Julia Herzensbrecher Band 43

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HOCHZEIT MIT EINEM SPANISCHEN MILLIARDÄR von MARGARET MAYO

Die schöne Elena hat keine Wahl: Um ihre Familie vor dem Ruin zu bewahren, muss sie schnellstens heiraten. Ausgerechnet den arroganten spanischen Milliardär Vidal Marquez, der statt einer Ehe auf dem Papier feurige Nächte voller Leidenschaft erwartet …

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  • Erscheinungstag 20.04.2024
  • Bandnummer 43
  • ISBN / Artikelnummer 9783751525473
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Margaret Mayo, Robyn Grady, Maggie Cox

JULIA HERZENSBRECHER BAND 43

1. KAPITEL

„Ihr erwartet von mir, dass ich Vidal Marquez heirate?“

Elena sah ihre Eltern an, als hätten die beiden den Verstand verloren. Das war wirklich das Letzte, womit sie gerechnet hätte, als man sie gebeten hatte, nach Hause zurückzukehren. Was sie erwartet hatte, wusste sie nicht zu sagen, aber so etwas wäre ihr niemals in den Sinn gekommen.

Ihre großen gold-braunen Augen weiteten sich vor Schreck, ihr Herz begann heftig zu pochen. Das war völlig verrückt! Wie konnten sie das ernsthaft von ihr verlangen?

Schließlich hatte Vidal ihre Schwester heiraten sollen. Vor Monaten hatten die beiden sich verlobt. Doch jetzt war ihre Schwester davongerannt, keiner wusste, wo sie sich aufhielt. Was also war passiert? Und wieso sollte sie jetzt an den Platz der Schwester rücken? Wieso war es so wichtig?

Es ergab überhaupt keinen Sinn.

Die strahlende Nachmittagssonne fiel durchs Fenster und ließ Elenas schwarzes Haar schimmern. Draußen war ein wunderbarer Tag, und hier drinnen im Haus der Eltern ging die Welt unter.

„Das ist ja lächerlich.“ Elena stand zu ihrer vollen Größe aufgerichtet stolz da, ihre Augen funkelten vor Empörung. Das seidige Haar, zu einem klassischen Bob geschnitten, schwang lebendig mit, jedes Mal, wenn sie den Kopf bewegte. „Ich habe nicht vor, in nächster Zeit zu heiraten, noch lange nicht. Ich habe schließlich ein Geschäft zu führen. Es hat mich Jahre gekostet, um dahin zu gelangen, wo ich jetzt bin. Das werde ich nicht aufgeben, um …“, sie holte tief Luft, „… den Ex-Verlobten meiner Schwester zu heiraten.“ Das „Ex“ betonte sie besonders scharf.

Elena liebte ihre Eltern von ganzem Herzen, aber sie konnte beim besten Willen nicht verstehen, was die beiden zu einer solchen Idee bewogen hatte. Viele Paare trennten sich, ohne dass man von den Geschwistern verlangte, als Ersatz herzuhalten. Völlig abwegig kam ihr das vor.

So oder so war es unverständlich, dass Reina einfach davongelaufen sein sollte. Elenas ältere Schwester tat nie etwas Unerwartetes. Elena war immer der Wildfang gewesen, der die Eltern manchmal zu Verzweiflung getrieben hatte. Als sie damals nach Los Angeles gegangen war, hatten sie sich ernsthaft Sorgen um die Tochter gemacht. Heute war Elena erfolgreich als Hochzeitsplanerin tätig, während die ältere Schwester vor der Hochzeit davongerannt war.

Sie konnte sich vorstellen, welcher Schock das für die beiden Familien gewesen sein musste. Alles für die Hochzeit stand bereits fest, jeder, der in Spanien Rang und Namen besaß, war eingeladen.

„Es tut mir leid, dass Reina euch das angetan hat“, sagte Elena laut, während sie still bei sich dachte, dass es so besser war, als wenn Reina sich erst nach der Hochzeit eingestanden hätte, dass sie Vidal nicht liebte. „Geht es hier darum, nicht das Gesicht zu verlieren? Kann die Firmenfusion nicht trotzdem realisiert werden?“

„Eben nicht“, antwortete ihr Vater leise. „Davon haben wir dir nichts gesagt, aber … es war eine arrangierte Heirat, aus geschäftlichen Gründen. Wir alle dachten, Reina sei glücklich mit dem Arrangement. Wir glaubten, sie würde Vidal lieben. Aber …“ Er hob bedrückt die Schultern, ließ sie wieder sinken.

„Arrangiert?“ Elena konnte es nicht fassen. Das wurde ja immer bizarrer. „Kein Wunder, dass Reina weggelaufen ist! Und jetzt soll ich ihren Platz einnehmen?! Kommt ja gar nicht infrage! Niemals! Ich finde Vidal unsympathisch. Er ist ein aufgeblasener, arroganter …“

Ihr fielen genügend Ausdrücke ein, die sie im Hause der Eltern jedoch nicht benutzen würde. Sie schäumte vor Wut. Nicht nur brachte sie kein Verständnis für die Forderung der Eltern auf, sie hatte auch nie verstanden, warum man die beiden Banken unbedingt zusammenschließen wollte. Sie hatte nie den Ehrgeiz gehabt, in der Familienbank zu arbeiten, sie hatte sich für Freiheit und Unabhängigkeit entschieden. Die liebevolle Zuneigung der Eltern konnte manchmal erdrückend sein.

„Es gibt noch einen anderen Grund“, hob ihr Vater leise an und legte den Arm um die Schultern seiner Frau. „Ich sage es nicht gern, aber …“ Er atmete bebend durch. „Die Bank hat Probleme. Ich fürchte, wir sind ruiniert, wenn Vidal uns nicht übernimmt.“

Die Sorgenfalten auf seiner Miene hatte Elena bisher mit Reinas Flucht begründet, doch jetzt wurde ihr klar, dass etwas viel Ernsteres ihn beschäftigte. Auch die Augen der Mutter blickten trostloser, als Elena es je gesehen hatte.

Impulsiv ging sie zu ihr und schloss sie in ihre Arme. Ihre Mutter war immer eine starke Frau gewesen, sie so hoffnungslos zu sehen, tat weh.

Die Privatbank der Eltern wäre nicht die erste, die Vidal in sein Unternehmen eingliederte. Offiziell wurde immer von einer Fusion gesprochen, doch Elena wusste sehr gut, dass der Familie die Führung aus der Hand genommen wurde, sobald Vidal sich die Bank einverleibte. Sie konnte nur hoffen, dass er den Eltern einen fairen Deal vorgeschlagen hatte. Warum sie allerdings Teil davon sein sollte, war ihr völlig unklar.

„Also“, ihr Vater hatte sich gefasst, seine Stimme klang fest, „wirst du es tun? Es geht schließlich nicht nur um uns, sondern auch um die Angestellten. Manche von ihnen sind schon sehr lange bei uns. Wir schulden es ihnen, dass wir alles tun, was in unserer Macht steht.“

Elena schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, aber ich kann nicht“, sagte sie entschieden. „Ihr verlangt das Unmögliche von mir.“ Die beiden mussten doch einsehen, wie absurd das Ganze war. Sie liebte diesen Mann nicht. Er bedeutete ihr überhaupt nichts.

Seit Jahren hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Sie erinnerte sich nur, dass Vidal Marquez sich immer für etwas Besseres gehalten hatte, schon als Kind. Mit ihm zu leben musste unerträglich sein. Kein Wunder, dass Reina im letzten Moment die Beine in die Hand genommen hatte.

Das Herz lag ihr schwer wie ein Stein in der Brust, als sie sah, wie ihr Vater ihre Mutter, die im Sitzen schwankte, stützen musste. Nichts lag ihr ferner, als den Eltern wehzutun, aber einen Mann zu heiraten, den sie nicht einmal mochte, war einfach zu viel verlangt.

Ihrem Vater, ein immer so starker, energischer Mann, standen Tränen in den Augen. „Gibt es denn keine andere Lösung, um die Bank zu retten?“, fragte Elena leise.

Ihr Vater schüttelte den Kopf. „Nein, keine.“

Elena schloss die Augen und stieß einen langen Seufzer aus. „Ich will das wirklich nicht tun“, sagte sie. „Aber ich ertrage es auch nicht, euch beide so verzweifelt zu sehen. Ich werde darüber nachdenken. Aber versprechen kann ich euch nichts.“

Ein wenig Hoffnung spiegelte sich auf den Gesichtern der Eltern wider, alle drei umarmten sich.

Elena allerdings konnte sich nicht vorstellen, den Wunsch der Eltern zu erfüllen. Das hieße, sie müsste ihr ganzes Leben vorerst aufgeben, wenn nicht sogar für immer. Sie liebte ihre Arbeit, und als ihre Mutter angerufen und ihr gesagt hatte, sie werde zu Hause gebraucht, hatte Elena geglaubt, sie solle die Hochzeit der Schwester ausrichten, nicht ihre eigene.

Während der nächsten Tage war die Stimmung im Valero-Haushalt äußerst angespannt. Elena verabscheute es, ihre Eltern so besorgt zu sehen, aber noch mehr hasste sie den Gedanken, einen Mann zu heiraten, den sie nicht liebte. Es musste einfach eine andere Lösung geben, die Bank zu retten.

Vidal hatte sie immer hochmütig ignoriert. Er war acht Jahre älter als sie, für ihn hatte sie gar nicht existiert. Sein jüngerer Bruder Fernan stand ihr altersmäßig näher, sie und Fernan hatten als Kinder immer zusammen gespielt, während Vidal und Reina Freunde gewesen waren. So war die Bekanntgabe der Verlobung von Vidal und Reina nicht als Überraschung gekommen, und Elena hätte nie vermutet, die geplante Hochzeit könnte etwas anderes als eine Liebesheirat sein.

„Kommst du heute Abend mit?“, fragte ihr Vater am Samstagmorgen beim Frühstück.

„Zu der Wohltätigkeitsgala?“

Er nickte. „Deine Mutter und ich halten es für wichtig, dass wir uns dort sehen lassen. Um mögliche Spekulationen zu vermeiden.“

„Natürlich komme ich mit“, sicherte sie spontan zu. „Kommen die Marquez auch?“

„Das nehme ich an.“

Ihr Herz stockte. Das hieß, Vidal würde auch anwesend sein. Wusste er, dass ihre Eltern sie mit ihm verkuppeln wollten? Falls ja … wie dachte er darüber? Er musste ebenso entsetzt sein wie sie. Es sei denn natürlich, die Bank in seine Finger zu bekommen, war ihm wichtiger als eine Heirat aus Liebe. So wie sie gehört hatte, war er sehr erfolgreich. Sein Bankenimperium war das größte in ganz Spanien. Und in wenigen Stunden würde sie dem Mann selbst gegenüberstehen.

Vidal konnte den Blick nicht von der atemberaubenden Schönheit reißen, die soeben den Saal betreten hatte. Er wollte diese junge Frau kennenlernen, unbedingt. Sie war groß und schlank und extrem elegant, strahlte das Selbstbewusstsein einer Frau aus, die wusste, dass sie gut aussah. Das kurze schwarze Haar gab den Blick ungehindert auf einen langen schlanken Hals frei, um den sich ein Collier mit schwarzen Edelsteinen schmiegte. Ihre Haut schimmerte in der Farbe von goldenem Honig, und er wusste, er musste sie halten, berühren … genießen!

Zwei schmale Träger hielten das kleine Schwarze. Der eng anliegende Stoff schmiegte sich um ihre Figur, betonte mit jeder ihrer Bewegungen die sanfte Rundung ihrer Brust, das feste Hinterteil …

Sein Körper reagierte prompt in eindeutiger Weise. Diese Frau musste er sich auf jeden Fall näher ansehen.

Sie schlenderte jetzt durch die Menge, grüßte und lachte mit Leuten, die sie offensichtlich kannte, und wurde jenen vorgestellt, die sie noch nicht kannte. Sie war aufregend und voller Leben, fühlte sich wohl in ihrer Haut und bewegte sich mit der Geschmeidigkeit einer Raubkatze. Vidal fragte sich, ob sie wohl auch die entsprechenden Krallen besaß. Sie kam ihm seltsam bekannt vor, doch er erinnerte sich nicht, sie schon einmal getroffen zu haben.

„Sie hat sich zu einer Schönheit gemausert, nicht wahr?“

Vidal hatte nicht gemerkt, dass sein Vater die Frau ebenfalls beobachtete. „Wer ist sie?“

„Was denn, du hast Elena nicht wiedererkannt? Das überrascht mich.“

Elena Valero? War das möglich? „Ich dachte, sie lebt in Amerika.“

Sein Vater nickte. „Stimmt. Aber sie ist zu Besuch nach Hause gekommen.“

Jetzt, da er wusste, wer sie war, konnte Vidal auch das kleine Mädchen von einst in ihr erkennen. Was für eine Verwandlung! Von schlaksig zu graziös. Von unscheinbar zu überwältigend. Von spindeldürr zu perfekt proportioniert. Reina hatte nur selten von ihrer Schwester gesprochen, also hatte er sie völlig vergessen. Jetzt allerdings beherrschte sie sofort alle seine Gedanken. Er konnte es kaum abwarten, bis sie ihre Runde durch den Saal beenden und schließlich vor ihm stehen würde.

Ob sie ihn überhaupt erkannte? Wie lange war es jetzt her, seit sie sich zuletzt gesehen hatten? Vor sechs Jahren war sie nach Amerika gegangen, aber selbst davor war er zu beschäftigt mit seinem Leben gewesen, um ein Auge für sie zu haben. Seiner Meinung nach war sie ein Wildfang, verwöhnt, eingebildet und nur an sich selbst interessiert.

Er konnte den Blick nicht von ihr wenden. Irgendwann drehte sie sich um, ihre Blicke trafen sich. Hatte sie ihn erkannt? Nichts in ihrer Miene ließ das vermuten. Wahrscheinlich hatte sie einfach nur seinen Blick auf sich gespürt. Und es schien ihm eine Ewigkeit zu dauern, bevor sie bei ihm ankam. Eine Ewigkeit, in der er sich vorstellte, wie er sie langsam auszog und jeden Zentimeter an ihr erkundete, um sie dann leidenschaftlich zu lieben. Nur gut, dass sie seinen wilden Herzschlag nicht hören konnte, als sie endlich vor ihm stand.

„Vidal.“ Sie bot ihm ihre Hand.

Also hatte sie ihn doch erkannt! Und der Blick, den sie in seine Richtung geschickt hatte, war kritisch, nicht neugierig gewesen. Der Gedanke ärgerte ihn. „Sieh einer an. Das kleine Mädchen ist erwachsen geworden.“

Sobald die Worte heraus waren, wusste er, dass er einen Fehler begangen hatte. Er wollte sie in seinem Bett haben, nicht beleidigen. Aber er hatte sich überrumpelt gefühlt, und daran war er nicht gewöhnt.

Elena hob leicht ihr Kinn und schaute ihn mit golden blitzenden Augen an. „Wie viele Jahre haben wir uns nicht gesehen?“

„Ziemlich viele“, gab er zu, während sich eine unkontrollierbare Hitze durch seinen Körper stahl, die er so seit seiner Teenagerzeit nicht mehr gespürt hatte.

„Richtig“, gab sie scharf zurück. „Du hast dich verändert, ich habe mich verändert. Ist das so ungewöhnlich?“

„Fast hätte ich dich nicht erkannt.“ Dass er sie tatsächlich nicht erkannt hatte, würde er nicht zugeben. „Darf ich mir erlauben zu bemerken, dass deine Veränderung sensationell ist?“

„Das ist wirklich zu großzügig von dir, danke.“

Der Spott war nicht zu überhören, und es ärgerte ihn. „Wie ich höre, machst du einen deiner seltenen Besuche bei deiner Familie.“

„Selten?“ Sie richtete sich steif auf. „Nur weil wir uns nicht über den Weg gelaufen sind, heißt das nicht, dass ich nicht nach Hause gekommen bin.“

„Aber nicht so oft, wie du solltest.“ Kalte graue Augen musterten sie. „Warum bist du überhaupt nach Amerika gegangen? Es hat deinen Eltern das Herz gebrochen, so wie deine Schwester sagte. Dich haben sie es vermutlich nie wissen lassen. Für dich war es ein großes Abenteuer, aber sie hatten das Gefühl, dass du ihnen den Rücken gekehrt hast.“

Ihre Augen glühten. „Mit welchem Recht kritisierst du mich? Es geht dich überhaupt nichts an. Ich würde ja gerne sagen, war nett, dich wiedergesehen zu haben, aber das war es nicht.“

Als sie sich abwandte und gehen wollte, fasste er nach ihrem Arm. „Elena, wir haben einander viel zu erzählen.“ Sein Körper stand in Flammen, als er sie an sich zog und ihre weichen Brüste sich an ihn pressten.

„So?“, fragte sie kalt. „Ich kann es meiner Schwester nicht verübeln, dass sie dich verlassen hat. Du bist arrogant wie eh und je.“ Sie riss sich aus seinem Griff los und ließ ihn stehen.

Wollte er keine Szene machen, musste er sie gehen lassen. Doch seine Augen folgten ihr, hafteten an ihren schwingenden Hüften, an den langen Beinen, und halb erwartete er, dass sie noch einmal über die Schulter zu ihm zurücksehen würde.

Er irrte sich nicht. Solch umwerfend schöne Augen. In ihnen lag eine seltsame Mischung aus Neugier und Überheblichkeit, und er erlaubte sich ein schmales Lächeln. Keine Angst, Elena Benitez Valero. Das nächste Mal kommst du mir nicht so leicht davon.

Sich vorzustellen, dass er fast Reina geheiratet hätte! Der Gedanke erschlug ihn schier, als Vidal an diesem Abend im Bett lag. Er hatte zugestimmt, weil die Bankenfusion bevorstand. Für ihn wäre es eine günstige Verbindung gewesen, eine Vernunftehe, und Reina hatte zugestimmt. Niemand außer ihnen beiden, seinem Bruder und seinen Eltern hatte gewusst, dass es sich hier nicht um eine Liebesheirat handelte.

Doch letztlich waren Reina Zweifel gekommen. Sie wünsche sich eine echte Ehe, hatte sie gesagt. Sie wolle sich verlieben und ein Märchen leben. Also hatte er das Anständige getan und sie freigegeben. Und er hatte keinen Grund gesehen, warum er ihren Eltern nicht trotzdem helfen sollte.

Um genau zu sein, er hatte demnächst alles in die Wege leiten wollen. Bis er heute Abend Elena getroffen hatte. Da hatte er seine Meinung abrupt geändert. Elena wäre genau die richtige Ehefrau für ihn. Er brauchte nur an ihren wundervollen Körper zu denken, und er wusste, dass er sie in seinem Bett haben musste.

Also: Keine Elena, keine Fusion.

Er konnte sich vorstellen, wie besorgt ihre Eltern sein mussten. Sie konnten ja nicht wissen, dass er der Fusion auch ohne Heirat mit Reina zugestimmt hätte. Vielleicht war Elena ja deshalb hier. Weil ihre Eltern sie davon zu überzeugen versuchten, den Platz der Schwester einzunehmen!

Bei dem Gedanken musste er lächeln. Dann konnte er sich entspannt zurücklehnen und brauchte nur abzuwarten.

Natürlich könnte er die Sache auch ein wenig beschleunigen. Elena würde bestimmt nicht sofort zustimmen. Wahrscheinlich kümmerte es sie nicht einmal, ob die Bank ihrer Eltern unterging. Sie hatte ihnen ja den Rücken gekehrt, und der Himmel allein wusste, was sie in Amerika so alles trieb.

Nun, das sollte ihm gleich sein. Sie war eine faszinierende Frau, und er wollte sie in seinem Bett. Jede Nacht.

Mit einem Lächeln auf den Lippen schlief Vidal ein.

Nachdem sie Vidal getroffen hatte, war Elena noch überzeugter, dass eine Heirat mit ihm völlig außer Frage stand. Den jungen Mann, an den sie sich erinnerte, gab es nicht mehr, stattdessen troff ihm jetzt Weltgewandtheit und Selbstsicherheit aus jeder Pore wie eine zerstörerische Droge.

Sein dichtes schwarzes Haar, das sich früher immer geweigert hatte, sich zähmen zu lassen, lag jetzt perfekt geschnitten um seinen Kopf, seine muskulöse Gestalt verriet die Stunden, die er im Fitnessstudio zubrachte. Seine Augen hatten sich nicht verändert, das Grau war noch immer erstaunlich attraktiv. Doch seine Arroganz ärgerte sie maßlos. Er mochte der Präsident von El Banco de Marquez sein, aber sein Benehmen ihr gegenüber hatte sich um keinen Deut verbessert.

Ihr vorzuhalten, sie hätte die Eltern im Stich gelassen! Sie rief jeden Tag zu Hause an und besuchte die beiden, so oft es ihr möglich war! Ihre Eltern hatten nie ein Wort des Vorwurfs verlauten lassen, im Gegenteil. Immer wieder beteuerten sie, wie stolz sie auf die Tochter seien, die aus eigener Kraft etwas aus ihrem Leben gemacht hatte.

Und genau deshalb verstand Elena nicht, wieso die beiden wollten, dass sie dieses Leben aufgab, um Vidal zu heiraten.

Was für eine Ehe könnte das schon werden, wenn er in ihr noch immer nur Reinas kleine Schwester sah? Er würde nie akzeptieren, dass sie erwachsen und eine erfolgreiche Geschäftsfrau geworden war.

Sie konnte sich nichts Schlimmeres vorstellen als eine Ehe mit ihm. Er mochte umwerfend gut aussehen, und er mochte auch einer der reichsten Männer Spaniens sein, doch was den Rest anging …

2. KAPITEL

„Ich fürchte, ich verschwende nur deine Zeit – und meine.“

Elena hielt das Kinn hoch erhoben, ihre Augen blitzten. Vidal hatte heute früh am Morgen angerufen. Sie müssten miteinander reden, hatte er gesagt.

Und so saßen sie nun in einem kleinen Restaurant in einer der vielen engen Gassen Sevillas beim Frühstück zusammen, und Elena war über ihre unerwartete und vor allem unerwünschte Reaktion auf diesen Mann entsetzt.

Er sah frisch und ausgeruht aus, als hätte er acht Stunden geschlafen, dabei konnte seine Nacht nicht mehr als vier Stunden gedauert haben. Das Galadinner hatte sich endlos in die Länge gezogen, es war noch bis frühmorgens getanzt worden, und Vidal war als einer der Letzten gegangen. Sie hatte auch dazugehört. Weil so viele Leute unter den Gästen gewesen waren, die sie schon seit Jahren nicht mehr gesehen hatte.

Und während sie mit allen lachte und redete, hatte Vidal sie keine Minute aus den Augen gelassen. Natürlich hatte sie so getan, als bemerke sie es nicht. Sie hatte ihn ignoriert und war gegangen, ohne sich von ihm zu verabschieden.

Doch aus einem unerfindlichen Grund schwelte seit dem Moment, als sie ihn heute Morgen erblickt hatte, ein völlig irrationales, gefährliches Feuer in ihr, das sie fast in Panik versetzte.

Sie versuchte sich damit zu beruhigen, dass es Ärger und Abneigung war, was sie verspürte, und fragte sich, warum sie die Einladung zum Frühstück überhaupt angenommen hatte.

„Wie kommst du darauf, dass du meine Zeit verschwendest?“ Seine Stimme klang wie ein tiefes Knurren, und er blickte sie an, als wolle er sie mit seinen grauen Augen hypnotisieren. „Ich kann mir keine bessere Art vorstellen, den neuen Tag zu beginnen. Wie ich schon gestern sagte, Elena, du bist zu einer außergewöhnlich schönen Frau herangewachsen.“

„Die du fast nicht erkannt hättest“, ergänzte sie kühl. „Ich hatte keinerlei Schwierigkeiten, dich wiederzuerkennen.“

„Ich fühle mich geschmeichelt.“ Doch der Ausdruck in seinen Augen besagte das genaue Gegenteil.

„Das hat mit Schmeichelei nichts zu tun“, gab sie zurück. „Ich hätte blind sein müssen, damit mir nicht auffällt, wie du mich den ganzen Abend anstarrst. Hast du dir überlegt, ob ich eine bessere Alternative bin als meine Schwester?“ Als er die Stirn runzelte, beeilte sie sich, hinzuzufügen: „Meine Eltern haben mich über die Situation aufgeklärt. Ich vermute, deshalb sitze ich auch jetzt hier, oder?“

Vidal spreizte die Finger vor sich. „Schuldig im Sinne der Anklage.“

„Gehst du etwa davon aus, ich würde zustimmen?“ Dann konnte er nicht bei Verstand sein. Nicht in einer Million Jahre würde sie diesen Mann heiraten.

In Los Angeles war sie mit Männern ausgegangen, aber es war nie etwas Ernstes gewesen. Sie hatte gar keine Zeit für eine ernste Beziehung. Der Ausbau ihres Geschäfts beanspruchte ihre volle Aufmerksamkeit, und sie würde sich von nichts und niemandem ablenken lassen.

„Nein“, antwortete er zu ihrer Verwunderung. „Ich kann mir keine Frau vorstellen, die auf so etwas eingehen würde.“

Erleichtert atmete sie auf. Er verstand sie also! Sie hatte ihm Unrecht getan. Das Lächeln kam ganz von allein, und sie wollte ihm gerade sagen, wie froh sie sei, dass er es ebenso sah wie sie, als seine nächsten Worte sie schockierten.

„Es sei denn natürlich, eine Frau verspräche sich eigene Vorteile.“

Ihre Augen sprühten Funken. „Ich brauche nichts von dir, von keinem Mann. Ich bin durchaus in der Lage, für mich selbst zu sorgen.“ Am liebsten hätte sie ihn für die Unterstellung, sie sei derart berechnend, geohrfeigt.

„Oder es handelt sich um eine pflichtbewusste Tochter, die ihren Eltern helfen will und deshalb einer Heirat zustimmt? Und ich denke, das bist du.“

Seine selbstsichere Arroganz machte Elena wütend. „Natürlich mache ich mir um meine Eltern Sorgen. Hättest du auch nur einen Funken Anstand, würdest du die Fusion auch ohne diesen ganzen Unsinn durchgehen lassen. Als meine Eltern mir eröffneten, dass es sich um eine arrangierte Ehe handelte, war ich entsetzt. Ich dachte, Reina liebt dich, und ich war glücklich für sie. Jetzt kann ich es ihr nicht verübeln, dass sie sich abgesetzt hat. Die Ehe hätte niemals funktioniert, nicht ohne Liebe. Und deshalb würde auch eine Ehe zwischen uns nicht funktionieren. Wir sind Fremde füreinander.“

Zu gern wäre sie aufgestanden und gegangen. Zumindest wusste sie jetzt, wie sehr er die Bank ihrer Familie haben wollte. Er war sogar zu einer Ehe bereit, nur um sie in seine Finger zu bekommen.

„Es könnte Spaß machen, einander kennenzulernen.“ Die leisen Worte hingen zwischen ihnen in der Luft, und ein kleines Lächeln spielte um Vidals Mundwinkel.

„Spaß?“ Elena fand es schwierig, ihre Stimme ruhig zu halten. „Wie sollte das Zusammenleben von zwei Menschen, die einander nicht ausstehen können, Spaß machen?“

Das Lächeln wurde breiter. „Vielleicht interpretieren wir es ja unterschiedlich.“

„Genau. Meiner Ansicht nach wäre es die Hölle“, fauchte sie. „Offenbar bist du derjenige, der berechnend ist. Wieso wärst du wohl sonst bereit, alles zu tun, um die Bank meiner Eltern zu übernehmen, einschließlich der Heirat mit einer Frau, die du verabscheust?“

Vidals Züge wurden hart. „Das denkst du also von mir? Lass mich dir versichern, wenn ich deinen Eltern nicht aus ihren Schwierigkeiten helfen wollte, würde ich es nicht tun. Glaubst du etwa, ich will eine Frau wie dich heiraten? Die ihre Familie im Stich gelassen hat? Sag, was treibst du drüben in den Staaten überhaupt? Soweit ich mich erinnere, war dein Spaß dir immer am wichtigsten.“

Elena traute ihren Ohren nicht. Und das ausgerechnet von Vidal?! Er tat nichts, um ihr sympathischer zu werden, im Gegenteil! Zu gerne wäre sie aus dem Restaurant gestürmt, doch diese Genugtuung gönnte sie ihm nicht.

„Dir muss ich gar nichts sagen“, fauchte sie mit hoch erhobenem Kopf. „Denk doch, was du willst. Das ändert nichts daran, dass der Gedanke an eine Heirat mit dir mich mit Grausen erfüllt. Meine Eltern kennen meine Einstellung. Ich denke, sie hoffen darauf, dass du das Anständige tust und der Fusion dennoch zustimmst.“

„Netter Versuch, Elena.“ Seine Augen wirkten wie kalter Stahl. „Aber solltest du eine Heirat mit mir ablehnen, ist die Fusion geplatzt.“

Elena stieß zischend die Luft aus. Das Ganze war ein Albtraum! „Woraus bist du gemacht, Vidal? Sicher nicht aus Fleisch und Blut. Du hast nicht das geringste Mitgefühl, du bist erbarmungslos und nur auf Profit bedacht. Meinst du, einen solchen Mann würde ich heiraten?“

„Ich bin heute nicht da, wo ich bin, weil ich nachgiebig wäre“, knurrte er. „Entweder du heiratest mich, oder deine Eltern verlieren die Bank. So einfach ist das.“

Einfach nannte er das? Das war Erpressung. Er benutzte sie, um zu bekommen, was er wollte. Reina hatte ihn versetzt, also war die Reihe jetzt an ihr. „Dir ist gleich, wen du verletzt, nicht wahr? Solange du nur bekommst, was du willst. Alles für dein Ego und noch mehr Geld für deine Bank. Grundgütiger, wie ich dich hasse!“

Vidal zuckte nur gleichmütig mit den Achseln. „Jeder hat das Recht auf seine Meinung.“

Ihre Worte perlten an ihm ab wie Wasser vom Gefieder einer Ente. Heiße Rage tobte in Elena. „Du bestreitest es nicht einmal?“

Vidal verzog den Mund. „Ich denke, wir sollten diese ganze Unterhaltung vergessen und uns wieder unserem Frühstück zuwenden.“

Es musste einfach eine andere Möglichkeit geben, ihn dazu zu bewegen, den Deal zu realisieren. Vielleicht hätte sie nicht so hitzköpfig reagieren sollen? Vielleicht hätte sie netter sein sollen, anstatt von Anfang an auf Konfrontation mit ihm zu gehen? Sie hatte die falsche Taktik gewählt. Elena atmete tief durch, um sich zu beruhigen. „Du hast recht. Genießen wir unser Essen.“

Doch „genießen“ war ein Wort, das im Zusammenhang mit Vidal Marquez nicht machbar war. Elena knabberte lustlos an ihrem Toast und nippte an ihrem Kaffee. Keiner von ihnen erwähnte die Heirat oder die Fusion mit einem weiteren Wort. Sie beide gaben sich Mühe, höflich und zivilisiert zu bleiben, doch die Feindseligkeit lauerte unter der Oberfläche, wartete darauf, bei dem kleinsten falschen Wort zum Sprung anzusetzen.

Doch nichts dergleichen passierte. Die Höflichkeit hielt bis zum Schluss, und nach dem Frühstück fuhr Vidal Elena nach Hause.

Als sie ausstieg, sagte er: „Es war ein Fehler von mir, Geschäftliches beim Frühstück anzusprechen. Komm morgen in mein Büro, dann können wir die Dinge in aller Ruhe bereden.“

Elena wollte ihn zur Hölle wünschen. Hatte sie sich nicht deutlich genug ausgedrückt? Es gab nichts zu bereden. Doch da war er schon davongebraust, und mit gerunzelter Stirn starrte sie auf die Rücklichter seines schnittigen Wagens.

Ihre Eltern warteten bereits auf sie, als sie ins Haus zurückkam, und so erklärte sie ihnen, dass Vidal und sie zu keiner Entscheidung gekommen seien. Ihrer Mutter war die Enttäuschung anzusehen, und Elena wollte die Arme um sie legen und ihr versichern, dass sie einen anderen Weg finden würde.

Doch einen anderen Weg gab es nicht. Ihr Geschäft mit dem Ausrichten von Hochzeiten lief gut, aber sie besaß lange nicht die Ressourcen, die für die Rettung der Familienbank nötig waren. Hier ging es um andere Dimensionen.

Am nächsten Tag machte Elena sich sorgfältig für das Treffen mit Vidal zurecht. Sie wusste, sie würde eine Rüstung brauchen, wollte sie kühl und gelassen bleiben. So wählte sie ein strenges schwarzes Kostüm und eine helle Bluse, vervollkommnete das Bild mit hohen Pumps. So würde sie ihm fast auf Augenhöhe gegenüberstehen.

Der Arbeitstag war bereits zu Ende, und sie würden sich im Heiligtum der Bank treffen, dem Konferenzsaal, in dem auch die Vorstandssitzungen stattfanden. Absichtlich verspätete Elena sich um ein paar Minuten. Sollte Vidal derjenige sein, der ungeduldig mit den Fingern auf den Tisch trommelte, nicht sie!

Schon draußen vor der Tür konnte sie seine Schritte hören, während er in dem großen Raum auf und ab marschierte. Einen Moment lang blieb sie stehen und lauschte.

Obwohl sie sich geschworen hatte, ruhig zu bleiben, beschleunigte sich ihr Puls. Niemand konnte bestreiten, dass Vidal Marquez ein äußerst attraktiver Mann war. Unter anderen Umständen könnte sie sich sogar vorstellen, ihn interessant zu finden. Doch so, wie die Dinge lagen, war er der verabscheuungswürdigste Mensch auf Erden. Nichtsdestotrotz hatte sie ihre Miene unter Kontrolle, als sie die Türklinke drückte und die Tür aufschob.

„Ich dachte schon, du würdest nicht mehr kommen.“

Im Gegensatz zu ihrem strengen Aufzug hatte er lässig die Hemdsärmel aufgerollt, die muskulöse Unterarme freigaben, und seine Krawatte gelockert. Die obersten beiden Knöpfe seines Hemdes standen offen, sein Jackett hing über einer Stuhllehne. Fast wünschte Elena, sie wäre nicht so formell angezogen.

„Ich habe meine Meinung nicht geändert“, sagte sie mit hoch erhobenem Kinn.

Mit einer solchen Eröffnung hatte er offensichtlich nicht gerechnet. Seine Züge verhärteten sich sofort. „Also war dein Kommen eigentlich nutzlos.“ Er seufzte. „Was sagen deine Eltern zu deiner Entscheidung? Oder wissen sie es noch nicht?“

Elena zuckte mit einer Schulter. „Ich habe ihnen nichts gesagt. Ich dachte, dass wir vielleicht doch zu einer Regelung kommen können, die alle zufriedenstellt.“ Vidal kniff die Augen zusammen, und sie wusste, sie verschwendete hier nur ihre Zeit.

„Du hast mir gestern offensichtlich nicht zugehört. Ohne Heirat passiert nichts.“ Er stand vor dem Fenster, eine dunkle Silhouette vor dem Licht, und seine Augen glitzerten hart. „Du vergeudest meine Zeit, Elena. Wenn du mir nichts anderes zu sagen hast, kannst du gleich wieder gehen.“

Sie musste es ein letztes Mal versuchen. „Du bist unvernünftig.“ Ein Schauer rann ihr über den Rücken. Vidal war ein Mann wie kein anderer. Auch wenn sie am liebsten auf dem Absatz kehrtgemacht hätte, nahm sie sich zusammen und schaute ihm offen ins Gesicht, während sie sich gleichzeitig weigerte, die unwillkommenen Gefühle zu analysieren, die sie überschwemmten.

„Ich schlage vor, du fängst bei dir an, Elena“, sagte er gefährlich leise. „Ich halte mein Angebot sogar für sehr vernünftig.“

„Einen Mann zu heiraten, den ich unsympathisch finde, soll vernünftig sein?“ In welcher Welt lebte dieser Mensch?!

„Wenn du deinen Eltern helfen willst, schon.“ Er hielt den harten Blick fest auf sie gerichtet. „Aber es überrascht mich nicht. Du hast noch nie viel für sie getan.“

Das war jetzt das dritte Mal, dass er ihr vorwarf, sich nicht um die Eltern zu kümmern. Stünde der Tisch nicht zwischen ihnen, hätte sie ihn geohrfeigt. „Du hast nicht die geringste Ahnung, Vidal“, presste sie wütend hervor. „Aber ich werde einen Weg finden, irgendwie, um ihnen aus den Schwierigkeiten zu helfen. Und zwar ohne dich. Ich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen, als mich an einen Mann wie dich zu binden.“

Damit drehte sie sich um und stürmte aus dem Zimmer. Vidal hielt sie nicht zurück.

Schon auf dem Korridor hörte sie das Telefon in dem Saal klingeln, dann Vidals tiefe Stimme. Und im nächsten Augenblick rief er nach ihr.

„Elena! Es ist für dich. Dein Vater.“

Ihr stockte das Herz. Wenn ihr Vater hier anrief, musste es einen dringenden Grund geben. Sie kam zurück und hielt sich den Hörer ans Ohr. „Papá, was ist passiert?“

„Deine Mutter“, antwortete ihr Vater gepresst. „Ich wollte dich bei einer so wichtigen Unterredung nicht stören, aber … Sie wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Ich mache mir große Sorgen um sie, es geht ihr nicht gut. Ich dachte, du würdest es wissen wollen …“

Elenas Herz schlug heftig. „Natürlich. Bist du jetzt bei ihr?“

„Sì.“

„Ich komme zu euch, so schnell ich kann. Wissen die Ärzte schon, was mit ihr ist?“

„Nein, die Untersuchungen laufen alle.“

Vidal hatte die Unterhaltung mitgehört. Als Elena das Telefon zurücklegte, bestand er darauf, sie zur Klinik zu fahren.

„Ich habe einen eigenen Wagen“, protestierte sie.

„Sicher, aber du bist nicht in der Verfassung, dich hinters Steuer zu setzen.“

Nur unwillig gab sie nach, und während der Fahrt in der Limousine schwieg sie beharrlich.

„Meine Mutter war nie krank“, murmelte sie, als der Chauffeur den Wagen schließlich vor dem Krankenhaus anhielt.

„Ich bin sicher, sie kommt wieder in Ordnung.“ Stützend hatte Vidal den Arm um Elenas Schultern gelegt, als sie jetzt die Korridore entlangeilten. Elena dachte nicht einmal daran, seinen Arm abzuschütteln, sie brauchte den tröstenden Kontakt zu einem Menschen.

Im Wartebereich stießen sie zu ihrem Vater, der unruhig auf und ab marschierte. Tränen stiegen ihm in die Augen, als er Elena umarmte.

„Gibt es schon etwas Neues?“, fragte sie sofort. „Was ist überhaupt passiert? Sie war doch völlig in Ordnung, als ich ging.“

Ihr Vater nickte. „Sie ist beim Kochen kollabiert. Ich weiß nicht, was mit ihr ist. Wie lang dauert das denn noch?“ Er schaute auf seine Armbanduhr, wohl zum hundertsten Mal, wie Elena annahm. „Niemand hier sagt mir etwas.“

„Ich finde es heraus“, verkündete Vidal entschieden.

Elena war sogar froh, dass Vidal die Initiative übernahm. Ihr Vater, ein immer so starker und fähiger Mann, wirkte regelrecht verloren. Doch bevor Vidal sich noch in Bewegung setzen konnte, kam ein Arzt auf die kleine Gruppe zu.

„Ihre Frau ist jetzt stabil“, sagte er zu Elenas Vater. „Allerdings haben wir eine Herzrhythmusstörung bei ihr festgestellt, die durch Stress verschlimmert wird. Sie erzählte uns, dass sie in letzter Zeit unter erheblichem Druck stand, erwähnte aber auch, dass das Problem nun gelöst sei. Wir hoffen also, dass ein solcher Schwächeanfall nicht wieder vorkommen wird. Aber Sie müssen acht auf sie geben, Señor Valero. Keinen Ärger und keine Sorgen mehr, verstehen Sie?“

„Vielen Dank, Doktor.“ Er nickte zustimmend. „Ich werde mich um sie kümmern.“

Sobald der Arzt gegangen war, schlang Elena die Arme um ihren Vater. „Ich wusste nie, dass Mamá krank ist. Wir müssen darauf achten, dass sie sich wieder erholt, und dürfen ihr keinen Grund zur Sorge geben.“

Ihr Vater sah von ihr zu Vidal und wieder zurück. „Diese Macht liegt ganz allein bei dir, mein Kind. Wirst du sie nutzen?“

3. KAPITEL

Vidal beobachtete Elena, während sie nach einer Antwort auf die Frage ihres Vaters suchte.

Sie sah nicht nur atemberaubend gut aus, sie konnte sich auch behaupten. Das mochte er besonders an einer Frau. Jedes Mal, wenn sie sich trafen, spielten seine Hormone verrückt, und er begehrte sie mit einer Intensität, die unmöglich gesund sein konnte.

Reina war so anders. Auch sie war schön, aber er hatte niemals das verspürt, was er jetzt für Elena fühlte. Er und Reina hatten nie miteinander geschlafen, selbst wenn es für Außenstehende anders ausgesehen haben musste.

Papá, ich habe gute Neuigkeiten. Gerade als du anriefst, wollte ich Vidal sagen, dass ich bereit bin, seine Frau zu werden.“ Elena drehte sich zu Vidal um, forderte ihn mit ihrem Blick heraus, ihr zu widersprechen.

Doch er setzte sofort ein Lächeln auf und zog sie an seine Seite. Nur gut, dass ihr Vater ihr Gesicht nicht sehen konnte. Denn mit blitzenden Augen ließ sie ihn wissen, dass sie zwar aufgrund der Situation zustimmte, aber keineswegs gedachte, das Bett mit ihm zu teilen.

Wie naiv sie doch war! Glaubte sie, er würde sich damit zufriedengeben? Falls ja, dann schätzte sie ihn falsch ein. Es würde sicherlich interessant werden, ihr ihren Irrtum klarzumachen.

„Du hast dich richtig entschieden“, flüsterte er ihr ins Ohr. „Ich wusste, dass du doch noch Vernunft annehmen würdest.“

„Mi querida.“ Ihr Vater umarmte sie bewegt. „Du machst mich so froh. Und deine Mutter auch, das weiß ich. Sie wird erleichtert sein. Sie kam um vor Sorgen. Du bist eine gute Tochter. Ich bin stolz auf dich.“

„Ich bin auch stolz auf sie“, meinte Vidal. „Ich gebe zu, sie musste erst überzeugt werden. Aber das ist verständlich, schließlich hat sie ihr eigenes Leben in Amerika. Doch als liebende Tochter stellt sie natürlich die Eltern über alles.“ Wieder zog er sie an sich, beugte sich vor und berührte ihre Lippen.

Elena versteifte sich, dennoch hob Vidal den Kopf mit einem zufriedenen Lächeln. Ja, es würde ein wenig Anstrengung kosten, die Lady vom Gegenteil zu überzeugen.

Die erste Hürde war genommen, doch es würden noch viele weitere folgen, dessen war er sich bewusst. Genau wie er sich bewusst war, dass sein wohlgeordnetes Leben von jetzt an auf den Kopf gestellt werden würde.

Er freute sich schon darauf!

Erst als sie auf dem Weg zur Bank waren, um Elenas Wagen abzuholen, machte Elena sich Luft. „Glaub nur nicht, ich bin froh darüber, dass der Gesundheitszustand meiner Mutter mich zu einer Zustimmung gezwungen hat.“

„Das habe ich keine Sekunde lang angenommen“, erwiderte er ruhig. „Aber ich bewundere dich dafür, dass du dem Wunsch deiner Eltern Vorrang gibst.“

„Mir blieb keine andere Wahl.“

„Keinem von uns beiden blieb eine Wahl. Nicht, wenn wir die Bank deiner Eltern retten wollen.“

War das sein Motiv? Oder ging es ihm nicht doch eher um den eigenen Profit? „Nichtsdestotrotz möchte ich ein paar Grundregeln festlegen.“

Er hob eine Augenbraue. „Ich glaube nicht, dass du in der Position bist, Bedingungen zu stellen, Elena.“

Ihr Herz lag wie Blei in ihrer Brust. Ja, was auch immer sie sagte, es würde keinen Unterschied machen. Vidal würde tun, was er tun wollte. Sie holte tief Luft. „Ich brauche deine Zusicherung, dass diese Ehe nur auf dem Papier bestehen wird.“

„Oh nein, Elena.“ Sein Blick haftete entschieden auf ihr. „Wie könnte ich eine so schöne Frau wie dich heiraten und dann nicht mit ihr schlafen? Was du da vorschlägst, wäre die reine Folter.“

Er hatte sie in die Ecke gedrängt, und er wusste es. Es verschlug Elena die Sprache. „Ich fasse es nicht, dass du so etwas sagst“, brachte sie schließlich hervor. „Wir kennen uns doch kaum. Wie kannst du da …?“

„Querida.“ Seine Stimme klang sanft. „Wir kennen uns fast unser ganzes Leben. Als Kinder haben wir zusammen gespielt.“

„Nein, Fernan war mein Freund, nicht du. Du warst zu alt. Du hast mich gar nicht beachtet.“

„Aber du bist mir aufgefallen.“

„Und dann hast du mich jedes Mal verjagt, und ich bin weggerannt. Das möchte ich jetzt auch tun.“ So weit wie nur möglich. Zurück nach Amerika.

„Aber das wirst du nicht, nicht wahr? Wegen der Gesundheit deiner Mutter. Vielleicht kann ich dich ja davon überzeugen, dass es lange nicht so schwer sein wird, wie du dir vorstellst.“

Triumph glitzerte in seinen Augen, als er den Arm um ihre Schulter legte und sie enger zu sich heranzog. Elena fühlte sich wie versteinert. Sie wollte zurückweichen, doch es war ihr unmöglich. Sie konnte nur erstarrt mitverfolgen, wie sein Gesicht ihrem immer näherkam. Sie sah den entschlossenen Ausdruck in seinem grauen Blick, starrte auf seinen schönen sinnlichen Mund …

Sie erwartete ihr Schicksal, und sie konnte nicht mehr tun, als sich nicht anmerken zu lassen, was in ihrem Inneren vor sich ging, als seine Lippen sich leicht öffneten und nur Millimeter vor ihrem Mund verharrten.

War es Enttäuschung, was sie fühlte, weil er sie nicht küsste? Weil er ihr Gesicht umfasste und mit dem Daumen über ihre Unterlippe strich, leicht nur, sacht wie Schmetterlingsflügel?

Ihr fester Vorsatz war dahin. Ihr Mund öffnete sich willig, ihr Kopf fiel in den Nacken.

Eine unmissverständliche Einladung, und Vidal nahm sie an. Als ihre Lippen sich trafen, da wusste Elena, dass es ihr unmöglich sein würde, Tag für Tag mit ihm zu leben und dennoch nicht mit ihm zu schlafen. Die sofortige Verbindung zwischen ihnen ließ sich nicht verneinen, auch wenn Elena nicht wusste, worauf diese beruhte.

Und wenn sie diesen Mann schon heiratete, warum sollte sie dann nicht auch das meiste herausholen? Vidal war ein Mann, dem keine Frau widerstehen konnte.

Ihr Schicksal war besiegelt.

„Ich bin jedoch gewillt, so lange zu warten, bis du bereit bist.“

Ihre Augen weiteten sich. Hatte er denn nicht gerade gemerkt, wie sie auf ihn reagierte? Es war ein leeres Versprechen. Vidal würde nicht warten. Er war ein viriler Mann, der eine Frau brauchte.

„Und ich werde dich nur für ein Jahr in der Ehe festhalten. Danach bist du frei zu gehen und kannst dein Leben wieder aufnehmen, als wäre nie etwas passiert.“

„Wie nobel von dir.“ Wie einfach er das klingen ließ! Ein Jahr war nicht lang. Auf der anderen Seite war der Gedanke unerträglich, zwölf Monate lang ihre Freiheit aufzugeben. Ein Jahr an einen Mann gefesselt zu sein, würde ihr wie eine Ewigkeit vorkommen.

Außerdem … wie sollte ihr Geschäft so lange ohne ihre Anwesenheit weiterlaufen? Daran dachte keiner.

Obwohl … Kate, ihre Assistentin, war mehr als fähig. Sie könnte problemlos übernehmen und würde es mit links erledigen. Es gab also keinen wirklichen Grund, warum sie, Elena, Vidal nicht heiraten sollte.

Am nächsten Tag flog Elena nach L. A. Und schockierte Kate mit der Neuigkeit, dass sie heiraten würde.

„Kannst du dich eine Zeit lang um das Geschäft kümmern?“, fragte sie, sagte ihrer Assistentin aber nicht, dass es sich dabei um ein ganzes Jahr handelte.

„Ob ich kann?“ Kate strahlte. „Nimm dir frei, solange du willst. Du kannst ganz beruhigt sein. Du weißt, alles ist in bester Hand. Oh, das wird fantastisch! Sag, war es Liebe auf den ersten Blick? Himmel, das ist so romantisch!“

Elena schüttelte den Kopf. „Nein, ich hatte nie vor zu heiraten. Glaub mir, für mich ist es ein ebensolcher Schock wie für dich.“

Und der Schock hielt auch weiterhin an, als Elena schon wieder in Spanien zurück war. Vidal holte sie vom Hause der Eltern zum Dinner ab. Ihre Mutter, die sich erholt hatte und aus der Klinik entlassen worden war, flatterte aufgeregt um Vidal herum, Elenas Vater war die Dankbarkeit anzusehen, aber Elena selbst konnte Vidal nicht ins Gesicht schauen. Ihr Herz klopfte, als wollte es ihr aus der Brust springen.

Vidal dagegen war die Ruhe selbst. „Sie werden entschuldigen, wenn ich Ihnen Elena jetzt entführe“, sagte er nonchalant. „Ihre Tochter und ich haben eine Hochzeit zu planen.“

Ihre Mutter überschlug sich schier. „Aber natürlich, Vidal. Und vielen, vielen Dank!“

Sobald sie in seiner Limousine saßen, gab es keine Ausweichmöglichkeit mehr für Elena. Bisher hatte sie sich strikt geweigert, ihn auch nur eines Blickes zu würdigen.

„Sieh mich endlich an, Elena.“

Nur unwillig wandte sie ihm das Gesicht zu. In L. A. hatte sie ständig an ihn denken müssen, und sobald sie ihn gesehen hatte, hatte seine Gegenwart sie überwältigt. Als sie jetzt in seine silbernen Augen blickte, fuhr ein Stromstoß durch sie hindurch. Die magische Anziehungskraft, die von ihm ausging, war mehr, als sie ertragen konnte. Sie musste vorsichtig sein.

Sehr vorsichtig sogar.

Weil es gefährliche Gefühle waren, die er in ihr weckte. Diese Ehe würde nicht echt sein. Elena durfte sich nicht in etwas verrennen und dann die Orientierung verlieren. Eine Ehe für ein Jahr. Zwölf Monate. 365 Tage. Mehr nicht. Danach wäre es vorbei. Sie und Vidal würden wieder getrennte Wege gehen, sobald der Job erledigt war.

Der Job! Auf was hatte sie sich da nur eingelassen? Wie sollte sie das durchstehen?

„Woran denkst du?“

„Dass ich völlig verrückt sein muss“, antwortete sie spontan.

„Dann bist du die schönste Verrückte, die ich kenne.“ Vidal hatte Elena nicht aus seinem Kopf bekommen können, ständig hatte er ihr Bild vor sich gesehen, Tag und Nacht. Die Sitzungen, an denen er teilgenommen hatte, gewährten ihm ein paar Stunden Ruhe, doch sobald er aus dem Konferenzsaal getreten war, schlich sich Elena schon wieder in seine Gedanken.

Er konnte es kaum abwarten, sie zu seiner Braut zu machen und endlich in die Arme ziehen zu können. Er wünschte, er könnte sie schon jetzt lieben, noch in dieser Minute, aber er wusste, wenn er zu sehr drängte, bestand die Gefahr, dass sie sich ganz zurückzog.

Gott, sie duftete verführerisch! Wie mochte das Parfüm wohl heißen? Wahrscheinlich Aphrodisiakum. So hatte er sich nicht mehr gefühlt, seit … Seit wann? Wenn er ehrlich war, hatte er sich noch nie so gefühlt.

Elena besaß eine innere Schönheit, eine geheimnisvolle Aura, und er wollte unbedingt alles über sie erfahren. Kaum zu fassen, dass nicht längst ein Mann sie für sich beansprucht hatte. Wie sie wohl als Geliebte sein mochte? Heißblütig und erfahren? Oder ein unbeschriebenes Blatt? Bei dem Gedanken meldete sich sofort ein Ziehen in seinen Lenden.

So viele Fragen, so vieles, was er über sie herausfinden wollte. Doch wo sollte er anfangen? Wie konnte er es schaffen, dass sie sich in seiner Gegenwart entspannte?

„Hast du Angst vor mir, Elena?“ Das war nicht das, was er hatte sagen wollen, doch die Worte waren heraus, bevor er sie zurückhalten konnte.

Der Pony fiel ihr über die Augen, als sie den Kopf zurückwarf. Es wirkte kokett, aber Vidal wusste, Koketterie war nicht Elenas Stil.

„Das denkst du also? Ich überlegte nur gerade, was wir überhaupt miteinander besprechen sollten. Unsere Familien können die Hochzeit ausrichten. Du und ich brauchen nicht mehr zu tun, als pünktlich zu erscheinen.“

„Nicht so, Elena.“ Ihre scheinbare Gleichgültigkeit ärgerte ihn. „Du musst ein Brautkleid auswählen, deine Brautjungfern bestimmen, und wir beide sollten zusammen die Ringe aussuchen. Dann ist da die Gästeliste – wir beide haben da etwas zu sagen. Natürlich überlasse ich unseren Familien gerne einen Teil der Planung, dennoch gibt es vieles für uns zu tun, damit es nach einer richtigen Heirat aussieht.“

„Es ist aber keine richtige Heirat“, konterte sie sofort.

„Das wird niemand erfahren.“ Eindringlich schaute er ihr in die Augen. „Niemand, hörst du?“

Sie nickte. „Trotzdem muss ich dich vorwarnen. Ich bin keine gute Schauspielerin.“

„Das ist auch nicht nötig“, knurrte er, und trotz seines Vorsatzes legte er die Hand an ihren Nacken und zog ihren Kopf heran, um sie zu küssen.

Elena hatte gewusst, was passieren würde, wenn er sie küsste. Deshalb hatte sie ja so sehr darauf geachtet, Distanz zu wahren. Doch nun war es zu spät. Sobald seine Lippen ihre berührten, loderten Flammen in ihr auf. Heiße Lava floss durch ihre Adern, als wäre ein Vulkan in ihr ausgebrochen. Als wartete ihr Körper schon ewig darauf, endlich zu erwachen.

Ein Stöhnen entfuhr Vidal, als er ihrer Reaktion gewahr wurde, und er vertiefte den Kuss. Der nun eine Kettenreaktion in Gang setzte. Elena konnte nicht glauben, dass das hier passierte. Eine warnende Stimme meldete sich, mahnte sie, sich zurückzuziehen.

In den seltenen Augenblicken, wenn Elena über eine Ehe nachgedacht hatte, hatte sie auch immer eine Idealvorstellung gehabt. Sie wünschte sich einen Mann, der die gleichen Ambitionen hatte wie sie, einen Mann mit dem Mut, neue Wege einzuschlagen und auch mal ein Risiko einzugehen. Sie hatte hart gearbeitet und mit ihrem Erfolg ihre wildesten Träume übertroffen.

Vidal hatte auch hart gearbeitet, aber er war im Bankgeschäft geblieben, war in die Fußstapfen des Vaters getreten. Eigentlich müsste ihn das in den Augen anderer langweilig machen.

Doch „langweilig“ war sicherlich kein Wort, um Vidal zu beschreiben. Niemand, der so gut aussah und so gut küsste, konnte als langweilig bezeichnet werden. Eher war Vidal der Fleisch gewordene Teufel. Ein Mann, dem es gelang, sie in Versuchung zu führen, ihren Willen zu brechen, ohne dass sie sich dessen überhaupt bewusst wurde.

Sein Kuss war nicht nur einfach ein Kuss, es war der Kuss aller Küsse. Und seine Lippen forderten nicht gierig, sondern waren zärtlich und lockend und daher umso verführerischer und gefährlicher. Denn es war Elena, die mehr wollte. Die das Verlangen in ihm schüren wollte, um den Beweis zu erhalten, dass er sie wirklich begehrte. Wie sonst sollten sie diese Ehe überhaupt führen können?

Als hätten ihre Wünsche sich auf Vidal übertragen, wurden seine Küsse fordernder. Seine Zunge erkundete die warme Höhle ihres Mundes, forderte ihre Zunge zu einem erotischen Tanz auf.

Ihr Körper brannte lichterloh, und Elena wusste, wären sie an einem passenderen Ort, würde sie ihn anflehen, sie zu lieben. Doch sobald sie den Kopf hob und die gleiche Qual, die sie fühlte, in seinem Gesicht erkannte, da wusste sie, dass sie nicht würde flehen müssen.

Wie sollten sie sich beim Dinner gegenübersitzen und so tun, als würden sie nicht viel lieber zusammen im Bett liegen?

Fast hatte sie Angst, Vidal anzusehen. Er jedoch hatte keine solchen Hemmungen.

„Ich glaube“, sagte er mit einem vielsagenden Lächeln in den Mundwinkeln, „ich werde es genießen, mit dir verheiratet zu sein, Elena Valero.“

4. KAPITEL

Vor der Hochzeit mit Elena zu schlafen stand völlig außer Frage, so sehr Vidal sie auch begehrte. Das Verlangen nach ihr trieb ihn schier in den Wahnsinn.

Nach diesem Kuss, diesem heißen, leidenschaftlichen Kuss auf dem Rücksitz der Limousine, hatte sie sich jedoch in einen Eisberg verwandelt, machte ihm überdeutlich klar, dass sie keine Wiederholung wünschte.

Vielleicht hatte sie sich ja mit ihrer Reaktion selbst erschreckt, er wusste es nicht. Allerdings wusste er, dass er keineswegs vorhatte, sich nach der Hochzeit auf Abstand halten zu lassen. Er war schließlich nicht aus Eis. Wie sollte ein Mann eine so schöne Frau nicht begehren, vor allem, wenn sie so küsste?

Es war der erstaunlichste und berauschendste Kuss gewesen. So etwas hätte er niemals erwartet. Und sie hatte sich damit verraten – Elena war eine heißblütige, leidenschaftliche Frau, die sie beide in eine Welt entführen konnte, in der nichts anderes zählte als erotische Empfindungen und überwältigender Sex. Schon jetzt stellte Vidal sich vor, dass sie jeden Tag zusammen etwas Neues erleben würden, so aufregend und faszinierend wie ein unerforschtes Universum.

Den Abend über hatten sie die Hochzeitsvorbereitungen besprochen, und in der Nacht hatte er prompt von ihr geträumt. Er tröstete sich damit, dass er ein ganzes Jahr haben würde, um ihren verführerischen Körper zu genießen, und danach wäre er bestimmt von dieser brennenden Sehnsucht nach ihr geheilt, daran zweifelte er keine Sekunde.

Sicher, er begehrte sie wie verrückt, aber eine Ehe auf lange Sicht? Es würde niemals funktionieren. Wie er durch das Wenige, das er von ihrer Schwester erfahren hatte, wusste, war Elena nach Amerika gegangen, um Spaß zu haben. Sie fühlte sich ihrer Familie nicht verpflichtet, und eine solche Frau würde niemals eine gute Ehefrau und Mutter abgeben. Ihm sollte es nur recht sein, er hatte noch keine Lust, mit einer eigenen Familie sesshaft zu werden.

Eine leidenschaftliche Geliebte für zwölf Monate, das war genau das Richtige für ihn. Er freute sich schon darauf. Elena in seinen Armen, jede Nacht. Sie reizte ihn wie keine andere, die er kannte. Alles in ihm schrie nach Erlösung.

Er würde diese Erlösung bekommen.

Elena war alles andere als glücklich, als Vidal am nächsten Tag darauf bestand, die Ringe kaufen zu gehen. Der Schock über sich selbst, wie sie auf seinen Kuss reagiert hatte, saß noch tief, und als die Limousine vor dem exklusivsten Juwelier in Sevilla hielt und sie beide in einen separaten Raum im hinteren Teil des Geschäftes geführt wurden, war sie noch nervöser.

Der Juwelier, ein guter Bekannter Vidals, holte einen Diamantring nach dem anderen hervor, und Elena fühlte sich immer unwohler. Wozu ein solch teurer Verlobungsring? Die Ehe war doch nur eine Farce.

Doch wie üblich setzte Vidal seinen Kopf durch. Er persönlich steckte ihr Ring um Ring an den Finger und zog ihn wieder ab, mit einer solchen Zärtlichkeit, dass sie am liebsten geschrien hätte. Ahnte er, welche Qualen er ihr mit seinen sanften Berührungen zufügte? Benahm er sich absichtlich wie der aufmerksamste Liebhaber aller Zeiten?

Letztendlich verließ Elena den Laden mit dem größten Solitär am Finger, den sie je gesehen hatte. Die schlichten Eheringe würden bis zum Tag der Hochzeit im Safe des Geschäftes warten.

„Es war falsch, mir diesen Diamanten aufzudrängen.“ Auf dem Rücksitz der Limousine drehte Elena nervös den Ring an ihrem Finger. Er fühlte sich schwer und fremd an. „Es ist ein protziges Symbol für etwas, das wir beide in Wahrheit nicht wollen. Keiner von uns will heiraten, wir retten die Bank, mehr ist es nicht.“

„Und du glaubst, die Bank deiner Eltern wäre keinen Ring wert?“

„Es war der teuerste im ganzen Geschäft. Es beeindruckt mich nicht, aber andere sollen wohl beeindruckt sein. An dem Ring sollen sie erkennen, wie sehr du mich liebst, nicht wahr? Wenn sie wüssten …“

Nur gut, dass die Trennscheibe zum Chauffeur hochgefahren war. Entsetzlich, sich vorzustellen, der Fahrer könnte diese Unterhaltung mitverfolgen.

„Du spielst nicht mit, Elena“, sagte Vidal gefährlich leise.

„Vermutlich, weil ich nicht daran gewöhnt bin, Spielchen zu spielen.“ Ihre wunderschönen Augen blitzten.

„Mm“, machte er nur. „Dann hast du wohl nie die richtigen Spiele gespielt. Vermutlich musst du noch eine Menge lernen.“

Er sah sie an, als wollte er sie küssen! Auf jeden Fall musste sie lernen, sich gegen ihn zu verteidigen. Vidal war gefährlich. Er überrumpelte ihre Sinne, entfachte ein solches Feuer in ihr, dass sie sich wünschte, irgendwo anders zu sein, nur nicht in seiner Nähe.

„Wir sollten einen Hochzeitsplaner anstellen“, änderte er abrupt das Thema. „Ich will kein Risiko eingehen. Alles soll absolut perfekt sein.“

Elena schüttelte den Kopf. „Spar dir dein Geld. Ich übernehme das. Dann habe ich wenigstens etwas zu tun.“

„Es wird eine große Hochzeit.“ Kritisch musterte er sie. „Ich bezweifle, dass du das alles schaffst.“

Ihre Augen schleuderten Blitze. Welch geringschätzige Meinung er von ihr hatte! „Mit dem Ausrichten von Hochzeiten verdiene ich meinen Lebensunterhalt.“ Würde er sich für sie interessieren anstatt für die Bank ihrer Eltern, hätte er es längst herausgefunden!

„Du arbeitest für eine Firma, die Hochzeiten plant?“ Dumme Frage! Hatte sie das nicht gerade gesagt? Wieso hatte er sie eigentlich nie danach gefragt, was sie in Amerika machte? Er ärgerte sich über sich selbst.

Nun, vermutlich weil diese Heirat lediglich Mittel zum Zweck war. Ein Geschäft, ein Vertrag über zwölf Monate. Mit Liebe und Romantik hatte es schließlich nichts zu tun. Und bei einem normalen Geschäft kannte er ja auch nicht sämtliche persönlichen Details des Partners. War das hier nicht das Gleiche?

Etwas jedoch sagte ihm, dass es nicht das Gleiche war. Und es gefiel ihm nicht, ganz und gar nicht.

Elena hob ihr Kinn. „Mir gehört die Firma.“

Jetzt fühlte er sich noch unwohler. „Und du gibst das Geschäft auf, um deinen Eltern zu helfen?“

„So ähnlich“, gab sie zur Antwort. „Natürlich interessiert dich das nicht wirklich, oder?“

Wenn sie sich erlauben konnte, ein Jahr auszusetzen, sagte das nichts Gutes über ihre Firma aus. „Ich nehme an, deine Auftragsbücher sind nicht gerade voll?“

„Im Gegenteil“, schoss sie sofort zurück. „Wir sind komplett ausgebucht. Ich bin sogar sehr erfolgreich mit dem, was ich tue.“

„Ich verstehe.“

Mehr sagte er nicht. Sie musste ihn überrascht haben. Zum ersten Mal seit dieser unglückseligen Geschichte mit der Hochzeit fühlte sie sich gut. „Glücklicherweise habe ich eine zuverlässige Assistentin, die für mich übernimmt, solange ich nicht vor Ort bin. Könnte ich mich nicht absolut auf Kate verlassen, wären die Dinge vielleicht anders ausgegangen. Du glaubst, ich will nur meinen Spaß haben, doch du täuschst dich, Vidal. Ich arbeite hart. Und ich bin nicht glücklich, dass ich mein Geschäft zwölf Monate im Stich lassen muss.“

„Erzähle mir von L. A.“ Seine silbernen Augen hielten ihren Blick gefangen. „Ich war noch nie dort.“

„Dann solltest du es nachholen. Es ist eine Stadt voller Leben, sehr kosmopolitisch. Und man hört überall Spanisch. L. A. bietet fantastische Einkaufsmöglichkeiten, besitzt ein faszinierendes Nachtleben, und die Menschen sind sehr freundlich. Zu meinem Kundenstamm zählen Filmstars und Geschäftsleute.“

„Also verkehrst du in den Kreisen der Reichen und Schönen. Ich bin beeindruckt.“ Sein Tonfall ließ auf das genaue Gegenteil schließen. „Mir war nicht klar, dass du ein solcher Überflieger bist. Niemand hat ein Wort darüber verloren, nicht einmal deine Schwester.“

„Weil du nie Interesse an mir gezeigt hast. Ich glaube auch nicht wirklich, dass du Mitleid mit meinen Eltern hast. Meiner Meinung nach geht es dir hauptsächlich darum, dir die Bank einzuverleiben.“

Vidal warf ihr einen vernichtenden Blick zu. „Wenn du so denkst, dann lass uns die ganze Sache vergessen. Niemand zwingt uns. Es ist deine Entscheidung. Wenn du deine Eltern im Stich lassen willst …“

Elena wünschte, sie hätte den Mund gehalten. Wenn sie jetzt absagte, würden nur ihre Eltern leiden, vor allem ihre Mutter. Das konnte sie ihnen nicht antun. „Entschuldige.“ Sie schluckte ihren Stolz hinunter. „Ich hätte das nicht sagen sollen. Natürlich müssen wir das mit der Heirat durchziehen.“

Lange schaute er sie an, dann nickte er. „Ich bin nicht gierig, Elena, auch wenn du das denken magst. Ich bin Geschäftsmann, und die Fusion ist ein gutes Geschäft. Jetzt, wo ich weiß, dass du ebenfalls Geschäftssinn hast, möchte ich dir einen Vorschlag machen.“

Argwöhnisch kniff sie die Augen zusammen. Ein Vorschlag von Vidal konnte nur mehr Probleme bedeuten.

„Wie wäre es, wenn du für die Dauer unserer Ehe für mich arbeitest? Nach den zwölf Monaten wirst du dich natürlich wieder um deine eigene Firma kümmern wollen, aber solange hättest du etwas zu tun. Deine organisatorischen Fähigkeiten beeindrucken mich. Und ich nehme an, dass du natürlich auch Kontakt zu deinem Geschäft halten möchtest?“

„Wenn ich die Zeit dazu habe.“ Sein Vorschlag überraschte sie. Schließlich hatte er bisher kein gutes Haar an ihr gelassen.

„Also, was hältst du davon?“

„Ich muss es mir überlegen.“ Natürlich hatte er recht, es würde ihr etwas zu tun geben. Andererseits … es könnte die reine Hölle werden.

Es war gut möglich, dass sie ihm dann niemals entkommen konnte.

In den nächsten Tagen und Wochen konnte Vidal nicht anders – er musste Elena für die Energie bewundern, die sie für die Hochzeitsvorbereitungen aufbrachte. Niemand hätte vermuten können, dass die Heirat nur eine geschäftliche Vereinbarung war. Elena übertrumpfte sich selbst.

„Du leistest großartige Arbeit“, lobte er sie eines Abends, als sie zusammen zum Dinner ausgingen. „Deine Sorgfalt für die Details … Jeder wird überzeugt sein, du arbeitest an der Verwirklichung eines Traums. Danke, Elena.“

Sie brauchte keinen Dank von ihm. Sie konnte noch immer nicht wirklich fassen, dass sie die eigene Hochzeit ausrichtete, mit einem Mann, den sie nicht liebte, für eine Ehe, von der sie von vornherein wusste, dass sie nicht halten würde.

Fernan, Vidals jüngerer Bruder und Elenas Jugendfreund, war für die Hochzeit nach Sevilla gekommen. Er wusste natürlich von der Vereinbarung. „Mein Bruder sollte sich auf seine Zurechnungsfähigkeit untersuchen lassen“, sagte er zu Elena. „Träte ich mit dir vor den Altar, würde ich auch darauf bestehen, dass es für immer ist.“

„Dein Bruder ist ein Gentleman, er hilft meiner Familie.“

„Und erhält dich dafür als Bonus für ein ganzes Jahr“, lautete seine zynische Erwiderung. „Sei vorsichtig, Elena. Verliebe dich nicht in ihn, sonst bleibst du mit gebrochenem Herzen zurück.“

„Keine Sorge“, sie schüttelte den Kopf, „er bekommt von mir zwölf Monate, keine Minute mehr. Unter den Umständen kann ich nichts anderes tun.“

„Fein. Aber denk immer daran, wenn du eine Schulter zum Ausweinen brauchst … ich bin für dich da.“

Am Vorabend der Hochzeit kam Vidal zu Elenas Elternhaus und überreichte ihr ein Geschenk.

„Was ist das?“, fragte Elena, denn sie erkannte den Namen des Juweliers, bei dem sie auch die Ringe gekauft hatten.

„Ein Geschenk für dich, mi amor. Was würden denn die Leute denken, wenn ich dich nicht mit Geschenken überhäufte?“

Mit fahrigen Fingern zog Elena die Seidenschleife auf und öffnete das flache Etui. Zum Vorschein kam eine sündhaft teure Diamantkette mit den passenden Ohrringen. „Das kann ich nicht annehmen“, stieß sie atemlos hervor. „Auch wenn es unglaublich schön ist.“

„Aber du musst es annehmen. E...

Autor

Margaret Mayo
Margaret Mary Mayo wurde am 7. Februar 1935 in der Grafschaft Staffordshire, England, geboren und hat diese Region noch nie verlassen. Sie hatte nie vor Autorin zu werden, obwohl sie das Lesen liebte. Nachdem ihre beiden Kinder, Adrian und Tina, geboren waren und schließlich zur Schule gingen, nahm sie ihre...
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