hätte. Instinktiv drängte sie sich seiner Berührung entgegen, doch viel zu schnell gab er sie wieder frei. Sie musste sich auf die Lippe beißen, damit sie ihn nicht anflehte weiterzumachen.

„Ich mag es, wie du mich ansiehst, Jessie. Und jetzt ist es Zeit, dass ich dich auch ansehen kann.“ Gabriel zog ihr die Korsage aus. Dann betrachtete er sie eingehend – von ihren bestrumpften Zehenspitzen über die Rundungen ihrer Hüften bis hinauf zu ihren Brüsten. Jessica empfand seine Blicke wie eine körperliche Berührung, und als er sie aufforderte, ihre Beine anzuwinkeln, hatte sie nicht den Willen zu protestieren.

Gleich darauf kniete er sich zwischen ihre gespreizten Knie, schob die Hände unter ihren Po und zog sie rittlings auf seinen Schoß.

Halt suchend umklammerte sie seine Schultern, während Gabriel seinen erregten Körper an sie presste.

„Entspann dich, Darling. Ich bin noch nicht fertig damit dich zu erkunden“, beruhigte er sie.

Jessica schluckte. In dieser Position war sie ihm völlig ausgeliefert. Doch als er sich vorbeugte, um ihre Brust zu küssen und an ihren Knospen zu saugen, breitete sich eine erregende Hitzewelle in ihrem Körper aus.

Sie bohrte die Fingernägel in seine Schultern. Seine Haut fühlte sich heiß und schweißfeucht an. Gabriel war so unglaublich, dass sie schwach wurde und dahinschmolz. Deshalb konnte sie, als er sie sacht auf den Rücken drängte, nur flüstern: „Gabe, bitte.“

Leise fluchend entledigte er sich seiner Boxershorts. Einen Augenblick später war er wieder bei ihr und schob seine Hände unter ihre Schenkel. „Leg deine Beine um meine Taille“, forderte er sie auf.

Seine vor Erregung heisere Stimme war das reinste Aphrodisiakum und Jessica tat, wie ihr geheißen. Überrascht stellte sie fest, dass ihr Körper dadurch in eine leicht schräge Position geriet, perfekt für den Liebesakt. Instinktiv erfasste sie, dass Gabriel gleich in sie eindringen würde. „Gabe“, flüsterte sie. „Wird … wird es nicht zu viel sein.“

„Ich werde behutsam vorgehen.“ Er streichelte ihre Brüste, und obwohl seine Worte beruhigend geklungen hatten, war sein Blick alles andere als das.

Gabriel drängte seinen erregten Körper hart gegen die empfindsame Innenseite ihrer Schenkel, und sie hatte das Gefühl, dass er sich nur noch mit größter Mühe beherrschte. Für einen Augenblick machte das wilde Verlangen in seinem Blick ihr Angst, doch dieses Gefühl wurde von ihrer eigenen übermächtigen Begierde ausgelöscht.

Gabriel umfasste ihren Po und begann, sich an ihr zu reiben. Ein heißer Schauer durchzuckte ihren Körper, und als er schließlich in sie eindrang, schrie sie auf. Aber Gabriel hielt Wort und ging derart behutsam vor, dass sie glaubte, vor Sehnsucht verrückt zu werden. Er streichelte und berührte sie, wie noch nie ein Mann sie berührt hatte, und bereitete ihr unglaubliche Lust, sodass sie fast keinen Schmerz verspürte, als er in sie eindrang.

„Ich bin verdammt froh, dass du reitest, Jessie“, stieß er hervor, als er sie endlich ausfüllte.

Jessica hörte kaum hin. Sie genoss das überwältigende Gefühl, Gabriel in sich zu spüren und drängte sich ihm auffordernd entgegen. Er warf mit einem entrückten Blick den Kopf zurück und begann, sich in ihr zu bewegen. Sein Rhythmus war schnell, seine Stöße tief. Es kam ihr vor, als würde sie in einem Wirbelsturm überwältigender Emotionen versinken, und als sie den Höhepunkt erreichte, schrie sie vor ungezügelter Lust laut auf.

Die berauschende Glückseligkeit hielt leider nicht ewig an, und als Jessica wieder klarer denken konnte, fühlte sie sich wie eine gezeichnete Frau – Gabriel Dumonts Frau.

Stunden später lag Jessica im dunklen Schlafzimmer neben Gabriel und lauschte auf seine gleichmäßigen Atemzüge. Sie fühlte sich verletzt und entblößt. Gabriel hatte ihre Leidenschaft gefordert und erreicht, dass sie sich gehen ließ. Wie er angekündigt hatte, hatte er sie so gekonnt verführt und erregt, dass sie mehrmals den Höhepunkt erreicht und dabei mehr als einmal voller Verlangen seinen Namen geschrien hatte. Und sie hatte es ihm gestattet, hatte förmlich darum gebettelt. Jetzt, in der Kühle der Nacht, konnte sie das Ausmaß ihrer Kapitulation einfach nicht begreifen.

Gabriel sollte nicht der Mann sein, nach dem sie sich verzehrte!

Es war, als hätte sie in diesem Bett ihren Traum aufgegeben – Mark aufgegeben. Jedes Mal, wenn sie Lust empfunden hatte, jedes Mal, wenn sie ekstatisch Gabriels Namen geschrien hatte, hatte sie die Liebe verraten, die seit Ewigkeiten ihr Herz erfüllte. Sie verstand nicht, wie das hatte passieren können. Gabriel war nicht der Mann, den sie lieben konnte. Sie war sich nicht einmal sicher, ob sie ihn mochte.

Leise schlüpfte sie aus dem Bett und zog das erstbeste Kleidungsstück an, das sie fand. Leider war das Gabriels Hemd. Sofort stieg ihr sein Duft in die Nase, erinnerte sie daran, was er sich genommen hatte – was sie gegeben hatte. Als sie nach ihrem Kleid suchte, damit sie das Hemd loswerden konnte, hörte sie die Laken rascheln.

„Wohin willst du, Jessie?“

Eine Nachttischlampe ging an.

Sie strich sich das Haar hinter die Ohren und knöpfte das Hemd zu. „In mein eigenes Schlafzimmer.“

Sein Blick war kalt und starr auf sie gerichtet. „Ich dachte, da wärst du schon.“

„Hör mal“, ihr verletzter Stolz gab ihr den nötigen Mut. „Wir haben die Ehe vollzogen. Es besteht also kein Grund, dass wir weiterhin das gleiche Bett teilen. Ich würde lieber in meinem eigenen schlafen.“ Sie schlang fröstelnd die Arme um ihren Oberkörper. „Ich werde dich … ich werde dich wissen lassen, ob wir erfolgreich waren.“

Gabriel zog eine Braue hoch. „So arrogant bin ich nicht – es wird wohl mehr als ein Versuch nötig sein.“

Jessica biss sich auf die Unterlippe und bemühte sich, den Blick nicht über die breite Brust schweifen zu lassen, die sie vor nicht einmal einer Stunde so fieberhaft liebkost hatte. „Also, ein paar Tage können wir jedenfalls nichts unternehmen. Ich hatte vorhin zwar keine Schmerzen, aber jetzt fühle ich mich erschöpft.“ Auch wenn ihr dieses Eingeständnis peinlich war, zwang sie sich, ihm in die Augen zu sehen. Sie war sich bewusst, dass Gabriel aus dem kleinsten Anzeichen von Schwäche erbarmungslos Kapital schlagen würde.

Er schaltete das Licht aus. „Wie du willst. Aber versuch nicht, Sex als Druckmittel gegen mich zu verwenden. Solche Spielchen spiele ich nicht.“

„Ich spiele kein Spielchen.“

„Nicht?“ Er schnaubte verächtlich. „Falls du glaubst, ich wäre damit einverstanden eine Ehe zu führen, in der sich meine Frau für einen anderen Mann aufhebt, dann täuschst du dich leider.“

„Wie kannst du es wagen!“

„Ich habe dich gebeten, meine Frau zu werden, nicht meine Mitbewohnerin. Entscheide dich.“

Ohne zu antworten stürmte Jessica durch die Verbindungstür zwischen den beiden Schlafzimmern. Gabriel verschränkte die Arme hinter dem Kopf und zwang sich, sich zu entspannen. Keine Frau hatte jemals die Spielregeln in seinem Bett bestimmt. Und Jessica würde nicht die Chance bekommen die Erste zu sein. Es war sein voller Ernst gewesen – er hatte nicht die Absicht, eine Ehe ohne Sex zu führen, schon gar nicht, da das Bett der einzige Ort war, wo er …

Er verdrängte den Gedanken und setzte sich auf.

Nach Schlaf war ihm im Moment nicht. Er war mehr als bereit für eine Wiederholung ihres intimen Zusammenseins gewesen, ehe Jessica sich ihm entzogen hatte. Die Frau hatte sich in seinen Armen in Wollust pur verwandelt, die temperamentvollste Geliebte, die er je gehabt hatte. Er war nicht auf Leidenschaft aus gewesen, als er sie zur Ehefrau gewählt hatte, hätte nie gedacht, dass sie genau die in ihm wecken würde. Doch er war gewillt, mit dieser Tatsache zu leben, solange sie sich aufs Bett beschränkte. Es gefiel ihm, dass er der einzige Mann war, der je die Lustschreie seiner Frau gehört hatte.

Diesem Gedanke folgte ein weit weniger angenehmer: Mark.

Er hatte seinen Nebenbuhler fest im Auge, seit er von dessen Trennung erfahren hatte, und wusste, dass der in letzter Zeit Erkundigungen über Jessica anstellte.

Er ballte eine Hand zur Faust.

Jessica konnte Mark so sehr lieben, wie sie wollte, das war ihm egal. Allerdings hatte er nicht vor, sich mit einer Beziehung, welcher Art auch immer, zwischen seiner Frau und Mark abzufinden.

Jessica mochte ihn, Gabriel, für seine Art hassen, aber sie hatte gewusst, wer und was er war, als sie ihn heiratete. Er hielt an dem fest, was er besaß, und Jessica gehörte jetzt zu ihm.

4. KAPITEL

Jessica wachte mit verquollenen Augen auf. Mit einem Blick auf den Wecker stellte sie fest, dass es kurz vor fünf war. „Vier Stunden Schlaf. Großartig.“ Geräusche aus dem angrenzenden Schlafzimmer sagten ihr, dass Gabriel ebenfalls schon auf war. Bemüht, nicht an ihn zu denken oder an das, was sie letzte Nacht miteinander getan hatten, zog sie die Decke bis unters Kinn hoch. Dabei stellte sie fest, dass sie immer noch den Duft genau des Mannes in der Nase hatte, den sie eigentlich ignorieren wollte. Ungläubig schüttelte sie den Kopf, als ihr klar wurde, weshalb. In ihrer Wut hatte sie vergessen, sein Hemd auszuziehen, daher beschloss sie, unter die Dusche zu gehen.

Der heiße Wasserstrahl war eine Wohltat für ihre schmerzenden Muskeln, die nicht an bestimmte Aktivitäten der letzten Nacht gewöhnt waren. Aktivitäten, an die sie keinesfalls denken wollte, die sie jedoch nicht aus ihren Gedanken verbannen konnte.

Als sie etwas später angezogen am Fenster stand und ihr Haar bürstete, klopfte es an der Verbindungstür und Gabriel erschien. Er trug abgetragene Jeans und ein grobes Arbeitshemd. Sonderbarerweise war die Sinnlichkeit, die er ausstrahlte, noch intensiver. Ihr wurde augenblicklich heiß, und sie erinnerte sich an die genüssliche Qual sinnlicher Lust.

„Guten Morgen.“ Gabriel lächelte amüsiert, denn ihm war nicht entgangen, welche Wirkung er auf Jessica hatte.

Diese Arroganz brachte sie auf den Boden der Tatsachen zurück. „Ich habe dir nicht gestattet hereinzukommen.“ Sie bürstete weiter ihr Haar und sah dabei in die Morgendämmerung hinaus.

Er trat neben sie. „Sieh zu, dass du bis sieben startbereit bist.“

„Wohin wollen wir?“

„Das Grab deiner Eltern besuchen.“

Ihre Feindseligkeit verflog. „Danke.“ Sie legte die Bürste auf die Fensterbank und zwang sich, Gabriel anzusehen. Der Ausdruck in seinen Augen war unmöglich zu deuten.

„Gib mir einen Kuss, Jessie.“

„Ich mag keine Befehle.“

„Komisch, letzte Nacht hast du sie perfekt befolgt.“

Sie versteifte sich. „Genau das will eine Frau nach ihrem ersten Mal hören.“

Er verzog das Gesicht. „Verstanden.“

Seine indirekte Entschuldigung machte Jessica sprachlos. Gabriel nutzte das aus und nahm sich den Kuss, den er verlangt hatte. Weil sie wegen der ungezügelten Leidenschaft der vergangenen Nacht noch aufgewühlt war, war ihre Abwehr erbärmlich schwach. Und zu ihrem Entsetzen hörte sie sich auch noch enttäuscht seufzen, als er sie freigeben wollte. Gabriel schien es zu gefallen, denn er küsste sie noch leidenschaftlicher.

Als er endlich ihr Zimmer verließ, war sie völlig durcheinander. Das war nicht vorgesehen, diese heftige Reaktion auf seine Berührungen. Für sie hatten Liebe und Sex immer zusammengehört. Sie hatte immer angenommen, sie würde tiefe Gefühle für jeden Mann hegen, mit dem sie schlief. Doch sie verging jedes Mal, wenn Gabriel sie berührte, und es beschämte sie zutiefst.

Das Schlimmste war, sie hatte keine Ahnung, wie sie dagegen ankämpfen sollte. Ihre Liebe zu Mark hatte sie immun gegen alle Männer gemacht. Bei Gabriel hatte das jedoch nichts genützt.

Da der Gedanke an ihre Lustgefühle ohne Liebe oder Romantik sie belastete, lenkte sie sich ab, indem sie ihren Skizzenblock zur Hand nahm und begann zu zeichnen.

Sie hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, für jedes Bild eine detaillierte Skizze anzufertigen und erst dann Farbe auf die Leinwand zu bringen, wenn sie alles genau ausgearbeitet hatte. Sie war nicht spontan in ihrer Kunst, sondern durchdachte ihre Motive sorgfältig Schritt für Schritt. Doch jetzt ließ sie ihrer Hand freien Spielraum, ohne bewusst darauf einzuwirken. Heraus kam das Abbild eines Gesichts, das sie seit über einem Jahrzehnt in ihrem Herzen trug.

Wieder musste sie daran denken, was Mark ihr vor einigen Monaten betrunken am Telefon gestanden hatte, und sie wünschte, er hätte früher den Mut dazu gehabt. Dann hätten sie vor dem Tod ihres Vaters heiraten können und hätten einen anderen Weg gefunden, die Randall-Farm zu behalten. Aber er hatte gewartet, bis es zu spät war. Kaylas Schwangerschaft und ihre Schulden bei Gabriel hatten eine unüberwindliche Kluft zwischen ihnen geschaffen.

Das schmerzte. Mark war seit ihrer Kindheit ihr engster Freund gewesen. Er hatte ihr geholfen, nach dem frühen Tod ihrer Mutter die Sonne wieder scheinen zu sehen, wieder am Leben teilzuhaben. Sie hatte ihm ihre Geheimnisse anvertraut, hatte sich im Gegenzug seine angehört, und irgendwann hatte sie sich in ihn verliebt.

Es brach ihr das Herz, als er Kayla heiratete, und sein Geständnis vor wenigen Monaten verletzte es erneut. „Warum“, flüsterte sie der Skizze zu, „warum hast du so lange gewartet?“

Jessica war sich nicht sicher, ob sie Marks Liebeserklärung hätte widerstehen können, wenn er sie ihr von Angesicht zu Angesicht gemacht hätte und nicht am Telefon. Und außerdem, wenn er wirklich gemeint hätte, was er gesagt hatte, dann hätte er sie gleich nach ihrer Rückkehr ausfindig gemacht. Aber das hatte er nicht getan. Warum?

Sie warf den Bleistift beiseite und stützte den Kopf in die Hände. „Hilf mir“, flüsterte sie gequält. Doch niemand hörte ihr Flehen.

Einige Stunden später ließ Jessica vom Jeep aus den Blick über den Friedhof der Dumonts schweifen. Sie hatte sich diesen Besuch gewünscht, doch inzwischen war sie nicht mehr sicher, ob das die richtige Entscheidung gewesen war. Ganz offensichtlich war Gabriel wenig begeistert.

„Kommst du?“ Sie öffnete die Beifahrertür. Gabriel hatte sie überrascht, indem er sie zum Grab ihrer Eltern begleitete. Sie wusste nicht, was sie diesmal zu erwarten hatte, besonders weil er die lange Fahrt zurück zur Angel-Farm so schweigsam gewesen war.

Er stieg aus und sah wortlos zu, wie sie die Blumen, die sie auf einer Wiese gepflückt hatte, hinten aus dem Wagen nahm. Doch er war an ihrer Seite, als sie zu den Ruhestätten von Stephen, Mary, Raphael, Michael und Angelica Dumont ging.

Vor Raphaels Grab schaute sie ihn an. „Möchtest du die Blumen hinlegen?“

„Nein.“

Sein Ton ließ keinen Zweifel daran, dass er den Besuch für Zeitverschwendung hielt, doch Jessica hielt ihn für wichtig.

Gabriel reagierte erst, als sie Blumen auf das Grab seiner Mutter legte. Er nahm sie weg und legte sie stattdessen auf das Grab seiner Schwester.

„Gabe!“

„Bist du fertig?“

„Ja.“ Sie vermochte seine harte Miene nicht zu deuten. „Aber …“

„Aber was, Jessica? Sie sind tot und das seit fünfundzwanzig Jahren.“ Er schaute auf seine Uhr. „Ich muss einige Zäune überprüfen. Wir sollten zurückfahren.“

Sie ergriff seine Hand, um ihn zu bremsen, als er sich zum Gehen wandte. Unverwandt sah er ihr in die Augen, doch sie fand den Mut standhaft zu bleiben. „Es tut mir leid. Mir war nicht klar, wie sehr dich dieser Besuch schmerzen würde.“

Er zog eine Braue hoch. „Mir geht’s gut. Du bist doch diejenige, die hierher wollte.“

„Gabe“, fing sie an, überzeugt, eine tiefe Verletzlichkeit hinter seiner teilnahmslosen Maske entdeckt zu haben. Sie schöpfte Hoffnung. Vielleicht würde ihre Ehe letztendlich doch keine seelenlose Angelegenheit werden. Wenn Gabriel so intensiv empfinden konnte, dann war das, was sie letzte Nacht miteinander erlebt hatten, vielleicht doch nicht nur Lust gewesen.

„Jessie, du kennst mich. Ich bin kein verwundeter Held, den du erretten musst. Ich war zehn, als sie starben. Ich erinnere mich kaum an sie.“ Ihre Hand abschüttelnd drehte er sich um und ging zum Wagen.

Jessica hätte gern geglaubt, dass er log, aber sein Gesichtsausdruck war völlig beherrscht gewesen. Ihre Hoffnung zerbrach. Kein Wunder, dass Gabriel nie die Gräber seiner Eltern und Geschwister besuchte –, der Mann hatte nicht einmal das Herz, sie liebevoll in Erinnerung zu behalten.

Einen ganzen Tag und eine überraschend ungestörte Nacht später saß Jessica mit ihrem Skizzenblock auf der Veranda, als ein altersschwacher Pick-up die Auffahrt heraufgerast kam. Sie wartete ab, wer da wohl parken und herüberkommen würde, doch der Fahrer fuhr bis direkt an die Veranda.

Die Wagentür flog auf und heraus sprang die letzte Person, die Jessica erwartet hatte.

„Jessie, mein Mädchen!“ Mark lief die Stufen hoch, schlang ihr die Arme um die Taille und hob sie hoch.

Es war unmöglich, nicht glücklich zu sein, ihn wiederzusehen, nicht, nachdem sie ihn so sehr vermisst hatte. Mit seinen blauen Augen und seinem pechschwarzen Haar sah Mark aus wie ein Filmstar oder ein Playboy. Aber es war sein Lächeln, in das sie sich verliebt hatte, dieses Strahlen, mit dem er ständig bekundete, wie sehr er sich über die ganze Welt amüsierte.

Zum ersten Mal seit ihrer Rückkehr lachte sie hellauf. „Lass mich herunter, du Idiot.“

Sein Lächeln verflog. „Ich möchte dich nie wieder loslassen.“ Doch er stellte sie auf die Füße. „Hättest du nicht warten können, bis ich zurück war?“ Das klang schmerzlich. „Du hast mir nicht einmal eine Chance gegeben.“

Jessica verspürte ein unheilvolles Grummeln in ihrem Magen. „Was?“

„Ich habe gehört, du hast geheiratet, während ich verreist war.“

„Da hast du richtig gehört.“ Die Stimme klang ruhig, aber gefährlich und kam von der anderen Seite der Veranda. „Ich schlage also vor, du nimmst deine Hände von ihr.“

Sich bewusst, wie die Szene wirken musste, löste sich Jessica von Mark. Ihr wurde abwechselnd heiß und kalt. „Mark kam vorbei, um Hallo zu sagen.“

Gabriel trat neben Jessica und legte ihr nun seinerseits einen Arm um die Taille. Um gegen diese besitzergreifende Geste zu protestieren, wollte sie sich ihm entziehen, doch im Gegensatz zu Mark war Gabriel nicht bereit zu weichen.

„Tatsächlich?“

Zu Jessicas Überraschung kniff Marks kampflustig die Augen zusammen. „Haben Sie Jessie überhaupt ausgerichtet, dass ich sie nach ihrer Rückkehr sprechen wollte?“

„Komisch“, erwiderte Gabriel leichthin. „Ich dachte, es gäbe überall im Land Telefon.“

Jessica bekam langsam Angst um Mark. Er war kein Gegner für Gabriel. Zu ihrer Erleichterung lenkte er ein.

„Ich glaube, Jessie und ich müssen miteinander reden.“

Gabriels Arm fühlte sich an wie ein Stahlband.

„Wenn du mit meiner Frau reden willst, dann kannst du das jetzt gleich hier.“

„Ja, sicher. Bis später, Jessie.“ Mark sprang von der Veranda und fuhr genauso rasant davon wie er vorgefahren war.

Jessica schwieg, bis sein Pick-up in der Ferne kaum noch zu erkennen war. Dann entzog sie sich Gabriels Griff und verschränkte die Arme. „Was hast du dir dabei gedacht?“

„Ich dachte, ich habe klargemacht, dass du jetzt meine Frau bist, was du offenbar vergessen hattest.“ Sein Blick sprühte vor Ärger. „Wie lange hattest du vor, mit ihm vor den Augen des Personals zu flirten?“

Nun wurde auch Jessica wütend. „Ich bin praktisch mein ganzes Leben lang mit ihm befreundet. Ist es dir in den Sinn gekommen, dass er vielleicht mit mir über das, was in seinem Leben los ist, reden wollte?“ Sie überging, dass Mark gesagt hatte, er würde sie am liebsten nie wieder loslassen, denn das machte ihr ein schlechtes Gewissen.

„Es ist mir egal, worüber er reden wollte.“ Gabriel verschränkte ebenfalls die Arme. „Es wird keine privaten Plaudereien mehr zwischen euch beiden geben.“

„Du bist mein Mann, nicht mein Gefängniswärter!“

„Ich sollte nicht dein Aufpasser sein müssen. Oder findest du es akzeptabel, dass du dich in die Arme deines Möchtegern-Geliebten wirfst?“

„Du verdrehst alles!“ Sie hatte Mark aus unschuldiger Wiedersehensfreude umarmt. Aber Gabriel ließ die Sache schmutzig wirken, ließ sie an jeder Geste, jedem Wort zweifeln.

Sein Gesicht wirkte wie aus Granit gemeißelt, seine nächste Bemerkung war eiskalt. „Ich schwöre dir, Jessica, falls du versuchst, mich mit diesem Nichtsnutz zu betrügen, werde ich mich so schnell scheiden lassen, dass dir schwindelig wird. Und dann werde ich das Angebot der Grundstücksmakler annehmen – sie sind immer noch interessiert.“

Jessica spürte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich. „Das würdest du nicht tun.“ Selbst Gabriel konnte nicht so grausam sein. „Ich habe dir alles gegeben.“

Er schnaubte verächtlich. „Du hast für ein ganzes Leben unterschrieben, nicht für eine schnelle Nummer in meinem Bett. Wenn ich das gewollt hätte, hätte ich es billiger haben können und von jemandem mit wesentlich mehr Erfahrung als du sie hast, Sweetheart.“

Die verbale Ohrfeige traf sie so hart, dass sie keine Worte fand.

„Dein Land hat für den Betrieb dieser Farm keinen Wert“, fuhr er fort. „Ich habe es gekauft, um unsere Abmachung zu besiegeln, und ich kann es ebenso leicht wieder loswerden, falls du deinen Job als meine Frau nicht ausfüllen willst. Denk daran, wenn du das nächste Mal den Drang verspürst, deinen Freund zu treffen.“

Er ging, ohne ihr die Chance zu einer Antwort zu geben. Jessica hätte auch gar nicht gewusst, was sie darauf sagen sollte. Sie ließ sich auf den Stuhl fallen und barg das Gesicht in ihren Händen. Ihre Gedanken überschlugen sich. Gabriels Drohung hatte sie geschockt und machte absolut klar, dass ihr Mann ihr etwa so viel traute wie einer streunenden Katze. Und er hatte ihr mit etwas gedroht, von dem er wusste, dass es ihr wundester Punkt war.

Die Vorstellung, das Erbe ihrer Eltern könnte für etwas zugrunde gerichtet werden, was die Spekulanten ein Urlaubsparadies für die Reichen und Schönen genannt hatten, einschließlich Swimmingpool, Tennisplätzen und Golfplatz, war ihr persönlicher Albtraum. Sie würden all das Schöne, wofür ihre Eltern so hart gearbeitet hatten, zerstören. Es wäre eine Herabwürdigung ihres Andenkens, die sie einfach nicht ertragen konnte. Anders als Gabriel es mit seiner Familie tat, hielt sie ihr Andenken in Ehren. Mehr war ihr nicht geblieben.

„Jessie?“

Mrs. Crofts Stimme schreckte sie aus ihren Gedanken. „Was gibt’s?“

Die Haushälterin betrachtete Jessica mit besorgter Miene, stellte jedoch keine Fragen. „Ein Anruf für dich.“ Sie reichte ihr das schnurlose Telefon.

„Danke.“ Jessica wollte sich gerade melden, als Mrs. Croft ihr bedeutete, die Sprechmuschel mit der Hand zu bedecken.

„Du hast dich entschieden, als du dein Eheversprechen gegeben hast, mein Mädchen. Sieh jetzt nicht mehr zurück.“ Mit diesem Ratschlag ging sie zurück ins Haus.

Ernüchtert, weil offenbar noch jemand ohne Weiteres annahm, sie würde untreu werden, meldete sie sich mit einem leisen Hallo.

„Bist du allein, Jessie?“

Sie erstarrte. „Bist du lebensmüde, Mark? Wenn Gabriel ans Telefon gegangen wäre …“

„Ich hätte wieder aufgelegt. Kein Grund zur Panik.“

Er lachte, aber Jessica hörte einen bitteren Unterton heraus, den sie noch nie an ihm bemerkt hatte.

„Warum rufst du an?“

„Ich habe dir doch gesagt, dass ich mit dir reden möchte.“ Eine kleine Pause. „Du bist doch immer noch meine Freundin, oder nicht?“

„Natürlich bin ich das.“

„Auch wenn er es verbietet?“

„Bitte nicht.“ Gabriel war das eine Thema, das sie nicht mit Mark diskutieren würde. „Was sind das für Gerüchte über dich und Kayla?“

Die Pause war diesmal etwas länger. „Wir sind am Ende. Ich habe dir ja gesagt, ich hätte sie nie heiraten sollen.“

„Mark“, fing sie an, aber er kam ihr zuvor.

„Ich habe es dir gesagt, und du hast dich nicht aufhalten lassen und hast diesen Armleuch…“ Er verstummte, ehe sie ihn unterbrechen konnte. „Ich liebe sie nicht mehr.“

„Das meinst du nicht ernst.“ Und doch hoffte ein Teil von ihr, ein Teil, den sie nicht sonderlich mochte, dass er es ernst meinte. Diese geheime Hoffnung hatte sie immer gehegt, seit Kaylas Wagen vor zwei Jahren in Kowhai eine Panne hatte, und die hübsche Brünette und Mark fast über Nacht ein Paar wurden.

„Du weißt, wen ich hätte heiraten sollen, nicht wahr?“ Seine Stimme wurde leiser, rauer.

Sie hätte auf der Stelle auflegen sollen, doch sie tat es nicht, überwältigt von einer Sehnsucht, die sich über Jahre aufgebaut hatte. Denn selbst in jenem einzigen Ferngespräch hatte Mark ihr nicht gesagt, was sie unbedingt hören wollte.

„Dich, Jessie. Ich hätte dich heiraten sollen.“

Mit zitternden Fingern beendete sie das Telefonat. Sie hasste sich dafür, dass sie Mark erlaubt hatte weiterzureden, verabscheute ihre Sehnsucht, die sie zur Heuchlerin gemacht hatte. Denn auch wenn sie die Schwelle zur körperlichen Untreue nicht überschritten hatte, so doch ohne jede Frage die zur emotionalen.

Das Telefon klingelte erneut so plötzlich, dass sie es beinah hätte fallen lassen. Sie meldete sich zögernd.

Es war Merri Tanner, eine Nachbarin, die sie für den Abend zu einer Grillparty einlud. Eine gesellschaftliche Verpflichtung war jetzt genau das Richtige. „Ja, wir kommen gern. Danke.“ Sie plauderte noch ein paar Minuten mit der Nachbarin, dann legte sie auf.

Jessica überlegte, ob sie jemanden bitten sollte, Gabriel die Einladung zu überbringen, aber das wäre feige gewesen. Und ihre Selbstachtung war nach Marks Anruf schon tief genug gesunken. Also machte sie sich auf die Suche nach ihrem Mann.

Ihr schlechtes Gewissen besiegte sie mit ihrer zunehmenden Wut über seine grausame Drohung, ihr Land doch noch zu verkaufen. Wieder einmal nahm sie sich vor, Gabriel Dumont nicht die Chance zu geben, sie mit seinem unbeugsamen Willen zu vernichten.

Gabriel unterbrach sein Gespräch mit dem Vorarbeiter, als er Jessica kommen sah, und ging ihr entgegen. „Was gibt’s?“ Das klang keineswegs verärgert.

„Merri hat uns zu einem Barbecue eingeladen. Gegen sieben.“ Sie verschränkte die Arme. „Ich habe zugesagt.“

„Schön.“

Er berührte ihre Wange mit dem Zeigefinger, und die Geste war so unerwartet sanft, dass Jessica nicht wusste, wie sie reagieren sollte.

„Muss ein langes Telefonat gewesen sein – deine Haut ist ganz gerötet.“

Sie wich zurück und fragte sich, ob er ihre Schuldgefühle in ihren Augen lesen konnte. Denn diesmal hatte sie etwas getan, worauf sie nicht stolz war. Aber selbst ihr Fehlverhalten entschuldigte nicht das, was er gesagt hatte, und sie würde nicht so tun, als sei alles in bester Ordnung. „Lass das, Gabriel. Du empfindest mehr Zärtlichkeit für dein Bankkonto als für mich.“

Seine Miene wurde härter. „Keine schlechte Sache, oder? Wenn ich nichts auf diesem Konto gehabt hätte, würdest du jetzt auf dem Trockenen sitzen.“ Er bedachte sie mit einem grimmigen Lächeln und ging zurück zu Jim.

Jessica beschwor sich, sich nichts daraus zu machen. Doch damit, dass er recht hatte, streute er Salz in ihre Wunden. Sie war keine Goldgräberin, war jedoch auf Gabriels Geld angewiesen gewesen. Wenn Geld keine Rolle gespielt hätte, hätte sie sich nie auf diesen Handel eingelassen. Aber sie hatte es getan. Und jetzt musste sie den Preis dafür zahlen.

Sie verließ die Scheune, ehe sie etwas Unüberlegtes sagen konnte, und ging zum Haus zurück. Sie beschloss, für die Grillparty einen Salat zu machen. Da sie die Arbeit zumindest für eine Weile ablenkte, backte sie auch noch einen Marmorkuchen.

Gegen halb sechs war alles fertig und sie selbst startbereit. Sie hatte ihre Garderobe mit Bedacht gewählt, denn sie wollte sich unbedingt wohlfühlen, daher trug sie einen wadenlangen Wollrock und einen weißen Angorapullover, dazu ihre kniehohen Lieblingsstiefel.

Gabriel hatte kein Wort beim Betreten der Küche gesagt, während sie den Picknickkorb packte. Aber jetzt strich er ihr durchs feuchte Haar. „Ich glaube, ich lasse dich heute Nacht die Stiefel anbehalten.“

Ihr war klar, dass er sie absichtlich provozierte, weil sie so kühl zu ihm war, aber ihr verräterischer Körper reagierte sofort auf sein sinnliches Versprechen. Sie entzog sich Gabriel und ging ein paar Schritte beiseite. In der sandfarbenen Cordhose und dem dunkelblauen Pullover wirkte er selbstbewusst und unglaublich maskulin.

„Hast du deine Zunge verschluckt, Jessica? Soll ich sie für dich suchen?“

Sie ignorierte seine Anspielung und nahm den Korb. „Lass uns gehen.“

Gabriel nahm ihr den Korb ab, und sie ließ ihn gewähren. Auf keinen Fall sollte er merken, dass sie bei Weitem nicht so ruhig war wie sie vorgab.

„Mit dem Wagen dauert es zwei Stunden bis zu den Tanners. Ich denke, wir sollten hinfliegen.“

„Nein, ich möchte lieber fahren.“ Es war eine impulsive Entscheidung, denn sie hatte das Gefühl, festen Boden unter den Füßen zu brauchen.

Er sah sie überrascht an, ging jedoch direkt zum Jeep, der vor dem Haus parkte, und stellte den Korb hinten in den Wagen. „Schön.“

„Merri sagte, gegen sieben, aber das heißt vermutlich, die meisten Leute werden so gegen halb acht eintreffen“, erklärte Jessica beim Einsteigen.

Gabriel hielt die Beifahrertür fest, als sie sie zuschlagen wollte. „Versuch, mich nicht den ganzen Abend so böse anzusehen. Ich möchte nicht, dass die Leute einen negativen Eindruck von unserer Ehe bekommen.“ Damit warf er die Tür zu, ging um den Wagen herum und stieg ein.

„Wenn du mich mit den Landspekulanten erpresst, dann erwarte nicht, dass ich die Freundlichkeit in Person bin.“

„Freundlichkeit in Person?“ Verächtlich schnaubend startete er den Wagen. „Jessie, du schmollst, seit du aus Amerika zurück bist.“

Autor

Nalini Singh
Die internationale Bestsellerautorin verbrachte ihre Kindheit in Neuseeland. Drei Jahre lebte und arbeitete sie unter anderem in Japan und bereiste in dieser Zeit wiederholt den Fernen Osten. Bislang hat sie als Anwältin, Bibliothekarin, in einer Süßwarenfabrik und in einer Bank gearbeitet -- eine Quelle von Erfahrungen, aus der Nalini Singh...
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