Julia Exklusiv Band 324

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HEISSER ALS DER BOSS ERLAUBT von JENNIFER RAE

Der neue Boss will Sexy Sydney absetzen? Faith ist entsetzt! Entschlossen fordert die TV-Journalistin Cash Anderson heraus, mit ihr die lustvollen Seiten der Metropole für die nächste Sendung zu entdecken. Und fragt sich bald alarmiert, wie weit sie selbst mit ihrem Chef gehen will …

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  • Erscheinungstag 22.05.2020
  • Bandnummer 324
  • ISBN / Artikelnummer 9783733715199
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Jennifer Rae, Heidi Rice, Ally Blake

JULIA EXKLUSIV BAND 324

1. KAPITEL

Als ihr Telefon das erste Mal piepte, war Faith Harris zu sehr damit beschäftigt, Fotos von dem winzigen BH einer Burlesque-Tänzerin zu machen, um es zu beachten. Die knallroten Stoffstückchen waren mit Diamanten im Wert von Tausenden von Dollar besetzt. Betty Boom-Boom war sehr stolz auf sie und setzte sich gekonnt in Szene, während Faith mit der Kamera drauf hielt.

„Einen Moment, Bets.“ Betty hörte auf, zu posieren, als Faith’ Handy erneut piepte. Dieses Mal zog Faith es aus ihrer Hosentasche und las die SMS.

Gehen Sie an Ihr verdammtes Telefon. CA

Faith zuckte innerlich zusammen. Er rief sie schon den ganzen Morgen über an. Sie wusste, worum es ging – was genau der Grund dafür war, warum sie auf keinen seiner Anrufe reagiert hatte. Aber jetzt war er verärgert, und sie konnte ihn nicht weiter ignorieren.

„Tut mir leid, Bets, ich muss mich hier eben um etwas kümmern.“ Faith seufzte und starrte ihr Handy an.

Cash Anderson.

Der Kern in ihrem Kirschkuchen. Die Laufmasche in ihrer Strumpfhose.

Der Mann, der sie nervte, stresste und mehr verwirrte als jeder andere.

Der anrief, um sie zu feuern. Er hatte seinen Job erst vor vier Wochen übernommen, es in der Zeit aber schon geschafft, die Produzenten zu enttäuschen, die Werbeabteilung zu nerven und die gesamte Redaktion mit seinen ständigen Änderungswünschen in den Wahnsinn zu treiben. Und jetzt hatte er sie und ihre Fernsehsendung Sexy Sydney auf dem Kieker. Eine Sendung, die sie in den letzten zwei Jahren langsam aufgebaut und die ihr den Ruf einer ehrlichen, zum Nachdenken anregenden Journalistin eingebracht hatte. Eine Sendung, die er jetzt einstellen wollte.

Faith atmete durch die Nase ein und durch den Mund aus. Sie musste ganz ruhig werden. Wie sagte ihr Yogalehrer immer: Sei eine Biene. Also hielt sie sich die Ohren zu, schloss die Augen und summte – genau wie Sri Sri Ravi es ihr beigebracht hatte.

„Hmmm …“, machte sie.

Sie würde ihren Job verlieren. Da sie keine Ersparnisse hatte, würde sie aus ihrer Wohnung ausziehen müssen. Nur wohin? Als sie nach Australien gezogen war, um sich ihren Traum zu erfüllen, hatte sie die meisten ihrer Freunde in England zurückgelassen. Hier hatte sie erst wenige Freundschaften geknüpft – sie hatte ihre ganze Zeit ihrer Arbeit gewidmet.

„Hmmm …“

Sie würde wieder nach Hause ziehen müssen. Zu ihrer verärgerten Mutter und ihrem enttäuschten Vater und den faulenzenden Brüdern, die sie unaufhörlich wegen ihres Jobs aufziehen würden.

„Hmmm …“

Dann würde sie anfangen, zu viel zu trinken. Und zu rauchen. Und herrenlose Katzen bei sich aufzunehmen. Da sie allergisch gegen Katzen war, würde sie vermutlich den ganzen Tag niesen und schniefen und wegen des Zigarettenrauchs und der Katzen nicht mehr atmen können und den Löffel abgeben. Ihr Tod würde lange unentdeckt bleiben, bis ihren Eltern irgendwann der seltsame Geruch auffiel, der aus ihrem Zimmer kam.

„Hmmm … verdammt … hmmmm …!“

Dann wäre sie tot und der verdammte Cash Anderson endlich glücklich.

Sie nahm die Hände von den Ohren. Es hatte keinen Zweck, dem länger auszuweichen. Mit angehaltenem Atem wählte sie Cashs Nummer.

„Das wurde auch langsam Zeit. Wo waren Sie? Und wo sind Sie jetzt?“, dröhnte seine Stimme durchs Telefon.

„Ich führe ein Interview mit Betty Boom-Boom. Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich den ganzen Tag unterwegs sein werde.“

„Vergessen Sie Betty Boom-Boom. Ich brauche Sie hier.“ Die Härchen in Faith’ Nacken stellten sich auf. Sein Ton war schroff und fordernd. Er erinnerte sie an den Direktor ihres Internats. Unnachgiebig. Hart. Ein Mann, der keinerlei Verständnis für seine Mitmenschen aufbrachte und ihr, dem einsamen, verlorenen Mädchen damals geraten hatte, sich „ein dickeres Fell zuzulegen“. Und das hatte sie – weshalb sie sich von Cash nicht herumschubsen lassen würde.

„Ich kann wirklich nicht. Ich muss noch die Fotos machen …“

„Faith. Ich erwarte Sie in zwanzig Minuten in meinem Büro.“ Er legte auf. Zwanzig Minuten. Bei einer Fahrtstrecke von fünfundvierzig Minuten. Sie schloss die Augen, atmete noch einmal tief durch und fragte sich nicht zum ersten Mal, worauf zum Teufel sie sich da nur eingelassen hatte. Noch vor wenigen Jahren hatte sie ihre Zukunft so klar vor sich gesehen. Die Welt bereisen und Auszeichnungen als Journalistin einheimsen. Davon träumte sie, seitdem sie sieben gewesen und aufgrund ihres starken Akzents, ihrer ungebändigten Haare und ihres auffälligen Verhaltens an der neuen Schule oft ausgelacht worden war. Sie hatte gelernt, sich unsichtbar zu machen und sich einen Panzer zuzulegen, der sie auch heute noch schützte. Sexy Sydney war ihr Baby. Sie hatte das Konzept für die Sendung zu ihrer Zeit in Newcastle beim Fernsehen erarbeitet, doch dort hatte man sie dafür nur ausgelacht. Das war jetzt zwei Jahre her und seitdem hatte sich einiges verändert. Ihre Träume waren wahr geworden – und nun wollte Cash Anderson ihr das alles wieder wegnehmen.

„Es tut mir leid, aber ich muss los, Bets.“

Das Blut rauschte wie ein Wasserfall in Faith’ Ohren. Cash ließ kurz seine weißen Zähne aufblitzen. Er hatte ein Lächeln, das sein Gesicht erhellte und kleine Fältchen um seine Augen zauberte, was ihn jünger und sogar ein wenig sexy aussehen ließ, und ein dummes Herz dazu verleiten könnte, ihm zu vertrauen. Was man aber nicht durfte. Vor allem nicht, wenn sich auch der Chef von Apex TV im Raum befand.

„Faith, Ihre Sendung ist sehr beliebt, das weiß ich. Aber ich würde gerne ein paar andere Sachen ausprobieren“, erklärte ihr Cash mit einschmeichelnder Stimme und sah sie an.

Sie schaute ihm in die Augen und reckte das Kinn.

„Zum Beispiel was?“, fragte Gordon Grant, der Chef des Senders, ein zu braun gebrannter Amerikaner Mitte sechzig.

„Zum Beispiel Sport. Ich möchte eine neue Sendung einführen, die sich mit australischen Sportlerlegenden befasst.“

Faith stöhnte laut auf.

„Sie stimmen dem nicht zu, Miss Harris?“ Gordon lächelte, und das Weiß seiner Zähne blendete sie für einen Moment. Sein Blick glitt über ihr Gesicht an ihrem Hals entlang und landete direkt da, wo ihr Blusenknopf immer wieder aufging. Sie legte ihre Hand darauf und straffte die Schultern.

„Richtig, das tue ich nicht.“ Sie warf Cash einen Blick zu. Er runzelte die Stirn. „Ich finde, es gibt schon genügend Sportsendungen im Fernsehen.“

„Aber die Australier lieben Sport. Das ist Teil unserer Kultur“, warf Matty Harbinger, der Sportreporter, ein. „Cricket, Tennis, Fußball … Wir kriegen davon einfach nicht genug.“

„Wovon die Australier nicht genug kriegen können, ist Sex, Matty. Studien zeigen, dass Australier interessierter an Sex sind als alle anderen Länder, aber dennoch hinter den meisten zurückliegen, was die sexuelle Befriedigung angeht.“ Wieder schaute sie zu Cash, der versuchte, sie mit seinem Blick zu erdolchen.

Die Art, wie er da stand und sie ansah, brachte ihr Blut zum Kochen. Er sah wirklich gut aus. Groß und breitschultrig, ganz der ehemalige Rugbyspieler. Die Muskeln, die sich unter seinem Hemd abzeichneten, zeigten, dass er immer noch trainierte. Er war hochgewachsen und schlank und einfach perfekt. Abgesehen von seinem linken Auge, in dem sich ein winziger grüner Fleck in die ansonsten braune Iris gestohlen hatte. Das hier war jedoch nicht der richtige Augenblick, um an so etwas zu denken. Immerhin stand ihre Karriere auf dem Spiel und jeder im Raum schaute sie an, als wäre ihr eine zweite Nase gewachsen.

„Die australische Öffentlichkeit braucht meine Show“, schloss sie mit höherer Stimme als gewollt. Sie räusperte sich und ließ ihren Blick zu Gordon schweifen, der sie anlächelte – oder eher angaffte, um genau zu sein.

„Wirklich?“ Er drehte sich zur Seite und schaute Cash an. „Nun, Anderson, Miss Harris sollte es wohl wissen. Sie ist immerhin unsere Sexpertin.“ Er lachte über seinen eigenen Witz. Genau wie Matty und die anderen Kollegen im Raum. Faith wusste, was man über sie dachte. Die übersexualisierte Journalistin, die über Fetische, Orgien und polyamouröse Ehen berichtete. Sie kannte alle Spitznamen, die man ihr gab. Aber das machte ihr nichts aus. Sie war eine gute Reporterin. Eine Frau, die keine Angst davor hatte, über Sex und Beziehungen und Liebe zu reden. Und sie schämte sich nicht für das, was sie tat. Sie war es allerdings leid, sich in jedem Meeting verteidigen zu müssen. Der Stuhl schrammte über den Holzfußboden, als sie aufstand.

„Die Australier möchten etwas über Sex und Liebe und Beziehungen erfahren. Sie wollen wissen, wie sie ihre Ehen retten können. Sie möchten wissen, dass sie keine Freaks sind und ihre Sexualität erforschen können, ohne das Gefühl zu haben, etwas Falsches zu tun. Und sie sind es leid, erwachsenen Männern dabei zuzusehen, wie sie mit ihren Bällen spielen.“

Ein unangenehmes Schweigen senkte sich über den Raum. Alle Augen waren auf sie gerichtet. Felicity – die Produzentin der Frühstückssendung – lachte und hielt sich schnell die Hand vor den Mund. Faith atmete schwer. Ihre Brüste hoben und senkten sich unter ihrer Bluse. Cash schaute sie einfach nur an, die Stirn immer noch gerunzelt, die Miene unlesbar. Dann fühlte sie den Luftzug, als der nächste Knopf an ihrer Bluse aufsprang und allen Anwesenden den Blick auf ihren BH freigab.

„Verdammt noch mal!“, rief sie, bevor sie ihre Bluse zusammenraffte, sich noch einmal umschaute und dann aus dem Konferenzraum floh.

Als er auf ihren Tisch zukam, war Faith gerade dabei, ihren Kaffeebecher in eine Kiste zu packen. Er erkannte den Becher. Er war mit roten Kussmündern bedeckt und normalerweise mit schwarzem Tee gefüllt. Tee, der immer kalt wurde, bevor sie ihn austrank.

„Was tun Sie da, Faith?“

„Wonach sieht es denn aus? Ich packe.“

Er entschied sich, anzubeißen. Faith stimmte nie mit ihm überein und widersprach ihm, wo sie nur konnte. Das sollte ihn eigentlich stören, tat es aber nicht. Von all den Mitarbeitern, die er in den letzten Wochen kennengelernt hatte, war Faith diejenige, die ihn am meisten interessierte. Sie war klug und nahm kein Blatt vor den Mund.

„Warum?“

„Weil ich gehe. Sie wollen mich ja offensichtlich nicht mehr haben. Sie verstehen nicht, was ich hier tue, und deshalb suche ich mir einen Sender, in dem man meine Arbeit zu schätzen weiß.“ Ihre Augen glitzerten verdächtig. Faith war eine Frau, die ihre Gefühle wie ein Paar sehr hohe High Heels trug. Sie stolperte auf ihnen herum. Fiel ab und zu hin. Stand sich selbst im Weg. Was einer der Gründe war, warum er ihre Sendung einstellen wollte. Sie hatte ihren Biss verloren und war zu sehr in ihre Themen involviert.

„Ich schätze Sie, Faith.“

„Nein, tun Sie nicht. Sie halten das, was ich tue, für sinnlos und dumm. Weshalb Sie mich durch Sport ersetzen wollen.“

Sein Blick flackerte zu ihrer Bluse. Sie hatte eine Stecknadel gefunden, um sie zu schließen, trotzdem sah er den Ansatz ihrer Brüste. Er erinnerte sich an die Schleifen auf ihrem BH und musste schwer schlucken. Sie passte zu dem Namen ihrer Sendung: Sexy Sydney. Aber sie würde auch zu etwas anderem passen. Dem Wetter vielleicht.

„Ich will nicht, dass Sie gehen, Faith. Wir finden etwas anderes für Sie. Sie sind eine gute Reporterin.“

„Und was? Soll ich etwa demnächst als Wetterfee arbeiten? Mir die Haare blond färben und albern kichern, während ich auf einen von Westen kommenden Wind zeige, der mir den Rock hoch bläst?“

Cash unterdrückte ein Lachen. Faith war lustig. Und schlagfertig und klug. Er fragte sich, warum sie sich nicht weiterentwickeln wollte. Warum hielt sie so an einer Sendung fest, die nicht mehr funktionierte? Und an einem Thema, das niemanden interessierte? Denn jeder wusste doch, dass es Liebe nicht wirklich gab. Alle außer Faith, die glaubte, ein paar Handschellen im Schlafzimmer würden einen Unterschied machen.

„Ich bin sicher, dass wir etwas anderes finden, was Sie gerne machen würden.“

„Was ich gerne mache, ist Sexy Sydney. Ich habe Fans. Menschen lieben meine Reportagen.“ Sie war engagiert, das musste er ihr lassen. Und manchmal war ihre Sendung – auch das musste er zugeben – schlicht brillant. Aber in letzter Zeit war ihr die Leichtigkeit abhanden gekommen. Sie hatte letzte Woche sogar vor laufender Kamera geweint, als sie eine Sexarbeiterin interviewt hatte. Sie war einfach zu emotional. Gut, ihrer Facebookseite nach zu urteilen hatte sie wirklich eine große Fangemeinde. Sie schien die meisten Menschen irgendwie in ihren Bann zu ziehen. Aber er gehörte nicht zu diesen.

„Es ist nur Sex, Faith.“

Wenn Blicke töten könnten … Er erkannte, dass ihre Augen gar nicht braun waren, wie er gedacht hatte. Sie waren von einem tiefen Dunkelblau. Eine ungewöhnliche Farbe, die ihn an das Meer bei Nacht vor den Fenstern seines Apartments erinnerte, wenn der Wind blies und die Wellen gegen die Klippen brandeten.

„Es gibt nicht einfach ‚nur Sex‘, Cash.“

Ihre entschlossene Miene entlockte ihm ein Lächeln. Er hatte auch mal gedacht, dass Sex mehr sei als nur Sex. Doch inzwischen wusste er es besser. Schnell schob er diese Gedanken beiseite. Er wollte nicht mal daran denken, was Sex noch sein könnte.

„Sex ist Sex. Die körperliche Vereinigung von zwei Menschen, die scharf sind und sich zufällig am gleichen Ort befinden.“

Ihre Lippen verzogen sich zu einem O. Rosige, volle Lippen. Er biss sich auf die Unterlippe und trat von einem Fuß auf den anderen. Ihre milchige Haut bekam immer diesen entzückenden rosafarbenen Schimmer, wenn er sie neckte. Aber noch nie zuvor war ihm aufgefallen, was für volle Lippen sie hatte.

„Das glauben Sie wirklich, oder? Dass Sex nur Sex ist?“

„Ja. Das glaube ich wirklich.“ Denn Liebe existierte nicht. Nur Lust und gegenseitige Anziehung. Diese Einstellung hatte ihm in den letzten neun Jahren gute Dienste geleistet. „Es ist an der Zeit, dass Sie loslassen, Faith. Entwickeln Sie sich weiter. Man kann nie wissen – bestimmt finden Sie etwas, worin Sie richtig gut sind. Die Nachrichten vielleicht.“

„Ich bin gut im Sex!“ Ihre Stimme hallte genau in dem Moment durch das Büro, in dem alle ihre Telefonate beendet hatten und Totenstille herrschte. Mit weit aufgerissenen Augen und tiefroten Wangen erstarrte sie, als ein paar der Kollegen anfingen zu lachen.

Sie würden lernen müssen, härter zu werden, wenn sie in diesem Geschäft Erfolg haben wollte. Er hatte auch Zurückweisungen erfahren, war täglich lächerlich gemacht und zensiert worden. Er wollte nicht, dass sie aufgab. In diesem Sender wimmelte es nur so vor Idioten. Deshalb steckte er ja auch in solchen Schwierigkeiten. Und darum hatte man Cash gerufen. Faith war eine der wenigen, die er behalten wollte. Doch dazu musste sie lernen, für sich einzustehen.

Cash beugte sich so weit vor, dass seine Lippen sich gefährlich nah an ihrem Ohr befanden. Ihr köstlicher Duft stieg ihm in die Nase. Berauschend. Sexy. Mit der tiefen, rauen Stimme, die er immer nutzte, wenn er verärgert war, sagte er: „Als Ihr Sendeleiter muss ich darauf bestehen, dass Sie mir diese Aussage beweisen.“ Aber er war nicht verärgert. Er war … etwas anderes.

Faith’ Herz schlug heftig in ihrer Brust. Sie war es nicht gewohnt, einem anderen Menschen so nah zu sein. Schon gar nicht einem Mann. Was vermutlich der Grund dafür war, dass ihr Herz so pochte und sich kleine Schweißperlen auf ihrer Stirn bildeten. Er würde es herausfinden. Wenn er zu tief grub, würde er ihr Geheimnis entdecken.

„Das ist sexuelle Belästigung, Mr. Anderson.“

Cash erstarrte. Schaute sie an. Das Lächeln auf seinem Gesicht war verschwunden. Er zog sich ein Stück zurück. Sie spürte die Kälte seines Blickes, als er ihn über ihr Gesicht gleiten ließ.

„Wenn ich Sie sexuell belästigen wollte, Harris, würde ich es richtig tun. Auf meinem Tisch. Während Sie meinen Namen schreien.“

Die Kälte in seinen Augen half nicht, Faith’ Herzschlag zu beruhigen. Er war immer noch zu nah. Und nun schlug er auch noch etwas vor, was sie schon viel zu lange nicht mehr gemacht hatte – schon gar nicht mit einem gut aussehenden Mann.

Faith versuchte die Bilder loszuwerden, die ungewollt vor ihrem inneren Auge aufstiegen.

„Wenn Sie auch nur den Hauch einer Ahnung hätten, was ich tagtäglich tue, Cash, würden Sie erkennen, dass ich sehr wertvolle Arbeit leiste.“ Sie reckte ihr Kinn.

„Okay.“ Endlich trat er einen Schritt zurück.

„Was?“ Verwirrt versuchte sie, ihm in die Augen zu schauen, doch er hatte den Blick gesenkt und fing an, die Manschetten seines Hemdes aufzuknöpfen. Dann rollte er die Ärmel auf und enthüllte muskulöse, braun gebrannte Unterarme, von denen sie den Blick nur schwer losreißen konnte.

„Okay. Zeigen Sie mir, inwiefern Ihre Arbeit relevant ist. Beweisen Sie mir, dass Sex nicht nur Sex ist, und Ihre Sendung wird nicht eingestellt.“

„Ich soll es Ihnen beweisen?“

„Ja. Zeigen Sie mir Sexy Sydney. Überzeugen Sie mich.“

Ihn überzeugen? Einen Mann, der glaubte, Sex wäre nur Sex? Einen Mann, der seit seiner Ankunft in Australien vor vier Wochen mit über zwanzig prominenten Frauen in Verbindung gebracht worden war? Das war unmöglich. Aber auch ihre einzige Chance, die Sendung zu behalten. Also griff sie zu.

„Gut. Morgen früh um sechs hole ich Sie ab.“

„Wunderbar. Dann habe ich vorher noch ausreichend Zeit, eine Runde zu surfen.“ Er lächelte, und zum ersten Mal verlockte sie sein Lächeln nicht dazu, ihm zu vertrauen. Im Gegenteil. Er sah aus wie der weiße Hai: blitzende Zähne, die nur darauf warteten, sich in ihr Fleisch zu graben. Das hier würde ein Kampf auf Leben und Tod werden. Die einzige Möglichkeit, ihre Sendung und damit ihren Traum am Leben zu erhalten war, diesen Kampf zu gewinnen. Und dafür würde sie bis zum Äußersten gehen.

2. KAPITEL

Um sechs Uhr am Morgen sah Sydney anders aus. Ruhiger. Als Faith vor zwei Jahren hierhergezogen war, hatte die Stadt fremd und seltsam auf sie gewirkt. Alles war so hell und sonnig und strahlend. Die Menschen lächelten zu viel. Die Australier, das hatte sie schnell erkannt, arbeiteten, um zu leben – und nicht umgekehrt. Daran hatte sie sich erst einmal gewöhnen müssen. Manchmal irritierte es sie immer noch. Doch als die Sonnenstrahlen von den Wellen auf die Fähren abstrahlten, die durch den Hafen fuhren, musste sie zugeben, dass Sydney ihr langsam ans Herz wuchs.

Was sie am meisten liebte, war, dass man hier alles erreichen konnte. In dieser Stadt war nichts tabu. Das war so anders als das Leben in dem kleinen Dorf auf dem Land, in dem sie aufgewachsen war, und definitiv weit entfernt von dem steifen Internat, auf dem sie zehn lange Jahre verbracht hatte. Hier schien sie mit ihren verrückten Ideen wesentlich besser hinzupassen.

Faith hielt den Wagen an. Da sie keinen freien Parkplatz sah, parkte sie in zweiter Reihe, stieg aus und schrieb eine SMS an Cash.

Ich bin da.

Sie sah nur die Rückseite des Gebäudes, in dem sich sein Apartment befand, das ganz oben lag. Wo sollte ein Mann wie Cash Anderson auch sonst wohnen? Er verbrachte vermutlich sein ganzes Leben damit, auf Leute wie sie herabzuschauen – Leute mit nur einem Hauch von Talent aber einer Menge Entschlossenheit. Langsam war sie es leid, sich den Launen von Menschen wie ihm beugen zu müssen.

Seitdem sie in Sydney war, hatte sie endlich angefangen, sich anders zu fühlen. Nicht mehr wie die Verliererin, über die alle lachten. Sie war schon immer eine Außenseiterin gewesen. Zu Hause, in der Schule, in allen Jobs, die sie nach ihrem Collegeabschluss vor vier Jahren angenommen hatte. Doch hier, an diesem seltsamen Ort, hatte ihre Faszination mit Liebe, Beziehungen und Sex ein Zuhause gefunden. In Australien hatte sie Fans – echte Fans. Sie erhielt Briefe von Frauen, die sich dafür bedankten, dass sie ihnen gezeigt hatte, wie sie neuen Schwung in ihre Ehe bringen konnten. Von jungen Mädchen, die erklärten, sie wäre der Grund, warum sie endlich anfingen, sich und ihren Körper zu respektieren. Und von Männern, die so froh waren, dass sie nun wussten, wie sie ihren Freundinnen Vergnügen bereiten konnten. Echte Menschen mit echten Problemen.

Sie half den Menschen. Was mit ein Grund war, warum ihr die Sendung so wichtig war. Sexy Sydney musste ein Erfolg werden. Sie musste dafür sorgen, dass sie auf Sendung blieb. Denn mit der Show war sie jemand – ohne hingegen würde sie wieder im Meer der Unbekannten versinken.

Ihr Handy piepte.

Was tragen Sie?

Was sie trug? Faith’ Wangen wurden heiß. Vielleicht verwechselte er sie und glaubte, sie wäre eine aus seinem Harem; eine der zwanzig Frauen, mit denen er offensichtlich in letzter Zeit im Bett gewesen war. Ausschließlich für Sex, wie er immer betonte. Sie entschied, ihn ein wenig zu veräppeln.

Es ist schwarz und heiß und mit lauter Lederbändern versehen.

Sie konnte ein triumphierendes Lächeln nicht unterdrücken. Er würde schön enttäuscht sein, wenn er herunterkam und sah, dass sie hier nur in Jeans und T-Shirt wartete.

Ihr Auto ist mit Lederbändern versehen? Sind Sie Batman oder was?

Faith runzelte die Stirn. Was? Ihr Handy klingelte, und sie ging ran.

„Ich habe gefragt, was Sie fahren. Den gelben Käfer oder die rote Klapperkiste.“

„Die rote Klapperkiste. Ich dachte, Sie hätten gefragt, was ich trage …“

Wie immer, wenn es um Cash ging, färbten sich ihre Wangen tiefrot. In letzter Zeit hatte sie sich immer öfter dabei ertappt, ihn beeindrucken zu wollen, um ihren Job zu behalten – doch je mehr sie das versuchte, desto öfter machte sie sich vor ihm lächerlich.

„Sie tragen etwas heißes Schwarzes aus Leder? Na, wer macht sich jetzt der sexuellen Belästigung schuldig?“ Sie hörte sein Lachen und sah ihn auf sich zukommen. Sein dunkles Haar war an den Seiten kurz und oben etwas länger und schimmerte in der Sonne. Der Wind drückte ihm sein weißes Hemd an die Brust, was die Muskeln darunter betonte. Er wirkte heute etwas lässiger. Das Hemd steckte nicht in der Hose, er sah entspannt aus und ein kleines bisschen sexy.

Faith biss sich auf die Unterlippe. Sie wollte ihn nicht sexy finden. Weil er ihr Boss war. Weil er ihre Träume zerstören wollte. Und weil sie seit zu vielen Jahren keinen Sex mehr gehabt hatte und so verzweifelt war, dass sie an manchen Tagen kurz davor war, sich dem nächstbesten Mann an den Hals zu werfen.

Sex war etwas, worüber Faith berichtete, aber nichts, was sie regelmäßig praktizierte. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal mit jemandem intim gewesen war. Wobei, doch, das konnte sie. Aber daran wollte sie jetzt nicht denken.

„Das ist weder Leder noch schwarz“, schalt er sie und ließ seinen Blick von ihrem Kopf zu ihren Zehen wandern. Ihr wurde ganz heiß.

„Ich dachte, Sie hätten die SMS jemand anderem schicken wollen.“

„Warum sollte ich eine SMS, die für jemand anderen bestimmt ist, an Ihre Nummer schicken?“ Er lachte leise, bevor er die Beifahrertür öffnete. „Steigen Sie ein, Harris. Wir haben zu arbeiten.“

Peinlich berührt setzte sie sich hinters Lenkrad. So hatte der Tag nicht anfangen sollen. Sie hatte einen Plan. Einen Plan, ihm zu zeigen, dass ihre Arbeit wichtig war und es bei Sex um mehr ging als nur um Sex. Doch um das zu tun, musste sie professionell wirken und durfte sich nicht von ihm aus der Ruhe bringen lassen.

„Sie sehen nett aus.“ Sein Blick fing ihren auf, bevor er aus dem Fenster schaute. Sie hob die Augenbrauen und startete den Motor ihrer „Klapperkiste“, wie er das Auto genannt hatte. Den Wagen hatte sie sich kurz nach ihrer Ankunft in Sydney gekauft, als sie feststellte, dass in Australien jeder ein Auto zu haben schien.

„Was meinen Sie mit nett?“

„Nett. Angenehm. Bezaubernd.“ Sie spürte seinen Blick auf sich. „Brauchen Sie ein Wörterbuch?“

„Was stimmt nicht mit meinen Klamotten?“

Cash seufzte. „Nichts. Ich sagte doch, Sie sehen nett aus. Warum sind Sie mir gegenüber immer so defensiv, Harris? Warum gehen Sie gegen alles an, was ich sage?“

„Das tue ich doch gar nicht.“

„Und Sie tun es schon wieder.“

Wirklich? Das war ihr gar nicht aufgefallen. Es lag bestimmt nur daran, dass normalerweise alles, was er sagte, falsch war.

„Als Sie sagten, ich sähe nett aus, dachte ich, Sie meinten … etwas anderes.“

„Was hätte ich denn anderes meinen sollen?“

„Nun ja, als Sie fragten, was ich trage, meinten Sie eigentlich, was ich fahre.“

„Das war ein Fehler der Autokorrektur auf meinem Handy. Sie stellen sich mit Absicht schwierig an.“

Sie stellte sich nicht schwierig an. Sie versuchte, professionell zu sein. Durchatmen, beruhigen und noch mal von vorne anfangen, sagte sie sich.

„Es tut mir leid, Cash. Ich hatte nur nicht erwartet, dass Sie etwas … Nettes sagen würden.“

„Warum nicht?“

„Weil Sie nie etwas Nettes sagen.“

Cash wurde still, und Faith fluchte innerlich. Ihn zu beleidigen war kein guter Anfang. Wieso fiel ihr das alles nur so schwer? Sie erinnerte sich an eine Reportage, die sie vor ein paar Wochen gemacht hatte, und in der es darum ging, wie man seine Wünsche im Schlafzimmer erfüllt bekam. Sprich leise. Sei ehrlich. Sieh deinem Partner in die Augen und frage ihn nach seinen Fantasien. Wenn das für Sex funktionierte, könnte es auch in dieser Situation funktionieren. Faith räusperte sich.

„Cash, mich würde interessieren, was Sie wollen. Wie kann ich Ihnen helfen, meine Arbeit zu verstehen?“

Sie merkte, dass er sie anschaute, und umfasste das Lenkrad fester. Er hatte sie schon öfter so eindringlich angesehen. Als wenn er versuchte, ihre Gedanken zu lesen. Dieser Blick brachte sie immer aus dem Gleichgewicht, doch solange sie ihn nicht erwiderte, war sie sicher.

„Was ich will?“

„Ja. Ich möchte wissen, was ich tun kann, um Ihren Eindruck zu widerlegen, dass meine Arbeit keinen Wert hat.“

„Keinen Wert?“

Er hielt inne, und Faith spürte, wie ihr ein Schweißtropfen vom Nacken den Rücken hinunterlief. Ihr Auto, das wie alle australischen Wagen einen Spitznamen hatte, wenn auch keinen sonderlich originellen – sie nannte es einfach Red –, hatte keine Klimaanlage und draußen herrschten bereits knapp vierzig Grad.

„Ich habe nie gesagt, dass Ihre Sendung keinen Wert hat. Einige der Geschichten, über die Sie berichten, müssen definitiv erzählt werden. Ihr Problem ist, Sie lassen sich zu sehr darauf ein. Sie wollen, dass alle glauben, was Sie glauben – nämlich, dass Liebe die Antwort auf alles ist.“

„Das stimmt nicht.“

„Doch, tut es. Sie sind emotional zu engagiert. Journalisten müssen eine gewisse Distanz zwischen sich und dem Thema, über das sie berichten, wahren. Nur so kann Objektivität entstehen.“

Faith holte tief Luft. Sie brauchte keinen Vortrag über Objektivität. Wenn er nur wüsste, wie weit entfernt sie von den Themen war, über die sie berichtete.

„Manchmal muss man nah rangehen. Nur so erfährt man die Wahrheit.“

„Die Werbekunden mögen diese Nähe aber nicht. Sie mögen es leicht und lustig.“

„Aber das wollen meine Zuschauer nicht. Sie wollen, dass ich mich einbringe. Sie wollen mehr wissen.“

Er seufzte frustriert. „Menschen sind nicht an Liebe und Beziehungen und allem anderen, worüber Sie berichten, interessiert.“

So ein Unsinn, dachte sie. Natürlich sind sie das. Liebe war die Triebfeder der Welt.

„Was ist mit meiner Reportage über Online-Dating? Oder dem Bericht über das eigene Körperempfinden und die Tatsache, dass Frauen abhängig von ihrer Körperform unterschiedlich wahrgenommen werden?“

Cash atmete hörbar ein. Faith warf ihm einen Blick zu, schaute zurück auf die Straße und dann wieder zurück zu ihm. Sie wollte eine Antwort haben.

„War das die Sendung, in der Sie nackt waren?“

„In der ich …? Was?“ Faith sah gerade rechtzeitig wieder nach vorne, um einer Frau auszuweichen, die mit ihrem Hund die Straße überquerte. „Ja, war es, aber darum ging es nicht.“

Sie musste nicht hinsehen, um zu wissen, dass er grinste.

„Ich habe mich ausgezogen, um zu zeigen, dass Frauen sich ihrer Körper nicht schämen müssen. Und ich war nicht komplett nackt – mein Intimbereich war mit Blättern bedeckt.“

„Ihr Intimbereich?“

„Ja, der Teil, den man den Leuten nicht zeigen will.“

„Ich zeige meinen Intimbereich gerne.“

Faith verdrängte die Vorstellung von Cashs Intimbereich sofort wieder. Professionell und einnehmend. So wollte sie wirken.

„Da bin ich mir sicher. Ich hingegen behalte mir das für ausgewählte Menschen vor.“

„Wirklich?“

Faith hielt den Blick fest auf die engen, gewundenen Straßen Sydneys gerichtet, als Cash sich auf die Mittelkonsole stützte und ein Stück näher rückte. Er roch nach Strand und etwas, das nur er war. „Wie viele ‚Auserwählte‘ durften Ihren Intimbereich denn schon sehen, Faith?“

„Wie viele?“

„Ja. Wie viele.“

„Sie meinen, eine Zahl?“, stotterte sie. Diese Unterhaltung war definitiv nicht professionell.

„Ja. Eine Zahl.“

Sein Atem strich warm über ihre Schulter. Sie spürte ihn durch den dünnen Stoff ihres T-Shirts. Ihre Haut prickelte. Seine Lippen mussten sehr nah sein. Nicht mehr viel, und er würde über ihre Haut lecken können …

Alles in Faith spannte sich an. Reiß dich zusammen, ermahnte sie sich.

„Ich finde nicht, dass die Zahl relevant ist.“

„Ich schon. Sie sind die selbst ernannte Sexpertin hier. Ich würde gerne wissen, woher Sie Ihre Expertise beziehen und wie Ihre persönlichen Erfahrungen aussehen.“

Ihr Mund war mit einem Mal ganz trocken.

„Ich hatte ausreichend Sex, um zu wissen, was ich tue.“

„Wirklich?“

Die Luft im Auto war drückend. Faith rollte ihr Fenster herunter. Sie brauchte dringend frische Luft.

„Das ist interessant. Denn ich würde gerne wissen, wie viel ‚ausreichend‘ ist. War es nur ein Partner? Oder reden wir hier von Zahlen im zweistelligen Bereich?“

Faith schwieg. Die Luft, die durchs Fenster strömte, war feucht und stickig, aber immerhin war es Luft.

„Dreistellig?“

„Nein!“ Faith war von ihrer energischen Antwort selbst überrascht. „Nein. Ich würde lieber nicht mit Ihnen darüber sprechen.“

„Warum nicht?“

„Weil Sie mein Chef sind und es … nicht professionell ist.“

Er winkte ab. „Vergessen Sie das. Die Sonne scheint, es ist ein wunderschöner Tag, und im Moment bin ich nicht Ihr Chef. Wir sind nur zwei Menschen in einem Auto, die sich miteinander unterhalten.“

Red war zwar ein großes Auto, aber irgendwie schien Cash trotzdem zu nah zu sein. Er nahm mit seinen Fragen zu viel Raum und Luft ein. Aber sie wusste, was er vorhatte – er wollte sie dazu bringen, etwas zu offenbaren, was sie nicht erzählen wollte. Sie war schon lange genug Journalistin, um die Tricks zu kennen.

„Meine Sexleben geht Sie nichts an.“

„Da widerspreche ich. Ihr Sexleben geht jeden etwas an. Schließlich haben Sie es zu Ihrem Beruf gemacht. Und genau das finde ich so interessant: Wieso haben Sie kein Problem damit, vor der Kamera darüber zu reden, sind privat aber so verschlossen wie eine Auster? Was ist in der Vergangenheit geschehen, das Sie glauben lässt, Sex wäre mehr als nur Sex? Und warum regen Sie sich jedes Mal so auf, wenn ich andeute, dass Ihre Sendung eingestellt wird?“

Ja, er war definitiv zu nah. „Ich rege mich auf, weil Australien meine Sendung braucht.“

„Nein. So ehrbar ist niemand. Menschen lassen sich von drei Dingen motivieren, Faith: Angst, Gier oder Lust. Also, was ist Ihre Motivation? Warum ist Ihnen die Sendung so wichtig?“

Faith wollte diese Fragen nicht beantworten. Sie wollte nicht mit ihm über all das reden. Doch sie konnte schlecht hier neben ihm sitzen und gar nichts sagen.

„Wenn ich eine wählen müsste, würde ich mich für Gier entscheiden. Ich möchte Erfolg haben. Ich möchte Preise als Journalistin gewinnen. Ich will, dass die Menschen wissen, wer ich bin.“

Cash schwieg einen Moment und sie spürte, wie er sie musterte. Sie warf das Haar zurück und reckte das Kinn. Es war ihr egal, was er von ihr hielt.

„Okay, ich tue mal so, als ob ich Ihnen das glaube. Aber warum Sex? Warum Liebe und Beziehungen? Warum nicht Nachrichten, Sport, Politik? Das sind die Themen, mit denen man Preise gewinnt.“

„Sport und Politik interessieren mich nicht.“

„Aber Sex und Beziehungen schon.“

„Ja.“

„Und Liebe.“

Nun drehte sie sich zu ihm um und hielt seinen Blick fest. „Ja. Liebe. Sie ist mir sehr wichtig.“ Sie schämte sich nicht. Denn es stimmte. Sie interessierte sich für Liebe. Sie dachte darüber nach – vor allem darüber, wieso sie sie einfach nicht fand. Ihre Kehle schnürte sich zu und sie biss sich auf die Unterlippe, bevor sie den Blick wieder auf die Straße richtete.

„Liebe existiert nicht, Faith.“

Er sagte das so leise, dass Faith sich fragte, ob sie sich verhört hatte.

„Natürlich tut sie das. Jeder verliebt sich mal in seinem Leben.“

„Das ist Lust. Liebe ist etwas anderes.“

„Sie haben gerade Ihr eigenes Argument widerlegt, Cash. Wenn Sie wissen, dass Lust sich von Liebe unterscheidet, erkennen Sie an, dass es Liebe gibt.“

„Vielleicht.“ Er zuckte mit den Schultern. „Für manche Menschen. Aber sie hält nie an, weshalb ich Lust vorziehe.“ Faith’ Magen verkrampfte sich. Das hier lief nicht gut. Wenn er nur an Lust glaubte, würde er sie feuern. Ihre Sendung basierte darauf, dass sich jeder irgendwann im Leben einmal verliebte. Schweigen senkte sich über sie herab. Faith spürte, wie ihre Karriere ihr mit jeder verstreichenden Sekunde mehr aus den Händen glitt.

„Wir treffen uns heute mit einer tantrischen Sexberaterin.“ Sie zwang sich zu einem Lächeln, um die Anspannung zu vertreiben, die in der Luft lag.

„Tantrasex?“, fragte Cash abwesend und verzog leicht das Gesicht. „Klingt faszinierend.“

Sie wollte ihm sagen, wie recht er damit hatte. Wie sehr es die Intimität und die gemeinsame Verbindung intensivieren konnte. Doch sie tat es nicht. Er wirkte abgelenkt, und sie spürte, dass sie ihn mit jedem Kilometer, den sie zurücklegten, mehr verlor.

„Stimmt etwas nicht, Cash? Haben Sie etwas gegen Tantrasex?“

Sie hörte das Lächeln in seiner Stimme. „Nein. Ich denke nur nach.“

„Worüber?“ Sie schaltete in den zweiten Gang und bog um eine Kurve.

„Über Sie und Ihre Sendung. Und über …“ Sie spürte, als er den Blick abwandte und wieder aus dem Fenster schaute. „Egal.“

Er klang ein wenig traurig. Was sie stutzig machte. Cash klang niemals traurig. Verärgert? Ja. Sauer? Auf jeden Fall. Frustriert, ungeduldig, wütend? Ja, ja, ja. Aber niemals traurig.

„Es tut mir leid.“

Er wandte sich ihr wieder zu. „Sie müssen sich nicht entschuldigen, weil Sie mir nicht in allem zustimmen. Ich mag es, dass Sie Ihre eigene Meinung haben, Fragen stellen und sich nicht einfach überrennen lassen.“

„Wo liegt dann das Problem?“

„Sie wissen, warum man mich hierher beordert hat, oder?“

„Um den Sender zu leiten.“

„Um den Sender zu retten. Es läuft nicht gut, Faith. Ich soll Einsparungen vornehmen und die Gewinne erhöhen. Aber ich bin nicht hier, um allen den Spaß zu verderben und Träume zu zerstören.“

Faith wusste, dass es dem Sender dieses Jahr nicht gut gegangen war, aber sie hatte nicht gewusst, wie schlimm es wirklich war. „Meine Sendung ist gut, Cash. Und wenn wir sie auf die Hauptsendezeit verlegen, wird sie auch mehr Werbekunden anziehen.“

„Ihre Show wird niemals auf den Hauptsendeplatz rücken, Faith. Sex ist im normalen Programm nicht akzeptabel. Sport schon. Das ist nichts Persönliches, Faith, sondern eine rein geschäftliche Entscheidung.“

Nichts Persönliches? Ihren Job zu verlieren war verdammt persönlich. Und alles, was sie in den letzten zwei Jahren erreicht hatte, schlechtzureden war es auch.

„Sie haben gar nicht vor, meine Sendung weiterlaufen zu lassen, oder? Was wir hier tun, ist reine Zeitverschwendung.“ Faith brachte das Auto mit quietschenden Reifen an einem Seitenstreifen zum Stehen. „Und wenn dem so ist, sollten Sie jetzt besser aussteigen.“

Sein Blick traf ihren und hielt ihn fest. Heiß. Herausfordernd.

„Ich habe Ihnen ein Versprechen gegeben, und das werde ich halten. Wenn Sie mich überzeugen können, dass Sex mehr als Sex ist, werde ich Ihre Show weiterlaufen lassen. Ich werde Sie sogar darin unterstützen, die Show zu einer Sendung fürs Hauptprogramm zu machen. Aber wenn ich am Ende der Woche nicht überzeugt bin, müssen Sie aufgeben.“

Faith lenkte den Wagen auf die Straße zurück und trat das Gaspedal durch. Der Einsatz war noch höher als zuvor. Aber gut. Er wollte was über Sex erfahren? Bis heute Abend würde er darin ertrinken. Natürlich nicht wörtlich. Aber heute würde sie diesem Mann beibringen, was es hieß, etwas so sehr zu wollen, dass man dafür töten würde.

3. KAPITEL

Patricia Fellows war eine Frau, von der man erwartete, dass sie in ihrer heimeligen Küche daheim Kuchen backte. Sie war rund und fröhlich und riss einen Witz nach dem anderen.

Cash warf Faith einen Blick zu. Falls sie glaubte, er würde hier ruhig im Garten dieser Frau sitzen und darauf warten, dass sie ihn durch ihre Energie zum Orgasmus brachte, war sie verrückt.

Aber er war gewillt, Faith noch einen Moment ihren Willen zu lassen. Obwohl er nicht wusste, warum. Vielleicht, weil ihm der Gedanke missfiel, sie könnte den Sender verlassen. Sie war immerhin die Einzige dort, die es schaffte, seine Aufmerksamkeit für länger als zwei Minuten zu fesseln.

Aber ihre Sendung musste gehen. Sie brachte einfach nicht das Geld ein, dass der Sender so dringend brauchte. Zugegeben, ihre Einschaltquoten waren gut, die Zuschauer mochten sie. Vielleicht musste nur am Drehbuch etwas gefeilt werden.

Stopp. Nein. Er wollte die Show doch gar nicht behalten. Sport brachte das große Geld ein. Faith hatte es irgendwie geschafft, ihm etwas zu verkaufen, was er gar nicht haben wollte. Ab sofort würde er ihr nicht mehr zuhören.

„Sie sind aber auch ein gut aussehender junger Mann“, gurrte die ältere Frau.

„Das ist mein Chef, Patricia. Cash Anderson.“

„Wenn ich so einen Chef hätte, würde ich jeden Tag mit nichts als einem schwarzen Spitzenslip bekleidet zur Arbeit erscheinen.“

Es wurde immer unangenehmer. Vor allem, weil Patricia sich jetzt über die Lippen leckte, als wäre er ein besonders saftiges Stück Fleisch.

„Tun Sie einfach so, als wäre ich nicht da.“

„Aber nein! Mit Ihrem guten Aussehen sind Sie der Star der Show.“

„Ehrlich gesagt ist Cash nur als Zuschauer hier“, sagte Faith entschieden und lächelte ihn an. „Er lernt noch.“

„Oh.“ Die Enttäuschung war Patricia anzusehen. Ihr Blick wurde merklich kühler. „Dann setzen Sie sich dorthin.“ Sie winkte ihn energisch an die Seite.

Inzwischen waren weitere Gäste angekommen. Hauptsächlich Paare mittleren Alters, die einander zu kennen schienen. Faith wurde von allen herzlich begrüßt.

Sie kommt mit der Aufmerksamkeit gut zurecht, dachte Cash. Sie beantwortete die dummen Fragen und lachte über die schlechten Witze. Als die Sitzung begann, trat sie einen Schritt zur Seite.

„Tantra bringt Harmonie in alle Bereiche eures Lebens“, begann Patricia und fing an, Seidenkaftane zu verteilen. Die Männer und Frauen schienen zu wissen, was sie damit tun sollten, denn sie fingen sofort an, sich auszuziehen und in die weiten Gewänder zu schlüpfen. Cash trat von einem Fuß auf den anderen und verschränkte die Arme vor der Brust. Das war nicht das, was er erwartet hatte.

Faith beugte sich zu ihm. „Keine Angst, wir werden nichts zu sehen bekommen.“

Er sah sie an. Sie kam noch ein Stück näher, als würde es ihn beruhigen, wenn sie ihren Arm gegen seinen drückte. Doch das Gegenteil war der Fall. Er fühlte sich unbehaglich und war sich ihrer Nähe nur zu bewusst.

Faith lächelte. Ihm fiel auf, wie sehr ihre Augen strahlten. Sie war hübsch. Viel zu hübsch. Und ein wenig verrückt. Hör einfach nicht auf sie, ermahnte er sich erneut.

Seine Aufmerksamkeit wurde von dem Kreis an Leuten angezogen, die Patricia nun anwies, sich neben den jeweiligen Partner zu setzen, sodass ihre Arme einander berührten. Genau so wie bei ihm und Faith.

Er blieb so stehen. Faith war attraktiv und hatte einen tollen Körper. Warum sollte er sie nicht ein wenig berühren? Sie waren nicht im Büro und zwischen ihnen würde nie etwas sein.

„Wir beginnen mit einer Übung für den Beckenboden. Sie verstärkt die Kraft eurer ‚Yoni‘ – dem Teil des weiblichen Körpers, der die Frau zu einem sexuellen Wesen macht“, erklärte Patricia, während sie zwischen den Paaren umherging. „Das macht es für das sexuelle Zentrum des Mannes, seinen ‚Lingam‘, wesentlich lustvoller.“

Die meisten hatten ihre Augen geschlossen, einige flüsterten miteinander – doch da ihre Beckenbodenmuskeln sicher hinter den weiten Kaftanen verborgen waren, hatte Cash kein Problem damit, zuzusehen.

„Jetzt ist es an der Zeit, uns einander zuzuwenden und dem anderen zu erzählen, was uns glücklich macht.“

Die Pärchen fingen an, miteinander zu reden, und Patricia schaute auf.

„Du auch, Faith. Ich habe dir vorab gesagt, dass du nur kommen kannst, wenn du mitmachst.“

Faith’ blaue Augen richteten sich auf ihn. „Tut mir leid“, flüsterte sie. „Aber Patricia glaubt, die anderen fühlen sich unwohl, wenn ich nicht mitmache. Normalerweise komme ich alleine her, aber da Sie nun mal dabei sind …“

„Ist schon gut. Sie können mir gerne verraten, was Sie glücklich macht.“ Seltsamerweise interessierte ihn das wirklich.

Sie schien nach einer Antwort zu suchen. „Wir sollten uns besser hinsetzen.“ Sie setzte sich im Schneidersitz ins Gras. Cash tat es ihr gleich. Da das Rugbyspielen seine Knie kaputtgemacht hatte, musste er die Beine gerade ausstrecken und erkannte zu spät, dass er sie quasi zwischen seinen Beinen gefangen hatte. Sie sah so klein aus, wie sie da saß. Ihre Haare fielen ihr offen über die Schultern und ihre helle Haut strahlte im Sonnenschein. Er spürte ein Ziehen in seinem Unterleib, doch das ignorierte er. Das hier war weder der geeignete Zeitpunkt noch der geeignete Ort. Und definitiv nicht die geeignete Frau.

„Also, was macht Sie glücklich, Cash?“

„Patricia hat gesagt, Sie sollen mitmachen, nicht ich.“ Cash wollte nicht reden. Er hatte die Neigung, zu ehrlich zu sein, und auf keinen Fall konnte er zulassen, dass Faith erfuhr, was in seinem Kopf vorging. Sie wäre schockiert, wenn sie herausfände, wie er wirklich war.

„Kommen Sie schon. Es tut auch nicht weh.“ Sie lächelte und Cash seufzte.

„Was mich glücklich macht? Surfen und ein saftiges Steak.“ Er schaute ihr in die Augen. „Stille.“

Faith’ Lippen lächelten nicht, aber ihre Augen taten es. Es waren wunderschöne Augen, die ihn so eindringlich musterten, als versuche sie, seine Gedanken zu lesen. Er rutschte unruhig hin und her, dann fühlte er ihre Hand auf seinem Knie. Die Wärme beruhigte ihn.

„Entspannen Sie sich“, sagte sie mit der leisen, nach Honig klingenden Stimme, die er so gut kannte. „Niemand hier beurteilt Sie.“

Die Sonne brannte auf seinen Rücken herab. Er rieb sich den Nacken. Sie irrte sich. Er wurde ständig beurteilt. So lief das im Leben nun einmal.

„Ich mag die Stille auch“, sagte sie dann und nahm ihre Hand fort.

Erleichtert stützte er sich hinter dem Rücken auf dem Rasen auf und beobachtete sie.

„Ich sitze einfach gerne da und höre zu, verstehen Sie?“

Das tat er nicht, aber er mochte es, ihre Stimme zu hören.

„Ich sitze gerne da und lausche dem Wind oder den Geräuschen vor meinem Schlafzimmerfenster. Manchmal stelle ich mir dann vor, ich wäre eine Katze und könnte einfach da sitzen und lauschen und mich jederzeit irgendwohin zurückziehen, wo mich keiner findet.“

„Sie wollen eine Katze sein?“ Wie kam es, dass sie ihn immer wieder überraschte?

Sie lachte, wobei sich kleine Fältchen in ihren Augenwinkeln bildeten. „Manchmal. Und Sie? Wollten Sie jemals ein anderer sein?“

Cash dachte darüber nach. Dachte an seinen Bruder. Ja. Jahrelang hatte er jemand anderes sein wollen.

„Nein.“

„Ich wünschte, ich wäre so mutig wie Sie.“ Faith’ Lächeln schwand.

„Ich bin nicht mutig.“ Er war ein Feigling, doch das wusste außer ihm niemand. Zumindest keiner außerhalb seiner Heimatstadt.

„Doch, das sind Sie. Sie sagen, was Sie sagen müssen. Tun, was Sie tun müssen. Machen sich keine Gedanken, was die Leute von Ihnen denken oder was passieren könnte. Sie sind furchtlos.“

Während sie sprach, konnte er den Blick nicht von ihr wenden. Sie faszinierte ihn, aber er schüttelte das Gefühl ab. Jeder hätte gerne, dass man so über ihn sprach. Das war nur sein Ego, das sich geschmeichelt fühlte – was auch beim letzten Mal passiert war, als er sich verliebt hatte. Sie hatte seinem Ego geschmeichelt. Doch das war neun Jahre her, inzwischen hatte sein Ego so etwas nicht mehr nötig. Er brauchte niemanden, der ihm schmeichelte, damit er sich besser fühlte. Er brauchte niemanden. Punkt.

„Ich würde das eher eigensinnig nennen, nicht mutig.“

Faith lachte, und sofort sah ihr Gesicht ganz anders aus. Wie lange war es her, dass er eine Frau zum Lachen gebracht hatte?

„Ich denke, da könnten Sie recht haben. Aber trotzdem. Ich wäre gerne selbstsicherer und mutiger.“

Sie lächelte immer noch, und er spürte, wie auch seine Mundwinkel zuckten.

„Sie sind mutig. Sie sind um die halbe Welt gereist, um eine Sendung zu machen, für die man Sie hätte auslachen können. Aber das hat Sie nicht abgehalten. Und nun sitzen Sie hier, bereit, sich mir zu beweisen.“

„Ist das mutig oder einfach nur dumm?“

„Vielleicht ein wenig von beidem. Aber Sie tun es. Sie laufen nicht weg.“ Nicht so, wie er es getan hatte.

„Danke, Cash. Das ist das Netteste, was jemals jemand zu mir gesagt hat.“

Cash sah sie fragend an. „Wirklich? Dann sollten Sie sich neue Freunde suchen.“

Dieser Scherz brachte sie nicht zum Lachen. Sie wandte den Blick ab, und obwohl ihr Körper sich nicht bewegte, spürte er, wie sie sich zurückzog.

Das Gemurmel der anderen Paare und das Singen der Vögel wurden lauter. Er hätte das nicht sagen sollen. Immer wieder passierte es ihm, dass er einfach mit dem herausplatzte, was ihm durch den Kopf schoss. Faith hatte etwas an sich, das in ihm den Wunsch weckte, mit ihr zu reden. Er glaubte wider besseres Wissen, ihr vertrauen zu können.

Gerade als er dachte, Faith würde aufstehen und weggehen, beugte sie sich vor. „Die Leute sagen normalerweise keinen netten Sachen zu mir, weil ich ihnen nur selten einen Anlass gebe.“

Was meinte sie damit? Er wollte mehr wissen, wollte mehr sagen, traute sich jedoch nicht. Vielleicht würde er sonst etwas sagen, was sie traurig machte, und heute – hier im Sonnenschein mit ihr zwischen seinen Beinen – wollte er sie nicht traurig machen.

Patricia war inzwischen bei der nächsten Übung angekommen. Die Menschen im Kreis bewegten im Sitzen ihre Hüften und hoben die Arme. Er hoffte nur, Faith erwartete nicht, dass er da mitmachte. Das hier war kein Sex, das war Gefühlsduselei.

„Im tantrischen Sex geht es darum, die Verbindung mit dem Partner zu vertiefen“, murmelte Faith leise. „Man lernt, Liebe zu machen, anstatt nur Sex zu haben.“

Ihre raue Stimme im Zusammenhang mit den Wörtern „Sex“ und „vertiefen“ brachte ihn fast um den Verstand. „Warum sollte man das wollen?“

„Weil es sich gut anfühlt, einander zu lieben, anstatt nur Sex zu haben, oder nicht?“ Ihre Frage verwirrte ihn. Faith sah ihn so eindringlich an, als erwarte sie wirklich eine Antwort. Aber nur Sex fühlt sich auch gut an, dachte er. Und fragte sich, wie er sich wohl mit Faith anfühlen würde. Wäre er schnell und leidenschaftlich oder langsam und sinnlich?

Zum Glück setzte Patricia in diesem Moment zu einer neuen Übung an und löste die Spannung, die zwischen ihnen entstanden war. Cash stützte die Ellbogen auf seinen Knien auf und vermied es, Faith anzusehen. Sie war eine von den Frauen, die Lust mit Liebe verwechselten und immer mehr wollten, als der Mann bereit war zu geben. Normalerweise hielt er sich von solchen Frauen fern. Ihm gefielen die besser, die keinerlei tiefer gehende Gefühle in ihm auslösten.

„Faith! Ich brauche dich.“ Faith’ Kopf schnellte herum, als Patricia sie rief.

„Wie kann ich dir helfen, Patricia?“, fragte sie schnell, offensichtlich erleichtert über die Ablenkung.

„Setz dich bei deinem Freund auf den Schoß. Ich brauche ein Paar, an dem ich etwas zeigen kann.“

Cash erstarrte. Sich auf seinen Schoß setzen? Faith drehte sich zu ihm um. Sie lächelte nicht.

„Das geht nicht, Patricia. Er ist mein Chef.“

„Umso besser. Diese Technik wird euch lehren, besser miteinander zu kommunizieren. Ihr werdet lernen, zuzuhören, anstatt einfach nur aneinander vorbeizureden.“

Cash fragte sich, was Faith wohl tun würde. Sie wirkte nervös, unsicher. Langsam und zögerlich kam sie näher.

„Mir ist befohlen worden, mich auf Ihren Schoß zu setzen“, sagte sie mit einem verlegenen Lächeln.

„Nein, tut mir leid.“ Er schaute an ihr vorbei zu Patricia. „Dafür bin ich nicht passend angezogen.“

„Unsinn. Setz dich auf ihn, Faith.“

Faith wirkte zutiefst gedemütigt, und Cash fühlte sich schuldig. Wegen der Sachen, die er vorhin gesagt hatte. Und weil er sie dazu gebracht hatte, das hier zu tun. Sie wollte ihm doch nur beweisen, wie wichtig ihre Arbeit war; sie hatte eine faire Chance verdient. „Kommen Sie schon, Faith. Springen Sie auf. Es kann ja nicht schaden.“ Sie sah so verängstigt aus, dass er irgendetwas tun musste, um sie zu ermutigen. Also streckte er die Arme aus. „Ich beiße auch nur, wenn Sie unartig sind.“

Faith lachte nervös auf und stellte sich über seine ausgestreckten Beine.

„Bereit?“, fragte sie mit hoher Stimme.

Ihre Jeans saßen sehr eng um ihre Hüften und ihre langen Beine. Cash hob die Hände und legte sie an die Außenseiten von Faith’ Oberschenkeln.

„Bereit“, sagte er, ohne den Blick von ihr zu wenden.

Sie ging langsam in die Knie, und sein Blick glitt zu ihrem Bauch, wo zwischen T-Shirt und Jeansbund ein kleiner Streifen Haut zu sehen war. Seine Hände glitten höher und sie legte ihre Hände auf seine Schultern. Er verspannte sich unter der Bewegung. Ihm wurde am ganzen Körper heiß. Für eine Sekunde vergaß er, wo er war und spürte nur ihre Weichheit.

Ihre Brüste schoben sich in sein Blickfeld. Ihre Nippel waren aufgerichtet. Er biss sich auf die Zunge und legte seine Hände an Faith’ Hüften, um sie sanft auf seinen Schoß zu ziehen. Sie so zu halten fühlte sich richtig an. Sie senkte sich immer weiter herab, bis er ihren heißen Atem an seiner Stirn fühlte.

Dann endlich saß sie auf seinem Schoß. Sie verlagerte noch einmal das Gewicht, und ihr Atem stockte. Sein Blick wanderte zu ihrem Mund. Alles, was er spürte, war sie. Alles, woran er dachte, war sie. Sein Kopf hämmerte, in seinem Schritt pochte es. Sie holt tief Luft und hielt den Atem an, bevor sie ihn anschaute. Die Luft zwischen ihnen knisterte. Ihre Augen, die gestern noch so dunkel gewesen waren, hatten nun beinahe die Farbe des Sommerhimmels. Er schob seine Hände weiter nach oben, bis er mit der Spitze seines Daumens die Rundung ihrer Brüste berührte. Sie stieß den Atem aus und öffnete die Lippen. Er ließ seine Hand, wo sie war, direkt unter ihrer Brust.

„Ausatmen, Cash, ausatmen!“ Patricia rief etwas, doch er konnte es nicht richtig verstehen. Das Einzige, was er hörte, war Faith’ Atem, der immer schwerer wurde.

„Ausatmen“, murmelte Faith. „Sie will, dass Sie in meinen Mund ausatmen.“

„Was?“ Seine Stimme klang tief und krächzend.

„Atmen Sie aus“, flüsterte sie. „Wenn ich einatme, atmen Sie aus.“ Er tat es, ließ seinen Atem zwischen ihre geöffneten Lippen fließen. Dann atmete sie aus, und er spürte die heiße Luft in seinem Mund. Seine andere Hand wanderte auf Faith’ Rücken. Er zog sie näher zu sich heran. Mit den Fingern strich er durch ihr seidiges Haar. Er atmete wieder aus, den Blick fest auf ihre Lippen geheftet. Sie erschauerte. Etwas passierte hier. Etwas, das nicht passieren sollte. Nicht hier in Patricias Garten.

Und definitiv nicht mit Faith.

Cash bewegte die Beine. Er spürte ihre Wärme an seiner Erektion. Sie atmete wieder aus, und er sog ihre Luft ein, wollte ihr näher sein, wollte diese vollen Lippen auf seinen spüren. Er verlagerte ein wenig das Gewicht, da schoss ihr Kopf auf einmal nach oben, als wenn sie aus einem tiefen Schlaf aufgewacht wäre. Sie sprang so schnell auf, dass ihr Kopf gegen sein Kinn stieß und er Blut schmeckte, weil er sich auf die Unterlippe gebissen hatte.

„Verdammt!“ Er biss die Zähne zusammen.

„Cash, das tut mir so leid. Oh nein. Sie bluten ja.“

Cash hob eine Hand und berührte seinen Mund. Als er sie wieder wegzog, war sie voller Blut. Seine Lippe pochte.

Er stieß einen lauten Fluch aus.

„Ohje. Ich hole schnell ein Tuch“, erklärte Patricia besorgt.

„Ist schon gut, ich werde es überleben.“ Er stand auf und wischte sich das Kinn ab. Die Wunde blutete immer noch. Er fluchte erneut, aber nur im Stillen. Er hätte es wissen müssen. Verlier bloß niemals deinen Kopf, das führt nur dazu, das jemand verletzt wird.

Patricia kehrte mit einer Handvoll Taschentücher zurück, die er sich an den Mund drückte. Seine Lippe tat weh, aber sein verletzter Stolz schmerzte mehr. Faith war so schnell von ihm heruntergesprungen. Als wenn ihr auf einmal bewusst geworden war, was sie da tat und mit wem. Für einen winzigen Moment hatte er gedacht, dass sie vielleicht spürte, dass zwischen ihnen tatsächlich etwas passierte. Aber dem war nicht so. Sie hatte es nur vorgetäuscht, um ihre Sendung nicht zu verlieren.

Sein Kiefer schmerzte. Er wollte jetzt nur noch ins Büro und zu seiner Arbeit zurückkehren, und nicht weiter in fremder Leute Garten ungewollte Gedanken haben und Gefühle verspüren.

„Geht es Ihnen gut?“ Faith klang ein wenig eingeschüchtert, was so gar nicht zu ihr passte. Aber darauf würde er nicht hereinfallen. „Wollen Sie noch bleiben?“, fragte sie.

Nein, das wollte er nicht.

„Ich denke, wir sollten gehen.“ Er schaute Faith nicht an, wollte ihr Gesicht nicht sehen. Die Enttäuschung, weil ihr Plan nicht funktioniert hatte. Er rief sich in Erinnerung, dass das hier Arbeit war und Faith eine Angestellte, mehr nicht. Er wünschte nur, sein pochender „Lingam“ würde das genauso sehen.

4. KAPITEL

„Cash, es tut mir so leid.“ Sie saßen im Auto auf dem Rückweg ins Büro.

„Vergessen Sie es“, knurrte er, und ihr Herz wurde schwer. Eben auf seinem Schoß hatte sie sich vergessen. Sie hatte seine Härte gespürt und sich davontragen lassen. Hatte Gedanken gehabt, die sie nicht hätte haben sollen. Natürlich hatte er eine Erektion gehabt. Immerhin hatte eine Frau auf seinem Schoß gesessen, da hätte jeder normale Mann so reagiert. Es hatte nichts mit ihr zu tun.

Doch für einen Moment, während er in ihren Mund atmete, hatte es sich so angefühlt. Sie hatte geglaubt, er hätte es auch gefühlt. Die Spannung, die ihr Blut zum Kochen brachte, als sein Atem auf ihre Haut traf. Doch dann hatte er sich bewegt und sie hatte erkannt, dass es für ihn unbequem war und er sie loswerden wollte. Also war sie aufgesprungen – und hatte ihn verletzt.

Jemanden zu verführen hatte noch nie zu ihren Stärken gehört. Schon als Teenager hatte sie immer nur am Rand gestanden und zugeschaut, wie die anderen auf der Tanzfläche rummachten. Später war es auch nicht besser geworden. Was mit ein Grund dafür war, warum sie diesen Job brauchte. Denn nirgendwo sonst konnte sie so viel über Sex und Beziehungen lernen wie bei ihrer Sendung.

Manchmal glaubte sie, so weit zu sein, das Gelernte anzuwenden. Doch immer, wenn sie jemanden traf, den sie mochte, war derjenige mehr an einer schnellen Nummer interessiert als daran, dass sie seinen Körper mit ihrer Zunge erkundete. Was genau das war, was sie vor fünf Minuten mit Cash hatte tun wollen. Doch nun blutete er und war wütend und definitiv nicht an ihrer Zunge interessiert.

„Hören Sie, es tut mir wirklich leid, aber Sie hätten Ihren Kopf wegdrehen müssen.“

„Ich?“ Er starrte sie an, und ihr wurde ganz heiß. Gleich würde er ihr sagen, was für ein Trampel sie war. Doch stattdessen lachte er nur. „Also war mein großer Kopf an allem schuld?“

Sie schaute ihn überrascht an. Er war nicht böse. Lächelnd richtete sie den Blick wieder auf die Straße.

Er nahm die Taschentücher von seinem Mund und drehte sich zu ihr. „Wie sieht es aus?“ Seine Lippe war geschwollen und mit Blut verschmiert.

„Gut. Man sieht es kaum.“

Sie lachten wieder und fingen dann an, einander mit ihren schlimmsten Verletzungsgeschichten zu beeindrucken, bis Cash aus dem Fenster schaute und fragte: „Wo sind wir hier?“

„Thornleigh.“

„Thornleigh? Der Vorort von Sydney?“

„Ja. Hochburg der Hausfrauen und Privatschulen. Und von BDSM.“

„Sie machen Witze.“

„Nein. Hier wohnt Miss Kitty. Zu ihren Kunden zählen einige der bekanntesten Bewohner der Stadt. Prominente, Fernsehstars, Fußballspieler. Jeder mit einem dicken Konto geht zu Miss Kittys Partys.“ Faith warf ihm einen Blick zu und fragte sich, ob Miss Kittys Welt wohl eher seine wäre.

„Was sind das für Partys?“

„Ich bin erst auf einer gewesen. Da wurden Männer an Hundeleinen herumgeführt und Frauen der Hintern versohlt.“

Bei ihrem ersten Besuch war sie ein wenig eingeschüchtert und verängstigt gewesen, doch dann hatte sie erkannt, dass jeder Mensch auf seine Weise Vergnügen fand.

„Das klingt nicht sonderlich sexy.“

„Es geht dabei mehr ums Gefühl. Die Kontrolle zu haben oder sie abzugeben. Wie ich schon sagte, Sex ist nicht immer nur Sex.“

„Stehen Sie darauf?“, fragte Cash leise. Es klang, als wäre er wirklich an ihrer Antwort interessiert. Als wäre ihr Fehler von vorhin vergessen. Als ob er sie trotzdem mochte.

„Nein, aber ich versuche gerne, Beziehungen zu verstehen. Der Wunsch, dominiert zu werden oder zu dominieren, hat viel mit dem zu tun, was ein Mensch außerhalb des Schlafzimmers benötigt. Unsere Einstellung zum Sex wird von unserem Leben bestimmt – von unseren Ängsten, unserer Vergangenheit, unserem eigenen Körpergefühl.“

Er streckte die Hand nach dem Radio aus und stellte es an.

„Klingt, als wenn Sie da ganz schön viel hineininterpretieren.“ Er starrte geradeaus. „Meiner Erfahrung nach hat Sex nichts damit zu tun, wie man sich fühlt, sondern nur damit, was man will. Was üblicherweise Macht ist. Wer sie hat, wer sie haben will. Und sobald man die Macht hat, kann man andere dazu bringen, alles zu tun, was man will.“

Faith hatte mit einem Mal einen ganz trockenen Mund. „Sie schlafen mit Frauen, um Macht über sie zu erhalten?“

Sie spürte seinen Blick heiß auf ihrem Gesicht und wusste, dass er sie so eindringlich anschaute, wie er es oft tat.

„Ich habe Sex zum Vergnügen. Gefühle spielen dabei keine Rolle. So wird auch niemand verletzt.“

„Irgendjemand wird immer verletzt.“

Darauf erwiderte Cash nichts, sondern blickte einfach schweigend aus dem Fenster.

Miss Kitty war schlecht gelaunt. Es hatten viele Gäste abgesagt. Offenbar hatte in der Nähe ein Konkurrent aufgemacht, der billigere Preise bot.

„Als wären wir ein Supermarkt.“ Kitty hatte hellblaue Haare und schwarze Fingernägel, unterschied sich ansonsten aber nicht von den anderen Frauen in diesem Vorort. Sie trug Jeans und ein langes weißes Oberteil, dazu eine bunte Perlenkette.

Während der Tour durch den Dungeon im Keller des Hauses beobachtete Faith ihren Chef. Cash machte nicht den Eindruck, als fühle er sich hier wohl. Er hatte keinerlei Interesse an Seilzügen und Fesseln. Er wollte nicht einmal die beeindruckende Peitschensammlung anfassen.

„Können wir uns eine Minute alleine umschauen?“, fragte Faith. Miss Kitty verschränkte die Arme über der Brust und schaute sie an.

„Was ist mit ihm?“ Sie nickte in Cashs Richtung.

Faith zwinkerte ihr zu.

„Um den kümmere ich mich.“

Kitty nickte und ging. Die Tür fiel leise hinter ihr ins Schloss. Mit einem Mal wirkte der Raum dunkler und unheimlich still. Stille. Die hatte Cash sich vorhin gewünscht. Doch nun wirkte er so, als fühle er sich unwohl.

„Ich denke, ich habe genug gesehen.“ Er ging in Richtung Tür, aber Faith war schneller. Sie legte eine Hand auf seinen Unterarm und hielt ihn zurück.

„Bitte, noch einen Moment.“ Sie musste ihn dazu bringen, zu verstehen, worum es hier ging und warum die Menschen davon erfahren sollten. „Schauen wir uns noch ein wenig um.“

In dem dämmrigen Licht wirkte Cash größer, düsterer und verärgerter. Faith erschauerte. Seine grimmige Miene sollte ihr Angst machen, doch stattdessen fühlte sie sich von ihm angezogen. Sie ließ ihn los und trat an den mit Leder bezogenen Massagetisch, der an einer Wand stand.

„Das hier ist der Peitschentisch“, erklärte sie, und er kam näher, um ihn sich anzuschauen.

„Das klingt barbarisch.“

„Hier unten geschieht nichts, was Sie nicht wollen. Es gibt Regeln, damit alle sich sicher fühlen.“

„Jemanden zum Vergnügen auszupeitschen hört sich nicht sonderlich sicher an.“

Er verschränkte die Arme vor der Brust, und Faith verspürte ein Ziehen im Unterleib. Sie erkannte das Gefühl. Hatte es schon viele Male zuvor empfunden. Es war Lust. Doch die durfte sie weder hier noch für diesen Mann empfinden.

„Sicherheit hat mit Vertrauen zu tun. Wenn man jemandem vertraut, lässt man ihn Dinge tun, die man normalerweise nicht zulassen würde“, sagte sie.

„Es ist gefährlich, einem anderen Menschen zu vertrauen.“

Er trat näher an den Käfig, zu dem Faith hinübergeschlendert war, und stemmte die Hände links und rechts an den Türrahmen. Seine Nähe ließ Faith’ Herz schneller schlagen. Er wirkte immer noch groß und böse. Und überhaupt nicht sicher.

„Wenn Sie niemandem vertrauen, können Sie nie Sie selbst sein. Ist das nicht furchtbar anstrengend? Stets eine Maske zu tragen und zu versuchen, alle auf Armeslänge von sich fernzuhalten?“, fragte sie.

„Ich bin ich selbst. Und ich tue nicht so, als wäre ich jemand anderes.“

„Aber warum vertrauen Sie dann niemandem?“

Ein Schatten fiel über sein Gesicht. Seine Augen wurden dunkel, und er presste die Lippen aufeinander. „Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Sie zu viele Fragen stellen?“

Faith machte einen Schritt zurück, als Cash den Käfig betrat. Darin war gerade ausreichend Platz für zwei. Cash berührte sie nicht, doch sie spürte die Hitze, die von seinem Körper ausging.

„Ich bin Journalistin, das gehört zu meinem Beruf.“

„Gute Journalisten reden nicht – sie hören zu.“ Seine Stimme war gefährlich tief geworden. Er füllte den Platz mit seinem Körper und seiner Wärme und dieser Stimme. Faith fühlte sich ein wenig überwältigt. Doch irgendetwas geschah mit ihr. Hier im Halbdunkeln fühlte sie sich mutiger. Kühner. Sie hob die Hände, um die Stäbe rechts und links zu fassen, und reckte ihr Kinn.

„Jetzt höre ich zu.“ Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt. Seine dunklen Augen hielten ihren Blick fest, und etwas Warmes, Verwegenes stieg in ihr auf. Vertrauen. Sie vertraute ihm. Vorsichtig löste sie ihre Hände von den Gitterstäben und legte sie an seine Brust; bewegte ihre Finger, massierte ihn sanft, um ihn dazu zu bringen, sich zu entspannen.

„Wirklich?“, fragte er rau. „Hören Sie mir wirklich zu?“

Ihre Hände strichen nach oben, bis sie seinen Hals erreichten. Dieser Ort mit seinen Versprechungen von Schmerz und Abgeschiedenheit ließ ihr Herz schneller schlagen. Sie wollte Cash berühren, wollte erfahren, wie er sich anfühlte. Die kleinen Härchen an seinem Nacken piksten an ihren Handflächen – ein Gefühl, das ihr durch und durch ging. Seine Augen. Sie waren so dunkel. So weich. Sie sah nichts anderes. Nur seine Augen.

„Manchmal sagen Menschen nicht immer das, was sie meinen“, murmelte sie, während ihr Atem schneller wurde. Sie spürte, wie ihre Brüste sich schwer hoben und senkten, als ihre Hand sich seinem Mund näherte. Sie wollte nur seine Lippen berühren – mehr nicht. Er hielt sie nicht auf.

Sein Blick traf ihren, und sie wusste, was er fühlte. Seine Lider waren schwer, sein Körper strahlte noch mehr Hitze ab, seine Muskeln spannten sich an. Dann berührte sie mit ihrem Daumen ganz sanft seine Unterlippe, und das Verlangen verwandelte sich in etwas anderes. Etwas Verzweifelteres. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und fürchtete und sehnte sich gleichzeitig nach dem Gefühl seiner Lippen auf ihren.

Die Berührung war flüchtig. Kaum mehr als ein Hauch. Doch ein Hauch, der Faith’ gesamten Körper erbeben ließ. Sie zog sich zurück, wagte es, ihm kurz in die Augen zu schauen, die sich langsam öffneten, als hätte er sie bei der Berührung ihrer Lippen geschlossen.

Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, also stellte sie sich erneut auf die Zehenspitzen und presste ihren Mund sanft auf seinen. Doch seine Reaktion hatte nichts Sanftes. Er drängte sie zurück, bis ihr Rücken gegen die Gitterstäbe gedrückt wurde. Ein kleines Keuchen entkam ihren Lippen, und für den Bruchteil einer Sekunde überlegte sie, ihn von sich zu stoßen, denn das hier würde nicht gut enden. Doch dann traf sein heißer Atem auf ihre Lippen, und sie konnte an nichts mehr denken außer an ihn. An seine Wärme, seine Härte, seine Reaktion auf ihre Zunge, die über seine Unterlippe strich. Große Hände packten ihre Handgelenke und drückten sie gegen die Gitterstäbe. Seine Hüfte drängte sich an ihre und sie fühlte ihn – groß, stark und wütend.

„Wo hast du gelernt, so zu küssen?“, grollte er, was ihr ein kleines, triumphierendes Lächeln entlockte.

Sie hatte die Kontrolle. Er wollte sie, das spürte sie. Ihr wurde ganz schwindelig. Sie konnte ihre Hände nicht bewegen, also schob sie den Kopf vor. Sie wusste nicht, woher dieser Mut gekommen war. So hatte sie noch nie jemanden geküsst. Doch es war, als kenne sie Cash, wüsste, was er wollte. Es fühlte sich einfach richtig an.

„Es gibt vieles, was du nicht von mir weißt“, sagte sie leise und senkte den Blick auf seine Lippen. Er reagierte sofort und küsste sie mit einer Heftigkeit, die sie noch nie erlebt hatte. Seine Hände umklammerten ihre Handgelenke, seine Zähne drängten sich ein wenig zu fest gegen ihre Lippen. Das gefiel ihr. Sie wollte mehr. Sie stöhnte vor Lust wohlig auf, woraufhin er seine Zunge über ihre Lippen gleiten ließ und sie endlich … endlich richtig küsste. Tief und sinnlich.

So war sie noch nie geküsst worden. Nicht mal damals … nein, daran wollte sie nicht denken. Sondern nur an ihn. Seine Küsse, seine Lust, sein Verlangen.

Ihre Lider senkten sich langsam und ihre Gedanken verschwammen, doch als er ihre Handgelenke losließ, wurde sie abrupt in die Gegenwart zurückgerissen.

„Du vertraust den falschen Menschen, Faith.“

Sie riss die Augen auf. Er löste sich von ihr.

„Nein. Ich vertraue dir.“ Sie war wie betrunken von seinem Kuss und beugte sich vor, um seine Lippen noch einmal auf ihren zu spüren, doch er wich ihr aus. Seine Augen waren nicht mehr weich, sondern hart und kalt, und sie erkannte, dass er sie zurückstieß. Verlegenheit brannte heiß in ihr. Dann regte sich Zorn in ihr. „Du fühlst es auch, das weiß ich. Warum küsst du mich dann nicht weiter?“

„Weil ich es nicht will.“

„Das stimmt nicht. Ich sehe es in deinen Augen, wie sehr du es willst.“

„Tu ich nicht.“

Faith’ Herz schlug schneller in ihrer Brust. Sie hörte ihn, aber sie glaubte ihm nicht. In ihrem Kopf stiegen die Erinnerungen daran auf, wie seine Finger vorhin über ihren Rücken geglitten waren, wie er mit ihren Haaren gespielt hatte. Wie leidenschaftlich er sie eben noch gehalten hatte, um sie zu küssen. Er wollte sie, daran gab es keinen Zweifel. Sie erinnerte sich an den Ausdruck in seinen Augen, als sie einander in Patricias Garten in den Mund geatmet hatten. Da war etwas zwischen ihnen, das spürte sie ganz genau. Doch er behauptete das Gegenteil.

„Du hast Angst, das sehe ich. Aber die musst du nicht haben. Du kannst mir vertrauen.“

Cash schwieg. Er beobachtete sie nur. Sein Blick glitt zu ihrem Mund und zurück zu ihren Augen. Er hielt ihren Blick fest. Einen Herzschlag lang. Dann noch einen.

„Was, wenn ich keine Angst habe? Was, wenn ich einfach nur nicht interessiert bin?“

Nicht interessiert. Faith lief ein kalter Schauer über den Rücken. Er empfand nicht das Gleiche wie sie. Der Käfig war mit einem Mal zu eng. Sie musste hier raus. Doch er sprach einfach weiter. „Es tut mir leid, Faith. Du willst jemanden, der dich liebt, und ich habe dir gesagt, dass ich nicht an die Liebe glaube.“

„Ich … ich …“ Das war genau, was sie wollte. Was jeder wollte. Aber im Moment wollte sie nur, dass er sie erneut küsste. „Ich dachte, ich könnte dir vertrauen. Ich dachte, du wärst nett.“

„Tja, da hast du dich leider geirrt. Ich bin überhaupt nicht nett.“ Endlich trat er zur Seite und Faith konnte sich an ihm vorbei aus dem Käfig drängen. Dann straffte sie die Schultern, öffnete die Tür vom Dungeon und lief die Treppe hinauf. Erst draußen blieb sie stehen und atmete tief die frische Luft ein.

Wieder einmal hatte sie eine Situation falsch eingeschätzt. Hatte jemandem vertraut, der ihr Vertrauen nicht verdiente. Dabei hatte sie geglaubt, endlich erkennen zu können, wenn jemand sie mochte. Doch das tat Cash nicht. Auch ihm ging es nur um Sex.

Auf dem Weg zurück zu Cashs Wohnung lief das Radio mit voller Lautstärke. Was Faith nur recht war, denn so mussten sie nicht reden.

Als sie vor seinem Haus anhielt, spannte sich alles in ihr an. Er war nicht interessiert. Die Demütigung schien sie von innen heraus zu verbrennen.

„Faith, sollen wir darüber reden, was vorhin passiert ist?“

„Nein.“ Sie bedachte ihn mit einem gezwungenen Lächeln. „Das müssen wir nicht. Alles gut. Ich habe für einen Moment die Beherrschung verloren, doch das ist vorbei.“

„Ich würde gerne darüber reden.“

„Tja, ich nicht.“ Sie packte das Lenkrad fester, versuchte jedoch, eine entspannte Miene beizubehalten. Er sollte nicht wissen, wie sehr seine Worte sie verletzt hatten.

„Ich mag es nicht, Spielchen zu spielen, Faith. Ich mag es, wenn die Dinge … einfach sind.“

„Sex ist niemals einfach, das habe ich dir doch schon versucht, zu erklären. Irgendwann wird es immer kompliziert.“

„Nur, wenn man es zulässt.“

Faith war schlecht. Sie hatte geglaubt, er wollte sie so sehr wie sie ihn. Doch da hatte sie sich geirrt. Nun würde er sie nie wieder als Profi ansehen.

„Vielleicht ist dein Problem mit meiner Sendung gar nicht der Sex“, sagte sie. „Vielleicht bist du es. Hast du darüber schon mal nachgedacht?“ Langsam machte sich Wut in ihr breit.

„Es geht hier nicht um mich. Es geht um dich und darum, dass kein Werbekunde deine dumme Sexshow unterstützen will.“

„Meine Sendung ist nicht dumm. Im Gegensatz zu dir. Du hast ein Problem mit Intimität – und deshalb ein Problem mit meiner Sendung. Du hast Angst, dass ich die Leute davon überzeugen kann, dass die Liebe existiert, während du versuchst, sie davon zu überzeugen, dass sie es nicht tut.“

„Du willst wissen, warum ich deine Sendung einstelle, Faith? Weil du nicht objektiv bist. Du willst so sehr, dass Liebe die Lösung für alle Probleme ist, dass du alles andere übersiehst. Zum Beispiel, dass es Leute gibt, die nicht in dich verliebt sind, sondern einfach nur Sex wollen.“

Faith unterdrückte das Schluchzen, das ihr über die Lippen kommen wollte. All die schlimmen Erinnerungen kamen wieder hoch. An Mr. Turner. Er war älter als sie gewesen und war ihr so nett vorgekommen. Er hatte ihr das Gefühl gegeben, etwas Besonderes zu sein. Sie hatte ihm geglaubt, ihm vertraut. Hatte mit ihm Sex haben wollen, um ihm zu zeigen, dass ihr viel an ihm lag.

Doch dann hatten die anderen es herausgefunden, und er hatte sie nicht verteidigt. Hatte zugelassen, dass man sie auslachte und ihr gemeine Spitznamen gab. Dass man sie rauswarf. Ihr Vater hatte danach ein Jahr lang nicht mit ihr gesprochen, ihre Brüder zogen sie immer noch mit der Geschichte auf. Cash hatte recht. Mr. Turner hatte einfach nur Sex gewollt. Und zwar egal mit wem. Es war nie um sie gegangen.

Faith konzentrierte sich auf ihre Atmung und starrte in die Sonne, die ihr die Tränen aus den Augen brennen sollte. Cash redete einfach weiter; er schien gar nicht zu bemerken, welche Wunde er mit seinen Worten aufgerissen hatte.

„Die Entscheidung, deine Sendung einzustellen, hat weder mit dir noch mit mir, sondern einzig mit den fehlenden Einnahmen zu tun. Ende der Geschichte.“

Faith atmete tief durch. „Du tust mir leid, Cash. Dir geht es einzig ums Geldverdienen und nicht darum, gutes Fernsehen zu machen. Außerdem glaubst du nicht an die Liebe, was bedeutet, dass du das Hochgefühl nicht kennst, das einen erfasst, wenn man sich komplett in einem anderen Menschen verliert, oder den tiefen Schmerz, wenn man von jemandem, den man liebt, betrogen wird.“

„Woher willst du wissen, was ich schon gefühlt habe oder nicht?“ Seine Worte waren ein tiefes Grollen. Eine Warnung, die ihr einen Schauer über den Rücken jagte, den sie aber ignorierte.

„Ich weiß genau, was du fühlst. Nämlich nichts. Du bist einer dieser Männer, die ständig nehmen, aber niemals etwas geben. Ein Egoist, der glaubt, bestimmen zu können, was Menschen denken und fühlen, nur weil du es so willst.“ Jegliche Logik hatte Faith jetzt im Stich gelassen. Sie versuchte, so viele Worte wie möglich zu finden, die sie auf ihn abfeuern konnte. Sie wollte, dass er sich wehrte. Dass er etwas empfand, denn so kühl und gefasst, wie er da saß, fühlte sie sich nur noch mehr gedemütigt.

Eine Weile herrschte Schweigen.

„Du hast nicht den Alleinanspruch darauf, verletzt worden zu sein, Faith“, sagte Cash schließlich. „Das ist uns allen schon passiert. Nur haben wir anderen einen Strich darunter gezogen, während du weiter nach Antworten suchst, die du niemals finden wirst.“

„Ja, ich suche nach Antworten. Denn ich will wissen, warum. Nur darum mache ich das hier alles.“

„Warum was?“

Autor

Ally Blake
<p>Ally Blake ist eine hoffnungslose Romantikerin. Kein Wunder, waren die Frauen in ihrer Familie doch schon immer begeisterte Leserinnen von Liebesromanen. Sie erinnert sich an Taschen voller Bücher, die bei Familientreffen von ihrer Mutter, ihren Tanten, ihren Cousinen und sogar ihrer Großmutter weitergereicht wurden. Und daran, wie sie als junges...
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