Julia Herzensbrecher Band 11

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PALAST DER TAUSEND WÜNSCHE von LUCY GORDON

Eigentlich wollte die Journalistin Alexis ein Interview mit dem geheimnisvollen Ali Ben Saleem führen. Doch statt wie versprochen ihre Fragen zu beantworten, bringt der glutäugige Scheich sie in seinen luxuriösen Harem. Alexis schwankt zwischen Wut und Faszination. Sie spürt, dass es ihr schwerfallen wird, diesem unglaublich erotischen Mann zu widerstehen.

DER WÜSTENPRINZ von BRITTANY YOUNG

Wie in einem orientalischen Märchen fühlt sich Jenny, als sie neben Michael Hassan, dem König von Sumaru, in seinem Zelt erwacht. Noch immer spürt sie die zärtlichen Berührungen des Wüstenprinzen auf der Haut, seine heißen Küsse auf den Lippen. Doch jäh erwacht sie aus ihren sinnlichen Träumen! Der Scheich wird schon bald eine andere zur Frau nehmen …

TAUSENDUNDEINE WÜSTENNACHT von SUSAN STEPHENS

Erotische Verlockungen unter dem Sichelmond? Das gibt es nur im Märchen von 1001 Nacht, glaubt Casey - bis sie in A‘Qaban dem feurigen Scheich Rafik al Rafar begegnet. Er lädt sie in seinen Palast in einer Oase ein, dann küsst er sie glühend. Doch was geschieht, wenn Caseys Zeit in seinem Land zu Ende ist? Muss sie zurück - obwohl ihr Herz für immer bei Rafik bleiben wird?


  • Erscheinungstag 12.02.2021
  • Bandnummer 11
  • ISBN / Artikelnummer 9783751501422
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Lucy Gordon, Brittany Young, Susan Stephens

JULIA HERZENSBRECHER BAND 11

1. KAPITEL

Er war ein Herrscher wie aus dem Bilderbuch. Groß und dunkelhaarig, den Kopf stolz erhoben, zog Ali Ben Saleem, Scheich von Kamar, die Blicke aller auf sich, als er das Spielkasino betrat.

Und das nicht nur, weil er blendend aussah und von beeindruckender Größe war. Der Mann strahlte außerdem noch eine ungeheure Energie und Selbstsicherheit aus, als würde ihm stets alles gelingen, was er anpackte. Kein Wunder, dass ihn jetzt die Männer mit einem Anflug von Neid musterten, die Frauen hingegen voller Bewunderung.

Wie alle anderen verfolgte auch Alexis Callam gespannt den Auftritt des Scheichs. Allerdings interessierte sie sich rein beruflich für diesen Mann. Sie war freie Journalistin und bekannt für ihre brillanten Porträts von Persönlichkeiten des internationalen Wirtschaftslebens. Zeitungsverleger schätzten ihr Geschick im Umgang mit den Superreichen dieser Welt, zu denen Ali Ben Saleem zweifellos zählte.

„Sieh ihn dir nur an!“, sagte Joey Baines beinahe ehrfurchtsvoll, während sein Blick dem Scheich folgte, der, charmant nach allen Seiten lächelnd, auf einen der Spieltische zusteuerte. Joey war Privatdetektiv und wurde von Alexis manchmal als Assistent angeheuert. An diesem Abend diente er ihr zur Tarnung als Begleiter, denn sie war hier, um den Scheich beim Roulette zu beobachten.

„Zugegeben, er wird seinem Ruf gerecht“, antwortete sie leise. „Zumindest, was sein Aussehen betrifft.“

„Was erzählt man sich denn sonst noch über ihn?“

„Dass er sein eigenes Gesetz sei und niemandem Rechenschaft darüber schulde, woher sein Geld kommt und wohin es fließt.“

„Woher es kommt, wissen wir“, widersprach Joey. „Von den Ölfeldern, die in seinem Scheichtum offenbar üppig sprudeln.“

„Und er gibt es mit vollen Händen an Orten wie diesem hier aus.“ Missbilligend blickte Alexis sich im Kasino um.

„Das kann uns doch egal sein, Alexis. Lass uns diesen Abend unter den Reichen und Schönen einfach genießen. Wir sind schließlich aus gutem Grund hier.“

„Unsere Aufgabe ist es, einen Mann festzunageln, der ungern Fragen beantwortet“, beharrte Alexis. „Ich möchte herausfinden, was er zu verbergen hat.“

Joey fuhr sich mit dem Finger unter den steifen Hemdkragen. Für die männlichen Besucher des Kasinos gab es strenge Kleidervorschriften, und der stämmige kleine Mann fühlte sich im ungewohnten schwarzen Abendanzug etwas unbehaglich.

„Ich kann nicht glauben, dass du dich nur für die Arbeit so verführerisch zurechtgemacht hast“, sagte Joey und betrachtete seine Begleiterin mit gespielt lüsternem Blick von Kopf bis Fuß. Sie hatte die rotblonden Locken kunstvoll hochgesteckt und trug ein enges Goldlamékleid, das ihre perfekte Figur wirkungsvoll zur Geltung brachte.

„Benimm dich, Kleiner“, wies Alexis ihn scherzhaft zurecht. „Natürlich musste ich mich mit meinem Äußeren dem hier verkehrenden Publikum anpassen.“

Es war ihr gelungen, wenngleich das von einem Kostümverleih stammende Kleid für ihren Geschmack zu weit ausgeschnitten war und der bis zum Oberschenkel reichende Seitenschlitz etwas kürzer hätte sein können. Aber im Golden Chance, Londons exklusivstem Spielkasino, schien sie mit diesem teuer aussehenden Glitzerfummel genau richtig zu liegen.

Vermutlich sehe ich wie die ausgehaltene Geliebte eines reichen Mannes aus, dachte Alexis leicht schockiert, stellte aber erleichtert fest, dass die meisten weiblichen Gäste des Kasinos einen ähnlichen Eindruck erweckten.

Vor allem jene, die sich nun um den Scheich scharten, seine Aufmerksamkeit zu erhaschen versuchten und von ihm gönnerhaft mit einem Lächeln oder einem zugeworfenen Handkuss bedacht wurden.

„Arroganter Fatzke“, murmelte Alexis erbost. „Zum Glück sind solche Paschas am Aussterben.“

„Mir kommt er noch recht lebendig vor“, meinte Joey. „Männer wie er können sich alles erlauben.“

„Das klingt ja, als würdest du ihn beneiden.“

„Nicht nur ich. Sieh dich doch um, Alexis. Jeder Mann im Saal würde nur zu gern mit ihm tauschen – und jede Frau mit ihm schlafen.“

„Nicht jede!“, verbesserte Alexis ihn energisch. „Ich nicht!“

Mittlerweile hatte Ali Ben Saleem an einem Spieltisch Platz genommen. Unauffällig bewegte sich Alexis auf ihn zu. Sie hoffte, etwas mehr über ihn zu erfahren, wenn sie ihn eine Weile beim Spielen beobachtete.

Er setzte gleich zu Anfang eine schwindelnd hohe Summe, zuckte nur gleichmütig die Schultern, als er verlor, und setzte erneut einen hohen Betrag. Alexis fiel auf, dass er sich völlig auf das Spiel konzentrierte und die Frauen, mit denen er gerade noch heftig geflirtet hatte, nicht mehr beachtete.

Sobald jedoch die Kugel zum Stillstand kam, widmete er sich wieder charmant seinen Tischnachbarinnen. Weshalb ließen sie sich eine solche Behandlung gefallen?

„Ich würde ihm dafür ins Gesicht spucken!“, sagte Alexis empört zu ihrem Begleiter.

„Doch nicht einem Mann, dessen Vermögen Billionen Dollar beträgt“, gab Joey leise zur Antwort. „Du bist viel zu puritanisch, Alexis.“

„Das liegt an meiner Erziehung. Ich finde es geradezu unanständig, wenn ein einzelner Mensch alles im Überfluss hat.“

Ali Ben Saleem war ja nicht nur unvorstellbar reich, sondern von Geburt an in jeder Hinsicht vom Schicksal begünstigt worden. Sein verstorbener Vater, Scheich Saleem, hatte eine Engländerin geheiratet, und falls man der Regenbogenpresse glauben durfte, waren die beiden sehr glücklich miteinander gewesen. Ali war ihr einziges Kind.

Nach dem Tod des Vaters hatte er mit einundzwanzig Jahren die Regentschaft über das kleine Wüstenscheichtum Kamar übernommen. Als Erstes kündigte er die Vereinbarungen mit den internationalen Ölfirmen und handelte neue und für sein Land wesentlich günstigere Verträge aus. Zähneknirschend mussten sich die mächtigen Ölmultis fügen, da das Öl aus Kamar von einzigartiger Qualität war.

In den zehn Jahren seiner Herrschaft hatte Ali das ererbte Vermögen mehr als verzehnfacht und pflegte einen äußerst luxuriösen Lebensstil. Er war als Gesellschaftslöwe bekannt, besaß sowohl in London als auch in New York mehrere Häuser und Wohnungen und betrieb seine Geschäfte von diesen beiden Städten aus, zwischen denen er im eigenen Flugzeug hin- und herjettete.

Wenn er des Lebens im Westen überdrüssig war, zog er sich für einige Zeit in einen seiner prachtvollen Paläste in Kamar zurück. Man munkelte auch etwas von einem geheimen Ort in der Wüste, beim Wadi Sita, wo er sich allen möglichen Ausschweifungen hingeben solle. Der Scheich war über derartige Gerüchte erhaben und fand es nicht der Mühe wert, sie zu dementieren. Da es bisher noch keinem Journalisten gelungen war, in das westlichen Besuchern verschlossene Wadi Sita vorzudringen, kursierten darüber die wildesten Spekulationen.

„Weiß Howard, dass du heute Abend hier bist?“, fragte Joey seine Begleiterin.

„Du meine Güte, nein. Als ich ihm von meinen Recherchen über Ali Ben Saleem erzählte, wurde er ganz blass und sagte: ‚Sei um Himmels willen vorsichtig. Dieser Mann ist ein wertvoller Verbündeter des Westens und darf auf keinen Fall verärgert werden.‘“

„Klingt ziemlich feige!“, bemerkte Joey verächtlich.

„Howard ist kein Feigling, sondern ein geschäftstüchtiger Bankier“, verteidigte Alexis ihren Freund.

„Und diesen Kerl willst du heiraten?“

„Das habe ich nicht gesagt“, widersprach sie. „Vielleicht irgendwann einmal.“

„Das klingt ja ganz nach der großen Liebe“, spottete Joey.

„Sollten wir uns nicht besser darauf konzentrieren, wozu wir hier sind?“, fragte sie kühl.

„Ihre Einsätze bitte“, sagte in diesem Moment der Croupier.

Lässig schob der Scheich einen weiteren großen Haufen Chips über den Tisch. Dann sah er plötzlich auf und Alexis direkt in die Augen. Unwillkürlich hielt sie den Atem an.

Doch der Scheich lächelte, und es war ein so hinreißendes, liebenswürdiges und sogar ein wenig verschwörerisches Lächeln, dass Alexis es instinktiv erwiderte.

Er hat rein zufällig in deine Richtung gesehen, versuchte sie sich einzureden. Trotzdem wurde sie das Gefühl nicht los, dass er ihren Blick gespürt und nur deshalb den Kopf gehoben hatte.

Ohne sie aus den Augen zu lassen, streckte er ihr nun über den schmalen Tisch die Hand hin. Alexis fühlte sich von seinem Blick wie hypnotisiert und legte gehorsam ihre Hand in seine. Einen Moment lang spürte sie die stählerne Kraft der schlanken, gepflegten Finger. Dann zog er ihre Hand an die Lippen. Obwohl sein Mund ihre Haut nur streifte, spürte Alexis die starke, sinnliche Ausstrahlung dieses Mannes.

Rot zweiundzwanzig.

Erst als der Croupier ihm die Chips zuschob, schien Ali gewahr zu werden, dass er gewonnen hatte. Er lächelte Alexis strahlend an und wies mit einer kaum merklichen Kopfbewegung auf den von einer Blondine besetzten Stuhl neben ihm.

Zögernd ging Alexis um den Tisch herum. Sichtlich widerstrebend machte die andere Frau ihr Platz.

Träumte sie das alles nur? Alexis konnte ihr Glück kaum fassen. Sie war ins Kasino gekommen, um sich ein Bild von dem Scheich zu machen, und nun bot sich ihr unverhofft die Gelegenheit, ihn persönlich kennenzulernen.

„Sie haben mir Glück gebracht“, sagte er, als sie neben ihm Platz nahm. „Nun müssen Sie in meiner Nähe bleiben, damit es mich nicht wieder verlässt.“

„Sie sind doch nicht etwa abergläubisch?“, fragte sie lächelnd. „Ob Sie Glück haben oder nicht, hängt sicher nicht von mir ab.“

„Da bin ich anderer Meinung.“ Sein Ton duldete keinen Widerspruch. „Allerdings müssen Sie Ihre Zauberkraft ganz auf mich konzentrieren, sonst wirkt sie nicht.“

Eingebildeter Affe, dachte Alexis. Nur zu gern hätte sie seinem Ego einen Dämpfer versetzt, doch passte es ihr momentan besser ins Konzept, den Mann bei Laune zu halten.

„Ihre Einsätze bitte.“

Ali deutete auf den riesigen Haufen Chips, der vor ihm lag. Sie setzte alles auf Rot fünfzehn und hielt den Atem an, als die Scheibe sich zu drehen begann.

Rot fünfzehn.

Ein leises Raunen ging durch die Menge, die sich um den Tisch geschart hatte.

„Das kann doch nicht wahr sein!“, sagte Alexis irritiert.

Ali hingegen nickte zufrieden. „Glauben Sie mir jetzt?“

„Reiner Zufall. Sie sollten besser aufhören und das Schicksal nicht weiter herausfordern.“

Sein Lächeln verriet, dass dies für gewöhnliche Männer gelten mochte, nicht aber für einen Scheich. „Setzen Sie noch einmal alles für mich.“

Leicht benommen häufte Alexis die Chips aufeinander, ließ dann den Blick zweifelnd über die verschiedenen Felder gleiten und wandte sich ratlos an Ali: „Ich kann mich nicht entscheiden.“

„An welchem Tag im Monat sind Sie geboren?“

„Am Dreiundzwanzigsten.“

„Rot oder Schwarz? Wählen Sie.“

„Schwarz“, entschied sie kühn.

„Dann also Schwarz dreiundzwanzig.“

Mit gequälter Miene beobachtete Alexis, wie die Scheibe sich wieder zu drehen begann.

„Nicht hinsehen“, riet Ali. „Schauen Sie lieber mich an, und vertrauen Sie den Göttern.“

Die Kugel blieb auf Schwarz dreiundzwanzig liegen.

Alexis lief ein kalter Schauder über den Rücken. „Einfach unglaublich! Wie ist so etwas möglich?“

Als Ali ihren verblüfften Gesichtsausdruck sah, lächelte er amüsiert. „Vielleicht sind die Götter von Ihrer Schönheit ebenso bezaubert wie ich.“

Er neigte den Kopf und drückte ihr einen zarten Kuss auf die Handfläche. Die leichte Berührung verursachte ein Prickeln auf ihrer Haut, das sich über den ganzen Arm ausbreitete. Instinktiv wollte Alexis ihre Hand zurückziehen, besann sich dann aber noch rechtzeitig ihrer Rolle als Femme fatale und nahm die Huldigung mit einem, wie sie hoffte, gelassenen Lächeln entgegen.

Der Croupier schob ihnen mit seinem „Râteau“ genannten silbernen Rechen den Gewinn zu. „Für heute habe ich genug vom Spielen“, verkündete Ali. Galant bot er Alexis den Arm. „Würden Sie mir die Ehre erweisen, mit mir zu Abend zu essen?“

Sie zögerte. Ihre weibliche Intuition riet ihr davon ab, die Einladung eines Mannes anzunehmen, den sie gerade erst kennengelernt hatte. Aber als passionierte Journalistin konnte sie die einmalige Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen, endlich mehr über den geheimnisumwitterten Scheich von Kamar zu erfahren. Und was konnte ihr schon passieren, wenn sie mit ihm in ein Restaurant ging?

Aus den Augenwinkeln nahm sie Joey wahr, der sie mit offenem Mund anstarrte. Sie winkte ihm hoheitsvoll zu und rauschte an Ali Ben Saleems Arm aus dem Saal.

Draußen erwartete sie bereits der Chauffeur mit dem Rolls-Royce und hielt ihnen die Wagentür auf. Ali, ganz Kavalier, half Alexis beim Einsteigen, dann nahm er neben ihr Platz. Der Fahrer schien zu wissen, wohin es ging, und fuhr schweigend los.

Als der Wagen sich in Bewegung setzte, fasste Ali in die Taschen seines Smokingjacketts und holte eine schimmernde Perlenkette und ein funkelndes Diamanthalsband hervor. „Welches Schmuckstück wollen Sie?“, fragte er Alexis lächelnd.

„Ich verstehe nicht ganz?“

„Suchen Sie sich eines von beiden aus. Es gehört Ihnen.“

Alexis ließ sich ihre Verblüffung nicht anmerken. Falls er glaubte, sie mit solchen Gesten zu beeindrucken, hatte er sich getäuscht. „Ich nehme das Diamanthalsband.“

Gegen ihren Willen überlief Alexis ein Schauer, als er ihr das Halsband umlegte. Die Diamanten fühlten sich kalt auf der Haut an, doch umso erregender empfand Alexis die Berührung seiner warmen Finger. Sanft strich er ihr über die nackten Schultern. Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Hatte er sie tatsächlich auf den Nacken geküsst? Wie konnte er es wagen …!

„Sie sollten nur noch Diamanten tragen“, erklärte er und drehte sie an den Schultern zu sich um. „Keiner Frau stehen sie besser als Ihnen.“

„Sie scheinen aus großer Erfahrung zu sprechen“, bemerkte sie nicht ohne Ironie.

Er war darüber weder verärgert, noch zeigte er auch nur einen Hauch von Schuldbewusstsein, er lachte nur. „Aus einer größeren, als Sie sich vorstellen können“, versicherte er. „Aber heute Abend existiert für mich keine Frau außer Ihnen. Wie heißen Sie?“

„Mein Name …“ Unvermittelt kam ihr ein Gedanke. „Mein Name ist Diamond.“

Wieder lachte er. „Eine Frau mit Humor. Das gefällt mir. Belassen wir es also vorerst dabei.“

Er griff nach ihrer linken Hand und betrachtete sie. „Da Sie keinen Ring tragen, nehme ich an, dass Sie weder verheiratet noch verlobt sind. Oder sind Sie eine jener modernen Frauen, die es ablehnen, durch einen Ring zu zeigen, dass sie zu einem Mann gehören?“

„Ich gehöre nur mir selbst. Männer mit Besitzansprüchen haben bei mir keine Chance.“

„Dann wissen Sie nicht, was Liebe ist. Wer wirklich liebt, will alles geben, auch sich selbst.“

„Und wem gehören Sie?“, konterte Alexis schlagfertig.

Er lachte. „Das ist etwas anderes. Aber ich könnte Ihnen antworten, dass ich einer Million Menschen gehöre.“ So groß war die Bevölkerung Kamars. „Ich kann nicht völlig allein über mein Leben verfügen, ja nicht einmal über mein Herz. Erzählen Sie mir mehr über den kleinen Mann, der Sie begleitet hat. Ist er Ihr Liebhaber?“

„Würde das für Sie einen Unterschied machen?“

„Wohl kaum, da er nicht versucht hat, Sie vor mir zu beschützen. Ein Mann, der seine Frau nicht halten kann, zählt für mich nicht.“

„Finden Sie, ich müsste vor Ihnen beschützt werden?“ Alexis’ Augen funkelten mutwillig.

„Vielleicht stellt sich heraus, dass wir beide voreinander beschützt werden müssen“, meinte er nachdenklich und zog ihre Hand an die Lippen.

„Wer weiß?“ Sie bemühte sich, ihrer Rolle als Vamp gerecht zu werden. „Die Freude kommt beim Entdecken.“

„Und Sie sind wie geschaffen für die Freuden dieser Welt.“

Alexis musste sich eingestehen, dass seine Worte nicht ohne Wirkung auf sie blieben. Normalerweise bewunderten Männer sie wegen ihrer Intelligenz. Howard bewunderte natürlich auch ihr Aussehen, doch mindestens ebenso schätzte er ihren gesunden Menschenverstand. Auf Letzteren hatte sie sich bisher immer verlassen, doch nun weckte dieser Mann Empfindungen in ihr, die wenig mit Vernunft zu tun hatten.

Da sie nicht antwortete, fügte er nach kurzem Schweigen hinzu: „Versuchen Sie nicht so zu tun, als wüssten Sie nicht, wovon ich spreche.“

„Die Freuden dieser Welt sind zahlreich“, sagte sie ausweichend.

„Diejenigen, die ich meine, können nur Frau und Mann einander schenken – in der Glut der Leidenschaft.“

„Ist es nicht ein wenig zu früh, an so etwas zu denken?“

„Wir haben beide daran gedacht, als unsere Blicke sich heute Abend zum ersten Mal trafen. Wollen Sie das etwa abstreiten?“

Alexis konnte es nicht. Sosehr sie das, was er sagte, auch schockierte, es war leider wahr. Verzweifelt erwog sie, an der nächsten Ampel aus dem Wagen zu springen und davonzulaufen, doch Ali hielt noch immer ihre Hand fest, und sein scheinbar lockerer Griff verhieß geballte Kraft.

Zart berührte er mit der freien Hand ihre Wange, und ehe Alexis wusste, wie ihr geschah, küsste er sie auf den Mund. Es war ein unendlich sanfter Kuss, dem weitere auf Kinn, Augen und Wangen folgten. Seine Küsse waren so leicht und zart, dass Alexis sie kaum spürte, aber sie versetzten jeden ihrer Nerven in prickelnde Erregung.

Gegen Gewalt hätte sie sich wehren können, doch Scheich Ali war ein Meister der Verführung und lähmte mit seinen raffinierten Liebkosungen ihre Widerstandskraft.

Hilflos hielt Alexis still. Weder erwiderte sie seine Küsse, noch wehrte sie sich dagegen. Er hob den Kopf und sah ihr forschend ins Gesicht. Es war zu dunkel im Wagen, als dass Ali hätte erkennen können, was er zu sehen wünschte. Alexis wiederum entging der leichte Ausdruck von Unsicherheit in seinen Augen.

Der Fahrer hielt in einer ruhigen Seitenstraße. Zögernd gab Ali sie frei, und Alexis atmete erleichtert auf. Doch schon im nächsten Augenblick ärgerte sie sich über ihre Naivität. Wie hatte sie nur glauben können, der Scheich würde mit ihr in einem Restaurant essen?

Sie unterdrückte den Impuls, ihr Heil in der Flucht zu suchen. Schließlich war sie als Journalistin gefährliche Situationen gewohnt. Wieso gefährlich? Du meine Güte, was sollte ihr in der hell erleuchteten Villa, vor der sie jetzt standen, schon passieren?

Das Eingangsportal wurde von innen geöffnet, und ein großer Araber in traditioneller Kleidung erschien im Türrahmen. Schweigend verbeugte er sich und trat zur Seite.

„Willkommen in meinem bescheidenen Heim“, sagte Scheich Ali Ben Saleem zu seiner Begleiterin.

2. KAPITEL

Verwirrt blickte Alexis sich um. Sie stand in einer weitläufigen Eingangshalle mit einer breit geschwungenen Marmortreppe. Fußboden und Wände waren mit orientalischen Mosaiken verziert und boten einen prachtvollen, wenngleich etwas fremdartigen Anblick.

Zu beiden Seiten der Halle befanden sich mehrere kunstvoll geschnitzte Türen. Eine wurde nun von einem Mann in westlicher Kleidung geöffnet. Ohne Alexis eines Blickes zu würdigen, ging er auf Ali zu und sprach ihn auf Arabisch an. Während die beiden Männer sich unterhielten, spähte Alexis durch die offene Tür in ein mit modernster Kommunikationstechnik ausgestattetes Büro. War das eine von Scheich Alis Kommandozentralen, von denen aus er seine Millionengeschäfte abwickelte?

Er bemerkte ihren neugierigen Blick und sagte etwas in scharfem Ton zu dem Mann, der sich daraufhin schnell in das Büro zurückzog und die Tür hinter sich schloss.

Ali legte Alexis einen Arm um die Schultern und zog sie weiter. „Hier sind nur die Büros“, sagte er. „Triste Räume, in denen ich meine langweiligen Geschäfte erledige, die Sie sicher nicht interessieren werden.“

Sein gönnerhafter Ton ärgerte sie. „Wer weiß? Vielleicht doch.“

Er lachte. „Eine schöne Frau wie Sie sollte sich nicht mit so öden Dingen befassen.“

Alexis lag eine boshafte Bemerkung auf der Zunge, aber sie beherrschte sich und schwieg.

Ali öffnete eine breite Flügeltür und führte Alexis in einen luxuriös eingerichteten Raum mit einer breiten Fensterfront. Davor stand ein für zwei Personen exquisit gedeckter Tisch. Das Geschirr bestand aus erlesenem Porzellan, und die funkelnden Kristallgläser waren sicher ebenso unbezahlbar wie das fein ziselierte Silberbesteck und die kunstvoll verzierten Kerzenleuchter.

„Wunderschön“, sagte sie beeindruckt.

„Für Sie ist nur das Beste gut genug.“

Für mich oder jede andere Frau, die du heute Abend abzuschleppen gedachtest, überlegte sie bissig und war entschlossen, von jetzt ab ihre Sinne beisammenzuhalten. „Sie sind sehr freundlich.“

Er führte sie zu dem Tisch und rückte ihr in bescheidener Dienerpose einen Stuhl zurecht. Das ist wohl schon Teil seiner Verführungsstrategie, vermutete Alexis amüsiert. Ihr journalistischer Spürsinn war geweckt. Natürlich würde sie zum Schein auf das Spiel eingehen. Bot es ihr doch die einmalige Gelegenheit, diesen geheimnisumwitterten Mann aus nächster Nähe zu beobachten.

Abgesehen davon machte ihr der Flirt mit ihm durchaus Spaß. Schon deshalb, weil Ali einfach der attraktivste Mann war, den sie je kennengelernt hatte.

Im Kasino hatte sie ihn hauptsächlich am Spieltisch sitzend erlebt. Jetzt aber konnte sie ihn in seiner vollen Größe bewundern, sah die langen Beine, schlanken Hüften und breiten Schultern. Obwohl er überdurchschnittlich groß war, bewegte er sich geschmeidig wie ein Panther.

Sein männlich schönes Gesicht ließ sowohl arabische wie europäische Einflüsse erkennen. Es wirkte auf den ersten Blick eher europäisch, doch die dunklen Augen, die vollen Lippen und den herrischen Zug um den Mund hatte er sicher von seinem Vater geerbt, einem von seinen Untertanen nicht nur geliebten, sondern auch gefürchteten Herrscher.

„Wenn Sie nichts dagegen haben, übernehme ich das Servieren“, sagte er nun und verbeugte sich leicht.

„Ich fühle mich sehr geehrt, von einem Scheich bedient zu werden“, antwortete Alexis artig.

Sie sah ihn lächeln. Vermutlich hielt er sein Spiel bereits für gewonnen und glaubte, sie würde auf diese Masche hereinfallen – wie alle anderen Frauen vor ihr. Aber in dieser Hinsicht stand ihm eine herbe Enttäuschung bevor.

Er rollte einen Servierwagen mit Warmhalteplatte an den Tisch und schöpfte aus einer Terrine eine hellgelbe Flüssigkeit in eine Suppentasse. Sie war dickflüssig wie Porridge, mit Reis vermischt und verströmte einen köstlichen Duft.

„Das ist Kürbissuppe“, erklärte Ali. „Sie zählt zu meinen Lieblingsgerichten. Deshalb hält mein Koch immer einen Topf voll bereit.“ Er füllte eine zweite Tasse für sich und setzte sich dann gegenüber von Alexis an den kleinen, runden Tisch. „Haben Sie schon einmal arabisches Essen probiert?“

„Oh ja. Gleich bei mir um die Ecke befindet sich ein Restaurant, in dem es sehr leckere Hähnchen mit Datteln und Honig gibt. Leider sind die Wandmalereien dort unerträglich kitschig. Überall Wüste und dazwischen neonbeleuchtete Oasen.“

„Ich weiß, was Sie meinen!“ Er seufzte. „Man vermittelt klischeehafte Vorstellungen von der Wüste, ohne sie wirklich zu kennen.“

„Und wie ist sie wirklich?“, fragte Alexis begierig. „Erzählen Sie mir von der Wüste.“

„Das ist schwierig, denn sie verwandelt sich je nach Tageszeit.“

Ali machte eine kleine Pause und fuhr dann fort: „Was jedoch immer bleibt, ist diese völlige Stille, die man nicht beschreiben kann. Wer nie nachts in der Wüste beobachtet hat, wie die Sterne langsam am Himmel entlang wandern, der hat nie hautnah gespürt, wie die Erde sich langsam um ihre Achse dreht.“

„Ja“, flüsterte Alexis. „Genau so habe ich es mir vorgestellt.“

Ihr war nicht bewusst, dass ihre Augen einen träumerischen Ausdruck angenommen hatten, der Ali nicht entgangen war. „Sie haben es sich so vorgestellt?“, fragte er interessiert.

„Als Kind habe ich immer von fernen Ländern geträumt“, bekannte sie. „Es war damals für mich fast lebensnotwendig.“

„Wieso das? Erzählen Sie mir von Ihrer Kindheit“, bat er.

„Es klingt sonderbar, aber irgendwie verbinde ich diese Zeit vor allem mit Regen. Natürlich kann es nicht ständig gegossen haben, aber in meiner Erinnerung sehe ich immer nur einen grauen Himmel und Leute im Matsch.“

„Wurden Sie schlecht behandelt?“

„Nein, es wäre unfair, so etwas zu behaupten. Ich habe meine Eltern früh verloren und bin bei entfernten Verwandten aufgewachsen. Onkel Dan und seine Frau waren schon alt und hatten keine Erfahrung mit Kindern. Sie taten ihr Bestes und ermöglichten mir eine gute Schulbildung, aber das Leben mit ihnen war sehr eintönig.“ Alexis lächelte etwas verlegen. „Um den tristen Alltag zu vergessen, habe ich viel gelesen. Meine absolute Lieblingslektüre waren die Märchen aus Tausendundeiner Nacht, was Sie sicher amüsieren wird.“

„Keineswegs! Als Junge habe ich diese spannenden Geschichten von bösen Zauberern und guten Feen, Prinzen und Prinzessinnen ebenfalls verschlungen.“

„Schon der Anfang war aufregend“, erinnerte sich Alexis. „Ein Sultan, der von seiner Gemahlin betrogen worden war und nun aus Rache am weiblichen Geschlecht jede Nacht eine neue Frau nahm und sie am nächsten Morgen töten ließ.“

„Bis er schließlich an Scheherazade geriet, die ihn mit ihren Geschichten dazu brachte, die Hinrichtung immer wieder einen Tag aufzuschieben“, ergänzte Ali. „Im Gegensatz zu Ihnen habe ich das Buch in einem Zelt gelesen. Ich musste vor der sengenden Sonne Schutz suchen, während Sie Ärmste sich nach ihr gesehnt haben.“

Alexis nickte. „Ja, mir kam das Leben damals recht trostlos vor. Ständig regnete es, im Haus war es eiskalt, das Taschengeld war knapp bemessen, weil – ich zitiere – ‚Sparsamkeit noch keinem geschadet hat‘ …“ Es klang, als wollte sie sich beklagen, und jäh verstummte Alexis.

Onkel Dan und Tante Jean hatten es nur gut gemeint und sie gelehrt, den Wert des Geldes nicht zu überschätzen. Die beiden hatten aber auch ihre mathematische Begabung erkannt und sie zum Studium der Wirtschaftswissenschaften ermuntert. Sich nur mit Ökonomie zu beschäftigen war ihr zu trocken gewesen, deshalb hatte sie sich nach Abschluss des Studiums als Journalistin versucht. Sie genoss den Kitzel, den ihr Recherchen über die dunklen Geschäfte von Persönlichkeiten des internationalen Wirtschaftslebens verschafften. Ali Ben Saleem würde sie davon natürlich nichts erzählen.

Und ebenso wenig würde sie ihm eine Predigt über Geld und Moral halten, wie ihr Onkel es manchmal bei ihr getan hatte.

Ihr Onkel und ihre Tante waren nun schon einige Jahre tot, und obwohl Alexis früher gegen die strenge Erziehung rebelliert hatte, war sie doch davon geprägt. So schwärmte sie zwar für schöne Kleider, spendete aber jedes Mal Geld für einen guten Zweck, wenn sie sich etwas zum Anziehen kaufte. Deshalb war es nicht verwunderlich, dass ihr Scheich Alis verschwenderischer Lebensstil missfiel.

„Um noch einmal auf diese stereotypen Lokale zurückzukommen“, sagte Ali. „Ebenso verhasst wie kitschige arabische Restaurants sind mir diese auf alt getrimmten englischen Wirtshäuser, die ‚Zum alten Mühlenrad‘ oder ähnlich heißen und wo die Kellner mittelalterliche Tracht tragen und den Gast fragen: ‚Meister, was ist Euer Begehr?‘“ Er hatte den Akzent so treffend nachgeahmt, dass Alexis sich vor Lachen ausschüttete.

„Wir leiden also beide unter den Klischeevorstellungen, die man über Ihr Land und meines verbreitet“, meinte sie.

„Aber ich betrachte England ebenfalls als mein Land, da ich eine englische Mutter habe. Außerdem habe ich in Oxford studiert und war auf der Militärakademie in Sandhurst.“

Beinahe hätte Alexis sich verraten und geantwortet, dass ihr das bekannt sei. Damit hätte sie jedoch alles verdorben.

„Was darf ich Ihnen geben?“, fragte Ali, nachdem sie die Suppe gegessen hatten. „Hähnchen mit Datteln und Honig kann ich Ihnen leider nicht anbieten, doch werde ich es bei unserem nächsten gemeinsamen Dinner auf die Speisekarte setzen lassen. Heute müssen Sie sich mit dieser bescheidenen Auswahl begnügen.“

Die „bescheidene Auswahl“ erstreckte sich über Tisch und Servierwagen, und Alexis wusste nicht, womit sie anfangen sollte. Sie entschied sich für ein Gericht mit langen grünen Bohnen.

„Sie sind sehr scharf“, warnte Ali sie.

„Je schärfer, desto besser“, sagte sie kühn, bereute ihre Wahl aber schon nach dem ersten Bissen. Die Bohnen waren mit Knoblauch, Zwiebeln und Tomaten vermischt und mit Cayennepfeffer gewürzt. „Es schmeckt … köstlich!“

Ali lachte. „Obwohl Ihnen der Rauch aus den Ohren kommt? Sie müssen es nicht essen, wenn es Ihnen zu scharf ist.“

„Nein, es schmeckt sehr gut“, widersprach sie tapfer, aß aber die Tomatenscheibe, die er ihr auf den Teller gelegt hatte, und war froh, als der scharfe Geschmack aus ihrem Mund verschwand.

„Versuchen Sie es lieber damit“, schlug Ali vor. Es handelte sich um Dorschlebersalat, der mild gewürzt war und ganz ausgezeichnet schmeckte. Alexis begann sich zu entspannen. Die Versuchung war groß, sich einfach dem Zauber dieses Abends zu überlassen.

Und dann passierte es. Als Alexis aufsah, strahlte ihr aus Alis Augen eine unerwartete Wärme und Herzlichkeit entgegen. Auch sein Lächeln war weder zynisch noch verführerisch, sondern offen und vergnügt, als würde ihm dieses gemeinsame Essen großen Spaß machen. Konnte es sein, dass er in Wirklichkeit ein großherziger, humorvoller und liebenswerter Mann war?

Ihr wurde auf einmal sonderbar heiß. Du meine Güte, was war plötzlich mit ihr los? „Sie haben ein sehr schönes Zuhause“, sagte sie, sich umblickend, um sich aus dem Bann dieser dunklen Augen zu lösen.

„Ja, es ist ganz hübsch“, gab er ihr recht. „Aber ich würde es nicht unbedingt als mein Zuhause bezeichnen. Ich besitze viele solcher Domizile, verbringe jedoch überall zu wenig Zeit, um …“ Er zuckte die Schultern.

„Sie meinen, Sie fühlen sich nirgendwo zu Hause?“

Er lächelte fast ein wenig verschämt. „Wahrscheinlich höre ich mich wie ein kleiner Junge an, aber ein heimisches Gefühl habe ich nur dort, wo meine Mutter ist. Sie ist warmherzig und gütig, heiter und gelassen. Bestimmt würden auch Sie sie mögen.“

„Dessen bin ich sicher. Sie scheint eine großartige Frau zu sein. Lebt sie das ganze Jahr über in Kamar?“

„Meistens. Manchmal geht sie ein wenig auf Reisen, aber sie fliegt nicht gern. Und“, er wirkte auf einmal leicht schuldbewusst, „sie schätzt manche meiner Vergnügungen nicht besonders.“

Alexis lachte. „Etwa Ihre Besuche im Spielkasino?“

„Unter anderem. Sie meint, ein Mann sollte mit seiner Zeit Besseres anzufangen wissen.“

„Da hat sie recht“, bestätigte Alexis.

„Aber wäre ich heute nicht ins Kasino gegangen, hätte ich Sie nicht kennengelernt.“

„Wollen Sie mir etwa weismachen, das sei Schicksal gewesen?“

„Wieso dieser plötzliche Zynismus?“, protestierte er. „Hat Ihre Vorliebe für arabische Märchen Sie nicht gelehrt, an Wunder zu glauben?“

„Ich würde eher sagen, dass ich auf Wunder gehofft habe“, erwiderte Alexis nachdenklich. „Wenn mir das Leben besonders eintönig erschien, träumte ich davon, dass ein fliegender Teppich durch das Fenster kommen und mich davontragen würde in das Land, in dem dienstbare Geister Flaschen entstiegen und Zauberer mittels einer farbigen Rauchwolke andere mit einem Fluch belegten.“

„Und der Märchenprinz?“, neckte er sie.

„Er entstieg natürlich auch einer Rauchwolke und verschwand leider auch wieder in ihr, wenn ich aus meinen Träumereien erwachte.“

„Hoffen Sie nicht immer noch heimlich auf den fliegenden Teppich?“, fragte Ali sanft.

Sie errötete leicht. Es war irritierend, dass er ihre geheimsten Gedanken erriet.

„Glauben Sie mir, eines Tages wird der Teppich kommen“, prophezeite er.

Sie schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht an Wunder.“

„Was verstehen Sie darunter? War es nicht ein Wunder, dass wir uns heute Abend getroffen haben? Von dem Moment an, da ich in Ihre Augen geblickt habe, war meine Pechsträhne zu Ende.“ Er lächelte ironisch. „Wissen Sie, wie viel ich dank Ihrer Zauberkraft gewonnen habe? Hunderttausend Pfund.“

Er zog aus der Innentasche seines Smokingjacketts ein Scheckbuch und begann ruhig, einen Scheck über diesen Betrag auszuschreiben.

Alexis stockte der Atem. „Was machen Sie da?“

„Ich gebe Ihnen nur, was Ihnen rechtmäßig zusteht. Sie haben das Geld gewonnen. Machen Sie damit, was Sie wollen.“

Er unterschrieb den Scheck und fragte dann schalkhaft lächelnd: „Auf wen soll ich ihn ausstellen? Nun müssen Sie mir doch verraten, wie Sie heißen.“

Sie blickte ihn über den Rand ihres Glases hinweg an, und ihre Augen funkelten vergnügt. „Ich denke nicht, dass ich es tun werde.“

„Aber ohne einen Empfänger darauf zu schreiben, kann ich Ihnen den Scheck nicht geben.“

„Dann behalten sie ihn“, erwiderte sie gelassen. „Ich habe Sie nicht darum gebeten.“

In seinen Augen war Bewunderung zu lesen. „Sie spielen mit hohem Einsatz.“

„Aber ich spiele ja gar nicht.“ Sie lachte. „Ich brauche Ihr Geld nicht. Bis jetzt bin ich auch so gut zurechtgekommen.“

Er warf einen spöttischen Blick auf das Diamanthalsband, das sie noch immer trug. Ohne zu zögern, nahm Alexis es ab und legte es auf den Tisch. „Damit keine Missverständnisse entstehen“, sagte sie, „ich will nichts von Ihnen. Absolut nichts.“

Zwar stimmte das nicht, aber wenn sie jetzt die Katze aus dem Sack ließe, konnte sie das erhoffte Interview für immer abschreiben.

Sekundenlang lieferten sie sich mit Blicken ein schweigendes Duell. Offenbar bezweifelte Ali, dass es ihr ernst war mit dem, was sie sagte. Schließlich zuckte er jedoch gleichmütig die Schultern und legte den Scheck vor ihr auf den Tisch. Dann stand er auf und wollte ihr das Halsband wieder umlegen, doch Alexis hielt ihn zurück.

„Behalten Sie es. Mir reicht der Scheck. Ich möchte nicht unbescheiden erscheinen.“

Schweigend setzte Ali sich wieder an den Tisch und zog ihre Hand an die Lippen. Obwohl er lächelte, lag in seinen Augen ein Ausdruck von Wachsamkeit.

„Nicht viele Frauen können behaupten, mich überlistet zu haben“, gestand er. „Sie scheinen gern um hohe Einsätze zu spielen. Das gefällt mir, und es fordert mich heraus. Ebenso wie Ihr Lächeln.“

„Finden Sie nicht auch, dass ein Lächeln viel beredter sein kann als Worte?“, fragte sie unschuldig.

„Was nicht ausgesprochen wird, kann man später auch leichter abstreiten. Ist das Ihre Strategie, Diamond? Dient Ihnen Ihr Lächeln als Schutz, um nicht etwas zu sagen, was Sie später bereuen würden?“

Der Mann hat einen viel zu scharfen Blick, dachte sie beunruhigt. Um seine Aufmerksamkeit abzulenken, nahm sie den Scheck und steckte ihn in ihre Handtasche. „Vorsicht hat noch nie geschadet.“

„Wie wahr! Ich wusste, dass sich hinter Ihrem unschuldigen Lächeln ein scharfer Verstand verbirgt.“

„Trauen Sie mir etwa nicht?“

„Nicht im Geringsten. Und ich habe das unbestimmte Gefühl, dass Sie mir ebenso wenig trauen.“

„Aber ich bitte Sie, Sir!“ Alexis war die Unschuld in Person. „Niemals würde ich es wagen, Ihre Integrität anzuzweifeln, Ihre Redlichkeit, Moral, Tugendhaftigkeit …“

Er brach in schallendes Gelächter aus, und seine Augen funkelten belustigt. Wieder küsste er ihr die Hand, diesmal jedoch nicht verführerisch, sondern eher triumphierend.

„Welcher Mann könnte Ihnen schon widerstehen?“ Er seufzte theatralisch. „Ich sicher nicht. Aber bitte, nennen Sie mich nicht ‚Sir‘. Mein Name ist Ali.“

„Und meiner ist – Diamond.“

„Allmählich frage ich mich, ob Scheherazade nicht noch besser zu Ihnen passt. Jedenfalls sind Sie klüger als jede andere Frau.“

„Und auch als so mancher Mann“, erwiderte sie schlagfertig und konnte nicht widerstehen hinzuzufügen: „Warten Sie es nur ab.“

Er nickte. „Abzuwarten ist Teil des Vergnügens. Wird sie Ja sagen oder doch Nein? Und falls Nein, verrät ihre Stimme etwa ein heimliches Ja?“

„Erzählen Sie mir nicht, dass auch nur eine Frau Sie jemals zurückgewiesen hat.“

Er zuckte die Schultern. „Ein Mann kann alle Frauen der Welt haben, aber vielleicht die eine nicht, die er will. Was bedeuten ihm dann schon die anderen?“

Alexis ging ihm nicht auf den Leim. Mochten seine Worte auch bescheiden klingen, sein Ton war arrogant und verriet, dass Ali durchaus der Meinung war, keine Frau könne ihm widerstehen. Er hielt es nur für höflich, das Gegenteil zu behaupten.

„Ich finde, er sollte sich nicht beklagen“, sagte sie trocken. „Was ist schon eine im Vergleich zu so vielen?“

„Sie sprechen wie eine Frau, der noch kein Mann das Herz gebrochen hat.“

„Da haben Sie allerdings recht.“

„Dann haben Sie noch nie geliebt, und es fällt mir schwer, das zu glauben. Sie sind wie geschaffen für die Liebe. Das wusste ich sofort, als sich unsere Blicke im Kasino zum ersten Mal begegneten.“

„In dem Moment haben Sie nicht an Liebe gedacht, sondern an Geld“, spottete sie.

„Nein, ich habe sofort den Zauber gespürt, der von Ihnen ausging. Er hat meine Pechsträhne beendet.“

„Also bitte! Das sind doch nur schöne Worte! Es war reiner Zufall!“

„Für mich ist es kein Zufall, dass wir uns heute Abend begegnet sind“, sagte er ernst. „Ich glaube an so etwas wie Schicksal. Es hat uns zusammengeführt.“

Noch während er sprach, stand er auf und zog Alexis vom Stuhl hoch in seine Arme. Sie hatte geglaubt, auf diesen Augenblick vorbereitet zu sein, aber ihre wohlüberlegten Pläne waren plötzlich vergessen.

Unwillkürlich verglich sie ihn mit Howard, ihrem derzeitigen Freund. Howard war Bankier, und er küsste wie einer. Vorsichtig, als würde er Gewinn und Verlust gegeneinander abwägen. Komisch, dass ihr dieser Gedanke noch nie zuvor gekommen war!

Als Ali nun verführerisch die Lippen über ihre gleiten ließ, war der andere Mann vergessen. Alexis versuchte sich einzureden, dass es ihr nur um die Reportage gehe, doch sie wusste, dass sie sich etwas vormachte. Sie erlebte gerade etwas, wovon wohl jede Frau träumte.

Seine Lippen waren warm und fest und betörend sanft, als er sie über ihre Augen und Brauen gleiten ließ, dann ihre Mundwinkel liebkoste, schließlich die empfindliche Stelle hinter ihrem Ohr fand und ihren Nacken küsste. Die federleichte Berührung ließ sie erbeben, und sie stöhnte lustvoll auf.

Er hob den Kopf und sah sie mit einem durchdringenden Blick an. „Spielst du immer noch mit mir?“

„Natürlich. Ein Spiel, das du nicht verstehst.“

„Und wann werde ich es verstehen?“

„Wenn ich gewonnen habe.“

„Verrate mir dein Geheimnis“, befahl er.

Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. „Du kennst es so gut wie ich.“

„Willst du mich mit diesem Katz-und-Maus-Spiel zur Verzweiflung treiben?“, fragte er rau und suchte mit den Lippen erneut ihren Mund.

Er zog sie zu einer wenige Schritte entfernten Couch und drückte sie sanft auf die Polster. Wieder küsste er sie und begann gleichzeitig, mit den Händen ihren Körper zu erforschen. Alexis fühlte sich wie berauscht von seinen streichelnden Fingern, die behutsam über ihren Körper glitten, als wäre er etwas unendlich Kostbares.

Fieberhaft suchten ihre Lippen Alis. Sie wollte nicht mehr empfangen, sondern erobern und ihr Verlangen stillen. Und Ali schien es zu genießen, brachte sie dazu, ihre Hemmungen abzuschütteln und ihre Fantasien auszuleben. Sie glaubte, auf ihrer Haut den heißen Wüstenwind zu spüren und die glutrote Sonne, die im Sand versank. Er trug diese Bilder in sich, und keine Frau konnte in seinen Armen liegen, ohne sich dessen bewusst zu sein.

Nach all den kalten und grauen Jahren war nun jemand gekommen, der ihr in die Seele geblickt und ihre schlummernden Wünsche und Sehnsüchte erkannt hatte.

Sie seufzte laut auf, fühlte sich verstanden und hatte gleichzeitig Angst. Dieser Mann war gefährlich, weil er sie mit seinen Küssen völlig willenlos machte. Was würde er tun, wenn er sein Ziel erreicht hatte? Sie wollte keine Frau für eine Nacht sein. Das ließ ihr Stolz nicht zu.

Ein leises, aber beharrliches Klingeln rettete sie. Mit einem unterdrückten Fluch löste Ali sich von ihr und griff nach dem auf einem kleinen Tisch neben der Couch stehenden Telefon. Er meldete sich verärgert, änderte dann jedoch seinen Ton.

Offenbar handelte es sich um etwas Wichtiges, da er seufzend aufstand. „Bitte entschuldige mich kurz“, sagte er höflich, „aber es geht um eine dringende geschäftliche Angelegenheit.“ Er wies auf den Tisch. „Schenk dir inzwischen Wein nach. Ich werde, so bald ich kann, zurück sein.“

Eilig verließ er das Zimmer.

Noch leicht benommen, richtete Alexis sich auf. Es dauerte einige Zeit, ehe ihre Erregung langsam abflaute und sie begriff, was geschehen war. Auf dem Höhepunkt der intensivsten sinnlichen Erfahrung, die sie je erlebt hatte, hatte Ali sich wegen irgendwelcher Geschäfte von einem Moment zum anderen von ihr zurückgezogen.

Und es schien für ihn selbstverständlich zu sein, dass sie sich nicht von der Stelle bewegte, sondern brav auf ihn wartete. Rasender Zorn packte sie. Immerhin weiß ich jetzt mehr über den berühmten Ali Ben Saleem, dachte sie wütend. Beispielsweise, welche Prioritäten er setzt. Die Ölquellen an erster Stelle, Frauen an letzter.

„Wofür hält er mich eigentlich?“, murmelte sie. Für ein Spielzeug, das ihm jederzeit zur Verfügung stand, wenn ihm der Sinn danach war? Höchste Zeit, dass eine Frau diesem Macho eine Lektion erteilte.

Entschlossen stand sie auf und sah sich suchend nach ihren Sandaletten um. Sie konnte sich nicht mehr erinnern, wann und wo sie sie ausgezogen hatte. Ein Beweis mehr für die raffinierten Verführungskünste dieses Mannes. Während sie in ihre hochhackigen Sandaletten schlüpfte, bewegte Alexis nur noch ein Gedanke: nichts wie weg von hier.

Vorsichtig spähte sie in die Halle.

Auf einer Bank neben dem Eingang saß der Mann, der ihnen bei der Ankunft die Tür aufgemacht hatte. Nervös fragte sie sich, ob er womöglich Befehl hatte, sie nicht vorbeizulassen? Es gab nur einen Weg, das herauszufinden.

Sie atmete tief durch und steuerte dann selbstbewusst auf den Eingang zu. Der Portier stand auf, seine Miene verriet Unsicherheit. Anscheinend hatte er keine klare Anweisung, wie er sich in einer so ungewohnten Situation verhalten sollte. Ihr klopfte das Herz bis zum Hals, als sie ihn mit gebieterischer Geste anwies, sie hinauszulassen. Der Mann verneigte sich und öffnete die Tür.

Alexis dankte ihm mit einem hoheitsvollen Nicken und trat aufatmend in die Nacht hinaus.

3. KAPITEL

„Du bist verrückt, wenn du dich erneut in die Höhle des Löwen wagst!“, warnte Joey zum x-ten Mal.

„Aber nun macht es doch erst richtig Spaß!“ Alexis unterzog ihr Spiegelbild einer letzten kritischen Begutachtung.

„Du kannst von Glück sagen, dass ich neulich Abend zur Stelle war, als du mich gebraucht hast.“

„Jetzt übertreibe nicht, Joey“, widersprach sie lachend. „Immerhin habe ich das Haus ohne deine Hilfe verlassen.“

„Aber du warst heilfroh, dass ich euch vom Kasino zur Villa gefolgt war und draußen mit dem Auto auf dich gewartet habe.“

„Heute musst du das nicht. Ali Ben Saleem hat sich bereit erklärt, mir ein Interview zu geben.“

„Doch nur, weil er nicht weiß, wer du bist. Ihn wird der Schlag treffen, wenn er es erfährt.“

In Alexis’ Augen blitzte es auf. „Darauf freue ich mich schon jetzt.“

Tatsächlich war es schwer, in ihr die verführerische Sirene von jenem Abend zu erkennen. Sie hatte die rotblonden Locken zu einem französischen Zopf gebändigt und trug statt des aufreizenden Abendkleides ein dunkelblaues Nadelstreifenkostüm und eine schlichte weiße Seidenbluse. Ihre ganze Erscheinung strahlte kühle Eleganz aus. Keine Spur mehr von Diamond, dem funkelnden Stern, der nur für wenige Stunden geglüht hatte und dann wieder erloschen war.

Ein wenig bedauerte Alexis das sogar. Wann hatte sie schon je einen so aufregenden Abend erlebt wie als Diamond? Zugegeben, sie hatte sich in eine gefährliche Situation gebracht, doch da sie rechtzeitig entwischt war, betrachtete sie die Episode rückblickend eher als spannendes Abenteuer.

Unwillkürlich seufzte sie leise auf. Irgendwie empfand sie ihr Leben auf einmal als recht eintönig, was natürlich nicht hieß, dass sie Scheich Ali nicht von ganzem Herzen verabscheute. Sie musste sich das immer wieder ins Gedächtnis rufen, um gegen die erotischen Fantasien anzukämpfen, bei denen sie sich neuerdings des Öfteren ertappte.

„Ich hoffe, du hast den Scheck inzwischen eingelöst und dir das Geld auszahlen lassen“, riss Joey sie aus ihren Gedanken.

„Oh, ich wollte ihn nicht für mich haben“, erklärte sie. „Ich habe ihn gestern dem Vorsitzenden des Internationalen Kinderhilfswerks übergeben. Er wird sich für die großzügige Spende schriftlich bedanken. Schade, dass ich nicht dabei sein kann, wenn Ali das Schreiben bekommt.“

Joey war blass geworden. „Du hast das ganze Geld verschenkt?“

„Was hätte ich denn sonst damit tun sollen?“, fragte sie erstaunt.

„Ich an deiner Stelle hätte es behalten.“

Sie lachte. „Du hättest es erst gar nicht bekommen.“

„Kaum zu glauben, dass er einem Interview zugestimmt hat.“

„Ich habe einfach seinen Sekretär angerufen und gesagt, dass Alexis Callam den Scheich für The Financial Review interviewen möchte. Es war gar nicht schwierig, einen Termin zu bekommen.“

„Dein Taxi ist da“, sagte Joey, der am Fenster stand. „Soll ich dich nicht doch lieber hinfahren?“

„Nein, vielen Dank. Diesmal ist es wirklich völlig ungefährlich.“

„Und wenn er dich hinauswirft?“, gab Joey zu bedenken.

„Das wird er nicht tun.“

„Immerhin hast du ihn lächerlich gemacht und bist ohne ein Wort verschwunden.“

„Es wird ihn gelehrt haben, dass er mit mir nicht so umspringen kann wie mit anderen. Glaub mir, Joey, ich habe absolut nichts zu befürchten.“

Hinterher wunderte Alexis sich, woher sie dieses unerschütterliche Selbstvertrauen genommen hatte. Aber irgendwie war ihr alles so einfach erschienen, als sie ins Taxi stieg.

Zuerst ging ja auch alles glatt. Auf ihr Klingeln hin öffnete ihr der Portier vom letzten Mal. Er verbeugte sich und sah sie fragend an.

„Guten Morgen“, begrüßte ihn Alexis, „ich habe eine Verabredung mit Scheich Ali Ben Saleem.“

Ohne auf Antwort zu warten, ging sie an dem Portier vorbei in die Halle. Der Mann eilte ihr nach. Er sah beunruhigt aus.

„Würden Sie bitte Seiner Hoheit melden, dass Alexis Callam hier ist.“

In diesem Augenblick ging die Tür des Büros auf, und Ali kam heraus. Sichtlich erleichtert, kehrte der Portier zum Eingang zurück. Alexis atmete tief durch und blickte Ali lächelnd an.

Er stutzte, als er sie sah, dann hellte sich seine Miene auf, und er ging mit ausgestreckten Händen und einem warmen Willkommenslächeln auf sie zu.

Mit einer so herzlichen Begrüßung hatte Alexis nicht gerechnet. Es verdarb ihr den ganzen Spaß. Oder hatte Ali sie gar nicht erkannt? Leider doch, wie seine folgenden Worte bewiesen.

„Diamond! Meine wunderschöne Diamond. Was für eine Freude, dich wiederzusehen! Bitte, komm mit.“ Er ging ihr in Richtung Salon voran.

„Ich weiß, weshalb du hier bist“, sagte er, nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte.

„Du … weißt es?“

„Du bist verärgert. Ich gebe ja zu, dass ich mich dir gegenüber nicht sehr galant verhalten habe. Als Entschuldigung kann ich nur anführen, dass mir die Geschäfte dazu keine Zeit ließen. Deshalb habe ich dir meinen Sekretär geschickt. Ich hoffe, er hat dich sicher nach Hause gebracht, obwohl ich es natürlich viel lieber selbst getan hätte.“

Alexis hatte es vor Wut die Sprache verschlagen, und sie hätte ihm liebend gern einen kräftigen Tritt gegen das Schienbein versetzt.

Er war überhaupt nicht mehr zurückgekommen!

Wahrscheinlich hatte der Sekretär seinem Herrn angstvoll verschwiegen, dass die Frau, die er hatte heimbringen sollen, längst das Weite gesucht hatte.

Sie bemerkte, wie es in Alis Augen aufblitzte, und plötzlich beschlichen sie leise Zweifel. Hatte er etwa den Spieß einfach umgedreht und alles nur erfunden? Zuzutrauen war es ihm.

„Ich hoffe, wir können den unterbrochenen Abend demnächst nachholen“, fuhr er fort. „Im Moment habe ich leider keine Zeit für dich, da ich mit einem Journalisten verabredet bin.“

„Ich dachte, du empfängst keine Leute von der Presse“, sagte Alexis und wartete genüsslich auf das, was nun folgen würde.

„Normalerweise nicht, aber Mr. Callam kommt von einer sehr angesehenen Zeitung.“

„Sagtest du … Mr. Callam?“

„Mr. Alexis Callam. Ich habe dem Interview mit ihm zugestimmt, weil ich Verschiedenes klarstellen wollte.“

„Was denn?“, erkundigte sie sich unschuldig.

Sein Lächeln gab ebenso wenig preis wie eine verschlossene Tür. „Nicht im Traum würde ich daran denken, dich mit Einzelheiten zu langweilen.“

„Auch wenn ich nur eine dumme Frau bin“, sagte sie gespielt bescheiden, „so weiß ich doch, wie man Finanzen buchstabiert. F-i-e … oder kommt nach dem I ein N?“

Er lachte. „Du hast einen bezaubernden Humor. Aber für weitere Spielchen ist jetzt leider keine Zeit, da ich Mr. Callam jeden Augenblick erwarte.“

„Willst du nicht wenigstens noch meinen Namen wissen?“

„Ich habe bereits Schritte unternommen, um ihn zu erfahren. Sobald ich Zeit habe, werde ich mich bei dir melden.“

„Die Mühe kannst du dir sparen“, sagte Alexis. „Mein Name ist Alexis Callam, Miss Alexis Callam.“

Sie kam voll auf ihre Kosten, als sie seinen Gesichtsausdruck sah.

„Soll das etwa heißen …?“

„Dass ich der Journalist bin, den du erwartest“, bestätigte sie nicht ohne Genugtuung.

„Du hast mich getäuscht.“ Seine Stimme klang eisig.

„Keineswegs. Ich habe deinem Sekretär am Telefon gesagt, dass Alexis Callam dich interviewen möchte. Es ist nicht meine Schuld, wenn ihr beide angenommen habt, es könne sich bei dem Journalisten nur um einen Mann handeln.“

„Und wie war das an jenem Abend? Bist du rein zufällig im Golden Chance aufgekreuzt?“

„Nein, ich wollte dich beobachten.“

„Würdest du das, was dann geschah, etwa nicht als Täuschung bezeichnen?“

„Nun ja, vielleicht habe ich dir einige Dinge verschwiegen“, räumte sie ein. „Aber du hast es mir ja auch sehr leicht gemacht.“

„Und die ganze Zeit hast du dich heimlich über mich amüsiert.“ Er kniff die Augen zusammen. „Weißt du, was in meinem Land mit einer Frau geschieht, die so etwas wagt?“

„Erzähl es mir. Einen Moment noch.“ Sie holte aus ihrer Handtasche Notizblock und Bleistift. „So, jetzt kannst du losschießen. He, was soll das?“ Ali hatte ihr die Sachen aus der Hand genommen und auf einen Stuhl geworfen.

„Du wirst dir keine Notizen machen, wenn du mit mir sprichst!“, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Und du wirst auch nichts über jenen Abend berichten …“

„Das hatte ich sowieso nicht vor. Ich schreibe für ein renommiertes Wirtschaftsblatt, dessen Leser sich nicht für die abgedroschenen Phrasen interessieren, mit denen du versucht hast, mich zu beeindrucken.“

„Ich …“

„Anders kann man deine blumigen Schilderungen von glutroten Sonnenuntergängen und heißem Wüstenwind, der über das Zelt streicht, nicht bezeichnen. Aber ich mache dir deshalb keinen Vorwurf.“

„Nicht?“ Es klang irritiert.

„Wahrscheinlich wollen die meisten Frauen so etwas hören. Sonst hättest du ja deine Taktik sicher längst geändert.“

„Allerdings.“ Sein Blick wurde wieder etwas freundlicher. „Wenn ich eines über Frauen gelernt habe, dann das: je kitschiger, desto besser.“

„Was du nicht sagst.“

„Du wirst es nicht glauben, aber nichts kommt bei strohköpfigen kleinen Mädchen besser an als romantisches Geschwätz.“

„Willst du etwa behaupten, ich sei ein solches Mädchen?“, rief sie empört.

„So, wie du dich an dem Abend aufgeführt hast, musste ich das doch denken! Sie sollten bei dieser Rolle bleiben, Miss Callam, statt auf einmal wie ein Mann aufzutreten.“

„Das tue ich doch gar nicht!“, widersprach sie wütend. „Ich bin Journalistin. Du hast mir ein Interview versprochen, lass uns also damit beginnen.“

Ali musterte sie kühl. „Du glaubst doch nicht etwa, ich würde mit dir über mein Privatleben …“

„Mich interessieren nur deine Geschäfte“, unterbrach sie ihn und konnte nicht widerstehen hinzuzufügen: „In dein Privatleben hast du mir ja schon großzügig Einblick gewährt.“

„Lass mich eines klarstellen: Ich spreche mit Frauen prinzipiell nicht über Geschäfte.“

Alexis war fassungslos ob so viel männlicher Borniertheit. „Mit deinen antiquierten Vorstellungen …“

„Es ist mir egal, wie du darüber denkst. Weshalb sollte ich mir über die Meinung einer Frau den Kopf zerbrechen? In meinem Land wissen die Frauen, wo ihr Platz ist, und sie sind damit bisher nicht schlecht gefahren.“

„Ich frage mich, wie deine Mutter darüber denkt“, konterte Alexis. „Sie ist Engländerin, stimmt’s? Bei uns werden Frauen und Männer gleichberechtigt erzo…“

„Lass gefälligst meine Mutter aus dem Spiel“, fiel er ihr schroff ins Wort. „Falls du glaubst, auf diese Weise doch noch zu deinem Interview zu kommen, muss ich dich enttäuschen. Ich werde mich mit dir nicht unterhalten, und damit basta!“

„Aber du bist durchaus gesprächig gewesen, als du mich für ein hirnloses Püppchen gehalten hast, mit dem du dich amüsieren wolltest.“

„Natürlich. Dazu sind Frauen ja da. Und du bist in meinen Armen dahingeschmolzen. Willst du das etwa leugnen?“

Sie sah ihn herausfordernd an. „Das gehörte zu meiner Rolle.“

Er lächelte, aber irgendetwas an diesem Lächeln störte sie. „Glaub mir, ich kann sehr wohl unterscheiden, ob eine Frau mir etwas vormacht oder ob ihr Verlangen ebenso stark ist wie meines. Das, was wir beide an jenem Abend empfunden haben, waren echte Gefühle.“

„Als ob es zwischen mir und einem Mann, dessen Weltbild aus der Steinzeit stammt, irgendeine Gemeinsamkeit geben könnte!“

„Warum streitest du es ab? Fürchtest du, deine schönen Theorien könnten sich in nichts auflösen, wenn du dich endlich der Leidenschaft öffnest? Weshalb versuchst du, die Wahrheit zu ignorieren und mich auf einen Artikel in deiner Zeitung zu reduzieren?“

Er stand jetzt gefährlich nahe vor ihr. Unwillkürlich wich sie einen Schritt zurück und merkte sofort, dass sie einen taktischen Fehler begangen hatte. Ali wusste nun, dass er sie nervös machte.

„Die einzige Wahrheit, die mich in Bezug auf dich interessiert“, sagte sie, „sind deine geschäftlichen Operationen, aus denen du ein solches Geheimnis machst.“

„Misch dich nicht in etwas ein, das dich nichts angeht und sicherlich dein Denkvermögen übersteigt. Bitte“, er winkte gelangweilt ab, „erspar mir weitere Vorträge darüber, dass Frauen ebenso viel Verstand besitzen wie Männer!“

Sein überheblicher Ton reizte Alexis bis aufs Blut. „Wir sind keineswegs dümmer als ihr! Und im Übrigen hast du Scheherazade ja auch Verstand zugebilligt.“

„Nein. Scheherazade war klug. Sie hat mit den Waffen einer Frau gekämpft, mit Geist und Witz und nicht mit dem Schwert. Ich glaubte diese Eigenschaften auch bei dir entdeckt zu haben, aber nun scheinst du entschlossen zu sein, mir das Gegenteil zu beweisen.“

Er trat ganz nahe an sie heran. „Vergiss dein Diplom, Diamond“, fuhr er in fast beschwörendem Ton fort, „und lass den Zauber deiner Schönheit auf mich wirken. Seit jenem Abend hat mich die Erinnerung an dich nicht mehr losgelassen. Ich habe mir vorgestellt, wie dein Haar im Licht der untergehenden Sonne rotgolden glänzt, wie zart sich deine helle Haut anfühlt, wenn wir uns nackt in den Armen liegen …“

„Das wird niemals geschehen“, flüsterte sie.

Er sah sie mit seinen dunklen Augen durchdringend an. „In diesem Moment bin ich sogar geneigt, dir zuzustimmen. Ich will nicht mit einer Frau schlafen, die ihre Weiblichkeit verleugnet und sich vor ihren Gefühlen fürchtet. Eigentlich müsste ich mir sagen, ein Glück, dass ich sie los bin.“

Noch immer blickte er sie unverwandt an. „Aber dann verliere ich mich in den Tiefen deiner blauen Augen und weiß, dass noch kein anderer Mann dein Inneres so berührt hat wie ich. Zwischen uns herrscht eine starke Anziehungskraft, Diamond. Wir könnten einander so viel geben, wenn du den Mut aufbringst, über deinen Schatten zu springen.“

Seine Worte hatten eine elektrisierende Wirkung auf Alexis und entzündeten ihre Fantasie. Als er von ihrer Haut und ihren Haaren gesprochen hatte, hatte sie das wie eine körperliche Liebkosung empfunden. Und obwohl er sie jetzt nicht berührte, glaubte sie seine streichelnden Hände zu spüren und seine festen, warmen Lippen, die sie neckten und reizten und in ihr ein Verlangen weckten, das nur er befriedigen konnte.

Um sich nicht zu verraten, senkte sie den Blick.

„Du spürst es doch auch, dass uns etwas verbindet“, drängte er und streckte den Arm nach ihr aus.

„Nein“, log sie und wollte zurückweichen, stieß aber gegen die Couch, verlor das Gleichgewicht und musste sich setzen. Als sie wieder aufstehen wollte, hielt er sie an der Schulter fest und setzte sich dicht neben sie.

Alexis war entschlossen, sich auf keinen Fall küssen zu lassen und ihn damit in seiner chauvinistischen Meinung zu bestätigen, Sex sei in der Beziehung von Frau und Mann das bestimmende Element. Diesen Triumph wollte sie ihm nicht gönnen.

Aber er versuchte gar nicht, sie zu küssen. Er berührte nur mit der Fingerspitze sanft ihren Mund und zog die Linie ihrer Lippen nach. Mit dieser zarten Geste löste er einen wahren Flächenbrand bei ihr aus, der sie alle hehren Vorsätze vergessen ließ. Statt zu protestieren, streckte sie die Arme nach ihm aus und zog ihn näher an sich, bis sich ihre Lippen berührten.

Als hätte er auf dieses Zeichen nur gewartet, presste er nun besitzergreifend den Mund auf ihren, wie ein Eroberer, der ihre Kapitulation entgegennahm. Und sie hatte nicht die Kraft, sich zu widersetzen, sondern öffnete begierig die Lippen. Er war ein Genießer und ließ sich Zeit. Sanft erforschte er jeden Winkel ihres Mundes, saugte zart an ihren Lippen und ihrer Zunge. Alexis stöhnte leise und überließ sich seinem Kuss, der sie ganz schwindlig machte und in ihr ein wildes Verlangen nach mehr weckte.

Dann hob Ali den Kopf, und sein Blick versicherte ihr, dass alles gut war, solange sie nur in seinen Armen lag. Er drückte sie sanft in die Polster zurück. „Siehst du?“ Seine Stimme klang seltsam rau.

„Was?“, fragte sie benommen.

„Dass zwischen uns eine starke Anziehungskraft besteht. Oder willst du es noch immer leugnen?“

„Nein“, erwiderte sie leise. „Aber es ist …“, sie musste sich zwingen, das Wort auszusprechen, „… bedeutungslos.“

„Im Gegenteil! Leidenschaft ist immer wichtig!“

Alexis bemühte sich, die Dinge realistisch zu sehen. Dieser Mann war der geborene Verführer, und je stärker sie sich zu ihm hingezogen fühlte, desto weniger durfte sie ihm trauen.

„Du scheinst dieses Gefühl für viele zu empfinden“, sagte sie.

Er schüttelte den Kopf. „Mit dir ist es … anders.“ Es klang, als wäre er darüber beunruhigt. Hatte seine leidenschaftliche Reaktion ihn womöglich auch überrascht? Alexis bemerkte, dass seine Hände leicht zitterten, und als er nun weitersprach, war sein Ton ungewöhnlich schroff: „Du musst jetzt gehen. Wenn die Zeit reif ist für ein Wiedersehen, lasse ich es dich wissen.“

Diese bodenlose Arroganz bewirkte bei Alexis eine endgültige Ernüchterung. Wütend stieß sie ihn zurück. „Habe ich richtig verstanden? Du bestimmst, wann wir uns wiedersehen werden?“

„Wenn die Zeit dafür reif ist“, verbesserte er sie sanft.

„Oh nein! Ich gehe erst, wenn du mir das versprochene Interview gegeben hast. Und ganz gewiss wirst du mich danach nie mehr wiedersehen!“

„Warten wir es ab“, meinte er lächelnd. „Jedenfalls bekommst du mit Sicherheit kein Interview.“

Nun waren sie also wieder Gegner. Alexis wechselte die Taktik. „Sei doch vernünftig, Ali. Warum können wir nicht einfach …“

„Es hat keinen Sinn, Diamond. Meine Antwort bleibt Nein.“

„Hör auf, mich Diamond zu nennen!“, sagte sie spitz.

„Stimmt, dein Name ist ja Alexis Callam. Ich hätte mir gar nicht die Mühe machen müssen, ihn herauszufinden.“

„Wieso hast du nicht einfach deinen Sekretär gefragt? Er hat mich doch nach Hause gefahren.“

„Er hatte nicht den Auftrag, sich nach deinem Namen zu erkundigen“, wich Ali ihrer Frage geschickt aus.

„Aber er muss dir zumindest gesagt haben, wo ich wohne“, beharrte sie. „Alles Weitere wäre für dich ein Kinderspiel gewesen.“

In seinen Augen blitzte es auf, und nun war Alexis überzeugt, dass er ihr Verschwinden an jenem Abend durchaus bemerkt und die Geschichte mit dem Sekretär nur erfunden hatte, um vor ihr sein Gesicht zu wahren.

„Warum hätte ich mich solcher Methoden bedienen sollen, wenn ich es einfacher haben konnte.“ Er zuckte die Schultern. „Ich muss dir ein kleines Geständnis machen, meine Liebe, es betrifft den Scheck.“

„Den Scheck über hunderttausend Pfund?“

„Richtig.“ Er blickte ihr direkt in die Augen und lächelte dabei so liebenswürdig, dass ihr trotz allen Ärgers warm ums Herz wurde.

„So bedauerlich es ist, aber ich habe ihn sperren lassen“, bekannte Ali gespielt zerknirscht. „Meine Bank wird das Geld nicht herausrücken, mir aber mitteilen, wer den Scheck eingereicht hat. Ich hätte deinen Namen also in jedem Fall erfahren.“

„Du hast den Scheck tatsächlich sperren lassen?“, vergewisserte sich Alexis.

„Ich gebe ja zu, dass es nicht sehr nett von mir war.“

„Nun, ich muss dir ebenfalls etwas gestehen“, sagte sie in zuckersüßem Ton. „Ich habe den Scheck gestern mit deinen besten Empfehlungen dem Vorsitzenden des Internationalen Kinderhilfswerks übergeben.“

Ali lachte schallend. „Du hast wirklich Humor, meine liebe Diamond. Netter Versuch, aber ich weiß, dass keine Frau so viel Geld zurückweisen würde.“

„Das Halsband habe ich auch nicht angenommen.“

„Es war nur ein Zehntel der Summe wert, die auf dem Scheck stand, und den hast du eingesteckt.“

„Aber nicht eingelöst“, entgegnete sie und fügte bissig hinzu: „Wenn du den Scheck platzen lässt, wird dein Name negative Schlagzeilen machen – und das nicht nur in der Regenbogenpresse.“

„Nun lass es gut sein, Diamond. So nett sich deine Geschichte auch anhört, mich kannst du damit nicht bluffen. Und jetzt muss ich dich leider bitten zu gehen. Ich habe schon zu viel Zeit mit dir verschwendet.“

„Verzeih, wenn ich dich zu lange vom Geldverdienen abgehalten habe.“

Er ging darauf nicht ein, sondern brachte sie zur Haustür. „Dann also bis zu unserem nächsten Wiedersehen“, verabschiedete er sich.

„Falls es je eines geben wird.“

„In meinem Land sagt man: ‚Die Antwort steht im Sand geschrieben.‘“

„Und bei uns: ‚Man soll das Fell des Bären nicht verkaufen, ehe man ihn erlegt hat.‘“

Ali sah ihr nach, bis sie aus seinem Gesichtsfeld verschwunden war. Als er ins Haus zurückkehrte, kam ihm sein Sekretär aufgeregt und mit blassem Gesicht entgegen.

„Der Vorsitzende des Internationalen Kinderhilfswerks ist am Telefon, Sir. Er bedankt sich herzlich für Ihre großzügige Spende, sagt aber, es würde da leider ein kleines Missverständnis bei unserer Bank geben.“

Leise fluchend eilte Ali in sein Büro.

4. KAPITEL

In Ali Ben Saleems Londoner Villa kehrte für kurze Zeit Ruhe ein, als der Scheich nach New York flog. Nach einigen Tagen kam er in aller Eile zurück und verbrachte die folgende Woche hauptsächlich am Telefon. Offenbar ging es um wichtige Geschäfte. Das Personal – mit Ausnahme des Sekretärs – sah wenig von ihm und er wenig von den Bediensteten. Und ganz sicher nahm er keine Notiz von dem neuen Dienstmädchen.

Alexis konnte das nur recht sein. Es war überraschend einfach gewesen, sich in Alis Haushalt einzuschmuggeln. Joey hatte in der Gegend eine private Stellenvermittlung ausfindig gemacht und den Inhaber dafür bezahlt, in Alis Viertel gezielt mit der Vermittlung von Hauspersonal zu werben. Und tatsächlich schluckte Alis Verwalter den Köder. Für die Villa wurde ein Dienstmädchen bei freier Kost und Logis gesucht – genau der Posten, der Alexis vorschwebte. Sie bewarb sich unter falschem Namen, erschien zum Vorstellungsgespräch mit dem Verwalter in einem unförmigen, sackartigen Kleid und mit einer schwarzen Perücke und bekam den Job.

Sie hatte lange hin und her überlegt, ob es sich mit ihrer Berufsehre vereinbaren ließe, dass sie sich auf solche Weise Informationen zu verschaffen suchte. Aber hatte ein Mann, der mit Frauen verachtenden Äußerungen nur so um sich warf, nicht einen Denkzettel verdient?

Sie hatte ihre neue Stelle am selben Tag angetreten, an dem Ali nach New York geflogen war. Leider beschränkte sich ihr Arbeitsbereich vorerst nur auf die Küche. Einige Tage später durfte sie dann, unter der strengen Aufsicht des Verwalters, Alis im ersten Stock liegendes Schlafzimmer sauber machen.

Es handelte sich um einen enttäuschend nüchternen Raum, nicht im Mindesten vergleichbar mit dem verschwenderisch ausgestatteten Raum, in dem der Hausherr seine weiblichen Gäste zu bewirten pflegte.

Anders als dort bevorzugte der Scheich in seinem Schlafgemach offenbar asketische Strenge. Das spärliche Mobiliar bestand aus einem breiten Bett und einem Mahagonischrank, und statt der von Alexis erwarteten erotischen Gemälde zierten drei Bilder von Pferden die schlichten weißen Wände.

Als der Hausherr aus New York zurückkehrte, ging Alexis ihm möglichst aus dem Weg. Wie sich herausstellte, war diese Vorsichtsmaßnahme unnötig, da Scheich Ali niedere Wesen wie Dienstmädchen gar nicht wahrnahm.

Nach mehr als zwei Wochen, in denen sie nicht einen Schritt weitergekommen war, bot sich Alexis eines Abends endlich die Chance, mehr über die dubiosen Geschäfte des Scheichs zu erfahren.

Ihr Zimmer lag im zweiten Stock direkt unterm Dach, und sie hatte von oben beobachtet, wie Ali mit zwei Ordnern unter dem Arm in sein Schlafgemach gegangen war. Eine Stunde später hatte sie dann mitbekommen, dass er zu einem späten Besucher nach unten gerufen wurde und dabei den Fehler machte, seine Schlafzimmertür offen zu lassen.

Sobald sie ihn mit seinem Gast im Bürotrakt verschwinden sah, eilte sie nach unten in sein Schlafgemach. Wie erhofft, lagen die beiden Ordner aufgeschlagen auf dem Bett. Dummerweise enthielt einer nur Unterlagen in arabischer Sprache, doch die Schriftstücke im anderen waren in Englisch abgefasst.

Begierig begann Alexis zu lesen, aber schon bald verfinsterte sich ihre Miene. Die Unterlagen betrafen das Golden Chance, und aus ihnen ging eindeutig hervor, dass Ali der Besitzer dieses Spielkasinos war.

Erbost murmelte sie: „Dieser gewissenlose …“, doch fiel ihr auf Anhieb kein passendes Schimpfwort ein. Als sie weiterlas, hörte sie plötzlich hinter sich die Tür ins Schloss fallen. Erschrocken fuhr sie herum und blickte direkt in das lächelnde Gesicht des Hausherrn.

Er musterte sie mit mildem Spott. „Wie ich sehe, gibst du nicht so schnell auf.“

Alexis stand vom Bett auf und versuchte, dabei nicht allzu lächerlich auszusehen, was unter den gegebenen Umständen schwierig war. „Eigentlich hättest du das wissen müssen“, verteidigte sie sich.

„Natürlich“, bestätigte er. „Mich hat allerdings interessiert, wie weit du gehen würdest. Meine liebe Diamond oder Alexis oder Jane, wie du dich ja neuerdings nennst – hast du wirklich geglaubt, du könntest mich für dumm verkaufen?“

„Du wusstest, dass ich es bin?“

„Schon als mir das Angebot der Stellenvermittlung ins Haus geflattert ist, habe ich Verdacht geschöpft und meinen Verwalter angewiesen, darauf einzugehen. Er war nicht sicher, ob du es bist. Aber ich habe dich sofort erkannt. Du hast etwas an dir, das keine noch so gute Verkleidung verbergen kann.“

Alexis traute seinem Lächeln nicht. Während sie noch überlegte, wie sie sich aus der Affäre ziehen sollte, schloss er auch schon die Tür ab und steckte den Schlüssel in die Hosentasche.

„Lass mich sofort hier raus!“, forderte sie energisch.

„Weshalb diese Eile? Und das, nachdem du keine Mühe gescheut hast, dich hier einzuschleichen.“ Er wies auf den Ordner, in dem sie gelesen hatte. „Ich hoffe, das Ergebnis war die Anstrengung wert?“

Sie erinnerte sich, dass sie ja eigentlich gekränkt sein sollte. „Du hast mich getäuscht.“

Er begann zu lachen. „Ich dich? Wer hat sich denn unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in mein Haus eingeschmuggelt?“

„Ich meine im Kasino. Alles war ein abgekartetes Spiel, da das Golden Chance dir gehört. Kein Wunder, dass es dir nichts ausgemacht hat, riesige Summen zu verlieren. Und als du dann auf einmal gewonnen hast, war das sicher ebenfalls abgesprochen. Mir aber wolltest du weismachen, ich hätte dir Glück gebracht.“

„Es war kein abgekartetes Spiel“, widersprach er. „So etwas wäre Betrug und unter meiner Würde. Alles ging mit rechten Dingen zu.“ Als sie ihn zweifelnd ansah, fügte er verärgert hinzu: „Ich lüge nicht!“

„Natürlich nicht!“

„Du scheinst eine sehr schlechte Meinung von mir zu haben. Wir sollten unter alles einen Schlussstrich ziehen und Freunde werden.“

Während er sprach, öffnete er den Mahagonischrank und holte aus dem dort eingebauten Kühlschrank eine Flasche Champagner hervor.

„Du hast doch nichts dagegen, mit mir anzustoßen?“ Ali nahm zwei Gläser aus dem Schrank, öffnete die Flasche und schenkte ein. „Oder hättest du lieber eine Tasse Tee?“

„Nein, der wäre nun wirklich zu fade“, meinte Alexis, die sich inzwischen wieder etwas von ihrem Schrecken erholt hatte. Sie nahm das Glas, das Ali ihr reichte, und setzte sich wieder auf das Bett.

Es überraschte sie, dass er nicht nachtragend war, was aber nur bewies, wie wenig sie ihn kannte. Gewiss, es hatte ihm Spaß gemacht, sie auf frischer Tat zu ertappen, aber damit war die Sache ausgestanden.

„Du bist wirklich eine außergewöhnliche Frau, Diamond“, sagte er freundlich.

„Mein Name ist Alexis“, betonte sie.

„Ich weiß, aber irgendwie bist du für mich Diamond geblieben, der sprühende und funkelnde Diamant, dessen strahlendem Glanz ich an jenem Abend erlegen bin. Du musst zugeben, dass du mir nach der Sache mit dem Scheck eine Revanche schuldig warst.“

Unwillkürlich musste Alexis lächeln. „Deine generöse Spende wurde in vielen Zeitungen erwähnt. Ich habe dich ausgetrickst, stimmt’s?“

Sie hörte ihn tief einatmen. Für einen Moment glaubte sie, in seinen Augen eine versteckte Drohung zu erkennen, doch dann lächelte er schon wieder verbindlich. „Das ist bisher noch keiner Frau gelungen.“

„Ich muss gestehen, dass ich dich falsch eingeschätzt habe“, gab sie zu. „Nie hätte ich gedacht, dass du es so gelassen hinnehmen würdest.“

„Was hattest du denn erwartet?“, fragte er belustigt.

„So genau weiß ich es auch nicht, aber ich hatte auf jeden Fall damit gerechnet, dass du auf grausame Rache sinnen würdest.“

„Etwa wie der arabische Schurke in einem schlechten Theaterstück?“, fragte er leicht pikiert. „Ich dachte, du hältst nichts von solchen Klischees?“

„Tut mir leid. Es war unfair von mir.“

„Da nun alles zwischen uns geklärt ist, sollten wir auf eine friedliche Zukunft trinken.“

Sie stießen miteinander an.

Ali schob die Ordner beiseite und setzte sich neben Alexis auf das Bett. „Was willst du denn nun deinen Helfern erzählen?“, erkundigte er sich beiläufig.

„Zum Glück gibt es keine. Ich arbeite lieber allein.“

„Und was ist mit dem kleinen Mann, der dich ins Kasino begleitet hat? Mit ihm hast du doch sicher Kontakt gehalten, während du hier warst?“

„Mit Joey? Nein, er arbeitet nur gelegentlich für mich. Momentan ist er für einen anderen Auftraggeber irgendwo im Norden unterwegs.“

„Und was ist mit deiner Familie? Oh entschuldige, ich hatte vergessen, dass du keine mehr hast. Was für ein trauriges Leben!“

„So traurig nun auch wieder nicht.“

„Aber ist es nicht schlimm, niemanden zu haben, der dich zu deinen Erfolgen beglückwünscht und dich bei Niederlagen tröstet? Du hast diesmal so viel riskiert, und niemand weiß es zu würdigen.“ Sinnend betrachtete er sie und schien dann zu einem plötzlichen Entschluss zu kommen. „Na schön. Wahrscheinlich war ich wirklich unfair zu dir. Du sollst dein Interview haben.“

„Meinst du das im Ernst?“ Sie konnte ihr Glück kaum fassen.

„Sobald ich zurück bin, werde ich mich bei dir melden. Versprochen.“

„Wieso zurück?“

„Vorhin war ein Mann hier, der mich vor einer Krise in meinem Land gewarnt hat. Ich muss sofort nach Kamar fliegen. Aber wenn ich zurück bin, bekommst du dein Interview.“

„Und wann wird das sein?“

Er zuckte die Schultern. „Wie soll ich das jetzt schon wissen?“

„Verstehe“, sagte sie enttäuscht. „Du bleibst also länger weg. Wahrscheinlich hast du dein Versprechen längst vergessen, wenn du zurückkommst.“

„Da könntest du allerdings recht haben. Bleibt noch die Möglichkeit, dass du mitkommst.“

Sie strahlte über das ganze Gesicht. „Du meinst, ich soll mit dir fliegen?“

„Ja, als mein Gast.“ In seinen Augen blitzte ein Funke auf. „Du wirst so bevorzugt behandelt wie noch keine Frau vor dir und Erfahrungen machen, die du nie vergessen wirst.“

„Wann reist du ab?“

„In einer halben Stunde.“

„Aber ich habe meinen Pass nicht dabei.“

„Überlass das mir.“ Sein ironisches Lächeln brachte ihr in Erinnerung, dass er Regent eines Staates war. „Und jetzt beeil dich! Wenn du nicht rechtzeitig fertig bist, fliege ich ohne dich.“

Alexis benötigte diese Ermunterung nicht. Eifrig sprang sie auf und eilte zur Tür. Lachend kam Ali hinter ihr her und schloss die Tür auf.

In ihrem Zimmer packte Alexis ihre wenigen Sachen zusammen. Nur gut, dass sie auch normale Kleidung mitgebracht hatte. Als sie den Reißverschluss ihrer Reisetasche zuzog, klopfte jemand. Draußen stand eine hübsche junge Araberin, die sich anmutig verneigte.

„Ich soll Ihnen das bringen“, sagte sie und meinte damit die dunkelgrünen Gewänder, die sie über dem Arm trug. „Sie anziehen – dann mich sein.“

In ihrem gebrochenen Englisch erklärte sie Alexis, dass sie eine kamarische Bedienstete in Alis Haushalt sei und ihr nur unter dieser Bedingung die Einreise erlaubt worden sei. Alexis sollte sich als sie ausgeben und bei der Aus- und Einreise ihren Pass benutzen.

Das junge Mädchen half ihr beim Anziehen der weiten Gewänder und zeigte ihr, sich so zu verhüllen, dass nur noch die Augen zu sehen waren.

„Sie müssen zu Boden blicken, damit Ihre blauen Augen Sie nicht verraten“, empfahl sie ihr. „Außerdem gehen Frauen in unserem Land immer mit gesenktem Blick und sehen keine Männer an.“

Das gibt einen Minuspunkt für dich, Ali, überlegte Alexis ironisch. Aber im Moment war sie ihm viel zu dankbar, um sich darüber weitere Gedanken zu machen.

Autor

Brittany Young
Der Liebesroman von Brittany Young “The Karas Cups” wurde 1985 mit einem Preis ausgezeichnet. Bisher hat sie 23 Romane veröffentlicht. Brittany Young schreibt auch unter den Synonymen Abigail Wilson und Sandra Harris.
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