Julia Extra Band 530

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DER SÜNDIGE KUSS DES PLAYBOY-PRINZENvon CAROL MARINELLI
Eine verführerische Herausforderung: PR-Expertin Beatrice soll das angekratzte Image des Playboy-Prinzen Julius von Bellanisiá verbessern. Doch aus der engen Zusammenarbeit mit dem Prinzen wird gefährliche Leidenschaft, die Beatrice ihre Karriere kosten könnte – und ihr Herz!

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  • Erscheinungstag 31.01.2023
  • Bandnummer 530
  • ISBN / Artikelnummer 9783751518109
  • Seitenanzahl 450
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Carol Marinelli, Sharon Kendrick, Maisey Yates, Marcella Bell

JULIA EXTRA BAND 530

PROLOG

Zehn Jahre zuvor …

Beatrice hatte ihren Besuch im Kloster schon lange geplant.

Es war ihr nicht leichtgefallen, das Geld für den Flug von London nach Sizilien zusammenzukratzen. Aber noch schwieriger war es gewesen, einen Gesprächstermin bei der Mutter Oberin zu bekommen! Ihre wiederholten Anfragen waren immer wieder abgelehnt worden. Meistens mit der Begründung, dass es nichts Neues über ihre Herkunft zu berichten gebe.

Während sie den Hügel hinaufging, um endlich das ersehnte Gespräch zu führen, versuchte Beatrice, sich Mut zuzusprechen. Falls sie wirklich nichts über ihre Mutter herausfand, könnte sie zumindest etwas über den Verbleib ihrer besten Freundin erfahren!

Sie waren im Abstand von drei Wochen an der Babyklappe des Klosters abgegeben worden und so verschieden, wie zwei Kinder nur sein konnten.

Alicia war dunkel und lebhaft, Beatrice ihr blasser, schüchterner Schatten.

Sie waren absolut ungleiche Freundinnen gewesen. Und doch, aus welchem Grund auch immer, hatte Alicia sich wie mit einem Rammbock Zutritt zu Beatrices Herzen verschafft und darauf bestanden, dass sie mehr als nur Freundinnen waren – mehr als Schwestern sogar: Herzenszwillinge!

Im Alter von elf Jahren hatte Beatrice ein Stipendium erhalten und war nach Mailand in ein berühmtes Internat geschickt worden. Beatrice hatte furchtbare Angst gehabt, doch Alicia hatte ihr Mut zugesprochen. Sie hatten sich geschworen, in Verbindung zu bleiben. Alicia hatte gesagt, sie solle hart arbeiten und nach der Schulzeit einen guten Job bekommen, damit sie eines Tages zusammen in eine Wohnung ziehen könnten.

Es war dieser hoffnungsvolle Blick in die Zukunft gewesen, an dem Beatrice sich festgehalten hatte. Vor einem Leben außerhalb der Klostermauern hatte sie immer schreckliche Angst gehabt. Aber gemeinsam mit ihrer besten Freundin würde sie alles meistern!

Alicia war kaum in der Lage gewesen zu lesen und zu schreiben, aber das hatte Beatrice nicht davon abgehalten, ihr regelmäßig zu schreiben. Als sie sich gerade in Mailand einigermaßen eingelebt hatte, war sie in eine kleine Abtei in der Schweiz geschickt worden. Dort hatte es keine anderen Teenager gegeben, keine Möglichkeit, Freundschaften zu schließen. Der Orden war sehr streng gewesen, aber gelegentlich hatte man ihr erlaubt, im Kloster in Trebordi anzurufen. Allerdings ohne Erfolg. Man hatte Alicia nie ans Telefon geholt und immer gesagt, sie sei im Gebet oder bei Freunden oder müsse nachsitzen.

Alicia hatte immer zu Melodramen geneigt, und Beatrice hatte vermutet, die Nonnen wollten verhindern, dass die Anrufe zu irgendeiner Art von Unruhe führten. Sie hatte sich sogar schon gefragt, ob Alicia überhaupt ihre Briefe erhalten hatte, und sich geschworen, persönlich zurückzukehren, sobald sie sich das leisten konnte.

Ihre letzten beiden Schuljahre hatte Beatrice in England absolviert, wo man sie eher als hochnäsig wahrgenommen hatte denn als schüchtern. Sie wurde als kalt und unnahbar bezeichnet.

Genauso war es dann auch in ihrem ersten Jahr an der Uni gewesen.

Nein, die schüchterne Beatrice hatte es bisher nicht leicht gehabt!

Jetzt war sie am Kloster angelangt und blieb an der Babyklappe stehen, wo sie als Neugeborene vor etwa neunzehn Jahren abgegeben worden war. Sie stellte sich die Angst und Einsamkeit ihrer Mutter vor.

Auch sie selbst hatte Angst und Einsamkeit in ihrer Kindheit verspürt.

Doch sie hatte wenigstens Alicia gehabt!

Nachdem sie am Tor geläutet hatte, war es die Mutter Oberin selbst, die sie hereinließ.

„Ich freue mich sehr, wieder zurück zu sein!“ Ausnahmsweise einmal überschlugen sich Beatrices Worte, und sie spürte Wärme in ihrem Herzen, als sie den vertrauten Weg entlangging.

„Um welche Zeit musst du denn wieder los?“, fragte die Mutter Oberin, während sie mit schnellen Schritten vorausging. „Du kehrst doch sicher heute Abend noch nach England zurück, nicht wahr?“

„O nein, ich habe vor, eine Woche in Trebordi zu bleiben“, antwortete Beatrice und hoffte, die Mutter Oberin würde eine Einladung aussprechen. Doch da wurde sie enttäuscht.

„Wir können nicht zulassen, dass all die Kinder, die wir einst aufgenommen haben, diesen Ort als eine Art Hostel nutzen.“ Die ältere Frau milderte die Ablehnung mit einem Lächeln. „Ich muss wie eine Katzenmutter sein“, erklärte sie. „Nett zu den Kätzchen, aber sobald sie groß sind, müssen sie unabhängig werden. Manchmal muss ich sie gar dazu zwingen.“

„Ich bin bereits unabhängig, Mutter Oberin.“

„Nun, soweit ich weiß, studierst du noch, und zwar unterstützt von einem Stipendium, oder?“

„Das ist richtig.“ Beatrice fand das fast beleidigend. Auch wenn sie für das Stipendium dankbar war, hatte sie andererseits hart dafür gearbeitet. Und das tat sie immer noch. „Ich arbeite außerdem abends und an den Wochenenden als Übersetzerin in einem Krankenhaus.“

Sie nahm im Büro der Mutter Oberin Platz, setzte ein Lächeln auf und holte Notizbuch und Stift heraus.

„Kind, das kannst du gleich wegpacken. Es gibt nichts, was ich dir sagen könnte.“

Beatrice gab nicht auf. „Aber ich erinnere mich, dass Alicia goldene Ohrringe an ihren Strampler angeheftet hatte. Eine Art Erkennungszeichen. Ich habe gelesen, dass so etwas bei der Identifizierung eines abgegebenen Babys hilfreich sein kann, falls die Mutter später zurückkehren sollte.“

„Beatrice, ich habe es dir bereits gesagt. Bei dir war nichts dabei.“

„Es muss doch irgendetwas gegeben haben“, erwiderte sie. Man hatte ihr gesagt, es wurde angenommen, ihre Mutter sei eine Touristin gewesen, die das Festival besucht hatte, das jedes Jahr in Trebordi stattfand – besonders aufgrund der Tatsache, dass Beatrice so blond war. „Vielleicht irgendein Andenken vom Festival.“

„Beatrice, wenn es irgendetwas gegeben hätte, dann hätte ich es dir erzählt.“

„Und ich hatte wirklich nicht einmal eine Windel an?“, fragte sie. Tränen standen in ihren Augen, und sie war wie immer verlegen bei dem Gedanken, völlig nackt abgegeben worden zu sein. Einfach abgelegt. „Ist bei mir wirklich gar nichts gefunden worden?“

„Das hilft gerade niemandem“, schimpfte die Mutter Oberin. „Beatrice, du hast eine Erziehung, von der die meisten Kinder nur träumen können. Lass es gut sein.“

„Nein“, sagte Beatrice. „Das werde ich nicht. Ich mache mir Sorgen um meine Mutter. Wenn ihr damals etwas Schlimmes passiert ist, soll sie wissen, dass ich es verstehe. Und wenn sie zu jung war und Angst hatte, möchte ich ihr selbst sagen, dass ich weiß, wie es sich anfühlt, Angst zu haben und allein zu sein. Ich liebe sie, und deshalb vergebe ich ihr natürlich.“

„Deine Suche ist nicht gesund, Beatrice. Ich habe viele Kinder gesehen, die zu viel Zeit damit verbrachten, unbedingt etwas über die Vergangenheit herausfinden zu wollen, und damit ihre Zukunft ruinierten.“

„Tja, ich möchte aber meine Vergangenheit kennen. Ich werde jedes Jahr hier an der Babyklappe stehen und auch jedes Jahr zu Alicias Geburtstag zurückkommen …“ Sie sah, wie die Wangen der Mutter Oberin sich röteten, und es war in diesem Büro, dass Beatrice lernte, direkt zu sein. Auch wenn sie normalerweise schüchtern war, fand sie in diesem Augenblick heraus, wie hartnäckig sie sein konnte. „Hat Alicia überhaupt meine Briefe bekommen?“

„Natürlich.“

Die Mutter Oberin würde doch nicht lügen, oder?

Leider war sich Beatrice fast sicher, dass sie es tat! Was sollte sie nur tun?

Wenn sie mehr erfahren wollte, musste Beatrice all ihren Mut aufbringen und ihre Zweifel laut aussprechen! „Ich bin nicht ganz überzeugt davon.“

„Bitte zeige den Respekt, den man dich gelehrt hat!“

„Mutter Oberin, ich frage Sie respektvoll, wo ist meine Freundin?“ Die Mutter Oberin reagierte darauf mit Schweigen.

„Tja, wenn Sie es mir nicht sagen, werde ich ins Dorf gehen und dort fragen. Ich habe genügend Geld, um dort zu übernachten.“ Gerade so. „Vielleicht besuche ich auch Signora Schinina.“ Die Frau hatte im örtlichen Freudenhaus gearbeitet. „Sie kennt all den Klatsch, und ihr Sohn Dante war eng mit Alicia befreundet …“

„Sie ist tot.“

„Tja, ich frage einfach jemand anderen, und ich werde weiter fragen …“

„Kind …“, wandte die Mutter Oberin ein. „Man soll keine schlafenden Hunde wecken.“

Welche schlafenden Hunde? Warum schien allein ihre Gegenwart eine solche Unruhe in der Mutter Oberin hervorzurufen? Sicher kehrten ständig Findelkinder hierher zurück, um über ihre Vergangenheit nachzuforschen?

„Ich werde Trebordi nicht eher verlassen, bis ich Antworten habe.“ Beatrice schloss ihr Notizbuch, steckte den Stift in die Tasche und lehnte sich gespielt locker zurück, auch wenn ihr das Herz bis in den Hals schlug. „Ich werde in jeden Laden gehen, an jede Tür klopfen.“

Die Mutter Oberin stand auf, jetzt deutlich nervös. „Bitte warte hier.“

Das Warten fühlte sich für Beatrice wie eine halbe Ewigkeit an. Schließlich stand sie auf, ging zum Fenster und schaute auf den Spielplatz der kleinen Schule, die sie besucht hatte. Alicia war immer auf das Klettergerüst gestiegen, um ihrem Freund Dante zuzuwinken, wenn er in den Schulbus ins Dorf stieg. Damals waren sie zehn Jahre alt gewesen! Ihre lebhafte Kameradin hatte meist eine Gruppe von Mädchen zusammengetrommelt und irgendwelche wilden Spiele gespielt, an denen Beatrice aber lieber nicht teilnahm.

Sie war ein schüchternes Kind gewesen, das nicht gern draußen spielte und die Glocke fürchtete, nach deren Erklingen die anderen Mädchen begeistert hinausrannten. Schon mit fünf Jahren hatte sie es bereits vorgezogen, an der Seite zu sitzen, ohne zu wissen, wie sie sich einfügen sollte.

Alicia dagegen war stets so mutig, selbstbewusst und gut gelaunt gewesen! Sie hatte nur zu gern ihr Kleid ausgezogen, um in Unterwäsche im Fluss zu schwimmen, und hatte später mit den Jungs im Dorf Händchen gehalten – na ja, mit einem jedenfalls. Für Beatrice hatte es kein Schwimmen im Fluss gegeben. Sie kam jeden Morgen voll angekleidet aus dem Badezimmer und zog sich dort auch für die Nacht um.

Es quälte sie, dass ihre Mutter sie nackt in die Babyklappe gelegt hatte. Völlig entblößt …

Beatrice drehte sich erwartungsvoll um, als nach über einer Stunde die Tür geöffnet wurde, doch sie sah nicht in das vertraute rundliche Gesicht der Mutter Oberin.

„Schwester Catherine.“ Beatrice lächelte angestrengt und nahm an, die Schwester sei hier, um ihr die Verspätung der Oberin zu erklären oder vielleicht eine Erfrischung anzubieten.

„Mir wurde gesagt, dass du Fragen hast.“ Schwester Catherine bedeutete ihr, sich zu setzen.

„Viele Fragen“, antwortete Beatrice. „Waren Sie hier, als ich gefunden wurde?“

Schwester Catherine war eine sehr unscheinbare Frau – nicht nur hinsichtlich ihres Aussehens, sondern auch in Beatrices Erinnerung. Dunkles Haar schaute unter ihrer Tracht hervor, und dunkle Brauen schwangen sich über braunen Augen. Sie war manchmal ein klein wenig gemein gewesen, wenn auch nicht sehr. Eher … gleichgültig. Sie hatte Latein unterrichtet, und Beatrice war die Beste in ihrer Klasse gewesen, doch das war ihr eigenes Verdienst. Schwester Catherine hatte sie dazu nicht besonders ermutigt.

Und auf einmal erfuhr Beatrice, dass diese Frau ihre Mutter war.

Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Wie sollte das möglich sein?!

„Ich war unscheinbar, so wie du“, sagte ihre Mutter mit ruhiger Stimme, „und mein Leben war freudlos.“

Beatrice sagte nichts, sondern starrte lediglich auf die Gesichtszüge, die, wie sie jetzt sehen konnte, eine dunklere Version ihrer eigenen waren. Wie hatte ihr das früher bloß entgehen können? Ihre eigene Mutter hatte sich immer direkt vor ihrer Nase befunden – und sie selbst hatte es nicht gemerkt …

„Ich war jedoch neugierig.“

Nichts Furchtbares war ihrer Mutter passiert. Es war nichts als eine Neugierde gewesen, die sie hatte befriedigen wollen, bevor sie sich ganz der Kirche verschrieb.

„Ich half damals immer meiner Mutter beim Putzen der Häuser, in denen Touristen übernachteten. Er war ein Witwer, der dreißig Jahre verheiratet gewesen war und seine Frau sehr vermisste. Er kam aus Deutschland, um hier einen ruhigen Urlaub zu verleben.“

„Also war er nicht wegen des Festivals hier?“

„Nein!“ Schwester Catherine schien allein der Gedanke schon zu verärgern. „Er war Historiker und lebte vor allem in der Vergangenheit. Ich erinnerte ihn an seine verstorbene Frau, als sie jung war.“

„Hat er sich aufgedrängt?“

„Nein, es war einvernehmlich. Ich war immerhin schon fünfundzwanzig, und er sah recht gut aus.“

Beatrice wurde ihre Herkunft präsentiert wie eine Geschichtsstunde, ohne große Gefühle, nur eine kurze Zusammenfassung. Zwei Wochen der Sünde, und danach die Reue.

„Ich war bereits Novizin, als ich meine Schwangerschaft bemerkte und …“

„Angst bekam?“

Anscheinend nicht.

„Beatrice, ich wusste bereits, was ich mit meinem Leben anfangen wollte, und ich wusste, dass man sich hier um dich kümmern würde.“

„Wusste es die Mutter Oberin?“

„Natürlich nicht“, erwiderte Schwester Catherine fast barsch, und das war der Moment, in dem Beatrices Herz sich zusammenzog.

Die Mutter Oberin bemerkte normalerweise alles, aber auch wirklich alles. Nichts entging ihr. Und doch entging ihr Schwester Catherines Schwangerschaft. Genauso war es anscheinend mit Beatrices Geburt selbst gewesen. Offensichtlich hatte Schwester Catherine es vermieden, die Aufmerksamkeit der Mutter Oberin auf sich zu ziehen.

„Als du zehn Jahre alt wurdest, oder zumindest in etwa in diesem Zeitraum, rief die Mutter Oberin mich zu sich. Sie sagte, die Ähnlichkeit sei verblüffend und könnte nicht länger ignoriert werden. Um ehrlich zu sein, hatte ich das gar nicht bemerkt. Wir sind zwar beide klein und zierlich, aber du bist so blond.“

Beatrice fragte sich, wie sie selbst das nicht hatte sehen können. Denn jetzt hatte sie das Gefühl, als blicke sie in einen Spiegel.

Sie suchte nach einer Erinnerung an sie beide allein – einen gestohlenen Moment, eine Extrabelohnung, eine Gutenachtgeschichte. Schließlich fiel ihr eine Begebenheit ein – nur war sie nicht gerade schön.

Eines Tages, als die Glocke die von Beatrice gefürchtete Spielzeit angezeigt hatte, hatte sie sich ein Herz gefasst und mit leiser Stimme darum gebeten, im Haus bleiben und lesen zu dürfen.

„Nein! Geh nach draußen!“ Schwester Catherine hatte nicht einmal aufgeblickt …

Beatrices Stimme klang jetzt heiser. „Ich bin früher während des Festivals aus dem Fenster geklettert, um nach dir zu suchen! Jeden Abend während des Festivals bin ich in den Ort gegangen. Immer vergebens.“

„Das Festival findet inzwischen nicht mehr statt“, sagte Schwester Catherine. „Genau wie deine Freundin nicht mehr da ist.“

„Wo ist sie?“

„Ich weiß nicht.“ Schwester Catherin zuckte mit den Schultern. „Du hast deine Antworten. Ich war ehrlich …“ Sie breitete die Hände aus, als wüsste sie nicht, was Beatrice noch mehr wollen könnte. „Es gibt hier nichts für dich, nur Unannehmlichkeiten für mich, wenn du bleibst. Beatrice, du wurdest hier versorgt, und man hat sich um dich gekümmert, dir eine Erziehung zuteilwerden lassen, die ich mir nie hätte leisten können.“

Aber man hatte sie nicht geliebt.

Keine einzige Sekunde lang.

Stattdessen hatte man sie in aller Öffentlichkeit versteckt, und als das unangenehm wurde, hatte man sie weggeschickt.

„Du hast mich nicht einmal angezogen. Nicht einmal eine Windel hatte ich an, keine Decke war um mich gehüllt …“

„Ich wusste, dass man dich sofort findet.“

Da entdeckte Beatrice zum ersten Mal einen Sinn für Sarkasmus in sich. „Wie ausgesprochen fürsorglich von dir.“

Sie ging, nahm ein Taxi zum Bahnhof und wollte niemals wieder zurückkehren. Sie war so entsetzt und erschüttert, dass sie es sogar aufgab, weiter nach Alicia zu forschen. Stattdessen saß sie im Zug und schnitt ihre Mutter aus dem einzigen Gruppenfoto heraus, das sie aus ihrer Kindheit im Kloster hatte. Dann beschloss sie, ihren Nachnamen von Festa in Taylor zu ändern.

Sie wählte diesen Namen wegen ihres Vorhabens, alles Vergangene abzutrennen, alle Verbindungen durchzuschneiden.

Sie schnitt das Foto ihrer Mutter in winzige Stücke und weigerte sich, darüber auch nur noch eine einzige Träne zu verlieren.

In diesem Moment meinte Beatrice zu wissen, warum sie gefühlsmäßig wie versteinert war. Sie hatte nicht einfach nur ein Herz aus Stein entwickelt, wahrscheinlich hatte sie es geerbt!

Und ab sofort würde Beatrice Taylor das zu ihrem eigenen Vorteil einsetzen.

1. KAPITEL

„Bitte legen Sie Ihren Sicherheitsgurt an!“

Der Flugkapitän entschuldigte sich für die Turbulenzen während des Fluges, weshalb sie einen Umweg über Sizilien hatten fliegen müssen.

Als sie in den Sinkflug gingen, bemerkte Beatrice, dass Bellanisiá für ihr Gefühl ein klein wenig zu nahe an Trebordi lag. Außerdem war sie sich nicht einmal sicher, ob sie den Job überhaupt wollte.

Verbindungsassistentin für Seine Königliche Hoheit Prinz Julius von Bellanisiá.

Es war eine neu geschaffene Stelle für einen neuen Thronfolger.

Die Aufgabe war einfach: Sie sollte den Ruf des lasterhaften Prinzen vor der offiziellen Wahl der Braut aufpolieren.

Beatrice hatte im Bereich Öffentlichkeitsarbeit Karriere gemacht. Sie hatte bereits den Ruf vieler gefallener Berühmtheiten aufpoliert, egal ob Politiker, Sportler oder wer auch immer ihre Dienste benötigte, um sich aus irgendwelchem Schlamassel herauszumanövrieren. Affären, Dramen und Lügen – Beatrice bewegte sich völlig emotionslos hindurch. Niemand hätte erraten, dass die spröde zierliche Frau, die sich den Fragen der Presse stellte und sensible Themen mit Leichtigkeit handhabte, noch niemals geküsst worden war. Dass sie keine einzige Freundin und keinen einzigen Freund hatte.

Sie arbeitete im Rahmen von drei- bis sechsmonatigen Verträgen und war erfolgreich genug, um sich nicht mehr um Aufträge bemühen zu müssen, sondern diese durch persönliche Empfehlungen zu bekommen.

Das Geheimnis ihres Erfolgs? Beatrice waren ihre Klienten egal. Und sie sagte ihnen genau das. Sie war nicht ihre Agentin und schon gar nicht ihre Partnerin, Mutter oder Psychologin.

Die Flugroute ermöglichte ihr einen Blick auf das Königreich von Bellanisiá. Ein herrlicher Archipel, dessen Inseln im Ionischen Meer von oben aussahen, als ob Kieselsteine zwischen Sizilien und Griechenland verstreut worden waren. Jede Insel war einzigartig, doch sie befanden sich alle unter einer Herrschaft.

Um sich auf ihr erstes Vorstellungsgespräch vorzubereiten, hatte Beatrice online über Prinz Julius’ Leben recherchiert.

Ein überraschend glücklicher Teenager, verglichen mit seinem sehr förmlich wirkenden älteren Bruder und der älteren Schwester!

Später hatte er Archäologie studiert, gefolgt von einer Dienstzeit beim Militär. Er sah gut aus, hatte Charme und genoss all die Vorteile, die ihm seine Stellung als zweiter Sohn in der Thronfolge brachte.

Er verschwand monatelang auf archäologische Ausgrabungen und kehrte ab und zu für royale Pflichten und Partys zurück. Sein freies Leben war jedoch völlig durcheinandergeraten, als sein älterer Bruder, Prinz Claude, vor einem Jahr unerwartet an einer Influenza gestorben war.

Prinz Julius war in den Palast zurückgekehrt. Er hatte nicht nur seine Leidenschaft für Archäologie beenden müssen, sondern auch seine verschiedenen kurzen Beziehungen.

Es gab nichts Geschmackloses über ihn in der Presse, nur den üblichen Klatsch. Er feierte viel, er arbeitete noch mehr.

Selbst nach drei Vorstellungsgesprächen wusste Beatrice kaum mehr, als dass der Palast den Weg für ihn glätten und seine Hochzeit planen wollte.

Sie hatte einige Fragen gehabt. „Er ist also gegen Frauen in der Thronfolge?“, fragte sie während des dritten Vorstellungsgesprächs, da der Prinz ja auch noch eine ältere Schwester hatte.

„Das braucht Sie nicht zu kümmern“, hatte Philipe, der Chef des Protokolls im Palast, sie informiert.

„Ehrlich gesagt doch, wenn ich sein Image aufpolieren soll.“

„Diese Frage wird frühestens mit der nächsten Generation ernsthaft gestellt werden“, hatte Jordan, die persönliche Assistentin des Prinzen, geantwortet. „Hier bewegen sich die Dinge etwas langsamer.“

So schien es in der Tat. So langsam, dass die Rezeptionistin bei Beatrices Ankunft im Hotel erklärte, die Kleider, die sie bügeln lassen wollte, könnten erst am Abend zurückgebracht werden.

„Ich habe um zwei Uhr ein Meeting im Palast“, erwiderte Beatrice in fließendem Italienisch. „Und es ist unumgänglich, dass Sie sich sofort darum kümmern, bitte. Danke sehr.“

Nach einer kurzen Dusche steckte sie ihr blondes Haar zurück, legte einen Hauch blassen Lippenstift auf und ergänzte ihr frisch gebügeltes graues Etuikleid mit einem dunkelgrauen Jackett, um möglichst neutral auszusehen.

Während ihrer Arbeit als Übersetzerin hatte sie sich immer bemüht, nicht aufzufallen. Angesichts der Position ihrer meisten Kunden bemühte sie sich jetzt weiter darum.

Ein Auto holte sie ab, und bei ihrer Ankunft am Hintereingang des Palasts wurden ihre Handtasche und die Taschen ihres Jacketts durchsucht. Außerdem nahm man ihr das Mobiltelefon ab.

Dann hielt man ihr noch einen Vortrag hinsichtlich des Protokolls und informierte sie bei einem Gespräch vor dem Treffen mit dem Prinzen, dass das heutige Abholen durch einen Wagen die Ausnahme war und es normalerweise einen Shuttlebus für das Palastpersonal gebe.

Sie wurde durch einen gläsernen Korridor in ein Büro geführt, und man sagte ihr, dass ihr eigenes Büro zwei Stockwerke weiter unten wäre, wenn sie den Job bekäme.

Nun wartete sie auf den Thronerben, der ganze dreißig Minuten zu spät kam.

„Ernsthaft?“ Seine tiefe Stimme eilte ihm voraus. Er sprach Italienisch und trat kurz darauf ein. „Ich brauche keine weiteren PR-Strategen.“

„Eine Verbindungsassistentin, Sir“, murmelte sein Begleiter.

Beatrice stand auf, wie man sie instruiert hatte, doch als der Prinz den Raum betrat, waren ihre bisherigen Vermutungen dahin.

Prinz Julius sprudelte nur so vor Autorität. Es war, als hätte eine Art Kraftfeld den Raum eingenommen.

Beatrice hatte bereits sowohl mit männlichen als auch mit weiblichen Alphatieren zu tun gehabt.

Doch dieser Mann war im wahrsten Sinne des Wortes beeindruckend.

So sehr, dass Beatrice wie bisher auf Englisch antwortete, obwohl die Landessprache hier Italienisch war, gefolgt von Griechisch.

„Freut mich, Sie kennenzulernen“, sagte sie, und da man es ihr nahegelegt hatte, fügte sie dann hinzu: „Sir.“

„Gleichfalls“, erwiderte er, auch wenn sein Blick etwas anderes ausdrückte. Insgeheim hatte er sie wohl bereits aussortiert!

Wie so viele traute er der zierlichen Blondine in ihrem unauffälligen grauen Etuikleid gewiss nicht zu, über die Fähigkeiten zu verfügen, um mit den komplizierten Details seines Lebens zurechtzukommen.

Meine Güte, ist er groß, dachte Beatrice, beinahe erleichtert, als er ihr bedeutete, Platz zu nehmen.

Beeindruckend war jedoch mehr als nur seine Größe: Er war der bestaussehende Mann, den sie je getroffen hatte. Sein Haar war schwarz und glänzend und hatte den perfekten Schnitt. Seine silbergraue Krawatte saß tadellos. Vom Zitronenduft seines Aftershaves und den manikürten Nägeln bis zu seinen strahlend weißen Zähnen und den dunklen Augen sah er aus, als wäre er geradewegs dem Cover eines Modemagazins entstiegen.

Beatrice schluckte. Bei den meisten Vorstellungsgesprächen stellte sie fest, dass die sogenannten Alphatiere in der Wirklichkeit viel weniger beeindruckend waren als gedacht.

Er jedoch war weitaus beeindruckender!

Die für ihre Ungerührtheit bekannte Beatrice schob das merkwürdige Gefühl im Bauch auf die Nerven.

Gewiss lag es an der königlichen Abstammung.

Er runzelte die Stirn, als er ihren Lebenslauf überflog. „Aus Sizilien?“

„Sì, però …“, begann Beatrice auf Italienisch zu antworten, doch er hob die Hand.

„Bleiben wir bei Englisch“, schlug er vor. „Ich brauche Übung, meines ist etwas eingerostet.“

Er blickte wieder auf ihren Lebenslauf und auf die Liste ziemlich eindrucksvoller Klienten. Dann sah er zu seiner persönlichen Assistentin Jordan, die Beatrice bei den ersten Vorstellungsgesprächen bereits kennengelernt hatte.

„Sir …“, erläuterte Jordan nun. „Ms. Taylor soll sich hauptsächlich um Ihr Image im Vorfeld der Brautauswahl kümmern.“

„Ich war einverstanden mit einer gewissen Neujustierung.“ Der Prinz drehte den Kopf und sah kritisch zu einem Mann, den Beatrice als einen Assistenten des Königs kannte. „Von Polizeikontrolle war bisher nicht die Rede!“

„Ich werde ganz sicher niemanden kontrollieren“, warf Beatrice ein, „Sir.“

Alle erstarrten unwillkürlich, als sie unaufgefordert sprach. Alle, abgesehen vom Prinzen. Er blickte hoch, und ihre Blicke trafen sich zum ersten Mal. Beatrice ignorierte das plötzliche Herzklopfen.

„Sie haben klassische und moderne Sprachen studiert …“ Er runzelte die Stirn und erwähnte dann eine der Botschaften, in der sie gearbeitet hatte. „Sie haben dort als Übersetzerin gearbeitet?“

„Ja, Sir.“

„Davor waren Sie Krankenhaus- und Gerichtsübersetzerin?“

„Die Unterlagen enthalten auch Zeugnisse über die Qualität meiner Übersetzungsarbeit.“ Jemand hüstelte, und Beatrice bemerkte ihre Unterlassung und fügte hinzu: „Sir.“

Meine Güte, wie sollte sie denn mit ihm wichtige Dinge besprechen, wenn sie ständig so formell sein musste?

Er legte nachdenklich eine Hand ans Kinn, während er die verkürzte Fassung ihres Lebenslaufs las, der für ihn zusammengefasst worden war.

„Ich denke, dies könnte vielleicht ein Hinderungsgrund sein.“ Er blickte hoch zu einem der Berater. „Wenn Ms. Taylor in dieser Botschaft übersetzt hat …“

„Ich muss zustimmen, Sir“, sagte Philipe, der Protokollchef. „Ich habe meine Einwände bereits deutlich gemacht. Es gab politische Differenzen zwischen unseren Ländern.“

Erneut ergriff Beatrice das Wort. „Jeder wird bestätigen, dass ich immer allerstrengste Diskretion walten lasse, Sir.“

Wieder begegnete er ihrem Blick.

Beatrice hielt ihm stand.

„Haben Sie auch Fragen an mich?“, wollte er wissen.

„Einige.“ Beatrice nickte. „Die erste wäre, wie offen ich sein darf, Sir.“

„Offen?“ Seine Augen wurden schmal.

„Falls ich diese Stellung annähme, wären wir zum Beispiel in der Lage, unter vier Augen zu sprechen?“, wollte Beatrice wissen.

„Selbstverständlich“, antwortete Prinz Julius. „Am besten tun wir das gleich. Kommen Sie bitte mit mir!“

Beatrice wusste nicht, weshalb ihr Herz schneller schlug, denn normalerweise war sie nie nervös. Ein Dienstbote öffnete die Tür, und Beatrice ging zögernd hinaus.

Sie erinnerte sich daran, dass sie es hier mit einem Prinzen zu tun hatte, insofern war es doch sicher normal, etwas nervös zu sein.

„Ich entschuldige mich für die angestrengte Atmosphäre gerade eben“, sagte Prinz Julius. „Sie wären das erste Mitglied in unserem Team, das nicht aus Bellanisiá kommt.“

„Verstehe.“

„Es gibt hier immer noch jahrhundertealte Traditionen. Alte Gesetze aus vielen Kulturen, viele Sprachen, die gesprochen werden. Ich vermute, das wissen Sie bereits?“

„Ich habe alles über die Geschichte Ihres Königreichs gelesen, was erhältlich war.“

„Dann wissen Sie auch, dass ich das Leben als Junggeselle genossen habe. Da ich aber nun Thronfolger bin, ist es Zeit, mein Leben zu ändern.“

Sie liefen ein Stück, ohne zu sprechen.

„Der See ist sehr schön“, sagte Beatrice dann. „Er wirkt fast winterlich.“

„Lago Lefko“, sagte er.

Weißer See, dachte Beatrice. Eine Mischung aus Griechisch und Italienisch. Es war unschwer zu erkennen, weshalb er so genannt wurde.

Er war umgeben von weißen Weiden, Silberbirken, und selbst die Steine darum herum waren weiß und glitzerten, als wären sie von Eis bedeckt. Es fühlte sich fast so an, als wären die Temperaturen gefallen, und sie fröstelte leicht.

Weiße Tauben saßen in den Bäumen, und weiße Japanische Kraniche stolzierten auf einer Insel im See herum.

„Die Tauben waren ein Geschenk anlässlich der Hochzeit meiner Eltern.“ Er deutete auf die Kraniche. „Jene Vögel waren ein Geschenk, als Prinz Claude geboren wurde, und die weißen Schwäne waren für Prinzessin Jasmine.“

„Und für Sie?“

„Pardon?“

„Welche neuen Vögel gab es denn für Sie?“ Ihr wurde plötzlich klar, dass er sie genau verstanden hatte, und sie fügte hinzu: „Sir.“

„Pfauen“, erklärte er. „Weiße, natürlich.“

Beatrice sah sich um.

„Sie sind ständig unterwegs, aber Sie werden die Pfauen sicher bald hören.“

Er sprach sehr höflich, dennoch verhielt er sich distanziert.

„Also, Sie haben Fragen?“

„Ja. Letzte Woche war der einjährige Todestag von Prinz Claude.“

„Richtig.“

„Und wie ich es verstehe, ist man nun der Ansicht, es wäre Zeit für das Land, glücklicheren Zeiten entgegenzusehen.“ Sie versuchte, sich dem Thema vorsichtig anzunähern. „Ist die Heirat etwas, was Sie möchten?“

„Sie ist nötig.“

„Das verstehe ich, aber ich versuche, Ihre Gedanken einzuschätzen …“

„Sie werden meine Gedanken nicht bekommen, Ms. Taylor. Sind Sie immer so direkt?“

„Ja, das bin ich.“ Das stimmte. „Und ich sehe nicht, wie wir die Gespräche führen sollen, die nötig sein werden, wenn ich mich ständig verbeugen und Sie mit Sir ansprechen muss … Sir.“

„Das ist Ihr Problem“, erwiderte er. „Ich bevorzuge es, die Dinge formell zu halten.“

Wie arrogant, dachte Beatrice.

„Ich kann Ihnen jedoch erklären, dass meine zukünftige Frau die Interessen ihres eigenen Landes berücksichtigen wird, wenn sie sich für eine Heirat mit mir entscheidet. Es wird eine Partnerschaft sein, die uns beiden gleichermaßen nützt.“

„Und Liebe?“

Bei dieser Frage stieß er ein wehmütiges Lachen aus. „Diese Art von Komplikation brauche ich nicht.“ Er drehte den Kopf zu ihr. „Würden Sie Ihren Partner zur Arbeit mitnehmen?“

Beatrice hatte nie einen Partner gehabt, und auch wenn sie sich mit dem Privatleben des Prinzen beschäftigen müsste, würde er ganz gewiss keinerlei Hinweise auf ihres bekommen. „Natürlich nicht.“

„Oder zu einem Geschäftsessen, einer Geschäftsreise?“

„Nein.“

„Eben.“

„Ich schlafe jedoch auch nicht mit meinen Kollegen“, fügte Beatrice hinzu. „Oder bringe deren Kinder zur Welt.“

„Sie sind bürgerlicher Herkunft, Ms. Taylor. Ich bin das nicht.“

In diesem Moment hätte sie ihn am liebsten in den See gestoßen.

„Vor einigen Wochen gab es einen Zwischenfall …“ Beatrice wählte das neueste Beispiel. „Und seitens des Palastes wurde daraufhin eine Entschuldigung veröffentlicht.“

„Wie wären Sie damit umgegangen?“, fragte der Prinz.

„Nach dem, was ich gelesen habe, scheint mir, dass alle eine gute Zeit hatten.“ Sie klang kühl. „Ich hätte keine Notwendigkeit für ein Statement Ihrerseits gesehen.“

„Das habe ich auch nicht abgegeben.“

„Nun, aber der Palast“, entgegnete Beatrice. „Es gab ständig Entschuldigungen, soweit ich sehen konnte. In Ihrem Namen natürlich.“ Sie blickte zu ihm und damit nach oben, denn er war wirklich groß. „So hätte ich die Sache nicht gehandhabt.“

„Nun, gegenwärtig scheint alles als eine Art Heimkehr des verlorenen Sohnes dargestellt zu werden.“

„Von wem?“

Er blickte starr geradeaus.

„Dem Palast? Dem König?“, fragte sie nach.

Er antwortete nicht direkt. „Von mir kommen die Entschuldigungen nicht, sondern von offizieller Seite. An meiner Stelle.“

„Nun, wenn Sie Ihrer zukünftigen Braut Verlegenheit ersparen wollen, dann würde es bereits helfen, wenn die Dinge nicht so hochgespielt würden“, sagte Beatrice. „Es gibt ja auch keine besonderen Skandalgeschichten.“

„Ich war damit einverstanden, mich für einige Monate sehr zurückzunehmen, bevor ich die offizielle Absichtserklärung unterzeichne.“

„Nun, das wäre schon einmal ein Anfang. Doch der Palast sollte meiner Meinung nach damit aufhören, sich ständig zu entschuldigen und Statements abzugeben. Falls ich den Job bekäme, würde alles über meinen Schreibtisch gehen …“

Diesmal vergaß sie nicht einfach, das „Sir“ anzufügen, sondern wurde durch eine Familie von schwarzen Schwänen abgelenkt. Sie hoben sich gegen all die anderen weißen Vögel am See ab.

Der Prinz sah sich nach der Ursache für ihre Ablenkung um. „Die beiden schwarzen Schwäne kamen bei Prinz Claudes Tod dazu.“

„Die kleinen Küken sind sehr niedlich …“

„Sie mögen Vögel?“, fragte Prinz Julius und setzte den Spaziergang fort.

„Ja.“

„Nun habe ich auch noch eine Frage.“

„Natürlich.“

„Stört es Sie nicht“, fragte er, „wenn Sie an einem Tag etwas sagen und am nächsten Tag als Lügnerin dastehen?“

Beatrice musste nicht lange überlegen. „Es stört mich nicht.“

„Nein?“

„Es sind nicht meine Lügen, Sir. Und außerdem …“

„Was?“, fragte er nach, als sie innehielt.

Also gut. Beatrice blieb stehen, genau wie er. Sie sah ihn an. „Auf beruflicher Ebene bin ich involviert und gebe mein Bestes, andererseits nehme ich die Dinge nicht persönlich, sondern bin objektiv …“ Sie holte tief Luft und sagte ihm, was sie allen Klienten sagte. „Es ist mir egal, was Sie tun.“

Das klang harsch, doch war es der Grund dafür, weshalb Beatrice so gut in ihrem Job war. Und der Grund für diese völlige Gleichgültigkeit? Nun, der ging mögliche Arbeitgeber nichts an. Das ging niemanden etwas an.

Beatrice stand niemandem nahe.

„Nun“, sagte Prinz Julius, „das ist dann ja mal eine erfrischende Neuigkeit.“

Zu Beatrices Überraschung bot man ihr tatsächlich die Stellung an.

Also verließ Beatrice London, um die auf drei Monate befristete Anstellung in Bellanisiá anzunehmen, und unterzeichnete einen Mietvertrag über ein möbliertes Apartment im zweiten Stock mit einem kleinen Balkon zum Hafen hinaus.

Während ihres ersten Monats dort begann sie, ihr Abendessen auf dem Balkon einzunehmen, während sie die teuren Jachten und Segelboote betrachtete, genau wie die Fischerboote. Im zweiten Monat kaufte Beatrice ein Vogelhäuschen und frühstückte auch auf dem Balkon.

Sie mochte diesen Ort mehr und mehr.

Die Arbeit im Palast war interessant und nicht nur das. Beatrice stellte fest, dass sie es auch genoss, mit dem Shuttlebus zur Arbeit zu fahren. Auf dem Hinweg saß sie immer auf der linken Seite, weil der Ausblick dort so herrlich war, und auf der Rückfahrt saß sie rechts.

Im Ort gab es die verschiedensten Geschäfte: Designerläden und berühmte Modehäuser, Floristen und Buchläden. Um einen zentralen Platz standen Regierungsgebäude, Monumente und Kirchen.

Die Zeit verflog, und in drei Wochen sollte ihr Vertrag auslaufen. Ihr Job wurde allerdings zusehends schwieriger, da die Fake News in der Presse zunahmen. Prinz Julius schien jedoch noch immer nicht entschlossen, die Absichtserklärung zu unterzeichnen.

Außerdem hatte Beatrice festgestellt, dass sie mit einem völlig neuen Problem umgehen musste.

Sie mochte ihren Boss.

Oder besser gesagt: Sie war zum allerersten Mal verliebt.

Und das völlig unpraktischerweise ausgerechnet in Seine Hoheit Prinz Julius von Bellanisiá!

Natürlich hätte sie es früher merken können, denn dieses Herzklopfen hatte sich einfach nicht gelegt, und manchmal, wenn sich ihre Blicke begegneten, hatte es sich eigenartig angefühlt, aber Beatrice hatte ihre neuartigen Gefühle ignoriert. Doch eines Morgens, als sie den Shuttlebus zur Arbeit nahm und ihr der Dom ins Auge fiel, wo die Königliche Hochzeit stattfinden würde, war ihr bewusst geworden, dass dieser Herzschmerz letztlich von verbotenen Gefühlen kam.

Beatrice hatte schnell von der Kirche weggeblickt, doch das Gefühl war einfach nicht verschwunden. Stattdessen war es noch schlimmer geworden.

Das war so unerwartet, so völlig neuartig, dass sie alles darum gegeben hätte, mit einer Freundin reden zu können.

Es war so beunruhigend, dass sie an ihrem Geburtstag in den Ort zurückkehrte, wo sie geboren worden war. Was sie sich davon erhoffte, das wusste sie selbst nicht genau.

Trebordi hatte sich in einem Jahrzehnt nicht sehr verändert.

Sie stand auf der Landzunge und hielt ihren Strohhut fest, damit er nicht davonflog. Bis zu diesem Moment hatte Beatrice gedacht, sie selbst hätte sich verändert. Sie hatte ihren Nachnamen geändert, ihre ganze Identität, eine Karriere aufgebaut, sprach hauptsächlich Englisch … Und dennoch, tief im Inneren wusste Beatrice, dass sie sich letztlich nicht verändert hatte.

Hier stand sie nun an ihrem neunundzwanzigsten Geburtstag und starrte auf das Kloster, in dem sie aufgewachsen war. Dabei war sie immer noch verängstigt und einsam, ganz wie das kleine Mädchen, das dort aufgewachsen war.

Vielleicht sogar noch mehr.

Damals hatte sie Alicia gehabt.

Und jetzt wünschte sie sich noch verzweifelter als je zuvor, sie wiederzufinden.

Beatrice sehnte sich nach dem Rat ihrer Freundin. Doch sie wusste nicht, wo sie nach ihr suchen sollte, und auch nicht, welche Reaktion sie vielleicht erhielte, wenn sie Alicia denn fand.

Schließlich war es Beatrice gewesen, die ihren Namen von Festa in Taylor abgeändert hatte. Sie war es gewesen, die jegliche Hoffnung auf Kontakt zunichtegemacht hatte.

Beatrice stand da und sah zu, wie die Nonnen das Kloster verließen und ins Dorf gingen, um sich wie üblich an einem Samstagabend ein Eis zu holen.

Sie erstarrte, als nun zwei Nonnen aus dem Klostertor traten. Schwester Josephine war sichtlich gealtert und ging jetzt ein wenig langsamer, doch es war Schwester Catherine an ihrer Seite, die Beatrices Aufmerksamkeit erregte.

Die beiden gingen an der Babyklappe vorbei, wo Beatrice damals abgelegt worden war, nackt und bloß.

Die beiden Nonnen waren so in ihre Unterhaltung vertieft, dass sie an der Klappe vorbeigingen, ohne auch nur einen Blick darauf zu werfen. Und Schwester Catherine bemerkte offensichtlich auch nicht die schlanke Frau, die sie beobachtete, als erwarte sie von ihr einen Blick auf diese Klappe, vielleicht einen Blick in die Umgebung und die Überlegung, ob ihre Tochter an ihrem Geburtstag hierher zurückgekehrt sein könnte.

Nichts.

„Was zur Hölle tust du denn überhaupt hier, Beatrice?“, fragte sie sich da und ging geradewegs zurück zu dem Leihwagen, mit dem sie hergekommen war.

Beatrice würde nicht zurück ins Dorf fahren. Sie war fertig mit allem hier.

Auf dem Flug zurück nach Bellanisiá schwor Beatrice sich insgeheim, dass sie im nächsten Jahr zu ihrem dreißigsten Geburtstag irgendwohin reisen würde, wo es wunderschön war. Sie würde Freundschaften schließen und Geburtstagsmartinis trinken, von denen sie gehört, die sie aber nie versucht hatte. Sie würde jemanden küssen und Sex haben, auch wenn der Gedanke ihr Angst machte. Sie würde alles tun, um nicht so kalt und gefühllos zu werden wie die Frau, die sie zur Welt gebracht hatte.

Wenn es nicht anders ginge, würde sie einen Gigolo beauftragen.

Erst als sie wieder in ihrer kleinen Wohnung am Hafen eintraf, brach sie zusammen.

Sie starrte auf das eine Foto, das sie aus ihrer Kindheit hatte, und sehnte sich verzweifelt nach Alicia, die immer gewusst hatte, dass Beatrice hinter ihrer kühlen Fassade furchtbare Angst hatte.

In Wahrheit brauchte sie jemanden, der ihr sagte, dass ihr Gefühl für den Prinzen einfach nur eine alberne Schwärmerei war. Wahrscheinlich holte sie jetzt mit neunundzwanzig Jahren nur ihre Teenagerzeit nach, die sie schließlich ausgelassen hatte.

Also, was war so schlimm daran, dass sie den Prinzen ein wenig lieber mochte, als sie sollte?

Es würde sowieso nirgendwohin führen.

Er war unerreichbar.

2. KAPITEL

„Signorina …“ Der Fahrer begrüßte Beatrice freundlich, als sie mit ihrem Kaffeebecher den Shuttlebus bestieg.

Während sie den Gang entlangging, meinte eine Frau, die Beatrice vom Catering kannte, dass sie ungewöhnlich spät dran sei.

„Besser spät als nie“, antwortete Beatrice lächelnd und hoffte, dass niemand ihre geröteten Augen bemerkte.

Als sie schließlich ausstiegen, hatte Beatrice das Gefühl, sich verspätet zu haben, auch wenn sie immer noch rechtzeitig dran war. Also ging sie mit eiligen Schritten durch den Rosengarten und am See vorbei, dann nahm sie die Treppe nach unten zu den Büros im Souterrain.

„Es gibt Berichte über eine Party an Bord von Prinz Julius’ Jacht.“

An diesem besonderen Morgen wäre Beatrice gern erst einmal allein in ihrem Büro gewesen, um ihre geschwollenen Augen zu verbergen, bevor sie der Welt gegenübertreten musste.

Sie hätte niemals diese kurze Reise nach Trebordi machen sollen!

„Danke, Jordan“, rief sie der persönlichen Assistentin von Julius zu. „Ich sehe es mir an.“

„Beatrice, warte.“ Jordan kam aus dem Büro im Untergeschoss und lief ihr entgegen, um sie weiter aufzuklären. „Prinz Julius ist …“

„Ach bitte!“, rief Beatrice und zwang sich, die unerschütterliche Frau zu sein, als die sie angestellt worden war. „Er sieht gut aus, ist Single und hat zufällig ein Sexleben …“

Ihre Stimme brach ab, als sie nun ihr Büro betrat und ihr bewusst wurde, dass Jordan nur versucht hatte, sie davor zu warnen, dass sie Besuch hatte.

Königlichen Besuch.

„Guten Morgen, Beatrice.“

Verdammt!

An eine Wand gelehnt stand Prinz Julius höchstpersönlich in ihrem Büro. Er trug Reithosen und Stiefel und hatte lässig die Arme übereinander verschränkt. Sein glänzendes schwarzes Haar war zerzaust, sein Kinn unrasiert. Beatrice wusste, dass er bald wieder wie aus dem Ei gepellt aussehen würde. Doch im Augenblick hatte sie es mit einem durch und durch männlichen Prinzen zu tun, dessen Äußeres nahelegte, dass er sich selbst und sein Pferd heute Morgen völlig ausgepowert hatte.

„Eure Hoheit.“ Beatrice lächelte verhalten.

Er erwiderte das Lächeln nicht.

Sie weigerte sich, sich für ihre Bemerkung zu entschuldigen. Schließlich war es nichts, was Beatrice nicht schon gesagt hatte, entweder zu ihm selbst oder während eines der endlosen Strategietreffen sowohl mit seinen Assistenten als auch mit denen des Königs.

„Sir“, Jordan kam hereingeeilt, als Beatrice ihre Aktentasche ablegte und ihren Kaffee auf den Schreibtisch stellte. „Ich kann mich nur entschuldigen, falls wir unangemessen gespr…“

„Alles in Ordnung“, unterbrach Julius sie. „Machen Sie bitte weiter, mit was immer Sie gerade getan haben, Jordan.“

Nachdem Jordan gegangen war, zog Beatrice ihr Jackett aus und hängte es über die Rücklehne ihres Stuhls, dann sah sie ihren Boss an. „Welcher Angelegenheit verdanke ich das Vergnügen, Sir?“

„Ich dachte, wir hätten die Frage der Anreden besprochen“, erinnerte Julius sie. „Wir sind jetzt allein in Ihrem Büro.“

Mein Gott, weshalb hatte sie nur darauf bestanden, die förmliche Anrede wegzulassen? Sie hatten sich darauf geeinigt, dass sie ihn unter vier Augen und in ihrem Büro mit Vornamen ansprechen konnte.

Oh, wie sehnte sie sich jetzt nach dem strengen Protokoll!

Sie fühlte sich unvorbereitet – und das nicht nur wegen ihrer verquollenen Augen.

Beatrice schloss die Tür und öffnete die Jalousien, dann nahm sie Platz.

Er nicht.

Julius blieb weiter an die Wand gelehnt stehen und musterte sie. Gewiss war er von ihren Worten bei ihrer Ankunft nicht gerade begeistert. Sie konnte die Spannung in der Luft förmlich spüren.

Dann feuere mich doch, dachte Beatrice trotzig.

Sie griff nach ihrem Kaffee, aber nachdem sie einen Schluck genommen hatte, verzog sie das Gesicht. „Ich wusste es.“

Er seufzte ungeduldig. „Ich habe nicht die Zeit zu warten, bis Sie einen anderen Kaffee haben.“

„Nein. Das ist es nicht. Es ist diese neuartige Tasse, die den Kaffee angeblich warm halten soll …“ Sie brach ab, als er die Stirn runzelte. Was wusste er schon von Thermotassen und der Fahrt im Shuttlebus?

Oder war es möglich, dass er die Stirn runzelte, weil er gerade ihre geschwollenen Augen bemerkt hatte?

Sie griff nach einem Taschentuch, um sich zu retten. „Entschuldigen Sie bitte“, sagte sie. „Allergie.“

„Allergie worauf?“

„Persönliche Fragen!“ Sie lächelte kühl, griff in ihre Tasche und holte ihr Notizbuch und den Stift heraus, genau wie ihr Mobiltelefon für die Arbeit, das sie rasch anstellte.

„Oh“, stieß sie hervor, als mehrmaliges Klingeln ertönte. „Sie waren sehr fleißig übers Wochenende.“

Immer noch lehnte er an der Wand. „Sie sehen gar nicht auf Ihr Mobiltelefon?“

„Was meinen Sie? Ich habe es immer an“, antwortete Beatrice, scrollte sich durch die Nachrichten und fügte hinzu: „Während meiner Arbeitszeit.“

Das strikte Befolgen ihrer eigenen Regeln diente im Falle dieses Klienten mehr ihrem eigenen Wohlbefinden. Ständige Updates über Julius und seine Schlafzimmerspäße brauchte sie wirklich nicht! Auch wenn, wie Beatrice zugeben musste, in letzter Zeit nichts wirklich Skandalöses dabei gewesen war.

Seine Vergangenheit war jedoch eine andere Sache. Ohne neue Skandale für ihre Titelgeschichten grub die Klatschpresse immer wieder die alten aus, und davon gab es reichlich.

Sie scrollte durch die neuen Artikel, die über den Prinzen erschienen waren.

„Tanzender König?“, Beatrice blinzelte mehrmals.

„Offensichtlich bin ich begeistert, dass mein Bruder starb, und tanze auf seinem Grab, angesichts der Chance, selbst König zu werden“, stieß Julius bitter hervor.

Beatrice versuchte, sich gegen das zu stählen, was sie wohl an Fotos erwarten mochte. Von anderen Klienten hatte sie schon oft intime Schnappschüsse gesehen, aber sie wusste, sie müsste sich sehr beherrschen, wenn sie solche Fotos von ihm sähe. Bei Julius hatte es jedoch nie etwas Schmieriges gegeben.

„Muss ich mich darauf einstellen, schockiert zu werden?“

„Mir scheint, man kann Sie gar nicht schockieren, Beatrice.“

Auf dem Foto trug er eine schwarze Hose, ein schwarzes Hemd und schwarze Stiefel, und die Frau, die er in den Armen hielt, hatte sich so weit nach hinten gebeugt, dass sie fast auf dem Deck seiner Jacht lag. Ihr Haar breitete sich auf dem Deck in brünetten Wellen und Locken aus.

Beatrice hatte einen wirklichen Skandal erwartet, doch das Foto vom Prinzen, der vollständig gekleidet war und einfach nur das Leben feierte, während sie ihren Geburtstag weinend verbracht hatte, schien die Tatsache zu unterstreichen, dass es wirklich Zeit für sie war, etwas zu ändern.

Sie schnäuzte sich, um sich Zeit für eine angemessene Reaktion zu verschaffen, denn sie war furchtbar eifersüchtig auf diese Schönheit in seinen Armen.

„Sie haben sie doch nicht etwa fallen gelassen, oder?“ Beatrices Stimme krächzte leicht, als sie sich in einem Scherz versuchte. „Gab es dabei noch Rettungshubschrauber und Notärzte?“

„Wie bitte?“

Er klang halbwegs amüsiert über ihre Frage, doch Beatrice erinnerte sich daran, dass derartige Scherze nicht ihre Stärke waren, also kehrte sie zu den anderen Fotos zurück.

Nein, er hatte die Frau nicht fallen gelassen. Es gab auch andere Paare, die tanzten, doch die Kamera hatte stets ihn im Fokus gehabt, und Beatrice betrachtete interessiert die nächste Aufnahme. Die Frau stand wieder aufrecht, ihr Oberschenkel lag über seinem, und mit einer Hand hielt er sie an der Hüfte.

Beatrice fühlte sich unwohl auf ihrem Stuhl. Sie hatte das Bedürfnis, ihren BH zu richten, denn plötzlich fühlte er sich eine Nummer zu klein an.

Wie konnte das Foto eines korrekt gekleideten Mannes so etwas bei ihr auslösen?

Beatrice wusste es nicht.

Und doch passierte es.

Er war daran schuld.

Nachts schlief sie mit den Händen auf ihrem bestickten Quilt, wie die Nonnen es ihr beigebracht hatten. Sie lag da wie eine Dame, auch wenn sie sich verzweifelt wünschte, einfach eine Frau zu sein. Jede Nacht kämpfte sie gegen die Gefühle an, die er bei ihr auslöste.

Und nun waren ihr diese Gefühle sogar noch in die Arbeit gefolgt.

Das muss aufhören, dachte Beatrice.

Trotz seiner Reitkleidung umgab den Prinzen kein Stallgeruch, sondern ein Duft von Zitrone und Frische. Beatrice wagte nicht aufzusehen, also starrte sie stattdessen auf die Fotos.

„Gibt es auch irgendwelche Fotos danach?“

„Danach?“, wiederholte er fragend. „Meine Güte, nein. Es war nichts weiter. Wir haben nur getanzt“, sagte Julius, und Beatrice wünschte, sie könnte sein „nur“ infrage stellen, da die Fotos etwas so Sinnliches und Anmutiges ausstrahlten.

Jetzt gab es noch etwas, was sie sich zu ihrem dreißigsten Geburtstag vornehmen konnte: Tanzen lernen!

„Es sind jedenfalls sehr gute Fotos.“

„Danke.“

„Ich meinte damit, sie wurden nicht von einem Mobiltelefon aufgenommen. Dies sind professionelle Fotos. Wie konnte irgendjemand nahe genug kommen, um sie zu machen? Wo waren Ihre Sicherheitsleute?“

„Überall um uns herum waren Boote. Mein Fehler.“

„Tja, ich sehe dennoch keinen Skandal. Es sieht einfach so aus, als hätten Sie Ihr Wochenende genossen.“

„Der Skandal ist …“ Es gab eine kurze Pause, bevor er weitersprach. „Sie wurden nicht am Wochenende gemacht.“

Zum ersten Mal seit ihrem heutigen Zusammentreffen spürte sie, wie unwohl er sich fühlte. „Also?“

„Sie wurden am ersten Jahrestag gemacht …“ Er machte eine kurze Pause. „Von Claudes Tod.“

„Okay.“ Beatrice betrachtete die Fotos noch einmal mit dieser neuen Information.

„Ja, ich hatte an diesem Morgen einen offiziellen Gottesdienst besucht, auch wenn laut Presse meine ernste Stimmung nur gespielt war.“

„Also gestattet man Ihnen nur eine einzige Emotion pro Tag?“

Beatrice hob die Augenbrauen, und er lachte freudlos auf, als sei er erleichtert, dass sie ihn verstand.

Sie drehte sich zu ihrem Computer und sah sich andere Fotos an, die am Jahrestag von Claudes Tod gemacht worden waren.

Die Königin sah wie immer gefasst und elegant aus, der König wirkte ernst und düster. Prinzessin Jasmine, Julius’ ältere Schwester, hatte ihr Gesicht hinter einem schwarzen Schleier verborgen und hielt die Hand ihrer Tochter Arabella. Was Julius betraf … Er stand aufrecht neben dem König, und niemand konnte vermuten, was hinter seinen dunklen Augen vorging.

Doch in letzter Zeit wollte Beatrice das immer öfter wissen.

Julius durchbrach ihre Gedanken. „Ich war unvorsichtig“, gab er zu. „Ich wollte einfach nur …“

„Ja?“

„Der richtige Ausdruck wäre wohl: Dampf ablassen.“

„Ich verstehe“, sagte Beatrice. „Ich selbst tanze ja nicht, aber …“

„Sie tanzen nicht?“

„Nein.“

Julius löste sich jetzt von der Wand und setzte sich Beatrice gegenüber. Er streckte seine Beine aus und blickte sie aufmerksam an.

„Warum tanzen Sie denn nicht, Beatrice?“

„Können wir bitte wieder zu den Fotos zurückkehren?“, hätte sie am liebsten gesagt, doch Julius schien mehr an ihrem kleinen Ausrutscher interessiert, mit dem sie etwas Privates enthüllt hatte.

„Ich habe es nie gelernt“, erwiderte sie gereizt. „Sie gewiss schon frühzeitig?“

„Unbedingt.“ Er nickte. „Wir hatten Unterricht im Ballsaal.“

„Alle drei?“ Beatrice konnte nicht anders, als nachzufragen.

Er nickte. „Wir hatten sogar Kostüme und so weiter.“

„Haben Sie es gehasst?“

„Ganz und gar nicht.“

Sie hatte erwartet, dass er das Gesicht verzog, aber er überraschte sie, wie schon öfter in ihrer bisherigen Zusammenarbeit.

„Mir gefiel es sehr.“ Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf, während er kurz nachdachte. „Claude und Jasmine mochten es gar nicht.“ Er lächelte bei der Erinnerung. „Mein Vater hatte schon Angst, dass es mir zu gut gefallen könnte!“

Sein Lächeln war ansteckend, doch sie versuchte, sich zu erinnern, wo sie stehen geblieben waren. Sie musste wieder zum eigentlichen Thema zurückkehren.

„Also gut … Prinz Claudes Todestag fiel zusammen mit dem Beginn der Hellenischen Feierlichkeiten?“ Sie überprüfte die Daten.

„Richtig.“

„Und deshalb waren so viele Boote unterwegs?“

„Ja.“

„Haben Sie das mit der Security besprochen?“

„Darum werde ich mich selbst kümmern. Von Ihnen möchte ich nur wissen, wie ich auf diese Artikel reagieren soll.“

„Natürlich. Ist es eine Tradition, der Sie jedes Jahr folgen?“

„Nein“, entgegnete Julius und fügte dann hinzu: „Claude allerdings schon. Es war sein Lieblingsfest.“

„Das ist gut. Könnte es sein, dass Sie seine Lebensfreude ehren wollten, indem Sie an seiner Stelle teilnahmen?“

„Diese Interpretation möchte ich nicht“, entgegnete Julius. „Ich werde meinen Bruder nicht als Entschuldigung benutzen.“

„Dann schlage ich vor, die Fotos nicht weiter zu kommentieren. Und basta!“

Während ihrer Arbeit im Palast hatte Beatrice ihre eigene Strategie etabliert, sodass es keine Kommentare oder Entschuldigungen mehr gegeben hatte, wenn irgendein Klatschblatt Fotos des Prinzen veröffentlicht hatte.

„Danke.“ Er lachte kurz auf bei ihrer ungewöhnlich leidenschaftlichen Antwort. „Ich vergesse immer, dass Sie Sizilianerin sind.“

„Oh, glauben Sie, ich gebe mir auch große Mühe, das zu vergessen.“

Diese Antwort hätte Beatrice am liebsten sofort zurückgenommen. Es war nicht Sizilien, das sie vergessen wollte, es war nur eine einzige Frau. Sie war dankbar, dass Julius nicht weiter nachfragte.

Doch er stand immer noch nicht auf, um zu gehen. „Man wird so etwas immer wieder auftischen“, meinte er.

„Ich glaube nicht, dass Sie sich wirklich Sorgen deshalb machen müssen.“

„Tja, es ist jedenfalls damit zu rechnen, dass so etwas immer wieder auftaucht, bis ich die Absichtserklärung unterzeichnet habe.“ Er atmete tief durch und schloss die Augen.

„Und was passiert danach?“, fragte Beatrice. „An und für sich hätte ja alles stattgefunden haben sollen, bevor ich gehe, aber …“

„Nun, sobald ich die Absichtserklärung unterzeichnet habe, geht diese in den Rat, und nach etwa einem Monat werde ich erfahren, wen man erwählt hat.“

„Haben Sie denn keine Ahnung, wer das sein wird?“

„Nicht die geringste. Es könnte jemand aus einem befreundeten Land sein oder auch jemand, zu dessen Land wir ein besseres Verhältnis aufbauen müssen.“ Julius zuckte mit den Schultern. „Wer weiß? Und sobald die Entscheidung getroffen wurde und alle Beteiligten sich einig sind, wird die Heirat innerhalb eines Monats stattfinden.“

„Werden Sie sich vorher kennenlernen?“

„Natürlich. Die Familien werden eine Woche vorher zusammen dinieren.“ Er hob die Hand, um zu zeigen, dass auch das noch nicht feststand. „Abhängig von ihrem Land und deren Traditionen, natürlich. Jedenfalls“, fuhr er fort, „werden wir nach der Hochzeit noch einen Monat auf Regalsi verbringen, um uns besser kennenzulernen …“ Er musste ihr Stirnrunzeln bemerkt haben. „Das ist eine der kleineren Inseln. Nur für die Königliche Familie.“

„Wie ist es dort?“

„Ich war noch nie dort. Sie ist mehr für Flitterwochen und …“

„Flirts?“

„Mitglieder der Königlichen Familie flirten nicht“, warnte er mit einem Augenzwinkern und einem Lächeln. „Regalsi ist ein Ort für ernsthafte Beziehungen … Deshalb war ich auch noch nie dort.“

Das verblüffte sie. Soweit sie wusste, hatte Julius auch längere Beziehungen gehabt, doch anscheinend war keine je ernsthaft genug gewesen, um einen Aufenthalt auf Regalsi zu rechtfertigen.

Er drehte den Kopf, als eine fröhliche Stimme vor ihrer Tür zu hören war.

„Klopf-Klopf!“

„Sie bekommen Besuch“, sagte er zu Beatrice und bat Jordan herein.

Und an diesem Morgen, an dem Beatrice sich am liebsten nur verstecken wollte, kam nun Jordan, gefolgt vom restlichen Team, mit einem Kuchen herein, auf dem Kerzen brannten.

„Kuchen?“ Beatrice war völlig verblüfft.

„Geburtstagskuchen“, erklärte Jordan.

Also das war der Grund, weshalb der Prinz mit ihr Small Talk gemacht hatte.

Sie lächelte überrascht, als Jordan den hübschesten Kuchen auf ihren Schreibtisch stellte, den sie je gesehen hatte. Er hatte eine regelrechte Blumenwiese darauf zur Verzierung, neben ihrem …

„Mein Name!“

„Natürlich.“

Für Beatrice war das alles andere als natürlich.

Einen Geburtstagskuchen mit Kerzen und ihrem Namen darauf bekam Beatrice zum ersten Mal, weshalb es für sie ziemlich überwältigend war.

Im Kloster aufzuwachsen hieß, dass es am Geburtstag der Kinder nach dem Mittagessen einen einfachen Honigkuchen gab, und allein das war schon besonders gewesen.

Beatrice sah, wie Tobias, Julius’ Privatsekretär, zwei Karten auf ihren Schreibtisch legte, und hörte Jordans Erklärung dazu an.

„Den Kuchen hat der Chefkonditor gebacken. Normalerweise tun wir das nur für die Festangestellten, aber …“

„Ja, das ist eine wunderbare Ausnahme, danke“, warf Beatrice ein, als ihr klar wurde, dass Jordan ihre roten Augen bemerkt hatte.

„Meine Güte, du hast wirklich am Wochenende gefeiert, nicht wahr?“

„Kommen Sie schon, Beatrice“, meldete sich jetzt Julius wieder zu Wort. „Wollen Sie ihn nicht anschneiden?“

„Aber natürlich.“

Sie nahm das Messer und zielte damit auf den Kuchen.

„Zuerst die Kerzen“, erinnerte Julius sie.

„Oh, ja …“ Sie blies sie aus.

Meine Güte, sie war so unfähig, den Kuchen aufzuschneiden, dass Tobias schließlich das Messer aus ihren ungeübten Händen nahm.

„Wie war denn Ihr Wochenende?“, fragte Despina, die die Social-Media-Kanäle des Prinzen bediente.

„Bestens“, antwortete Beatrice.

„Haben Sie sich mit Ihrer Familie ausgetauscht?“

„Klar.“

„Und“, fragte nun Tobias, „wie war Sizilien?“

„Windig“, antwortete sie und überlegte, wie sie die Fragerei verkürzen konnte. „Wie geht es Esther? Sie hatten doch heute den Ultraschall, oder?“

Beatrice wusste genau, was sie fragen musste. Tobias’ Frau war schwanger, und es gab nichts Besseres, um unerwünschte Fragen zu umgehen, als jemand anders zum Reden zu animieren – besonders jemanden, der sich darauf freute, Vater zu werden.

„Ja! Wir wollten gern wissen, was wir bekommen …“

Tobias redete glücklich weiter, während alle Kuchen verzehrten. Aus dem Augenwinkel sah Beatrice, wie Julius sich das letzte Stück Kuchen holen wollte, dann jedoch widerwillig innehielt.

„Möchte das noch jemand?“, fragte er, offensichtlich noch hungrig vom Reiten und mehr als bereit, das letzte Stück Kuchen zu verzehren.

„Ja, ich“, sagte Beatrice.

Er hielt inne.

Genau wie Beatrice. Denn plötzlich funktionierte ihre Stimme nicht richtig. Weshalb er zu ihr blickte.

Niemand sonst bemerkte es, aber er sah sie lange an und zog dann seine Hand zurück.

„Natürlich.“ Er nickte und warf ihr einen Blick zu, bei dem es irgendwie in ihrem Bauch kribbelte, genau wie in einem Bereich weiter unten. „Schließlich ist es Ihr Kuchen.“

„Genau“, stimmte Beatrice zu und schaffte es, seinen Blick zu halten.

„Genieße ihn!“, sagte Jordan lachend, während Julius sich aus dem Büro zurückzog. Beatrice stand nur da und fragte sich, was da eben geschehen war. Einen Augenblick lang hatte es sich so angefühlt, als gäbe es niemand sonst in ihrem winzigen Büro.

Nur sie beide.

Meine Güte, hatte er etwa gedacht, sie flirte mit ihm?

Hatte sie das getan?

Beatrice wusste es nicht.

Sie hatte sich nie an solchen Spielchen beteiligt. Dennoch war irgendetwas gerade geschehen …

Als der Rest des Teams gegangen war, schloss Jordan die Tür hinter ihnen, und ihr Lächeln schwand. „Beatrice, du musst vorsichtiger sein.“

„Womit?“

Hatte sie es bemerkt? Würde man sie dafür rügen, mit dem Prinzen geflirtet zu haben?

Nein, es waren ihre Worte bei der Ankunft, wie Beatrice gleich herausfand.

„Ich habe versucht, dich zu warnen. Wir befinden uns hier schließlich im Palast …“ Jordan schloss einen Moment lang kopfschüttelnd die Augen. „Ich weiß, er kommt normalerweise nicht hier herunter, aber du musst trotzdem mit deiner Wortwahl vorsichtiger sein.“

Jetzt wechselte Jordan das Thema und fragte nach der Haltung des Prinzen zu den Fotos. „Was wird er diesbezüglich denn unternehmen?“

„Gar nichts“, sagte Beatrice und öffnete ein Fenster. „Meine Güte, hier riecht es nach Stall …“

„Ich rieche nichts“, sagte Jordan. „Aber wenn man Stavros gewohnt ist …“

Beatrice wusste, dass Stavros, Jordans Ehemann, im Stall arbeitete. Jordan sprach so begeistert über ihre Ehe, dass Beatrice das Gefühl hatte, sie hätte ihn bereits kennengelernt.

Dennoch war es nicht der Stallgeruch, den sie vertreiben wollte. Es war der Geruch von Julius, den sie am liebsten tief eingeatmet hätte.

Jordan merkte nichts. „Ich denke, in diesem Fall sollte er doch zumindest eine Entschuldigung in Erwägung ziehen.“

„Ich bin anderer Meinung, und das werde ich auch den Beratern des Königs sagen.“

„Diese ganze Sache wird sich nicht in Luft auflösen“, warnte Jordan sie. „Hör mal, ich sage das nur dir“, fügte sie hinzu, was Beatrice nicht eine Sekunde glaubte, „aber ich habe gehört, man diskutiert, ihn auf eine Reha zu schicken.“

„Warum um Himmels willen sollte irgendjemand so etwas vorschlagen? Er ist völlig gesund.“

„Es ist eine Art Machtpoker“, erklärte Jordan. „Julius wird natürlich nicht gehen, aber er könnte einverstanden sein, die Absichtserklärung zu unterzeichnen, wenn sie ihm mit der Reha drohen.“

„Zumindest verhält er sich zurzeit unauffällig. Das sind alles alte Geschichten.“

„Alt?“, fragte Jordan nach. „Claudes Todestag war im Juni, das ist nur ein paar Monate her.“

„Ich meine damit, es war vor meiner Zeit.“

Dieser Gedanke tröstete Beatrice für ihre eigene Einschätzung viel zu sehr.

„Ich sollte gehen“, sagte Jordan. „Genieß dein letztes Stück Kuchen!“

„Jordan?“ Beatrice hielt sie auf. „Ich mag diesen Klatsch über eine Reha nicht.“

„Natürlich nicht. Deshalb habe ich dir ja auch davon erzählt.“

Oh.

Nachdem Jordan gegangen und Beatrice allein war, betrachtete sie den beinahe leeren Kuchenteller. Sie war immer noch leicht verblüfft, denn normalerweise feierte sie keine Geburtstage. Sie mied sie eher.

Jetzt öffnete sie ihre Karten – die pinkfarbene zuerst. Die Glückwunschkarte war von jedem im Team des Prinzen unterzeichnet.

Als Nächstes nahm Beatrice einen Brieföffner und schlitzte sorgfältig den cremefarbenen Umschlag mit ihrem Namen in Jordans Handschrift auf, um eine wunderschöne Karte herauszuholen.

Es war ein herrliches Schwarz-Weiß-Foto des Palastes mit dem Weißen See im Vordergrund. Diese Aufnahme war so schön, dass sie es verdient hätte, in einem Rahmen an der Wand zu hängen.

Sie öffnete die Karte und sah seine Unterschrift über seinem gedruckten Namen und Titel. Jetzt blickte sie noch einmal auf das Stück Kuchen.

Warum musste ihr das denn bloß passieren?

Eine Schwärmerei für den Prinzen!

Es musste körperliche Anziehung sein. Ihr Körper, der nichts von Männern wusste, schien in seiner Nähe ungefragt zum Leben zu erwachen.

Zum Glück konnte sie sich jetzt in Ruhe wieder fangen.

Doch plötzlich war Julius zurück!

„Beatrice? Entschuldigen Sie, aber ehrlich gesagt, scheinen sich diese Fotos in einen größeren Aufreger zu verwandeln. Ich muss mich deswegen später noch mit den Assistenten meines Vaters treffen.“

„Das kann ich gern übernehmen“, bot Beatrice an. Schließlich tat sie das meistens. „Sie haben ja genug zu tun.“

„Nein, ich treffe Sie dann oben, wenn es so weit ist.“

Sie nickte.

Er drehte sich um, um zu gehen, dann blickte er auf das letzte verbliebene Kuchenstück und wieder zu ihr. Zum ersten Mal sah sie, wie sein Blick und ein langsames Lächeln sich zusammenfügten.

Es war, als hätte man einen heimlichen Blick auf die Sonne erhascht.

Kein Wunder, dass ihre Dienste nötig waren.

Kein Wunder, dass er so viele Probleme machte.

„Nehmen Sie es einfach“, fauchte Beatrice ihn an.

Julius benötigte keine zweite Aufforderung. Er ging zum Tisch, nahm sich das Kuchenstück und biss hinein.

Beatrice hatte das Gefühl, ihr Innerstes schmelze schneller als die Creme, die er sich von den Lippen leckte, bevor er mit dem Kuchen hinausspazierte.

Ach du liebe Güte, warum nur musste alles so kompliziert sein?

3. KAPITEL

„Der Palast besteht auf einer Antwort“, berichtete Jordan.

„Tja, soll er.“ Prinz Julius zuckte mit den Schultern.

Sie befanden sich oben im Büro bei geschlossener Tür. Neben Tobias vertraute Julius nur noch Jordan, denn auch wenn es nie ausgesprochen wurde, wusste sie, unter welchem Druck er wirklich stand.

„Ich gebe nur weiter, was ich gehört habe, Sir.“

Er nickte. „Beatrice kümmert sich darum.“

„Ja, aber sie hat einen bösen Kater“, erwiderte Jordan. „Tut mir leid wegen heute Morgen, Sir.“

„Lassen Sie es einfach gut sein“, sagte Julius, statt ihr zu erklären, dass Beatrice geweint hatte.

Er hatte gleich bemerkt, dass seine normalerweise sehr reservierte Verbindungsassistentin heute ungewöhnlich betroffen wirkte. Sie hatte auf den Lippen gekaut, ihre Nase war gerötet, und sie hatte zerstreut geantwortet.

Ein Familiendrama vielleicht?

Oder eine Trennung?

Die persönlichen Dramen seines Personals gingen ihn nichts an.

Deshalb hatte er auch versucht, nicht Beatrices gerötete Augen zu bemerken.

Er hatte mit ihr unwichtigen Small Talk betrieben, während Jordan das restliche Team holte und den Kuchen hereinbrachte, doch sie waren unmerklich vom Small Talk abgewichen.

Julius bemühte sich stets, bei Geburtstagsfeiern im Team dabei zu sein, doch normalerweise nahm er sich dann einfach ein Stück Kuchen und ging. Aber als er sah, wie Beatrice kämpfte und nicht genau wusste, was sie tun sollte, hatte er sich eingebracht.

Beatrice, das hatte Julius längst herausgefunden, enthüllte nichts von sich selbst.

Nie.

Er hatte schon mit vielen Fremden Small Talk betrieben, doch bei Beatrice gelangte er nirgendwohin. Sie blieb stets undurchschaubar.

Sie hatte weder die Wände ihres Büros geschmückt, noch befand sich irgendetwas Persönliches auf ihrem Schreibtisch. Egal wo sie arbeitete, alles wurde am Ende des Tages zurück in die große Tasche gesteckt, ohne Spuren zu hinterlassen.

Sie benutzte kein Parfüm. Um genau zu sein, rochen ihre Seife und ihr Shampoo sogar ein wenig antiseptisch.

Wehrt sie so Männer ab?, ging es ihm durch den Kopf.

Und dann hatte er heute Morgen herausgefunden, dass sie nicht tanzte.

Und dass sie manchmal weinte.

Sie gehörte zum Personal, deshalb war es ausgeschlossen, dass sie sich näherkamen. Auch wenn das Arbeitsverhältnis bald enden würde.

Außerdem würde bald seine Braut ausgesucht werden.

Was ihm stets als nötige Pflicht bekannt gewesen war, fühlte sich inzwischen wie eine riesige Last an – eine Last, die er unglaublich gern vergessen würde, wenigstens für eine Nacht.

Und am liebsten mit der Frau, die eingestellt worden war, um sein Image aufzupolieren.

Er hatte gesehen, wie sie sich von allen anderen im Team fernhielt, sie nahm sogar ihr Mittagessen am See ein, statt im Aufenthaltsraum mit allen anderen.

Sie enthüllte nichts.

Und dann hatte sie ihm unvermittelt den Kuchen verwehrt …

Auch wenn sie beide gelacht hatten – es hatte mehr dahintergesteckt.

Sie hatte nichts weiter hinzugefügt, und doch …

In drei Wochen würde Beatrice Taylor den Palast verlassen.

Vielleicht konnte er noch eine diskrete Verbindung mit seiner Verbindungsassistentin anfangen, bevor er monogam werden musste?

„Sir?“ Jordans nervöses Schlucken alarmierte ihn, und er blickte hoch. „Sir, könnte es sein, dass diese letzte Veröffentlichung vielleicht absichtlich …“

„Von inneren Kreisen lanciert wurde, weil ich die Erklärung noch nicht unterzeichnet habe?“ Er sprach es für sie aus. „Das könnte gut sein.“

„Sir, erinnern Sie sich an meinen Vorschlag, Beatrice eine dauerhafte Stellung anzubieten?“

„Sie wird die Meute auch nicht aufhalten können.“ Er schüttelte den Kopf.

Zum Teufel, nein! Sie war der verdammte Grund, dass er noch nicht unterschrieben hatte!

Jordan erklärte, dass die Dinge viel besser liefen, seit Beatrice sich um alles kümmerte.

Julius war das selbst klar, denn seit Beatrices Ankunft im Palast hatte sie ihn mehr und mehr fasziniert. Sie war die kühlste, direkteste und diskreteste Frau, die er je kennengelernt hatte. Gleichzeitig konnte sie unvermittelt unglaublich nett sein.

Er wusste inzwischen, dass ihre von blonden Wimpern umrahmten Augen mehr grau als blau waren.

Doch er hatte sich entschieden, die Tatsache, dass er das wusste, zu ignorieren.

Es gab keinen Platz für ein Privatleben. Sein Vater drängte darauf, dass Julius die für ihn vorgesehene Rolle übernahm.

„Ich werde darüber nachdenken“, sagte er jetzt zu Jordan.

„Sir, das Meeting findet um drei Uhr statt“, informierte Jordan ihn und fügte dann hinzu: „Und zwar nur mit den Assistenten.“

Julius nickte.

Dann rief er Beatrice an und sagte: „Ich möchte, dass Sie mit einer klaren Stellungnahme zu diesen Fotos kommen. Ich treffe Sie in der Großen Halle um drei.“

Er würde sich nicht herumschubsen lassen.

4. KAPITEL

Beatrice hatte die Presseerklärung fertig, als Jordan sie anrief.

„Der König ist gerade gegangen, also sind sie beinahe so weit.“

„In Ordnung“, sagte Beatrice. „Ich bin um drei mit Julius dort verabredet.“

Es waren etwa zehn Minuten zu Fuß von ihrem Büro in Julius’ Residenz bis zum Palast. Sie kam in der Großen Halle an und fand Tobias dort vor, der nervös auf und ab ging.

Er zog sie zur Seite und brachte sie auf den neuesten Stand. „Wir müssen noch warten. Aber Sie wissen ja, worum es letztlich geht. Man will, dass er heiratet und Thronerben bekommt.“

Ja, das wusste sie, doch inzwischen fühlte es sich für sie irgendwie anders an.

„Tobias, sie können ihn ja wohl kaum in die Kirche schleppen, wenn er sich mit Händen und Füßen wehrt.“

Auf einmal stand Julius neben ihr. Er musste ihre Worte gehört haben, denn er sagte: „Ich wehre mich nicht mit Händen und Füßen.“ Er trug nun einen Anzug und sah einfach perfekt aus.

„Haben Sie die Presseerklärung?“, fragte er.

„Ja.“ Sie reichte ihm die sehr kurze Erklärung nur, weil sie wusste, der Palast bestand darauf. Andernfalls würde der Palast eine eigene Erklärung veröffentlichen. „Ich habe sie schlicht gehalten.“

„Ich mag es schlicht“, sagte er und las sie vor: „‚Es war eine Ehre und eine Freude für Prinz Julius, an den Feierlichkeiten teilzunehmen, mit welchen wir unser reiches griechische Erbe feiern.‘ Perfekt“, urteilte er. „Das nehmen wir.“

Tobias andererseits schien etwas mehr von einer Entschuldigung darin zu erwarten. „Vielleicht warten wir mit der Entscheidung bis zum Meeting, Sir?“, schlug er vor.

„Sollten Sie nicht schon längst fort sein? Ein Ultraschall oder so etwas? Ich denke, Esther braucht Sie im Augenblick mehr als ich“, sagte Julius. „Gehen Sie.“

„Tobias macht sich Sorgen“, gab Julius zu, sobald sein Sekretär gegangen war. „Anscheinend gibt es eine Diskussion um eine Art Reha für mich.“

Beatrice runzelte die Stirn. Offensichtlich hatte Jordan die entsprechenden Gerüchte nicht nur mit ihr geteilt.

„Alles in Ordnung, Beatrice. Man muss nur wissen, wem man vertrauen kann“, sagte er.

„Das tu ich“, antwortete Beatrice. „Und ich habe mich auch noch nie im Stich gelassen.“

„Ich mag Ihren Zynismus.“

„Sie mögen ihn nicht, Sie verlassen sich darauf“, erwiderte sie. „Und auch wenn ich nicht vollen Zugang zu den Palast-Interna habe, weiß ich, dass dort mehr vorgeht.“

„Gut. Der Palast ist der Meinung, dass mein Umgang mit Claudes Todestag nicht angemessen war.“

„Nein.“ Beatrice schüttelte den Kopf. „Das allein ist es nicht.“

„Da stimme ich zu. Es ist eine Drohung, damit ich nachgebe.“

„Nachgebe?“

„Ich habe ihnen gesagt, dass ich nicht auf Befehl meines Vaters heiraten werde. Ich mag es nicht, wenn man mir sagt, was ich tun oder lassen soll. Es könnte also etwas hitzig zugehen da drin“, warnte er sie.

Er setzte sich jetzt auf eine der polierten Bänke und streckte seine langen Beine aus, dann bedeutete er ihr, sie solle sich zu ihm setzen.

„Ich stehe gern, danke.“

„Bitte setzen Sie sich“, bestand er darauf.

Es wäre viel leichter zu stehen, besonders da ihr Herz so heftig schlug, doch sie setzte sich in angemessener Entfernung von ihm. Und als sie auf der Bank Platz nahm, wurde sie von einer Erinnerung überrascht.

Das kam so unvermittelt und heftig, dass sie sich fast dorthin zurückversetzt fühlte. Sie erinnerte sich an zwei kleine Mädchen, die auf einer Bank saßen und darauf warteten zu erfahren, was eine von ihnen angestellt hatte. Die Erinnerung war so lebhaft, dass Beatrice kurz leise auflachte.

„Was ist?“, wollte Julius wissen.

„Nichts weiter.“

„Lenken Sie mich ab“, bat er.

„Ich musste nur gerade daran denken, wie ich früher immer vor dem Büro der Mutter Oberin sitzen musste, zusammen mit meiner …“ Sie zögerte, unsicher, wie sie weiterfahren sollte, denn davon hatte sie bislang nie erzählt.

„Mit Ihrer …?“

„Nun ja, wir nannten einander Zwillinge, aber in Wirklichkeit waren wir nicht einmal miteinander verwandt.“

„Oh?“ Er blickte zu ihr. „Gute Freundinnen? Oder, wie meine Nichte sagen würde: beste Freundinnen?“

„Ja …“ Beatrice lächelte. „Das waren wir.“

„Arabella hat sich gerade mit ihrer zerstritten.“

„Das arme Ding.“

„Ja, sie hat mir voller Tränen davon erzählt.“ Er legte den Kopf gegen die Wand hinter sich. „Zum Glück habe ich so etwas immer vermieden.“

„Hatten Sie nie einen besten Freund?“

„Du liebe Güte, nein“, antwortete er.

„Oh.“ Sie konnte sich ihre Kindheit ohne Alicia nicht vorstellen – oder besser gesagt, sie wollte sich gar nicht vorstellen, wie es gewesen wäre.

Er starrte düster vor sich hin. „Vielleicht hätte ich dann Palastgeheimnisse ausgeplaudert oder etwas ähnlich Furchtbares.“

„Nun, das wäre natürlich möglich gewesen.“

„Nicht wirklich. Ich würde sagen, dass meine Nichte und ihre kleine Freundin sich einen feuchten Kehricht für die Zukunft der Monarchie interessieren.“

Er war ziemlich aufgebracht, das war unverkennbar.

Es war Julius, der kurz darauf das angespannte Schweigen brach. „Also“, fragte er, „war es Ihre Einstellung?“

Beatrice runzelte verwirrt die Stirn.

„Ich meine, war Ihre Einstellung der Grund, warum Sie vor dem Büro der Mutter Oberin warten mussten?“

„O nein. Ich war sogar die Vorzeigeschülerin“, klärte Beatrice ihn auf. „Es war mehr ein Fall von Schuld durch Zusammenhalt. Alicia war ständig in Schwierigkeiten.“

„Also waren Sie der gute Zwilling?“

Sie nickte, dachte dann jedoch noch einmal nach. „Ehrlich gesagt, auch wenn Alicia vielleicht die Ungezogene war, war sie viel netter als ich.“

„Netter?“, fragte er nach.

„Ich konnte gemein sein. Na ja, das sagte zumindest Alicia.“ Sie zuckte mit den Schultern und wollte die Rückblende abschließen, doch irgendwie schaffte sie es nicht ganz. „Vielleicht war ich eifersüchtig.“

„Auf …?“

Viele Dinge … von Alicias goldenen Ohrringen bis zu der Leichtigkeit ihres Lächelns und wie sie immer rasch Freundschaft schloss. Auch wenn Beatrice die sogenannte Kluge gewesen war, hatte Alicia doch immer gewusst, was zu tun war.

„Sie hatte schöne goldene Ohrringe.“

„Oh?“

„Na ja, Sie wissen ja, wie Mädchen sein können.“ Sie zuckte mit den Schultern.

Das wusste er nicht. Aber er hätte gern gewusst, wie diese Frau war, die neben ihm saß. Vor ihm lag ein wichtiges Meeting, das vielleicht sein Leben verändern konnte, doch das war jetzt vergessen.

Denn Beatrice faszinierte ihn.

Sie war wunderschön. Auf eine Weise, die nicht sofort sichtbar war. Er selbst hatte es anfänglich nicht gesehen.

Wann hatte sich sein Interesse an ihr so verändert, dass er diese Lippen lächeln sehen wollte? Wann hatte er entdeckt, dass es ihr Privatleben war, das er kennenlernen wollte?

Er wünschte, er wäre bei ihrem Lebenslauf aufmerksamer gewesen, damit er verstünde, wie die so britisch wirkende Beatrice in Wirklichkeit Sizilianerin sein konnte. Ihre gepflegte Ausdrucksweise, ihre Bildung, all das sagte ihm, sie kam aus einer gut situierten Familie …

Zuerst hatte er ihren Lebenslauf noch einmal studieren wollen. Doch dann war ihm klar geworden, dass er lieber alles aus ihrem eigenen Mund hörte. Er wollte, dass die verschlossene Beatrice sich ihm gegenüber öffnete.

„Also waren Sie die Vorzeigeschülerin an einer Klosterschule?“, fragte er nach.

„Ja.“

„War die Mutter Oberin streng?“

„Sie war in Ordnung.“ Beatrice zuckte mit den Schultern.

„Waren die anderen Nonnen streng?“

„Schwester Angelique hatte es auf Alicia abgesehen.“ Sie blickte jetzt hoch. „Nun ja, vielleicht hatte es ja seine guten Seiten, dass ich fortging, bevor Alicia in die Pubertät kam …“

Bitte lass es gut sein, bat sie innerlich. Ihr kaltes, kaltes Herz füllte sich langsam mit etwas, was sie nicht kannte, und sie wusste nicht, was sie dagegen tun sollte. Bitte beeilt euch doch da drin!

„Sie sind fortgegangen?“, fragte er nach.

„Ich bekam ein Stipendium. Sprachen.“ Sie enthüllte nichts, was nicht auf ihrem Lebenslauf stand, doch sie fügte noch eine Kleinigkeit hinzu. „Ich liebte Latein.“

„Igitt“, sagte Julius. „Waren Sie der Liebling der Lehrer?“

„Schwester Catherine hatte keine Lieblinge.“

Die Schmerzen in ihrem Herzen wurden immer stärker, und sie wünschte, er würde aufhören.

„Taylor …“, überlegte er jetzt laut. „Das klingt nicht sehr italienisch.“

„Nein.“

„Schneider oder Schneiderin, wenn man es übersetzt.“ Als sie noch immer nicht antwortete, fragte er weiter. „Und Ihre Eltern …?“

„Ich spreche nicht über mein Privatleben, Sir.“

„Nein, das tun Sie nicht“, stimmte Julius zu. „Aber Sie sitzen in der ersten Reihe bei meinem.“

„Das gehört zu meiner Arbeit“, erwiderte sie, bereute jedoch sofort ihren abweisenden Ton.

„Sir …“

Doch er schüttelte den Kopf und stand auf. „Es geht los.“

„Ich bitte um Entschuldigung, dass wir Sie warten ließen, Eure Hoheit.“ Phillipe, Protokollchef des Palastes, hieß den Prinzen willkommen.

Mit ernsten Gesichtern saßen die Männer um den Tisch und standen bei Julius’ Eintreten auf. Beatrice nahm ihren Platz am Tisch ein und blickte auf den Schnellhefter mit der Tagesordnung, während sie darauf wartete, dass Julius seinen Platz einnahm.

Doch das tat er nicht.

„Sir?“ Phillipe bot ihm nachdrücklich seinen Platz an. „Ich bitte nochmals um Entschuldigung. Wir hatten eine Menge zu besprechen.“

„Dann werden Sie erfreut sein zu hören, dass dies hier nicht sehr lange dauern wird“, sagte Julius. „Und ich hoffe sehr, dass Sie mich nie mehr warten lassen.“

Er ließ die anderen nun genau wissen, was er dachte.

„Ich habe die Aufgaben meines verstorbenen Bruders übernommen, außerdem die Pflichten meiner Schwester, die für eine junge Familie sorgen muss, wie auch die meiner Mutter, der Königin, die in tiefer Trauer ist.“ Er nahm die Tagesordnung in die Hand. „Ich werde am Freitag verreisen, und doch meinen Sie, ich habe Zeit, da draußen zu sitzen …“

„Sir“, Phillipe war mutig genug, ihn zu unterbrechen. „Diese Fotos müssen kommentiert werden. Sie sind …“

„Ich empfehle Ihnen, jetzt zu schweigen“, sagte Julius, und zum Glück nahm Philippe den Rat an und schloss den Mund.

„Also, ich höre! Was hat Euer König in jener Nacht getan? Oder Eure Königin? Müssen die beiden ebenfalls über ihre Taten Rechenschaft ablegen?“

Ein Assistent des Königs meldete sich zu Wort. „Der König weiß, wie beunruhigt sein Volk ist …“

„Zeigt mir einen davon“, unterbrach Julius ihn. „Ich höre keine wütenden Stimmen des Volkes vor dem Palast. Nehmt Folgendes zur Kenntnis: Ich feiere das Leben meines Bruders und trauere um sein Scheiden, und wie ich das tue, das ist meine Sache.“

Ganz offensichtlich brauchte er nicht Beatrice zum Händchenhalten.

„Hier ist die gewünschte Presseerklärung“, sagte er und warf ihre nüchterne Erklärung auf den Tisch. „Ist euch denn nicht klar, dass ihr jedes Mal, wenn ihr euch für mich entschuldigt, meine zukünftige Regentschaft unterminiert? Und wer immer die Möglichkeit einer Reha ins Spiel gebracht hat, diese Person würde sofort ihre Papiere bekommen und gehen, wenn sie meinem Team angehörte.“

Er sah jeden der Männer nacheinander an. Sie blickten angemessen verlegen drein, nicht alle waren in der Lage, ihm in die Augen zu schauen.

„Vergesst nicht: Früher oder später werde ich König sein.“

Er verließ den Raum, und Beatrice nahm rasch ihre Tasche und die Papiere, doch als sie in die Große Halle trat, blieb sie unvermittelt stehen, denn Königin Teiria stand dort.

Sie war eine beeindruckende Frau. Das war sie immer gewesen und würde es immer sein. Offensichtlich hatte sie ihre wunderschönen dunklen, mandelförmigen Augen ihren Kindern vererbt.

„Julius.“

Sie blickte nicht einmal in Beatrices Richtung. Sie war da, um mit ihrem Sohn zu sprechen. Er schlug einen späten Nachmittagstee vor.

„Ich möchte keinen Tee, Julius.“ Sie sah ihn durchdringend an. „Du weißt, dass ein König seine Pflicht über alles andere stellen muss?“

Beatrice hielt sich zurück. Den Kopf gesenkt, erwartete sie Julius’ kluge Antwort, in der er vielleicht darauf hinwies, dass er noch nicht König war und gegenwärtig bereits für den größten Teil seiner Familie die Pflichten übernahm. Aber er sagte nichts.

„Du hattest wirklich viele Freiheiten, Julius. Dafür habe ich gekämpft, genau wie ich für all meine Kinder gekämpft habe. Es ist Zeit, dich an das Versprechen zu erinnern, das du gegeben hast.“

Beatrice blickte hoch und sah, dass Julius’ Gesicht plötzlich ganz grau wirkte. Es gab keine gewitzte Antwort, kein Schulterzucken, nur Schweigen.

Es war Königin Teiria, die es brach. „Keine weiteren Verzögerungen mehr!“

Sie rauschte davon, und natürlich bot Julius keine Erklärung gegenüber Beatrice an. Er schien ganz vergessen zu haben, dass sie da war.

Doch plötzlich drehte er sich um. „Danke“, sagte er zu ihr. „Ich brauche Sie für den Rest des Tages nicht mehr.“

5. KAPITEL

Welches Versprechen war gegeben worden?

Auf ihrem Rückweg rief Beatrice wie vereinbart Jordan an. Sie sprachen über die Presseerklärung und auch über weitere Schritte.

„Kann ich Zugang zu seinem Terminkalender erhalten?“, fragte Beatrice, die inzwischen zurück in ihrem Büro angekommen war. „Ich möchte ein Interview und einen Schnappschuss heraussuchen und die restlichen Fotos dieses Jahres selbst ansehen.“

„Dann musst du hochkommen.“

Beatrice verkniff sich einen Seufzer und machte sich auf den Weg. Diese Umständlichkeit ging ihr auf die Nerven, aber schließlich musste sie den Weg ja nur noch wenige Wochen machen.

Unvermittelt blieb sie stehen.

Nur noch drei Wochen. Und davon war Julius eine Woche auf Reisen.

Letztlich war es nicht die Umständlichkeit, die sie frustrierte.

Es war schlicht und einfach die Tatsache, dass sie in drei Wochen nicht mehr hier sein würde. Es war eigenartig zu erkennen, dass sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben irgendwo zu Hause fühlte.

Das lag nicht nur an ihm. Es waren die Inseln an sich, die Menschen und auch ihr kleines Apartment mit dem Balkon. Die Tatsache, dass sie anfing, die Leute im Bus kennenzulernen.

Sie nahm die letzten Treppenstufen und fand Jordan leicht gereizt vor. Das half Beatrice bei der Bewältigung des kommenden Abschieds. Jordan hämmerte einen Gastzugangscode in einen der Computer für sie.

Gut.

Besonders gut war auch, dass Julius nicht da war.

„Gehst du zum Blumenfest am Samstag in einer Woche?“, fragte Jordan.

„Nein“, antwortete Beatrice.

„Es herrscht dort ein strenger Dresscode“, warnte Jordan sie dennoch.

„Für ein Blumenfest?“

„Nein, für die Königliche Loge“, sagte Jordan. „Du kannst einen Gast mitbringen, musst nur aufpassen, dass er oder sie den Dresscode einhält.“

„Ich gehe eigentlich nicht auf solche Feste.“

„Beatrice, das ganze Team wird dort sein“, erklärte Jordan drängend. „Ich werde jedenfalls versuchen, teilzunehmen.“

„Du kommst erst am gleichen Tag wieder von der Reise mit dem Prinzen zurück“, wandte Beatrice ein. „Da bist du doch sicher erschöpft?“

„Mag sein. Aber Prinzessin Jasmine ist die Königliche Patronin und würde sich gewiss über Unterstützung freuen.“

Beatrice kniff die Lippen zusammen. Wenn die Gesetze hier nicht so streng wären, dann wäre es Prinzessin Jasmine, die nach Oman und Südostasien flöge, statt bei einem Blumenfest eine Rede zu halten.

Doch auch das war es nicht wirklich, was Beatrice durcheinanderbrachte. Es war die Tatsache, dass man anfing, sie einzuladen, sie jedoch bald weg wäre.

„Beatrice, ich weiß, dass du eher für dich bist, aber bemüh dich doch wenigstens ab und zu, ein wenig geselliger zu sein.“

Beatrice biss die Zähne zusammen, um Jordan nicht eine bissige Antwort zu geben. Eigentlich war es sehr nett von ihr, sich so um sie zu bemühen!

Autor

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