Julia Exklusiv Band 179

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ER LIEBT DICH, TESS von HART, JESSICA
Ihre Liebe darf nicht sein! Schließlich ist Tess die Sekretärin des Bauunternehmers Gabriel. Doch nach einer unvergesslichen Nacht wacht sie neben ihm auf. In beiden lodert eine verbotene Liebe, von der niemand wissen darf - so innig sie sich auch begehren

ENDLICH BIN ICH ZU HAUSE von MATHER, ANNE
Abbys Herz beginnt zu rasen, als sie endlich ihre große Liebe Percy wiedertrifft. Was war das nur für ein fatales Missverständnis, das ihr großes Glück so lange verhinderte? Jetzt endlich erhält sie eine letzte Chance, Percy zurückzugewinnen. Und die will sie nutzen!

INSEL DES BEGEHRENS von NAPIER, SUSAN
Ist es wirklich nur Zufall? Der faszinierende Fremde, den Nina auf der paradiesischen Insel trifft, hat sein Gedächtnis verloren - genau wie sie! Doch die ungeheure Anziehungskraft zwischen ihnen rührt etwas in Ninas Erinnerung. Ist sie Ryan etwa schon einmal begegnet?


  • Erscheinungstag 24.09.2008
  • Bandnummer 179
  • ISBN / Artikelnummer 9783863495404
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

ANNE MATHER

ENDLICH BIN ICH ZU HAUSE

Zwölf Jahre lang hat Abby nichts mehr von ihrem Ehemann Percy gehört. Jetzt fordert er plötzlich die Scheidung, weil er eine Jüngere heiraten will. Ist Abby deshalb so verletzt? Oder schlummern tief in ihr etwa noch immer innige Gefühle für ihn? Ihr Herz gibt Abby die Antwort, als sie ihrem Mann auf seinem Anwesen endlich wieder Aug in Auge gegenübersteht …

SUSAN NAPIER

INSEL DES BEGEHRENS

Zum Malen ist Nina, die bei einem Sturz ihr Gedächtnis verloren hat, nach Shearwater Island gekommen. Als sie hört, dass der attraktive Ryan auch unter Gedächtnisverlust leidet, hilft sie ihm sofort – denn seiner unglaublichen Anziehungskraft kann sie sich kaum entziehen! Zumal ihr vieles an ihm eigentümlich vertraut vorkommt …

JESSICA HART

ER LIEBT DICH, TESS

So eine Aufgabe hat Tess als Sekretärin von Gabriel Stearne noch nie bekommen: Sie soll sich um ein süßes Baby kümmern – angeblich Gabriels Sohn. Während Tess den Kleinen hingebungsvoll umsorgt, widmet sich Gabriel immer intensiver der bezaubernden Tess – denn ohne dass sie es zugeben würden, verbindet sie seit Langem viel mehr als nur die Arbeit …

1. KAPITEL

Die Briefe erwarteten Abby, als sie in die Wohnung zurückkam. Es war ein schlimmer Tag gewesen. Erst der Schlag, dass die Firma, bei der sie arbeitete, Bourne Electronics, in Kürze schließen würde. Dann das unangenehme Gespräch mit dem Klassenlehrer ihres Sohnes Matthew. Und jetzt also die beiden Briefe, die dem Poststempel nach beide aus Rothside kamen und Erinnerungen weckten, die Abby viel lieber vergessen hätte. In Rothside lebte auch der einzige Mensch, der sie je bei ihrem vollen Namen – Abigail – genannt hatte.

Matthew folgte ihr in das kleine Wohnzimmer. Er warf einen kurzen Blick auf die Briefe, die sie in der Hand hielt, dann ließ er sich auf die Couch fallen. Er war groß für sein Alter, so groß wie seine Mutter, und ein schwieriges Kind.

Abby hatte immer mehr Mühe, mit ihm fertig zu werden. Das war nicht immer so gewesen. Zehn Jahre lang hatte zwischen ihnen das schönste Einvernehmen geherrscht. Und dann hatte er eines Tages erfahren, dass sein Vater nicht tot war, wie seine Mutter ihm von klein auf erzählt hatte. Das hatte ihn gründlich aus der Bahn geworfen.

Die Erklärungen, die Abby für das Scheitern ihrer Ehe gegeben hatte, konnte oder wollte Matthew einfach nicht akzeptieren. Er suchte allein bei ihr die Schuld dafür, dass er ohne Vater aufwachsen musste.

Zuerst hatte Abby noch gehofft, dass Matthew den Schock im Lauf der Zeit überwinden, sich mit den Tatsachen abfinden würde. Aber die Zeit hatte die Wunde nicht geheilt. Im Gegenteil. Die Schwierigkeiten, die Matthew von diesem Augenblick an zu Hause und in der Schule machte, hatten immer mehr zugenommen.

Sein Klassenlehrer hatte ihr heute eröffnet, dass Matthew die Schule würde verlassen müssen, wenn er weiter ständig den Unterricht schwänzte und sich keine Mühe gab, etwas zu lernen. Das hatte Abby sehr getroffen. Aber im Augenblick trat diese Sorge in den Hintergrund vor der Frage, was ihr Mann ihr wohl zu sagen hatte.

Percy schrieb sonst nie. Seit dem Besuch im Krankenhaus nach Matthews Geburt hatte er sich nie mehr direkt mit ihr in Verbindung gesetzt. Abbys Hand zitterte ein bisschen, als sie den Umschlag aufschlitzte.

Sonderbar, dachte sie, dass ich mich noch so gut an seine Handschrift erinnere. Aber wenn sie es recht überlegte, war es doch nicht so erstaunlich. Schließlich hatte sie früher viele Stunden damit verbracht, die von ihm hastig hingekritzelten Briefe und Berichte zu entziffern und sauber abzutippen. Es hatte ihr Spaß gemacht, jeden Morgen zum Herrenhaus zu gehen und dort in der schönen alten Bibliothek zu arbeiten. Die anderen Mädchen hatten sie darum beneidet, dass sie die Stellung bei dem allseits umschwärmten Percy Roth ergattert hatte.

Sie zog den schweren Büttenbogen heraus.

Liebe Abby …“, las sie.

„Von wem ist der Brief?“ Matthew hatte sich auf der Couch lang ausgestreckt. Er trug neuerdings die Haare extrem kurz geschnitten. Sie fand diese bei gewissen Halbwüchsigen sehr beliebte Mode ganz abscheulich.

Abby trat rasch ans Fenster, als ob sie mehr Licht brauchte. „Einen Augenblick“, sagte sie abwesend. Matthew zuckte ungeduldig die Achseln.

Liebe Abby“, las sie. „Es dürfte keine Überraschung für Dich sein, wenn ich Dir sage, dass ich mich von Dir scheiden lassen will …

Scheidung … Abby war einen Augenblick wie betäubt. Irgendwie war sie trotz der langen Trennung auf diesen endgültigen Bruch nicht vorbereitet. Vielleicht hatte sie sogar insgeheim gehofft, dass eines Tages doch noch alles gut werden, dass Percy ihr glauben würde. Diese Hoffnung konnte sie jetzt also begraben. Sie las weiter.

Ich weiß, dass ich eigentlich nicht verpflichtet bin, Dich davon persönlich in Kenntnis zu setzen. Aber ich schreibe Dir hauptsächlich deshalb, weil ich Dir versichern will, dass ich keine Feindschaft mehr für Dich empfinde. Was geschehen ist, kann man nicht ändern. Du warst zu jung für eine Ehe. Und ich als der weitaus Ältere hätte das erkennen müssen. Ich hoffe, Dir und dem Jungen geht es gut. Du wirst in den nächsten Tagen von meinem Anwalt hören.
Mit freundlichen Grüßen, Roth.

Nur Roth, dachte Abby erbittert und faltete den Briefbogen wieder zusammen. Nicht Percy. Nicht einmal Percy Roth. Eine Unterschrift wie unter einem Geschäftsbrief. Doch sie würde sich nach wie vor Mrs. Roth nennen. Es hatte sich im Grunde genommen überhaupt nichts geändert.

„Sag schon, von wem der Brief ist, Mami.“

Abby hatte einen Augenblick Matthew total vergessen. „Es ist nichts Wichtiges“, sagte sie hastig und schob das Blatt in den Umschlag zurück. „Jetzt will ich aber mal sehen, was Tante Hanna schreibt.“

Der Brief ihrer Tante war kürzer als gewohnt. Meist berichtete sie Abby in allen Einzelheiten von den Ereignissen im Dorf und seiner Umgebung. Abby versuchte sich manchmal einzureden, dass sie die langen Episteln nur las, um der alten Dame eine Freude zu machen. Aber in Wirklichkeit wartete sie immer schon sehnsüchtig auf die Neuigkeiten aus Rothside und verschlang begierig jedes Wort.

Hanna Caldwell war eigentlich die Tante von Abbys Mutter. Als diese bei der Geburt des zweiten Kindes gestorben war, hatte Abbys Vater die kleine Tochter zu Tante Hanna nach Rothside gebracht. Er selbst hatte eine Stellung in Schottland angenommen. Abby sollte zu ihm kommen, sobald er ein Heim für sie beide und eine geeignete Haushälterin gefunden hatte.

Aber dazu kam es nicht mehr. Lawrence Charlton kam wenige Wochen nach dem Tod seiner Frau bei einem Segelunfall ums Leben. Und Abby blieb für immer bei Tante Hanna.

Abby wurde ganz blass, als sie den Brief ihrer Tante las. Tante Hanna hatte vor zehn Tagen einen Herzanfall gehabt.

Nichts Ernstes“, schrieb sie, absichtlich untertreibend. „Man darf eben nicht vergessen, dass ich auch nicht mehr die Jüngste bin.

Wie alt mochte Tante Hanna jetzt sein? überlegte Abby. Dass sie über achtzig war, wusste sie genau.

Dr. Willis will mich unbedingt ins Altersheim schicken, aber ich habe ihm gesagt, dass man mich aus meinem Haus nur auf einer Bahre herausbekommt. Ich will nicht mit vielen alten Leuten zusammen eingesperrt sein. Ich mag junge Leute um mich herum. Zu schade, dass Ihr, Matt und Du, so weit weg wohnt. Du fehlst mir sehr, Abby.

Abby schlug das Gewissen. Es war ihrer Tante sehr schwer gefallen, sich mit ihrer Heirat abzufinden. Schließlich war die Nichte damals erst achtzehn gewesen. Sie hatte ihre Bedenken schweren Herzens zurückgestellt, weil sie geglaubt hatte, Abby würde mit Percy Roth glücklich werden. Aber dann hatte Abby knapp ein Jahr später Rothside verlassen. Tante Hanna hatte sich schwere Vorwürfe gemacht, dass sie in diese Verbindung überhaupt eingewilligt hatte.

Als Matthew noch ganz klein war, hatte sie Abby und ihren Großneffen ein paar Mal in London besucht. Im Laufe der Jahre waren die Fahrtkosten immer mehr gestiegen, und sie wurde auch zu alt für eine so lange Reise. Jetzt hatten sie sich seit fast zehn Jahren nicht mehr gesehen.

Seufzend drehte Abby das Blatt um.

Dass Percy wieder heiraten will, hast Du sicher schon gehört. Er kam unverhofft vor ein paar Tagen an und brachte mir einen Korb Obst. Bei dieser Gelegenheit hat er es mir erzählt. Er wollte wohl vermeiden, dass ich es durch den Dorfklatsch erfahre. Seine Zukünftige ist Valerie Langton. Ihre Eltern haben die Manor-Farm gekauft. Sie ist ein niedliches Ding, höchstens drei- oder vierundzwanzig. Sie liebt die Jagd und interessiert sich für Wohltätigkeitsveranstaltungen. Also eigentlich die ideale Schwiegertochter für Mrs. Roth.
Für heute muss ich Schluss machen. Ich bin doch noch ein bisschen schlapp. Schreib bald wieder. Du weißt, wie sehr ich mich immer über Deine Briefe freue.

Abby spürte, dass Matthew sie immer noch beobachtete. „Tante Hanna hatte einen Herzanfall“, sagte sie. „Der Arzt meint, dass sie in ihrem Alter nicht mehr allein leben dürfte. Natürlich hat er im Grunde recht, aber …“

„Warum zieht sie dann nicht zu uns?“, fragte Matt sachlich.

„Weil sie sich nicht von ihrem Haus trennen will. Außerdem könnte ich sie im Augenblick gar nicht aufnehmen. Ich weiß noch nicht, wie es hier bei uns weitergeht. Bourne Electronics schließen. In etwa einem Monat muss ich dort aufhören.“

Matthew machte große Augen. „Und was wirst du dann machen?“

„Das weiß ich noch nicht“, antwortete Abby ehrlich.

Ja, was würde sie machen? So klein die Wohnung war, die Miete war erschreckend hoch, und auch sonst war das Leben so teuer geworden, dass sie sich finanziell eigentlich gar nicht noch mehr einschränken konnten. Sie lebten so schon von der Hand in den Mund. An Ersparnisse war gar nicht zu denken, denn Strom- und Gasrechnungen und Kleidung für Matthew, der so schnell aus seinen Sachen herauswuchs, fraßen ein großes Loch in die Finanzen.

Abby selbst musste als Chefsekretärin auch auf eine gepflegte Garderobe achten. Ihre schlanke Figur hatte sich seit ihrer Schulzeit kaum verändert. Trevor Bourne, ihr Chef, pflegte zu sagen, dass kein Mensch ihr einen zwölfjährigen Sohn glauben würde.

Aber Trevor, dachte Abby, sieht mich eben nicht unvoreingenommen. So ganz spurlos sind die letzten sorgenvollen Jahre doch nicht an mir vorübergegangen. Wovon sollten sie in Zukunft leben? Wie würde Matthew reagieren, wenn sie ihm nicht mehr sein kleines wöchentliches Taschengeld zahlen konnte?

„Wirst du dir einen neuen Job suchen?“, fragte er jetzt hörbar besorgt.

„Ich denke schon. Keine Angst, Matt, ich werde uns beide schon über Wasser halten.“

Matthew scharrte mit einem Stiefel über den Teppich. „Zu dumm, dass ich noch nicht alt genug bin, um mir einen Job zu suchen. Noch vier Jahre Schule – das ist einfach zu lang.“

Abby ging wortlos in die kleine Küche, die vom Wohnzimmer abging. An den Gedanken, dass Matthew mit sechzehn von der Schule abgehen würde, musste sie sich erst gewöhnen. Früher hatte sie fest damit gerechnet, dass er später einmal studieren würde. Diese Hoffnung hatte sie inzwischen begraben müssen.

Matthew interessierte sich nicht für die Schule. Er zog mit einer Clique herum, die allerlei üble Streiche ausheckte. Abby durfte gar nicht daran denken, was aus dem Jungen werden sollte, wenn er mit der Schule fertig war. Sie wünschte sich einen netten, vernünftigen Jungen, der ihr nicht ständig vorwarf, sie hätte ihm durch die Trennung von Percy die Chance seines Lebens verbaut.

Seit dem Eintreffen der beiden Briefe aus Rothside waren einige Tage vergangen. Abby beschäftigte sich im Büro mit der Ablage, als das Telefon läutete.

„Ein Gespräch für Sie, Mrs. Roth“, sagte das Mädchen aus der Zentrale. Abby bekam Herzklopfen. Doch nicht schon wieder Ärger mit Matthew? Eine energische und vollkommen unbekannte Männerstimme meldete sich.

„Mrs. Roth? Mein Name ist Sean Willis. Ich bin Miss Caldwells Arzt.“

Abbys Mund wurde trocken. „Sie ist doch nicht …“

„Nein, nein, erschrecken Sie nicht, Mrs. Roth. Es besteht keine unmittelbare Gefahr für sie. Ich rufe an, weil Sie, wie Miss Caldwell mir sagte, ihre einzige noch lebende Angehörige sind. Trifft das zu?“

„Ja, das stimmt. Was ist denn passiert? Kann ich etwas tun?“

„Ich möchte Sie bitten, Ihren ganzen Einfluss bei Ihrer Tante geltend zu machen, damit sie ihr Haus verlässt, Mrs. Roth“, sagte Dr. Willis mit Nachdruck. „Sie wohnt dort ganz allein. Vor kurzem hatte sie einen Herzanfall. Es war ein Glück, dass er relativ schwach war.“

„Ich weiß, sie hat es mir geschrieben.“

„Gut. Dann wissen Sie aber auch, wie leichtsinnig es ist, wenn sie darauf besteht, weiter allein dort zu leben. Sie ist über achtzig. Da kann alles Mögliche passieren.“

„Wollen Sie damit sagen, dass Tante Hanna ernstlich krank ist, Dr. Willis? Dass sie ins Krankenhaus gehört?“

„Nein, nicht ins Krankenhaus. Ich habe an Rosemount gedacht. Es ist ein recht hübsches Wohnheim …“

„… für alte Leute“, ergänzte Abby trocken. „Ja, sie hat das in ihrem Brief erwähnt. Aber sie mag sich eben nicht von ihrer liebgewordenen Umgebung trennen.“

Dr. Willis seufzte. „Sie hängen an Ihrer Tante, nicht wahr, Mrs. Roth? Dann werden Sie auch begreifen, wie wichtig es ist, dass sie ständig jemanden um sich hat. Wenn sie einen zweiten Herzanfall bekommt, wenn sie stürzt …“

„Ich begreife durchaus, dass die Situation nicht ungefährlich ist. Aber was erwarten Sie von mir?“

„Setzen Sie sich mit ihr in Verbindung“, bat der Arzt. „Versuchen Sie ihr beizubringen, dass ich ihr Bestes will, dass ich mir Sorgen um sie mache. Vielleicht ist sie bei Ihnen zugänglicher.“

„Ich werde es versuchen“, versprach Abby, obgleich sie wusste, dass in diesem Punkt ihre Tante nicht mit sich reden lassen würde. „Aber eine unmittelbare Gefahr besteht nicht?“

„Die größte Gefahr ist Hanna Caldwells Starrsinn“, gab Dr. Willis zurück. „Ich bitte Sie, tun Sie, was Sie können.“

Der Gedanke an Tante Hanna verfolgte Abby den ganzen Tag. Am Abend hatte sie sich zu einem Entschluss durchgerungen. Sie würde nach Rothside fahren. So schwierige Probleme konnte man einfach nicht schriftlich erledigen. Es wurde langsam Zeit, dass sie aufhörte, vor der Vergangenheit davonzulaufen. Wenn Tante Hanna etwas zustieß, würde sie es sich nie verzeihen, nicht alles Menschenmögliche getan zu haben, um ihr zu helfen.

Entschlossen schob Abby den Gedanken an Percy beiseite. Sie würde nur achtundvierzig Stunden in Rothside verbringen. Es musste schon ein dummer Zufall sein, wenn sie sich ausgerechnet in dieser kurzen Zeit über den Weg liefen. Außerdem, was wäre denn dabei? Die Scheidung war nur noch eine Formalität. Sie hatten fast zwölf Jahre keine Verbindung miteinander gehabt, waren praktisch Fremde. Vielleicht würde er sie gar nicht mehr erkennen.

Als Abby heimkam, war Matthew zu ihrer Erleichterung auch schon da.

„Ich habe dir doch erzählt, dass Tante Hanna einen Herzanfall hatte, nicht?“, fing sie vorsichtig an. „Ich habe mir gedacht, wir könnten übers Wochenende nach Rothside fahren und sehen, wie es ihr geht.“

„Was?“ Matthew reagierte unerwartet interessiert. „Nach Rothside? Du, das ist ja super.“

Abby war zwischen Erleichterung und Überraschung hin und her gerissen.

„Es macht dir also nichts aus?“, vergewisserte sie sich.

„Ach wo, im Gegenteil. Fahren wir mit einem dieser tollen neuen Züge, die so irre schnell sind?“

„Vielleicht. Jedenfalls von London nach Newcastle. Von dort nehmen wir dann den Bus nach Alnbury.“

„Alnbury? Wo ist das?“

„Das ist die nächste Kleinstadt, fünf Meilen vom Dorf entfernt. Ich bin dort zur Schule gegangen.“ Sie wechselte rasch das Thema. „Du könntest mal den Tisch decken, ja?“

Abby ließ zwei Plätze für den Zug nach Newcastle reservieren und verabredete mit Matthew, dass sie ihn von der Schule abholen würde. Von Greenwich, wo sie wohnten und Matt zur Schule ging, hatten sie dann noch eine lange Fahrt quer durch London vor sich.

„Versuche wenigstens, dich nicht schmutzig zu machen“, sagte sie beschwörend, als er am Freitagvormittag in seiner besten Hose und seinem Schulblazer abzog. Matthew lachte vergnügt. Ausnahmsweise hatte er sich nicht dagegen gesträubt, die Schuluniform anzuziehen. Seit er von dem geplanten Wochenendtrip erfahren hatte, war er wie ausgewechselt. Vielleicht, dachte Abby, als sie mit dem Bus ins Büro fuhr, wird jetzt doch alles wieder gut.

Ihr Chef hatte nichts dagegen, dass sie früher als sonst Feierabend machte.

„Schade, dass Sie nur zu Ihrer alten Tante und nicht zu einem vielversprechenden Vorstellungsgespräch fahren, Abby“, seufzte er. „Ich würde Ihnen so sehr eine gute Stellung gönnen. Ich weiß doch, wie sehr Sie Ihre Unabhängigkeit schätzen.“

Abby lächelte. „Ich habe Ihre Andeutung schon verstanden, Trevor. Sie haben recht. Meine Unabhängigkeit bedeutet mir sehr viel, in jeder Beziehung. Und glauben Sie mir, wir beide wären kein ideales Paar. Außerdem sind Sie schon zu lange Junggeselle, da passt man sich nicht mehr so recht an.“

Sie war froh, als Trevor daraufhin das Thema fallen ließ. Dass er es gern gesehen hätte, wenn sie sich auch persönlich nähergekommen wären, wusste sie. Aber sie war nie darauf eingegangen. Einen besseren Chef hätte sie sich nicht wünschen können. Auch persönlich war er ihr sympathisch, aber mehr empfand sie für ihn nicht.

Außerdem musste sie an Matthew denken. Er hätte nicht verstanden, dass seine Mutter auch eine Frau mit sehr persönlichen Wünschen und Sehnsüchten war.

Matthew wartete schon auf Abby, als sie kurz nach vier vor der Schule eintraf. Die klobigen Stiefel, die Matthew so liebte, passten nicht zu der flotten Schuluniform. Aber er besaß gar keine normalen Schuhe. So was ziehe ich nicht an, pflegte er zu sagen.

Der Zug ging pünktlich. Er war hauptsächlich mit Geschäftsleuten besetzt, die nach Abschluss ihrer Verhandlungen in London wieder in den Norden zurückkehrten. Sie hatten meist nur schmale Aktentaschen mit, sodass Abby und Matt sich mit ihrem Gepäck ausbreiten konnten. Sie rollten durch die Hügellandschaft, die London umgab, auf das flachere Land hinaus. Draußen war es inzwischen dunkel geworden.

Nach zwei Stunden wurde Matthew langsam zappelig. Abby hatte Verständnis dafür. Auch sie war nervös. Um ihn abzulenken, schickte sie ihn ein bisschen auf den Gang hinaus.

Sie holte ihre Puderdose hervor und betrachtete mit einiger Besorgnis ihr Gesicht in dem kleinen Spiegel. Hatte sie sich sehr verändert? Zwölf Jahre waren eine lange Zeit. Inzwischen war sie fast dreißig und hatte einiges hinter sich.

Aber der Spiegel verriet kaum etwas von den Veränderungen, die in ihr vorgegangen waren. Grüne Augen unter dunklen Wimpern, blondgesträhntes Haar. Faltenlose Haut, zarter Teint, wenig, aber geschicktes Make-up. Nur eins war ganz klar: Sie war nicht mehr das junge Mädchen, das Percy Roth geheiratet hatte. Sie war eine reife Frau geworden.

Matthew kam wieder. Sein schmales Gesicht strahlte. Wenn er aufgeregt war oder sich freute, sah er auch seinem Vater ähnlich. Doch die Ähnlichkeit mit Abby war ausgeprägter. Er hatte das gleiche helle Haar und den zarten Teint wie seine Mutter.

Matthew sah sie kritisch an. „Du siehst blass aus. Machst du dir noch Sorgen wegen Tante Hanna?“

„Sieht man das? Ja, ich mache mir Sorgen um sie. Ich möchte wissen, ob sie mich überhaupt noch erkennt.“

„Warum?“

„Weil wir uns seit zehn Jahren nicht mehr gesehen haben. Immerhin bin ich inzwischen auch älter geworden.“

„Na und? Du siehst überhaupt nicht alt aus. Einer aus der Fünften hat mich neulich gefragt, ob du meine Schwester bist. ‚Sie ist meine Mutter‘, hab’ ich gesagt. Und er meinte: ‚Da muss sie ja noch zur Schule gegangen sein, als sie dich gekriegt hat.‘ Natürlich hab’ ich ihn vermöbelt.“

„Aber Matt“, sagte Abby entsetzt und gleichzeitig gerührt.

Matthew zuckte die Achseln. „Er wollte mir damit unter die Nase reiben, dass ich keinen Vater habe, dieser Mistkäfer. Keiner glaubt mir, wenn ich sage, dass meine Eltern getrennt leben. Die denken alle, dass du nicht verheiratet warst.“

„Aber wir beide wissen es ja, Matt.“

„Hm.“ Ein Schatten ging über sein Gesicht. Dann zwang er sich zu einem Lächeln. „Sag mal, wo sind wir eigentlich? Ist das schon Newcastle?“

Abby war ihm dankbar für den Themenwechsel. Sie sah aus dem Fenster. „Nein, das ist Darlington. Dann kommt Durham, und danach Newcastle.“

Matthew sah wieder hinaus. „Und wann sind wir in Alnbury? Weiß Tante Hanna eigentlich, dass wir kommen?“

„Ich hoffe es. Ich habe ihr gestern geschrieben. Eigentlich müsste der Brief heute da sein. Ich hätte ihr auch ein Telegramm schicken können, aber ich wollte sie nicht unnötig beunruhigen. Alte Leute denken immer, dass Telegramme nur schlechte Nachrichten enthalten.“ Abby seufzte. „Als mein Vater ertrunken war, bekamen wir auch ein Telegramm.“

Matthew schwieg einen Augenblick nachdenklich. Dann wandte er sich wieder den praktischen Fragen des Alltags zu. „Und wie kommen wir nach Rothside? Bis Alnbury können wir mit dem Bus fahren, hast du gesagt.“

Abby runzelte die Stirn. „Ich weiß nicht mehr genau, wo die Bushaltestelle ist, aber wir können ja fragen. Wenn wir pünktlich in Newcastle ankommen, müssten wir noch den Neun-Uhr-Bus nach Alnbury erwischen. Dann sind wir um zehn an Ort und Stelle.“

„Ziemlich spät für eine alte Dame, nicht?“

Abby nickte. „Ja, aber das ist nicht zu ändern. Sie freut sich bestimmt schon auf uns.“ Auch ihre Aufregung wuchs, und es fiel ihr schwer, sich nichts davon anmerken zu lassen.

Zehn vor neun lief der Zug in Newcastle ein, und bis sie draußen waren, war es fünf vor neun. Die Aussicht, den Neun-Uhr-Bus noch zu erwischen, wurde von Minute zu Minute ungewisser. Für Abby hatte der Gedanke, eine Stunde auf dem ungemütlichen Bahnhof zu verbringen, nichts Verlockendes.

„Reg dich nicht auf“, sagte Matthew, der ihr den Koffer trug, während sie in ihrer Handtasche nach den Fahrkarten kramte. „Vielleicht gibt’s noch einen Bus um halb zehn.“

„Ich glaube nicht, dass …“ Abby unterbrach sich jäh. Vor ihnen an der Sperre stand ein großer, schlanker Mann mit dunkelbraunem Haar und scharfgeschnittenen Zügen. Er war älter und vielleicht ein bisschen voller geworden, aber sie erkannte ihn sofort.

Abby blieb unvermittelt stehen. Auch Matthew war stehen geblieben. Er sah sie ungeduldig an. „Hör mal, Mami …“

„Einen Moment, Matt.“ Sie tat, als ob sie etwas suchte. Aber das konnte nur ein kurzer Aufschub sein. Da stand Percy und wartete auf sie.

Warum hat Tante Hanna das nur getan, dachte sie vorwurfsvoll. Sie hätte wissen müssen, dass es mich aus der Fassung bringen würde, ihm schon heute Abend zu begegnen.

„Was ist denn?“ Matthew betrachtete sie stirnrunzelnd. „Ist dir nicht gut, Mami? Du, es ist gleich neun. Ich denke, du willst unbedingt den Bus erwischen.“

Abby sah verstört aus. Es fiel ihr furchtbar schwer, die richtigen Worte zu finden. „Ich … wir … vielleicht brauchen wir den Bus gar nicht“, sagte sie und sah unwillkürlich zur Sperre hinüber. Matt folgte ihrem Blick.

Ehe sie noch deutlicher werden konnte, lächelte Percy. Aber das Lächeln galt nicht Abby, sondern einer zierlichen jungen Dame, die aus einem Erster-Klasse-Abteil gestiegen war.

„Was ist denn los?“, fragte Matt gereizt. „Wer ist der Mann da drüben? Kennst du ihn?“

Abby fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. „Ich … nein, es war wohl eine Verwechslung“, sagte sie hilflos.

Matthew nahm Koffer und Reisetasche in eine Hand und hakte sich mit dem freien Arm bei Abby ein. „Ist dir schlecht? Du hast ja überhaupt keine Farbe im Gesicht. Jetzt komm.“ Er versuchte, sie mit sich zur Sperre zu ziehen.

Die junge Dame, schick und nach der neuesten Mode gekleidet, gab gerade ihre Fahrkarte ab und unterhielt sich dabei angeregt mit Percy.

„Warte, Matt. Wir brauchen uns jetzt nicht zu beeilen. Den Bus bekommen wir sowieso nicht mehr.“

„Eben hast du noch gesagt, dass wir ihn vielleicht gar nicht brauchen“, sagte Matt argwöhnisch. „Du kennst diesen Mann, stimmt’s? Ist es mein Vater?“

Abby wartete vergebens auf ein Wunder. Weder tat sich der Boden unter ihr auf, noch fiel sie in Ohnmacht. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als Matthew die Wahrheit zu sagen.

„Ja, Matt, es ist dein Vater. Aber wie du siehst, ist er nicht unseretwegen zum Bahnhof gekommen.“

Matt betrachtete den Mann an der Sperre mit großen Augen. Abby sah erleichtert, dass Percy sich mit seiner Begleiterin entfernte. Ein Gepäckträger brachte ihre beiden Koffer. Sicher wartete der Wagen draußen. Miss Langton würde nicht den Bus zu nehmen brauchen.

Matt tat Abby leid. Da sah er nun zum ersten Mal seinen Vater und konnte sich nicht bemerkbar machen.

Sie reichte dem Bahnsteigschaffner die Fahrkarten. Diesen Augenblick nutzte Matt. Er ließ das Gepäck fallen und lief Percy und seiner Begleiterin nach. Abby stand einen Augenblick da wie angewurzelt. Das Gefühl der Hilflosigkeit war schlimm. Sie kam sich vor wie in einem bösen Traum.

Tatenlos musste sie mit ansehen, wie ihr Sohn das Paar einholte, Percy am Ärmel zupfte und etwas zu ihm sagte. Sie sah, wie die zierliche junge Dame neben Percy Roth erst den Jungen und dann den Mann an ihrer Seite mit einem Blick höchster Verwunderung ansah.

2. KAPITEL

Als Abby am nächsten Morgen aufwachte, wusste sie im ersten Augenblick nicht, wo sie war. Was sie besonders verunsicherte, war die Stille. Sie vermisste all die Großstadtgeräusche, an die sie nun seit fast zwölf Jahren gewöhnt war, und die sie meist weckten, noch ehe der Wecker schnarrte. Hier waren die einzigen Laute das leise Gurren einer Taube auf dem Dach und das aufgeregte Gezänk der Stare, die sich um Krümel auf dem Rasen stritten.

Plötzlich wusste sie: Ich bin in Rothside. Ich liege in meinem eigenen Bett. Mehr als fünfzehn Jahre lang habe ich in diesem Bett geschlafen. Und dann kam Percy, und mit diesem Leben war es für immer vorbei.

Abby ging barfüßig zu dem kleinen Dachfenster und sah hinaus. An dem Blick, der sich ihr bot, hatte sich in der langen Zeit nichts geändert.

Ivy Cottage, das Haus ihrer Tante, lag am Dorfrand. Wenn sie den Kopf wandte, sah sie die Dorfaue und den Ententeich, in dem sie als Kind Papierschiffchen hatte schwimmen lassen.

Rothside war ein kleines Dorf, zum Einkaufen gab es nur die Poststelle, die auch Zeitungen, Papierwaren und ein paar Bücher führte, und einen Kramladen, in dem man alles andere bekam. Im Winter waren sie manchmal, wenn es stark geschneit hatte, tagelang von der Außenwelt abgeschnitten gewesen. Für Abby bedeutete dieses Dorf Heimat. Nie hatte sie sich in ihrer Wohnung in Greenwich so zu Hause gefühlt.

Das Herz wurde ihr schwer, als sie auf die alten grauen Steinhäuser heruntersah. Wenn ich nicht Percy Roth geheiratet hätte, dachte sie, wäre ich vielleicht noch hier. Hätte ich mich für Tristan Oliver entschieden, wäre alles vielleicht ganz anders gekommen. Ich wäre jetzt die Frau eines wohlhabenden Farmers.

Percys Mutter hatte von Anfang an deutlich erkennen lassen, dass sie eine solche Verbindung für Abby passender gefunden hätte. Sie hatte getan, was sie konnte, um Abbys Ehe mit ihrem Sohn zu verhindern. Aber Percy hatte nicht lockergelassen. Abby seufzte. Aus der Sicht der Roths waren die Befürchtungen von Mrs. Roth ja begründet gewesen.

Die Erinnerungen, die sie eigentlich hatte vermeiden wollen, bedrängten Abby. Sie hielt es plötzlich allein in dem vertrauten Zimmer nicht mehr aus. Entschlossen zog sie ihren Morgenrock an und ging hinunter.

Es war erst halb acht. Trotzdem war Hanna Caldwell schon auf und bereits angezogen. Sie hatte sich kaum verändert, fand Abby, nur ihre Bewegungen waren ein bisschen langsamer geworden. Sie wandte sich um und lächelte Abby herzlich zu.

„Ich wollte uns gerade den Tee heraufbringen“, sagte sie. „Aber da du nun schon da bist, können wir ihn auch hier unten trinken.“

Abby setzte sich an den Küchentisch. Sie war froh, dass sie nicht allein war. Es tat gut, mit einem lieben Menschen reden zu können.

Die alte Dame setzte sich zu ihr und drückte ihr liebevoll die Hand. „Ich bin sehr glücklich, dass du gekommen bist. Und wirst du hierbleiben?“

„Nur übers Wochenende. Ich habe dir ja geschrieben …“

„Ich weiß, ich weiß. Aber du hast auch geschrieben, dass Matthew dir Sorgen macht. Nachdem ich ihn gesehen habe, kann ich das durchaus verstehen.“

Abby seufzte. „Spielst du vielleicht auf gestern Abend an?“

„Ich meine das, was hinter diesem Zwischenfall steckt.“ Hanna schenkte den Tee ein. „Warum hast du Matthew nicht die Wahrheit gesagt, Abby?“

Abby legte die kalten Hände um die Tasse. „Er würde mir kein Wort glauben. Jetzt nicht mehr.“

„Jetzt nicht mehr? Wie meinst du das?“

„Ich bin immer noch davon überzeugt, dass es richtig war, so zu tun, als ob sein Vater tot wäre. Für uns war er ja auch tot. Er kümmerte sich nicht mehr um uns, hatte seinen Sohn verleugnet. Hätte ich Matt das sagen sollen?“

„Wann hat er erfahren, dass sein Vater lebt?“

„Vor zwei Jahren. Er muss seine Geburtsurkunde gefunden haben.“

„Und?“

Abby stellte ihre Tasse ab. „Ja, und dann hat er einen deiner Briefe gelesen, als ich gerade nicht da war. Es war meine Schuld. Ich hätte wissen müssen, wie wissbegierig Kinder sein können.“

„Und als er las, was ich von Percy schrieb, hat er sich alles andere zusammengereimt“, folgerte Tante Hanna. „Es tut mir leid. Ich hätte mich vorsichtiger ausdrücken sollen.“

„Du kannst nichts dafür“, sagte Abby schnell. „Percys Nachnamen hast du ja nie erwähnt. Aber der Vorname Percy ist eben auch nicht allzu häufig.“

„Und danach hast du Matthew die Wahrheit gesagt?“

„Ich habe ihm gesagt, dass Percy und ich nicht zusammenpassen. Dass unsere Ehe ein Irrtum war und wir uns in gegenseitigem Einvernehmen getrennt haben.“

„Und von dem großen Streit, von Tristan hast du ihm nichts erzählt?“, fragte Tante Hanna verwundert.

„Das hätte nichts geändert. Es war zu spät. Ich hatte mir Matthews Zuneigung ein für alle Mal verscherzt. Er gab und gibt mir die Schuld. Der Beweis ist das, was gestern Abend passiert ist.“

„Richtig, gestern Abend. Erzähl doch noch einmal, wie das eigentlich war. Du bist gestern Abend so durcheinander gewesen, dass ich nicht recht klug daraus geworden bin.“

Abby seufzte. „Matt war während der Fahrt so lieb, ganz wie früher. Ich machte mir schon große Hoffnungen für die Zukunft.“

„Und als der Zug ankam, stand Percy an der Sperre“, sagte Hanna.

„Ja. Er wollte Miss Langton abholen. Sie hatte Freunde in London besucht und kam zufällig mit demselben Zug zurück. Als ich Percy sah, habe ich zuerst gedacht … Albern, nicht? Aber du kannst dir denken, was ich mir gedacht habe.“

„Dass ich ihn gebeten hätte, dich abzuholen?“

Abby nickte. „Ja, ich weiß, es hört sich dumm an. Aber ehe ich Miss Langton sah, war das die einzige Erklärung, die mir einfiel. Ich war einen Augenblick wie betäubt. Und da hat Matt die Initiative ergriffen.“

„Aber warum hast du es zugelassen? Du musstest dir doch über die Folgen klar sein.“

„Es ging alles so schnell, dass ich nicht mehr eingreifen konnte.“

„Und so, wie du es mir gestern erzählt hast, ist Matt dann einfach an Percy herangegangen und hat sich als sein Sohn vorgestellt.“ Tante Hanna schenkte Tee nach. „Immerhin hat Percy ihn vor Miss Langton nicht verleugnet.“

„Nein“, gab Abby widerwillig zu. „Aber er hat ihn auch nicht gerade mit offenen Armen empfangen.“

„Das kannst du auch nicht verlangen. Kannst du dir nicht vorstellen, was für ein Schock es für Valerie gewesen sein muss? Niemand hier aus der Gegend ahnte, dass du einen Sohn hast. Und für die Langtons gehört Percy praktisch schon zur Familie.“

Abby trank ihren Tee aus. „Mag sein. Aber du hättest Percys Gesicht sehen sollen. Wenn Blicke töten könnten, wäre ich in diesem Augenblick tot umgefallen.“

„Du musst auch einmal an Valerie denken, Kind. Dass es da in der Vergangenheit ihres Zukünftigen eine geschiedene Frau gibt, ist schon schlimm genug. Aber ein Stiefsohn, von dem sie keine Ahnung hatte – das ist wirklich ein bisschen stark.“

Abby zuckte die Achseln. „Percy hält Matt nicht für seinen Sohn. Vermutlich hat er Miss Langton das gesagt, sobald wir nicht mehr in Hörweite waren.“

„Immerhin. Du hast nicht auf den Bus zu warten brauchen“, sagte die alte Dame sachlich. „In Percys Mercedes fährt es sich bestimmt bequemer.“

„Ja, aber es war die längste Autofahrt meines Lebens, Tante Hanna. Niemand sagte ein Wort, nicht einmal Matt. Wahrscheinlich hat er in diesem Augenblick seinen Streich doch bereut. Wir saßen alle da wie Wachsfiguren.“

„Hat Percy nicht gefragt, wie es dir geht? Warum du hier bist?“

„Ich glaube nicht, ich kann mich nicht mehr erinnern. Ich habe nur seine Feindschaft gespürt. Es war furchtbar.“

„Und wie hat er dich Valerie vorgestellt?“

„Als seine geschiedene Frau. Es war demütigend.“

„Schwamm drüber, Abby, so eine Sache ist kein Weltuntergang“, tröstete Hanna Caldwell und räumte die Tassen beiseite. „Hauptsache, dass du wieder da bist. Das Haus war sehr leer ohne dich.“

„Ich freue mich auch, dass ich wieder hier bin“, sagte Abby ehrlich. „Aber jetzt erzähl von dir, Tante Hanna. Wie geht es dir denn?“

„Eigentlich ganz gut. Und denk nur nicht, dass du es schaffst, mich aus dem Haus herauszureden. Wenn ich sterbe, soll es hier sein, und nicht in einem Heim, wo ich nicht einmal meine gewohnten Sachen um mich habe.“

„Ein paar persönliche Dinge kann man dorthin aber sicher mitnehmen, Tante Hanna“, sagte Abby vorsichtig.

„Und die Möbel? Glaubst du, damit lassen sie mich ins Altersheim? Ich weiß, man kann von einem Heim nicht erwarten, dass es Platz für all den Kram hat, den alte Leute im Laufe ihres Lebens angesammelt haben. In so einem Heim herrscht Disziplin, da muss man sich unterordnen.“

„Du redest wie von einem Gefängnis, Tante Hanna.“

„Für mich wäre es ein Gefängnis, Abby, verstehst du das nicht? Ich habe fast mein ganzes Leben hier in diesem Haus verbracht. Ich will nicht weg von hier.“

„Aber dann brauchst du eine Pflegerin oder eine Haushälterin. Einen Menschen, der sich ein bisschen um dich kümmert.“

„Ich kann keine fremden Leute in meiner Küche gebrauchen“, erklärte Tante Hanna energisch. „Und ich verzichte auf eine aufdringliche Weibsperson, die mir sagt, was ich zu tun habe. Gib dir keine Mühe, Abby. Mich stimmst du nicht um.“

Abby sah sie besorgt an. „Dr. Willis sagt, dass es gefährlich ist, wenn du allein lebst.“

„Dann zieh du hierher“, sagte Hanna Caldwell überraschend. „Wenn die Scheidung ausgesprochen ist, hast du keinen Grund mehr, Rothside zu meiden. Dann ist alles zwischen dir und Percy klar. Ich würde dir ein kleines Gehalt zahlen, und Matthew könnte hier aufwachsen, wohin er doch eigentlich gehört.“

„Das – das kann ich nicht“, stieß Abby hervor.

„Warum nicht? Ach so, du meinst, weil du eine Stellung in London hast. Aber daran soll es nicht scheitern. Finanziell würden wir uns schon einigen.“

„Wegen meiner Stellung ist es nicht. Die Firma, in der ich arbeitete, muss in Kürze schließen.“

„Na, siehst du“, sagte Tante Hanna zufrieden. „Dann kommst du eben wieder nach Rothside, und all deine Probleme sind gelöst.“

Abby senkte den Kopf. „Du weißt, dass es den Roths nicht recht wäre.“

„Seit wann muss ich mich nach den Ansichten der Roths richten?“

„Es wäre unfair Percy gegenüber“, wandte Abby ein.

„Unfair? Sei nicht albern, Abby. Wo ist in London dein gesunder Menschenverstand geblieben? Hast du vergessen, was Percy dir angetan hat? Ist Matt sein Sohn, oder ist er es nicht?“

„Da fragst du noch?“

„Na also. Es wird langsam Zeit, dass Percy die Wahrheit akzeptiert. Er hat lange genug die Augen davor verschlossen.“

„Nein, Tante Hanna, es geht nicht.“ Abby stand auf und trat ans Fenster. Der kleine Garten hinter dem Haus sah recht vernachlässigt aus. Tante Hanna fiel das Bücken schwer. Die Gartenarbeit war einfach zu viel für sie geworden. Abby hatte in der Stadt immer den Garten vermisst. Jetzt tat es ihr leid, dass sie nicht mehr Zeit hatte. Sie hätte sonst gern dort draußen ein bisschen Ordnung geschaffen.

Auch Hanna war aufgestanden. Sie wechselte das Thema. „Was soll ich unserem jungen Mann zum Frühstück machen? Ich habe Eier, hausgeräucherten Schinken und natürlich frisches Landbrot und Butter.“

„Mach dir nicht so viel Mühe, Tante Hanna.“ Abby wandte sich um und zwang sich zu einem Lächeln. „Toast und Marmelade genügen vollauf. So, und jetzt werde ich mich anziehen.“

Hanna nickte. „Tu das. Und was möchtest du? Erzähl mir nicht, dass du zu Hause überhaupt nicht frühstückst.“

„Meistens habe ich gar keine Zeit dazu“, gestand Abby. „Aber wenn es dich beruhigt, esse ich auch einen Toast.“

„Toast!“, schnaubte die alte Dame verächtlich. „Dir sollte man eine tüchtige Portion Rührei und Schinken geben, damit du ein bisschen runder wirst. Du bist ja viel zu dünn.“

Als Abby vorsichtig in Matthews Zimmer sah, stellte sie fest, dass er noch schlief, den Kopf halb unter dem Kissen vergraben. Offenbar hatte die erste Begegnung mit seinem Vater ihn nicht so belastet wie sie selbst. Leise machte Abby die Tür wieder zu.

Sie wusch sich mit kaltem Wasser, wie sie es von früher her gewöhnt war, und zog eine hellblau gestreifte Hemdbluse und Jeans an. Dann bürstete sie ihr schulterlanges glattes Haar, bis es glänzte, und ging wieder nach unten. Auf Make-up hatte sie verzichtet.

Hanna war gerade dabei, eine Pfanne von dem Haken am Herd zu nehmen, als es an der Hintertür klopfte.

„Wahrscheinlich der Junge von der Farm. Er fragt immer, wie viel Eier ich brauche.“ Hanna ging zur Tür. Dann trat sie erstaunt einen Schritt zurück. „Percy? Das ist aber eine Überraschung. Sie sind ja früh aufgestanden.“

„Manchmal lässt sich das nicht vermeiden.“ Percy betrat die kleine Küche, die in Gegenwart seiner hohen Gestalt noch kleiner erschien. „Guten Morgen, Abby. Wie ich sehe, bist du auch schon zeitig aus den Federn gekrochen.“

Abby hatte sich ziemlich plötzlich wieder gesetzt. Ihre Knie zitterten. Sie sah Percy an.

Sein Gesicht war härter als vor zwölf Jahren. Die Augen waren von vielen Fältchen umgeben, aber an ihrem seltsam unergründlichen Bernsteingelb hatte sich nichts geändert. Die energische Nase, die hohen Wangenknochen, der schmale Mund, der von einer Minute auf die andere so überraschend sinnlich werden konnte – das alles war ihr tief vertraut. Mit seinen siebenunddreißig Jahren war Percy Roth eher noch attraktiver geworden.

Als Abby nicht antwortete, wandte sich Percy an Hanna und lächelte ihr höflich zu.

„Sie werden sich denken können, Miss Caldwell, weshalb ich komme. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, möchte ich gern mit Abby ein paar Worte unter vier Augen sprechen.“

„Aber natürlich. Vorn im Wohnzimmer sind Sie ganz ungestört.“

Nachdem Percy sie gestern Abend kaum eines Wortes gewürdigt hatte, hätte Abby es am liebsten abgelehnt, überhaupt mit ihm zu sprechen. Aber sie durfte es nicht auf eine Szene ankommen lassen. Das hätte die alte Dame zu sehr aufgeregt.

Das Vorderzimmer war trotz des warmen Septembertages kühl. Es ging nach Norden und bekam kaum Sonne.

Percy machte die Tür hinter sich zu. „Du weißt natürlich, weshalb ich hier bin“, sagte er zu Abby. Seine Stimme klang nicht mehr liebenswürdig. „Würdest du mir vielleicht verraten, was diese kleine Szene gestern Abend zu bedeuten hatte? Woher wusstest du, dass ich zu diesem Zug kommen würde? Von Hanna Caldwell? Vielleicht sagst du mir, woher sie ihre Informationen bezieht. Das würde mich nämlich sehr interessieren.“

Abby holte tief Luft. Nimm dich zusammen, ermahnte sie sich. Es führt zu nichts, wenn du jetzt die Beherrschung verlierst. „Ob du es glaubst oder nicht, dich habe ich am Bahnhof ganz gewiss nicht erwartet. Du weißt, dass Tante Hanna krank war. Ihr Arzt hat mich gebeten, ihr gut zuzureden, damit sie vielleicht doch in ein Altersheim geht. Nur deshalb bin ich hier.“

Percy machte schmale Augen. „Hätte ein Brief nicht dieselbe Wirkung getan? Billiger wäre es übrigens auch gewesen als die Fahrt nach Rothside.“

„Mag sein. Aber ich hänge an Tante Hanna. Sie ist der einzige Mensch, der mich je wirklich geliebt hat.“

Ein Schatten ging über sein Gesicht. „Und warum hast du den Jungen mitgebracht?“

„Er ist mein Sohn, Percy. So einfach ist das.“

„Hättest du ihn nicht irgendwo unterbringen können? Bei Bekannten vielleicht?“

Abbys Geduldsfaden war ziemlich dünn geworden.

„Du meinst, bei einem Bekannten, nicht? Aber da muss ich dich enttäuschen. Matt und ich leben allein.“

Percy zuckte die Schultern. „Aber du hast doch sicher die eine oder andere Freundin, die …“

„Das ist meine Sache“, fiel Abby ihm heftig ins Wort. „Warum sollte ich Matt nicht mitbringen? Er stammt ja schließlich von hier.“

„So, das hast du ihm also erzählt“, sagte Percy scharf.

Abby schnappte nach Luft. „Ich habe ihm überhaupt nichts erzählt.“

„Du hast ihm erzählt, dass ich sein Vater bin.“

„Das bist du doch auch.“

Percy verzog verächtlich die Lippen. „Das alte Lied … Aber lassen wir das. Tatsache ist, dass du ihm gesagt hast, wer ich bin. Sonst wäre er mir nicht nachgelaufen und hätte Val und mich nicht in Verlegenheit bringen können.“

„Ganz so war es nicht, Percy. Es hat mir einen Ruck gegeben, als ich dich gesehen habe, weil … Es war so plötzlich. Und das hat Matt gemerkt. Er hat mir auf den Kopf zugesagt, wer du bist. Sollte ich es leugnen? Ich konnte ja nicht ahnen, dass er dir nachlaufen würde.“

Percy schob die Hände tief in die Taschen seiner abgetragenen Lederjacke. „Diese abenteuerliche Geschichte soll ich dir abnehmen? Ich bin kein Trottel, Abby.“

„Du glaubst mir also nicht? Ich habe nichts anderes erwartet“, stieß Abby verbittert hervor. „Ich hätte viel darum gegeben, wenn Matt diese Begegnung erspart geblieben wäre. Was nützt es ihm schon, dass er jetzt weiß, wie sein Vater aussieht? Bis vor zwei Jahren dachte er, dass du tot bist. Es war besser so. Für uns alle.“

Percy betrachtete sie zweifelnd. „Und wie hat er plötzlich herausbekommen, dass er einen sehr lebendigen Vater hat?“

„Er hat einen Brief von Tante Hanna gelesen“, erklärte Abby. „Darin entdeckte er deinen Namen und stellte fest, dass es derselbe Name ist, der auf seiner Geburtsurkunde steht.“

Percy presste die Lippen zusammen. „Und daraufhin hast du ihm eine rührende Geschichte erzählt.“

„Ich habe ihm keine rührende Geschichte erzählt, wie du es ausdrückst. Ich habe ihm gesagt, dass unsere Ehe nicht funktioniert hat. Dass wir nicht zueinander passen.“

„Du willst also behaupten, dass dein Besuch nichts mit meinem letzten Brief zu tun hat?“

„Du meinst den Brief, in dem du mir geschrieben hast, dass du dich von mir scheiden lassen willst? Natürlich hat er nichts damit zu tun.“

Percy knurrte etwas Unverständliches. Dann trat er an das kleine Fenster.

„Was weiß der Junge über mich?“, fragte Percy unerwartet, ohne sich umzudrehen. „Wahrscheinlich glaubt er, dass ich schuld an der gescheiterten Ehe bin.“

„Nein, er gibt mir die Schuld. Das dürfte dich freuen, Percy.“

Percy wandte sich um. „Es freut mich ganz und gar nicht. Warum sagst du ihm nicht die Wahrheit? Warum sagst du ihm nicht, dass er zwar meinen Namen trägt, aber nicht mein Sohn ist?“

„Weil es eine Lüge wäre. Was willst du von mir? Merkst du nicht, dass du hier nur störst? Wenn es dich beruhigt, kann ich dir versprechen, dass Matt dich nicht noch einmal belästigen wird. Wir reisen sowieso morgen wieder ab.“

„Schön, ich will dir glauben, dass du nicht gewusst hast, wann ich Val vom Bahnhof abholen würde. Trotzdem war es ein Unfug, den Jungen mitzubringen. Besonders jetzt. Es musste dir klar sein, dass er sich mehr als nötig für mich interessieren würde.“

„Besonders jetzt?“, wiederholte Abby. „Was soll das heißen?“

„Ich meine die Scheidung.“

„Matt weiß nichts von der Scheidung.“

„Bist du da ganz sicher?“

Abby stutzte.

Vielleicht hatte Percy recht. Matthew hatte sie später nie nach dem Brief gefragt. Hatte er vielleicht das Schreiben seines Vaters gefunden und gelesen?

„Ich glaube nicht, dass er Bescheid weiß“, sagte sie ruhiger. „Aber selbst wenn er es wüsste … Ist das denn so wichtig?“

„Das fragst du mich? Der Junge glaubt, dass ich sein Vater bin, Abby. Wichtig ist nicht, was wir, du und ich, glauben. Wichtig ist, was der Junge glaubt. Vielleicht hat ihn die Nachricht tiefer getroffen als wir wissen.“

„Was kümmert das dich?“

Percy hob ungeduldig die Achseln. „Du musst ihm die Wahrheit sagen, Abby. Matt ist ein intelligenter Junge. Er wird Verständnis dafür haben.“

Jetzt war es um Abbys Beherrschung endgültig geschehen. Ihre grünen Augen sprühten Feuer. „Jetzt habe ich aber genug von deiner Überheblichkeit. Du wagst es, hierher zu kommen und mir Vorschriften wegen eines Kindes zu machen, dessen Existenz du zwölf Jahre lang einfach ignoriert hast? Kümmere du dich um deine eigenen Angelegenheiten. Uns lass gefälligst in Ruhe. Keine Angst, du bist uns bald endgültig los. Der Junge kam dir gerade recht, um dich aus einer Ehe zu stehlen, die du satt hattest. Du konntest uns einfach aus dem Gedächtnis streichen. Nicht einmal zu zahlen brauchtest du für uns.“

Percy schob das Kinn vor. „Das stimmt nicht. Ich habe dir Geld überwiesen …“

„… und ich habe es zurückgeschickt. Jawohl. Auf deine Almosen konnte ich verzichten.“

„Es waren keine Almosen.“

„Was dann? Eine schöne Geste, um dein Gewissen zu beruhigen? Ein Versuch, mir nachzuweisen, dass ich sowieso nur auf dein Geld aus war?“

In Percys Gesicht zuckte es. Er packte Abby am Arm und zog sie zu sich heran.

„Auf die Idee, dass ich dir das Geld einfach aus Anstand angeboten habe, wärst du wohl nie gekommen, was? Nein, bestimmt nicht. Du hast ja immer nur an dich gedacht.“

Spontan hob sich Abbys Hand. Der Klang der Ohrfeige hallte in dem kleinen Zimmer wider. Beschämt über ihre Unbeherrschtheit sah sie zu ihm auf.

„Das musste ja kommen“, knirschte er. „Schlagende Argumente sind billig.“

Abby war ihm jetzt so nah, dass sie den Puls sah, der in seiner Wange zuckte.

Sie sah seine geblähten Nasenflügel, die dichten Wimpern mit den hellen Spitzen. Du hast Wimpern, um die dich ein Mädchen beneiden könnte, hatte sie ihn früher geneckt.

Sie standen dicht beieinander. Er fühlte die Wärme ihres Körpers.

Sein Ausdruck änderte sich. Abby wusste, dass er sie als Frau spürte, obgleich er sich dagegen sträubte.

„Ich möchte dich am liebsten umbringen“, sagte Percy leise und beugte seinen Kopf zu ihr herunter. Fast ohne ihr Zutun öffneten sich Abbys zitternde Lippen. Er will mich küssen, dachte sie verwundert und seltsam befreit.

Aber da hatte er sie schon losgelassen. Sie schämte sich sofort ihrer unwillkürlichen Reaktion. Er ging zur Tür. Dort wandte er sich noch einmal um und sah sie verächtlich an.

„Ich hoffe, dass ich dich nie wiederzusehen brauche“, sagte er. Sein Gesicht war jetzt wieder hart und unversöhnlich. „Du hast recht. Ich war froh, dass durch die Geburt des Kindes diese unmögliche Beziehung zwischen uns gelöst werden konnte. Unsere Ehe war von Anfang an eine Komödie. Vielleicht hätte ich dir vor der Heirat die Wahrheit sagen sollen. Aber woher sollte ich wissen, was für ein lüsternes kleines Ding du bist? Und konnte ich ahnen, dass du dich so schnell verraten würdest?“

„Mami?“

Matthews besorgte Stimme riss Abby aus ihren Gedanken. Nur widerstrebend wandte sie sich um und sah ihn an. Sie wusste, dass ihre Lider rot und geschwollen waren. Sie hielt ihr Taschentuch an die Nase, als ob sie Schnupfen hätte.

„Du bist also aufgestanden“, sagte sie und registrierte nebenbei, dass seine Jeans schon wieder zu kurz geworden waren. „Hast du gut geschlafen? Tante Hanna macht dir sicher Frühstück, wenn du sie darum bittest.“

„Sie brät gerade zwei Spiegeleier für mich.“ Matthew trat verlegen von einem Fuß auf den anderen. „Was ist los, Mami? Hast du geweint?“

Abby seufzte und steckte das Taschentuch weg. „Es hat nichts zu sagen. Das machen die alten Erinnerungen, die einen hier wieder einholen.“

„Mein Vater war hier, nicht? Ich bin von seiner Stimme aufgewacht. Warum ist er denn so früh gekommen?“

Abby schluckte. „Dein Vater ist ein viel beschäftigter Mann. Wahrscheinlich hat er heute noch anderes zu erledigen.“

„Es war wegen gestern Abend, nicht?“ Matt scharrte mit den Füßen. „Er hat sich geärgert, weil ich ihn und Miss Langton gestört habe.“

„Das war wirklich ein bisschen peinlich für ihn“, sagte Abby. „Aber lassen wir das jetzt, Matt. Du hast dir nicht überlegt, was du damit anrichtest. Dafür hat dein Vater sicher Verständnis. Vergessen wir die ganze Geschichte.“

Matthew schob angriffslustig das Kinn vor. „Vergessen? Ich will sie aber nicht vergessen. Jetzt kenne ich ihn wenigstens, und ich glaube, ich habe ihm gefallen. So richtig haben wir uns natürlich nicht unterhalten können, weil er dieses Mädchen dabei hatte, aber wenn ich ihn wiedersehe …“

Abby schaute ihn an. „Du wirst ihn nicht wiedersehen, Matt.“

„Warum nicht?“, fragte er rebellisch. „Du kannst mich nicht daran hindern. Er ist mein Vater. Was glaubst du, weshalb ich so scharf darauf war, mit dir herzukommen? Nachdem ich den Brief gelesen hatte, wusste ich, dass es vielleicht meine letzte Chance ist.“

„Du hast den Brief deines Vaters gelesen?“

Matthew machte nun doch ein etwas verlegenes Gesicht. „Klar. Von selbst erzählst du mir so was ja doch nicht. Er will sich also scheiden lassen. Warum? Um Valerie Langton zu heiraten?“

Abby schüttelte hilflos den Kopf. „Matt, bitte versuche zu verstehen, was ich dir jetzt sage. Dein Vater hat kein Interesse an uns. Er will seine Freiheit haben.“

Matthews Gesicht hatte sich zusehends verfinstert. „Das nehme ich dir nicht ab. Nur weil er nichts mit dir zu tun haben will, denkst du, dass ich ihn auch nicht interessiere. Das braucht aber gar nicht zu stimmen. Es gibt viele Ehen, in denen die Kinder nach der Trennung regelmäßig weiter mit beiden Elternteilen zusammen sind.“

„Aber bei uns ist es eben nicht so. Es …“ Abby unterbrach sich. Nein, sie durfte ihm nicht sagen, wie es wirklich war, wenn sie ihn nicht ganz verunsichern wollte. „Schau mich nicht so an, Matt. Es ist nicht meine Schuld. Heute früh hat dein Vater mir ausdrücklich gesagt, dass er uns nicht mehr sehen möchte. Uns beide nicht.“

„Das ist nicht wahr.“

„Doch, es ist wahr.“ Abby machte einen Schritt auf ihn zu. Sie wollte ihm die Hände auf die Schultern legen, aber Matt wich zurück.

„Was hast du zu ihm gesagt?“ Man merkte, dass er mit den Tränen kämpfte. „Du hast ihn weggeschickt, stimmt’s? Von sich aus hätte mein Vater bestimmt nie gesagt, dass er nichts mit mir zu tun haben will. Es ist alles deine Schuld.“

„Matt!“, rief Abby bittend.

Aber er hatte sich schon abgewandt, rannte aus dem Zimmer und stürmte mit seinen schweren Stiefeln die Holztreppe hinauf, dass es nur so donnerte.

3. KAPITEL

Hanna Caldwell, die gerade dabei war, das knusprige frische Landbrot anzuschneiden, sah auf, als Abby in die Küche kam. „Was ist denn nur heute hier los? Erst läuft Percy aus dem Haus, ohne sich zu verabschieden, und jetzt rast Matthew die Treppe hinauf, als ob der Teufel persönlich hinter ihm her ist.“

„Frag mich nicht.“ Abby sank auf einen Stuhl. „Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll, Tante Hanna. Matt gibt an allem mir die Schuld. Er glaubt, dass ich Percy weggeschickt habe, dabei war alles ganz anders.“

Hanna lachte kurz auf. „Percy ist wohl gekommen, um dir zu sagen, dass du ihm den Jungen vom Leib halten sollst.“

„Ja, so ähnlich,“

Hanna schüttelte den Kopf. „Percy ist ein Dummkopf. Sieht er nicht, wie ähnlich der Junge ihm ist? Ich hatte wirklich gedacht, Percy würde früher oder später Vernunft annehmen. Aber wahrscheinlich steckt seine Mutter dahinter. Du hast ihre Position gestärkt, als du so kurz nach der Trauung schwanger geworden bist. Und in den langen Jahren, als sie Percy für sich allein hatte, wird sie nichts unversucht gelassen haben, um Percy davon zu überzeugen, dass zwischen Tristan und dir tatsächlich etwas war.“

„Dass Tristan ausgewandert ist, hat nichts geholfen?“, fragte Abby.

„Nein. Eine Weile waren die Olivers sehr verbittert. Aber Lucy ist jetzt selbst verheiratet, und ihr Mann hat die Farm übernommen.“

„Tristan ist nach Kanada gegangen, nicht?“

„Ja. Soweit ich weiß, hat er sich dort eine sichere Existenz aufgebaut. Er ist mit einer Kanadierin verheiratet. Sie haben drei Kinder.“

„Da hat er Glück gehabt.“ Abby seufzte. „Wie viel einfacher wäre alles gewesen, wenn ich damals Tristan geheiratet hätte.“

„Aber du hast ihn nicht geliebt“, wandte Hanna ein. „Mag sein, dass es einfacher gewesen wäre. Aber glaubst du wirklich, dass du auf die Dauer glücklicher mit ihm geworden wärst? Gut, die Ehe mit Percy ist nicht so ausgegangen, wie du es dir erträumt hattest. Aber es war eine glückliche Zeit, nicht wahr?“

„Für die ich teuer habe zahlen müssen“, ergänzte Abby gequält. „Warum hat mir Percy nie Gelegenheit gegeben, ihm alles zu erklären? Oder wenn er noch einmal mit Dr. Morrison gesprochen, neue Untersuchungen hätte machen lassen …“

„Komm, Abby, sei nicht so naiv. Du weißt doch, wie heikel das Thema ist, besonders für einen Mann. Percy hatte die Untersuchung auf Anraten seiner Mutter machen lassen, um sicherzugehen, dass alles in Ordnung ist.“

„Aber es muss irgendein Fehler passiert sein“, protestierte Abby. Sie versuchte, die Tränen zurückzudrängen, die ihr in den Augen brannten.

„Mag sein. Aber Percy hatte keinen Grund, an der Zuverlässigkeit der Tests zu zweifeln. Du musst dich einmal in seine Lage versetzen. Seine Mutter hat ihn bedrängt, dir noch vor der Trauung zu erzählen, dass er zeugungsunfähig ist. Aber er hat es nicht getan. Er wollte dich wohl nicht verlieren.“

„Hat sie denn wirklich geglaubt, das könnte an meiner Liebe zu Percy etwas ändern?“, fragte Abby ungläubig.

„Warum nicht? Auch heutzutage wünschen sich die meisten jungen Frauen Kinder.“

„Wir hätten ein Kind adoptieren können.“

„Das ist nicht dasselbe. Percy jedenfalls hat die Geschichte schwer zu schaffen gemacht. Wie wäre dir zumute gewesen, wenn ein Arzt dir eröffnet hätte, dass du nie Kinder bekommen kannst?“

Abby rutschte unruhig auf ihrem Stuhl herum. „Trotzdem, er hätte mir Gelegenheit zu einer Aussprache geben müssen.“

„Mag sein. Aber die Umstände sprachen gegen dich.“

Abby blitzte ihre Tante empört an. „Sag mal, auf welcher Seite stehst du eigentlich?“

„Auf deiner Seite natürlich, das weißt du doch. Ich will dir ja nur zeigen, wie andere Leute den Fall sehen. Und ich bin nach wie vor der Meinung, dass dir deine Flucht nichts gebracht hat.“

„Hier hätte ich nicht bleiben können.“ Abby fröstelte unwillkürlich. „Ich hätte unmöglich mein Kind hier zur Welt bringen können.“

„Und warum nicht?“

„Ich wollte nicht, dass Percy mich sieht. Dass er miterlebt, wie ich dick und hässlich geworden wäre.“

„Schwangere Frauen sind nicht hässlich“, sagte Hanna ungeduldig. „Übertreibe nicht so maßlos, Abby. Du bist weggelaufen, weil du nicht genug Mut hattest, hierzubleiben und dich den Roths zu stellen. Du hast dich von ihnen zu einer Entscheidung drängen lassen. Du magst dir einreden, dass du Rothside verlassen hast, um ihnen deine Unabhängigkeit zu beweisen. In Wirklichkeit hast du dich von ihnen vertreiben lassen.“

Abby stand auf. „Du hältst mich also für feige?“

Hanna ging ihr nach und legte einen Arm um sie.

„Du weißt doch, wie lieb ich dich habe, Kind. Aber Probleme lassen sich nun einmal nicht lösen, indem man vor ihnen davonläuft. Früher oder später holen sie dich ein. Wie jetzt.“

„Du meinst die Geschichte mit Matt?“

Hanna nickte.

„Aber was soll ich denn machen?“

„Matt wird dir erst verzeihen, wenn du ihm beweisen kannst, dass nicht du die Schuld an dem trägst, was geschehen ist.“

„Und wie soll ich das anstellen?“

„Indem du wieder nach Rothside zurückkommst und ihm die Möglichkeit gibst, seinen Vater so zu sehen, wie er wirklich ist.“

Abby schüttelte energisch den Kopf. „Das geht nicht, Tante Hanna. Ich habe es dir schon einmal gesagt.“

„Und warum geht es nicht?“

„Weil ich das Percy nicht zumuten könnte.“

„Aber Matt ist Percys Sohn, Abby“, sagte Hanna ungeduldig. „Daran musst du ihn erinnern. Immer wieder, und so nachdrücklich wie möglich.“

Abby nagte unentschlossen an der Unterlippe. „Was würden die Leute sagen?“

„Lass doch die Leute reden, was sie wollen. Sie denken wahrscheinlich, dass du das Kind in London bekommen hast, was ja auch stimmt. Aber du weißt schon, wie ich es meine.“

Abby zögerte. „Ich habe keine Beweise dafür, dass Matthew Percys Sohn ist. Und auf meine bloße Behauptung hin glaubt er es mir nie.“

„Vielleicht wirst du es ihm gar nicht beweisen müssen.“

„Wer denn?“, fragte Abby erstaunt.

„Matthew selbst. Was meinst du wohl, wie Percy zumute ist, wenn du mit Matt hierher kommst, wenn du ihn in die Schule nach Alnbury schickst, wenn er sich mit den anderen Kindern aus dem Dorf anfreundet?“

„Wahrscheinlich ist es ihm ganz gleichgültig.“

„Das glaube ich kaum. Ich tippe darauf, dass er sich gewaltig ärgern wird.“

„Ja, schon, aber …“

„Hör auf mich, Abby“, beschwörend hob Hanna die Hände, „ich bin sehr viel älter und vielleicht ein bisschen erfahrener als du. Zuerst wird Percy sich ärgern. Aber dann wird er es sich anders überlegen und in sich gehen.“

Um Abbys Lippen zuckte es belustigt. „Percy als reuiger Sünder? Er wird nie in sich gehen, Tante Hanna, mach dir nichts vor. Dazu ist er viel zu eigensinnig.“

„Glaub mir, Abby, früher oder später wird er nicht an dir vorbeikommen. Valerie Langton weiß, wer du bist. Sie weiß – spätestens seit gestern Abend – auch, wer Matthew ist.“

„Das wird Percy nicht stören. Du weißt so gut wie ich, dass er Valerie die Wahrheit gesagt hat. So wie er sie sieht.“

„Nach einer gewissen Zeit werden sich Zweifel bei ihm einstellen. Immerhin hat er dich einmal geliebt.“

„Aber das ist lange her.“

„Trotzdem. Wenn er dich sieht, wenn er von anderen Leuten über dich hört, werden bestimmt alte Erinnerungen wach.“

„Erinnerungen, die er am liebsten vergessen würde.“

„Manche, gewiss. Aber es gibt auch andere, die er nicht so leicht verdrängen können wird.“

Abby trat einen Schritt zurück. „Glaubst du etwa, Tante Hanna, ich könnte Percy verzeihen? Nach allem, was passiert ist?“

„Ich erwarte keine Wunder“, erklärte Hanna sachlich. „Aber du musst auch an Matthew denken, an seine Zukunft. Er ist Percys Sohn, Abby. Eigentlich steht das Herrenhaus einmal ihm zu.“

„Ja, aber …“

„Gib der Natur wenigstens eine Chance. Der Junge ist wie sein Vater. Gewiss, mit diesem schrecklichen Sträflingshaarschnitt und in den unmöglichen Schuhen sieht er im Augenblick nicht gerade so aus, wie Percy als Junge ausgesehen hat. Aber wer weiß, wie er sich in einer neuen Umgebung entwickelt. Und ich bin gespannt auf Percys Gesicht, wenn ihm dämmert, dass er zwölf Jahre lang einem Irrtum unterlag.“

Zum Mittag war auch Matthew wieder da. Das Frühstück hatte ihm Tante Hanna nach oben gebracht. Als sie herunterkam, sah Abby ihr an, dass sie nicht gerade mit offenen Armen empfangen worden war. Aber als sie das Tablett später holte, waren die Teller leer.

Abby atmete auf, als sie Matt sah. Offensichtlich hatte er seinen Gefühlsausbruch einigermaßen überwunden. Zwar war sein Gesicht noch immer ausgesprochen unfreundlich, wenn er sie ansah. Aber er unterhielt sich ganz vernünftig mit Tante Hanna und tat ihrer Fleischpastete alle Ehre an.

„Was wollt ihr heute Nachmittag anstellen?“, fragte Hanna nach dem Essen. „Mach doch einen kleinen Rundgang mit Matt, Abby. Er sieht sich sicher gern im Dorf um.“

Abby warf ihrer Tante einen leicht gereizten Blick zu. Hanna Caldwells Absichten waren leicht zu durchschauen. Sie wollte Abby Gelegenheit geben, mit Matt über dem Umzug nach Rothside zu sprechen. Die Vorteile lagen tatsächlich auf der Hand, und auch Matt würde sich diesen Argumenten nicht verschließen können. Er und Abby hatten, wenn Abby ihre Stellung verlor, wieder ein Dach über dem Kopf, und Tante Hanna würde ihre gewohnte Umgebung nicht zu verlassen brauchen.

„Ich weiß nicht“, sagte Abby zögernd, aber Hanna fiel ihr ins Wort.

„Komm, zier dich nicht. Ich wasche schnell ab und lege mich dann eine halbe Stunde hin. Dr. Willis hat mir eine tägliche Mittagsruhe verordnet. Er kann sehr streng sein, wenn ich nicht gehorche.“

„Was meinst du, Matt?“, fragte Abby. Fast erwartete sie, dass ihr Sohn den Vorschlag rundweg ablehnen würde. Aber da hatte sie sich getäuscht.

„Warum nicht?“ Er sah sie herausfordernd an. „Wenn wir morgen sowieso wieder abreisen, ist das ja wohl die letzte Gelegenheit, mich hier umzusehen.“

Abby begann, das Geschirr abzuräumen und in die Spüle zu stellen.

„Aber ich kann doch …“, fing Hanna an.

„Keine Widerrede. Wenn du wirklich willst, dass ich bleibe, musst du dich auch damit abfinden, dass ich für meinen Unterhalt arbeite“, erklärte Abby.

Hanna sah sie ungläubig an. „Du willst wirklich bleiben? Ist das dein Ernst?“

Abby hatte sich abgewandt. Jetzt warf sie einen schnellen, etwas verlegenen Blick über die Schulter. „Natürlich nur, wenn Matt einverstanden ist. Ich kann dir nichts versprechen. Aber die Lage ist so verzweifelt, dass ich es wenigstens versuchen kann.“

Der Herbstnachmittag war sonnig und noch angenehm warm. Die Bienen summten in den blühenden Hecken, es roch nach Getreide und frisch gemähtem Heu. Die vielen undefinierbaren Geräusche des Landlebens mischten sich mit dem Gesang der Vögel, die über ihren Kopf hinwegflogen. Die Enten auf dem Dorfteich schnatterten munter.

Matthew hatte bisher noch kaum ein Wort gesagt und auch von seiner Umgebung keine Notiz genommen. Schweigend und in sichtlich nicht sehr erfreuliche Gedanken vertieft, schlurfte er neben Abby her. Ab und zu kickte er mit wütendem Schwung einen Stein über das Gras.

„Als Kind habe ich auf dem Teich Schiffchen schwimmen lassen“, sagte Abby. Sie hoffte, dass sie vielleicht mit Jugenderinnerungen sein Interesse wecken konnte. Aber Matthew warf ihr nur einen kurzen, gleichgültigen Blick zu.

„Ich war erst drei, als ich zu Tante Hanna kam“, fuhr Abby fort. „An Newcastle, wo wir vorher gewohnt hatten, kann ich mich überhaupt nicht mehr erinnern.“

Matthew reagierte nicht. Aber Abby gab noch nicht auf. Sie deutete auf ein Gebäude aus grauem Stein, das ein Stück von der Straße zurückgesetzt war. „Dort bin ich eingeschult worden. Später bin ich dann aufs Gymnasium in Alnbury gegangen. Das ist jetzt eine Gesamtschule, soviel ich weiß.“

Auf dem Dorfanger spielten Kinder Cricket. Sie hielten inne, als Abby und Matthew vorbeigi...

Autor

Susan Napier

Passend für eine Romance-Autorin wurde Susan Napier genau an einem Valentinstag, in Auckland, Neuseeland, geboren. Mit 11 Jahren veröffentlichte sie ihre erste Geschichte, und als sie die High School abschloss, wusste sie, dass sie hauptberuflich Autorin werden wollte.

Zuerst arbeitete sie für den Auckland Star, und hier traf sie...

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Jessica Hart

Bisher hat die britische Autorin Jessica Hart insgesamt 60 Romances veröffentlicht. Mit ihren romantischen Romanen gewann sie bereits den US-amerikanischen RITA Award sowie in Großbritannien den RoNa Award.

Ihren Abschluss in Französisch machte sie an der University of Edinburgh in Schottland. Seitdem reiste sie durch zahlreiche Länder, da...

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Anne Mather

Ich habe schon immer gern geschrieben, was nicht heißt, dass ich unbedingt Schriftstellerin werden wollte. Jahrelang tat ich es nur zu meinem Vergnügen, bis mein Mann vorschlug, ich solle doch meine Storys mal zu einem Verlag schicken – und das war’s. Mittlerweile habe ich über 140 Romances verfasst und wundere...

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