Julia Gold Band 59

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VERFÜHRUNG IM HAREM von SOUTHWICK, TERESA
"Wäre ich eine gute Haremsdame?" Auf diese kokette Frage gibt es nur eine Antwort! Prinz Kardahl küsst Jessica voller Verlangen - und will vergessen, dass sie die Ehe annullieren lassen möchte. Oder kann er Jessica heute Nacht überzeugen, für immer bei ihm zu bleiben?

TRÄNEN IM PALAST DER LIEBE von MATHER, ANNE
Warum verschwindet sie plötzlich aus seinem Palast? Rachid erkennt Abby nicht wieder! Erinnert sie sich nicht mehr an die heißen Liebesstunden in seinen Gemächern? Doch Rachid hat einen Plan: Mit den sinnlichen Waffen eines Wüstensohns versucht er, Abby zurückzuerobern …

PRINZ DER WÜSTE, KÖNIG DES HERZENS von STEPHENS, SUSAN
Der Sandsturm lässt ihr keine Wahl: Zara ist mit Scheich Shahin in seinem Zelt gefangen. Bezaubert von seinem orientalischen Feuer gibt sie sich ihm hin - und weiß nicht, dass sie sich gerade an den Mann schmiegt, den sie seit Langem sucht, um sich an ihm zu rächen!


  • Erscheinungstag 14.11.2014
  • Bandnummer 0059
  • ISBN / Artikelnummer 9783733704933
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Teresa Southwick, Anne Mather, Susan Stephens

JULIA GOLD BAND 59

In den Armen des sinnlichen Scheichs

TERESA SOUTHWICK

Verführung im Harem

Kaum holt Kardahl Hourani sie vom Flughafen ab, ahnt Jessica, dass etwas nicht stimmt. In seinem arabischen Märchenschloss eröffnet ihr der Kronprinz von Bha’Khar, dass sie mit den Einreisepapieren auch einen Heiratsvertrag mit ihm unterschrieben hat. Jessica will ihn verlassen! Doch als Kardahl sie stürmisch an sich presst, geraten ihre Vorsätze ins Wanken …

ANNE MATHER

Tränen im Palast der Liebe

Er war ihr Traummann – bis Abby erfährt, dass ihr geliebter Rachid mit einer anderen einen Sohn gezeugt haben soll! Sie flieht aus dem Wüstenreich, entschlossen, Rachid aus ihrem Herzen zu verbannen. Er folgt ihr – und erneut verfällt sie seinem Charme. Aber selbst, während sie in seinen Armen liegt, fragt sie sich bang: Kann sie ihm wirklich trauen?

SUSAN STEPHENS

Prinz der Wüste, König des Herzens

Niemand darf Fotos von ihm machen! Wie kommt diese Person dazu, seine Anweisungen zu missachten? Scheich Shahin lässt Zara zu sich bringen. Eigentlich möchte Shahin die Blondine nur zur Rede stellen, allerdings genügt ein Blick und die Leidenschaft erwacht. Sanft verführt er Zara – da bemerkt er, dass es zwischen ihnen eine unheilvolle alte Verbindung gibt!

1. KAPITEL

„Nur keine Panik“, sagte Jessica Leigh Sterling immer wieder leise vor sich hin, als das Flugzeug auf der Landebahn von Bha’Khar aufsetzte. Sie litt nicht unter Flugangst. Trotzdem spürte Jessica, wie ihr Magen sich vor Nervosität immer mehr zusammenkrampfte.

Damals, als ihre Mutter schwer krank geworden war und Jessica in einem Kinderheim untergebracht wurde, hatte sie dasselbe empfunden. Natürlich war das heute eine völlig andere Situation. Heute stand sie kurz vor der Erfüllung ihres sehnlichsten Traums. Aber gerade deshalb fürchtete sich Jessica schrecklich davor, dass sich am Ende alles nur als Irrtum herausstellen würde.

Alle möglichen Gedanken gingen ihr durch den Kopf. Bald würde sie die Menschen kennenlernen, die ihrer Mutter nahegestanden hatten. Und vielleicht würden diese Menschen auch sie, Jessica, in ihr Herz schließen.

Das Ganze kam ihr immer noch ziemlich unwirklich vor. Ihre Verwandten lebten nicht in Kalifornien, und Jessica hatte um den halben Globus fliegen müssen, um sie zu treffen.

Sie sehnte sich so sehr nach einer Familie. Nach dem Gefühl, endlich auch einmal dazuzugehören. Konnte nicht ein einziges Mal das Glück auf ihrer Seite sein? Um das herauszufinden, hatte sie diese Reise unternommen.

Erst als das Flugzeug langsam auf das Flughafengebäude zurollte, wurde ihr bewusst, dass sie wirklich in Bha’Khar war, in dem Land, aus dem ihre Mutter stammte und von dem Jessica kaum etwas wusste. Im Vorfeld dieses Besuchs war eine Menge Papierkram zu erledigen gewesen. Schließlich hatte der König von Bha’Khar einen seiner Mitarbeiter zu ihr geschickt, der sie alle möglichen Dokumente in der ihr fremden Sprache unterschreiben ließ. Warum hatte ihre Mutter ihr verschwiegen, dass sie Verbindungen zur königlichen Familie hatte? Jessica hätte es nie erfahren, wenn nicht der Rechtsanwalt des Jugendamts in ihren alten Unterlagen einen Brief ihrer Mutter gefunden und Kontakt mit ihr aufgenommen hätte.

Im Privatjet der königlichen Familie, in dem sie von Kalifornien nach Bha’Khar geflogen war, war sie der einzige Passagier. Als die Anzeige erlosch, löste sie den Sicherheitsgurt, stand auf und streckte sich. Nach dem langen Flug waren ihre Muskeln ganz steif. Man hatte ihr mitgeteilt, sie würde am Flughafen abgeholt, doch das beruhigte sie keineswegs, ihre Nerven waren trotzdem zum Zerreißen gespannt. Während sie mit sich selbst und ihren Ängsten beschäftigt war, bekam sie kaum mit, was um sie her vorging. Erst als ein großer Mann in einem eleganten, perfekt sitzenden dunklen Anzug auf sie zukam, nahm sie sich zusammen und verdrängte die beunruhigenden Gedanken. Irgendwie kam ihr der Mann bekannt vor, woher, hätte sie jedoch nicht sagen können. Sie war ihm noch nie zuvor begegnet, dessen war sie sich sicher.

Er war ungefähr dreißig, wirkte sehr selbstbewusst, und mit seinen geschmeidigen Bewegungen erinnerte er sie an eine Raubkatze. Das volle schwarze Haar berührte im Nacken den Kragen seines schneeweißen Hemdes. Mit den fein geschwungenen Lippen, der geraden Nase, den markanten Zügen und dem angedeuteten Lächeln, das leicht arrogant wirkte, ließ er zweifellos die Herzen aller jungen Frauen höher schlagen. Nur zwei winzige Narben am Kinn und an der Wange beeinträchtigten das ansonsten perfekte Erscheinungsbild. Nein, das stimmte nicht, sie beeinträchtigten es nicht, sondern betonten seine Männlichkeit und machten ihn noch interessanter.

Er blieb vor ihr stehen. „Du bist Jessica, oder?“, fragte er lächelnd.

Dieses Lächeln kann eine Frau um den Verstand bringen, schoss es ihr durch den Kopf. Seine tiefe Stimme und der leichte Akzent ließen ihren Namen wie ein sanftes Streicheln klingen, das ihr heiße Schauer über den Rücken jagte.

„Ja“, erwiderte sie.

„Willkommen in Bha’Khar.“ Er nahm ihre Hand und hob sie an die Lippen.

So höflich wurde sie zum ersten Mal in ihrem Leben begrüßt. Junge Frauen, die im Kinderheim aufgewachsen waren, lernten normalerweise keine Männer kennen, die eine Frau mit Handkuss begrüßten. Es verursachte ihr Unbehagen und machte sie befangen. Genauso hatte sie sich in der ersten Nacht im Kinderheim gefühlt, wo sie sich das Zimmer mit vielen fremden Kindern hatte teilen müssen. Sekundenlang empfand sie dieselbe Hoffnungslosigkeit wie damals, und auch die Leere und die Angst kehrten zurück.

Doch als der Fremde ihre Haut leicht mit den Lippen berührte, durchfluteten sie plötzlich ganz andere Gefühle.

„Danke“, brachte sie schließlich leise heraus.

In seinen dunkelbraunen Augen leuchtete es bewundernd auf, während er Jessica betrachtete. „Ich möchte dir nicht zu nahe treten, aber ich muss zugeben, ich habe nicht damit gerechnet, dass du so schön bist.“

Kein Zweifel, er war ein Charmeur. „Vielen Dank“, sagte sie noch einmal.

Wahrscheinlich war er nur gekommen, um sie zu ihren Verwandten zu bringen. Aber ihr Instinkt warnte sie, der Mann konnte ihr gefährlich werden. Sie musste auf der Hut sein. Misstrauisch zu sein war ihr zur zweiten Natur geworden, seit sie als Kind miterlebt hatte, wie ihre Mutter auf der Suche nach Liebe an zahlreichen Männerbekanntschaften zerbrochen war. In ihrer Verzweiflung hatte ihre Mutter immer wieder zum Alkohol gegriffen, der sie körperlich zerstörte. Schon als Zehnjährige hatte Jessica genau gewusst, wann sie einen Playboy vor sich hatte. Und dieser Fremde gehörte mit Sicherheit zu dieser Kategorie von Männern.

Doch das konnte ihr egal sein. Er war ein Mitarbeiter des Königs, und er tat nur seine Arbeit. Sobald er sie zu ihrer Familie gebracht hatte, war die Sache für ihn erledigt.

„Hattest du einen angenehmen Flug?“

Aus einem ihr unerklärlichen Grund ließ sie es zu, dass er ihre Hand immer noch hielt. Warum er sie duzte, war ihr rätselhaft. Sie beschloss jedoch, ihn auch zu duzen.

„Na ja“, begann sie und sah sich in der luxuriös ausgestatteten Kabine des Jets um, „es gab einige Turbulenzen, doch insgesamt war es ein angenehmer Flug, würde ich sagen. Da es mein erster war, habe ich leider keine Vergleichsmöglichkeiten.“

In seinen Augen blitzte es verstohlen auf. „Dann hast du jetzt die erste Erfahrung hinter dir“, stellte er zweideutig fest.

Ja, aber nur mit dem Fliegen, dachte sie. Mit Männern hatte sie noch keine Erfahrung. Mit keinem der Männer, die mit ihr geflirtet und ihr mehr oder weniger direkt zu verstehen gegeben hatten, dass sie gern mit ihr schlafen würden, hatte sie sich eingelassen. Ihrer Meinung nach konnte kein Mann treu sein, und außerdem hatte es bei ihr noch nie gefunkt. Als hoffnungslose Romantikerin befand sie sich in einem ständigen inneren Zwiespalt. Einerseits wünschte sie sich, ihrem Traummann zu begegnen, zu dem sie sich vom ersten Moment an hingezogen fühlte, dem sie bedenkenlos vertrauen und bei dem sie sich geborgen fühlen konnte. Andererseits war sie immer auf der Hut und verließ sich lieber auf ihren Verstand als auf ihre Gefühle.

Es stimmte, sie hatte ein Kribbeln im Bauch verspürt, als der Fremde ihre Hand berührte, und sie malte sich aus, wie es wäre, von ihm auf die Lippen geküsst zu werden. Es war ein verlockender Gedanke, den sie jedoch rasch verdrängte.

Sie beschloss, seine zweideutige Bemerkung zu ignorieren und ein unverfängliches Thema anzuschneiden. „In dem luxuriös ausgestatteten Flieger bin ich mir vorgekommen wie in einem fliegenden Wohnzimmer.“

„Die Schlafkabine ist auch sehr komfortabel“, erklärte er in einem Ton, der zu dem Leuchten in seinen Augen passte.

Der Themenwechsel hatte also nichts gebracht. „Das habe ich gemerkt.“

„Hast du das Bett als bequem empfunden?“

Ja, aber darüber werde ich mit ihm nicht reden, dachte sie. Die Nähe dieses Mannes brachte sie irgendwie aus dem seelischen Gleichgewicht, und sie hatte das Gefühl, ihre Nerven würden bis in die Fingerspitzen vibrieren.

„Alles ist hier perfekt, finde ich“, antwortete sie ausweichend.

„Gut. Dann lass uns zum Palast fahren.“

„Zum Palast?“, wiederholte sie und sah ihn erstaunt an. Ihr Herz klopfte wie wild, und es gelang ihr einfach nicht, sich in den Griff zu bekommen.

„Möchtest du lieber zuerst woandershin?“

Ja und nein, hätte sie beinah erwidert. Nachdem sie den Brief gelesen hatte, den ihre Mutter beim Jugendamt hinterlegt hatte, verspürte sie keine Lust dazu, zum Palast zu fahren. Das, was ihre Mutter ihr vor vielen Jahren in der Jessica so vertrauten Handschrift geschrieben hatte, schmerzte immer noch. Ich weiß, ich habe alles falsch gemacht, aber ich habe Dich von ganzem Herzen geliebt, lautete der Schluss. Immer wieder hatte Jessica den Brief gelesen, ohne wirklich zu begreifen, wie sie mit der königlichen Familie verwandt sein sollte.

„Wahrscheinlich ist es okay, zum Palast zu fahren …“, begann sie zögernd, obwohl es ihr eigentlich gar nicht gefiel. In dem ihr fremden Umfeld würde sie sich gehemmt und unsicher fühlen.

„Aber?“

„Ich hatte gehofft, meine Familie kennenzulernen.“

„Das kommt auch“, versprach er. „Es wird alles vorbereitet. Doch bis es so weit ist, werde ich dafür sorgen, dass du dich wohlfühlst.“

Was meinte er damit? Wie konnte sie sich im Palast wohlfühlen, auch wenn sie angeblich entfernt mit der königlichen Familie verwandt war?

Als er sich umdrehen wollte, legte sie ihm die Hand auf den Arm. „Warte bitte.“

„Gibt es ein Problem?“, fragte er beunruhigt.

Natürlich hatte sie ein Problem: Sie hatte weder die richtigen Outfits für einen Aufenthalt im Palast, noch wusste sie, wie sie sich in Gegenwart so hochgestellter Persönlichkeiten benehmen sollte. In ihre Unsicherheit mischte sich Angst.

„Es wäre sicher besser, ich würde in einem Hotel übernachten.“

Er zog die Augenbrauen hoch. „Der König und die Königin wären darüber sehr enttäuscht.“

Wie sollte sie ihm erklären, wie ihr zumute war? „Da, wo ich herkomme, sagt man, es sei besser, nur dumm auszusehen, als den Mund aufzumachen und es zu beweisen. Das beschreibt in etwa, wie ich mich momentan fühle.“

„Du siehst ganz und gar nicht dumm aus, deshalb macht der Ausspruch in deinem Fall keinen Sinn“, entgegnete er.

„Statt mich zu blamieren, ist es mir lieber, die königliche Familie zu enttäuschen und im Hotel zu übernachten. Ich würde in Gegenwart so hochgestellter Persönlichkeiten so viel falsch machen, dass man entsetzt wäre. Ich würde bestimmt einen Fauxpas nach dem anderen begehen“, erklärte sie.

Er schüttelte den Kopf. „Sei einfach du selbst.“

„Gerade davor habe ich ja Angst.“

„Du machst dir unnötige Sorgen.“

„Nein, das glaube ich nicht. Ich bin in einem heruntergekommenen Ein-Zimmer-Apartment in Los Angeles aufgewachsen, bis ich in ein staatliches Kinderheim kam. Ehrlich gesagt, ich habe nicht die allergeringste Ahnung, wie ich mich benehmen sollte. Das fängt schon beim Essen an.“

„Jetzt übertreibst du.“

„Vielleicht etwas. Verstehst du wenigstens, was ich meine?“

„Ich schlage vor, du bleibst in meiner Nähe. Wenn es etwas gibt, was du nicht weißt, helfe ich dir. Verlass dich auf mich.“

Aufmerksam betrachtete sie seine Miene. Er schien es ehrlich zu meinen. „Mit anderen Worten, ich soll dir vertrauen.“

„Richtig.“

„Leider habe ich die Erfahrung gemacht, dass man gerade den Menschen, die so etwas sagen, nicht vertrauen kann.“

„Das klingt sehr zynisch“, meinte er.

„Mag sein, aber dafür habe ich meine Gründe.“

„Ich kann es kaum erwarten, sie zu erfahren“, sagte er, aber nur aus Höflichkeit, wie sie vermutete.

Als er lächelte, blitzten seine weißen Zähne, und wie um Jessica zu beruhigen, legte er die Hand auf ihre. Damit erreichte er jedoch das Gegenteil: Ihre Gefühle schienen verrückt zu spielen und völlig außer Kontrolle zu geraten.

„Der König und die Königin freuen sich darauf, dich kennenzulernen, immerhin bist du die Tochter von lieben Freunden, mit denen sie entfernt verwandt sind. Sie haben dich viele Jahre gesucht.“

„Wie bitte? Man hat mich gesucht?“, fragte sie verblüfft.

In dem Brief hatte ihre Mutter erklärt, sie sei von einem verheirateten Diplomaten schwanger geworden und habe daraufhin das Elternhaus verlassen. Jessica hatte befürchtet, dass man sie ablehnen würde. Doch dass man sie gesucht hatte, machte ihr Hoffnung.

„Danke“, sagte sie schließlich lächelnd. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass er sich noch gar nicht vorgestellt hatte. Hatte sie sich von seinem unwiderstehlichen Charme so sehr einfangen lassen, dass sie das übersehen hatte? „Es tut mir leid, aber ich weiß noch gar nicht, wer du bist.“

„Oh, ich bitte um Entschuldigung.“ Er deutete eine Verbeugung an. „Ich bin Kardahl, der Sohn von Amahl Hourani, dem König von Bha’Khar.“

Der Name kam ihr bekannt vor, ihr fiel jedoch nicht ein, wo sie ihn schon einmal gehört hatte. „Heißt das, wir beide sind verwandt?“

Er schüttelte nun den Kopf. „Nur sehr weit entfernt. Du kommst ja aus einer anderen Linie des Königshauses als ich.“

Ihre Erleichterung darüber konnte sie sich nicht erklären. Plötzlich fiel ihr ein, weshalb der junge Mann ihr bekannt vorkam und in welchem Zusammenhang sie seinen Namen gehört hatte. In Zeitungen und Zeitschriften wurde viel über ihn berichtet. „Dann bist du der Prinz, den man als Playboy bezeichnet“, sprach sie zu ihrer eigenen Überraschung den Gedanken laut aus.

Er kniff die Augen zusammen. „Offenbar liest du die Klatschspalten gewisser Zeitschriften.“

„Ich kaufe solche Magazine nicht“, verteidigte sie sich. „Aber sie lassen sich ja in den Supermärkten nicht übersehen. Außerdem liegen sie in den Wartezimmern der Ärzte und in jedem Schönheitssalon aus.“

„Vielleicht solltest du zu einem Arzt gehen, der seinen Patienten eine solche Lektüre nicht zumutet“, entgegnete er.

„Leider habe ich keine andere Wahl.“ Seine Bemerkung bewies, dass er in einer ganz anderen Welt lebte als sie. Er hatte keine Ahnung, wie hart ihr Leben war. „Meine Kinder können nur von Ärzten mit Kassenzulassung behandelt werden, und wir werden nicht gefragt, was wir im Wartezimmer lesen möchten.“

„Du hast Kinder?“, fragte er, und sie bemerkte die Überraschung in seinen Augen.

„Keine eigenen, wenn du das meinst. Ich bin Sozialarbeiterin und betreue Kinder, die in staatlichen Kinderheimen leben.“

„Ah ja, ich verstehe.“

„Das bezweifle ich. Wahrscheinlich hast du dir noch nie Gedanken darüber machen müssen, ob du die Arztrechnung bezahlen kannst, ob du dir etwas zu essen kaufen kannst oder ob du am nächsten Tag noch ein Dach über dem Kopf hast. Du bist in einem luxuriösen Palast aufgewachsen und nicht in einem Kinderheim.“ Vor lauter Ärger nahm sie kein Blatt vor den Mund und vergaß ihre Angst. Ich muss mich zusammennehmen, mahnte sie sich.

„Da hast du natürlich recht.“

„Wie soll ich dich eigentlich anreden? Mit Königliche Hoheit oder wie?“

„Mein Lieblingstitel lautet: ‚Der das Universum beherrscht‘.“

Jessica blinzelte. „Das ist ein Scherz, oder?“

„Nein, bestimmt nicht“, versicherte er und lächelte dabei so charmant, dass sie ihm am liebsten den nächstbesten Gegenstand an den Kopf geworfen hätte. Der Playboy hat Humor, und das macht ihn noch attraktiver, dachte sie. Sollte sie froh darüber sein, dass sie empfänglich war für die Anziehungskraft, die dieser Mann ausstrahlte? Oder sollte sie beunruhigt sein, weil sie sich offenbar genau wie ihre Mutter zu Playboys hingezogen fühlte? Sie konnte sich nicht entscheiden. Natürlich hatte sie sich immer gewünscht, so auf einen Mann zu reagieren wie auf diesen Prinzen, aber es musste ein Mann sein, der es ehrlich mit ihr meinte. Und ein Playboy meinte es normalerweise nicht ehrlich mit einer Frau.

Er passte gar nicht zu ihr, und sie war natürlich auch nicht sein Typ. Wenn man den fragwürdigen Behauptungen in den genauso fragwürdigen Magazinen Glauben schenken durfte, stand er eher auf Models, Filmsternchen und weltberühmte Schönheiten. Und mit denen konnte Jessica sich nicht messen.

„Nenn mich Kardahl wie meine Freunde und Familie“, sagte er. „Und es ist völlig richtig, dass du mich duzt. Ich habe dich ja auch sogleich geduzt.“

„Gut … Kardahl. Ich hole rasch meine Reisetasche …“

„Darum kümmern sich andere.“ Er legte ihr die Hand auf den Rücken.

Durch das Material ihrer Kostümjacke hindurch spürte sie die Wärme seiner Finger und hatte das Gefühl dahinzuschmelzen. Vielleicht lag es auch nur daran, dass er so verführerisch duftete.

Kardahl entging nicht, wie kühl Jessicas Blick wirkte, seit sie wusste, wer er war, und dass sie sich absichtlich jeder noch so flüchtigen Berührung entzog. In Anbetracht des Verwandtschaftsverhältnisses fand er das rätselhaft und unbegreiflich.

Mit einer Handbewegung gab er ihr zu verstehen, ihm vorauszugehen. „Komm, wir sollten uns auf den Weg machen.“

Wenig später saß sie auf dem Rücksitz einer Limousine, während Kardahl dafür sorgte, dass ihre Reisetasche und der Koffer im Kofferraum verstaut wurden. Mehr hatte sie nicht mitgebracht, und mehr brauchte sie auch nicht.

Schließlich setzte Kardahl sich neben sie und begegnete ihrem Blick. Für die negative Berichterstattung in der Skandalpresse und in gewissen Magazinen war er natürlich selbst verantwortlich. Nachdem er die Frau verloren hatte, die die große Liebe seines Lebens gewesen war, war er es irgendwann leid gewesen, von allen Seiten solche Bemerkungen zu hören, wie das Leben gehe weiter und dergleichen. Kurz entschlossen hatte er sich in die Arbeit – und ins Vergnügen gestürzt. Es stimmte, er hatte zahlreiche Affären gehabt. Doch das Kompliment, das er Jessica gemacht hatte, war ernst gemeint. Sie war eine ungemein schöne Frau. Das lange braune Haar mit den sonnengebleichten Strähnen fiel ihr über die Schultern, während einige kürzere Strähnen ihr schönes Gesicht umrahmten. Ihr edles Profil verriet Klasse, und die vollen, fein geschwungenen Lippen wirkten so verführerisch, dass er sie am liebsten geküsst hätte.

„Erzähl mir etwas über dein Leben“, bat er.

„Oh, ich bin enttäuscht.“

„Wenn du mir verrätst, wer dich enttäuscht hat, werde ich ihn oder sie zur Rechenschaft ziehen.“

„Du brauchst nur in den Spiegel zu schauen, dann weißt du es“, erwiderte sie trocken. „Fällt dir keine bessere Gesprächseinleitung ein? Ich gebe dir gern einige Tipps. Wie wäre es mit: ‚Du hast drei Wünsche frei. Einer davon ist dir gerade erfüllt worden, ich bin da. Wie lauten die beiden anderen?‘ Meine Lieblingseinleitung lautet: ‚Was hältst du von Liebe auf den ersten Blick? Soll ich noch einmal hinausgehen und wieder zurückkommen?‘“

„Warum bezweifelst du, dass ich es ernst meine und dich wirklich besser kennenlernen möchte?“

Sie sah ihn abschätzend an. „Ich weiß noch nicht, ob ich das glauben kann.“

Jessica Sterling wurde ihm immer rätselhafter. Seit sie wusste, wer er war, hatte sich ihr Verhalten ihm gegenüber verändert. Während sie ihm zunächst offen, freundlich und mit einem gewissen Interesse begegnet war und ihre Hand sogar in seiner gezittert hatte, war sie ihm gegenüber auf einmal misstrauisch und abweisend. So hatte noch keine Frau auf ihn reagiert. Aber irgendwie gefiel es ihm. Er empfand es als Herausforderung.

„Normalerweise erzählt mir jede Frau eine ganze Menge über sich, wenn ich sie höflich und ernsthaft darum bitte“, erklärte er lächelnd.

„Okay, ich bin bereit mitzuspielen.“

„Hältst du es für ein Spiel?“

„Was ist es denn sonst?“, fragte sie.

Kardahl nickte. „Wie du willst. Dann spielen wir beide. Ich bitte dich noch einmal, mir etwas über dich und dein Leben zu erzählen.“

Sie atmete tief durch. „Ich bin in Los Angeles geboren, und meine Mutter ist gestorben, als ich zwölf war. Ich bin in einem staatlichen Kinderheim aufgewachsen, aufs College gegangen und diplomierte Sozialarbeiterin.“ Sie zuckte die Schultern. „Das ist das Wichtigste in Kurzfassung.“

Kardahl war klar, es war noch längst nicht alles. Erst jetzt fiel ihm wieder ein, dass sein Vater Erkundigungen über sie hatte einziehen wollen. Das hatte er bestimmt auch getan, aber damals war Kardahl daran nicht interessiert gewesen und hatte es wahrscheinlich versäumt, den Bericht zu lesen, was er jetzt bereute.

Nachdenklich blickte er sie an. „Ich vermute, du hast mir eine ganze Menge verschwiegen.“

Sie runzelte die Stirn. Dann wandte sie sich ab und schaute zum Fenster hinaus. Die Hände hatte sie im Schoß gefaltet. Sie wirkte seltsam angespannt und ließ die Daumen nervös kreisen.

„Sicher, aber der Rest ist absolut unwichtig“, antwortete sie schließlich und blickte ihn an. „Erzähl mir lieber etwas über dich, das ist bestimmt interessanter.“

Offenbar wollte sie nicht über sich reden, was ihn erst recht neugierig machte. Er war sich jedoch sicher, dass er früher oder später alles erfahren würde, was er wissen wollte. „Ich bin nach meinem Bruder der zweite Anwärter auf die Thronfolge.“

„Sozusagen der Ersatzerbe?“

Er musste lachen. „Wenn du es so nennen willst.“

„Deine Stellung entspricht in etwa der des Vizepräsidenten in den USA, oder?“

„Ja, so ungefähr.“

„Noch bist du ja sehr damit beschäftigt, alle möglichen Frauen rund um den Globus glücklich zu machen. Hast du überhaupt Zeit, dich vorzubereiten?“

„Worauf?“

„Das Land zu regieren, falls es nötig sein sollte.“

An seinem schlechten Ruf war er selbst schuld, doch vieles, was über ihn berichtet worden war, war stark übertrieben. Außerdem wusste niemand, warum er alles getan hatte, um sich diesen schlechten Ruf zu erwerben. „Falls es jemals nötig sein sollte, werde ich selbstverständlich meine Pflicht tun. Ich hoffe jedoch sehr, dass mein Bruder Malik die Nachfolge unseres Vaters antritt.“

„Okay. Erzähl weiter.“

„Was möchtest du denn wissen?“

„Mich interessiert vor allem, wie ein Mann wie du, der so viele Möglichkeiten hat, etwas Gutes und Sinnvolles zu tun, ein vergnügungssüchtiger Mensch werden kann, der sich von einer flüchtigen Affäre in die nächste stürzt.“

Ihre Stimme klang ruhig und sachlich, doch Kardahl war klar, dass Jessica ihn kritisierte. „Du hast eine sehr schlechte Meinung von mir.“

„Das ist doch kein Wunder bei all den Geschichten, die man über dich und deine zahlreichen Affären lesen kann.“

Nach dem Tod seiner geliebten Antonia vor zwei Jahren hatte er beschlossen, nie wieder etwas für eine Frau zu empfinden. Deshalb überraschte es ihn, dass er sich über Jessicas Äußerung ärgerte. „Hältst du alles, was du gelesen hast, für wahr?“

„Völlig erfunden und aus der Luft gegriffen können die Geschichten nicht sein, sonst hättest du dich doch mit allen Mitteln dagegen gewehrt und die Reporter und Herausgeber mit Verleumdungsklagen überzogen. Außerdem stellen sich solche Geschichten, die zunächst heftig abgestritten wurden, später oft als wahr heraus. Ja, ich glaube viel von dem, was über dich geschrieben wird“, gab sie zu und begegnete seinem Blick. „Ich muss aber gestehen, die Fotos, die man von dir veröffentlicht, werden dir nicht gerecht.“

„Paparazzi sind in der Wahl der Mittel nicht zimperlich. Je negativer sie mich präsentieren können, desto besser.“ Diesen Leuten ist es völlig egal, ob sie jemanden verletzen, Hauptsache, die Fotos und die entsprechenden Berichte lassen sich gut verkaufen, fügte er insgeheim verbittert hinzu.

„Dazu hast du ihnen sicher oft genug Anlass gegeben.“

„Wenn du eine so durch und durch schlechte Meinung von mir hast, möchte ich dir eine Frage stellen: Warum warst du einverstanden herzukommen?“

„Das weißt du genau. Der Mitarbeiter des Königs hat mir versprochen, ich würde meine Verwandten kennenlernen. Und darauf freue ich mich. Anschließend fliege ich nach Hause zurück und konzentriere mich wieder auf meine Arbeit, die für mich sehr wichtig ist. Doch das verstehst du wahrscheinlich nicht.“

„Vielleicht täuschst du dich. Ich bin bekannt für mein soziales Engagement.“

Lächelnd erwiderte sie: „Das bezweifle ich nicht. Auch das steht in der Presse. Das aber, was du offenbar darunter verstehst, halte ich für sehr fragwürdig.“

Sie verurteilt mich, ohne mich zu kennen, dachte er verletzt und beleidigt. Wollte sie ihn provozieren? Wenn ja, würde sie eine Enttäuschung erleben. Die Zeit der leidenschaftlichen Gefühle und heftigen Reaktionen war längst vorbei. Er hatte alles verloren und fühlte sich innerlich leer. Nichts, was Jessica sagte oder tat, konnte ihn wirklich berühren.

Es ging ihm jetzt nur noch darum, seine Pflicht zu tun. Daran hatte man ihn erinnert, als Fotos von ihm Arm in Arm mit der verheirateten und einige Male geschiedenen Schauspielerin aufgetaucht waren. Einen Skandal in der königlichen Familie hätte sein Vater nicht toleriert. Es wäre auch sehr störend gewesen bei den Verhandlungen darüber, wie das Land weltweit eine wichtigere Rolle spielen konnte. Das hatte der Außenminister Kardahl unmissverständlich klargemacht und hinzugefügt, eine schmierige Liebesgeschichte, die vielleicht am Ende noch zu einer Hochzeit führe, sei für die Skandalpresse ein gefundenes Fressen.

Das aber war nicht der eigentliche Grund, warum Jessicas Ankunft beschleunigt worden war. Die Frau, die Kardahl geliebt hatte, war tot, und sein ungeborenes Kind war mit ihr gestorben. Seitdem fühlte er sich innerlich wie erstarrt und hatte nichts dagegen gehabt, die Frau zu heiraten, die sein Vater für ihn noch vor ihrer Geburt bestimmt hatte.

Doch was sollte das Gerede darüber, sie würde nach Hause zurückfliegen und sich auf ihre Arbeit konzentrieren? Wenn sie wirklich diese Absicht hatte, erklärte es natürlich, warum sie mit wenig Gepäck reiste.

Kardahl runzelte die Stirn. „Jemand, der so leichtfertig mit dem Eheversprechen umgeht, sollte nicht mit dem Finger auf andere zeigen.“

„Eheversprechen?“, wiederholte sie, während ihr Lächeln verschwand. „Wovon redest du?“

„Von dem Versprechen, das wir uns durch die Unterzeichnung der entsprechenden Dokumente gegeben haben.“

Verständnislos sah sie ihn an. „Ich habe keine Ahnung, was du meinst.“

„Die Ferntrauung. Du bist meine Frau.“

2. KAPITEL

Noch vor drei Stunden hatte Jessica befürchtet, ihre Verwandten würden sie ablehnen, weil sie ein uneheliches Kind war. Diese Sorge war in den Hintergrund getreten, seit sie sich mit einem viel größeren Problem konfrontiert sah: Sie war angeblich mit einem Mann verheiratet, der von Liebe und Treue nichts hielt, mit einem Playboy, der so lebte, wie es ihm passte.

Ruhelos wanderte sie in der luxuriösen Suite hin und her und ging schließlich hinaus auf den Balkon und genoss die faszinierende Aussicht auf das Arabische Meer. Irgendwie rechnete sie damit, Kardahl würde jeden Moment zurückkommen und verkünden, es sei alles nur ein Scherz gewesen. Sie würden darüber lachen, und sie konnte sich endlich auf den eigentlichen Zweck ihres Besuchs konzentrieren.

Kardahls Suite ist wirklich nicht schlecht, dachte sie. Und das war eine Untertreibung, denn es war eine wunderschöne und geradezu riesige Suite. Zu gern hätte sie sich darin umgesehen, aber sie wollte nicht von ihm dabei überrascht werden. Er sollte nicht denken, sie würde in seinen Sachen herumschnüffeln. Exklusive Sofas in einem warmen Grünton standen vor dem breiten Kamin aus weißem Marmor, und an den Wänden des großen Wohnzimmers, das in das Esszimmer überging, hingen wertvolle Gemälde. Obwohl Jessica nicht viel Ahnung von Kunst hatte, war sie sich sicher, jedes dieser Bilder hatte ein Vielfaches ihres monatlichen Nettogehalts gekostet.

Wie kann ich verheiratet sein, ohne es zu wissen? überlegte sie. Und das ohne weißes Brautkleid, ohne Blumen, Ringe und Trauungszeremonie. Die halbhohen Absätze ihrer eleganten Schuhe klapperten auf dem Mosaikfußboden, als sie den Flur durchquerte, um sich zu vergewissern, dass die Eingangstür nicht verschlossen war. Vorsichtig öffnete sie diese einen Spaltbreit und blickte in alle Richtungen. Nein, es standen keine Wachen vor der Tür, wie sie feststellte.

Das bedeutete natürlich nicht, dass sie in Sicherheit war, wie sie sich sagte, nachdem sie die Tür wieder zugemacht hatte. Vielleicht war sie auf einen Ring von Frauenhändlern hereingefallen, der Frauen als Sexsklavinnen verkaufte, obwohl das vermutlich zu weit hergeholt war. Sie hatte eine zu lebhafte Fantasie. Jedenfalls war sie der Meinung, Ferntrauungen gehörten schon längst der Vergangenheit an. Die ganze Sache kam ihr sehr seltsam vor.

Während sie noch darüber nachdachte, ob sie mit oder ohne Gepäck verschwinden sollte, ging die Tür auf und Kardahl kam herein.

„Ich habe Neuigkeiten“, verkündete er.

„Wir sind nicht verheiratet“, riet sie aufs Geratewohl.

„Oh doch. Hier.“ Er reichte ihr ein Dokument. „Ist das deine Unterschrift?“

Sekundenlang betrachtete sie ihren Namenszug unter dem in einer ihr fremden Sprache abgefassten Schriftsatz. „Ja, jedenfalls sieht es so aus, aber …“

„Hat man dich gezwungen zu unterschreiben?“, fiel er ihr ins Wort.

„Nein. Ich erinnere mich jedoch an den riesigen Stapel Unterlagen, aus denen ich …“

„Na, so riesig kann der Stapel nicht gewesen sein“, unterbrach er sie wieder.

„Da ich eure Sprache nicht beherrsche, konnte ich die Papiere auch nicht lesen. Der Mann, der so tat, als wollte er mir helfen, erklärte, es sei nichts Wichtiges. Ich würde mich mit meiner Unterschrift nur damit einverstanden erklären, dass Kopien von Urkunden gemacht würden, die der Familienzusammenführung dienen oder etwas in der Art.“

Kardahl nickte und legte das Dokument auf den niedrigen Tisch. „Im Bestreben, meinem Vater und meiner Familie alles recht zu machen, hat er vielleicht die Wahrheit etwas … verschleiert.“

„Er hat also gelogen?“

„Nicht unbedingt. Mit deiner Unterschrift hast du dich einverstanden erklärt, dass uns von bestimmten Urkunden Kopien ausgehändigt werden, insoweit stimmt es, was er behauptet hat. Du hast aber auch deine Unterschrift unter die Heiratsurkunde gesetzt.“

„Das ist absurd. Wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert! Niemand denkt heutzutage noch an eine Ferntrauung.“

„Dennoch ist es bei uns völlig legal.“

Was für eine Ironie, dass ich ausgerechnet mit diesem Mann verheiratet sein soll, überlegte sie. Neun von zehn Frauen würden Freudensprünge machen vor lauter Glück. Doch ausgerechnet mit der Frau, die sich darüber nicht freuen konnte, musste er sich jetzt auseinandersetzen. Jessica fühlte sich hereingelegt. Doppelt schlimm wurde die Sache dadurch, dass sie mit einem Playboy verheiratet sein sollte, was für sie so etwas wie ein Albtraum war. Ihre Empörung wuchs von Minute zu Minute.

„Woher willst du wissen, dass ich nicht schon mit einem anderen Mann verheiratet bin?“, fragte sie, die Hände in die Hüften gestützt.

„Glaubst du, das hätte man nicht vorher genau geprüft?“

„Niemals hätte ich mir vorstellen können, einmal in eine Ferntrauung verwickelt zu sein. Wie konnte das überhaupt passieren?“ Wieder lief sie hin und her. „Warum musste es ausgerechnet mich treffen?“

„Die Vorfahren deiner Mutter waren mit der königlichen Familie verwandt, und unsere Familien waren immer befreundet. Vor vielen Jahren wurde beschlossen, dass die älteste Tochter deiner Mutter die Frau des zweitältesten Sohnes meines Vaters wird.“

„Und wenn sie nur Söhne bekommen hätte?“, fragte Jessica.

„Das hat sie aber nicht“, antwortete er viel zu ruhig, während er ungeniert ihre Brüste betrachtete. „Als der Privatdetektiv meines Vaters Nachforschungen anstellte und dich aufspürte, nahmen die Pläne für die Umsetzung des Versprechens Gestalt an.“

Die ganze Geschichte kam ihr in jeder Hinsicht ungeheuerlich vor. „Hast du die Heiratsurkunde etwa auch unterschrieben?“

„Ja.“

„Freiwillig?“

„Natürlich“, erwiderte er geduldig.

Dieser Playboy sollte die Heiratsurkunde freiwillig unterschrieben haben? Jessica konnte es kaum glauben. „Warum hast du das getan?“

„Weil es meine Pflicht ist. Als Bruder des Thronerben bin ich verpflichtet, zu heiraten und Kinder zu bekommen.“

„Was wäre geschehen, wenn man mich nicht hätte finden können?“ Als er antworten wollte, legte sie ihm den Finger auf die Lippen. „Wag ja nicht zu sagen, man hätte mich ja gefunden.“

Er verzog die Lippen zu einem Lächeln. „Das ist nicht nötig, du hast es ja selbst festgestellt.“

„Okay, dann formuliere ich es anders: Warum bist du nicht schon längst verheiratet? Wärst du Single geblieben, wenn man mich nicht gefunden hätte?“

„In dem Fall hätte mein Vater eine andere Frau für mich ausgesucht.“ Er zuckte die Schultern und fügte hinzu: „Zu gegebener Zeit.“

„Heißt das, es war für dich der richtige Zeitpunkt zu heiraten?“

„Ja, jedenfalls in gewisser Weise.“ Er sah aus wie ein bei einer Lüge ertappter kleiner Junge.

Nein, nicht wie ein kleiner Junge, dafür wirkt er viel zu männlich, korrigierte sie sich sogleich. Gegen ihren Willen und wider besseres Wissen fühlte sie sich viel zu sehr zu ihm hingezogen.

„Was hattest du verbrochen?“, fragte sie.

„Ohne mich zu kennen, vermutest du, ich hätte irgendetwas verbrochen. Wie kommst du dazu?“

Sie verschränkte die Arme und sah ihm in die Augen. „Das fragst ausgerechnet du, obwohl du genau weißt, wie ausführlich in der Skandalpresse über deine Affären berichtet wurde? Natürlich hast du etwas angestellt, das ist mir völlig klar. Ich bin sicher, es hatte etwas mit einer Frau zu tun.“

„Ja. Sie hatte sich von ihrem Mann getrennt, die Trennung war noch nicht gesetzlich geregelt.“

„Dann warst du mit einer verheirateten Frau zusammen. Es liegt auf der Hand, dass dein Vater darüber nicht glücklich war.“

„Am meisten hat er sich über die Fotos aufgeregt, die mit dem Teleobjektiv heimlich von ihr und mir gemacht wurden.“ Kardahl kniff die Augen zusammen. „Mein Vater und sein Beraterstab kamen zu dem Schluss, es sei eine gute Gelegenheit, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, wie man so schön sagt.“

„Du solltest deine Pflicht tun, und gleichzeitig konnte ein Skandal verhindert werden, oder?“

„Richtig“, gab er zu.

Wieder stützte sie die Hände in die Hüften. „Die Sache hat jedoch einen Haken: Ich will gar nicht verheiratet sein.“

„Warum nicht?“

„Aus vielen Gründen“, erwiderte sie. „Und falls ich jemals einem Mann mein Jawort gebe – persönlich und nicht als Unterschrift auf irgendeinem Stück Papier –, wärst du der Letzte, den ich heiraten würde.“

„Ach, tatsächlich?“ In seinen Augen blitzte es zu ihrer Überraschung belustigt auf. Eigentlich hatte sie damit gerechnet, er würde sich über die Bemerkung ärgern.

„Du hast mit deinem Benehmen hinreichend bewiesen, dass du nicht bereit oder imstande bist, Verantwortung zu übernehmen.“ Sie wartete auf seine Reaktion, doch als er sie nur weiterhin belustigt ansah, fuhr sie fort: „Du kannst es abstreiten, wenn du willst, aber das würde dir wenig nützen, denn es wurde genug über dich geschrieben.“

„Ich will gar nichts abstreiten. Du hast völlig recht.“

„Warum hast du dich dann nicht geweigert, bei der Ferntrauung mitzumachen?“

Jetzt verschwand die Belustigung aus seinen Augen, und sein Blick wurde hart. „Das ist der Preis, den man als Mitglied der königlichen Familie bezahlen muss. Ich war dazu verpflichtet, die Ehe mit dir einzugehen.“

„Das ist es ja gerade, wir sind gar nicht verheiratet, weil ich meine Unterschrift nicht wissentlich unter die Urkunde gesetzt habe.“ Ich hätte überhaupt nichts unterschrieben, wenn ich gewusst hätte, wen ich da heiraten sollte, fügte sie in Gedanken hinzu. „Falls du es noch nicht gemerkt hast: Ich bin darüber alles andere als glücklich.“

„Das ist verständlich. Man hat dich hinters Licht geführt.“

Schon wieder stimmte er ihr zu. Warum tat er das? Was bezweckte er damit?

„Und nun? Wie komme ich aus der Sache wieder heraus?“, fragte sie.

„Man hätte dir die Situation detailliert schildern müssen und dich nicht im Unklaren lassen dürfen. Der Mitarbeiter meines Vaters, der dafür verantwortlich ist, muss mit einer Disziplinarstrafe rechnen.“

„Ah ja, das ist immerhin etwas. Wie fällt denn diese Bestrafung aus?“

„Hast du eine Idee?“

Gute Frage, dachte sie. Wie maßregelte man jemanden, dem man es zu verdanken hatte, dass man mit einem Mann verheiratet war, dem man am liebsten aus dem Weg gehen würde?

Jessica sah ihn an. „Es wäre gerecht, ihn zu zwingen, eine Frau zu heiraten, die er zutiefst verabscheut.“

„Er ist schon verheiratet“, antwortete er. Wieder blitzte es in seinen Augen belustigt auf.

Offenbar war es ihm völlig egal, dass ihre Bemerkung beleidigend war. Warum sollte es ihn auch stören? Die Frauen lagen ihm praktisch zu Füßen, und er konnte jede Frau haben, die er haben wollte.

„Ich verstehe. Hat er auch Kinder?“, fragte sie.

„Drei.“

In dem Fall musste sie sich eine andere Strafe ausdenken. Sie wollte nicht dafür verantwortlich sein, dass ein Familienvater die Stelle verlor. „Vielleicht reicht es ja, ihm einmal ernsthaft ins Gewissen zu reden und ihm klarzumachen, dass man mit dem Leben anderer Menschen nicht spielen sollte.“

„Gut, das werde ich veranlassen“, versprach er und deutete lächelnd eine Verbeugung an.

„Lass das bitte“, wies sie ihn zurecht.

„Ich erweise dir nur meinen Respekt“, verteidigte er sich.

„Ich meine nicht die Verbeugung, sondern wie du lächelst.“

Nachdenklich betrachtete er sie. „Wäre es dir lieber, ich würde die Stirn runzeln und eine ernste Miene aufsetzen?“

Ja, das wäre es, und zwar aus verschiedenen Gründen, überlegte sie. Einer davon war, dass sein charmantes Lächeln ihr den Atem raubte und sie aus dem seelischen Gleichgewicht brachte. „Wie kannst du lächeln, wenn wir ein großes, ungelöstes Problem haben? Wie soll ich aus dieser Ehe mit dir wieder herauskommen?“

„Wir könnten sie annullieren lassen“, schlug er vor.

„Wunderbar.“ Jessica nickte. „Wie macht man das?“

„In dem Fall sollten wir die Ehe nicht vollziehen.“

„Okay, dann leite bitte alles in die Wege. Ich verspreche dir, dich nicht zu verführen. Und du kannst mich sowieso nicht verführen.“

„Bist du dir da ganz sicher?“ Er blickte sie herausfordernd an.

„Also bitte! Ich wünsche mir einen Mann, der mir sein Herz schenkt und mich aus Überzeugung heiraten will. Dass du dieser Mann nicht bist, wissen wir beide.“

„So?“ Lange sah er sie schweigend an, ehe er die Schultern zuckte. „Wenn du unbedingt willst, bereite ich die Annullierung unserer Ehe vor.“

„Ja, ich will es wirklich.“ Er ist sicher nur deshalb damit einverstanden, weil er es prinzipiell verabscheut, verheiratet zu sein, sagte sie sich. Doch plötzlich fiel ihr etwas ein. „Bringt dich das vielleicht in noch größere Schwierigkeiten?“

„Mach dir meinetwegen keine Gedanken. Ich rede mit meinen Eltern. Sie werden sicher Verständnis haben.“

„Dann gibt es keinen Skandal, oder?“, fragte sie.

„Meine Mitarbeiter für Öffentlichkeitsarbeit werden eine Erklärung vorbereiten. Aber …“ Er verstummte.

„Aber was?“

„Ich wäre froh, wenn du vorerst in der Öffentlichkeit als meine Frau auftreten würdest. Dass wir verheiratet sind, lässt sich nicht verheimlichen. Es würde jedoch einen Skandal geben, wenn wir kurz darauf bekannt geben müssten, dass die Ehe annulliert wurde. Obwohl meine Familie und ich dich in diese unangenehme Situation gebracht haben, wären wir dir für deine Mitwirkung sehr dankbar. In der Zwischenzeit werde ich dich zu dem Treffen mit deiner Familie begleiten.“

Um ihre Familie kennenzulernen, war sie um den halben Globus geflogen. Da sie nach dem Tod ihrer Mutter niemanden mehr gehabt hatte, hätte sie gern die ganz normalen Probleme mit der Verwandtschaft in Kauf genommen, über die sich ihre Freundinnen und Bekannten beklagten. Sie würde sich sogar freuen, wenn jemand, der sie liebte, sie kritisierte und ihr unerwünschte Ratschläge erteilte.

„Einverstanden, solange niemand von mir erwartet, dass ich ein Kind bekomme“, willigte sie ein.

Statt zu antworten, lächelte er nur. Er wirkt wie eine Raubkatze, die ihre Beute fest im Blick hat, schoss es Jessica durch den Kopf.

Während sie in einer der Limousinen der königlichen Familie an dem Markt mit den vielen Ständen und dem bunten Treiben vorbei in das Zentrum der Hauptstadt von Bha’Khar fuhren, blickte Jessica zum Fenster hinaus und schüttelte immer wieder den Kopf.

„Was hast du? Gefällt dir nicht, was du siehst?“, fragte Kardahl.

„Doch, doch, alles ist bestens in Ordnung.“

Und das war noch untertrieben. Wie versprochen, hatte sie die Nacht allein in dem unvorstellbar luxuriösen Schlafzimmer verbracht. Allein das angrenzende Umkleidezimmer war so groß wie ihr ganzes Apartment in Los Angeles. Das Bad aus Marmor mit den vergoldeten Armaturen war traumhaft schön. Nach dem Frühstück, das in angenehmer Atmosphäre verlief, eröffnete Kardahl ihr, einer seiner Mitarbeiter sei unterwegs, um Kontakt mit ihrer Familie aufzunehmen. Um ihr die Wartezeit zu verkürzen, wollte er ihr die Stadt zeigen. Das war sehr aufmerksam von ihm, gehörte aber wahrscheinlich zu seiner Strategie. Was immer er bezweckte, es interessierte Jessica wenig.

Es machte sie etwas traurig, dass sie diese wunderschöne, liebenswerte Stadt mit den mit beige- und pinkfarbenem Stuck verzierten weißen Häusern, in der ihre Mutter geboren war, nie kennengelernt hatte. Es kam ihr so vor, als fehlte ihr ein Teil ihrer eigenen Identität.

„Verrate mir, was dich quält“, bat er sie mit seiner tiefen Stimme.

Sein sanfter Ton und sein Einfühlungsvermögen berührten sie sehr. „Es ist eigentlich unglaublich, dass meine Mutter nie mit mir über ihr Land und ihre Angehörigen gesprochen hat“, erwiderte sie.

„Vermutlich war sie sehr unglücklich und verbittert“, meinte er.

„Wie kommst du darauf?“

Kardahl zuckte die Schultern. „Die Vermutung liegt nahe. Man redet nicht gern über die Zeit, in der man unglücklich war, um nicht alte Wunden wieder aufzureißen. Und außerdem wollte sie dich sicher nicht mit ihren eigenen Problemen belasten.“

Seiner Miene nach zu urteilen, meinte er es ernst. So viel Verständnis hätte Jessica von ihm nicht erwartet, immerhin stand er in dem Ruf, sehr oberflächlich und rücksichtslos zu sein.

Lächelnd sah sie ihn an. „Egal, ob es stimmt oder nicht, den Gedanken finde ich jedenfalls äußerst tröstlich.“

In dem Moment läutet sein Handy, und sie blickte wieder zum Fenster hinaus. Sie fuhren gerade durch eine enge Straße mit eleganten Boutiquen und modischen Geschäften auf beiden Seiten.

„Das war mein Mitarbeiter. Es ging um den Besuch bei deiner Familie“, erklärte Kardahl schließlich und schob das Handy wieder in die Tasche.

„Wann kann ich sie treffen?“, fragte sie eifrig. „Ich weiß eigentlich nichts über sie.“

„Du hast zwei Tanten …“

„Meine Mutter hatte zwei Schwestern?“, unterbrach sie ihn begeistert. Jessica hatte sich immer Geschwister gewünscht, um nicht so allein zu sein. Dass ihre Mutter den Kontakt zu ihren Schwestern abgebrochen hatte, konnte sie nicht verstehen.

„Ja. Eine deiner Tanten ist mit dem Sprecher der Wüstenbewohner verheiratet. Die andere ist Ärztin und wohnt in einer anderen Stadt nördlich von hier. Du wirst beide kennenlernen.“

„Danke. Das ist wunderbar.“ Zögernd und leicht besorgt fügte sie hinzu: „Was ist mit meinen Großeltern?“

„Auf Wunsch des Außenministers befinden sie sich momentan in diplomatischer Mission auf einer Auslandsreise. Sie sind über deine Ankunft informiert und kommen schnellstmöglich zurück“, antwortete er.

„Okay.“ Sie seufzte. „Ich bin ein bisschen enttäuscht, dass ich noch länger warten muss“, gab sie zu. „Ich hatte gehofft, viel Zeit mit ihnen verbringen zu können, ehe ich nach Hause zurückfliegen und wieder arbeiten muss.“

„Kannst du deinen Urlaub nicht verlängern?“

„Das wird sich wahrscheinlich nicht vermeiden lassen. Es tut mir leid für die Kinder.“

„Kümmert sich während deiner Abwesenheit niemand um sie?“

„Doch. Das ist aber nicht das Problem. Es ist nicht leicht, das Vertrauen dieser Kinder zu gewinnen, die alle Angehörigen verloren haben.“ Das wusste sie auch aus eigener Erfahrung. Immer noch hatte sie ein Problem, jemandem rückhaltlos zu vertrauen. „Für mich ist es nur ein Urlaub, aber die Kinder fühlen sich zurückgewiesen und schon wieder von jemandem im Stich gelassen, den sie ganz gern haben.“

„Dann müssen sie lernen, sich nicht so sehr auf einen einzigen Menschen zu konzentrieren“, entgegnete er. „Deine Abwesenheit könnte für sie eine heilsame Lektion sein. Würden sie ohne dich nicht besser zurechtkommen?“

Jessica schüttelte den Kopf. „Jeder braucht manchmal eine Person zum Anlehnen. Wenn sie sich emotional nicht engagieren, vereinsamen sie und werden asozial.“

„Ist es nicht unkomplizierter, ganz darauf zu verzichten, sich auf jemanden einzulassen?“

Erstaunt sah sie ihn an. „Das sagst ausgerechnet du? Du lässt dich auf jedes weibliche Wesen ein, das einigermaßen …“ Sie verstummte und presste die Lippen zusammen. „Ach, vergiss es.“

„Versteh mich bitte nicht falsch. Ich finde es bewundernswert, dass du dich für die Kinder einsetzt und davon überzeugt bist, etwas erreichen zu können.“ In seiner Stimme schwang Skepsis.

„Wenn niemand versuchen würde, etwas zu ändern, wäre die Welt in einem noch traurigeren Zustand.“

„Ich wünsche dir viel Erfolg und viel Glück bei deinen Bemühungen.“

Das passt zu ihm nach allem, was ich über ihn gelesen habe, dachte sie. Wenn er nicht vorhin einen Anflug von Gedankentiefe und Einfühlungsvermögen gezeigt hätte, hätte sie auch gar nichts anderes erwartet. Jetzt fragte sie sich jedoch, wie er einerseits so verständnisvoll und andererseits so abgestumpft sein konnte.

In dem Moment hielt der Wagen an.

„Ist die Stadtrundfahrt schon beendet?“

Ein rätselhaftes Lächeln umspielte seinen Mund. „Ja. Ich habe eine Überraschung für dich.“ Er stieg aus dem Wagen, während der Chauffeur ihm die Tür aufhielt. Dann reichte Kardahl Jessica die Hand, half ihr beim Aussteigen und führte sie durch den Nebeneingang zu einer exklusiven Boutique. „Komm mit“, forderte er sie auf und hakte sich bei ihr ein.

Bewundernd betrachtete Jessica die eleganten Kleider, Hosenanzüge und Abendroben. Hier würde ihr das Einkaufen Spaß machen, wenn sie es sich erlauben könnte. Doch diese Outfits waren, was die Preise anging, für sie einige Nummern zu groß.

„Was wollen wir hier?“, fragte sie.

Eine jüngere und elegant gekleidete Frau kam ihnen mit einem breiten Lächeln entgegen. „Königliche Hoheit, ich bin entzückt über Ihren Besuch, den man mir telefonisch angekündigt hat. Ich habe alle anderen Termine abgesagt und das Geschäft vorübergehend geschlossen. Das ist Ihre Gattin, nehme ich an.“

„Ja.“

„Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Hochzeit.“

„Vielen Dank.“ Er warf Jessica einen Blick zu. „Meine Frau hätte gern einige neue Outfits.“

„Aber ich …“, begann Jessica, verstummte jedoch sogleich wieder, denn sie wollte ihn nicht bloßstellen. Es gefiel ihr jedoch ganz und gar nicht, dass er sie vor vollendete Tatsachen stellte, statt es vorher mit ihr zu besprechen.

Ehe sie wusste, wie ihr geschah, nahm die Frau bei ihr Maß und sagte dann: „Sie haben die perfekte Figur für Kleidergröße vierunddreißig, Königliche Hoheit. Ich habe da einige Einzelstücke, die Ihnen sicher gefallen.“

Es verursachte Jessica Unbehagen, mit „Königliche Hoheit“ angeredet zu werden. Da sie sich jedoch bereit erklärt hatte, in der Öffentlichkeit als seine Frau aufzutreten, konnte sie es wahrscheinlich gar nicht verhindern. Die Verkäuferin eilte mit einer Auswahl eleganter Outfits in den hinteren Teil des Verkaufsraums. Als sie zurückkam, wies Kardahl auf ein schlichtes schwarzes Abendkleid aus Seide. „Das soll meine Frau anprobieren. Es müsste ihr passen.“

„Ja, das denke ich auch, es ist die richtige Größe“, erwiderte die Frau lächelnd.

Für einen Playboy ist es natürlich kein Problem, die Kleidergröße einer Frau zu erraten, er hat ja genug nackte Frauen in den Armen gehalten und zärtlich berührt, überlegte Jessica und erbebte bei dem Gedanken. Genau das war ihr Problem. Ihr Verstand sagte Nein, aber ihr Körper reagierte viel zu heftig auf diesen Mann. Es wäre jedoch dumm, sich die Chance entgehen zu lassen, all diese wunderschönen Outfits anzuprobieren. Andererseits musste sie der Verkäuferin irgendwie klarmachen, dass sie nur ihre Zeit verschwendete.

„Pass mal auf“, wandte Jessica sich an Kardahl, als die Frau mit dem Abendkleid verschwand, „ich brauche keine neuen Outfits. Wir wissen doch beide, dass diese … Ehe annulliert wird. Und dann …“

„Bis dahin bist du meine Frau, und morgen Abend findet ein Empfang statt, auf den du mich begleitest“, unterbrach er sie lächelnd. „Ich habe das Leuchten in deinen Augen gesehen, als du die wunderschönen Outfits betrachtet hast. Tu mir den Gefallen, und lass mich dir die Sachen kaufen, sozusagen als Entschädigung für die ganzen Unannehmlichkeiten. Probier sie wenigstens einmal an, sonst ist die Frau enttäuscht.“

„Jetzt kommst du schon wieder mit dieser Enttäuschungsnummer.“ Jessica seufzte. „Ist das ein Befehl?“

„Wäre dir das lieber?“

Sie seufzte noch einmal. „Ja, denn man sollte sich dem Befehl eines Mitglieds der königlichen Familie nicht widersetzen.“

„Da hast du recht“, stimmte er ihr belustigt zu.

Jessica drehte sich um und folgte der Verkäuferin zur Umkleidekabine. Wahrscheinlich besitze ich kein Rückgrat, doch was soll’s? sagte sie sich. Sie saß sowieso hier fest und beschloss, das Beste aus der Sache zu machen.

Die Outfits passten so perfekt, als wären sie für sie angefertigt worden. Der Gedanke, diese wunderschönen, eleganten Sachen aus den edlen Materialien zu tragen, ließ ihr Herz höher schlagen. Die Verkäuferin brachte ihr immer neue Kleider, und erst zuletzt zog sie das Abendkleid an, das Kardahl so gut gefiel.

Ihre Augen wurden immer größer, als sie sich im Spiegel betrachtete. Das seidige Material des eleganten Kleides mit den langen Ärmeln, das vorne hochgeschlossen war, umschmeichelte ihren Körper und ließ ihre verführerischen Rundungen ahnen, ohne etwas zu enthüllen. Der Rückenausschnitt war geradezu atemberaubend tief.

„Es passt Ihnen perfekt und steht Ihnen gut“, stellte die Verkäuferin begeistert fest. „Seine Königliche Hoheit wünscht, Sie darin zu sehen.“

„So?“

Der Frau nickte. „Ja. Ich soll Ihnen ausrichten, es sei ein Befehl.“

Das Dumme an der Sache ist, ich weiß nicht, ob er es ernst meint oder nicht, überlegte Jessica. Um keine Szene zu riskieren, verließ sie die Umkleidekabine, hob den langen Rock leicht an, um nicht darüber zu stolpern, und ging langsam auf Kardahl zu. Als sie mit angehaltenem Atem vor ihm stehen blieb, nahm er ihre Hand, führte Jessica zu einem Spiegel und trat hinter sie.

Dann musterte er sie so bewundernd, dass ihr ganz flau im Magen wurde, so als säße sie in einem Flieger, der in Turbulenzen geraten war. Offenbar bin ich emotional ausgehungert, dachte sie ironisch. Jedenfalls war sie nicht daran gewöhnt, so offen von einem Mann bewundert zu werden. Es kam ihr vor, als wäre sie nahe daran, Feuer zu fangen und sich romantischen Träumen hinzugeben.

„Ich finde, es steht mir überhaupt nicht“, erklärte sie atemlos.

„Mir gefällt es ausgesprochen gut“, entgegnete er mit seiner tiefen Stimme. „Wir nehmen es“, verkündete er an die Verkäuferin gewandt.

Vorsichtshalber schwieg Jessica. Sie wollte Kardahl und seine Familie in der Öffentlichkeit nicht in Verlegenheit bringen. Ihr Problem konnten jedoch auch teure Designeroutfits nicht aus der Welt schaffen: Sie war in keiner Weise auf die Rolle einer Prinzessin vorbereitet, auch wenn sie dem Prinzen versprochen war. Sie war hier, um ihre Familie kennenzulernen, danach wollte sie zurückfliegen und ihr normales Leben wieder aufnehmen.

Nachdem sie ihre Leinenhose und das hübsche Top wieder angezogen hatte, gesellte sie sich zu Kardahl. Das schwarze Abendkleid hatte er einpacken lassen und hielt die Tragetasche in der Hand. Die anderen Outfits sollten in den Palast geliefert werden. Als Jessica mit Kardahl die Boutique verließ, drängte sich ihnen die Menschenmenge, die sich davor versammelt hatte, entgegen, und von allen Seiten setzte ein Blitzlichtgewitter ein.

„Wer ist Ihre neue Begleiterin, Königliche Hoheit?“, fragte einer der Reporter.

„Ist sie etwa auch verheiratet?“, wollte ein anderer wissen.

Dann hielt jemand Jessica ein Mikrofon vor das Gesicht. „Wie haben Sie und Prinz Kardahl sich kennengelernt?“

Schweigend zog Kardahl sie an sich, schützte sie mit seinem Körper vor den Kameras und dirigierte sie zur bereitstehenden Limousine.

Mit klopfendem Herzen sah sie ihn an, während er sich neben sie auf den Rücksitz sinken ließ. Seine zornige Miene schockierte sie, und sie ahnte, dass seine heftige Reaktion nichts mit den Fotos zu tun hatte, die die Paparazzi geschossen hatten. Es musste sich um etwas anderes handeln, um etwas, was ihn sehr betroffen machte.

Obwohl sie eigentlich nicht über ihn nachdenken wollte, überlegte sie doch, weshalb sein Charme und die Leichtigkeit, die er zuvor an den Tag gelegt hatte, plötzlich verschwunden waren.

3. KAPITEL

Was für eine Ironie des Schicksals! Wenige Stunden vor dem Essen mit seinen Eltern hatten diese Paparazzi ihn und Jessica aufgespürt. Kardahl hatte einmal gehofft, eine andere Frau zu heiraten und seinen Eltern vorzustellen, aber das hatte nicht sein sollen. Sein Vater hatte es zu verhindern gewusst. Nun war er mit Jessica verheiratet, und sie saßen auf dem Sofa im Wohnzimmer seiner Eltern.

Faline und Amahl Hourani thronten in Sesseln mit vielen Kissen und betrachteten ihre Schwiegertochter aufmerksam. Anders als vor zwei Jahren, als sie seine Wahl nicht gebilligt hatten, schienen sie dieses Mal sehr erfreut und zufrieden zu sein.

Durch das teilweise ergraute schwarze Haar wirkte sein Vater noch würdevoller und vornehmer. Kardahl kannte ihn als einen kompromisslosen, strengen Mann, der sehr eigensinnig war und dem man kaum etwas recht machen konnte. Niemals würde Kardahl ihm verzeihen, dass er sich geweigert hatte, mit der Tradition zu brechen und ihm zu erlauben, die Frau zu heiraten, die er geliebt hatte.

In dem dunklen schulterlangen Haar seiner Mutter war jedoch noch kein einziges graues Haar zu entdecken. Für so eine zierliche Person verfügte sie über einen ungemein starken Willen, aber auch über eine gehörige Portion Humor, und sie schaffte es erstaunlich gut, ihren Mann zu fesseln und zugleich in Schach zu halten. Eine Zeit lang hatte Kardahl gehofft, selbst auch eine so gute Ehe führen zu können wie die beiden, doch diese Hoffnung hatte er nach dem Tod der geliebten Frau begraben.

„Möchtest du wirklich keinen Brandy mit uns trinken, Jessica?“, fragte seine Mutter.

„Nein, vielen Dank. Ich trinke lieber Kaffee.“ Jessica stellte die Tasse ab.

Das lange Haar hatte sie im Nacken locker zusammengesteckt, einige Strähnen hatten sich gelöst und umrahmten ihr Gesicht. In der eleganten schwarzen Hose und der weiten Seidenbluse sah sie sehr schön aus. Ihr verführerischer Duft verwirrte Kardahls Sinne, als sie ihn versehentlich mit der Schulter berührte. Seine Nähe schien sie nicht zu beunruhigen, er selbst hatte jedoch nicht so viel Glück.

„Ich habe gehört, du hattest heute deine erste unangenehme Erfahrung mit Reportern, meine Liebe“, stellte der König fest.

„Ja, leider“, erwiderte Jessica.

„Wie konnte das passieren, Kardahl?“, wandte er sich vorwurfsvoll an seinen Sohn.

Das hatte Kardahl sich auch schon gefragt und die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes um Erklärungen gebeten. „Offenbar werden entsprechende Informationen ins Internet gestellt, sobald eine hochrangige Persönlichkeit irgendwo auftaucht.“

Ungläubig sah Jessica ihn an. „Heißt das, jeder, der gerade in der Nähe ist, kann loslaufen und dir die Hand schütteln?“

„So ungefähr“, antwortete er mit grimmiger Miene. „Ich habe den Verdacht, irgendein Nachrichtensender hat das veranlasst, vielleicht auch ein Zeitungsverlag.“

„Aber das grenzt ja an Stalking.“

„Klar, aber das ist der Preis, den wir dafür bezahlen, in einer freien Gesellschaft zu leben“, erklärte der König. „Es kommt jetzt sehr darauf an, wie wir uns verhalten, wie Kardahl aus eigener Erfahrung weiß.“

Sekundenlang sah Jessica Kardahl mitfühlend an, ehe sie sich wieder an seinen Vater wandte. „Irgendwie fühle ich mich für den heutigen Zwischenfall verantwortlich. Man hat Kardahl nur aufgespürt, weil er mich mit dem Abstecher in die Boutique überraschen wollte.“

„Ihr wart in Jasmine’s Boutique, nicht wahr, Kardahl?“, wollte seine Mutter wissen.

„Ja“, bestätigte er, während er den Arm hinter Jessica auf die Rücklehne des Sofas legte.

Seit er sie am Flughafen abgeholt hatte, ging eigentlich alles schief, wie er sich verärgert eingestand. Ihm war jedoch bewusst, dass Jessica über die Situation noch weniger erfreut war als er. Sie war in etwas hineingeraten, womit sie nichts zu tun haben wollte und worauf sie auch gar nicht vorbereitet war. Als die Paparazzi sich auf ihn gestürzt und er Jessicas fassungslose Miene bemerkt hatte, hätte er ihr diesen ganzen Rummel am liebsten erspart. Doch er hatte sie genauso wenig beschützen können wie damals Antonia.

„Diese Leute sind absolut skrupellos und rücksichtslos. Wie Raubtiere stürzen sie sich auf ihre Beute“, sagte er.

Seine Mutter schüttelte den Kopf und seufzte. „Der Umgang mit Reportern ist zuweilen recht schwierig.“

„Mit so etwas habe ich überhaupt nicht gerechnet. Ich fühlte mich überrumpelt“, erwiderte Jessica. „Mein aufregendstes Erlebnis bis dahin war, dass ich einmal beim Verlassen eines Geschäftes versehentlich Alarm ausgelöst habe.“

Der König lächelte nachsichtig. „Meine Liebe, wenn du dich entschließen kannst, hier in Bha’Khar und bei Kardahl zu bleiben, lernst du natürlich, wie du als Mitglied der königlichen Familie mit den Medien umgehen musst.“

„Kardahl kann es mir bestimmt nicht beibringen.“ In ihren Augen blitzte es humorvoll auf, als sie ihn ansah. „Es sei denn, er will mir zeigen, wie man nicht mit diesen Leuten umgehen sollte.“

Sein Vater lachte. „Du hast recht, mein Sohn wäre kein guter Lehrer.“ Dann wurde er wieder ernst. „Ich wünsche mir sehr, dass du noch einmal darüber nachdenkst, ob du die Ehe wirklich annullieren lassen willst.“

„Das ist sehr freundlich, doch …“

„Deine Großeltern sind gute Freunde von uns“, unterbrach er sie. „Sie würden sich sehr freuen, wenn unsere Familien durch eure Heirat noch enger verbunden wären.“

„Das kann ich verstehen“, antwortete sie. „Aber ich passe nicht in eine königliche Familie. Obwohl ich Kardahl schon vor meiner Geburt versprochen war, ist mein Leben aufgrund widriger Umstände nicht so verlaufen, dass ich für einen Prinzen die richtige Frau bin.“

„Du hättest genug Personal, das dir hilft, und meine Frau und ich würden dich …“

„Wir sollten das Thema beenden“, mischte sich Kardahl ein. Offenbar muss ich sie nicht vor den Paparazzi, sondern auch vor meinem Vater schützen, dachte er und stand auf. „Jessica hat sich klar genug ausgedrückt, und ich lasse nicht zu, dass du sie zu etwas drängst, was sie nicht will.“

„Kardahl, so solltest du nicht mit deinem Vater reden.“ Seine Mutter blickte ihn vorwurfsvoll an.

„Doch, denn Jessica ist meine Frau, wenn auch nur vorübergehend, und ich halte selbstverständlich zu ihr. Im Übrigen wollte ich ihr den Palast zeigen, und genau das mache ich jetzt.“

Überrascht sah Jessica ihn an. Doch ehe sie dazu kam, ihm zu widersprechen, reichte er ihr die Hand und fragte: „Kommst du?“

„Ja.“ Sie ließ sich von ihm hochziehen. Dann wandte sie sich lächelnd an seine Eltern. „Danke für das wunderbare Essen.“

„Das war doch selbstverständlich. Wir freuen uns darauf, dich morgen auf dem Empfang zu sehen“, erwiderte seine Mutter.

„Und auf dich freuen wir uns natürlich auch, mein Sohn“, fügte sein Vater ärgerlich hinzu.

„Wir werden da sein.“

Kardahl führte Jessica zu dem Aufzug, der sie ins Erdgeschoss bringen sollte. Dass sein Vater sich über ihn ärgerte, störte ihn nicht, daran hatte er sich gewöhnt. Früher war alles anders gewesen, da hatten er und sein Vater sich gut verstanden. Geändert hatte es sich erst, als seinem Vater die Tradition wichtiger gewesen war als das Glück seines Sohnes. Wenn Kardahl die Frau, die er geliebt hatte, hätte heiraten dürfen, würde sie vielleicht noch leben. Er ballte die Hände zu Fäusten. Heißer Zorn und ein Gefühl der Hilflosigkeit breiteten sich in ihm aus, was immer noch besser war als der bohrende Schmerz, der lange Zeit sein ständiger Begleiter gewesen war.

Jessica sah ihn besorgt an. „Ist alles in Ordnung?“

„Klar.“

„Hm, warum pocht dann der Puls an deinen Schläfen so verräterisch?“

„Okay.“ Er deutete ein Lächeln an. „Ich korrigiere mich: Es kommt schon wieder in Ordnung.“

„Danke, dass du mir geholfen hast, aber das war eigentlich nicht nötig. Ich habe mich von deinem Vater nicht gedrängt gefühlt, er meint es nur gut.“

„Er hat versucht, dir seinen Willen aufzuzwingen. Er will unter allen Umständen an alten Traditionen festhalten, alles andere ist für ihn unwichtig.“

Jessica verschränkte die Arme und begegnete Kardahls Blick. „Da ich nie in irgendwelchen Traditionen verwurzelt war und keine Verwandten hatte, die mir Lebensweisheiten vermitteln und mir Ratschläge erteilen konnten, bin ich vielleicht nicht in der Lage mitzureden. Dennoch meine ich, dass du dich glücklich schätzen kannst, Eltern zu haben, die zu dir halten und denen dein Wohlergehen am Herzen liegt.“

In dem Moment kam der Aufzug, und Kardahl ließ ihr den Vortritt. „Du hast recht.“

„Gut, dass dir bewusst ist, wie sehr deine Eltern dich lieben.“

„So habe ich es nicht gemeint. Du hast insofern recht, als dass du eigentlich nicht mitreden kannst.“

„Okay“, erwiderte sie lächelnd. „Kein Mensch ist fehlerlos, und wir lernen, die Fehler der Menschen, die uns nahestehen, zu übersehen. Ich habe jedoch das Gefühl, zwischen dir und deinem Vater geht unterschwellig irgendetwas vor. Etwas ist da ganz und gar nicht in Ordnung.“

„Das stimmt nicht“, behauptete er.

Aufmerksam betrachtete sie ihn. „Du warst wirklich zornig auf ihn, und das lag sicher nicht nur daran, dass er mich hinsichtlich der Annullierung unserer Ehe umstimmen möchte.“

„Gut, mein Vater und ich sind in vielerlei Hinsicht verschiedener Meinung.“

„Das habe ich mir gedacht. Trotzdem bin ich mir ganz sicher, dass deine Eltern dich lieben.“ Sie hob die Hand, als er sie unterbrechen wollte. „Lass mich ausreden. Wenn man sich so sehr nach Liebe und Zuneigung gesehnt hat wie ich, hat man ein besseres Gespür dafür. Spar dir also die Mühe, mir vorzuhalten, ich sei voreingenommen oder mein Blick sei getrübt.“

„Das hatte ich auch gar nicht vor.“ Sie waren im Erdgeschoss angekommen und verließen den Aufzug. Kardahl nahm ihre Hand und führte Jessica durch die riesige Eingangshalle mit dem Marmorfußboden.

Schließlich öffnete er eine der breiten Türen, und sie gingen hinaus ins Freie. In der warmen Luft hing ein betörender Duft nach Jasmin und anderen exotischen Blüten. Eine hohe Mauer umgab den weitläufigen Palastgarten, und Scheinwerfer strahlten die herrlichen Palmen, das üppige Grün und die wunderschönen Pflanzen an.

„Kardahl, ich bin total begeistert! Es ist unglaublich schön hier.“ Jessica sah sich bewundernd um.

„Ich habe mir gedacht, dass es dir gefällt. Hierhin ziehe ich mich zurück, wenn ich …“

„Wenn du dich beruhigen und nicht vor lauter Zorn aus der Haut fahren oder mit den Fäusten auf jemanden losgehen willst?“

„Ja, so ungefähr“, antwortete er und konnte sich nur mühsam das Lächeln verbeißen. Seine widerspenstige Frau faszinierte ihn immer mehr.

Man behauptete, Unglück forme den Charakter, und deshalb schloss er aus dem Wenigen, was sie ihm über ihr Leben erzählt hatte, dass sie genau wie er Charakterstärke entwickelt hatte. Allerdings hatte sie alle Details ausgelassen mit dem Hinweis, alles andere sei unwichtig. Er hatte jedoch den Schmerz in ihren Augen bemerkt und schloss daraus, dass das, was sie erlebt hatte, nicht so unwichtig war, wie sie tat.

„Es kommt mir vor wie ein kleines Paradies“, sagte sie geradezu ehrfürchtig. „Ich wünschte, ich könnte für immer hierbleiben.“

Schweigend beobachtete er sie, während sie die Schönheit der Umgebung auf sich wirken ließ. Jessicas eigene Schönheit schien diesem Platz noch mehr Würde und Frieden zu verleihen, wie Kardahl fand. Insgeheim verglich er sie mit einer Wüstenblume, die stark, anpassungsfähig und ungemein faszinierend war.

„Du kannst dich jederzeit hierhin zurückziehen.“ Er nahm ihre Hand und führte Jessica über den Weg, der zwischen den blühenden Pflanzen hindurchführte.

„Danke, aber ich bin ja nicht mehr lange hier“, erinnerte sie ihn.

„Dann solltest du die Zeit, die dir noch bleibt, nutzen.“

„Weißt du es eigentlich zu schätzen, dass du ein solches Leben führen kannst? Oder ist es für dich genauso selbstverständlich wie für deine Eltern?“

„Schwer zu sagen.“ Er zuckte die Schultern. Da er inzwischen den Bericht des Privatdetektivs, den sein Vater mit Nachforschungen beauftragt hatte, gelesen hatte, wusste er, dass ihre Mutter an Alkoholmissbrauch gestorben war. Deshalb nahm er Jessica die kritischen Fragen nicht übel. „Jedenfalls kann ich meinen Vater genauso wenig ändern, wie du das ändern kannst, was mit deiner Mutter passiert ist.“

Jessica entzog ihm die Hand und verschränkte die Arme wie schützend über der Brust. Lange ging sie schweigend neben ihm her. „Was weißt du über meine Mutter?“, fragte sie schließlich.

„Viel.“

„Woher?“

„Mein Vater hat Erkundigungen über dich eingezogen.“

„Dass meine Mutter weder mit meinem Vater noch mit einem anderen Mann verheiratet war, hat offenbar niemanden gestört, sonst würde es jetzt diese arrangierte Ehe nicht geben“, stellte sie fest, und in ihrer Stimme schwangen Ironie und Verbitterung. „Sie hat nie aufgehört zu hoffen, doch noch den Richtigen kennenzulernen, aber jedes Mal, wenn sie glaubte, ihn gefunden zu haben, wurde sie von Neuem enttäuscht. Und jedes Mal hat sie sich selbst noch mehr aufgegeben.“

„Das Leben muss für sie sehr schwierig gewesen sein.“

Jessica blickte ihn schmerzerfüllt an. „Wenn sie ansprechbar war, war sie meine beste Freundin“, erklärte sie, wie um ihre Mutter zu verteidigen. „Sie hat mir zugehört, und wir haben uns über alles Mögliche unterhalten. Ich vermisse sie immer noch.“

„Das kann ich gut verstehen.“

„Nein, das bezweifle ich. Du hast deine Eltern noch, euch geht es gut, und ihr könnt in diesem herrlichen Palast ein sorgenfreies Leben führen, was du gar nicht zu schätzen weißt.“ Plötzlich blieb sie stehen und wies auf das lachsfarben getünchte Gebäude mit dem roten Dach und den bunten Scheiben vor ihnen. „Was ist das?“

„Der Harem“, antwortete er.

„Ah ja.“ In ihren Augen erkannte er Neugier und Interesse. „Dort bringen also eure Männer ihre vielen Frauen unter.“

„Nein. Unter dem Palast befinden sich geheime Gemächer mit Gängen …“

„Ach, du machst dich über mich lustig“, unterbrach sie ihn lachend.

„Stimmt.“ Kardahl wollte die Tür zu dem Haus öffnen, sie war jedoch verschlossen. „Dieser Teil des Palastes wird nicht mehr benutzt, seit meine Urgroßmutter ihrem Mann ein Ultimatum gestellt und er sich ihren Wünschen gefügt hat.“

„Oh, das klingt nach einer romantischen Geschichte.“

„So genau weiß ich gar nicht, was sich zwischen den beiden abgespielt hat.“ Aber wenn es sie glücklich macht, lasse ich mir von meinen Eltern die Einzelheiten erzählen, fügte er insgeheim hinzu.

„Ich frage mich …“ Jessica verstummte und blickte durch eins der Fenster ins Innere des Gebäudes.

Kadahl stellte sich neben sie und lehnte sich mit der Schulter an die Wand. „Was wolltest du sagen?“

„Ich habe überlegt, wie es wäre, in einem Harem zu leben und immer nur darauf zu warten, dass man ausgewählt wird, dem Mann zu Diensten zu sein.“ Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um noch mehr sehen zu können.

„Es ging um mehr als nur um Sex“, entgegnete Kardahl, der bemerkte, dass sie errötete. „Früher war es einfach eine Notwendigkeit, so viele Nachkommen wie möglich in die Welt zu setzen, um die Nachfolge zu sichern, denn die Kindersterblichkeit war extrem hoch. Das hat sich dank des Fortschritts in Medizin und Forschung erübrigt.“

„Jetzt gehören alle Frauen, denen du rund um den Globus begegnest, deiner Meinung nach zu deinem Harem.“ Jessicas strenger Blick schien zu sagen, er solle ja nicht wagen, es abzustreiten.

Obwohl Kardahl in den Armen vieler Frauen Trost und Vergessen gesucht, aber beides nicht gefunden hatte, hielt er es für sinnlos, Jessica darüber aufzuklären, wie sehr sie sich täuschte und welchen Grund er dafür gehabt hatte. Ihre Meinung über ihn war ihm relativ gleichgültig.

Autor

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