Julia präsentiert Weiße Weihnachten Band 1

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EINE ZWEITE CHANCE FÜR DIE LIEBE? von TINA BECKETT
Dr. Max Ainsley übernimmt die Kinderstation? Sofort erinnert sich Annabelle an die dramatischen Umstände ihrer Trennung. Doch als es auf der Weihnachtsgala zwischen ihnen prickelt wie Champagner, sagt sie zu einer Liebesnacht nicht Nein. Gibt Max ihrer Liebe etwa eine zweite Chance?

WEIHNACHTSWUNDER FÜR ELLA von KATE HARDY
Eigene Kinder kann es für Ella niemals geben. Als sie nach einem leidenschaftlichen One-Night-Stand mit sexy Dr. Oliver Darrington schwanger wird, glaubt sie an ein Wunder. Tatsächlich planen sie ihre gemeinsame Zukunft. Aber dann gerät ihr Traum von einer Familie jäh in Gefahr …

DOKTOR, DADDY, BRÄUTIGAM von SUSANNE HAMPTON
Juliet ist empört – da fliegt sie um die ganze Welt, um eine Operation zu leiten und Dr. Warren zweifelt an ihr? Wenn er sie nicht schätzt, warum verspricht er ihrer Tochter dann eine Weihnachtsüberraschung? Und warum weckt der arrogante Arzt trotzdem in ihr diese verbotene Sehnsucht?

SÜSSE BESCHERUNG AM HEILIGABEND von SCARLET WILSON
Prinz Sebastian will sie bloß aus einem Grund heiraten: weil sie nach einer Affäre sein Kind erwartet! Kinderärztin Sienna ist tief verletzt. Sieht der attraktive Thronfolger denn nicht, dass sie sich von ihm zum Fest der Liebe etwas ganz anderes wünscht als Adelstitel und Kronjuwelen?


  • Erscheinungstag 28.10.2022
  • Bandnummer 1
  • ISBN / Artikelnummer 9783751515061
  • Seitenanzahl 512
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Tina Beckett, Kate Hardy, Susanne Hampton, Scarlet Wilson

JULIA präsentiert Weiße Weihnachten BAND 1

TINA BECKETT

Eine zweite Chance für die Liebe?

Festliche Lichter, ein Christbaum und Annabelle endlich wieder in seinen Armen. Eigentlich sollte Max glücklich sein. Doch der Kardiologe weiß, er kann seiner Ex nicht schenken, wonach sie sich sehnt …

KATE HARDY

Weihnachtswunder für Ella

Nie wieder lässt sich Oberarzt Oliver von Frauen um den Finger wickeln. Aber als er auf einer Gala in die grünen Augen der zauberhaften Ella blickt, gibt es für ihn kein Zurück – mit schicksalhaften Folgen …

SUSANNE HAMPTON

Doktor, Daddy, Bräutigam

Diese Juliet erklärt ihm, wie er zu operieren hat? Für Dr. Charlie Warren eine Frechheit. Auch wenn sie einfach hinreißend ist, bleibt er kühl. Denn eine neue Liebe hat der stolze Witwer sich verboten …

SCARLET WILSON

Süße Bescherung am Heiligabend

Noch nie hat Prinz Sebastian von Montanari eine Frau so begehrt wie Sienna. Für sie erwirbt er sogar das Krankenhaus, in dem sie arbeitet. Aber warum nur will die sexy Schottin, dass er geht?

1. KAPITEL

Maxwell Ainsley war froh, endlich wieder englischen Boden unter den Füßen zu haben. Er hängte sich die große Reisetasche um und schloss die Tür zu seinem Cottage auf: sein neues Zuhause in einer neuen Stadt.

Ein halbes Jahr lang war er im Sudan gewesen. Sechs Monate lang hatte er Tag für Tag verletzten und schwer traumatisierten Kindern geholfen, die aus ihren Städten und Dörfern geflüchtet oder vertrieben worden waren. Was Max im Sudan gesehen und erlebt hatte, hatte sich tief in seine Seele eingebrannt und ihn emotional völlig erschöpft. Nun war er zurück in England, um seine Batterien wieder aufzuladen und dann zu entscheiden, wie es in seinem Leben weitergehen sollte.

Dass gerade Winter war, kam ihm dabei ganz recht. Welche Jahreszeit war besser geeignet, um zur Ruhe zu kommen und die Gedanken zu ordnen? Die eisige Kälte, die festliche Beleuchtung und die weihnachtlichen Dekorationen, die vielerorts zu sehen waren, würden ihn auf das bevorstehende Weihnachtsfest einstimmen und von seinen trüben Gedanken an seinen Einsatz in dem Kriegsgebiet ablenken. Zumindest hoffte er das.

Wenn er ehrlich war, musste Max sich jedoch eingestehen, dass sein Auslandseinsatz eher eine Flucht gewesen war. Eine Flucht vor dem, was zwischen ihm und Annabelle passiert war. Doch die drei Jahre des Getrenntseins hatten nichts geändert. Die Scheidungspapiere, die Annabelles Anwalt ihm geschickt hatte, lagen immer noch in ihrem Umschlag. Er hatte sie noch nicht mal durchgelesen. Vielleicht war es an der Zeit, dies endlich anzugehen und mit der Vergangenheit abzuschließen.

Max stellte seine Tasche ab, zog die Jacke aus und hängte sie in der Diele an die Garderobe. Mit drei Zimmern, einer geräumigen Küche und einem Bad war dieses Cottage zwar nicht so groß und elegant wie seine Londoner Wohnung, doch es war gemütlich eingerichtet und gut genug als erste Anlaufstelle, bis Max wusste, wie es mit ihm weitergehen sollte.

Das Cottage hatte Sienna McDonald ihm vermittelt. Seine zukünftige Kollegin war hochschwanger, und er sollte sie während ihres Mutterschaftsurlaubs vertreten. Sienna hatte ihm vorab Exposés von verschiedenen Wohnungen und Cottages geschickt, die alle in Kliniknähe lagen, und Max hatte sich für dieses hier entschieden. Die Londoner Wohnung, die ihm und Annabelle gehörte, wollte er jetzt verkaufen. Außerdem wollte er seinen Rechtsanwalt anrufen, um mit seiner Hilfe die Scheidung abzuwickeln, und so alle Verbindungen zu seinem alten Leben kappen.

Max ging in die Küche und entdeckte einen Zettel auf dem Tisch. Er spürte einen Stich im Herzen, denn unwillkürlich musste er an Annabelle denken. Solche Zettel hatte sie ihm auch immer auf den Tisch gelegt, wenn sie weggegangen war und ihm eine Nachricht hinterlassen wollte.

Ob sie wusste, dass er zurück in England war? Nein, bestimmt nicht. Seit ihrer Trennung vor drei Jahren hatte sie kein einziges Mal versucht, Kontakt mit ihm aufzunehmen. Und falls doch, hatte er nichts davon mitbekommen, da er fast die ganze Zeit im Ausland gewesen war.

„Willkommen in Cheltenham!“, stand auf dem Zettel. „Im Kühlschrank sind Milch, Käse und Aufschnitt und im Schrank daneben Brot, einige Grundnahrungsmittel und Süßigkeiten. Die Heizung und der Warmwasserboiler sind schon eingeschaltet, die Anleitung für den Boiler liegt auf dem Gerät. Ich hoffe, Sie freuen sich auf Ihren neuen Job im Royal Cheltenham Hospital so wie ich mich auf meine Auszeit! Bis morgen!“

Süßigkeiten? Das entlockte Max ein Lächeln, denn er mochte Süßes sehr. Wie aufmerksam von Sienna, an so etwas zu denken. Max fand es auch sehr angenehm, dass das Cottage schon beheizt war, denn draußen war es bitterkalt. Für die nächsten Tage war Schnee angesagt. Nach einem halben Jahr in der sengenden Hitze Sudans musste Max sich erst wieder an die winterliche Kälte in England gewöhnen.

Morgen früh war sein erster Arbeitstag auf der Neugeborenenstation des Royal Cheltenhams, genannt Teddy’s. Sienna McDonald, die kurz vor ihrem Mutterschaftsurlaub stand, sollte ihn in seinen Job einweisen. Sie hatte ihn vorgewarnt, dass es gleich zu Anfang stressig werden könnte, da die Grippe im Krankenhaus umging und sich bereits etliche Mitarbeiter angesteckt und krankgemeldet hatten. Daher seien sie gerade unterbesetzt und ziemlich überlastet. Doch das schreckte Max nicht ab, denn von seinem Einsatz im Sudan und dem täglichen Kampf um Leben und Tod war er weitaus Schlimmeres gewöhnt.

In der Klinik für Kinderkardiologie – er war auf die Behandlung von Herzkrankheiten bei Kindern spezialisiert – ging es zwar auch oft genug um Leben und Tod, dies war jedoch durch eine schwere Krankheit der kleinen Patienten bedingt und nicht durch Grausamkeiten, die ihnen von Menschenhand zugefügt worden waren. Bei seiner Arbeit für Ärzte ohne Grenzen in Kriegsgebieten wurde Max fast täglich mit solch schrecklichen Schicksalen konfrontiert.

Er verdrängte die düsteren Erinnerungen und dachte wieder an die Gegenwart. Morgen früh trat er seinen neuen Job an, und er wollte sich auf die Zukunft konzentrieren – sein erster Schritt, um mit der Vergangenheit ein für alle Mal abzuschließen.

Auf Station herrschte schon früh morgens Hochbetrieb. Die Betten waren voll belegt und das Personal überlastet, da etliche Beschäftigte sich mit Grippe krankgemeldet hatten. Annabelle Brookes war bisher verschont geblieben, doch sie musste immer damit rechnen, dass es auch sie jederzeit erwischen konnte. Nach zwei Stunden Arbeit war sie bereits so erschöpft, dass sie sich nach ihrer Mittagspause sehnte.

Trotz der hohen Arbeitsbelastung bereute sie jedoch nicht, diese Stelle angenommen zu haben. Ella O’Brien, ihre beste Freundin, hatte sie vor einem Jahr überredet, nach Cheltenham zu ziehen. Ella hatte nicht mehr mit ansehen können, wie deprimiert Annabelle nach der Trennung von Max war. Ein neuer Job in einer neuen Stadt würde sie auf andere Gedanken bringen, hatte Ella gemeint und damit recht behalten.

Mit der Position als leitende Krankenschwester auf der Neugeborenenstation war für Annabelle ein Traum in Erfüllung gegangen. Sie liebte Babys über alles und setzte all ihr Wissen und Können ein, um ihre teils schwer kranken kleinen Patienten zu versorgen. Die intensive Arbeit half ihr auch, darüber hinwegzukommen, dass sie selbst keine Kinder bekommen konnte.

Das Beste war, dass Ella als Hebamme ebenfalls im Teddy’s arbeitete und die beiden sich täglich sahen und auch privat viel Zeit miteinander verbrachten. Das lenkte Annabelle von ihrem Schmerz über den unerfüllten Kinderwunsch und anderen Problemen ab.

Annabelle stand nach einer kurzen Pause auf, denn nun war ihre nächste Patientin dran – ihr Sorgenkind, die kleine Hope. Das Baby war von seiner minderjährigen Mutter verlassen worden, was Annabelle regelrecht erschütterte. Schon nach kurzer Zeit hatte sie eine innige Verbindung zu Hope aufgebaut. Wahrscheinlich lag das auch daran, dass sie das Schicksal des Säuglings gut nachempfinden konnte. Schließlich wusste sie, wie es sich anfühlte, ausgerechnet von dem Menschen verlassen zu werden, der einem am meisten bedeutete.

Max …

Annabelle dachte an den großen braunen Umschlag, der immer noch verschlossen in ihrer Schreibtischschublade lag. Auch drei Jahre nach der Trennung hatte sie sich noch nicht dazu durchgerungen, den Brief zu öffnen, weil sie sich nicht mit dem Inhalt befassen wollte – mit den Unterlagen für die Scheidung, die sie selbst beantragt hatte.

Auch Max hatte bis heute noch nicht darauf reagiert. Weder hatte er den Erhalt der Dokumente bestätigt, noch hatte er die Papiere unterschrieben und an ihren Rechtsanwalt zurückgeschickt.

Doch was war der Grund dafür? Wollte er sich nicht scheiden lassen? War ihm der Gedanke so unerträglich wie ihr? Oder hoffte er, dass sie eines Tages wieder zusammenfanden?

Annabelle runzelte die Stirn. Es hatte keinen Sinn, immer wieder darüber nachzugrübeln. Stattdessen sollte sie lieber ihren Anwalt bitten, Max noch einmal aufzufordern, die Papiere zu unterschreiben. Einen Schritt in Richtung Scheidung hatte sie zumindest schon getan: Sie hatte den Nachnamen Ainsley abgelegt und trug nun wieder ihrem Mädchenamen Brookes.

Als Annabelle ins Schwesternzimmer kam, um den Zeitplan zu prüfen, klingelte das Telefon. Eine Kollegin, die gerade in der Nähe stand, nahm ab und bedeutete Annabelle, kurz hierzubleiben.

„Baby Hope? Ja, da kennt Annabelle sich bestens aus, sie ist gerade hier. Ich schicke sie gleich zu euch.“

Sie legte auf und wandte sich an Annabelle. „Sienna weist gerade ihren Vertreter ein, und jetzt sind sie bei Baby Hope. Kannst du sie bitte dabei unterstützen? Du weißt ja am besten über Hope Bescheid.“

Annabelle nickte. „Klar, das mache ich gern, ich wollte sowieso gleich nach ihr sehen.“

Als sie die Intensivstation erreichte, sah sie die hochschwangere Sienna McDonald vor Hopes Inkubator stehen. Sienna war Herzchirurgin für Säuglinge und kümmerte sich schon von Anfang an um Hope, die dringend ein Spenderherz benötigte. Neben Sienna stand in weißem Arztkittel ein Mann mit dem Rücken zu Annabelle, der ihr irgendwie bekannt vorkam. Die athletische Figur und das dichte dunkle Haar erinnerten sie an …

Annabelles Herz schlug schneller. Nein, das konnte nicht sein …

„Dass sie so blass ist, gefällt mir ganz und gar nicht“, hörte sie ihn sagen. „Wie lautet die Diagnose?“

Annabelle unterdrückte einen Aufschrei. Diese tiefe männliche Stimme hätte sie unter Tausenden wiedererkannt – sie gehörte Max, ihrem Ex!

Er musste Siennas Vertretung sein. Doch warum hatte sie das nicht mitbekommen? Hatte sie nicht richtig zugehört, als Sienna seinen Namen verkündet hatte? Oder war das irgendwie an ihr vorbeigegangen?

Annabelle atmete tief durch und versuchte sich zu fassen.

„Hypoplastisches Linksherzsyndrom“, antwortete Sienna. „Sie braucht dringend ein Spenderherz, sonst sieht die Prognose schlecht aus.“

„Wie dringend?“, fragte Max.

„Sehr dringend. Sie steht ganz oben auf der Warteliste. Wir sind alle sehr besorgt, vor allem Annabelle Brookes. Sie ist die Krankenschwester, die sich schon seit Hopes Geburt um sie kümmert. Sie werden sie gleich kennenlernen.“

Annabelle stand wie versteinert da, unfähig, sich zu rühren. Dann drehte Max sich plötzlich um und sah sie direkt an. Seine ausdrucksvollen dunklen Augen verengten sich einige Sekunden lang, doch sein Gesichtsausdruck verriet nicht, was er dachte und empfand.

„Annabelle, da bist du ja. Ist alles in Ordnung?“, fragte Sienna und riss sie damit aus ihrer Erstarrung.

„Oh … ja, natürlich, ich …“ Sie war derart durcheinander, dass ihr die Worte fehlten. Niemals hätte sie damit gerechnet, Max hier und jetzt zu treffen!

Im Gegensatz zu ihr schien die unerwartete Begegnung ihn jedoch nicht aus der Fassung zu bringen. Er trat auf sie zu und reichte ihr die Hand. „Hallo, Anna. Ich wusste gar nicht, dass du auch hier arbeitest. Demnach wohnst du nicht mehr in London.“

„Oh … ja, ich … nein, dort wohne ich nicht mehr“, bestätigte sie stockend und übersah geflissentlich seine Hand, was sie jedoch gleich bereute, da Sienna danebenstand und alles mitbekam.

Sienna blickte überrascht von Annabelle zu Max. „Ihr beide kennt euch?“

Max lächelte ironisch. „Wir kennen uns sogar sehr gut, wenn ich das so sagen darf.“

Wie konnte er es wagen, in Siennas Beisein so etwas zu sagen? Ärger stieg in Annabelle auf. Doch sie musste sich beherrschen, da niemand merken sollte, wie aufgewühlt sie seinetwegen war.

Und nein, es stimmte nicht, dass Max sie sehr gut kannte, sonst hätte er verstanden, wie wichtig ihr ihre Pläne waren. Er hätte ihr dann auch nicht dieses unsinnige Ultimatum gestellt und sich nicht von ihr getrennt, als sie es nicht einhielt. Obwohl sie diejenige gewesen war, die die Trennung wollte, hatte sie trotzdem gehofft, dass Max um sie und ihre Ehe kämpfte.

Ehe Sienna etwas sagen konnte, ging plötzlich ein Alarm los. Hopes Pulsoximeter – das Baby hatte aufgehört zu atmen!

„Wir brauchen Hilfe, schnell!“ Max schien sofort zu wissen, was zu tun war, und gab dem herbeigeeilten Personal klare Anweisungen.

Panik erfasste Annabelle, als sie zusehen musste, wie binnen weniger Sekunden alle Farbe aus dem Gesicht des Babys wich. Ihr Herz begann zu rasen, und ihre Finger kribbelten, ein Zustand, der sie oft befiel, wenn das Leben eines Kindes in Gefahr war.

Die kleine Hope war Annabelle ans Herz gewachsen, weil sie von ihrer Mutter einfach so im Stich gelassen worden war. Die zuständige Sozialarbeiterin hatte Annabelle gebeten, sich so intensiv wie möglich um Hope zu kümmern, da man keine Angehörigen ermitteln konnte, die bereit waren, das Baby anzunehmen.

„Wir müssen intubieren“, sagte Max zu Sienna, und sie nickte.

Er rief zwei weitere Krankenschwestern herbei, zwei erfahrene Kräfte, die genau wussten, was in diesem Fall zu tun war. Sie assistierten Max bei seiner Arbeit, während Annabelle gespannt zusah, wie ruhig und kompetent er die lebensrettende Maßnahme durchführte.

Kurz darauf hob und senkte sich Hopes kleiner Brustkorb wieder, als das Beatmungsgerät die Arbeit übernahm. Der Alarm verstummte, und die Herzfrequenz verbesserte sich deutlich, als der Körper auf den lebensspendenden Sauerstoff reagierte.

Hopes kleines Herz war schwach. Wie lange würde es noch schlagen? Da es durch den Drogenkonsum der Mutter schwer geschädigt war, bestand jederzeit das Risiko, dass es seine Funktion aufgab. Wenn Hope nicht schnell ein Spenderherz bekam, würde sie nicht überleben.

„Wir haben es geschafft. Das Herz schlägt wieder gleichmäßig“, sagte Max erleichtert.

Annabelles Sorge jedoch blieb. Sie hatte ständig Angst, dass Hopes Herz zum Stillstand kam. Sie hoffte und betete inbrünstig, dass Hope endlich das ersehnte Spenderherz bekam. Gleichzeitig schmerzte Annabelle jedoch natürlich der Gedanke, dass dafür ein anderes Kind sterben musste.

„Sie muss so lange beatmet werden, bis wir wissen, was den kritischen Zustand ausgelöst hat“, erklärte Max. „Und die Medikamente müssen entsprechend angepasst werden. Würden Sie das übernehmen, Sienna?“

„Natürlich.“ Sienna sah besorgt zu Annabelle. „Ist alles in Ordnung, Annabelle?“

„Ja, ich … ich hatte nur große Angst um Hope“, gestand sie ehrlich. „Ich hoffe so sehr, dass sie die Chance bekommt, weiterzuleben.“

„Die bekommt sie ganz bestimmt“, erwiderte Sienna zuversichtlich. „Und bei dir ist sie in den besten Händen. So wie du dich für sie einsetzt, kann es ja nur gut werden.“

„Der Meinung bin ich auch“, warf Max unvermittelt ein. „Annabelle tut alles, was in ihrer Macht steht, um ihre Ziele zu erreichen.“

Annabelle schoss die Röte in die Wangen, denn ihr war sofort klar, was er damit meinte. Er bezog sich nicht auf Hope, sondern auf ihre verzweifelten Versuche, ein Baby zu bekommen. Auf ihren gemeinsamen Traum, den sie aufgeben musste, weil Max das alles nicht mehr gewollt hatte …

Sienna zog die Brauen hoch und sah Annabelle prüfend an. „Mir scheint, ihr kennt euch wirklich gut.“

Ehe sie etwas erwidern konnte, kam Max ihr erneut zuvor. „Genauso ist es, Annabelle ist meine Frau.“

„Ihre Frau?“, wiederholte Sienna überrascht. „Aber sie …“

„Eigentlich heißt sie mit Nachnamen Ainsley so wie ich“, erklärte Max, der erriet, was Sienna durch den Kopf ging. „Offensichtlich hat sie ihren Mädchennamen wieder angenommen, warum auch immer“, fügte er in einem Ton hinzu, den Annabelle nur zu gut von früher kannte.

„Wir sind seit drei Jahren getrennt und warten nur noch auf die Scheidung“, erklärte Annabelle gereizt, weil sie sich darüber ärgerte, dass Max am Arbeitsplatz derart private Dinge offenbarte. Es ging niemanden etwas an, warum sie wieder ihren Mädchennamen trug. Es war ihr verzweifelter Versuch, die schmerzlichen Gefühle zu verdrängen, die der Name Ainsley in ihr auslöste, seit Max aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen war. Annabelle wollte nicht ständig an ihre gescheiterte Ehe erinnert werden. Auch wenn sie es gewesen war, die die Trennung wollte.

Seit dem Tag, an dem sie sich zum letzten Mal gestritten hatten, hatte Max nicht mehr mit ihr gesprochen. Der Grund für den Streit war ihr Tagebuch gewesen, in dem sie jeden Morgen heimlich ihre Körpertemperatur notiert hatte. Max hatte es gefunden und den Schluss gezogen, dass sie immer noch versuchte, schwanger zu werden. Annabelle hatte etliche gescheiterte Versuche künstlicher Befruchtung hinter sich und litt sehr darunter. Max hatte daraufhin von ihr verlangt, endlich damit aufzuhören. Und schweren Herzens hatte sie zugestimmt.

Als er dann jedoch das Tagebuch gefunden und mit starrer Miene die Seiten durchgeblättert hatte, hatte sie gewusst, dass dies das Ende ihrer Ehe war. Sie hatte ihm das Buch aus der Hand gerissen und gesagt, er solle gehen.

Und genau das hatte er getan. Max war nicht nur aus ihrer Wohnung gezogen, sondern auch aus ihrem Leben, einfach so, und er war bis heute nicht zurückgekehrt.

Ob es der kleinen Hope genauso gehen würde? Würde ihre Mutter nie zurückkommen? Wollte sie ihr Baby wirklich nicht haben? Würde dieses Kind in Zukunft mit dem Wissen leben müssen, dass seine Mutter es nicht wollte? Falls es überhaupt eine Überlebenschance hatte …

Bei dem Gedanken traten Annabelle Tränen in die Augen. Sie blinzelte sie weg, bevor sie Max ansah. „Wusstest du, dass ich hier arbeite, als du deinen Vertrag unterschrieben hast?“

„Nein.“

Das stimmte wirklich, denn wenn er es gewusst hätte, dann hätte er den Job wahrscheinlich gar nicht angenommen. Oder vielleicht doch …?

„Wie dem auch sei, jetzt geht es um Hope“, sagte Sienna, da sie die Spannung spürte, die zwischen Annabelle und Max herrschte. „Wenn Sie sicher sind, dass ihr Zustand stabil ist, würde ich jetzt gern eine Pause machen.“

Max nickte. „Das ist kein Problem, wir sind ja bei ihr.“

„Rufen Sie mich an, wenn Sie hier fertig sind? Dann können wir unseren Rundgang durch die Klinik zu Ende bringen.“

„Klar, das mache ich. Danke, Sienna. Bis später.“

Nachdem Sienna die Intensivstation verlassen hatte, ging Max mit Annabelle Hopes Behandlungsprotokolle durch. Annabelle fiel es jedoch schwer, sich zu konzentrieren, weil sie immer noch mit ihren Gefühlen kämpfte.

Der Gedanke, dass sie Max von nun an täglich sehen würde, machte sie schon jetzt nervös. Sie konnte immer noch nicht fassen, dass er wie aus dem Nichts hier aufgetaucht war, nach drei Jahren, in denen sie keinerlei Kontakt gehabt hatten. Zuerst hatte sie gedacht, er habe sie mit Absicht aufgesucht, doch seine Reaktion und sein Verhalten ließen darauf schließen, dass dies nicht der Fall war.

Allerdings schien es ihn zu stören, dass sie wieder ihren Mädchennamen trug. Doch was hatte er erwartet? Da er sich nicht mehr bei ihr gemeldet hatte, war sie davon ausgegangen, dass er das Kapitel Ehe abgeschlossen hatte. Der Name Ainsley hätte sie nur ständig an das erinnert, was sie verloren hatte und wie schmerzlich die Trennung gewesen war.

„Annabelle?“

Seine Stimme riss sie aus ihren Grübeleien, und sie zuckte leicht zusammen.

„Ja?“

„Sienna sagte, du seist diejenige, die sich am intensivsten um Hope kümmert. Wieso ausgerechnet du?“

Die kühle Art und Weise, wie er mit ihr sprach, kränkte Annabelle. Sie litt unter ihren schmerzlichen Erinnerungen, während er wie früher seine Gefühle zu verbergen wusste. Schon damals hatte sie das sehr gestört. Max hatte oft den Eindruck gemacht, als merke er gar nicht, dass nach jeder Fehlgeburt eine Welt in ihr zusammenbrach.

Annabelle atmete tief ein und straffte ihre Schultern. Sie musste sich auf ihre Arbeit konzentrieren, denn jetzt ging es nur um Hope und nicht um sie.

„Die zuständige Sozialarbeiterin brauchte einen Ansprechpartner“, erklärte sie. „Und als leitende Krankenschwester habe ich das übernommen.“

Max sah sie einige Sekunden prüfend an. „Ich hätte nicht erwartet, dass du immer noch auf der Neugeborenenstation arbeitest. Nach allem, was passiert ist.“

Wieder schmerzte ihr das Herz. Warum musste Max in ihren Wunden stochern? „Ich liebe meine Arbeit“, erwiderte sie fest und hob ihr Kinn. „Nur weil ich … nicht schwanger werden kann, heißt das nicht, dass ich meinen Job aufgebe. Ich gehöre nicht zu denen, die das Handtuch werfen, bloß weil es manchmal nicht so läuft wie gewünscht.“

„Manchmal ist wohl untertrieben, wenn man bedenkt, dass …“

„Was willst du über Hope wissen?“, fiel sie ihm scharf ins Wort, um das Thema zu beenden.

Max sah sie wieder prüfend an, dann nickte er. „Was weißt du über ihre Familiengeschichte? Wer ist ihre Mutter?“

Annabelle erzählte ihm alles, was sie über Hope und ihre Mutter wusste. Dass Casey noch sehr jung und heroinabhängig war und entgegen allen ärztlichen Empfehlungen kurz nach Hopes Geburt ohne Vorankündigung das Krankenhaus verlassen hatte. Daraufhin hatte man sofort die Behörden verständigt, doch in den zwei Wochen seit ihrem Verschwinden hatte man die Mutter weder gefunden, noch hatte sie sich gemeldet und nach ihrem Kind gefragt.

Annabelle konnte nicht verstehen, wie eine Mutter derart herzlos sein konnte. Ihr tat es schrecklich weh, mit anzusehen, welchen Schaden der Drogenkonsum der Mutter bei der kleinen Hope angerichtet hatte. Das Neugeborene hatte gleich nach der Geburt nicht nur einen Entzug durchmachen müssen, sondern auch sein kleines Herz war schwer geschädigt. Einerseits war es wichtig, dass Hope an Gewicht zunahm, andererseits jedoch war jedes Gramm, das sie mehr wog, eine zusätzliche Belastung für ihr schwaches Herz und erhöhte ihr Risiko zu sterben.

„Meinst du, du kannst ihr helfen?“, fragte Annabelle schließlich hoffnungsvoll.

„Ich denke schon. Zuerst werde ich versuchen, die Flüssigkeitsansammlung in ihrem Bauchraum medikamentös zu verringern, weil ich glaube, dass das die Ursache für den Atemstillstand war. Wenn das nicht funktioniert, versuche ich es manuell.“

„Das hat Sienna schon vor ein paar Tagen gemacht, und es hat funktioniert.“

„Das ist schon mal gut.“ Max sah Annabelle nun auf eine Art und Weise an, die ihr Herz schneller schlagen ließ. „Du trägst dein Haar jetzt länger, steht dir gut.“

Sie spürte, wie ihre Wangen sich erwärmten, hoffentlich wurde sie nicht rot! „Ja, ich … finde es auch besser, wenn die Haare länger sind. So kann ich mir einen Zopf machen, und sie fallen sie mir nicht ins Gesicht.“

Früher hatte Annabelle viel mehr Aufwand mit ihrem Haar betrieben. Sie war regelmäßig zum Frisör gegangen und hatte es jeden Tag gestylt. Seit sie nicht mehr mit Max zusammen war, tat sie das nicht mehr. Es gefiel ihr, dass sie ihr schulterlanges Haar einfach schnell zu einem Pferdeschwanz zusammenbinden konnte und es nicht mehr ständig stylen musste.

Vieles hatte sich verändert, seit Max gegangen war. Nach der Trennung war Annabelle klar geworden, dass sie viel zu sehr auf die Erfüllung ihres Kinderwunsches fixiert gewesen war. Ihr ganzes Leben war quasi darauf ausgerichtet gewesen, und von Max hatte sie erwartet, dass er das alles mittrug. Mehrere künstliche Befruchtungen hatte sie durchlaufen, jedoch ohne Erfolg. Nach dem letzten Versuch war sie sogar richtig krank geworden. Kein Wunder, dass Max das nicht mehr ausgehalten und sie verlassen hatte.

Doch das war vorbei, und Annabelle mochte nicht darüber reden, vor allem nicht am Arbeitsplatz. Sie nahm sich vor, so professionell und sachlich wie nur möglich mit Max umzugehen. Auf keinen Fall sollte er den Eindruck haben, dass sie sich nach ihm sehnte, denn das war nur im ersten Jahr nach ihrer Trennung der Fall gewesen. Jetzt war sie über ihn hinweg.

Annabelle sah ihn entschlossen an. „Hör zu, Max, ich möchte eines klarstellen. Da wir von nun an jeden Tag zusammenarbeiten, sollten wir uns an bestimmte Regeln halten, um unangenehme oder peinliche Situationen zu vermeiden. Oder hast du … hast du es dir inzwischen anders überlegt und willst doch nicht hierbleiben?“

„Natürlich bleibe ich. Ich habe einen Arbeitsvertrag unterschrieben, und den werde ich erfüllen.“

„Also gut, dann … dann müssen wir uns eben arrangieren.“ Annabelle atmete tief ein, bevor sie weitersprach. „Meine Kollegen wissen nicht, dass ich verheiratet bin, außer jetzt natürlich Sienna. Sie glauben, ich sei Single. Nur Ella weiß Bescheid.“

„Du meinst Ella O’Brien?“

„Ja.“

Ella war seit vielen Jahren ihre beste Freundin. Offenbar hatte auch Ella nichts von Max’ Einstellung mitbekommen. Allerdings hätte Annabelle sich besser informieren können, schließlich wusste sie seit Langem, dass Sienna bald in Mutterschaftsurlaub ging. Doch Annabelle war viel zu sehr mit Hope beschäftigt, um sich darum zu kümmern. Warum auch? Sie hätte nicht einmal im Traum daran gedacht, dass ausgerechnet Max die Vertretung übernahm.

„Wie geht es ihr?“, erkundigte er sich.

„Ella? Oh, der geht’s gut. Sie kennt meine ganze Geschichte, und sie war es auch, die mich ermutigt hat, mich im Teddy’s zu bewerben. Auf jeden Fall wäre ich dir dankbar, wenn du unser Privatleben nicht an die große Glocke hängst. Nicht jeder baucht zu wissen, dass wir verheiratet sind. Im Grunde sind wir es ja auch nicht mehr, schließlich leben wir seit drei Jahren getrennt.“

Annabelle sah, wie ein kleiner Muskel in seinem Gesicht zuckte. Offenbar hatte sie nun einen Nerv bei ihm getroffen.

„Auf dem Papier sind wir es schon“, erwiderte er ernst.

„Aber die Scheidung läuft, ich habe sie schon vor langer Zeit eingereicht.“

„Tut sie das tatsächlich?“, wandte Max leicht spöttisch ein. „Du hast sie zwar eingereicht, aber soweit ich weiß, ist danach nichts passiert. Ich habe mich schon oft gefragt, warum du seitdem nichts mehr unternimmst.“

Annabelle kniff die Lippen zusammen, denn Max hatte recht. Sie hatte tatsächlich nichts mehr unternommen, seitdem Max nicht auf die Zusendung der Papiere reagiert hatte. Sie hätte ihren Anwalt bitten sollen, Max zum Unterschreiben zu bewegen, doch sie hatte die Sache einfach auf sich beruhen lassen. Warum, wusste sie selbst nicht so genau. Vielleicht, weil sie sich in Wahrheit gar nicht scheiden lassen wollte?

„Weil ich zu beschäftigt war. Ich konnte mich nicht darum kümmern“, erwiderte sie barsch.

„Du warst zu beschäftigt, um dich um so etwas Entscheidendes zu kümmern?“

„Ja. Ich bin umgezogen und habe einen neuen Job angefangen. Und jetzt ist Hope da, die mich stark in Anspruch nimmt. Ich hatte einfach keinen Kopf dafür.“

„Verstehe“, sagte Max mit einem Blick auf Hope, was Annabelle schon wieder fuchste.

Was wollte er ihr damit sagen? Dass er der Meinung war, sie verrannte sich schon wieder in etwas, das ihre ganze Energie aufsaugte?

Doch das war jetzt nicht das Thema, sondern die Beziehung, in der sie zueinander standen. „Dann behältst du es also für dich?“, nahm sie den Faden wieder auf.

Max nickte. „Ich schon, aber was ist mit Sienna McDonald? Bist du sicher, dass sie dichthält?“

„Ja, sie ist sehr diskret. Sie wird bestimmt nichts sagen.“

Annabelle war davon überzeugt, dass Sienna nichts ausplaudern würde, denn die Ärztin respektierte stets die Privatsphäre ihrer Kolleginnen und Kollegen und hielt sich auch in Bezug auf ihr eigenes Privatleben immer sehr zurück.

„Und was ist mit Ella? Wird die sich nicht verplappern?“

„Ganz bestimmt nicht.“

Ja, Ella konnte sie vertrauen, schließlich war sie diejenige, die Annabelle nach der Trennung von Max aufgefangen hatte. Ihr hatte sie all ihre Gefühle, Ängste und Sorgen anvertraut und sich bei ihr ausgeweint. Nein, Ella würde ganz bestimmt nichts sagen.

Annabelle wandte sich vom Inkubator ab und sah Max an. „Bitte, Max, lass uns doch versuchen, professionell miteinander umzugehen und unsere Beziehung außen vor zu lassen, ja?“

Sie hätte ihn jetzt gern gefragt, wie lange sein Vertrag eigentlich lief, doch dann hätte Max wahrscheinlich das Gefühl gehabt, dass sie es kaum erwarten konnte, bis er wieder ging. Annabelle ging jedoch davon aus, dass der Vertrag mit Siennas Mutterschaftsurlaub auslief, und wenn Max tatsächlich nur für diesen Zeitraum blieb, würde sie schon damit klarkommen. Hoffentlich.

„Ich weiß nicht, ob das funktioniert, Anna. Schließlich kann ich nicht so tun, als wären wir nichts weiter als Kollegen.“

Dass er sie noch immer Anna nannte so wie früher, löste Gefühle in ihr aus, die sie gar nicht haben wollte. Es erinnerte sie daran, wie zärtlich Max den Namen immer ausgesprochen hatte, als sie noch zusammen waren. Doch sie ging nicht darauf ein, um nicht noch mehr in der Vergangenheit zu wühlen.

Alles, was sie wollte, war eine simple Antwort: das Versprechen, dass er sein Bestes gab, um ihren Arbeitsalltag so unkompliziert und angenehm wie möglich zu gestalten. Doch das konnte er anscheinend nicht, weil er wusste, dass es kaum möglich war, persönliche Gefühle auszublenden, wenn sie sich begegneten.

Annabelle atmete tief ein. Was, wenn sie das auch nicht schaffte? Wenn die alten Wunden wieder aufrissen, und sie ständig daran denken musste, wie sehr Max sie verletzt hatte?

Würde sie dann überhaupt noch in der Lage sein, ihre Arbeit gut zu machen, oder würde die Vergangenheit sie überrollen?

2. KAPITEL

„Wenn wir mit der Runde fertig sind, gehen wir in die Kantine …“

Max war kaum in der Lage, sich auf Siennas Ausführungen zu konzentrieren, denn den Schock über das völlig unerwartete Wiedersehen mit Annabelle musste er erst einmal verdauen.

Er hatte tatsächlich nicht gewusst, dass sie nach Cheltenham gezogen war und auch im Teddy’s arbeitete. Woher hätte er das auch wissen sollen, schließlich hatte er nicht mitverfolgt, was sie tat und wo sie sich gerade aufhielt. Dies alles hatte er absichtlich verdrängt und sich auch mit den Scheidungsdokumenten nicht befassen wollen, die ihr Anwalt ihm geschickt hatte.

Verdammt, er wollte sich nicht scheiden lassen, deshalb hatte er das auch die ganze Zeit verdrängt. Doch ihm hätte klar sein müssen, dass er nicht ewig davor flüchten konnte. Früher oder später würde er dazu gezwungen sein, das Kapitel abzuschließen und sich einer neuen Lebensphase zuzuwenden. Einem Leben ohne Annabelle.

Max schob die Gedanken beiseite und lächelte Sienna zu. „Da bin ich mal gespannt, was eure Kantine zu bieten hat. Das Essen ist bestimmt nicht schlechter als das, was ich in den letzten sechs Monaten zwischen die Zähne bekommen habe.“

Sienna lachte. „Das kann ich mir vorstellen. Wer für Ärzte ohne Grenzen arbeitet, muss sicher auf so einiges verzichten.“ Dann wurde sie wieder ernst. „Bestimmt waren Ihre Einsätze nicht immer leicht?“

„Nein, sie waren oft sogar ziemlich hart“, gab Max offen zu. „Das Schlimmste waren aber nicht die Entbehrungen und Gefahren, denen ich ausgesetzt war, sondern dass ich nicht allen Menschen helfen konnte, die dringend Hilfe brauchten. Das war für mich sehr schwer zu akzeptieren.“

Max sah oft im Geiste die verzweifelten Gesichter der verletzten oder kranken Menschen, denen er nicht hatte helfen können. In einem Kriegsgebiet zu arbeiten bedeutete, dass man viel abwägen musste. Immer wieder mussten die Ärzte entscheiden, wen sie noch behandeln konnten und wen nicht. Oft fehlte es schlicht an Ärzten und Krankenschwestern oder an der nötigen Ausstattung, sodass nicht alle Kranken und Verletzten gerettet oder versorgt werden konnten. Im Vergleich dazu herrschten hier im Teddy’s beinahe paradiesische Verhältnisse.

„Das würde mir auch zu schaffen machen“, pflichtete Sienna ihm bei. „Es ist auch nicht leicht, so weit weg von zu Hause zu sein und auf die gewohnten Annehmlichkeiten zu verzichten.“

„Ich habe gehört, dass Sie ähnliche Erfahrungen gemacht haben, im Königreich Montanari?“ Ein Kollege hatte Max erzählt, dass Sienna das kleine Land während eines längeren Auslandsaufenthalts besucht hatte, jedoch relativ abrupt zurückgekommen war. Warum, wusste er allerdings nicht.

Sienna zögerte einige Sekunden und wich seinem Blick aus. „Das … war etwas anderes.“

Mehr sagte sie dazu nicht, und Max nahm an, dass sie aus irgendeinem Grund nicht darüber sprechen wollte. Dafür hatte er Verständnis und wechselte das Thema.

„Erzählen Sie mir von Ihren Patienten“, bat er deshalb. „Gibt es zurzeit irgendwelche ungewöhnlichen Fälle?“

Sienna schien sich zu entspannen und lächelte nun wieder. „Ja, die gibt es. Wir haben eine Schwangere auf Station, die Vierlinge erwartet. Auf sie müssen wir natürlich ganz besonders achten. Aber bisher geht es ihr sehr gut und ihren Babys auch.“

„Das freut mich.“

Max stellte Sienna dazu keine weiteren Fragen, denn das Thema Vierlinge erinnerte ihn zu sehr an das, was Annabelle und er durchlitten hatten. An all die erfolglosen künstlichen Befruchtungen, denen sie sich unterzogen hatte und die ihre Ehe stark belastet hatten, bis es schließlich zur Trennung gekommen war.

Ein Thema, über das er am besten gar nicht reden wollte.

„Falls es aber danach aussieht, dass es bei der Geburt der Vierlinge zu Komplikationen kommen könnte, werden wir einen renommierten Spezialisten hinzuzuziehen“, fuhr Sienna fort. „Ich habe ihn schon kontaktiert, und er hat zugesagt zu kommen falls nötig.“

Wieder dachte Max an seine Arbeit im Sudan. Wie oft hatte er sich dort gewünscht, dass Spezialisten eingeflogen werden, doch die waren in den Kriegsgebieten Mangelware. Ein weiteres Problem bestand darin, dass die Ärzte immer nur für begrenzte Zeit im Einsatz waren und es deshalb häufig vorkam, dass sie notwendige Behandlungen nicht zu Ende führen konnten. In der Folge verschlechterte sich der Zustand der Patienten, oder sie verstarben sogar.

Doch trotz aller Schwierigkeiten und der seelischen und körperlichen Belastungen vermisste Max schon jetzt die Arbeit im Sudan. Dort war er frei gewesen und hatte keine engen Beziehungen zu anderen aufgebaut. Vielleicht glich so ein Leben ja seiner Kindheit und war ihm deshalb so vertraut – ein Leben ohne menschliche Nähe und Bindungen.

Ein Leben, das ganz anders war als das, was er mit Annabelle geführt hatte. Indem er Distanz wahrte und sein Innerstes nicht preisgab, schützte er sich davor, verletzt zu werden …

„Und hier ist die chirurgische Abteilung.“

Wieder rissen Siennas Worte ihn aus seinen Gedanken. Sienna drückte auf einen Knopf an der Wand, und die Türen gingen automatisch auf. Dann wies sie auf den Zeitplan an der Wand. „In einer Viertelstunde steht die Entfernung einer Gallenblase an. Möchten Sie bei der OP zusehen?“

„Nicht unbedingt. Aber bei Ihrer nächsten Herzoperation würde ich gern dabei sein“, erwiderte Max.

Sienna lächelte und legte eine Hand auf ihren Bauch. „Normalerweise gern, aber ich wollte meine Arbeitszeit ab nächster Woche deutlich reduzieren. Ob es vor meinem Mutterschaftsurlaub noch eine Herz-OP geben wird, weiß ich nicht.“

Max runzelte die Stirn. Wollte Sienna damit sagen, dass er ihre Fälle jetzt schon übernehmen sollte? Damit sie sich davon überzeugen konnte, dass ihre kleinen, teils schwerkranken Patienten bei ihm in guten Händen waren? Wenn ja, hätte Max nichts dagegen, denn er war fest entschlossen, sein Bestes zu geben und Sienna nicht zu enttäuschen.

„Na, dann schauen wir mal“, erwiderte er lächelnd. Dann fiel ihm Baby Hope wieder ein. „Und was ist mit unserem Notfall, den wir vorhin behandelt haben, Baby Hope?“

Sienna lächelte. „Hope ist der Kosename, den Annabelle ihr gegeben hat. Das Baby hat offiziell noch keinen Namen, Sie kennen ja die Umstände. Es braucht dringend ein Spenderherz. Wenn es das nicht bald bekommt, sieht die Prognose düster aus. Annabelle hat das Baby Hope genannt, weil sie so sehr hofft, dass es überlebt.“

Typisch Annabelle, dachte Max, sie gibt die Hoffnung einfach nicht auf, auch wenn die Lage noch so düster ist. „Annabelle hat mir erzählt, dass Hopes Mutter abgehauen ist und sich seitdem nicht mehr gemeldet hat.“

„Ja, als sie kam, hatten die Wehen bereits eingesetzt. Sie ist noch sehr jung und drogenabhängig, was das Baby leider schwer geschädigt hat. Schon kurz nach der Entbindung ist sie einfach weggelaufen, und niemand weiß, wo sie sich jetzt aufhält.“

Unwillkürlich dachte Max an seine Eltern, die sich in seiner Kindheit kaum um ihn gekümmert hatten. Er wusste, wie es sich anfühlte, unerwünscht zu sein. Seine Eltern hatten ihn zwar nicht verlassen, sie waren jedoch oft wochenlang auf Reisen, während er bei einer Tante unterkam. Wie es ihm dabei erging, war seinen Eltern offenbar egal gewesen …

„Ich möchte, dass Sie auch die kleine Hope übernehmen“, sprach Sienna weiter. „Am besten wäre, wenn sie eng mit Annabelle zusammenarbeiten. Sie betreut Hope vom ersten Tag an und weiß daher am besten über sie Bescheid. Sie weiß sogar mehr als ich, obwohl ich die behandelnde Ärztin bin.“

Wieder spürte Max ein Ziehen in der Magengrube. Eng mit Annabelle zusammenzuarbeiten könnte schwierig werden. Wenn er sie zu häufig sah, gewannen seine Gefühle womöglich Oberhand. Andererseits hatte er im Grunde keine andere Wahl, als der Sache zuzustimmen. Er konnte ja schlecht sagen, dass Annabelle ihn aus der Ruhe brachte und er in ihrer Gegenwart nicht konzentriert arbeiten konnte.

„Ist das ein Problem für Sie?“, fragte Sienna prompt, als könne sie Gedanken lesen. „Ich meine, weil Sie … na ja, Sie wissen schon.“

Max schüttelte den Kopf, denn er wollte keinesfalls den Eindruck erwecken, dass er Job und Privatleben nicht trennen konnte. „Nein, damit habe ich kein Problem, das ist schon in Ordnung.“

Sienna lächelte. „Das freut mich.“

„Wie häufig gibt es hier denn Herztransplantationen?“, fragte er, um das Gespräch in andere Bahnen zu lenken.

„Das kommt ganz darauf an, wie viele Spenderherzen zur Verfügung stehen. Und das sind nicht besonders viele, leider.“

„Wie viele Transplantationen haben Sie selbst schon durchgeführt?“

„Bisher nur eine Einzige. Wir haben im Teddy’s viele Kinder mit Herzfehlern, aber Fälle wie Hope, die nur mit einem neuen Herzen überleben können, sind hier eher selten.“

Max fragte sich, weshalb sie diesen Fall dann ihm übergeben wollte. Bei Hope hätte sie vielleicht die Chance, eine Herztransplantation durchzuführen, die so schnell nicht wiederkommen würde.

„Sind Sie sicher, dass Sie die Transplantation nicht selbst durchführen möchten?“, fragte er deshalb. „Ich meine, falls es überhaupt dazu kommt.“

„Ganz sicher.“

Ihre Augen blitzten seltsam auf, und Max hatte das Gefühl, dass es da etwas gab, was sie ihm verschwieg. Hatte Sienna etwa Angst vor der Verantwortung, die sie bei einer solch schwierigen und riskanten Operation trug? Oder war sie nur besorgt um ihre eigene Gesundheit und die ihres ungeborenen Babys, weil sie hochschwanger war?

„Wann ist es denn so weit? Ich meine, wann ist Ihr Stichtag?“, erkundigte er sich.

„Schon bald“, erwiderte Sienna ausweichend. „Mit dem Baby ist alles in Ordnung, aber ich habe einfach das Gefühl, dass ich mich schonen sollte. Eine Herztransplantation erfordert sehr viel Konzentration und Ausdauer. Außerdem könnte es ja sein, dass ich aus irgendeinem Grund früher als geplant in Mutterschaftsurlaub gehen muss. Und da würde ich die kleine Hope nicht in aller Eile irgendjemandem übergeben wollen, der gerade da ist. Jetzt habe ich die Zeit, Sie gründlich einzuweisen, und das möchte ich auf jeden Fall nutzen.“

Das konnte Max gut nachvollziehen, und er freute sich, dass Sienna McDonald so viel Vertrauen in ihn setzte. „Ihre kleinen Patienten werden bei mir in guten Händen sein, darauf können Sie sich verlassen“, sagte er und lächelte ihr zu.

Sienna erwiderte sein Lächeln. „Vielen Dank, das ist mir sehr wichtig. Haben Sie noch Fragen, bevor wir unsere Tour beenden und die aktuellen Fälle besprechen?“

„Nur noch eine.“

„Ja?“

„Wann gehen wir in die Kantine? Ich habe jetzt schon Hunger und hoffe, dass das Essen besser ist als an meinem letzten Arbeitsplatz.“

Sienna lachte. „Das können Sie gleich selbst beurteilen, wir sind spätestens in einer halben Stunde fertig. Ich bin jedenfalls ganz zufrieden mit dem Angebot, allerdings bin ich auch nicht wählerisch. Ich esse alles, solange es nicht krabbelt oder Ähnlichkeit mit einer Schlange hat.“

Max stimmte in ihr Lachen ein. „Das trifft auch auf mich zu.“ Er blickte auf die Uhr. „Eigentlich könnten wir jetzt schon gehen und die Fallbesprechung später machen, was meinen Sie?“

„Kein Problem, ich könnte auch schon eine Pause brauchen. Aber einen Hinweis muss ich Ihnen vorher geben: Nehmen Sie sich vor den Krankenschwestern in Acht.“

„Wieso das?“, fragte Max verwundert.

„Nun, es hat sich schon herumgesprochen, dass wir einen attraktiven Neuzugang haben, und einige unserer Krankenschwestern sind ziemlich neugierig. Wundern Sie sich also nicht, wenn sie gründlich inspiziert werden, während Sie sich ein Menü aussuchen.“

Max lachte erneut. „Keine Angst, das stört mich nicht.“

Insgeheim fragte er sich jedoch, ob Sienna das tatsächlich ernst meinte. Er hatte jedenfalls nicht die Absicht, sich mit irgendeiner Krankenschwester oder einer Kollegin einzulassen. Seit seiner Trennung von Annabelle hatte er kein Interesse an einer festen Beziehung mehr, und das sollte auch so bleiben. Max hatte sich fest vorgenommen, Frauen gegenüber auf Distanz zu bleiben, und das traf insbesondere auf Annabelle zu.

Auch drei Jahre nach der Trennung ging sie ihm noch immer unter die Haut, das hatte er sofort gespürt, als er ihr heute früh begegnet war. Seitdem spukte sie ihm unentwegt im Kopf herum und brachte sein seelisches Gleichgewicht durcheinander. Und das war weder gut für ihn noch für seine Arbeit, bei der er einen kühlen Kopf bewahren musste.

Baby Hope und seine anderen kleinen Patienten brauchten einen Arzt, der private Dinge außen vor ließ und sich voll auf seine Arbeit konzentrierte. Max hatte jedoch Zweifel, ob ihm das gelingen würde, wenn Annabelle in seiner Nähe war.

Annabelle nahm ein Tablett vom Stapel und ging dann an die Theke, um sich ein Menü auszusuchen. Sie hatte zwar noch keinen Hunger, doch jetzt war ihre Mittagspause, und später würde sie nicht mehr zum Essen kommen.

Die Sorge um die kleine Hope hatte Annabelle den Appetit verdorben. Das Baby wurde immer schwächer, und der Vorfall heute Morgen hatte deutlich gezeigt, dass Hopes Leben in Gefahr war, wenn sie nicht bald ein Spenderherz bekam. Und wenn Max nicht dagewesen wäre …

Nein, was dann passiert wäre, wollte Annabelle sich gar nicht ausmalen. Außerdem war Sienna auch dabei gewesen, sie hätte sicherlich die gleichen Maßnahmen durchgeführt wie er. Annabelle hatte sich gewundert, dass Sienna sofort Max die Führung überlassen hatte, an seinem allerersten Arbeitstag, und das, obwohl er Hope noch gar nicht kannte. Offensichtlich hatte Sienna sofort das Gefühl gehabt, dass sie ihm vertrauen konnte.

Max war wirklich ein hervorragender Arzt. Als sie noch zusammen waren, hatte Annabelle von ihm erwartet, dass er in Bezug auf ihren Kinderwunsch genauso großen Einsatz zeigte wie bei seiner Arbeit. Doch das war nicht fair von ihr gewesen. Er hatte sich unter Druck gesetzt gefühlt und diesem Druck schließlich nicht mehr standgehalten.

Auch für Annabelle war es zu viel gewesen. Sie hatte mehrere künstliche Befruchtungen durchlaufen und jedes Mal eine Fehlgeburt erlitten, wobei die letzte sehr dramatisch gewesen war. Ihr Bauch und auch die Beine waren aufgrund der hohen Hormongaben angeschwollen, und sie litt unter starken Schmerzen. Als die Schmerzen unerträglich wurden, brachte Max sie in die Notaufnahme, wo man bei der Untersuchung feststellte, dass ihre Eierstöcke auf ein Vielfaches der normalen Größe angeschwollen waren.

Annabelle hatte sehr gelitten. Sie hatte Stützstrümpfe tragen müssen, damit sich kein Wasser in den Beinen ansammelte. Eine Zeitlang konnte sie nur im Sitzen schlafen, um nicht unter Atemnot zu leiden, bis ihr Hormonhaushalt sich allmählich wieder normalisierte hatte.

Max hatte kaum mitansehen können, wie Annabelle sich quälte. Nach ihrer letzten Fehlgeburt hatte er ihr klipp und klar gesagt, dass er keinen weiteren Versuch mehr unternehmen wollte. Doch Annabelle wollte das nicht akzeptieren und hatte verzweifelt an ihrem Kinderwunsch festgehalten. Sie hatte weiterhin jeden Morgen ihre Temperatur gemessen und die Werte heimlich in ein Tagebuch eingetragen. Je mehr sie das vor Max verheimlicht hatte, desto mehr hatte er sich von ihr distanziert. Bis er schließlich ihr Tagebuch gefunden hatte …

Annabelle schüttelte energisch die Erinnerungen ab und blickte in die Glasvitrine. Gebratenes Hühnchen? Nein. Salat? Nein. Obst? Ja. Sie nahm sich einen Becher Obstsalat und schob das Tablett ein paar Meter weiter. Sollte sie sich noch ein Sandwich nehmen? Nein, darauf hatte sie nun wirklich keine Lust.

Von Obst allein würde sie jedoch nicht satt werden, sie brauchte noch etwas dazu. Als sie sich umdrehte, um ein Stück zurückzugehen, zuckte sie zusammen, denn nur wenige Meter von ihr entfernt standen Max und Sienna. Die beiden nahmen sich gerade jeder ein Tablett vom Stapel.

Annabelle stöhnte auf – ausgerechnet jetzt mussten die beiden kommen!

„Hallo, Annabelle!“, rief Sienna ihr nun auch noch fröhlich zu. „Wollen wir zusammen essen? Dann können wir uns über Baby Hope unterhalten, Max bräuchte noch ein paar Informationen.“

Am liebsten wäre Annabelle jetzt weggelaufen und hätte auf Station gegessen, doch das wäre albern gewesen. Außerdem war es ja tatsächlich wichtig, ihm so viel wie möglich über Hope zu berichten.

„Klar, ich gehe schon mal vor und belege einen Tisch.“

Sie legte noch einen Becher Fruchtjoghurt und ein Stück Schokoladenkuchen aufs Tablett und zahlte mit ihrer Karte an der Kasse. Dann ging sie zu einem Tisch am Fenster, stellte ihr Tablett ab und schloss für einen Moment die Augen. Mit Max am Tisch würde sie kaum einen Bissen runterkriegen. Doch sie musste da jetzt durch, ob sie wollte oder nicht. Außerdem ging es ja um Hope, das war wichtiger als alles andere.

Annabelle atmete tief durch und fragte sich, ob ihre Gefühle für das Baby nicht schon längst zu weit gingen. War sie genauso besessen von dem Wunsch, der kleinen Hope zu helfen, wie sie von ihrem Kinderwunsch besessen war?

Im Nachhinein betrachtet kamen ihr all die vergeblichen Schwangerschaftsversuche beinahe sinnlos vor. Warum war sie damals nur so verbohrt gewesen? Weil sie sich unbedingt ein Baby wünschte oder eher weil sie Max hatte glücklich machen wollen?

Er hatte ihr erzählt, dass seine Kindheit nicht besonders schön gewesen war. Deshalb hatte er sich auch kaum vorstellen können, dass es tatsächlich glückliche Familien gab. Annabelle hätte ihm so gern gezeigt, wie schön Familienleben sein konnte. Sie selbst war in einer Großfamilie aufgewachsen, und ihre Kindheit war wundervoll gewesen. Da Max’ Eltern nicht mehr lebten und er auch keine engeren Verwandten mehr hatte, hatte Annabelle ihm durch ein gemeinsames Kind diese enge Verbundenheit zu anderen nahebringen wollen. Dann hätte sie nicht nur eine eigene Familie gehabt, sondern ihre Ursprungsfamilie wäre auch gewachsen.

Doch leider hatte es nicht sollen sein.

Nach ihrer ersten Fehlgeburt hatte Annabelle daran gedacht, ein Kind zu adoptieren. Sie hatte die Idee jedoch wieder verworfen, weil ihre Schwester Mallory eine sehr enttäuschende Erfahrung damit gemacht hatte. Nachdem sie und ihr Mann ein Baby bei sich aufgenommen und monatelang liebevoll umsorgt hatten, hatte die Mutter das Kind kurz vor Abschluss der Adoption doch noch zurückgefordert. Annabelles Schwester hatte sehr gelitten, als sie das Baby wieder hergeben musste. Die ganze Familie war erschüttert worden.

Also hatte Annabelle weiterhin versucht, ein Baby durch künstliche Befruchtung zu bekommen, und war jedes Mal gescheitert. Unter jeder Fehlgeburt hatte sie mehr gelitten, sowohl körperlich als auch seelisch.

Sie schob sich eine große Blaubeere in den Mund. Genau in diesem Augenblick traten Max und Sienna an den Tisch, und Annabelle verschluckte sich. Sie bekam einen Hustenanfall und bedeckte hastig ihren Mund mit einer Serviette.

„Alles okay?“, fragte Max und setzte sich ihr gegenüber.

„J…ja.“ Sie hustete erneut und räusperte sich. „Ich … habe etwas in den falschen Hals bekommen.“

Sienna setzte sich dazu und öffnete den Deckel ihres Smoothies. „Ich nehme mittags auch lieber etwas Leichtes zu mir“, sagte sie mit einem Blick auf Annabelles Obstbecher. „Abends esse ich dann meistens warm.“

Annabelle aß lustlos ein Stück Honigmelone. War es denn ein Wunder, dass ihr der Appetit verging? Schließlich war ihr Noch-Ehemann wie aus dem Nichts hier aufgetaucht. Diesen Schock musste sie erst einmal verkraften.

Sie konnte nicht einmal so tun, als hätte sie einen festen Freund. Denn wenn es einen gäbe, hätte sie Max bestimmt schon längst gedrängt, die Scheidungspapiere zu unterzeichnen, und das wusste er.

Sienna trank gerade einen Schluck aus ihrem Becher, da ertönte ein Signal, und alle schauten auf ihr Handy. Annabelles Display war leer. Also konnte es nicht Ella sein, von der sie den ganzen Tag noch nichts gehört hatte, was ziemlich ungewöhnlich für sie war.

Sienna stellte ihren Becher so hastig ab, dass der Inhalt überschwappte, und starrte auf ihr Handy, ohne jedoch ranzugehen. Dann stand sie unvermittelt auf und sah Max an. „Es tut mir leid, ich muss jetzt gehen. Kommen Sie auch ohne mich zurecht?“

„Natürlich, kein Problem.“ Max runzelte die Stirn, aber ihm fiel auf, dass Sienna blass geworden war. „Ist alles in Ordnung?“

„Ja, ich … denke schon“, erwiderte sie knapp und legte dabei unwillkürlich eine Hand auf ihren Bauch. Dann schob sie das Handy in die Jackentasche und nahm ihren Plastikbecher in die Hand. „Rufen Sie mich einfach an, wenn Sie Fragen haben oder Hilfe brauchen, ja?“

„Danke, aber ich glaube, das wird nicht nötig sein. Ich bin sicher, dass Annabelle alle meine Fragen zu Baby Hope und meinem neuen Arbeitsplatz beantworten kann.“

Nicht nur das, dachte Annabelle. Sicher würde er sie auch fragen, warum sie die Scheidung noch nicht durchgezogen hatte, nachdem sie ihm die Unterlagen von ihrem Anwalt hatte schicken lassen. Er würde wissen, weshalb sie nicht nachgehakt hatte, als er nicht darauf reagiert hatte. Vielleicht hatte er es aber auch verdrängt, so wie sie es die ganze Zeit verdrängt hatte.

Wie dem auch war, Annabelle hatte nicht die Absicht, Privates am Arbeitsplatz zu diskutieren, noch wollte sie jeden Tag mit ihrem Noch-Ehemann zusammenarbeiten, für den sie noch Gefühle hatte, die er nicht erwiderte. Dabei war sie bis vor Kurzem noch davon überzeugt gewesen, über ihn hinweg zu sein.

Nun, da hatte sie sich wohl getäuscht.

„Annabelle, ist das für dich in Ordnung?“

Sie zuckte leicht zusammen, denn sie war mit ihren Gedanken abgeschweift. „Ja, kein Problem, wir kommen schon zurecht“, erwiderte sie schnell, damit Sienna ihr nicht anmerkte, wie aufgewühlt sie war.

Die Ärztin lächelte und wandte sich zum Gehen. „Gut, dann sehen wir uns später.“

Annabelle bemerkte, dass Sienna auf dem Weg zum Ausgang noch einmal auf ihr Handy blickte. Was das wohl zu bedeuten hatte? Vielleicht gab es ein Problem, und Sienna wollte nicht darüber reden. Oder es ging um Baby Hope, und es bestand die Hoffnung auf ein Spenderherz …

„Ich glaube nicht, dass Siennas Nachricht etwas mit einem Spenderherz für Hope zu tun hat“, sagte Max, als könne er Gedanken lesen. „Das hätte sie uns bestimmt gesagt.“

„Ja, wahrscheinlich hast du recht.“ Ein Schatten zog über Annabelles Gesicht. „Ich wünsche mir so sehr, dass sie bald ein Herz bekommt.“

„Ich weiß, das wünsche ich mir auch. Bis es so weit ist, werden wir alles dafür tun, ihren Zustand zu verbessern. Erzähl mir alles, was du über sie weißt. Unter welchen Umständen sie geboren wurde und so weiter und so fort.“

Annabelle überlegte kurz. Eigentlich hatte sie Max schon alles Wichtige über Hope erzählt, als sie zusammen vor dem Inkubator standen. „Also, wann und unter welchen Umständen sie geboren wurde, habe ich dir ja schon gesagt“, erwiderte sie schließlich. „Es war schlimm für mich, mit anzusehen, wie ihre Mutter sie verstoßen hat. Sie hat sie nicht einmal berühren wollen, kannst du dir das vorstellen? Hopes Herz ist sehr schwach, und es war nicht klar, ob sie die erste Nacht überleben würde. Ihre Mutter wollte sie noch nicht mal auf den Arm nehmen. Wahrscheinlich hatte sie von Anfang an geplant, ihr Baby im Krankenhaus zurückzulassen, und wollte deshalb keine Beziehung zu ihm aufbauen.“

„Ja, es ist schwer zu verstehen, wie eine Mutter so denken und handeln kann, selbst wenn sie noch sehr jung ist“, erwiderte Max. „Du warst bei Hopes Geburt dabei, nicht wahr?“

„Ja. Als Hopes Mutter Casey zu uns kam, hatte sie schon starke Wehen. Bei der Untersuchung wurde festgestellt, dass es ein schwerwiegendes Problem gibt. Ein Blick auf den Monitor hat Sienna genügt, um zu wissen, wie ernst es um Hopes Leben steht. Sie hat sie per Kaiserschnitt geholt, um das Risiko so gering wie möglich zu halten.“

Max nickte anerkennend. „Das war eine gute Entscheidung.“

„Ja, das war es. Hope hat überlebt, und wir waren sehr erleichtert. Aber Casey hat ziemlich gleichgültig darauf reagiert. Nachdem sie das Krankenhaus verlassen hat, hat sie sich kein einziges Mal nach Hope erkundigt. Sie hätte wenigstens anrufen und fragen können, wie es ihrem Baby geht.“

„Vielleicht will sie nicht gefunden werden. Oder sie hat Angst, dass ihr Kind inzwischen verstorben ist, und will sich nicht damit belasten.“

„Es ist ihr Baby, Max. Wie kann eine Mutter nur so herzlos sein? Und so ignorant?“

„Ich weiß es nicht. Vielleicht glaubt sie, dass ihr Baby ohne sie viel besser dran ist. Schließlich ist sie drogenabhängig, da ist es fast unmöglich, sich um ein Neugeborenes zu kümmern.“

Max’ Worte stimmten Annabelle nachdenklich. Dachte er dabei nur an Hope oder auch an ihre Ehe? Vielleicht hatte er damals auch geglaubt, dass sie, Annabelle, besser dran sei ohne ihn, und war deshalb gegangen.

Unsinn. Es war ja nicht seine Entscheidung gewesen, sondern ihre, sie hatte die Trennung herbeigeführt. Trotzdem hätte er doch um sie kämpfen müssen, oder etwa nicht?

Max hatte sich schon immer schwer damit getan, Gefühle zu zeigen, und Annabelle war überzeugt, dass das an seiner Kindheit lag. So wie er ihr erzählt hatte, hatten seine Eltern sich nicht besonders viel um ihn gekümmert. Ihre vielen langen Reisen, und zwar ohne Max, waren ihnen wichtiger gewesen. Er hatte sich damals sehr einsam gefühlt und Angst gehabt, dass sie nicht zurückkehrten.

Wie anders war es in Annabelles Familie zugegangen. Dort waren alle füreinander da, und es herrschte ein fester Zusammenhalt. Max war fasziniert gewesen, als sie ihm von ihrer glücklichen Kindheit erzählt hatte. Er hatte den Eindruck gemacht, als wünsche er sich so etwas für seine Zukunft. Umso größer war Annabelles Wunsch gewesen, eine Familie mit ihm zu gründen. Sie hatten es versucht, aber es war schiefgegangen.

Sie war so wütend und gekränkt gewesen, als er ihr das Ultimatum stellte, nachdem er ihr Tagebuch gefunden hatte. Doch anstatt zu warten, bis der erste Zorn verflogen war, und dann mit ihm zu reden, hatte sie auf stur geschaltet. Damit der Streit nicht eskalierte, hatte sie Max gesagt, er solle gehen. Dass er das wirklich tat und nicht zurückkam, damit hätte sie niemals gerechnet.

Annabelles Gedanken kehrten zurück zu Hope. Sie seufzte auf. „Da hast du auch wieder recht. Wahrscheinlich werden wir nie erfahren, warum sie so gehandelt hat. Wenn ich geahnt hätte, dass sie ihr Baby so abrupt verlässt, hätte ich versucht, sie davon abzuhalten. Oder sie wenigstens davon zu überzeugen, dass sie wiederkommt und nach dem Baby schaut. Dann hätte man gemeinsam eine Lösung finden können, wie es mit Hope weitergehen soll.“

„Tja, manchmal hat man eben das Gefühl, dass es kein Zurück mehr gibt, wenn man eine Entscheidung getroffen hat.“

Max sah ihr ihn die Augen, und jetzt wusste Annabelle, dass er nicht mehr über Casey sprach, sondern über sich selbst. Über seine Entscheidung, sich von ihr, Annabelle, zu trennen. Darüber wollte sie jedoch keinesfalls hier in der Krankenhauskantine sprechen.

„Kann schon sein“, erwiderte sie ausweichend. „Dann muss man eben lernen, mit den Konsequenzen dieser Entscheidung zu leben.“ Sie biss ein Stück von ihrem Schokoladenkuchen ab und lenkte das Gespräch danach in eine neutrale Richtung.

Max ließ sich darauf ein, doch während sie über ihre kleinen Patienten und deren Behandlungsfortschritte sprachen, merkte Annabelle, dass sie in seiner Gegenwart nicht sachlich und entspannt war. Sie musste unbedingt versuchen, ihre Gefühle in den Griff zu bekommen und sich mit aller Kraft auf ihren Job zu konzentrieren.

Ob ihr das gelingen würde, war jedoch sehr fraglich.

3. KAPITEL

„Ach, Ella, bitte nicht wieder diese Diskussion“, erwiderte Annabelle gereizt, als sie ihre Freundin am nächsten Morgen auf Station traf.

„Wieso Diskussion und wieso wieder? Ich habe dich doch gestern gar nicht mehr gesehen, nachdem du Max getroffen hast. Jetzt erzähl schon! Wie war es, ihn nach so langer Zeit wiederzusehen?“

Annabelle verdrehte die Augen. „Es war ein Schock, das kannst du dir doch denken. Ich wollte gerade zu Hope, da stand er plötzlich da – neben Sienna, direkt vor Hopes Inkubator.“

„Einfach so, ohne Vorankündigung?“ Ella trank einen Schluck aus ihrer Wasserflasche, dann verzog sie plötzlich das Gesicht.

„Was ist, geht es dir nicht gut?“, fragte Annabelle besorgt.

„Ich weiß nicht, ich habe seit gestern Abend leichte Magenschmerzen. Hoffentlich werde ich nicht krank. Ausgerechnet jetzt so kurz vor Weihnachten kann ich das überhaupt nicht brauchen.“ Sie sah Annabelle an. „Aber zurück zu dir. Hattest du tatsächlich keine Ahnung, dass Max derjenige ist, der Siennas Vertretung übernimmt?“

„Nein, wirklich nicht, das hätte ich dir doch erzählt. Ich wusste zwar, dass für Sienna jemand kommen würde, aber nach dem Namen habe ich nicht gefragt. Warum auch, ich hätte nicht einmal im Traum daran gedacht, dass es Max sein könnte.“

Ella nickte. „Wie dem auch sei, jetzt ist er da, und du musst sehen, wie du damit klarkommst. Wie hat er denn reagiert, als ihr euch getroffen habt? Wusste er, dass du hier arbeitest, und hat er sich gefreut, dich zu sehen?“

„Sch, sei doch nicht so laut!“ Annabelle zerrte Ella schnell in einen Untersuchungsraum und schloss die Tür hinter sich, damit sie niemand hörte. „Bestimmt wusste er das nicht, er schien genauso überrascht zu sein wie ich. Keine Ahnung, ob er sich gefreut hat, ich glaube eher nicht. Schließlich habe ich mich von ihm getrennt, und nicht umgekehrt.“

Ella sah sie prüfend an. „Hm, ich hatte damals nicht den Eindruck, dass du dich wirklich von ihm trennen wolltest. Du hast ihn doch nur weggeschickt, weil ihr euch so arg gestritten habt. Dass er dich gleich verlassen und nicht wiederkommen würde, konnte niemand ahnen.“

Annabelle hatte weder Lust noch Energie für solche Diskussionen. Sie hatte kaum geschlafen, weil das Wiedersehen mit Max sie so sehr aufgewühlt hatte. Nach dem Essen in der Kantine hatte sie sich schnell von ihm verabschiedet, doch später war er wieder zu ihr auf die Neugeborenenstation gekommen, um sich weiter über Hope zu unterhalten, was ja auch sehr wichtig war für die Planung einer potenziellen Herztransplantation.

So war Annabelle gezwungen gewesen, mit ihm gemeinsam die umfangreiche Dokumentation durchzugehen und dabei einen Plan zu erstellen, wie das Baby bestmöglich versorgt werden konnte, um seine Herzfunktion bis zur erhofften Transplantation aufrechtzuerhalten. Die Arbeit mit Max hatte viele Erinnerungen geweckt. In der Nacht hatte sie sich ruhelos im Bett gewälzt, weil sie den Tag mit ihm immer wieder hatte Revue passieren lassen.

Erst im Morgengrauen war sie schließlich eingeschlafen, bis der Wecker sie gnadenlos aus dem Schlaf gerissen und daran erinnert hatte, dass sie Max von nun an täglich sehen würde, und zwar drei Monate lang, bis sein Vertrag ablief. Wie sollte sie diese Zeit bloß überstehen?

„Er hat mich nicht verlassen“, widersprach sie grimmig. „Es lief einfach nicht mehr zwischen uns, deshalb ist er gegangen. Ich war nur diejenige, die es ausgesprochen hat, das ist alles.“

Annabelle hatte sehr unter der Trennung gelitten und Ella damals häufig angerufen, um sich bei ihr auszuweinen. Nach gut einem halben Jahr hatte Ella es schließlich nicht mehr hören können und förmlich auf den Tisch gehauen.

„Jetzt reicht es aber, Anna!“, hatte sie geschimpft. „Du musst dich endlich entscheiden, ob du ein neues Leben anfangen oder den Rest deiner Tage damit verbringen willst, einem Mann nachzuweinen, der nichts mehr von dir wissen will.“

Ellas Worte hatten Annabelle schließlich dazu bewegt, aus ihrem dunklen Loch zu kriechen und nach vorn zu blicken. Ella hatte recht. Annabelle konnte nicht ewig einem Mann nachtrauern, der sein Leben nicht mehr mit ihr teilen wollte. Ella hatte sie dann dazu gebracht, von London in die Cotswolds zu ziehen, was Annabelle bisher keinen Tag bereut hatte. Sie fühlte sich sehr wohl in Cheltenham und liebte ihren Job im Teddy’s. Jetzt tauchte plötzlich Max auf und brachte ihr wohl geordnetes Leben durcheinander, doch dafür konnte Ella nichts, das hatte niemand ahnen können.

Annabelles Pager piepte plötzlich zur gleichen Zeit wie Ellas, und beide sahen auf ihr Display:

Schwerer Unfall auf der M5 mit mehreren Fahrzeugen, darunter ein Kleinbus mit Kindern aus der Kita. Mehrere Personen sind verletzt und auf dem Weg hierher. Alle verfügbaren Mitarbeiter bitte in der Notaufnahme melden.

„Oh, da müssen wir uns melden“, sagte Annabelle erschrocken.

„Ja, lass uns sofort hingehen.“ Ella schwankte plötzlich und hielt sich an der Türklinke fest.

„Was ist denn, Ella?“, fragte Annabelle besorgt. „Hast du wieder Bauchschmerzen?“

„Ist schon okay“, erwiderte Ella matt, und Annabelle fiel auf, dass ihre Freundin ziemlich blass geworden war.

„Vielleicht solltest du besser heimgehen“, schlug sie deshalb vor. Fast ein Drittel der Belegschaft hatte sich schon krankgemeldet, und Ella schien es nun auch erwischt zu haben.

Doch Ella schüttelte den Kopf. „Nein, ich bleibe hier. Wenn es schlimmer werden sollte, gehe ich nach Hause.“

„Bist du sicher?“

„Ja. Und jetzt komm, die Unfallopfer sind bestimmt gleich da.“

Max war bereits in der Notaufnahme, als Annabelle und Ella dort ankamen. Sie gingen eilig an dem kleinen, bunt geschmückten Weihnachtsbaum vorbei zu der Gruppe von Mitarbeitern, die bereits auf die Rettungswagen warteten. Ella warf Max dabei einen frostigen Blick zu.

Na toll, Ella, wie sie leibt und lebt, dachte Max verdrossen. Doch jetzt war keine Zeit für private Plänkeleien, denn als auch Annabelle ihn sah, kam sie sofort auf ihn zu.

„Wie viele Verletzte sind es denn, weiß man das schon?“, fragte sie aufgeregt.

Max schüttelte den Kopf. „Nein, ich weiß auch nicht mehr als du.“

Kurz darauf hörten sie die Sirenen der Rettungswagen. Max wappnete sich innerlich für das, was ihm gleich bevorstand. Er wusste, dass man bei einem so schweren Unfall auf alles vorbereitet sein musste.

Am schlimmsten war der Gedanke, dass es sich bei den Unfallopfern um kleine Kinder handelte, die mit ihrer Kita-Gruppe auf einem Ausflug waren. Im Moment wusste Max jedoch weder, wie viele kommen würden, noch wie schwer ihre Verletzungen waren.

Sekunden später fuhr der erste Krankenwagen ein und gleich darauf der zweite. Als die Türen des vorderen Wagens geöffnet wurden, hörten Max die Schreie eines Kindes, sie gingen ihm durch Mark und Bein. Auf der Trage lag ein kleines Mädchen von etwa drei Jahren. Der Ärmel ihres rechten Armes war aufgeschnitten, und Max erkannte eine schwere offene Fraktur. Das Laken, auf dem das Mädchen lag, war blutdurchtränkt.

„Bringen Sie sie in den großen Untersuchungsraum“, wies er die Sanitäter an. „Überprüfen Sie die Vitalfunktionen, und untersuchen Sie das Kind auf weitere Verletzungen. Ich komme in ein paar Minuten nach.“

Bei seinen Einsätzen in Afrika hatte Max gelernt, die Patienten nach der Schwere ihrer Verletzung zu priorisieren und die sogenannte Triage vorzunehmen, um so viele Menschenleben wie möglich zu retten. Wenn man die Verletzten in der Reihenfolge behandeln würde, in der sie eintrafen, konnte das den Tod für die Schwerstverletzten bedeuten.

Als Annabelle den Sanitätern folgen wollte, hielt Max sie jedoch zurück. Wenn er einen kritischen Fall behandeln musste, würde er eine erfahrene Krankenschwester an seiner Seite brauchen, die in der Lage war, ihm ruhig und kompetent zu assistieren. Annabelle wusste mit solchen Fällen umzugehen, das hatte sie bei ihrer Arbeit schon sehr oft bewiesen.

Selbst bei Baby Hope, die ihr sehr ans Herz gewachsen war, war sie ruhig geblieben, als es zu dem Notfall gekommen war, und genau das war es, was Max brauchte. Schon früher im Krankenhaus in London hatten sie häufig zusammengearbeitet und dabei sehr gut harmoniert.

Max blieb jedoch keine Zeit, über die Vergangenheit nachzudenken, denn im nächsten Augenblick traf der dritte Krankenwagen ein, der weitere Verletzte brachte – insgesamt dreizehn Unfallopfer, darunter drei Erzieherinnen. Max wurde ein etwa zweijähriges Mädchen zugeteilt, bei dem der Verdacht auf Herzkontusion bestand.

„Sie muss auf die Intensivstation, und zwar schnell“, ordnete er an, da er den Ernst der Lage auf den ersten Blick erkannte.

Innerhalb von zwei Minuten war das Kind auf der Station, und Max schloss es an den Herzmonitor an. Das Mädchen war bei Bewusstsein und zeigte deutliche Anzeichen von Atemnot.

„Wir müssen intubieren, und dann brauche ich Röntgenaufnahmen und einen CT-Scan vom Thorax“, fuhr er fort. Dann rief er rasch im großen Untersuchungsraum an, in dem das Mädchen mit der offenen Fraktur lag, und gab Bescheid, dass ein anderer Arzt dies übernehmen sollte, weil er selber einen kritischeren Fall behandeln musste.

Max war zwar sehr geübt darin, in dramatischen Situationen Ruhe zu bewahren, doch wenn es sich bei Unfallopfern um kleine Kinder handelte, berührte ihn das tief und brachte ihn emotional manchmal an seine Grenzen.

So war es oft bei seiner Arbeit in Afrika gewesen. Die bittere Armut und das Leid der Menschen, die er dort behandelt hatte, waren ihm ans Herz gegangen. Das hatte ihn viel Kraft gekostet, bis ihm nach drei Jahren klar wurde, dass er dringend eine Pause brauchte. Und jetzt, an seinem zweiten Arbeitstag, kamen diese Gefühle wieder in ihm hoch, doch er musste sie verdrängen, um dieses Kind zu retten.

Nach Röntgen und CT kam das kleine Mädchen direkt in den OP. Die Untersuchungen hatten Max’ Verdacht bestätigt. Das Brustbein des Kindes war gebrochen, und Herz und Lungen standen unter Druck. In wenigen Minuten hatte Max das OP-Team zusammengestellt, zu dem auch Annabelle gehörte, und sie begannen mit der Arbeit. Nach mehreren Stunden war die schwierige Operation schließlich beendet und das Mädchen außer Lebensgefahr.

Annabelles Schicht war schon längst zu Ende, doch sie wollte noch nicht gehen, denn zu sehr sorgte sie sich um das operierte Kind, das immer noch sediert war und beatmet wurde. Den Eltern hatte sie Bescheid gegeben, dass die Operation gut verlaufen war und sie ihre Tochter in einer Viertelstunde sehen durften.

„Du brauchst eine Pause, Anna“, sagte Max, da er ihr ansah, wie erschöpft sie war. „Willst du nicht nach Hause gehen? Eine Kollegin kann dich sicher ablösen.“

Annabelle schüttelte den Kopf. „Nein, ich möchte noch bei Sarah bleiben, wenigstens so lange, bis ihre Eltern da sind. Ausruhen kann ich mich später noch, wenn ich weiß, dass sie stabil bleibt und ihr Leben nicht mehr in Gefahr ist.“

Typisch Anna, dachte Max. Das Wohl ihrer Patienten lag ihr so sehr am Herzen, dass sie ihre eigenen Bedürfnisse zurückstellte, das war schon früher so gewesen. Er sah sie prüfend an. „Wann hast du eigentlich zum letzten Mal etwas gegessen?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Das ist jetzt nicht wichtig. Ich esse was, wenn ich nach Hause komme.“

„Wir könnten nachher zusammen essen gehen, was meinst du?“, schlug er spontan vor. „Ich hätte auch schon Hunger.“

Annabelle zögerte und wich seinem Blick aus. „Ich weiß nicht, ob … das eine so gute Idee ist.“

Sie begann die gebrauchten Operationsutensilien aufzuräumen, und wieder dachte Max an früher, als sie noch zusammen waren. Sie wich ihm aus, weil sie nicht mit ihm reden wollte, genau wie damals. Doch sie mussten miteinander sprechen, wenn sie die nächsten drei Monate ohne größere Probleme zusammenarbeiten wollten.

„Wir müssen miteinander reden, Anna. Lass uns doch in ein Restaurant oder einen Pub gehen, wenn wir hier fertig sind. Dann können wir gemeinsam überlegen, wie wir in den nächsten Monaten miteinander umgehen wollen. Ich meine, wir müssen einen Weg finden, um professionell zusammenzuarbeiten, ohne dass wir in Streit geraten oder uns unwohl fühlen, wenn wir uns begegnen.“

Annabelle nickte. „Du hast recht, das müssen wir. Es bleibt uns ja nichts anderes übrig, oder?“, fügte sie leicht ironisch hinzu.

Max atmete tief ein und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Hör zu, Anna, ich … denke nur darüber nach, wie wir es schaffen können, die Zeit, in der ich hier bin, einigermaßen gut herumzukriegen. Kündigen wird ja sicher keiner von uns beiden, nur um dem anderen aus dem Weg zu gehen.“

Max ging es jedoch nicht nur um die Arbeit, sondern auch um sein Privatleben, denn ihm war längst klargeworden, dass er das Thema Scheidung nicht ewig vor sich herschieben konnte. Er musste dem Problem ins Auge sehen und entscheiden, wie es weitergehen sollte. Drei Jahre war er im Ausland gewesen und hatte es verdrängt, doch jetzt war das nicht mehr möglich. In den nächsten drei Monaten würde er Annabelle fast jeden Tag sehen und konnte dabei nicht so tun, als seien sie nichts weiter als Kollegen.

„Natürlich nicht, ich liebe meinen Job und denke nicht daran, ihn aufzugeben“, erwiderte sie schroff.

Die Heftigkeit, mit der sie auf die Bemerkung reagierte, überraschte Max. Glaubte sie womöglich, dass er ihr Ärger machen würde oder gar von ihr erwartete, dass sie seinetwegen kündigte?

„Das weiß ich doch, so habe ich das auch nicht gemeint“, erwiderte er schnell. „Ich möchte nur nicht, dass … dass du dich schlecht fühlst, wenn ich in deiner Nähe bin.“

„Ich fühle mich nicht schlecht. Ich war nur ziemlich vor den Kopf gestoßen, weil ich nicht einmal im Traum damit gerechnet hätte, dich an meinem Arbeitsplatz zu treffen.“

„Das kann ich mir vorstellen, mir ging es nicht anders“, gab Max zu. „Aber dir muss doch klar gewesen sein, dass wir nicht ewig in diesem Schwebezustand leben können.“

„Schon, aber ich habe das irgendwie die ganze Zeit verdrängt.“ Sie warf die Utensilien in den Mülleimer, desinfizierte sich die Hände und ging dann zurück an Sarahs Bett.

Als Max sah, wie behutsam sie dem kleinen Mädchen das Haar aus dem Gesicht strich, rührte sich etwas tief in seinem Herzen. Ja, sie wäre eine wundervolle Mutter, davon war er überzeugt. Für Annabelle war es sehr schwer, dass sie nicht schwanger werden konnte. Den Grund dafür kannte niemand. Kein Experte und keine Untersuchung hatten bisher klären können, wo das Problem lag und wie man es lösen könnte.

Am schlimmsten für Max war, dass Annabelle ihn aus ihrem Leben ausgeschlossen hatte nach seiner Weigerung, es noch weiter mit künstlicher Befruchtung zu versuchen. Als er ihr Tagebuch gefunden und sie zur Rede gestellt hatte, hatte sie ihn regelrecht hinausgeworfen. Sie hatte ihm das Herz gebrochen, und in der Folge hatte er beschlossen, sein Herz nie wieder zu verschenken. Seitdem hatte er keine andere Frau mehr an sich herangelassen. Denn er wollte nie mehr verletzt werden.

Als Annabelle ihn wieder ansah, war die Zärtlichkeit in ihrem Blick verschwunden, und Entschlossenheit trat an ihre Stelle. „Du hast recht, so können wir nicht weitermachen. Ich gehe mit dir essen und wir reden.“

Max atmete erleichtert auf und nickte. „Okay. Wenn Sarahs Eltern weg sind, ziehe ich mich nur schnell um, dann können wir gleich gehen.“

Eine knappe halbe Stunde später hatte Max sich umgezogen und wusch sich am Waschbecken in der Umkleide Hände und Gesicht. Als er in den Spiegel sah, stellte er fest, dass er ziemlich müde aussah. Sein dunkles Haar zeigte an den Schläfen erste graue Strähnen, und auf der Stirn hatte er schon ein paar Falten. Wie schnell war bloß die Zeit vergangen.

Noch vor ein paar Jahren war er glücklich verheiratet mit Annabelle gewesen, und jetzt stand er vor den Trümmern seiner Ehe und führte ein Nomadenleben, das ihn immer müder und nie so recht zufrieden machte. Klar, er war mit Leib und Seele Kinderarzt und auch die Arbeit für Ärzte ohne Grenzen bedeutete ihm sehr viel, doch die Geister der Vergangenheit hatten ihn dabei nie losgelassen. Jetzt war es an der Zeit, nicht mehr vor ihnen wegzulaufen und sie endlich zu bezwingen.

Warum er die Scheidungspapiere bis heute noch nicht unterschrieben hatte, wusste Max selbst nicht so genau. Vielleicht, weil er dadurch den Status als verheirateter Mann als Vorwand nutzen konnte, um Frauen davon abzuhalten, eine feste Beziehung mit ihm einzugehen. Annabelle würde sicher früher oder später einen neuen Partner finden und dann frei für diesen Mann sein wollen. Und er würde ihr dann nur im Wege stehen.

Bei dem Gedanken verspürte Max ein mulmiges Gefühl im Bauch. Würden sie es gleich im Restaurant schaffen, über die Vergangenheit zu reden und eine Lösung zu finden, wie sie im Arbeitsalltag miteinander umgehen konnten, und dabei ihre Gefühle außen vor lassen konnten?

Schwierig.

Vielleicht sollte er es einfach Annabelle überlassen, worüber sie gleich sprachen. Wenn sie tatsächlich wollte, dass er die Papiere unterschrieb, dann würde er eben unterschreiben.

4. KAPITEL

Der Pub, in den Annabelle ihn führte, war brechend voll. Max fragte sich, wie sie sich bei diesem Lärm, der durch das Klappern von Geschirr, Stimmengewirr und lautem Gelächter der vielen Gäste herrschte, in Ruhe unterhalten sollten. Für sein Empfinden war das wirklich nicht der richtige Ort, um sich nach einem langen und anstrengenden Arbeitstag zu entspannen.

Der Essbereich wurde nur von kleinen Lampen an der Wand beleuchtet und war ziemlich dunkel. Auch gab es kaum weihnachtliche Deko, lediglich eine Reihe bunter Glühbirnen entlang des Tresens wiesen darauf hin, dass Weihnachten vor der Tür stand.

Max runzelte die Stirn. Wieso hatte Annabelle sich ausgerechnet diese Kneipe ausgesucht? Damit ihr Gespräch im Trubel unterging?

Annabelle ging voraus und suchte einen freien Tisch. Ihr war zwar bewusst, dass dieser Pub nicht unbedingt der Ort war, an dem man sich entspannen konnte, doch genau deshalb hatte sie ihn ausgesucht – weil sie wusste, dass sie hier keine Arbeitskollegen treffen würde. Niemand sollte mitbekommen, worüber Max und sie sich unterhielten.

Außerdem war es hier ziemlich dunkel, was ihr hoffentlich dabei half, ihre Gefühle vor ihm zu verbergen. Früher hatte Max wie aus einem Buch aus ihrem Gesichtsausdruck gelesen, und sie ärgerte sich darüber, dass er diese Fähigkeit offenbar noch immer hatte.

Sie setzte sich an einen kleinen Tisch im hinteren Teil des Pubs, und Max nahm ihr gegenüber Platz. Gleich darauf kam eine Kellnerin und reichte beiden eine Speisekarte.

„Möchten Sie schon etwas trinken?“, fragte sie über den Lärm hinweg mit lauter Stimme.

Annabelle überlegte, ob sie sich ein alkoholisches Getränk bestellen oder lieber auf Nummer sicher gehen sollte. Schließlich entschied sie sich für ein Glas Weißwein.

Die junge Kellnerin gab die Bestellung in ihr Gerät ein, dann wandte sie sich Max zu, und ihr Blick fiel dabei auf seine linke Hand. Als sie sah, dass er keinen Ring trug, setzte sie ein verführerisches Lächeln auf. „Und was darf ich Ihnen bringen?“

„Einen Whiskey bitte.“

Max lächelte nur für einen kurzen Moment und wandte sich dann gleich wieder Annabelle zu, doch trotzdem spürte sie ein Gefühl von Eifersucht in sich aufkommen. Annabelle störte es, wenn eine Frau in ihrem Beisein Max so ungeniert Avancen machte. Dass er dieser Kellnerin gefiel, war ihr sofort aufgefallen, obwohl sie selbst nicht zu den Frauen gehörte, die ihre Reize spielen ließen, um die Aufmerksamkeit eines Mannes auf sich zu lenken.

Die Bedienung hatte offenbar verstanden, dass Max keinerlei Interesse an ihr hatte, und ihr Lächeln verschwand. „Kommt gleich“, erwiderte sie kühl und ging zurück in Richtung Bar.

„Danke“, sagte Annabelle.

„Wofür?“

„Dafür, dass du nicht darauf eingegangen bist.“

„Worauf?“

„Sie hat dich angemacht, sag bloß, das hast nicht gemerkt.“

Max zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, sie ist nicht mein Typ.“

„Dafür steht sie umso mehr auf dich.“

„Ist mir gar nicht aufgefallen.“

„Komm schon, Max, das glaube ich dir nicht.“ Annabelle lehnte sich zurück und sah ihn prüfend an. Max hatte schon immer blendend ausgesehen, und in den drei Jahren in Afrika war er sogar noch attraktiver geworden.

„Ach was, wahrscheinlich strahlt sie jeden an, den sie bedient. Nett zu sein gehört zu ihrem Job.“

„Wollen wir wetten?“

Max wurde plötzlich ernst. „Mit so etwas mache ich keine Spielchen, Anna. Das solltest du eigentlich wissen.“

Annabelle senkte unbehaglich den Blick. Sie hatte gleich gewusst, dass es schwierig werden würde. Weshalb sagte Max so etwas? Sie hatte ihn drei Jahre nicht gesehen, wie sollte sie da wissen, wie er mit Frauen umging, die sich für ihn interessierten?

Davon abgesehen gönnte sie es ihm, wieder eine Frau zu finden, die ihr Leben mit ihm teilen wollte. Als Kind hatte Max sehr unter der fehlenden Zuwendung seiner Eltern gelitten. Er hatte es verdient, glücklich zu sein.

„Ich … weiß nicht mehr, wie du denkst und fühlst“, gab sie schließlich zu. „Selbst, als wir noch zusammen waren, hatte ich oft das Gefühl, dass ich dich nicht verstehe. Wir hätten viel mehr miteinander reden sollen.“

„Wir haben viel geredet, sehr viel sogar. Aber meistens endete es im Streit.“

Max hatte recht, sie hatten sich gestritten, vor allem in den letzten Monaten vor ihrer Trennung. Am schlimmsten als er ihr Tagebuch gefunden hatte, in dem sie ihre Körpertemperatur aufgezeichnet hatte, in der Hoffnung, dass ihr das half, doch noch schwanger zu werden.

Doch Max hatte nichts mehr davon wissen wollen und war schrecklich wütend geworden. Er hatte sich verändert in den Monaten vor ihrer Trennung, hatte sich zu einem Menschen entwickelt, den Annabelle nicht mehr verstand. Wenn sie mit ihm sprechen wollte, blockte er nur ab oder machte völlig dicht, was sie als Zeichen dafür deutete, dass er nicht mehr glücklich mit ihr war.

Dabei hatte sie alles dafür getan, ein Baby zu bekommen, weil sie dachte, dass ein gemeinsames Kind ihre Beziehung perfekt machen und sie fest zusammenschweißen würde. Doch es hatte nicht geklappt, und niemand hatte bisher sagen können, warum. Annabelles zahlreichen Versuche, durch künstliche Befruchtung schwanger zu werden, endeten im Desaster. Es hatte sie nicht nur gesundheitlich geschädigt, sondern auch zum Scheitern ihrer Ehe geführt.

Die Kellnerin kam und servierte ihre Drinks. „Möchten Sie jetzt bestellen?“, fragte sie frostig.

„Ich hätte gerne Fish und Chips und ein Glas Mineralwasser“, sagte Annabelle, da sie keine Lust hatte, die Speisekarte zu durchforsten.

„Für mich das Gleiche bitte und dazu ein dunkles Bier.“

Die Kellnerin notierte die Bestellung, und als sie wegging, nippte Annabelle an ihrem Wein, während Max einen Schluck Whiskey trank.

„Wieso hast du mich ausgerechnet in diesen Pub geführt?“, fragte er und stellte sein Glas wieder ab. „Hier ist es fruchtbar laut.“

„Ich komme oft mit Ella her, wenn wir uns entspannen und nicht mehr an die Arbeit denken wollen. Bei dem Lärm kann man sich nur schwerlich über den Job unterhalten.“

Max lächelte. „Das stimmt. Aber es gibt Schlimmeres, als im Krankenhaus zu arbeiten.“

„Du meinst deine Arbeit für Ärzte ohne Grenzen? Wo bist du denn überall gewesen?“

„Im Nahen Osten und in Afrika. Im letzten halben Jahr war ich im Sudan und davor in Kenia.“

„Das war bestimmt nicht immer leicht.“

„Nein, das war es wirklich nicht.“

Max erzählte ihr von seinen Erfahrungen dort, und Annabelle hörte fasziniert zu. Sie interessierte sich schon lange für die Arbeit von Ärzte ohne Grenzen, hatte sich jedoch bisher noch nicht näher damit beschäftigt. Einiges, was Max erzählte, klang allerdings sehr traurig und dramatisch. Es musste schwer für ihn gewesen sein, seine Erlebnisse zu bewältigen und zu verkraften.

„Willst du später damit weitermachen?“, erkundigte sie sich. „Ich meine, wenn dein Vertrag in unserer Klinik abgelaufen und Sienna nach der Babypause wieder da ist.“

„Das weiß ich noch nicht genau. Ich …“

Die Kellnerin trat erneut an ihren Tisch, um die Speisen und Getränke zu servieren. Als sie wieder weg war, fuhr Max fort: „Ich überlege, mich auf Dauer hier in dieser Gegend niederzulassen. Wie lange lebst du schon in Cheltenham?“

„Seit einem Jahr. Davor habe ich eine Zeitlang bei meinen Eltern gewohnt.“

„Suzanne hat mir erzählt, dass du nicht lange in unserer Wohnung geblieben bist, nachdem ich weggegangen bin.“

Suzanne war ihre Haushaltshilfe, mit der Annabelle sich sehr gut verstand und die sie nun vermisste. „Das stimmt. Hast du denn gedacht, ich würde bleiben?“

Max zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ich bin erst ein Jahr später zurückgekommen, nach meinem ersten Auslandseinsatz. Da warst du schon ausgezogen.“

Annabelle senkte den Blick, denn die Erinnerung an die schöne Zeit, die sie mit Max in ihrer Londoner Wohnung verbracht hatte, tat ihr weh. „Ich … konnte einfach nicht in dieser Wohnung bleiben. Ich denke, du verstehst das.“

„Ich auch nicht nach all dem, was passiert war.“ Max machte eine kurze Pause, bevor er weitersprach. „Weißt du, selbst wenn du mich nicht weggeschickt hättest, wäre ich früher oder später sowieso gegangen. Die Situation zwischen uns war einfach nicht mehr tragbar.“

Annabelle atmete tief ein. Max hatte recht, nichts hatte zwischen ihnen mehr gestimmt. Sie war fest entschlossen gewesen, ein Baby zu bekommen, und er wollte die Belastungen einer künstlichen Befruchtung nicht mehr tragen. Nach jeder Fehlgeburt hatte er sich weiter von ihr entfernt, und als sie nach der letzten Fehlgeburt sogar ernsthaft krank wurde und er dann auch noch ihr Tagebuch fand, war er förmlich ausgerastet. Eigentlich war ihre Beziehung schon am Ende, bevor er Annabelle verlassen hatte.

Sie trank noch einen großen Schluck Wein, bevor sie das schwierige Thema ansprach, weswegen sie eigentlich hierhergekommen waren. „Hör mal, Max, wir … müssen über unsere Scheidung reden. Du hast die Papiere noch nicht unterschrieben, die ich dir über meinen Anwalt geschickt habe. Du hast überhaupt nicht darauf reagiert.“

Ein kleiner Muskel zuckte um seinen Mundwinkel. Ihm musste das Thema genauso unangenehm sein wie ihr. „Stimmt, das habe ich nicht. Ich war ständig unterwegs, und nach einer Weile habe ich einfach nicht mehr dran gedacht.“

„Aber, wenn du … also, wenn du dich mit anderen Frauen triffst“, fuhr Annabelle fort, da sie den Stier nun bei den Hörnern packen wollte. „Stört es die dann nicht, dass du noch verheiratet bist?“

„Ich habe keine Zeit und auch kein Interesse an einer neuen Beziehung“, erklärte Max kühl. „Ein gebranntes Kind scheut das Feuer, weißt du?“

Seine Worte trafen Annabelle ins Herz, doch sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. „Es tut mir leid, dass du meinetwegen jetzt so denkst.“

„Du warst vielleicht der Auslöser, aber nicht der Grund. Ich kenne nicht gerade viele Ehen, die auf Dauer glücklich sind.“

„Meine Eltern sind sehr glücklich miteinander, und das schon seit Jahrzehnten.“

Max lächelte. „Ausnahmen bestätigen die Regel. Wie geht es ihnen?“

„Sehr gut. Meinen Schwestern auch. Jessica hat einen kleinen Sohn bekommen, er heißt Nate.“

Nun spürte Max einen Stich im Herzen. Er mochte Annabelles Familie sehr, und es tat ihm leid, dass er in den vergangenen drei Jahren keinen Kontakt mehr zu ihnen hatte. „Das freut mich sehr für sie“, erwiderte er ehrlich.

Wieder dachte Annabelle daran, wie unterschiedlich Max und sie aufgewachsen waren. Während seine Eltern ihm nur wenig Zeit gewidmet hatten und häufig ohne ihn verreist waren, war Annabelles Kindheit von Geborgenheit und liebevoller Zuwendung geprägt gewesen. Ihre Eltern hatten sie und ihre Schwestern immer mit in den Urlaub genommen, niemals wäre ihnen in den Sinn gekommen, eine Nanny für die Kinder zu engagieren, wie es bei Max der Fall gewesen war. Annabelle erinnerte sich sehr gern an die schönen und oft auch abenteuerlichen Urlaube mit ihrer Familie zurück.

Sie hatte sich so sehr gewünscht, Max ein solches Familienleben bieten zu können, indem sie ihm ein Baby schenkte. Als es jedoch mit der Schwangerschaft nicht klappte, hatte sie sich nur noch auf ihren Kinderwunsch konzentriert und alles andere außer Acht gelassen. Das war falsch gewesen und tat ihr jetzt leid.

„Was hast du jetzt vor?“, kam sie zum eigentlichen Thema zurück.

„Was meinst du?“

„Unsere Scheidung. Wir sollten sie endlich durchziehen, damit wir frei in unseren Entscheidungen sind. Du könntest wieder glücklich werden mit einer neuen Frau. Wenn du …“

Er legte seine Hand auf ihre und unterbrach sie. Ein prickelndes Gefühl durchströmte Annabelle, so vertraut und zugleich intensiv, dass ihr Herz schneller schlug.

„Bist du fertig mit Essen?“

Annabelle runzelte die Stirn. „Ja, ich hatte sowieso keinen allzu großen Hunger. Warum? Willst du schon gehen?“

„Ja, hier ist es mir zu laut.“ Ohne ihre Antwort abzuwarten, legte er einige Geldscheine auf den Tisch und stand auf.

Annabelle nahm Max nicht ab, dass der Lärm im Pub ihn derart störte. Wollte er dem Thema Scheidung etwa aus dem Weg gehen? Vielleicht hatte er die Papiere aber auch schon unterschrieben und wollte sie ihr in den nächsten Tagen geben. Bei dem Gedanken zog Annabelles Magen sich zusammen. Doch warum? Weil sie in Wahrheit gar nicht wollte, dass es zur Scheidung kam?

Widerstrebend zog sie ihren Mantel an und verließ mit Max den Pub. Draußen war es bitterkalt, und Annabelle zog sich ihren Schal enger um den Hals. Dann ging sie schweigend neben Max her, ohne zu wissen, wohin er wollte. Als er nach einer Weile immer noch schwieg, hielt sie ihn am Arm fest und blieb stehen.

„Max, was ist denn los? Wo gehen wir überhaupt hin?“

Er sah sie nun auf eine Art und Weise an, die ihr Herz erneut berührte. „Keine Ahnung, ich wollte einfach nur raus aus diesem Pub. Aber eines weiß ich ganz genau – es ist immer noch da, spürst du es nicht auch?“

„Was denn?“

„Dieser Funke zwischen uns, der bei jeder Begegnung überspringt.“

Natürlich spürte Annabelle das auch, doch sie wollte es nicht zugeben. Der Funke war schon da, als sie Max zum ersten Mal vor Hopes Inkubator stehen sah.

„Max, ich …“

„Komm.“ Er nahm ihre Hand und zog Annabelle zu einer nahegelegenen Bank. Als sie sich setzten, hielt er ihre Hand immer noch fest. „Du hast dich verändert“, sagte er unvermittelt. „Und du gefällst mir sehr, so wie du jetzt bist.“

Annabelle schluckte schwer. „Du mir auch“, gab sie zu, obwohl sie ihm genau das eigentlich nicht gestehen wollte. Max sollte nicht wissen, wie unglaublich attraktiv sie ihn noch immer fand und wie stark sie sich zu ihm hingezogen fühlte.

„Und was willst du mir damit sagen?“, fragte er und lächelte herausfordernd.

Das entlockte ihr nun ebenfalls ein Lächeln, und sie stupste ihn leicht mit der Schulter an. „Was glaubst du denn, was das für dich bedeutet?“

„Dass du mich gern küssen willst?“

„Das hättest du wohl gern.“

„Ja, genau, das hätte ich sehr gern.“

Max umfasste ihr Kinn und streichelte zärtlich mit dem Daumen ihre Wange. Das Prickeln, das Annabelle schon vorher verspürt hatte, wurde nun noch stärker. Als Max dann den Kopf neigte und sie küsste, verschwamm die Welt vor ihren Augen.

Max wusste nicht, warum er den Pub so abrupt verlassen hatte und mit Annabelle hierhergekommen war. Es war einfach einem Impuls gefolgt, dem unwiderstehlichen Drang, mit ihr allein zu sein.

Als er ihre weichen Lippen spürte, hatte er das Gefühl, als würden seine Sinne explodieren. Es war, als wäre er endlich angekommen, nach einer langen, entbehrungsreichen Irrfahrt.

Er umfasste Annabelles Gesicht und vertiefte seinen Kuss, während sie ihm die Arme um den Nacken legte und den Kuss erwiderte. All das fühlte sich so wundervoll und so berauschend an, wie er es noch nie bei einer anderen Frau erlebt hatte.

Es war ganz einfach und doch so kompliziert. Keine Frau würde jemals Annas Platz einnehmen können, keine berührte ihn so sehr wie sie. Das hatte Max bei allen Frauen festgestellt, mit denen er sich seit seiner Trennung von Annabelle getroffen hatte. Und es war auch der Grund, warum er keine feste Beziehung mehr eingegangen war.

Auch der Sex mit Annabelle war fantastisch gewesen, sie hatten perfekt zueinander gepasst. Beide hatten instinktiv gewusst, was der andere sich wünschte oder brauchte, und mit Vergnügen dessen Wünsche erfüllt. Mal war ihr Liebesspiel ganz sanft gewesen und manchmal heftig, abenteuerlustig und gewagt. Annabelle hatte immer Lust gehabt, etwas Neues auszuprobieren, bis es später nur noch darum ging, ein Baby zu bekommen …

Max schüttelte die Erinnerungen ab, denn jetzt wollte er nichts Negatives denken, sondern nur den Kuss genießen, den sie mit Leidenschaft erwiderte. Sie schmiegte sich enger an ihn, was sein Verlangen noch mehr steigerte. Max wollte mit ihr schlafen, wollte ihre zarte Haut und ihren nackten Körper spüren …

Er löste sich ein wenig von ihr und wollte sie gerade fragen, ob sie mit ihm nach Hause ging, als der Klang von Stimmen ihn aus seinem Zauber riss. Ein junges Paar mit einem Kinderwagen näherte sich ihnen, und Max sah den beiden sofort an, wie glücklich sie waren.

Ihm war, als griffe eine kalte Hand nach seinem Herzen. So glücklich war er einst mit Annabelle gewesen, warum war das nur kaputtgegangen?

Als das Paar an ihnen vorüberging, sagte der junge Mann Hallo und lächelte. Irgendwie gelang es Max, zurückzugrüßen, doch seine Stimmung war dahin. Auch Annabelles Gesichtsausdruck hatte sich verändert. Voller Sehnsucht sah sie dem Kinderwagen nach, und Max wusste, dass ihr Kinderwunsch immer noch in ihr schlummerte.

Er ließ sie los und stand auf. „Komm, gehen wir nach Hause, mir wird langsam kalt.“

Sie nickte nur und erhob sich ebenfalls. Warum sagte sie denn nichts? War es ihr denn recht, dass ihr Kuss unterbrochen worden war?

Max wurde aus Annabelle nicht schlau, er wusste einfach nicht, was sie noch für ihn empfand. Doch im Grunde spielte das auch keine Rolle, denn er war schon immer Wachs in ihren Händen gewesen, daran hatte sich bis heute nichts geändert.

Er musste sich zusammenreißen und ihr widerstehen, bevor sich etwas zwischen ihnen entwickelte, was sie beide nur verletzte. Annabelle hatte ihm das Herz gebrochen, und das durfte kein zweites Mal passieren. Deshalb hatte er sich geschworen, niemandem mehr sein Herz zu öffnen. Weder Annabelle noch irgendeiner anderen Frau.

5. KAPITEL

„Komm schnell in die Klinik, Hope bekommt ein Herz!“

Es dauerte ein paar Sekunden, bis Annabelle begriff, was Max ihr gerade am Telefon sagte. Ein neues Herz für Hope! Aufgeregt sah sie auf ihren Wecker auf dem Nachttisch. Es war drei Uhr nachts, und sie musste sich beeilen. Ein Spenderorgan musste innerhalb von wenigen Stunden transplantiert werden, ansonsten war es unbrauchbar.

„Ich komme so schnell ich kann, bis gleich!“

Sie ging ins Bad, wusch sich rasch und zog sich in Windeseile an, dann fuhr sie zur Klinik. Bestimmt war Max auch schon unterwegs, schließlich war er ja der Chirurg, der die Transplantation durchführen sollte.

Annabelle dachte an den Kuss vom vorigen Abend und griff fester um das Lenkrad. Nachdem das junge Paar mit dem Kinderwagen an ihnen vorbeigegangen war, hatte Max sich plötzlich total seltsam verhalten und nach Hause gewollt. Er hatte Annabelle nicht einmal heimgebracht, sondern sie von einem Taxi nach Hause fahren lassen. Wahrscheinlich hatte dieser Kuss ihn genauso aufgewühlt wie sie, und aus Verlegenheit hatte Max den Abend dann beendet.

Warum hatte sie es überhaupt so weit kommen lassen? Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Und was mochte Max nun von ihr denken? Wusste er jetzt womöglich, dass sie noch Gefühle für ihn hatte?

Annabelle seufzte auf. Max zu küssen war so schön. Doch dann war das Paar mit dem Kinderwagen aufgetaucht. Er hatte sich sofort versteift, sein Blick war richtiggehend kalt geworden. Bestimmt hatte er daran gedacht, wie sehr er sich eigene Kinder wünschte, die sie ihm nicht hatte schenken können. Vor lauter Frust nach den vielen Fehlversuchen hatte er das Thema dann beendet und ihr gesagt, dass er keine Kinder mehr wollte.

Ob das immer noch so war? Der berühmte Funke springe zwischen ihnen über, hatte er gemeint. Doch was bedeutete das jetzt? Dass sie diesen Funken nicht beachten sollte, wenn sie sich bei der Arbeit sahen? Annabelle schüttelte den Kopf. Ach, sie hätte gar nicht erst mit Max in den Pub gehen und ihn erst recht nicht küssen sollen, das machte alles nur noch komplizierter!

Sie verdrängte energisch ihre Sorgen und konzentrierte sich erneut auf Hope. Warum hatte Max sie eigentlich angerufen? Wollte er sie etwa bei der Transplantation dabeihaben? Egal, Annabelle freute sich darüber, denn auf diesen Anruf wartete sie schon seit Wochen. Hope ging es alles andere als gut, und wenn ihr kleiner Körper das Spenderherz gut annahm, dann hätte sie die Chance auf ein fast normales Leben.

Ganz gleich, ob sie bei der OP dabei sein durfte oder nicht, Annabelle wollte unbedingt für Hope da sein, wenn sie aus der Narkose erwachte, und das wusste Max.

Als sie an der Klinik ankam, stand er schon am Eingang und schien auf sie zu warten.

„Was machst du hier?“, fragte Annabelle überrascht. „Musst du dich nicht auf die OP vorbereiten?“

„Das Spenderherz ist noch nicht da, es müsste aber jeden Moment kommen.“

„Weißt du schon, vom wem es stammt?“

„Von einem Kind, das bei einem Autounfall ums Leben kam. Die Familie hat vor ein paar Stunden ihre Einwilligung zur Organentnahme gegeben.“

Autor

Tina Beckett
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