Julia Extra Band 523

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NANNY GESUCHT – HAPPY END GEFUNDEN von SUSAN MEIER
Ein Skandal bricht los, Sophie muss weg aus Manhattan! Da kommt das Angebot des Milliardärs Wyatt White, als Nanny mit ihm nach Italien zu fliegen, genau richtig. Allerdings gibt es ein Problem: Wyatt ist Sophies Ex – und noch immer knistert es gefährlich zwischen ihnen …

DAS SALZ IN UNSEREN KÜSSEN von THERESE BEHARRIE
Eine Traumhochzeit auf Penguin Island soll Touristen anlocken: Für diese brillante Idee braucht die schöne Morgan dringend die Hilfe des sexy Tycoons Elliott Abel. Doch plötzlich ist der Preis zur Rettung ihrer Heimatinsel verhängnisvoll hoch: Elliott stiehlt ihr das Herz!

DAS ZIMMERMÄDCHEN UND DER STOLZE ITALIENER von CAROL MARINELLI
Zimmermädchen Alicias Herz rast, als sie sieht, wer im Hotel abgestiegen ist: Dante Schininà, dem sie einst ihre Unschuld schenkte. Er muss ihr bei der Suche nach ihrer verschwundenen Schwester helfen! Dante willigt ein – wenn sie dort anknüpfen, wo sie damals aufgehört haben …

STÜRMISCHE NACHT MIT DEM RIVALEN von MAYA BLAKE
Wie kann es nur sein, dass sie ausgerechnet für den größten Rivalen ihrer Familie dieses Verlangen empfindet? Amelie sollte den arroganten Atu Quayson aus ihrem tropischen Luxus-Resort werfen. Stattdessen beginnt sie mit ihm eine heimliche Affäre – mit süßen Folgen!


  • Erscheinungstag 13.09.2022
  • Bandnummer 523
  • ISBN / Artikelnummer 9783751512152
  • Seitenanzahl 450
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Susan Meier, Therese Beharrie, Carol Marinelli, Maya Blake

JULIA EXTRA BAND 523

SUSAN MEIER

Nanny gesucht – Happy End gefunden

Spontan bietet Wyatt seiner Ex Sophie an, als Nanny für seine Tochter mit ihm nach Italien zu fliegen. An Liebe verschwendet er keinen Gedanken – doch er hat auch Sophies Zauber nicht bedacht …

THERESE BEHARRIE

Das Salz in unseren Küssen

Seit Millionär Elliott Abel mit der wunderschönen Morgan auf Penguin Island eng zusammenarbeitet, fällt es ihm ungeheuer schwer, seinem Vorsatz treu zu bleiben: keine Nähe, keine Liebe!

CAROL MARINELLI

Das Zimmermädchen und der stolze Italiener

Er träumt wohl … Vor seinem Hotelbett steht Alicia – damals auf Sizilien seine Geliebte. Doch Milliardär Dante Schininà wird schlagartig hellwach, als er hört, was die aparte Schönheit von ihm fordert!

MAYA BLAKE

Stürmische Nacht mit dem Rivalen

Wie überzeugt man seine Rivalin? Der Unternehmer Atu Quayson will unbedingt Amelie Hayfords Resort kaufen. Er beschließt, verführerisch unfair zu spielen – und besiegelt damit sein eigenes Schicksal …

1. KAPITEL

Die Limousine hielt vor dem Montgomery, einem luxuriösen Wohnkomplex auf der Upper East Side in Manhattan. Behutsam nahm Wyatt seine acht Monate alte Tochter aus dem Kindersitz und hoffte, sie würde weiterschlafen, während er sie in das Tragetuch vor seiner Brust steckte.

Natürlich wachte sie auf und fing sofort wieder an zu schreien.

„Du brauchst eine Nanny“, bemerkte Cade.

Wyatt sah seinen Geschäftspartner und Freund eindringlich an, der eher wie ein lässiger Surfer aussah als ein erfolgreicher und gerissener Geschäftsmann.

„Was du nicht sagst, Cade. Allerdings hebt mein Flieger nach Italien in vier Stunden ab. Da bleibt mir keine Zeit, eine Kinderfrau zu interviewen und zu engagieren.“

„Wende dich an eine Agentur“, empfahl Cade.

„Ich lasse meine Tochter auf gar keinen Fall bei einer Fremden!“

„Für dich wäre die Frau eine Unbekannte, nicht aber für die Agentur. Die prüfen alle auf Herz und Nieren.“

„Das ist das blödeste Argument, das ich je von dir gehört habe.“

„Du bist zu wählerisch, Wyatt. Das ist nicht nur schlecht für deine kleine Darcy, nein, es wird uns den größten Deal unseres Lebens kosten. Dann wird Trace deinen Kopf fordern.“

Trace war der dritte Partner in der Holding, zuständig für das Lösen von Problemen. Cade übernahm die Analysen, und Wyatt selbst war der Vordenker, der Chancen erkannte und Wege, die zum Ziel führten. Auch das Verhandeln gehörte zu seinem Job.

Deshalb sollte er zum Comer See fliegen und mit dem Eigner Bonetti die Übernahme von dessen Reederei aushandeln. Er konnte nur hoffen, dass der alte Herr Kinder mochte, denn es blieb ihm nichts anderes übrig, als Darcy zu den Treffen mitzunehmen. Oder sie vorübergehend seinen spießigen, snobistischen Eltern zu überlassen … die bis jetzt nicht einmal wussten, dass sie ein Enkelkind hatten.

Er hatte selbst schwer genug daran zu schlucken, Vater zu sein, und war nicht dazu bereit, seine ständig missmutigen Eltern in seine Probleme einzubeziehen.

Der Fahrer kam zur Seitentür und öffnete sie, sodass Wyatt aussteigen konnte, mitsamt dem Baby, der Windeltasche und dem Aktenkoffer. Langsam wurde ihm alles zu kompliziert. Eine Nanny wäre tatsächlich die Lösung, nur musste es die Richtige sein. Diejenige, die am besten für Darcy war, hatte er noch nicht gefunden, obwohl er überall gesucht hatte.

„Ich ruf dich an, sobald wir in Italien sind“, informierte er Cade durch die offene Tür.

„Mir wäre es lieber, du rufst mich an, um mir zu sagen, dass du endlich eine Nanny engagiert hast“, antwortete der.

Der Chauffeur schloss die Tür und machte so dem Gespräch ein Ende.

Erleichtert wandte Wyatt sich dem Gebäude zu, das er sehr schätzte wegen der Ruhe, die in ihm herrschte. Normalerweise. Heute ging es hier emsig zu wie in einem Bienenstock: Möbelpacker trugen Lampen und Möbelstücke aus der Lobby und schafften sie in einen großen Umzugswagen.

Während er noch überlegte, warum sie nicht den Lift benutzten, entdeckte er die Buchstaben FBI auf den Rücken der schwarzen Jacken. Kurz hatte er das Gefühl, die Welt würde stehen bleiben.

Offensichtlich hatte jemand in diesem Haus ein Verbrechen begangen, das den Einsatz des FBI erforderte. Damit es allen klar wurde, benutzten sie nicht den Aufzug, sondern trugen den Besitz von jemand ganz offen aus dem Gebäude. Bestimmt würde die Szene in den Abendnachrichten auftauchen.

Darcy schrie immer lauter und holte ihn damit in seine Wirklichkeit zurück.

„Tut mir leid, Kleines.“ Er rieb ihr sanft den Rücken. „Ich weiß nicht, was ich verkehrt mache, und du kannst es mir nicht sagen. Ich würde doch alles tun, um dir zu helfen.“

Hoffentlich fand er bald die richtigen Methoden. Als sie vor einigen Monaten zu ihm gekommen war, hatte alles tadellos geklappt, aber jetzt konnte er anscheinend nichts mehr richtig machen.

„Pete“, rief er dem Portier zu. „Was ist denn hier los?“

„Ach, das wissen Sie nicht?“ Pete brüllte fast, um Darcys Weinen zu übertönen.

„In letzter Zeit bekomme ich vieles nicht mit“, gab Wyatt zu.

„Kein Wunder. Es hat hier einige Probleme gegeben. Erst legt man Ihnen Ihr Baby, von dem Sie nichts wussten, einfach in die Arme. Dann bekommt die alte Mrs. Remirez Lungenentzündung. Und jetzt wird Sophie delogiert.“

„Delogiert? Sophie?“

„Ja, Mr. White, Ihre Ex muss raus.“

„Sophie wird rausgeworfen?“, hakte Wyatt ungläubig nach.

„Nicht von uns, sondern vom FBI“, berichtete Pete. „Ihre Mom Erica hat das Apartment gekauft, wie Sie ja sicher wissen, und sie bezahlt auch die laufenden Kosten, aber wie es aussieht, ist sie verhaftet worden.“

Wyatt dachte an den Moment, als er Sophie kennengelernt hatte. Sie waren sich in der Lobby begegnet an dem Tag, als sie einzog. Es war für ihn wie ein Blitzschlag gewesen. Sie war groß, schlank, bildschön und so witzig, dass er sofort von ihr gefesselt war.

Noch am selben Abend hatte er sie zum Essen ausgeführt, bei dem sie ihm erzählte, ihre Mutter besäße eine kleine, aufstrebende Investmentfirma und habe das Apartment für einen Klienten erworben, der es selbst nicht nutzte. Deshalb war Sophie eingezogen.

Was sie dann über ihre Mutter berichtet hatte, machte ihm diese Frau unsympathisch: Sie hatte Sophie und deren Vater verlassen, als das Mädchen erst drei Jahre alt gewesen war. Da Sophie das „Resultat“ eines One-Night-Stands gewesen war und der Versuch, mit ihrem Erzeuger klarzukommen, sich als vergeblich erwiesen hatte, war es Erica egal gewesen, was aus Tochter und Mann wurde. Sie hatte beide fallen lassen.

Und nun beschlagnahmte das FBI das Apartment, was bedeutete, Erica hatte etwas wirklich Kriminelles getan.

Wyatt rieb sich den dunklen, äußerst gepflegten Bart. „Ist Sophie schon weg?“

„Nein, noch oben“, antwortete der Portier. „Sie ist nicht vorgewarnt worden, also denke ich, sie passt auf, dass die Beamten nichts von ihrem Eigentum mitnehmen.“

In Wyatt stritten sich Vernunft und Anstand um die Vorherrschaft. Es war schon drei Jahre her, dass er und Sophie ein Paar gewesen waren. Nachdem sie Schluss gemacht hatten, waren sie sich nicht mehr begegnet. Sie hatten andere Tagesabläufe, dazu hatte er einen direkten Privatlift in sein Penthaus. Da sie keine Verbindung mehr gehabt hatten, brauchte er sich jetzt auch nicht um sie zu kümmern. Oder?

Sophie hatte die Tatsache, keine Miete zahlen zu müssen, dazu genutzt, nur halbtags zu arbeiten und die freie Zeit ihrem Studium zu widmen, da sie unbedingt einen akademischen Abschluss erringen wollte. Zwar hatte sie erst mit einundzwanzig statt mit achtzehn zu studieren begonnen, aber das stachelte ihren Eifer nur noch an. Freunde hatte sie nicht viele.

Nun saß ihre Mutter vermutlich in irgendeinem Verhörraum, während ihr Vater wieder verheiratet war und weitere Kinder hatte. Um Sophie kümmerte er sich nicht viel. Sie war also allein gelassen.

Echtes Mitgefühl durchflutete Wyatt. Sophie war die netteste, liebste und lustigste Frau, die er kannte. Und jetzt war sie ganz auf sich gestellt.

Frustriert stöhnend machte er sich mit der immer noch brüllenden Darcy zum öffentlichen Lift auf. Er war kein Wohltäter, sondern ein eiskalter, erfolgreicher Geschäftsmann. Wie hatte es dann passieren können, dass er jetzt mit dem schreienden Baby unterwegs war, um zu checken, wie es seiner Ex-Freundin ging?

Hoffentlich stand ihm keine unschöne Szene bevor.

Nein, Sophie kann nicht mehr wütend auf mich sein, beruhigte er sich. Sie sollte das alles nicht allein bewältigen müssen, also war er bereit, ihr zu helfen, so gut es ging.

Der Lift hielt, die Türen öffneten sich, und Wyatt ging an den FBI-Agenten vorbei, die Sophies Möbel aus der Wohnung trugen.

Darcy kuschelte sich, vom Weinen erschöpft, an seine Brust. Er blieb an der offenen Tür stehen und sah Sophie auf einer Kiste inmitten des leeren Wohnzimmers sitzen. Sie wandte ihm den Rücken zu und blickte durchs Fenster, das vom Boden bis zur Decke reichte. Die blonden Locken fielen ihr wie eine Kaskade über die Schultern.

Die Erinnerung an die Anziehungskraft zwischen ihnen überrollte ihn wie ein Güterzug. Er war verrückt nach ihr gewesen. Mit ihr hatte jeder Tag einfach Freude gemacht.

Deshalb verdiente sie Besseres als einen arbeitssüchtigen Geschäftsmann wie ihn, der ihre Erwartungen niemals erfüllen würde. Er hatte die Beziehung beendet, als Sophie anfing, so mit ihm zu reden, als erwartete sie, dass sie beide für immer zusammenbleiben würden. Sie wollte Ehe, Kinder, ein Haus auf dem Land, also alles das, was das scheinbar bilderbuchmäßige Leben seiner Eltern ausmachte, das freilich reine Illusion war. Happy Ends gab es nur in Märchen, was sie wohl noch nicht wusste. Im Gegensatz zu ihm.

Ja, er hatte mit ihr Schluss gemacht, um ihr schlimmeren Kummer in der Zukunft zu ersparen. Hoffentlich hatte sie das in den drei vergangenen Jahren erkannt und war nicht länger böse auf ihn.

Wyatt ging in das weitläufige Wohnzimmer. „Hey“, grüßte er.

Schwach lächelnd drehte Sophie sich um und machte große Augen, als sie das Baby entdeckte. Da er mit ihr seit drei Jahren nicht mehr gesprochen hatte, wusste sie – wie die anderen Bewohner – nur das Nötigste über seine Vaterschaft.

„Hey“, grüßte Sophie zurück.

„Alles okay?“, erkundigte er sich.

Stolz richtete sie sich gerade auf. „Ja, alles okay. Klar, es ist nicht so toll, aus der Wohnung geworfen zu werden, aber ich wusste ja immer schon, dass ich nicht auf Dauer hier leben kann. Es war sowieso länger, als ich ursprünglich dachte.“

„Du hast nur noch ein Semester zu absolvieren, um dein Studium abzuschließen, stimmt’s?“

„Nein, es sind noch zwei, aber vielleicht mache ich gar nicht weiter. Es war ein Glücksfall, dass Mom dieses Apartment an der Hand hatte und einen Bewohner brauchte. Was ich bisher auf der Uni über Betriebswirtschaft gelernt habe, befähigt mich sicher schon, jemandes persönliche Assistentin zu werden oder ein Café zu managen. Oder so.“

Wyatt konnte seinen Ohren kaum trauen. Sophie hatte ihm einmal erzählt, sie wäre die glücklichste Person seit sie studieren durfte. Das konnte sie doch jetzt nicht einfach alles hinschmeißen.

„Du solltest auf jeden Fall weiter studieren.“

„Schau mal, manche Leute sind dazu ausersehen, Geschäfte zu führen und große Deals auszuhandeln. Du gehörst auf jeden Fall dazu.“ Sie lächelte ihn kurz an. „Andere wie ich sind nur sozusagen die Arbeitsbienen.“

„Unsinn! Du hast einen brillanten Verstand, du hast die Gabe, Menschen glücklich zu machen, ihnen Wohlbefinden zu schenken. Eines Tages wirst auch du eine bedeutende Rolle spielen und jemand mit Erfolgen sein.“

„Hör auf!“ Ihr Optimismus schwand sicht- und hörbar. „Ich brauche keinen Cheerleader, sondern eine gute Portion Realismus. Die hat man mir gerade serviert. Ich wusste, ich muss hier eines Tages raus, und ich hatte das Glück, drei Jahre bleiben zu dürfen.“

Dass sie so niedergeschlagen wirkte, ging ihm zu Herzen. Ihre Mutter war wirklich ein Scheusal.

Wyatt ging weiter ins Zimmer. „Wenn es eine Frage der Finanzierung ist, könnte ich dir das Apartment innerhalb weniger Tage wiederbeschaffen“, bot er im Flüsterton an, um Darcy nicht zu wecken.

„Ich will keine Almosen“, erwiderte Sophie, ebenfalls ganz leise.

„Es wären keine Almosen. Ich kaufe das Apartment, lasse dich hier wohnen, bis du dein Studium abgeschlossen hast, und verkaufe es dann mit Profit, wie ich den Wohnungsmarkt hier in Manhattan kenne. Je länger ich es habe, desto höher wird der Preis.“

„Hast du eigentlich gehört, was du gerade gesagt hast? Du lässt mich hier wohnen.“

Darcy fuhr aus dem Schlaf hoch, sah sich in der ungewohnten Umgebung um und stieß einen markerschütternden Schrei aus.

„Oh, ich habe sie geweckt. Das tut mir leid.“ Sophie sah schuldbewusst aus und stand auf. Sie trug gebleichte Jeans und ein gelbes T-Shirt, die seidigen blonden Haare reichten ihr bis zu den Ellbogen.

Der Anblick raubte Wyatt fast den Atem, und er brauchte einen Moment, bevor er antworten konnte.

„Nein, Sophie, du bist nicht schuld an ihrem Elend. Sie ist schon die ganze Woche schlecht drauf, und ich habe keine Ahnung, was mit ihr nicht stimmt.“

„Wie alt ist sie?“, fragte Sophie und kam näher.

„Acht Monate. Ungefähr.“

„Hat sie Zähne?“

„Was? Sie ist ein Baby! Babys haben keine Zähne“, erklärte Wyatt kühl.

Ungläubig sah sie ihn an. „Ja, aber sie bekommen welche, und zwar manche Kinder schon mit drei Monaten. Warte einen Moment!“

Sie eilte in die Küche, wusch sich gründlich die Hände und trocknete sie an Küchenpapier ab, bevor sie wieder zu ihm kam.

„So, jetzt dreh mal ihren Kopf zu mir hin“, wies sie Wyatt an.

Er gehorchte. Sanft öffnete Sophie die Lippen der Kleinen und schob ihr einen Finger in den Mund.

„Schon gut, meine Süße. Dein Daddy ist ein Anfänger, aber ich kenne mich aus, denn ich habe zwei kleinere Geschwister und habe das bei denen mitgemacht.“ Behutsam strich sie mit dem Finger über Darcys Zahnfleisch. „Da haben wir es ja: Zwei Zähne kann ich im Unterkiefer schon fühlen.“

„Und das Zahnen tut so weh, dass sie die ganze Zeit schreit? Warum weiß ich das nicht?“, fügte Wyatt fassungslos hinzu.

„Das frage ich mich auch“, meinte Sophie. „Ich hätte gedacht, du hättest dich längst über alles schlau gemacht, was Babys und ihre Pflege betrifft.“

Wann hätte ich denn Zeit haben sollen, wo ich mich die ganze Zeit um die Kleine kümmere und zusätzlich um unsere Firma? dachte er missmutig.

Allein der Gedanke erschöpfte ihn. Da stieg ihm der Duft von Sophies Shampoo in die Nase und er war ihr so nahe, dass er die Sommersprossen auf ihrem Gesicht sehen konnte. Plötzlich prickelte sein Körper bei der Erinnerung daran, wie seidenglatt und weich sich ihre Haut angefühlt hatte.

Sophie strich weiter über Darcys Zahnfleisch und erklärte dabei: „Ja, Zahnen tut weh, und es ist für ein Baby ein neues, erschreckendes Gefühl. Es hilft, wenn man das Zahnfleisch sanft massiert. Und es gibt Hilfsmittel, auf die das Kind beißen kann.“

„Du meinst, so etwas wie Kauspielzeug für Hunde?“

„Ja, so ähnlich. Nur nennt man es Beißring. Es gibt welche, die man mit Wasser füllt und im Eisfach frieren lässt. Die lindern dann durch die Kälte sogar den Schmerz. Und es gibt sie in jeder Drogerie oder Online.“

„Oh, das ist gut.“ Wyatt seufzte erleichtert.

Die Massage hatte Darcy beruhigt, aber der Frieden würde wohl nicht lange dauern.

„Dann muss ich sofort in die nächste Drogerie“, verkündete er. „Und du wehre dich nicht länger dagegen, dass ich die Wohnung für dich zurückkaufe, sondern lass mich das einfach für dich tun.“

Sophie schüttelte den Kopf. Wie konnte Wyatt so ahnungslos sein, zu glauben, dass sie ihm erlaubte, das Apartment zurückzukaufen und ihr dann zu gestatten, hier zu wohnen.

Eher würde man in der Hölle frieren, als dass sie ihm erlaubte, irgendetwas für sie zu tun. Dieser große, dunkelhaarige, gut aussehende, sexy Mann mit dem gepflegten Bart hatte ihr das Herz gebrochen. Es war in so viele Stücke zersprungen, dass sie gezweifelt hatte, ob sie es jemals wieder kitten könnte.

Auf gar keinen Fall würde sie, Sophie Sanders, sich von Wyatt White abhängig machen!

Sie würde von niemandem mehr abhängig sein. Ihr Vater hatte eine neue Familie, ihre Mutter war eine Diebin und Lügnerin, der Mann, der ihr jetzt versuchte zu helfen, hatte sich als nicht vertrauenswürdig herausgestellt. Also gab es nur eins: Sie würde von jetzt an auf eigenen Füßen stehen.

Sie war fast fünfundzwanzig, sie hatte Erfahrung als Kellnerin und beinah einen Universitätsabschluss. Sie würde schon etwas finden, um sich über Wasser zu halten. Klar, sie musste hier wegziehen, aber es gab schlimmere Schicksalsschläge.

„Also, Wyatt, du brauchst dir meinetwegen keine Sorgen zu machen“, versicherte Sophie ihm.

„Du bist so was von stur“, warf er ihr vor.

„Ich stur?“ Sie lachte spöttisch. „Und wer hier engagiert nicht mal eine Nanny?“

„Ich habe schon ganz viele Nannys engagiert“, verteidigte er sich.

„Ja, weil du keine von ihnen behältst.“

Auch wenn sie sich schon vor drei Jahren getrennt hatten, wusste sie aus dem Klatsch im Haus davon, dass seine frühere Freundin ihm das Baby überantwortet und sich dann abgesetzt hatte. Wyatt hatte nichts von der Schwangerschaft gewusst, aber er hatte seine Verantwortung nicht geleugnet. Insofern war es seltsam, dass es keine Nanny bei ihm aushielt. Die Portiers hatten schon Wetten laufen, nach wie vielen Tagen die neueste Nanny mit ihren Habseligkeiten durch die Lobby eilen würde, um das Haus endgültig zu verlassen.

„Ich habe noch keine behalten, weil bei jeder irgendetwas nicht gepasst hat“, erklärte Wyatt und sah auf Darcy hinunter. „Sie hat ja gar nicht wieder angefangen zu weinen.“

„Die Massage wirkt noch nach. Und es würde deiner Tochter weiter nutzen, wenn du schon einen der Beißringe besorgt hättest, die ich dir eben beschrieben habe.“

Er kniff die Augen leicht zusammen und runzelte die Brauen. Sie kannte den Blick. Wyatt kalkulierte etwas im Kopf.

„Du hast das alles gelernt, als du mit deinen kleinen Geschwistern geholfen hast?“, wollte er schließlich wissen.

„Ja, ich habe bei meinem Vater gewohnt, bis ich achtzehn war. Da war er dann wieder verheiratet. Und da habe ich einiges aufgeschnappt, indem ich meine Stiefmutter beobachtete.“

„Du weißt also eine Menge über Kleinkinder?“

„Ich weiß ein bisschen über Babys“, korrigierte Sophie ihn.

„Folgendes: Ich muss heute Nachmittag an den Comer See fliegen und in den nächsten zwei Wochen über den Kauf einer Reederei verhandeln.“

Der Themenwechsel verblüffte sie. „Ist das jetzt Prahlen oder Jammern?“

„Ich brauche unbedingt jemanden, der mir mit Darcy hilft“, erklärte er. „Ich kann sie nicht zu den Besprechungen mitnehmen. Das habe ich zwar schon öfter getan, seit sie bei mir ist, aber der Deal in Italien ist eminent wichtig.“

Jetzt verstand sie den kalkulierenden Blick! „Bittest du mich gerade, dich zu begleiten und mich um dein Kind zu kümmern?“, fragte sie unumwunden.

Wyatt war verlegen. „Ich weiß, das klingt schrecklich von mir, aber du brauchst Geld und eine Wohnung, ich brauche jemanden für Darcy. Ich würde dich großzügig bezahlen. Bezahlen“, betonte er. „Für deine Hilfe. Es wäre kein Almosen.“

Vorerst schwieg sie, obwohl das verdiente Geld ihr natürlich sehr helfen würde, die Kaution für eine eigene Wohnung zu bezahlen.

„In vier Stunden geht es los“, erklärte Wyatt weiter. „Ich gehe jetzt zur Drogerie. Inzwischen hast du Zeit zum Überlegen. Zwei Dinge solltest du dabei unbedingt bedenken: Erstens mache ich das Angebot nur dieses eine Mal. Wenn du ablehnst, wende ich mich in Italien an eine Agentur, denn ich brauche unbedingt eine Nanny für Darcy. Ich würde eine Person vorziehen, die ich kenne und die weiß, was das Baby benötigt. Du fällst in beide Kategorien. Zweitens: Was glaubst du, wie lange es dauert, bis die Presse Wind von dem hier bekommt?“ Er wies auf das leer geräumte Apartment.

„Die Presse?“, wiederholte Sophie verwundert.

„Das FBI spaziert nicht eine Straße in der Upper East Side rauf und runter, ohne dass die Medien es bemerken.“

„Das macht mir keine Sorgen“, behauptete sie. „Ich bin ja nicht die Diebin.“

Er lachte kurz. „Genau das macht es zu einer schönen Story. Unschuldige Tochter einer unterschlagenden Mutter verliert ihr Zuhause. Die Reporter spüren, dass du beunruhigt bist. Sie vermuten, dass du einiges über deine Mutter weißt, was ihnen eine saftige Geschichte liefert.“

„Ich habe Mom nicht mal gesehen, als sie mir dieses Apartment anbot. Ich habe damals lediglich die Schlüssel vom Portier ausgehändigt bekommen. Und Mom und ich treffen uns nicht zum Shoppen oder zu Mädelsabenden. Ich weiß gar nichts von ihr. Sie hat nur an mich gedacht, weil ich gerade verfügbar war. Wenn ihre Sekretärin ein Apartment gebraucht hätte, hätte sie ihr das hier angeboten.“

„Für mich klingt das nach einer interessanten Geschichte“, meinte Wyatt.

Richtig, gab Sophie im Stillen zu. Das klingt fast wie die Episode einer Seifenoper. Und sie hasste es, bedauernswert zu erscheinen.

„Ich denke, du solltest die Stadt verlassen“, riet er ihr. „In zwei Wochen ist die Geschichte ein alter Hut, und du kannst inzwischen überlegen, was du sagst, wenn die Reporter dich doch finden. Und das werden sie, glaub mir.“

Da hatte er recht. Sie konnte also nicht, wie sie geplant hatte, vorerst zu ihrem Vater ziehen, weil man sie dort als Erstes suchen würde.

„Wenn du für mich arbeitest, kann ich dir die Hilfe meiner Anwälte und meiner PR-Leute zukommen lassen. Die können an deiner Stelle ‚kein Kommentar‘ sagen, und das Hunderte Male, wenn nötig. Sie können dich beschützen.“

Das klang wesentlich besser als sich vor Reportern in einer schäbigen Wohnung zu verkriechen, musste Sophie zugeben. Wenn sie überhaupt eine fand.

Vielleicht verlor sie ja ihren Job als Kellnerin. Wobei das auch egal wäre, da sie damit gerade das Nötigste verdiente. Sie brauchte also einen Vollzeitjob … und den würde sie schwer finden, sobald ihr Name in den Zeitungen genannt wurde. Vor allem ein Job als Kellnerin in einem guten Restaurant, bei dem sie mit großzügigem Trinkgeld rechnen konnte, geriet dann außer Reichweite.

„Die PR-Abteilung kann dir helfen, das Narrativ zu steuern, oder noch besser, es zu entwerfen.“ Wyatt strich sich über den Bart. „Das heißt, wir müssen deine Geschichte korrekt und wahrheitsgetreu erzählen. Also werden meine Leute zwei, drei Absätze von Informationen zusammenstellen, die keinen Platz für Fragen lassen. Etwas, was du jedem sagen kannst, der dich auf deine Lage anspricht.“

Das klang gut. Sie konnte sich vorstellen, wie sie, den Kopf hoch erhoben, einige vorbereitete Sätze sagte, die sie vor den Reportern rettete und auch potenziellen Arbeitgebern ihre prekäre Lage erklärten.

„Sprich weiter“, forderte sie Wyatt auf.

„Danke, aber das war’s. Ich gehe jetzt in die Drogerie. Die Limousine steht um drei Uhr vorm Haus bereit. Lass dir von Pete deine Sachen nach unten bringen. Falls du nicht unten bist, muss ich eben in Italien eine Nanny einstellen. Obwohl ich nach wie vor finde, du wärst ideal für Darcy.“

Wyatt verließ den Raum. Als die FBI-Beamten so gut wie fertig mit Ausräumen waren, ging Sophie ins Schlafzimmer und packte ihre persönlichen Sachen ein. Dabei ließ sie sich Wyatts Angebot durch den Kopf gehen.

Ja, es klang verführerisch, aber sie konnte doch nicht mit ihrem Exfreund nach Italien fahren, der ihr das Herz gebrochen hatte.

Oder doch?

Ihre jetzige Lage war alles andere als rosig. Zwar schien das FBI überzeugt zu sein, dass sie von den Machenschaften ihrer Mutter nichts wusste, aber das würde ihre Geschichte für die Medien nur noch interessanter machen. Die als Kleinkind im Stich gelassene Tochter, ein Leben lang ignoriert … ja, das war der Stoff aus dem Boulevard-Artikel gemacht wurden. Von Klienten stehlen war schlimm. Mit dem eigenen Kind nicht mal reden? Das machte Erica Sanders-Wojack zu einem herzlosen Biest.

Ich brauche tatsächlich professionelle Unterstützung beim Formulieren meiner Geschichte, sah Sophie ein.

Und was genau kam auf sie zu, wenn sie Darcys Nanny wurde? Nur vorübergehend, natürlich. Sie würde die Kleine davor bewahren, zu den Meetings mitgeschleppt zu werden. Wie sie Wyatt kannte, konnten solche Besprechungen bis zu zwölf Stunden am Stück dauern. Diese ganze Zeit wäre das Kind im Tragetuch gefangen.

Das konnte man keinem kleinen Wesen zumuten!

Wenn die Besprechungen so endlos lange waren, bedeutete das auch, dass sie ihn kaum sehen würde. Dazu kam, dass die Trennung drei Jahre her war und sie den Liebeskummer überwunden hatte. Aus Schaden wurde man klug. Wyatt war ihr jetzt gleichgültig. Er hatte ihr wehgetan. Das würde sie nicht noch einmal zulassen.

Aber was tun? Wie sollte sie sich entscheiden?

Sie würde nicht ins Gefängnis kommen, aber ihre Geschichte würde für immer im Internet herumgeistern. Spätere Arbeitgeber würden auf YouTube sehen können, ob sie kühl und beherrscht reagiert hatte oder konfus und zornig.

Sie wäre gern zornig geworden. Auf ihre Rabenmutter, die sie beim Vater gelassen hatte, einem einfachen Arbeiter, der gerade das Lebensnotwendige verdiente. Für eine gute und teure Ausbildung hatte es nicht gereicht. Diese Chance war ihr erst zuteilgeworden, als sie in dem Apartment im Montgomery mietfrei wohnen konnte und ihr restliches Geld für sich verwenden.

Das sollte ihr alles entrissen werden, weil ihre Mutter Geld unterschlagen hatte. Wenn sie zu lange daran dachte, würde ihr noch der Kopf platzen! Sie wollte sich nicht in den Nachrichten oder im Internet sehen.

Wyatt hatte recht. Sie brauchte eine solide, gut geschriebene Version der Geschichte, in der sie weder als bedauernswert noch hitzköpfig rüberkam.

Außerdem würde sie eine Atempause weit weg von New York haben, bevor sie sich den Folgen der Vergehen einer Mutter stellen musste, die sie nicht einmal richtig kannte.

Ich wäre verrückt, wenn ich Wyatts Angebot ausschlage, sagte Sophie sich endlich.

2. KAPITEL

Als Sophie das Montgomery verließ, hatte sie einen großen Hut und eine Sonnenbrille aufgesetzt, um von Reportern nicht erkannt zu werden. Selbst trug sie eine Reisetasche sowie einen Kosmetikkoffer, einen Rollkoffer zog sie hinter sich her. Pete folgte ihr mit drei weiteren Koffern.

Wyatt, der an der Limousine lehnte, richtete sich auf. „Das ist aber viel Zeug für zwei Wochen.“

„Das ist alles, was ich habe“, erklärte Sophie und blickte auf das, was von ihrem bisherigen Leben übrig geblieben war. „Ich habe meine Wohnung verloren, weiß nicht wohin und weiß nicht, wo ich die Sachen abstellen könnte.“

Schuldbewusst verzog er das Gesicht. „Entschuldige, daran hatte ich gar nicht mehr gedacht. Aber egal, wie viel Kram du mitschleppst: Wir fliegen mit dem Privatjet, und in dem ist so viel Stauraum, dass du Waschmaschine und Trockner mitnehmen könntest.“

Sie wusste, dass er sie aufzumuntern versuchte, aber ihr war nicht nach Lachen zumute. Dazu war ihre Lage doch zu ernst.

Pete verstaute ihr Gepäck im Kofferraum, Wyatt wies auf Darcy im Tragetuch, die nun friedlich schlief.

„Ich warte im Wagen auf dich“, erklärte er und stieg ein.

Sophie wartete, bis Pete fertig war, dann wollte sie ihm ein Trinkgeld in die Hand drücken, aber er nahm es nicht an.

„Ich werde Sie vermissen, Kindchen“, sagte er gerührt.

Jetzt wurde ihr überdeutlich bewusst, dass sich ihr Leben gerade dauerhaft änderte. Sie würde Pete vielleicht nie mehr sehen, nie mehr Grund haben, durch diese Straße zu gehen, ja, nicht einmal mehr veranlasst sein, nach Manhattan zu kommen.

Ihr Herz pochte unregelmäßig, als sie das schöne Gebäude betrachtete, das drei Jahre lang ihr Zuhause gewesen war.

Mühsam lächelte sie den Portier an. „Ich werde Sie auch vermissen, Pete.“

Er ging ins Montgomery zurück, sie stieg in die Limousine.

„Freut mich, dass du dich entschlossen hast, mit uns zu kommen“, meinte Wyatt.

„Ja, nun, du hast schon immer ein Problem von allen Blickwinkeln aus beleuchten können“, gestand Sophie ihm zu. „Ich war vorhin so verdattert, dass ich an die Presse gar nicht gedacht hatte. An die Interviews und das ganze Spektakel. Es wundert mich, dass sie nicht schon vorm Haus auf mich gewartet haben.“

„Ich habe Pete Geld gegeben, damit er den Zeitungsleuten erzählt, du wärst durch den Liefereingang verschwunden und schon lange weg.“

Überrascht sah sie ihn an. Aber Wyatt dachte ja immer an wirklich alles.

Er lächelte, und ein kribbelndes Gefühl erfüllte sie. Sie war unterwegs ins wunderschöne, romantische Italien mit dem Mann, den sie einmal heiß geliebt hatte … um auf sein Kind aufzupassen.

Das ist keine Vergnügungsreise, hielt sie sich streng vor Augen. Und sie durfte nicht vergessen, dass sie ein Jahr gebraucht hatte, um über Wyatt hinwegzukommen.

Darcy wachte auf und wimmerte, bis Wyatt ihr einen Schnuller in den Mund schob.

Da wurde Sophie plötzlich eines bewusst: So wie sie war auch die Kleine von der Mutter schnöde im Stich gelassen worden. Ein Grund mehr, sich um das Kind zu kümmern und es davor zu bewahren, bei stundenlangen Treffen dabei sein zu müssen.

„Ich hoffe, sie schläft gleich wieder ein“, meinte Wyatt. „Übrigens, danke für die Tipps wegen des Zahnens. In der Drogerie hat man mich mit allem versorgt, und ich habe schmerzstillende Tinktur für mindestens zwei Wochen besorgt.“

„Das ist gut“, meinte sie und dachte dabei an etwas ganz anderes.

Die Situation hatte etwas Surreales: Der Mann, der sie hatte fallen lassen wie eine heiße Kartoffel, als sie an eine ernsthafte Beziehung mit ihm dachte, der Mann, der ihr gesagt hatte, er würde niemals heiraten und überhaupt nie Kinder haben wollen, dieser Mann hatte sie engagiert, damit sie sich um sein Baby kümmerte!

Das tat weh. Mit ihr wollte er keine Kinder, und plötzlich war er Anwärter auf den Titel „Vaters des Jahres“? Wie hatte das passieren können?

Sie lehnte sich zurück und atmete tief durch. Ich darf da nicht zu viel hineininterpretieren, ermahnte sie sich. Wenn sie sich Szenarien ausmalte, wie er so gut im Kinderhüten geworden war, würde sie nur das Gefühl bekommen, dass er sie belogen hatte was den Trennungsgrund betraf. Und was war dann der wahre Grund, warum er sie nicht mehr hatte haben wollen?

Hatte sie etwas falsch gemacht?

Oder stimmte etwas mit ihr grundsätzlich nicht?

Nein, sie durfte das alles nicht unnötig verkomplizieren!

Er brauchte jemand für Darcy, sie eignete sich für den Job. Da Wyatt viel arbeiten würde, brauchte sie ihn nicht oft zu sehen.

Ja, sie musste ihn bewusst ignorieren. Denn wenn sie sich in seinen blauen Augen verlor oder sich erinnerte, wie gut er im Bett gewesen war …

Die Luft im Auto schien plötzlich zu knistern, und Sophies Haut prickelte. Es war ja auch eine seltsame Situation, von seinem Ex-Freund als Nanny engagiert zu werden.

Aber es ging hier um Darcy, die auf Hilfe angewiesen war. Hilfe, die ich ihr leisten kann, da ich ihre Lage aus eigener Erfahrung kenne, sagte Sophie sich eindringlich.

Am Flughafen kümmerte sich das Personal effizient um das viele Gepäck und verstaute es innerhalb kurzer Zeit.

Wyatt ging zum Privatjet, Sophie folgte ihm mit ihrem Handgepäck und kam sich wie eine obdachlose Person vor … die sie genaugenommen ja war.

Im Jet stockte ihr kurz der Atem. Hier sah es aus wie in einem luxuriösen Wohnzimmer, mit Sitzen aus weißem Leder und einer Bar an der hinteren Wand.

Wyatt wies auf eine Tür. „Da ist ein Schlafzimmer. Sobald wir in der Luft sind, lege ich Darcy in ihr Bettchen.“

„Okay“, sagte sie nur. Sie fühlte sich wie ein Fisch auf dem Trockenen.

Er setzte sich und schnallte Darcy im Kindersitz neben ihm fest. „Tu deine Sachen doch da oben rein, und dann setz dich, wohin du möchtest“, meinte er.

Sophie nickte, verstaute ihr Handgepäck und setzte sich, wohlig seufzend, in einen der äußerst bequemen Sitze.

„Der Flug dauert etwa sieben Stunden“, informierte Wyatt sie. „Es gibt TV als Zeitvertreib. Das wird Darcy im Schlafzimmer nicht stören, weil der Raum schalldicht ist.“

„Ich bin versorgt“, erwiderte Sophie und hielt ihr Buch hoch.

„Gut. Und es stört dich nicht, wenn ich dann Football gucke?“

„Nein, gar nicht.“ Je weniger Kontakt, desto besser, fügte sie im Stillen hinzu.

Nachdem das Flugzeug abgehoben hatte und sich in Flughöhe befand, brachte Wyatt die Kleine ins Bett.

„Sie schläft tief und fest“, berichtete er anschließend.

„Schön“, meinte Sophie.

„Mal sehen, wie sich die Zeitverschiebung auf sie auswirkt“, gab er zu bedenken. „Und auf uns. Wenn wir landen, ist es in Italien früher Morgen. Am besten machen wir auch unterwegs ein Nickerchen, denn Signor Bonetti will mich sicher zeitnah sprechen. Da ich Trace versprochen habe, meine Tochter auf keinen Fall mit zu Besprechungen mitzunehmen, wirst du auf sie aufpassen müssen.“

„Dafür komme ich ja mit“, erinnerte sie ihn.

„Prima.“ Er machte es sich bequem und schaute sich das Footballspiel an.

Sophie betrachtete ihn unauffällig. Mit ihr hatte er Schluss gemacht mit der Begründung, dass er keine Kinder wollte, denn Ehe und Kinder wären wie Fallen. Und nun betreute er liebevoll seine kleine Tochter.

Hieß das, er hatte die Beziehung nicht wegen der Kinderfrage beendet? War das nur ein Vorwand gewesen? Weil der wahre Grund die Trennung viel komplizierter gemacht hätte als der klare Schnitt wegen unterschiedlicher Lebensvorstellungen?

Hat er mich damals angelogen, überlegte sie und schüttelte über sich den Kopf. Sie dachte mal wieder zu sehr über alles nach, und das nach diesem stressigen und ereignisreichen Tag.

Besser, sie las ein bisschen! Das tat sie … und nickte bald darauf ein.

Wyatt schaute das Footballspiel an, dann schlief er ein … und wurde kurz vor der Landung von Sophie geweckt.

Er eilte in den Schlafraum, wo Darcy in ihrem Bettchen fröhlich brabbelte. Ihre Windel war, wie er feststellte, sauber und trocken, also hatte Sophie sich offensichtlich schon darum gekümmert. Demnach brauchte er sein Töchterchen nur anzuziehen. Dann machte er sich frisch, und bald darauf waren sie gelandet und saßen in einer Limousine, die sie vom Flughafen zu der Villa nahe Bellagio brachte, die Signor Bonetti für sie gemietet hatte.

Obwohl es noch nicht richtig hell war, konnte Wyatt auf der kurzen Fahrt ausmachen, wie herrlich die Gegend war. Beeindruckende Berge rahmten den lang gestreckten See ein, an dessen Ufer sich malerische kleine Städte schmiegten.

Als sie schließlich vor das Haus gelangten, das in den kommenden zwei Wochen ihr Zuhause sein würde, und der Wagen hielt, atmete Sophie hörbar tief ein.

„Das ist ja eine hochherrschaftliche Villa“, bemerkte sie beeindruckt.

„Richtig“, bestätigte Wyatt mit einem Blick auf das dreistöckige, hell verputzte Gebäude, aus dem sofort zwei junge Männer kamen, um sich um das Gepäck zu kümmern.

„Du hast Personal engagiert?“, fragte sie erstaunt.

„Signor Bonetti meinte, das Personal wäre inklusive. Oder hättest du gern in den nächsten zwei Wochen gekocht und sauber gemacht?“

„Ich bezweifele, dass ich ein so großes Haus in zwei Wochen sauber bekäme“, erwiderte sie. „Vor allem, wenn ich auch noch kochen müsste … und mich um ein Baby kümmern. Das ist ja wirklich beeindruckend.“

„Und eine Verhandlungsstrategie“, erläuterte Wyatt. „Bonetti will demonstrieren, dass er genug Geld hat und nichts von uns braucht. Er kennt wirklich jeden Trick. Es wird harte Arbeit werden, ihm sein Unternehmen abzuringen.“

„Du klingst, als würdest du dich auf den Zweikampf freuen“, bemerkte sie, während sie ausstiegen.

„Erstens: Es geht ums Verhandeln, nicht ums Kämpfen.“ Wyatt hob die Kindertrage aus dem Auto. „Zweitens: Wenn etwas für mich kein Vergnügen ist, mache ich es nicht.“

„Was du nicht sagst!“ Den Kopf schüttelnd ging sie zum Haus.

Wyatt folgte ihr, wobei er dachte, sie ist wohl so bissig, weil sie zu wenig geschlafen hatte. Dann fiel ihm ein, dass sie ja zu den Dingen in seinem Leben zählte, von denen er sich getrennt hatte. Wahrscheinlich dachte sie also, er hätte sie für nicht „vergnüglich“ genug gehalten.

Was überhaupt nicht stimmte! Er hatte mit noch keinem anderen Menschen so viel Spaß gehabt wie mit ihr. Aber sie hatten nun mal unterschiedliche Lebensziele, und er wollte nicht erklären, warum er den Konzepten Ehe, Familie und Bindung misstraute.

Er wollte nicht zugeben, dass sein Vater seine Mutter betrog und sie das duldete. Dass die Ehe seiner Eltern reine Fassade war. Sein Vater hatte von Anfang an das Ehegelübde nicht ernst genommen, und seiner Mutter war es egal, so lange sie ihre Position in der sogenannten feinen Gesellschaft behielt.

Noch schlimmer war für ihn, dass sie ihn immer wie einen Ziergegenstand benutzt hatten. Er war der brillante Junge gewesen, den man Freunden vorführte, um diese zu beeindrucken.

Plötzlich verbanden sich diese Gedanken mit Sophies Reaktion auf seinen Kommentar zum Vergnügen und mit der Tatsache, dass er Darcy bei sich hatte.

Ich habe Sophie damals gesagt, ich will keine Kinder, und hier bin ich mit meinem Baby, erkannte er glasklar und hätte beinah aufgestöhnt.

Kein Wunder, dass sie seltsam reagierte, wenn er das eine behauptete und das andere tat.

Aber wie auch immer, dies war kein Date! Sie war als Nanny mitgekommen, er musste ihr also gar nichts über sich erklären. Vielleicht war es sogar besser, wenn zwischen ihnen eine gewisse Distanziertheit blieb. Dann brauchten sie nicht zu befürchten, dass die frühere Anziehung in der romantischen Umgebung erneut aufblühte.

Mache ich mir darüber tatsächlich Sorgen? fragte Wyatt sich

Nein! Sie waren seit drei Jahren getrennt. Da war der Funke unwiderruflich erloschen. Dumm von ihm, so etwas überhaupt erwogen zu haben.

In der Eingangshalle mit dem Kristallleuchter und dem Marmorfußboden, wollte Sophie die Babytrage an sich nehmen.

„Ich habe Darcy schon im Flugzeug ein Fläschchen gegeben“, informierte sie ihn.

„Dann wird sie ja eine Weile zufrieden sein“, meinte er und ließ die Henkel nicht los.

„Hungrig ist sie wohl nicht, aber vielleicht sollte ich sie baden und ihr etwas anderes anziehen“, meinte Sophie. „Es ist jetzt morgens, und es ist sicher nicht verkehrt, wenn wir gleich mit der Routine anfangen, die in den nächsten zwei Wochen ihren Tag bestimmt.“

„Das mache ich.“ Wyatt trat einen Schritt zurück, die Trage nicht loslassend.

Sophie machte einen Schritt nach vorn und wollte ihm das Baby wegnehmen. „Geh du und ruf Signor Bonetti an.“

Er ließ Darcy immer noch nicht los. „Er ruft mich an.“

„Hör mal, Wyatt, irgendwann musst du mir die Kleine auch mal überlassen, andernfalls bin ich keine Nanny, sondern nur eine Person, die sich dir für die Italienreise aufgedrängt hat.“

Nun wurde ihm unbehaglich zumute. Er wollte doch nur Darcy anders aufziehen, als er selbst hatte aufwachsen müssen. Er wollte sie nicht einfach an Nannys abschieben, so wie man es mit ihm gemacht hatte.

Freilich war Sophie keine Fremde. Sie war eine Frau, mit der er ein halbes Jahr zusammen gewesen war, eine Frau, die er gut kannte, die er mochte.

Seine Partner hatten recht: Er konnte sich nicht um Darcy kümmern und gleichzeitig Verhandlungen führen. Insofern musste er sich daran gewöhnen, das Baby auch mal anderen anzuvertrauen.

Ohne ein weiteres Wort reichte er die Babytrage an Sophie weiter. Die betrachtete ihn fragend. Wahrscheinlich überlegte sie, wie er zu einem Kind hatte kommen können und sich zu einem überbeschützenden Vater entwickelt hatte. Sollte er ihr das erklären?

In dem Moment meldete sich sein Handy. Bonetti wollte ihn sprechen. Um ungestört zu sein, ging er den Gang entlang auf der Suche nach dem Arbeitszimmer.

Nach den üblichen Begrüßungsfloskeln verabredeten sie ein Treffen um neun Uhr. Dann ließ Wyatt sich von einem Dienstmädchen den Weg zum Kinderzimmer erklären. Die Frau sprach perfekt Englisch, und sie erzählte ihm von ihren Kollegen, namentlich der Köchin, der Haushälterin, dem Gärtner und dem Chauffeur.

So viel Personal! Bonetti wollte offensichtlich Eindruck schinden und würde sich bei den Verhandlungen als harter Knochen erweisen, da war Wyatt sich sicher.

Er ging in den ersten Stock, öffnete die Tür des Kinderzimmers und blieb erst einmal stehen.

„Magst du dein Kleidchen?“, fragte Sophie gerade. „Du hast jetzt die längste Zeit diesen Pyjama angehabt, da bist du sicher froh, etwas anderes anzuziehen.“

Darcy brabbelte und gluckste, und Wyatt wurde das Herz ganz weit. So hatte die Kleine noch auf keine Nanny reagiert. Das konnte ja nur bedeuten, dass sie Sophie auf Anhieb mochte.

„Du achtest bestimmt auch noch nicht auf deine Figur, also werden wir deinen Daddy fragen, was du zum Frühstück bekommst.“

„Sie mag Pfirsiche“, mischte Wyatt sich ein.

Sophie wandte sich ihm zu. „Die mag ich auch. Das wird ein leckeres Frühstück.“

Das Baby lachte.

Das hatte Darcy noch bei keiner anderen Nanny getan. Die hatte sie alle offensichtlich nicht leiden können, also war es richtig gewesen, diese gleich wieder zu entlassen. Nicht er hatte die Wahl getroffen, das war seine Tochter gewesen.

Zufrieden mit diesem logischen Schluss ging er endlich ins Zimmer. Es war hell und freundlich eingerichtet, eine sanfte Brise kam durchs offene Fenster.

„Dann wollen wir mal die Küche und jemanden suchen, der uns Frühstück macht“, schlug Wyatt vor und streckte die Hände nach seiner Tochter aus.

„Damit du sie wieder in das Tragetuch steckst?“, meinte Sophie. „Nein, lass ihr doch mal etwas Abwechslung. Die ist schließlich die Würze des Lebens.“

Darcy lachte wieder, und ihm wurde klar, dass er keine Bedenken zu haben brauchte, sie Sophie zu überlassen, wenn er arbeitete.

„Du bist so süß“, sagte Sophie zu dem Baby. „Du hast Daddys blaue Augen und schwarze Haare, und dein Dad wird ganz verrückt werden wegen deiner Verehrer, wenn du erst mal sechzehn bist.“

„Das werde ich nicht! Ich kenne mich aus im Leben“, widersprach er.

Sophie verbiss sich hörbar ein Lachen. „Ach ja.“

„Ich weiß doch, dass sie später mit Jungen ausgehen will.“

„Wyatt, zerbrich dir nicht jetzt schon den Kopf darüber. Genieß es, so lange sie klein und niedlich ist.“

„Klein und niedlich ist sie – wenn sie nicht brüllt wie am Spieß“, meinte er. „Was sie zum Glück jetzt ja nicht tut.“

„Sie ist ein Goldstück!“

„Bei den anderen Nannys war sie das nicht. Da hat sie unaufhörlich geweint.“

„Warst du immer dabei, wenn Darcy ihre Nanny kennenlernte?“, fragte Sophie.

„Ja, ich habe sie auf dem Arm gehalten, um ihr ein Gefühl der Sicherheit zu geben, während sie sich an einen neuen Menschen gewöhnte“, berichtete Wyatt. „Wenn ich fand, sie wäre bereit, habe ich sie an die Frau weitergereicht, und prompt fing Darcy jedes Mal zu weinen an.“

Er blickte zu Sophie, die verständnisvoll lächelte.

„Wenn du so lächelst, möchte ich zurücklächeln“, stellte er fest. „Vielleicht ist das die Magie, die auch bei Darcy wirkt?“

„Ich denke eher, es liegt daran, dass ich schon zwei Mal mit der Kleinen allein war, als ich ihr frische Windeln gegeben und sie gefüttert habe. Da konnten wir uns ungestört bekannt machen. Sie dachte nicht daran zu weinen, damit du sie wieder nimmst, weil du ja nicht greifbar warst.“

Das klang sehr einleuchtend, fand Wyatt, sagte es aber nicht laut.

Nun gingen sie nach unten. Sophie fragte: „Und wohin jetzt?“

Da war wieder dieses Lächeln, das nicht nur anzeigte, dass sie ein glücklicher Mensch war, sondern auch, dass man bei ihr nicht ständig auf der Hut sein musste. Sie war so entspannt und fröhlich, dass er schon immer das Gefühl gehabt hatte, sie seit ewig zu kennen. Sogar am ersten Tag.

Plötzlich überkam ihn der Drang, ihr alles über Darcys Mutter zu erzählen, aber er unterdrückte ihn rasch. Allein schon an Shelly zu denken machte ihn wütend. Sie hatten eine Affäre gehabt, die gerade mal zwei Wochen gedauert hatte, und dann war sie spurlos aus seinem Leben verschwunden.

Manchmal dachte er zynisch, sie hatte nur schwanger werden wollen. Natürlich hatten sie über Verhütung gesprochen, als es ernst wurde, und Shelly hatte ihm versichert, sie hätte selbst dafür gesorgt. Dann stand sie etwas mehr als ein Jahr später vor seiner Tür, ein Baby auf dem Arm, und erzählte ihm, sie habe ein Jobangebot für Dubai, das sie einfach nicht ablehnen konnte. Also müsse er sich um Darcy kümmern.

Er war schockiert gewesen, als wäre eine Bombe vor ihm geplatzt.

Beunruhigend fand er, wie kaltblütig sie ihr Baby weggab. Ein Jahr lang hatte sie ihm verschwiegen, dass er ein Kind hatte, plötzlich stand sie in seinem Wohnzimmer und erklärte, jetzt wäre er dran mit Kindergroßziehen. Wenn Shelly nicht solches Interesse an ihrer Karriere gehabt hätte, wüsste er bis heute vielleicht gar nicht, dass er Vater war.

Wieder einmal erfüllte ihn heiße Wut, und er beruhigte sich so wie immer: Er sagte sich, wie sehr er Darcy liebte. Wie sie in seine Welt gelangt war, das zählte doch nicht.

Wyatt atmete tief durch, bevor er sagte: „Die Küche ist dort am Ende des Flurs. Es gibt eine Köchin, wie ich erfahren habe. Sag ihr, was du für Darcy und dich selbst möchtest. Ich muss jetzt duschen und mich präsentabel herrichten für das Treffen mit Bonetti. Ich komme zurück, sobald ich kann.“

Er lehnte sich vor und küsste seine Tochter sanft auf die Wangen.

„Lass dir ruhig Zeit mit dem Zurückkommen“, meinte Sophie.

„Nein, ich komme so schnell wie möglich.“

Er würde doch nicht länger als nötig auf das Zusammensein mit seiner Kleinen verzichten! Sie sollte nicht so einsam aufwachsen wie er. Wo doch ihre Mutter sie schon verstoßen hatte.

3. KAPITEL

Sophie verbrachte einen sehr angenehmen Tag mit Darcy. Sie lagen am Pool, die Sonne schien, es wehte eine sanfte Brise, die jetzt im frühen Juni herrlich nach Erde, Blumen und Seewasser duftete. Zwischendurch ließ sie sich von der Köchin Mrs. P. mit Essen versorgen, machte mit der Kleinen zwei Spaziergänge durch das ausgedehnte Grundstück und bewunderte die bunten Blumenrabatten im saftig grünen Rasen.

Abends war Wyatt noch nicht zurück, also brachte sie Darcy ins Bett, wobei sie sich dachte, dass hier wirklich der richtige Ort war, um sich zu entspannen und einen klaren Kopf zu bekommen.

Sie stand am Bettchen, da kam Wyatt ins Zimmer. Er trug noch den Anzug, hatte aber die Krawatte gelockert … und war ganz der sexy Geschäftsmann, wie man ihn aus der Werbung kannte. Ungebeten schossen ihr Erinnerungen an die Zeit mit ihm durch den Kopf, und nun verstand sie, warum sie so lange gebraucht hatte, um über Wyatt hinwegzukommen.

Er war attraktiv, kultiviert, und er arbeitete hart. In manchen Dingen war er ganz normal, in anderen hingegen einfach perfekt. Zum Beispiel, wenn er romantisch wurde. Niemand küsste so wie er.

Ihr stockte kurz der Atem, und sofort ermahnte sie sich, nicht unvorsichtig zu werden, sondern sich solche Erinnerungen nachhaltig aus dem Kopf zu schlagen.

„Darcy schläft schon?“, fragte Wyatt leise. „Die Besprechung hat viel länger gedauert als gedacht.“

„Es geht ihr gut. Du kannst ja morgens früher aufstehen, um Zeit für sie zu haben.“ Sophie lächelte schalkhaft. „Noch besser: Du stehst auf und kümmerst dich um sie, wenn sie heute Nacht aufwacht und weint.“

„Traust du mir das nicht zu?“, fragte er ernst.

„Entspann dich, Wyatt. Bei dir überrascht mich nichts mehr.“

Er ging einen Schritt näher zu ihr. „Tatsächlich?“

Seine Nähe verursachte ihr Herzklopfen, und ihre Haut begann zu prickeln. Sophie war versucht, etwas zu sagen, was nach Flirt klang. Ja, das eine kleine unschuldige Wort klang wie eine Einladung. Oder kam ihr das nur so vor?

Will ich mit Wyatt flirten? fragte Sophie sich. Wollte sie, dass er mit ihr flirtete?

Nein, sie sagte besser nichts, beschloss sie. Bestimmt hatte sie sich nur eingebildet, dass sein Ton ermutigend klang.

„Lass uns auf der Terrasse ein Glas Wein zusammen trinken“, schlug Wyatt vor.

Sophie hätte liebend gern zugestimmt, aber sie wollte nichts riskieren. Die Erinnerungen an die schöne gemeinsame Zeit waren noch zu lebendig.

„Danke, aber ich spüre noch den Jetlag und gehe lieber ins Bett“, lehnte sie ab.

„Wir müssen aber einiges besprechen.“ Er sah sie eindringlich an.

Ach, diese Augen! Blau wie der Ozean, dazu ernst und interessiert. Sie konnte seine Stimmung immer an seinen Augen ablesen.

„Wir haben noch nicht über deinen Lohn gesprochen. Vielleicht bist du mit meinem Angebot nicht einverstanden.“

Am liebsten wäre sie noch bei ihm geblieben, aber das wäre gefährlich. Allein mit ihm in einem duftenden Garten unter dem Sternenhimmel? Nein! Sie war nicht hier als frühere Geliebte, sondern bloß als Nanny. Ihr Verlangen erlosch schlagartig.

„Wenn mir dein Lohnangebot nicht gefällt, muss ich das nächste Flugzeug nach Hause nehmen“, erwiderte sie.

Wyatt lachte, seine Augen leuchteten. „Dann biete ich dir so wenig, dass du dir kein Ticket kaufen kannst und auf mich angewiesen bist, um zurück in die USA zu kommen.“

Jetzt hätte sie gern etwas Schlagfertiges gesagt. Hätte gern die Finger über seine Brust gleiten lassen, während sie ihm in die Augen sah und wusste, dass er ihr nicht widerstehen würde.

Jedes Mal, wenn sie beschlossen hatte, ihn zu verführen, war es ihr gelungen. Sie hatte sein Verlangen wecken können, Verlangen nach ihr, nur nach ihr, dem er leidenschaftlich nachgegeben hatte.

So viel Macht über einen Menschen zu haben war berauschend.

Ja, die erotische Anziehung zwischen ihnen war überwältigend gewesen. Darüber hinaus hatten sie sich auch in anderen Bereichen so gut verstanden, dass sie niemals vermutet hätte, er würde sich einfach von ihr trennen. Sie hatte ihm ihr Herz und ihre Seele zum Geschenk gemacht … und angenommen, er würde ähnlich empfinden. Aber das war wohl nicht so gewesen.

Auf keinen Fall durfte sie sich hier und jetzt wieder mit ihm einlassen. In New York würde er sie sofort wieder fallen lassen, und ihr bliebe nichts als genau der Liebeskummer, mit dem sie so unschöne Erfahrung gemacht hatte. So dumm, zwei Mal in dieselbe Falle zu tappen, war sie nicht.

„Reden wir morgen über meinen Lohn“, sagte Sophie sachlich. „Und mach mir ein großzügiges Angebot. Schließlich brauche ich Geld für die Kaution einer neuen Wohnung, für neue Möbel und neuen Hausrat. Gute Nacht, Wyatt.“

Rasch verließ sie das Kinderzimmer. Ihr Herz pochte wild, als sie ihr Zimmer betrat. Sie hatte gar nicht mehr daran gedacht, welche emotionale Macht Wyatt seinerseits über sie ausübte. Deshalb musste sie sich von ihm möglichst fernhalten. Kein gemeinsames Frühstück oder Abendessen. Keine Drinks am Abend.

Er war einfach zu sexy und maskulin, dazu ernsthaft, aber mit Sinn für Humor – kurz gesagt, ein unwiderstehlicher Mann. Sie hatte ihn so sehr geliebt, dass sie sich Ehe und Kinder mit ihm hatte vorstellen können. Er hatte nicht so für sie empfunden. Sie hatte ein Jahr gebraucht, um über ihn hinwegzukommen. Es wäre dumm von ihr, das zu vergessen. Sogar Freundschaft zwischen ihnen erschien ihr unter den gegebenen Umständen zu riskant. Sie musste einfach die kommenden zwei Wochen heil überstehen.

Am nächsten Morgen wachte Sophie bei strahlendem Sonnenschein auf. Vom Baby war nichts zu hören, dabei war es … schon fast neun Uhr! Sie sprang aus dem Bett und raste zum Kinderzimmer. Vor der Tür blieb sie stehen, denn sie hörte Wyatts Stimme.

Vorsichtig öffnete sie die Tür einen Spalt und blickte hindurch. Wyatt stand, schon in Anzug, am Wickeltisch und zog Darcy gerade einen Strampelanzug an, wobei er liebevoll mit ihr redete.

Und mit mir wollte er auf gar keinen Fall Kinder haben, dachte Sophie, zutiefst gekränkt. Tief durchatmend ging sie ins Zimmer.

Er sah lächelnd zu ihr. „Guten Morgen, Sophie. Ich habe dich ausschlafen lassen, weil du gestern so müde gewirkt hast.“

„Danke.“ Sie ging zum Wickeltisch.

Wyatt betrachtete ihr knappes Top und die Pyjamahose, und die Anziehungskraft zwischen ihnen beiden flackerte hell auf.

So wie gestern Abend.

Sophie rief sich die Warnung ins Gedächtnis, die sie sich vorgehalten hatte. Wyatt hatte ihr mehr Kummer bereitet als je ein Mensch zuvor. Und er würde es wieder tun – wenn sie es zuließ.

Es lag nun an ihr, das zu verhindern, lag an ihren Worten und ihrem Verhalten.

„Wenn du noch einen Moment auf sie aufpassen kannst, zieh ich mich schnell richtig an“, sagte sie kühl und wandte den Blick ab.

„Ja klar, kein Problem.“

Sophie verließ das Kinderzimmer, und Wyatt seufzte tief, während er Darcy vom Wickeltisch hob.

„Es schien damals eine gute Idee zu sein, mich von ihr zu trennen, aber ich vermisse sie seitdem schrecklich“, sagte er. „Was falsch ist, denn sie verdient einen Besseren als mich. Gestern hätte ich beinah alles vermasselt, weil ich müde war und weil sie so gut mit dir umgeht. Da habe ich Gefühle gespürt, die ich besser nicht haben sollte.“

Das Baby brabbelte. Er lachte.

„Ich finde sie auch toll, meine Kleine. Aber sie und ich wollen verschiedene Dinge. Und ich mache denselben Fehler nicht zweimal. Hier geht es nicht um mich, es geht um sie. Sie soll die gute Beziehung haben, die sie verdient.“

Darcy neigte das Köpfchen zur Seite, als wäre sie verwirrt.

„Verstehe: Du magst mich, also denkst du, ich wäre gut für jeden Menschen. Aber da ist ein großer Unterschied zwischen dein Daddy sein und …“ Er überlegte. „Sophies Freund.“

Nein, Freund klang so nach Teenagerzeit mit Football, Abschlussbällen und Kinoverabredungen. Was er und Sophie gehabt hatten war intim gewesen. Sinnlich. Sie waren sich so nahe gewesen, wie zwei Menschen es nur sein konnten.

Trotzdem hatte er seine Geheimnisse vor ihr bewahrt, hatte vermieden, ihr von seinen Eltern zu erzählen, und er hatte sie nur den besten Teil seines Lebens sehen lassen. An die Vergangenheit hatte er nicht gedacht, wenn sie zusammen waren, und schon gar nicht darüber geredet.

Die Tür wurde geöffnet, Sophie kam herein. Sie trug jetzt ein T-Shirt, das ihre perfekten Brüste betonte und Shorts, die ihre langen, gebräunten Beine zeigten.

Erinnerungen durchfluteten ihn, die er besser schnell vergaß, wenn er nicht mit ihr wieder etwas anfangen wollte. Ihr glucksendes Lachen. Ihr sanftes Seufzen, wenn sie sich liebten. Wie weich ihr Körper war.

Wyatt atmete tief durch. „Du siehst nicht nach einem Stadtbummel aus.“

Sie nahm ihm das Baby aus dem Arm. „Wenn Darcy und ich beschließen auszugehen, können wir uns immer noch schick machen. Jetzt geht es erst einmal zum Frühstück. Mrs. P, die Köchin, macht uns alles, was unser Magen begehrt. Falls du mal abends hier im Haus essen kannst, lass dir von ihr die Pilzravioli machen. Die hatte ich gestern. Sie sind fantastisch.“ Nun wandte sie sich der Tür zu. „Mach du dich für dein Treffen mit Bonetti fertig. Wir sehen uns, wenn du nach Hause kommst. Wann immer das dann ist.“

Sie klang nicht, als würde sie auch noch immer die erotische Anziehungskraft spüren, und das ärgerte ihn.

„Und wenn ich erst in einigen Stunden die Besprechung habe?“, fragte er und verschränkte die Arme.

„Dann hättest du etwas Bequemeres an“, antwortete sie.

Wie gut sie ihn doch kannte! Besser als er geglaubt hatte. Jetzt sollte er sie einfach gehen lassen, aber ein Teufelchen in ihm drängte ihn dazu, von ihr wenigstens einen kleinen Hinweis darauf zu bekommen, dass sie nicht völlig vergessen hatte, was sie zusammen gehabt hatten.

„Aber ich muss noch etwas essen“, informierte er sie. „Also musst du mich beim Frühstück ertragen.“

„Nein. Wenn ich mich richtig an dein Arbeitsverhalten erinnere, siehst du dir vor einer Besprechung noch einmal deine Notizen durch. Also geh ins Arbeitszimmer. Ich sage Mrs. P., sie soll dir Rührei, Speck und starken Kaffee bringen.“

Und schon hatte sie das Zimmer verlassen. Er wurde wütend. Egal, wie recht Sophie hatte, er mochte es nicht, dass sie ihm sagte, was er tun sollte.

Dass sie sich so genau an seine Methoden und sein Lieblingsfrühstück erinnerte, konnte er natürlich als Bestätigung ansehen, dass sie sich besser an die Beziehung mit ihm erinnerte, als sie durchblicken ließ.

Bei dem Gedanken durchzuckte ihn Begehren, aber er schüttelte den Kopf. Was zur Hölle tat er? Er versuchte, Erinnerungen wiederzubeleben, die nur Gefühle weckten, die zu Gott weiß was führen würden.

Bin ich denn verrückt? fragte Wyatt sich.

Nein, er stand nur unter zu viel Druck. Von seinen Verhandlungen mit Bonetti hing zu viel ab. Er wollte sich als einer der ganz wichtigen Player etablieren und seinen Partnern beweisen, dass auf ihn Verlass war.

Und er würde seinem Vater zeigen, dass er, Wyatt, ihn übertroffen hatte und mehr aus sich gemacht hatte. Mehr als seinem Dad gelungen war. Mehr, als sein Dad noch erhoffen konnte.

Ja, daran sollte er denken, nicht an Sophie.

Dann konnte er mit seinem Leben weitermachen.

Zuerst musste er die Zeit mit Sophie möglichst unaufgeregt verbringen. Sich so an ihre Nähe gewöhnen, dass sein Hirn nicht jedes Mal auf Erinnerung und Fantasie schaltete, sobald sie sich in einem Raum zusammen befanden.

Und er musste ihr zu verstehen geben, dass sie ihn nicht herumkommandieren konnte, wie sie es vorhin getan hatte.

Sophie ging zur Küche, überwältigt von der Weitläufigkeit des Hauses, das Bonetti für Wyatt gemietet hatte.

Großartig war es auch: An den Wänden hingen echte Meisterwerke, was nicht nur Geld, sondern auch Klasse verriet.

Im Foyer drehte sie sich einmal ganz herum, und Darcy kicherte. Die Haushälterin ging vorbei und grüßte freundlich. Sophie atmete tief durch. Alles hier im Haus war perfekt. Elegant. Stilvoll. Das Personal war zugleich freundlich und respektvoll.

Kurz fühlte Sophie sich wie eine Prinzessin in einem Schloss. Dann traf die Erkenntnis sie wie ein Schlag: Als Nanny zählte sie zum Personal.

Ja, auch wenn die Unterkunft großartig war und es nichts weiter zu tun gab, als mit einem Baby zu spielen und am Pool zu liegen, war sie eine bezahlte Hilfskraft.

Sophie ging weiter in das große Esszimmer und setzte Darcy in das Hochstühlchen, das jemand inzwischen besorgt hatte. Man kümmerte sie hervorragend um sie, aber sie war nicht hier, um sich verwöhnen zu lassen.

An diese Art zu leben durfte sie sich nicht gewöhnen, sonst würde der Schock zu groß sein, wenn sie wieder nach Hause in ihre gewohnten Lebensbahnen kam.

Die Tür zum Küchentrakt wurde geöffnet, und die Köchin kam herein. Sophie grüßte freundlich und bat um Milchreis mit Pfirsich für Darcy und Obst für sich selbst. Dann bestellte sie noch das Frühstück für Wyatt.

Die Köchin ging, Sophie wandte sich Darcy zu. „Das hier ist nicht mein Leben, aber deines schon. Das weißt du, oder?“

Die Kleine grinste und zeigte dabei zwei winzige Zähnchen im Unterkiefer.

„Dein Dad ist reich und dazu brillant“, meinte Sophie anerkennend.

Das hatte er irgendwie zu verbergen versucht, als sie zusammen waren. Sie hatte den Eindruck, dass seine herausragende Intelligenz eine Bürde für ihn war, da alle etwas von ihm erwarteten. Oder besser gesagt: So viele Menschen hingen von ihm ab. Sicher taten seine Partner das ihrige, aber die Hauptlast lag doch bei Wyatt.

Sophie hatte immer geglaubt, dass sie sein Überdruckventil gewesen war. Sie sprachen nur selten über seine Arbeit. Natürlich traf sie seine Partner bei verschiedensten Anlässen, aber in seiner Freizeit mied er Gespräche über die Firma. Er wusste, wie wichtig es war, seinem Kopf auch mal Ruhe zu gönnen, um einen Burnout zu vermeiden.

Mrs. P. kam mit dem Frühstück herein und stellte es auf den Tisch. Dann stemmte sie die Hände in die gut gepolsterten Hüften. „Sie sollten mehr als nur Obst essen.“

Sophie lachte. „Das werde ich: entweder Nudeln zu Mittag oder zum Abendessen. Eine große Portion Pasta mit leckerer Soße wird es bestimmt.“

„Ja, dann.“ Lachend begab die Köchin sich zurück in ihr Reich.

Nach dem Frühstück brachte Sophie das Kind nach oben, cremte es mit Sonnenschutz ein und trug es samt dem leichten Buggy nach unten. Durch den von Sonnenlicht durchfluteten Wintergarten gingen sie nach draußen auf die Terrasse. Die war mit bequemen Sitzgelegenheiten und Beistelltischen möbliert, davor erstreckte sich der parkartige Garten mit den schönen alten Bäumen und bunten Blumenrabatten.

Hier ist es wie im Garten Eden, dachte Sophie angesichts eines Fleckens von Wildblumen rund um die Statue eines Engels.

„Hallo! Warte auf mich“, erklang es hinter ihr.

Sie wandte sich um und sah Wyatt auf sie zukommen. „Solltest du nicht arbeiten?“, fragte sie ihn, als er in Hörweite war.

„He, du bist die Nanny, nicht meine Gouvernante.“

Richtig! Das durfte sie niemals vergessen.

„Wohin gehst du?“, wollte er dann wissen.

„Einfach nur durch den Garten. Der ist so schön! Und Darcy bekommt frische Luft und Sonne.“

„Aber nicht zu viel! Darauf achtest du doch, oder?“

„Natürlich. Ich bin keine Anfängerin. Darum hast du mich doch engagiert.“

„Ich habe dich engagiert, damit du dich gut um sie kümmerst“, sagte Wyatt schroff.

Sophie verging die gute Laune. Zum zweiten Mal wies er betont darauf hin, dass sie seine Angestellte war. Keine Freundin. Sie verstand ja, dass sie professionell miteinander umgehen sollten, aber er hatte keinen Grund, ihre Fähigkeiten infrage zu stellen.

„Ich kümmere mich gut um sie!“

„Hast du sie mit Sonnenschutzcreme eingecremt?“

„Selbstverständlich. Ich bin zwar keine ausgebildete Nanny, aber ich weiß, was ein Baby braucht. Und was ich nicht weiß, schaue ich sofort im Internet nach. Geh du ruhig an deine Arbeit. Darcy und ich kommen ohne dich bestens klar.“

„Aha.“ Das klang nicht überzeugt.

Ist er vielleicht so kritisch, weil wir gestern beinahe geflirtet hätten? überlegte Sophie … und eine Welle von Sehnsucht durchflutete sie.

Nein, nicht daran denken! Wyatt hatte sie engagiert, weil er in einer verzweifelten Lage gesteckt hatte. Da hatte er ihr vertraut. Plötzlich war er ihr gegenüber misstrauisch. Dachte er, sie wäre nicht geeignet für den Job? Dachte er schon daran, sie zu feuern?

Schließlich hatten sie damals eine wunderbare Beziehung gehabt, und trotzdem hatte er mit ihr Schluss gemacht. Und das vermutlich mit einer Lüge begründet. Er hatte behauptet, er wolle keine enge Beziehung oder Kinder. Jetzt hatte er ein Kind.

Die Situation war verwirrend. Und ermüdend. Sehr ermüdend, wenn sie alles, was er sagte, interpretieren und hinterfragen musste.

War es der größte Fehler ihres Lebens gewesen, mit Wyatt hierher zu kommen?

4. KAPITEL

Heute Morgen ist es mit Sophie nicht gut gelaufen, gestand Wyatt sich ein und rührte im Kaffee. Wein zum Essen hatte er abgelehnt, denn er brauchte einen klaren Kopf, und in dem tummelten sich ohnehin schon zu viele diverse Gedanken.

Seine Gefühle für Sophie machten ihn schier verrückt. Wieso fühlte er sich noch so stark zu ihr hingezogen – und wollte dieser Kraft am liebsten nachgeben – wenn er doch die Beziehung aus wirklich stichhaltigen Gründen beendet hatte?

Und nach dem Gespräch mit Bonetti hatte er den Eindruck, dass der alte Herr seine Reederei nicht wirklich verkaufen wollte. Es war mehr als nur Hinauszögern, denn er hatte bisher kaum zwei Worte über sein Geschäft verloren, und das bei ausführlichen Konversationen.

„Sie wirken meilenweit entfernt, Mr. White. Hat Ihnen das Essen nicht geschmeckt?“, erkundigte sich der alte Reeder.

Sie saßen vor einem kleinen Restaurant nahe dem Seeufer, an dem die Touristen flanierten. Es duftete nach den Blumen in den zahllosen Beeten, dazu nach Pasta, Gebäck und Espresso.

„Die Tagliatelle waren köstlich“, antwortete er wahrheitsgemäß. „Ich dachte nur an …“

Ja, an was? Wenn er jetzt sagte „an die Finanzierung“ würde Bonetti womöglich daraus schließen, dass es Geldsorgen gab. Direkten Fragen zum Unternehmen würde Bonetti nur wieder ausweichen.

Das Ganze kam ihm plötzlich aussichtslos vor, und das verwirrte ihn, denn normalerweise liebte er schwierige Verhandlungen.

Wyatt winkte der Kellnerin. „Ich dachte an meine kleine Tochter, die ich allein mit einer neuen Nanny gelassen habe“, erklärte er Bonetti. „Deshalb fahre ich zur Villa und überzeuge mich, dass dort alles in Ordnung ist.“

Na bitte, er konnte ebenso ablenken wie der alte Herr! Vielleicht würde der ja die Karten auf den Tisch legen, wenn man ihn mit seinen eigenen Waffen zu schlagen versuchte.

Er beglich die Rechnung und stand auf. „Wir sprechen dann morgen weiter“, verkündete er.

Und ging. Er war es leid, dass der Alte meinte, das alleinige Sagen zu haben und ihn am Gängelband zu führen versuchte.

Wyatt fuhr mit dem Sportwagen, der zur Villa gehörte, zurück und wurde dort von der Haushälterin informiert, dass Nanny und Baby am Pool wären. Also lief er nach oben, wechselte vom Anzug in die Badehose und ging nach draußen zum Schwimmbecken.

„Hallo“, grüßte er knapp.

„Selbst hallo“, erwiderte Sophie fröhlich. Sie stand bis zur Taille im Becken und schwang das kichernde Baby durchs Wasser. Ihr Bikinioberteil zeigte viel von ihrem schönen Dekolleté.

Verlangen durchzuckte ihn wieder einmal, und er sagte sich, er müsse sich endlich an diese verflixte Anziehung gewöhnen, die noch immer zwischen ihnen bestand. Wenn die alltäglich wurde, würde sie keine Macht mehr über ihn haben.

„Ich dachte, du wolltest Signor Bonetti den ganzen Tag widmen?“, meinte Sophie.

„So war es geplant, ja.“ Er sah sich genauer in der schönen Umgebung um. „Ist das da hinter den Bäumen ein Tennisplatz?“

„Stimmt. Es gibt auch eine Rasenfläche mit Fußballtoren. Wenn Darcy größer ist, solltest du diese Villa hier noch einmal mieten, damit deine Tochter all die herrlichen Dinge nutzen kann, für die sie jetzt noch zu klein ist.“

Wyatt streifte die Flip-Flops ab, setzte sich an den Beckenrand und ließ die Füße im angenehm warmen Wasser baumeln. Plötzlich kam er sich albern vor, weil er sich immer solches Kopfzerbrechen machte, wo Darcy doch sichtlich glücklich in Sophies Obhut war. Er seufzte tief.

„Was ist?“, fragte Sophie.

„Ach nichts. Ich hätte es nur keine zwei Minuten länger mit Bonetti ausgehalten.“

„Ach ja? Mir kommt es eher so vor, als wolltest du Darcy und mich kontrollieren.“

Da hatte sie eins seiner drei Motive erkannt, vorzeitig nach Hause zu kommen!

„Nein, das tue ich nicht“, widersprach er Sophie trotzdem.

„Doch, tust du“, sagte sie. Wie Kinder das tun, und sie lachte ihn humorvoll an.

„Ja, schon gut, du hast recht. Ein bisschen. Ehrlich gesagt, habe ich Darcy und dich als Vorwand benutzt, um vor Bonetti zu flüchten. Der macht mich ganz verrückt“, gestand Wyatt.

Sophie setzte sich die Kleine auf die Hüfte und ging mit ihr tiefer ins Wasser, woraufhin Darcy vergnügt quietschte. „Warum?“

„Warum?“, wiederholte er. „Er will nicht übers Geschäftliche sprechen. Wir haben uns über Fußball unterhalten. Über Italien. Wir trinken Wein. Wir essen. Seine Kinder sind heute Morgen angekommen und haben mich in Augenschein genommen. Aber wir haben noch kaum ein Wort über seine Reederei gesprochen.“

„Wir sind doch erst eineinhalb Tage hier“, versuchte sie ihn zu trösten.

Entnervt ließ er sich ins Wasser gleiten. „Ich habe schon größere Geschäfte in derselben Zeit abgewickelt.“

„Du hast auch schon Wochen damit verbracht, einen potenziellen Käufer zappeln zu lassen, um den Kaufpreis in die Höhe zu treiben“, erinnerte sie ihn.

„Willst du mir sagen, dass ich jetzt nur das zurückbekomme, was ich selbst ausgeteilt habe?“

„Ich?“ Sophie tat ganz unschuldig. „Ich bin doch nur eine einfache Studentin der Betriebswirtschaft.“

„Einfach? Du bist eine der klügsten Personen, die ich kenne.“

„Nur weil ich dich durchschaue?“, hakte sie nach und lachte.

„Ja. Das kann nicht jeder.“

Wieder überfielen ihn Erinnerungen. Er hatte sich immer gern mit Sophie unterhalten. Über seine Firma hatten sie zwar nicht oft gesprochen, aber die war keineswegs ein Tabuthema. Ebenso wenig wie Politik, Religion, Kunst. Hauptsache, sie sprachen nicht über ihn, vor allem nicht über seine Vergangenheit.

„So, und jetzt bin ich hier und will Zeit mit meiner Tochter verbringen.“ Wyatt watete zu Sophie. „Wir entspannen uns, und dabei gerate ich zurück ins Lot. Dann bin ich morgen wieder fit für Bonetti.“

„Okay.“ Sie reichte ihm Darcy und ging zu den Stufen des Pools.

„Wohin willst du?“, fragte Wyatt.

„Raus. Du hast doch gesagt, du willst Zeit mit Darcy verbringen.“

Sie stieg die Stufen hoch. Das knappe Bikinihöschen enthüllte ihren knackigen Po und betonte die langen, schlanken Beine. Wyatt stockte der Atem. Er war nicht nur deswegen hier, um Bonetti zu meiden. Er musste diese unerwünschte Anziehung endlich bekämpfen. Und ein Mittel war, so oft mit Sophie zusammen zu sein, dass es ganz alltäglich für ihn wurde!

„Ich dachte, wir könnten den Tag gemeinsam genießen“, schlug er also vor.

„Willst du damit andeuten, dass du mir nicht vertraust?“

„Na ja, du bist erst seit zwei Tagen Darcys Nanny.“

„Sieht sie aus, als würde ihr etwas fehlen? Es geht ihr gut. Wir sind glücklich. Wir haben Spaß, das Baby und ich. Es ist wirklich schön hier.“

„Ich weiß.“ Unwillkürlich seufzte er.

Sie kam zurück ins Wasser und lehnte sich an die Wand des Pools. „Was ist denn nun wirklich los mit dir, Wyatt?“

Er blickte sie nur wortlos an.

„Willst du wissen, an was ich mich am meisten erinnere aus unserer Beziehung?“, fragte Sophie und sah ihn forschend an.

Nein, das wollte er nicht wissen. Wenn sie jetzt über ihr Liebesleben zu reden anfing, würde seine Libido damit nicht umgehen können.

Sie wartete, ob er etwas erwiderte, dann sagte sie: „Du bist bei allem so intensiv. Du gibst immer hundert Prozent … wenn nicht sogar mehr.“

„Ich kaufe und verkaufe Firmen, die Milliarden wert sind. Das Schicksal von Tausenden Menschen hängt davon ab. Ich bin auch für sie verantwortlich. Da muss ich doch immer ganz und gar bei der Sache sein.“

„Ja, sicher. Ich meinte es in Bezug auf dich selbst. Du hast deine Geheimnisse sehr intensiv gehütet.“

„Meine Geheimnisse“, wiederholte er, und ihm wurde kalt.

„Wir waren ein halbes Jahr zusammen. Ich habe deine Eltern nie kennengelernt. Du hast fast nie über dich selbst gesprochen. Wir sind zu Basketballspielen gegangen, zum Essen, zu Benefizveranstaltungen, Vernissagen. Wir haben uns über Aktuelles unterhalten, aber nie über Persönliches. Es war, als würde ich dich sehr gut kennen und zugleich überhaupt nicht.“

„Aber das …“

Sie ließ ihn nicht zu Wort kommen. „Jetzt spüre ich, dass es ein Problem gibt. Da ich in Darcys Betreuung nichts falsch gemacht habe und du somit keinen Grund hast, mir zu misstrauen, kann ich nur zwei andere Gründe vermuten. Entweder ist in deiner Vergangenheit etwas vorgefallen, was dich gegenüber Menschen allgemein misstrauisch gemacht hat.“

„Wieso kannst …“

Wieder bekam er keine Chance auf eine Erwiderung.

„Oder du unterstellst dem Gegenüber, es wäre wie du, und du führst den ersten Schlag, bevor sie ihrerseits dich manipulieren oder betrügen oder bestehlen können.“

Ihre Interpretation verblüffte ihn so sehr, dass sein Verstand kurz wie gelähmt war.

„Willst du mir sagen, Sophie, dass ich ein schlechter Mensch bin, der von anderen Schlechtes erwartet, weil er selbst schlecht ist?“, fragte Wyatt schließlich.

Sie zuckte die Schultern. „Ich weiß nicht. Vielleicht.“

Alles, was er bisher über ihre Beziehung geglaubt hatte, geriet ins Wanken. Er hatte gedacht, sie würde ihn kritiklos bewundern. Und nun hatte sie eine so schlechte Meinung von ihm? Unfassbar.

Dagegen musste er sich wehren. „So ist es überhaupt nicht“, widersprach er ihr.

„Du bist also ein guter Kerl.“

Das hatte er jedenfalls immer gedacht. Zu Unrecht?

Verdammt, jetzt hatte sie ihn dazu gebracht, Selbstzweifel zu bekommen.

Nein, nein, nein, er war ein Guter! Er war fair zu seinen Angestellten, liebte seine Partner wie Brüder, und er hatte seine Tochter aufgenommen, als die von der Mutter im Stich gelassen wurde.

„Ja, ich bin ein guter Mensch“, bestätigte Wyatt nachdrücklich.

„Okay.“ Das klang halbherzig.

Also musste er sich weiter verteidigen. Vor allem, wenn er jetzt die Trennung von Sophie durch ihre Augen sah. Er hatte ihr wehgetan. Dann hatte er sie gemieden. Oder waren sie sich gegenseitig aus dem Weg gegangen? Jedenfalls hatte er es für sie getan!

Und wenn sie das nicht so sah? Offensichtlich sah sie sein Stillschweigen, seinen Unwillen, über seine Familie zu sprechen, als Geheimniskrämerei an. Und als Misstrauen … das gegen sie gerichtet war.

Das tat ihr vermutlich weh. So sehr, dass sie ihn jetzt hasste?

War sie deswegen so abweisend? Hatte sie deswegen Bedenkzeit verlangt, bevor sie die Chance wahrnahm, Manhattan zu verlassen?

Alles, weil sie ihn nicht mochte?

Und das deshalb, weil sie so vieles falsch interpretiert hatte?

Das musste er geraderücken. Und zwar gleich.

„Ja, etwas Schlechtes ist mir zugestoßen und deshalb bin ich vorsichtig in Bezug auf Menschen“, gab Wyatt endlich zu.

„Es muss wirklich schlimm gewesen sein, wenn du es nie hast überwinden können.“

„Ich habe es überwunden, aber es hat viele meiner Meinungen und Verhaltensweisen geprägt.“

Sophie sah ihn forschend an. „Das musst du mir näher erläutern.“

Er atmete tief ein. Sein Familienleben war eigentlich kein Geheimnis. Fast ganz Manhattan wusste Beschied.

Nochmals holte er tief Luft. „Mein Vater hat meine Mutter betrogen.“

„Und was hat das mit dir zu tun?“

„Ich habe ihn ertappt.“

„Igitt“, rief sie spontan und schockiert.

Wyatt lachte. „Nein, zum Glück nicht wie du jetzt wohl denkst. Sie waren beim Essen im Restaurant.“

Während er Darcy durchs Wasser zog, überlegte er, wie er Sophie alles so erklären konnte, dass sie sein Verhalten verstand und eine bessere Meinung von ihm bekam.

„Meine Eltern spielten allen ‚das perfekte Leben‘ vor. Dad war und ist erfolgreich, Mom eine Stütze der Gesellschaft, wie man so sagt. Damals habe ich meinen Vater erwischt, wie er mit einer anderen Frau im Restaurant saß und sie küsste. Auf eine unmissverständliche Art. Ich war nur zufällig dort. Zugegeben, ich schwänzte den Unterricht, wie Vierzehnjährige das nun mal gern tun. Und überenthusiastisch, wie man in dem Alter ist, stellte ich meinen Vater zur Rede.“

„Aber das …“

Er ließ sie nicht zu Wort kommen. „Er ließ die Frau am Tisch sitzen und schleppte mich fast zu seinem Auto. Wortlos fuhren wir nach Hause, wo er meiner Mutter alles erzählte. Sie schickten mich in mein Zimmer, hatten einen heftigen Streit, und am nächsten Tag war es, als wäre nie etwas passiert.“

„Unglaublich!“

Wyatt seufzte. „Schließlich erklärte Mom mir, sie hätte sich mit Dad versöhnt. Das fand ich natürlich gut. Aber ich habe meinen Vater wieder und wieder ertappt, weil er offensichtlich seinen wahren Charakter nicht mehr zu verstecken brauchte.“

Forschend sah sie ihn an. „Und das macht dich allen Menschen gegenüber misstrauisch?“

„Nein. Oder besser, nur zum Teil. Meine Eltern schickten mich auf die beste Schule, und da war ich der Star. Und wenn nicht, gab es Folgen.“

„Sie haben dich geschlagen?“, fragte sie entsetzt.

„Das nicht. Sie hielten mir Predigten, wer ich wäre und was man von mir erwartete, und dann setzten sie sich nach Europa oder Asien ab und überließen mich einer Nanny oder später der Haushälterin. Ich habe mich nie wie eine Person gefühlt, immer wie ein Produkt, das den Ansprüchen anderer gerecht werden muss.“

„Das ist schlimm.“

„Ja, und niemand wusste es“, berichtete er weiter. „Alle sahen uns als die perfekte Familie, weil meine Eltern diese Lüge perfekt inszenierten. Sie umarmten mich, wenn Freunde es sahen, lobten meine Leistungen und Fortschritte, ganz so, als ob sie mich liebten und schätzten. Dass ich ohne Essen ins Bett musste, wenn ich eine Eins Minus bekam statt einer Eins, das wusste freilich von den Außenstehenden niemand. Ich habe es natürlich auch nie verraten.“

„Ohne Essen?“, hakte Sophie fassungslos nach.

„Ja. Aber schließlich zog ich daraus einen Nutzen: Ich merkte nämlich schon recht früh, dass im Leben nicht immer alles so ist wie es scheint. Menschen sind nicht immer ihr wahres Selbst. Also kann mich keiner über den Tisch ziehen und übers Ohr hauen, weil ich die Anzeichen kenne, wenn jemand das im Sinn hat. Ich bin also auf der Hut.“

„Ich würde es als übervorsichtig bezeichnen“, meinte sie.

„Auf gute Art! Ich führe ein richtiges Leben. Ein echtes. Und das wird Darcy auch tun!“, sagte er eindringlich.

„Wenn du es sagst.“ Das klang nicht überzeugt.

„Du glaubst, ich spinne“, unterstellte er ihr.

„Gar nicht. Nur bin ich typisch Mittelschicht. Deine Probleme hatte ich nie, ich hatte eine ganz andere Erziehung. Ich bin eine ganz gewöhnliche Person.“

Wyatt lachte, weil er annahm, dass sie das als Scherz meinte. Aber dann verriet ihr Ausdruck, dass es ihr Ernst war. Sophie eine ganz gewöhnliche Frau? Unsinn. Sie war besonders hübsch, dazu intelligent. Eines Tages würde ein kluger Mann das erkennen und sie für sich gewinnen.

Bei dem Gedanken durchraste ihn Eifersucht, zum Glück nur für eine Sekunde. Er hatte sich ja von Sophie getrennt, damit sie mit einem anderen Mann wahre Liebe fand. Mit einem Mann, den sie verdiente.

„Du bist bildschön und klug und nicht gewöhnlich“, behauptete er eindringlich.

„Ja klar!“ Sie schnaubte.

Seltsam, dass sie ich selbst so gering schätzte. „Ich habe recht. Und deshalb musst du dein Studium beenden. Es gibt einen Platz für dich in der Welt. Einen Zweck. Eines Tages wirst du etwas Wichtiges tun.“

Sophie war sprachlos von dem Lob. Darcy gähnte, und Wyatt trug sie aus dem Becken. Bestimmt brachte er sie für ihr Nickerchen ins Haus. Sophie blieb im Schwimmbecken, verwirrt von dem eben geführten Gespräch.

Was er ihr erzählt hatte, erklärte vieles von seinem Verhalten, aber nicht alles. Viele Menschen hatten lieblose Eltern und entwickelten sich trotzdem zu zufriedenen, glücklichen Erwachsenen.

Etwas hatte er ihr also verschwiegen. Er fasste nicht leicht Vertrauen, das wusste sie von früher, aber sie hatte ihm schon bewiesen, dass er ihr vertrauen konnte, und er hatte sie in sein Leben gelassen. Innerhalb bestimmter Grenzen zumindest. Nun brauchte er sie und musste ihr vertrauen wie nie zuvor. Das fiel ihm nicht leicht.

Aber sie hatte in Bezug auf Darcy schon bewiesen, dass sie absolut verlässlich war.

In dem Moment kam Wyatt, den Babymonitor in der Hand, zurück nach draußen. Das hatte sie nicht erwartet. Als sie ihn beobachtete, fing ihr Herz zu stolpern an. Er war so umwerfend attraktiv. Normalerweise umgänglich, auf dieser Reise bisher aber alles andere als das. Natürlich hatte er jetzt ein Kind, das seine Aufmerksamkeit beanspruchte.

Ein Kind, das ihm die Mutter einfach in die Arme gedrückt hatte – wenn die Gerüchte denn stimmten, die im Montgomery kursierten.

Da war es kein Wunder, wenn sein grundsätzliches Misstrauen sich verstärkt hatte. Plötzlich ein Kind zu haben, von dem man bis dahin nichts gewusst hatte, war sicher ein einschneidendes Erlebnis.

Er stellte den Monitor auf einen kleinen Tisch und kam ins Becken. „So hören wir sie, wenn sie weint. Übrigens, Sophie, es war ernst gemeint, was ich gesagt habe.“

„Das über deine Eltern?“

„Das über dich. Du bist bildhübsch, aber es ist mehr an dir. Du bist entschlossen, also wirst du bald merken, sobald du den richtigen Job gefunden hast, wie schnell du aufsteigst, dass nur der Himmel dein Limit ist. Zuerst musst du natürlich deinen Abschluss machen und dich dann gleich um eine Anstellung bemühen.“

„In einer Hinsicht hast du dich gar nicht geändert.“ Sie lächelte. „Du sagst Leuten immer noch gern, was sie tun sollen.“

„Ich leite dich an.“

Nun lachte sie. „In Dingen, die ich mir selbst denken kann.“

„Das sehe ich nicht so“, widersprach er ernst. „Die Situation mit deiner Mutter ist hässlich. Du wirst viel Gegenwind spüren, wenn du wieder in New York bist. Das darf dich nicht stoppen. Unsere Trennung hat dich ja auch nicht gestoppt.“

„Die könnte mich sogar noch entschlossener gemacht haben.“

„Gut so! Dann sieh auch in der Verhaftung deiner Mutter einen Anstoß, deine Stärke zu beweisen.“

Da sprachen sie also plötzlich von ihr statt von ihm. Er wollte zwar mit ihr nicht sein Leben teilen, glaubte aber fest daran, dass sie etwas aus ihrem machte. Etwas Bedeutungsvolles.

Bis jetzt war mir gar nicht bewusst, wie sehr ich jemanden brauche, der an mich glaubt, erkannte Sophie, und ihr wurde ganz seltsam zumute.

Sie war mittel- und obdachlos, aber sie hatte nur noch zwei Semester bis zum Abschluss vor sich. Um das zu stemmen, sollte sie sich gleich einen gut bezahlten Job suchen, der sich mit dem Studium zeitlich vereinen ließ. Sie hatte zwar keine große Lust, bei ihrem Vater und ihrer Stiefmutter zu leben, aber für ein Jahr würde das schon gehen.

Oder gab es noch andere Wege, um das Geld für die Kosten und Gebühren aufzubringen? Wege, die ihr nur noch nicht eingefallen waren, weil sie bisher keine Zeit gehabt hatte, sich darüber den Kopf zu zerbrechen?

„Du stimmst mir also zu?“, fragte Wyatt.

„Ich bin dabei, alles zu durchdenken.“

„Prima! Genau dafür ist diese Zeit außerhalb von New York nützlich: dass du dein Problem aus allen möglichen Blickwinkeln betrachtest. Wenn du etwas mit mir besprechen möchtest oder sonst Hilfe brauchst, sag es mir einfach.“

Sie sah hoch, direkt in seine Augen. Darin las sie aufrichtige Hilfsbereitschaft … und mehr.

Da war die frühere Anziehungskraft, geradezu magnetisch, doch jetzt mehr als nur eine erotische: Sie rührte daher, dass Wyatt ein guter Mensch war. Er wollte nicht nur Erfolg für sich selbst, sondern für jeden Menschen. Auch glücklich sollte jeder sein. Diesen Wesenszug hatte sie an ihm am meisten geschätzt. Er sah in ihr nicht die bisher wenig erfolgreiche Person, sondern sie, Sophie, wie sie war.

War es ein Wunder, dass sie ihn geliebt hatte? Egal, wie er sich präsentierte, er war der stärkste und zugleich gütigste Mensch, den sie jemals kennengelernt hatte.

Die Erinnerung daran war gefährlicher als die zwischen ihnen herrschende Chemie. Sein Blick sagte ihr, dass er sie küssen wollte. Vielleicht nur der alten Zeiten wegen, wie man so sagte? Sie hatten sich ungezählte Male geküsst.

Erinnerungen daran, wie sehr sie ihn nach der Trennung vermisst hatte, wie einsam und verzweifelt sie sich gefühlt hatte, überkamen sie. Ihr war zumute, als würden Hagelkörner auf sie einprasseln. Und sie ernüchtern. Das alles würde sie auf gar keinen Fall noch einmal durchmachen!

Sophie wich ein Stück von Wyatt zurück und verkündete. „Ich schaue mal nach Darcy.“

Nun sah er enttäuscht aus. „Ich habe sie gerade ins …“ Sein Telefon meldete sich, und er schwang sich fluchend aus dem Becken. „Es ist Bonetti“, informierte er sie.

„Dann antworte ihm.“ Sie stieg aus dem Wasser und trocknete sich mit einem bereit liegenden Badetuch ab. „Ich schaue zuerst nach Darcy, dann recherchiere ich im Internet einige Dinge.“

Wie es mit einem Job aussah, zum Beispiel. Oder mit Stipendien beziehungsweise Studentenkrediten. Jedenfalls musste sie anfangen, ihre Zukunft zu planen. Sie brauchte etwas, auf das sie sich freuen konnte, ein Ziel, an das sie sich halten konnte … damit sie aufhörte, sich Wyatts ständig überdeutlich bewusst zu sein, seine Stimmungen zu spüren, sein neues Leben zu verstehen, dabei sein altes besser zu verstehen als bisher … und dieses Gefühl der Anziehung zu spüren, das sie drängte, ihn zu berühren und ihn wieder lieben zu dürfen.

5. KAPITEL

Am Donnerstagvormittag schlenderte Wyatt zusammen mit Signor Bonetti durch den Park von dessen eigener Villa, die noch großartiger war als die gemietete. Der alte Herr redete viel von Familie und Kontinuität und dass er angenommen hatte, seine Kinder würden die Firma weiterführen.

Wyatt dachte dabei vor allem daran, wie gern er Sophie gestern geküsst hätte, und wie nahe er dran gewesen war, es zu tun. Es hatte ihn wirklich große Anstrengung gekostet, sich zurückzuhalten.

„Der Besitz gehört meiner Familie seit dem Mittelalter“, informierte Bonetti ihn stolz.

„Alle Achtung“, sagte Wyatt bewundernd, dann entschuldigte er sich dafür, am Vortag so überstürzt aufgebrochen zu sein nach dem Essen.

Bonetti winkte ab. „Kein Problem. Und jetzt will ich Ihnen mitteilen, dass ich die nächsten zwei Tage nicht hier sein werde. Unsere Verhandlungen sind etwas holprig gestartet, also besuche ich jetzt meine Enkel. Dort gönne ich mir eine Verschnaufpause. Wenn ich zurück bin, fangen wir neu an. Einverstanden, Mr. White?“

Wyatt fand den Vorschlag sinnvoll. Wie es jetzt stand, verlor er nämlich das Interesse an der Reederei, was nicht sein durfte. Er brauchte den Kauf als Krönung seines Unternehmens, als endgültigen Beweis seiner Geschäftstüchtigkeit.

Aber er hatte ja an Sophie gedacht, statt sich aufs Geschäft zu fokussieren. Hätte sie beinah geküsst. Fragte sich ständig, warum er so zappelig wurde, wenn sie Darcy hielt.

Nun gab es also erst mal einen Aufschub. Gut so. Er verabschiedete sich von Bonetti und fuhr zur Villa zurück, wo Sophie wieder mit Darcy im Pool spielte.

Wyatt aß eine Kleinigkeit und arbeitete anschließend im Arbeitszimmer. Damit war er gegen sechzehn Uhr fertig.

Und nun? Er konnte Sophie nicht stundenlang ignorieren … Und dabei ständig an sie denken, egal, was er machte.

Also zurück zu Plan A: so viel mit ihr zusammen sein, dass es ganz alltäglich wurde und ihm nicht mehr zu schaffen machte.

Wyatt ging in den Flur und rief ihren Namen.

Gleich darauf kam sie die Treppe herunter, Darcy auf dem Arm. „Du bist ja schon zu Hause! Ich dachte, du müsstest verhandeln.“

„Tatsächlich bin ich schon seit Stunden zurück. Bonetti besucht seine Enkel, um sich und mir eine Verschnaufpause zu verschaffen. In zwei Tagen starten wir neu mit unseren Gesprächen.“

„Aha.“

Nun stand sie vor ihm, und das Baby streckte die Ärmchen nach ihm aus, zum ersten Mal, seit Sophie auf der Bildfläche erschienen war.

Ihm wurde das Herz ganz weit vor Liebe zu seiner kleinen Tochter. Die hatte sich anscheinend an Sophie als Nanny gewöhnt. Also muss ich auch nur oft und lange genug mit ihr zusammen sein, dann wirkt sie nicht mehr so aufreizend auf mich, sagte Wyatt sich. Dann konnte er wieder normal empfinden und sich auch so verhalten.

„Wie wäre es mit einer Besichtigungstour im Ort?“, schlug er also vor.

„Wie wäre es, wenn du die allein mit Darcy machst und ich mich inzwischen um Stipendien und Kredite kümmere. Außerdem sollte ich mich mit deiner PR-Abteilung in Verbindung setzen wegen des Statements bezüglich meiner Mom.“

„Muss das sofort sein?“

„Je eher, desto besser.“

Wieso stimmte sie ihm nicht zu? Sie wusste so gut wie er, dass es Probleme geben würde, wenn sie beide nicht etwas gegen diese verflixte Anziehungskraft unternahmen.

„Hör bitte auf, dich zu widersetzen. Hast du denn nicht gemerkt, wie knapp ich gestern im Pool dran war, dich zu küssen?“

Sie strich sich mit der Zunge über die Lippen, und da wusste er ganz sicher, dass es Sophie nicht viel anders als ihm ging, denn sonst würde sie jetzt schockiert aussehen.

„Ich weiß, was unser Problem ist“, dozierte Wyatt nun. „In den drei Jahren seit unserer Trennung sind wir uns nicht mal mehr zufällig über den Weg gelaufen. Also sind unsere unwillkürlichen Reaktionen aufeinander immer noch romantisch geprägt, weil wir – bis zum Schluss – eine Romanze hatten. Nun müssen wir hier Zeit miteinander verbringen, damit wir neue mentale Identitäten für uns entwickeln.“

„Mentale Identitäten?“, wiederholte sie spöttisch. „Ist das ein Begriff aus dem Psychologiekurs in der Oberstufe? Das ist doch verrückt.“

Wyatt ging einen Schritt auf sie zu. „Tatsächlich?“

Wyatt ist mir nur so nahe gekommen, um etwas zu beweisen sagte Sophie sich. Ihr Herz pochte trotzdem wild, als die Sehnsucht sie durchflutete, ihn zu berühren und das Verlangen, ihn erneut zu lieben.

Und von ihm wiedergeliebt zu werden.

Nein, verdammt, er hatte sie ja gar nicht geliebt. Nur sie ihn.

Womöglich war ihre Reaktion auf ihn tatsächlich nur Gewohnheit, angelernte Reflexe sozusagen. Eine neuerliche Romanze mit ihm war das Letzte, was sie wollte … was sie leider nicht davon abhielt, Begehren zu spüren, sobald sie zusammen waren.

Vielleicht war das Mittel dagegen, tatsächlich mehr Zeit mit ihm zu verbringen und dabei Alltagsgefühle zu entwickeln, wie Wyatt sagte.

Das könnte sich freilich als Bumerang erweisen. Wenn es ihnen nicht gelang, ihre Gefühle in den Griff zu bekommen, würden sie im Bett landen. Wenn sie sich jedoch eingestanden, dass sie sich immer noch zueinander hingezogen fühlten, dies aber ignorierten, würde das Gefühl vielleicht verschwinden.

Also stimme ich dem Vorschlag zu, sagte Sophie sich. Es war ja auch schöner, diese herrliche Gegend zu erkunden, statt immer nur hier in der Villa zu sein und darüber nachzudenken, wie sexy Wyatt und sie sich gegenseitig fanden.

„Okay, ich komme mit. Ich ziehe mir nur was Hübsches an, dann können wir los.“

„Gut. Aber nichts zu Hübsches. Wir versuchen doch, unsere Anziehungskraft zu bändigen“, erwiderte er.

Das war so witzig, dass sie kicherte. Sie hatte ganz vergessen, wie gern sie mit ihm gelacht hatte. Und wie sehr es ihr gefiel, wenn er sie schön fand.

Trotzdem hatte er mit ihr Schluss gemacht.

Der Gedanke war wie ein kalter Guss und vertrieb das leichte, glückliche Gefühl.

Genau das wollte sie ja. Es war nötig, für sie und für ihn.

Autor

Susan Meier
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