Julia Royal Band 12

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WIE EIN EROTISCHER TRAUM von ANDREA LAURENCE
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  • Erscheinungstag 10.06.2022
  • Bandnummer 12
  • ISBN / Artikelnummer 9783751507578
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Andrea Laurence, Penny Jordan, Jules Benett

JULIA ROYAL BAND 12

1. KAPITEL

Was für eine lahme Party! Und es war auch noch seine Party. Wie war das möglich? Normalerweise waren die Feste von Gabriel Montoro berühmt.

Sehr zum Missfallen seiner Familie machte Gabriel seinem Spitznamen „Partykönig“ alle Ehre. Musik, Alkohol, schummriges Licht, Lachen und Tanzen – wo Gabriel auftauchte, gehörte das alles einfach dazu, und es herrschte immer ausgelassene Stimmung. Aber seit er die Last der Königswürde für den kleinen Inselstaat Alma hatte übernehmen müssen, war mit dem Partykönig nicht mehr viel los.

Verärgert griff Gabriel nach seinem Champagnerglas und sah sich im Ballsaal des Familiensitzes Coral Gables um. Irgendwie kam ihm das tropische Paradies in Florida diesmal spießig vor. Keiner seiner exzentrischen Freunde war hier. Und nicht ein einziger wilder Papagei war zu sehen. Normalerweise fanden immer einige Vögel des großen Schwarms, der auf dem weitläufigen Gelände lebte, den Weg durch die offenen Türen. Die Montoros waren sehr wohlhabend, hatten aber nie mit ihrem Reichtum angegeben, sondern immer jeden willkommen geheißen. Auch die Papageien …

Doch seit sich dieser kleine europäische Staat Alma entschlossen hatte, nach Jahren der Diktatur wieder die parlamentarische Monarchie einzuführen, war alles anders geworden. Plötzlich war Gabriel Prinz Gabriel, denn die Montoros, die früher die Könige gestellt hatten, waren nach Alma zurückgerufen worden.

Und obwohl Gabriel erst an dritter Stelle in der Thronfolge stand, würde er nun bald die Krone tragen müssen. Da sein Vater geschieden war, kam er nach der Verfassung von Alma nicht infrage. Und Gabriels älterer Bruder war mit einer Barfrau durchgebrannt.

Gabriel lächelte bitter. Er und König? Jeder erwartete plötzlich, dass aus dem Playboy Gabriel wie durch ein Wunder ein passabler König werden würde. Wenn sie sich da nur nicht täuschten. Wieder sah er sich in dem großen Raum um. Diese öde Abendgesellschaft war der Anfang seines neuen Lebens. Als Nächstes musste er sein luxuriöses Penthouse in South Beach für einen fremden Palast aufgeben und seine kurzen Liebschaften gegen eine Adelige mit Stammbaum eintauschen, die er auch noch heiraten sollte.

Was er sagte und was er anzog, würde von seinem Volk kritisch betrachtet werden. Von Leuten, die er nicht kannte und die in einem Land lebten, das er nur einmal besucht hatte. In einer Woche würde er es wiedersehen. Und in ein bis zwei Monaten sollte die Krönung stattfinden. Ein entsetzlicher Gedanke.

Dies war also eine Art Abschiedsparty, wenn sie überhaupt als solche bezeichnet werden konnte. Ein kleines Orchester spielte klassische Musik, die Drinks waren vom Feinsten, und die Frauen hatten viel zu viel an. Bei dem Gedanken, dass so sein zukünftiges Leben aussehen würde, wurde Gabriel ganz elend. Langweilige Partys mit langweiligen Menschen, die er nicht kannte und die ihn nicht interessierten. Menschen, die ihn hofierten und sich bei ihm einschmeicheln wollten. Widerlich.

Ungefähr zweihundert Gäste waren heute Abend hier, aber Gabriel kannte nur einen Bruchteil von ihnen. Wieder verzog er die Lippen. Erstaunlich, wer plötzlich aus der Versenkung auftauchte und sich an ihn heranmachte, seit bekannt geworden war, dass sein Bruder Rafe den Thron nicht übernehmen würde.

Jetzt stand er also im Rampenlicht. Plötzlich war er nicht nur Vizepräsident des Familienunternehmens, verantwortlich für die Geschäfte in Südamerika, sondern ein zukünftiger König und absolutes Stadtgespräch von Miami.

Ausgerechnet ich!

Gabriel war das mittlere Kind, der Bad Boy der Familie, der von den arroganten Freunden seiner Eltern früher nie beachtet worden war. Aber kaum hatte sich die Nachricht von seiner künftigen Königswürde verbreitet, konnte er sich vor sogenannten Freunden nicht mehr retten.

Tut mir leid, Leute, ich habe keine Freunde …

Jedenfalls keine echten. Denn Gabriel konnte nur schwer sein Misstrauen anderen Menschen gegenüber ablegen. Zu früh hatte er schlechte Erfahrungen machen müssen. Und Vertrauen war nun mal die Grundlage einer Freundschaft. Selbst auf die Familie konnte er sich nicht immer verlassen, manchmal nicht einmal in Situationen, in denen er ihre Unterstützung dringend gebraucht hätte.

Wenn man vom Teufel spricht …

Sein Cousin Juan Carlos Salazar II. hatte ihn gesehen und kam quer durch den Saal auf ihn zu. Seine düstere Miene überraschte Gabriel nicht. Juan Carlos war immer ernst, ja, er schien gar nicht zu wissen, wie man sich amüsierte. Er fühlte sich für alles und jeden verantwortlich, arbeitete ständig und unterhielt sich eigentlich nur über Geschäftliches. So ein Mann sollte König von Alma werden, nicht aber jemand wie er, der sein Leben genoss.

Aber leider hatte es sich bei der Bevölkerung von Alma noch nicht herumgesprochen, dass blaues Blut allein keine Garantie für einen starken König war.

„Du unterhältst dich mit niemandem“, tadelte Juan Carlos und blickte von seinen fast zwei Metern auf ihn herab. „Das ist nicht gut.“

„Wieso?“ Gabriel war entschlossen, Juan Carlos Kontra zu geben. Dessen Meinung, wie überhaupt die anderer Leute, war ihm sowieso egal. „Keiner unterhält sich mit mir“, stellte er richtig.

„Wenn du dich auch in eine Ecke verkriechst und schmollst.“

„Stimmt doch gar nicht.“

„Es ist hoffnungslos.“ Juan Carlos verdrehte die Augen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Als was würdest du denn dein Verhalten bezeichnen?“

„Ich lasse meine Blicke über die Menge schweifen“, bemerkte Gabriel lächelnd. „Hört sich doch ziemlich königlich an, oder?“

„Hör auf!“ Juan Carlos stöhnte. „Du brauchst gar nicht so zu tun, als sei dir das alles hier wichtig. Ich weiß genau, dass du jetzt viel lieber in South Beach und hinter einem Mädchen her wärst. Wenn du glaubst, uns etwas vormachen zu können, ist das beleidigend für deine Familie und auch für dein Land.“

Recht hatte er. Natürlich wäre Gabriel viel lieber in einer Bar mit Musik, Alkohol und schönen Frauen gewesen. Nur mit einem Mädchen im Arm konnte er vorübergehend vergessen, in was für einer fatalen Situation er steckte. Aber nachdem Rafe sich eine Frau in einer Bar aufgetan und deshalb auf den Thron verzichtet hatte, hielt die Familie ihn an der kurzen Leine. Noch einen Skandal konnten die Montoros sich nicht leisten.

Dennoch würde er sich nicht dafür entschuldigen, dass er so war, wie er war. Schließlich war er nicht zum König erzogen worden.

Nachdem das Volk von Alma viele Jahrzehnte unter der Diktatur geächzt hatte, hatte es sich endlich befreien können und die Demokratie wieder eingeführt. Doch zur großen Überraschung, speziell der Montoros, sehnten sich die Bürger nach einer parlamentarischen Monarchie und wollten vor allem ihre königliche Familie wiederhaben.

Auch Gabriel war von dieser Entwicklung kalt erwischt worden. Und als dann noch sein älterer Bruder Rafael wegen seiner großen Liebe auf den Thron verzichtet hatte, musste er zwangsläufig in den sauren Apfel beißen.

„Tut mir leid, dass es deine Empfindungen verletzt, J. C., aber ich habe mich nicht darum gerissen, König zu sein.“

„Das weiß ich doch. Und wahrscheinlich auch jeder hier im Saal. Aber es hilft nichts, die Krone ist dir in den Schoß gefallen, und du musst dich ihrer würdig erweisen, ob es dir passt oder nicht. Werde endlich erwachsen, Gabriel.“

Gabriel grinste kurz. Das hatte er im Laufe seines Lebens oft genug gehört. Die Familie wollte einfach nicht begreifen, dass er schon lange erwachsen war.

Als junger Mann war er entführt worden und hatte tagelang in einem dunklen Keller gefesselt gelegen. Damals hatte er quasi mit dem Leben abgeschlossen. Er hatte seine Kindheit hinter sich gelassen und sein Vertrauen in die Welt verloren. Seine Familie hatte seiner Einschätzung nach viel zu wenig getan, um ihn zu retten. Er hatte sich schließlich aus eigener Kraft befreien können und sich seitdem nur noch auf sich selbst verlassen. Er lebte das Leben, das er wollte, und ließ sich von keinem reinreden.

Bis jetzt. Gabriel leerte sein Glas in einem Zug. Die Tage der Freiheit ließen sich bald an zwei Händen abzählen. Und dann würden ihm nicht nur sein Vater und sein Cousin sagen, was sie von ihm erwarteten.

„Es war wie immer ein Vergnügen, mit dir zu plaudern, J. C.“, sagte Gabriel und lächelte breit. „Aber ich bin sicher, hier wartet irgendwo eine Schönheit auf dich, die du betören willst.“

Ohne etwas zu sagen, drehte Juan Carlos sich um und ging zum Buffet, wo er sehr schnell mit jemandem ein Gespräch anfing. Bestimmt war das ein ganz wichtiger Mann, dessen Namen Gabriel nur leider vergessen hatte. Er wandte sich ab und bemerkte, dass die Seitentür zur Terrasse und zum Gartenpavillon offen stand. Vielleicht konnte er ungesehen entkommen? Kurz sah er sich um. Sein Vater kehrte ihm den Rücken zu, und seine Schwester Bella stand mit einer Gruppe Frauen in einer Ecke zusammen.

Das war die Gelegenheit. Unbemerkt schlüpfte er aus der Tür und prallte zurück. Die gut funktionierende Klimaanlage hatte ihn fast vergessen lassen, wie heiß und feucht es im Juli in Florida war. Aber egal, er musste hier raus. Schnell verschwand er im Schatten der hohen Hecke.

Auch draußen standen festlich gedeckte Stühle und Tische. Aber keiner war da. Klar, die Damen waren nicht daran interessiert, sich dieser Hitze auszusetzen, die Kleidung, Make-up und die kunstvoll drapierten Frisuren ruinieren würde.

Aber was war das? Stand dahinten nicht jemand an der Terrassenmauer und blickte in den Garten? Irgendwie kam ihm die große schlanke Frau bekannt vor, und als sie sich halb umwandte und einem Vogel hinterher sah, wusste er auch, woher. Diese Superfigur, die hohen Wangenknochen, für die sie berühmt war …

Serafia …

Sofort wurde ihm noch heißer, sein Herzschlag beschleunigte sich, und er spürte, wie drängendes Verlangen in ihm aufstieg. Schon als Teenager hatte er sich fürchterlich in sie verknallt, was kein Wunder war. Denn jeder halbwegs normale Mann musste so auf sie reagieren. Vor acht Jahren war Serafia ein weltbekanntes Model gewesen und hatte für die Topdesigner in Paris, New York und Mailand gearbeitet.

Doch dann hatte sie sehr plötzlich ihre Karriere aufgegeben, aus gesundheitlichen Gründen, hieß es. Später hatte sie ihre eigene Firma gegründet und war damit offenbar auch erfolgreich.

Gabriel betrachtete sie genauer. Das rote Kleid umschloss ihre aufregenden Kurven wie eine zweite Haut. Auch heute noch würde sie jedes andere Model auf dem Laufsteg ausstechen, davon war er überzeugt.

Seit Jahren hatte er nicht mit ihr gesprochen. Auch die Espinas, Serafias Familie, hatten nach der Machtergreifung des Diktators Tantaberra ihre Heimat Alma verlassen müssen. Sie waren aber nicht wie die Montoros nach Florida, sondern in die Schweiz geflohen. Bei Ferien an der spanischen Riviera hatten sich die beiden Familien wiedergetroffen. Zu der Zeit waren Gabriel und Serafia beinahe noch Kinder gewesen. Gabriel war damals zehn oder elf und sehr schüchtern. Serafia war fast fünf Jahre älter und bereits eine Schönheit. Sie hatte ihn, den kleinen Jungen, gar nicht wahrgenommen.

Nun, die Zeiten hatten sich geändert. Sie waren beide keine Kinder mehr, und der zukünftige König von Alma war nicht mehr so leicht zu übersehen.

Serafia spürte, dass jemand sie ansah. Seit ihrer Zeit als Model hatte sie einen sechsten Sinn dafür entwickelt, wenn sie jemand von oben bis unten musterte, und sie empfand die Blicke wie eine Berührung. Sie wandte sich um. Nur wenige Schritte von ihr entfernt stand ein Mann, besser gesagt, der Mann des Abends, für den dieses Fest veranstaltet wurde.

Serafia schaute ihn genauer an. Gabriel Montoro war erwachsen geworden, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte. Wie die meisten Männer betrachtete er sie mit unverhohlenem Verlangen. Wahrscheinlich sollte sie sich deshalb geschmeichelt fühlen. Schließlich würde er bald König sein. Aber er war viel zu jung für sie, noch in den Zwanzigern. Da sollte er sich lieber nicht mit einem früheren Model einlassen, das älter war als er und in seinem Leben schon genug durchgemacht hatte.

„Eure Hoheit …“ Sie neigte grüßend den Kopf.

Er kniff kurz die Augen zusammen. „Willst du dich über mich lustig machen?“

Serafia sah Gabriel überrascht an. Mit dieser Reaktion hatte sie nicht gerechnet. „Oh, nein, keineswegs. Hörte sich das so an? Das tut mir leid.“

„Okay.“

Wie er jetzt auf sie zukam, wirkte er gar nicht wie ein König. Von ihm ging etwas aus, das sie nicht genau beschreiben konnte. Sein Gang hatte die geschmeidige Eleganz eines prachtvollen Raubtiers, gepaart mit einer Aura von Gefahr. Der schwarze Smoking saß perfekt. Zu dem weißen Hemd trug er eine blutrote Krawatte, und er sah sie an, als sei sie eine begehrenswerte Beute.

Als er näher kam, schlug ihr Herz schneller, und ihr fiel das Atmen schwer. Sein Eau de Cologne, der betörende Duft der tropischen Vegetation, all das hemmte ihren Fluchtinstinkt. Schlimmer noch, sie fühlte sich zu ihm hingezogen. Zu ihrer Überraschung trat er nur ruhig neben sie, stützte sich auf das Geländer und blickte in den dunklen Garten.

„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen“, sagte er leise. „Ich habe mich selbst noch nicht an diesen ganzen Unsinn mit dem Königstitel gewöhnt.“

Unsinn? Er betrachtete die neue Königswürde als Unsinn? Irritiert blickte Serafia ihn an. Das würde den Bürgern von Alma aber gar nicht gefallen. Nachdem sie den Diktator verjagt hatten, setzten sie große Hoffnungen auf die Wiedereinführung der Monarchie und versprachen sich davon Stabilität und Wohlstand. Aber Gabriel schien das nicht zu kümmern.

Alma und die Monarchie bedeuteten ihm offensichtlich nichts. Sicher, er war nicht in Alma aufgewachsen. Doch das traf auch auf sie zu. Allerdings hatten ihre Eltern viel Wert darauf gelegt, dass sie die alte Heimat nicht vergaß.

Vielleicht war Gabriel einfach noch zu unreif. Wieder musterte Serafia ihn prüfend. In so jungen Jahren alle Augen auf sich gerichtet zu sehen, war nicht leicht zu ertragen. Das wusste sie aus eigener Erfahrung.

Mit sechzehn Jahren war sie von einer Modelagentur entdeckt worden. Zu einer Zeit, in der die meisten Teenager sich nur mit der ersten Liebe und ihren Hausaufgaben herumschlugen, musste sie hochkarätige Verträge mit berühmten Modehäusern erfüllen. Und mit achtzehn war sie bereits weltweit bekannt gewesen.

Der Druck hatte ihr manchmal die Luft abgeschnürt und sie gezwungen, bis an ihre Grenzen zu gehen. Zwar war Gabriel jetzt ein paar Jahre älter als sie damals. Aber sie mochte sich nicht einmal vorstellen, was es hieß, in seinem Alter ein Volk regieren zu müssen und sich für so viele Menschen verantwortlich zu fühlen.

„Ich bin davon überzeugt, du wirst dich schnell an die neue Situation gewöhnen“, sagte sie, lehnte sich seitlich gegen das Geländer und nippte an ihrem Wein. „So viel Macht zu haben, eröffnet dir doch ganz neue Möglichkeiten.“ Sie lachte leise.

Gabriel blieb ernst. „Von wegen. Auch wenn ich König bin, wird meine Familie streng über mich wachen, um sicher zu sein, dass ich sie nicht blamiere.“

„Was? Ich dachte, ein König kann tun und lassen, was er will.“

„Wenn das so wäre, bräuchte ich mir keine Sorgen zu machen. Dann könnten ja auch mein Vater oder mein Bruder König werden. Außerdem muss auch ein König an seine Familie denken – und auf seine Mutter hören.“ Er sah sie lächelnd an und strich sich das zu lange Haar zurück.

Er sieht tatsächlich nicht wie ein König aus, ging es Serafia durch den Kopf. Sein dunkles Haar war leicht zerzaust und von der Sonne gebleicht. Er war braun gebrannt, und selbst in dem maßgeschneiderten Smoking wirkte er mit seiner kraftvollen, wenn auch schlanken Figur eher wie ein Profisportler.

„Ich kann mich noch gut an deine Mutter erinnern“, sagte sie lachend. Señora Adela war eine schöne und energische Frau, die ein bewegtes und leidenschaftliches Leben führte. Serafia dachte daran, wie seine Mutter Gabriel einmal am Ohr den Flur entlang gezerrt hatte. „Du solltest dich also lieber gut benehmen.“

„Ich will es versuchen. Und wie geht es dir?“, wechselte Gabriel das Thema. „Seit deiner Zeit als berühmtes Model habe ich dich nicht mehr gesehen. Wahrscheinlich hast du uns kleine Leute längst aus dem Blick verloren.“

„Mir geht es gut.“ Serafia lächelte freundlich. So genau wollte er es wahrscheinlich gar nicht wissen. Wie die meisten Menschen, die sich nach ihr erkundigten, war er einfach nur höflich. „Seit ich nicht mehr als Model arbeite, habe ich meine eigene Beratungsfirma. Und ich kann mich nicht beklagen, ich habe gut zu tun.“

„Was für eine Art von Beratung machst du?“

„Imageberatung, meist Auftreten und Benehmen. Als Model bin ich in der ganzen Welt herumgekommen. Für Angestellte international tätiger Unternehmen ist es oft nicht leicht, sich in einem fremden Land zurechtzufinden. Und so versuche ich, ihnen etwas über die Sitten und Gebräuche beizubringen. Wie die Gesellschaft in dem fremden Land funktioniert, sozusagen. Manchmal werde ich auch von reichen Eltern engagiert, damit ich ihren Töchtern beibringe, wie man sich als Lady benimmt.“

Dabei versuchte sie immer, den jungen Mädchen klarzumachen, dass Schönheit allein nicht alles war. Es war oft ein vergebliches Bemühen, da es nicht nur den Mädchen, sondern auch deren Eltern im Wesentlichen auf Etikette, Aussehen und Auftreten ankam, und nicht auf die inneren Werte. Außerdem sei es für sie als Supermodel leicht, auf Schönheit nicht so viel Wert zu legen, wurde immer wieder behauptet. Da konnte Serafia schlecht widersprechen.

„Hört sich gut an.“ Gabriel sah sich hastig um. „Aber bitte tu mir den Gefallen, und erwähne deinen Beruf nicht meinem Vater oder Juan Carlos gegenüber.“

Serafia runzelte die Stirn. „Warum denn nicht? Haben sie Töchter, die ich mir mal vornehmen sollte?“

Gabriels Schwester Bella hatte das bestimmt nicht nötig, entzückend, wie sie heute Abend wieder aussah in ihrem leuchtend blauen Abendkleid und mit den goldblonden Locken.

Zwar hatte Serafia schon häufig gehört, dass die Geschwister Montoro in Florida ein ziemlich wildes Leben führten. Aber wenn sie sie jetzt so ansah, konnte sie nicht sagen, dass sie sich anders benahmen als die jungen Leute anderer königlicher Familien. Sie wollten sich amüsieren, sehnten sich nach der großen Liebe und wollten etwas erleben. Erst wenn dieses Leben mit den Pflichten der Krone nicht zu vereinbaren war, so wie bei Rafael, dem Ältesten, wurde es ernst.

Gabriel leerte sein Glas und schüttelte dann den Kopf. „Nein, es geht hier nicht um Töchter, sondern eher um mich. Ich würde mich nicht wundern, wenn die Familie dich sofort engagiert, um aus mir so etwas wie einen Gentleman zu machen. Und das könnte ich ihnen nicht einmal übel nehmen. Ich bin wirklich die denkbar schlechteste Wahl für einen König von Alma. Das schwarze Schaf der Familie, ein mieser Ersatz …“

Serafia sah ihn erstaunt an. „Ist das ihre Meinung oder nur deine eigene?“

„Ich glaube, jeder denkt so. Ich natürlich auch.“

„Ganz bestimmt übertreibst du da. Ich weiß zwar nicht, was deine Familie denkt und sagt, wenn sie unter sich ist. Aber bisher habe ich noch nicht gehört, dass dich jemand für ungeeignet hält. Natürlich wundert sich jeder, dass Rafael auf den Thron verzichtet hat. Aber die Bürger von Alma freuen sich, dass du ihr König sein wirst. Das weiß ich, weil ich gerade in unserer alten Heimat war.“

Das hatte sie zwar nicht vorgehabt. Aber da sie eine Anfrage eines möglichen Klienten aus Alma erhalten hatte, hatte sie auf ihrem Weg nach Florida dort einen Zwischenstopp eingelegt. Und sie hatte es nicht bereut. Denn es war einfach herzerwärmend zu sehen, wie sehr sich das ganze Land auf die Montoros freute, und welche Hoffnungen alle auf die Zukunft setzten. Schade, dass Gabriel diese Gefühle so gar nicht teilte.

Er lächelte verächtlich. „Das wird nicht lange dauern. Wer weiß, vielleicht wünschen sie sich schon nach einem Jahr ihren Diktator zurück.“

Offenbar ist sein Selbstbewusstsein noch schlechter ausgeprägt als meins, dachte Serafia und schüttelte traurig den Kopf. „Wie kannst du so etwas sagen? Die Leute haben lange und hart gekämpft, um die Tantaberras loszuwerden. Du müsstest schon ein sehr übler und blutdürstiger Tyrann sein, dass sie sich nach ihm zurücksehnen. Hast du das vor? Ein Terrorregime für dein Volk?“

„Nein, natürlich nicht.“ Gabriel lächelte etwas gezwungen. „Es war mir nicht klar, dass die Erwartungen so niedrig sind. Dann gelte ich also bereits als erfolgreicher König, wenn ich meine Widersacher nicht gleich köpfen lasse und mein Volk nicht zwinge, sich vor mir in den Staub zu werfen? Danke, dass du mich aufgeklärt hast. Jetzt fällt mir die Sache sehr viel leichter.“

Dieser Zynismus! Serafia war entsetzt. In Kürze würde Gabriel nach Alma reisen – mit dieser Einstellung!

„Nun hören Sie mir mal gut zu, Mr. Montoro“, sagte sie energisch und baute sich vor ihm auf. „Die Bürger von Alma haben in den letzten siebzig Jahren viel durchmachen müssen. Während die reiche Oberschicht es sich leisten konnte, aus dem Land zu fliehen, waren die einfachen Leute dem grausamen Regime von Tantaberra und seinen Söhnen ausgeliefert.“

Sie trank einen Schluck Wein, bevor sie fortfuhr: „Nun sind sie endlich frei, und viele von ihnen haben ihr ganzes Leben auf diesen Augenblick gewartet. Und genau sie sind es, die deine Familie zurückrufen und mit euch zusammen den Wiederaufbau wagen wollen. Dabei können sie deinen Sarkasmus und dein Selbstmitleid nicht gebrauchen.“

Überrascht sah Gabriel sie an. Als König Verantwortung für ein ihm noch fremdes Land zu übernehmen, passte ihm ganz sicher nicht. Aber ihr Ton ihm gegenüber schien ihn regelrecht zu schockieren.

Doch das war ihr egal. Sie hatte den größten Teil ihres Lebens in Spanien verbracht. Sie war keine seiner Untertaninnen, und sie würde nicht vor ihm kriechen. Schon gar nicht, wenn er sich so unmöglich benahm.

Immer noch schwieg er, doch er war sichtlich rot geworden, und Serafia nahm an, dass er gleich einen Wutanfall bekommen würde. Doch als er sie auf diese ganz bestimmte Art und Weise ansah, die sie unwillkürlich erregte, wusste sie, dass sie sich irrte. Wahrscheinlich war sie ein bisschen zu deutlich geworden, aber irgendwie schien ihm das zu gefallen.

Schließlich nickte er. „Du hast absolut recht.“

Damit hatte sie nun gar nicht gerechnet. Empörtes Aufbrausen, das ja, auch ein Streit oder zumindest ein Themenwechsel. Stattdessen stimmte er ihr zu. Also war er vielleicht doch kein hoffnungsloser Fall. Unter seinem intensiven Blick wurde ihr heiß, und sie wandte sich ab.

„Tut mir leid, dass ich dich so heftig angegangen bin. Aber das musste einfach mal gesagt werden.“

„Nein, bitte, du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Seit Rafael auf den Thron verzichtet hat, habe ich darüber nachgegrübelt, wie diese Königswürde wohl mich und mein Leben verändern wird. Aber an die Leute von Alma habe ich nie gedacht oder nur sehr selten. Wie geht es ihnen? Wie fühlen sie sich? So lange haben sie leiden müssen. Da verdienen sie einen König, auf den sie stolz sein können. Ich fürchte nur, dass ich nicht dieser König sein kann.“

„Warum denn nicht?“ Serafia wunderte sich selbst, dass sie davon so überzeugt war. Seit Jahren hatte sie mit Gabriel nicht gesprochen, ihr Kontakt war schon seit Langem abgebrochen. Allerdings las sie Zeitung und durchforschte das Internet. Da war häufig von den „wilden Montoros“ die Rede. Und besonders Gabriel tat sich mit Frauengeschichten, schnellen Wagen und einem gefährlichen Lebensstil hervor. Dennoch spürte sie tief in ihrem Herzen, dass er ein guter Mann war.

Aus ihrem Lächeln sprach Zuversicht. „Vielleicht brauchst du etwas Zeit, um dich an die Rolle zu gewöhnen, aber du wirst es schaffen. Dass du Zweifel hast, spricht eher für dich. Du weißt, dass die Königswürde kein Job ist wie jeder andere.“

Nachdenklich sah Gabriel sie an. Und zum ersten Mal fielen ihr die Sorgenfalten auf seiner Stirn und die feinen Linien um seine Mundwinkel auf. Das vertrug sich so gar nicht mit dem Bild des rebellischen und sorglosen Thronerben. Normalerweise versuchte er wohl, seine Bedenken hinter Charme und seinem schwarzen Humor zu verbergen. Aber in diesem Augenblick war zu merken, wie sehr er fürchtete, sein Land zu enttäuschen.

„Ist das wirklich deine Meinung?“, fragte er.

Statt einer Antwort legte Serafia ihre Hand auf seine, mit der er das Geländer umklammerte. Sofort fühlte sie eine innere Hitze, die nichts mit der warmen Nacht zu tun hatte. Während er den Blick fest auf sie gerichtet hielt, überlegte sie fieberhaft, was sie ihm antworten sollte. Völlig verblüfft von ihrer Reaktion auf die harmlose Berührung ging ihr nur eine Frage durch den Kopf: Spürt er das auch?

Sie sollte ihn loslassen – und konnte es nicht.

„Ja“, stieß sie schließlich leise und rau hervor.

Gabriel nickte langsam, als überlege er, was das wohl bedeutete. Dann zog er die Hand unter ihrer hervor. Doch anstatt einen Schritt zurückzumachen, nahm er ihre Hand in seine beiden Hände und hob sie hoch, als wolle er sie küssen.

Serafia stockte der Atem, und sie befeuchtete ihre plötzlich trockenen Lippen.

„Darf ich dich etwas fragen?“ Er sah ihr tief in die Augen.

Sie nickte und wusste in dem Moment, dass sie auf alles eingehen würde, was er von ihr verlangte. Wenn er sie so ansah, sie so berührte, konnte sie kaum atmen, geschweige denn Widerstand leisten.

„Würdest du mir …“ Er zögerte kurz. „Würdest du mir helfen, der König zu werden, den Alma verdient?“

2. KAPITEL

War sie etwa enttäuscht? Gabriel musterte Serafia genauer. Ja, kurz sah es tatsächlich so aus, aber dann hatte sie sich wieder gefangen. Erstaunt runzelte er die Stirn. Er war fest davon ausgegangen, dass sie sich über diese Frage freuen würde. Schließlich bedeutete es doch, dass er sich zusammennehmen und alles dafür tun wollte, ein guter König zu werden. Hatte sie so etwas nicht gerade von ihm verlangt?

Erst als er auf ihre Hand blickte, wurde ihm klar, was hier ablief. Auf der dunklen, nur schwach von ein paar flackernden Kerzen erleuchteten Terrasse mussten seine Worte und seine Gesten auf Serafia wirken, als wollte er mit ihr flirten.

Himmel, das hatte er ja gar nicht beabsichtigt.

Natürlich schmeichelte es ihm, dass sie so auf ihn reagierte. Wie auch nicht, wo er sie doch immer für unerreichbar gehalten hatte, diese Sehnsuchtsgestalt aus seiner Kindheit.

Schon als sie sich heute Abend das erste Mal nach ihm umwandte, war ihm fast das Herz stehen geblieben. Ihre fantastische Figur in diesem tiefroten Seidenkleid, die Kette aus Rubinen und Diamanten, die um ihren schlanken Hals lag, der warme Ton der leuchtend roten Lippen und die makellose, goldhelle Haut …

Serafia wirkte wie ein Topmodel, das direkt aus einem Hochglanzmagazin auf seine Terrasse getreten war.

Sie gab sich so elegant und unberührbar. Zudem war sie sehr selbstbewusst, schließlich hatte sie ihn gerade ordentlich zurechtgestutzt.

Aber statt wütend zu werden, war ein deutliches Verlangen in ihm aufgestiegen. Ihr war es egal, dass er als Kronprinz bald König sein würde, sie sprach die Dinge direkt an. So ganz allmählich hatte er das Gefühl, dass er genau so eine Frau in seiner Nähe brauchte. Jasager und Speichellecker gab es bereits genug.

Serafia könnte ihm ernsthaft gefährlich werden: Sie war schön, verführerisch. An ihr könnte er sich die Finger verbrennen. Eine Frau wie sie gab es im echten Leben eigentlich nicht – und wenn, würde sie mit einem Mann wie ihm nichts zu tun haben wollen. Das hatte Gabriel jedenfalls immer geglaubt. Aber vielleicht irrte er sich. Wenn er an den kurzen, aber enttäuschten Blick dachte, den sie ihm zugeworfen hatte, war es immerhin möglich.

Obwohl er daran zweifelte, dass ein Haarschnitt und ein konservativer Anzug aus ihm einen besseren König machen würden, war er bereit, es zu versuchen. Es konnte ja nicht schaden. Und wenn er mit einer professionellen Imageberaterin zusammenarbeitete, würden ihn sein Vater und Juan Carlos wohl erst mal in Ruhe lassen. Auf alle Fälle würde diese schöne und sexy Frau in den nächsten zwei Wochen nicht aus seinem Leben verschwinden. Das war ja auch schon etwas.

„Du denkst an ein Styling? Äußerlich und innerlich?“ Serafia sah ihn fragend an, entzog ihm dann die Hand und strich über die rote Seide ihres Kleids, als wollte sie seine Berührung abwischen. „Für dich?“

„Ja, warum nicht? Das ist doch dein Beruf, oder?“

„Das schon. Aber normalerweise bringe ich jungen Mädchen bei, wie sie auf High Heels gehen, und wie sie sich in bestimmten gesellschaftlichen Situationen zu verhalten haben.“

„Na und? Genau das brauche ich doch auch. Nicht gerade die Sache mit den High Heels, aber ich werde in viele gesellschaftliche Situationen kommen, wie du es nennst, in denen ich mich zurechtfinden muss. Meine Familie schüttelt immer nur den Kopf und hat Angst, dass ich keinen Fettnapf auslasse. Jemand muss mir sagen, wie ich mich kleiden und was ich wann sagen muss. Da bist du doch genau die richtige Person.“

„Äh …“ Serafia war offenbar so überrascht, dass sie nicht gleich wusste, was sie sagen sollte. „Ich dachte immer, du wolltest so bleiben, wie du bist“, brachte sie schließlich heraus.

„Ich wollte nicht, dass meine Familie mich zu etwas zwingt. Das ist etwas anderes. Aber du hast mich davon überzeugt, dass es sein muss. Um der König zu sein, den Alma sich wünscht.“

„Ach, ich weiß nicht, Gabriel …“ Serafia wandte sich wieder dem Garten zu, wohl auch, um ihn nicht ansehen zu müssen. Scheinbar war sie sich nicht sicher, ob sie auf seinen Wunsch eingehen sollte.

Aber warum nicht? Sie selbst hatte ihn doch gerade zusammengestaucht und ihm ganz klar gesagt, dass sie ihn für egoistisch und gewissenlos hielt. Und nun wollte sie ihm nicht helfen, sich zu ändern? Warum denn nicht? War er ein hoffnungsloser Fall?

„Nun komm schon, Serafia. Es ist die ideale Konstellation. Ich muss und will mich ändern, möchte aber nicht, dass es jeder weiß. Du bist eine Freundin der Familie, also wird sich keiner etwas dabei denken, wenn du mich auf Reisen begleitest. Außerhalb der Familie muss ja keiner wissen, warum du hier bist. In einer Woche fliege ich nach Alma. Die Begrüßungsfeierlichkeiten dort werden ungefähr eine Woche dauern. Ich weiß nicht, wie ich diese zwei Wochen ohne Hilfe durchstehen soll. Ohne deine Hilfe.“

„Aber, Gabriel! Ich kann doch für dich nicht alles stehen und liegen lassen.“

„Warum nicht? Ich zahle dir das Doppelte von dem, was deine anderen Klienten zahlen.“

Mit einem Ruck drehte sie sich ihm zu und sah ihn zornig an. Selbst das steht ihr gut …

„Ich brauche dein Geld nicht, ich habe selbst genug. Eigentlich muss ich auch gar nicht arbeiten, aber ich hatte es satt, nur herumzusitzen und meinen schwarzen Gedanken ausgeliefert zu sein.“

Das verblüffte ihn. Was konnte eine schöne und erfolgreiche Frau wie Serafia für quälende Gedanken haben? Er wollte schon fragen, schwieg dann aber doch. Jetzt war wohl nicht der richtige Zeitpunkt. „Dann spendest du das Geld eben. An wen ist mir egal. Außerdem ist das Ganze gut für dein Geschäft.“

„Wie das? Es darf doch keiner wissen.“

„Das nicht. Aber wenn du mit mir zusammen gesehen wirst, wird sich bald herumsprechen, dass du Kontakte zum Adel hast.“ Gabriel lachte leise. „Bald wirst du dich vor Aufträgen nicht mehr retten können.“

„Möglich.“ Dagegen konnte sie wohl schlecht etwas sagen.

„Außerdem liegen dir doch die Bürger von Alma so am Herzen.“ Er unterdrückte ein Lächeln. „Dann tu es für sie. Hast du nicht selbst gesagt, wie sehr sie gelitten haben? Hilf mir, der König zu sein, den sie sich wünschen.“

Abwesend griff sie nach ihrem Glas und trank einen Schluck, während sie den Blick auf die Bäume richtete. Dann stellte sie das Glas wieder ab, umfasste das Geländer mit beiden Händen und senkte den Kopf.

Wie gern hätte Gabriel sie von hinten umfangen und ihr einen Kuss auf den elegant geschwungenen Nacken gedrückt. Die Lippen prickelten ihm, wenn er nur daran dachte, aber er hielt sich zurück. Das wäre wohl etwas verfrüht. Wenn sie bereit war, in den nächsten Wochen mit ihm zusammenzuarbeiten, ergaben sich bestimmt bessere Gelegenheiten. Schließlich würde immer mal eine freie Stunde abfallen.

Aber wenn sie dann ablehnte, hätte er seine Chance verpasst.

Schließlich atmete Serafia tief durch und wandte sich langsam um. „Okay. Wir fangen morgen früh an. Ich bin um neun Uhr hier zum Frühstück. Da können wir gleich mit den Tischmanieren beginnen.“

„Um neun?“ Gabriel sah sie entsetzt an. Normalerweise stand er am Sonnabend nicht vor Mittag auf. Allerdings würde er heute Abend wohl nicht seine übliche Tour durch die Bars machen. Sobald er Coral Gables verließ, würden bestimmt die Paparazzi hinter ihm her sein.

„Allerdings“, sagte Serafia in einem Tonfall, den er noch aus seiner Zeit in der katholischen Schule im Ohr hatte. Sie sah zwar vollkommen anders aus als Schwester Mary Katherine, aber sie blickte ihn mit der gleichen Entschlossenheit an. Das war nicht mehr das verführerische Supermodel, sondern seine neue Imageberaterin.

„Auch Könige können es sich heutzutage nicht mehr leisten, bis spät in die Nacht aufzubleiben und erst mittags aus dem Bett zu kommen“, fuhr sie fort. „Schließlich müssen sie ein Land führen. Das bedeutet viele Besprechungen, einen extrem vollgepackten Terminkalender. Nach dem Frühstück kommt ein Friseur, um dir einen anständigen Haarschnitt zu verpassen.“ Sie griff nach seiner Hand und betrachtete die Fingernägel. „Und du brauchst auch eine Maniküre.“

Früh aufstehen und dann noch einen Haarschnitt? Beinahe wehmütig strich sich Gabriel die langen Haarsträhnen zurück. Er mochte es so. Mit kurzem Haar sah er wie sein immer geschniegelter Bruder Rafe aus. Nicht umsonst war er der Geschäftsführer ihrer südamerikanischen Niederlassung. Das Leben südlich des Äquators gefiel ihm gut. Es war bunter, fröhlicher und nicht so vielen Regeln unterworfen. Allerdings auch gefährlicher, aber wenn man schon einmal entführt worden war, konnte es eigentlich nicht schlimmer kommen.

Doch dieses Leben war jetzt zu Ende. Ein neuer Geschäftsführer würde seinen Job übernehmen, und er musste nach Alma fliegen. Er würde ein Land mit einer Million Bürgern regieren und musste mit allem fertig werden, was diese Aufgabe mit sich brachte.

Worauf hatte er sich da bloß eingelassen?

„Dummerweise habe ich meinen Tablet-PC nicht mit“, riss Serafia ihn aus seinen Grübeleien. „Also muss ich mir sofort Notizen machen, wenn ich wieder im Hotel bin. Sonntag sehen wir mal deinen Kleiderschrank durch und entscheiden, was du nach Alma mitnehmen kannst. Montagmorgen lasse ich dann jemanden von einem großen Bekleidungshaus kommen, damit wir deine Garderobe ergänzen können.“

„Halt, stopp!“ Gabriel hob genervt die Hände. Sicher, er musste in mancher Hinsicht an sich arbeiten. Aber das hörte sich ja so an, als wollte Serafia einen vollkommen neuen Menschen aus ihm machen. „Wieso kann ich meine Sachen nicht behalten? Dies zum Beispiel ist ein teurer Smoking.“

„Das glaube ich dir sofort. Und als Besitzer einer exklusiven Bar in South Beach wärst du damit auch richtig angezogen. Aber du bist Prinz Gabriel und bald König Gabriel, und für den gelten andere Kleiderregeln.“

Gabriel senkte den Kopf und presste die Lippen aufeinander. Er fühlte sich keineswegs wie ein König, sondern wie ein kleiner Junge, der nichts richtig machen konnte. Aber das hatte er sich selbst eingebrockt. Es war womöglich doch keine so gute Idee gewesen, Serafia zu engagieren …

„Hast du eine feste Freundin?“

Ruckartig hob Gabriel den Kopf und setzte sein charmantestes Lächeln auf. „Wieso? Bist du interessiert?“

Serafia krauste kurz die Nase. „Nein. Ich muss nur wissen, ob wir dich noch möglichst unauffällig aus irgendwelchen engeren Beziehungen loseisen müssen.“

Schade. „Ich habe es nicht so mit engen Bindungen. Es gibt viele Frauen, mit denen ich mich immer mal wieder treffe, aber keine spezielle Frau, die mir möglicherweise nach Alma folgen könnte.“

„Auch keine schwangere Barfrau?“, fragte sie sehr direkt.

Gabriel schüttelte lachend den Kopf. Die Affäre seines Bruders hatte sämtliche Pläne durcheinandergeworfen. Rafael hatte sich ernsthaft verliebt und deshalb auf den Thron verzichtet. Das konnte Gabriel sich nicht leisten. Denn dann wäre seine Schwester Bella die nächste in der Thronfolge, und das wollte er ihr nicht zumuten. Sie war erst dreiundzwanzig und gerade mit dem College fertig. „Ich weiß von keinen schwangeren Barfrauen. Oder Tänzerinnen oder Kellnerinnen. In diesem Punkt bin ich äußerst vorsichtig.“

„Verhütest du immer? Jedes Mal?“

Er sah sie lauernd an. „Wollen wir über mein Sexleben reden?“

„Ich fürchte, ja. Offenbar hast du keine Vorstellung, was da auf dich zukommt. Ab sofort geht dein Liebesleben das ganze Land an. Mit wem du dich befreundest, wer möglicherweise Königin wird, das interessiert alle und sollte auch möglichst bald geklärt werden. Denn deine Untertanen werden erst beruhigt sein, wenn ein Erbe vorhanden und so die Thronfolge gesichert ist. Jede Frau, mit der du in der Öffentlichkeit auftrittst, wird als Königin gehandelt. Und sowie deine Frau Alkohol ablehnt oder ein paar Pfunde zulegt, werden Gerüchte über ihre Schwangerschaft aufkommen. Ein echtes Privatleben gibt es für dich nicht mehr, Gabriel.“

„Aber während des Zeugungsaktes wird niemand mit im Raum sein, oder?“

Serafia lachte. „Nein. Irgendwo muss ja mal Schluss sein.“

Das war allerdings nicht besonders tröstlich. Je näher der Tag der Krönung heranrückte, desto mulmiger wurde ihm. Natürlich wollte er ein guter König sein, aber all die Regeln und Eingriffe in sein Privatleben drückten ihm schon jetzt die Luft ab. Seine Frisur, seine Kleidung, sein Liebesleben, alles wurde überprüft und beurteilt, und diese Vorstellung lastete wie ein Zentnerstein auf ihm.

Serafia, die ihn forschend ansah, wies auf zwei Stühle. „Setzen wir uns doch für ein paar Minuten. Du siehst aus, als würdest du gleich ohnmächtig werden. Und meine Schuhe fangen an zu drücken.“

„Okay.“ Gabriel ließ sich auf einen Stuhl fallen. „Irgendwie habe ich über diese ganze Sache nicht ausreichend nachgedacht. Noch vor ein paar Wochen war ich Geschäftsführer in unserem Unternehmen und genoss mein Leben. Zwar erzählte Tante Isabella uns immer mal wieder von früher, aber ich war an der Familiengeschichte nie besonders interessiert. Dann war ich plötzlich Prinz Gabriel, buchstäblich von heute auf morgen. Und nun soll ich bald König sein. Das ist doch absurd.“

Serafia nickte mitfühlend. „Und leider muss ich dir sagen, dass es nicht besser wird. Denn wenn du erst einmal im Licht der Öffentlichkeit stehst, gehört dir dein Leben nicht mehr. Ich weiß, wie das ist. Und je eher du dich daran gewöhnst, desto besser kannst du damit umgehen.“

Er tat Serafia unendlich leid. Gabriel schien so ein lebenslustiger, humorvoller Mann zu sein, aber jetzt schien er von der Last der Zukunft buchstäblich erdrückt zu werden. Vielleicht sollte sie behutsamer vorgehen, aber er musste wissen, wie sein zukünftiges Leben in etwa aussah. Nur dann konnte er sich darauf einstellen.

Aufmerksam blickte er sie an. Offenbar hatte ihre letzte Bemerkung ihn von seinen eigenen Problemen abgelenkt. „Dann hast du so was auch erlebt? Hast du deshalb aufgehört, als Model zu arbeiten?“

Unwillkürlich zuckte Serafia zusammen, wie immer, wenn ihre Modelkarriere erwähnt wurde. Dann lächelte sie vorsichtig und schüttelte den Kopf. „Nein, das war nur einer der Gründe.“

„Fehlt dir dein früherer Beruf?“

„Überhaupt nicht.“ Das kam etwas zu hastig, obwohl es ihre ehrliche Meinung war. Model zu sein, war nicht der glamouröse Beruf, von dem viele junge Mädchen träumten. Es war ein hartes Geschäft, trotz der Millionen, die sie dabei verdient hatte. Und selbst zu ihren besten Zeiten war sie manchmal nur wie ein wandelnder Kleiderständer behandelt worden. „Ehrlich gesagt bin ich nicht mehr daran interessiert, im Scheinwerferlicht zu stehen. Das kann toll, aber auch ziemlich schrecklich sein.“

Gabriel nickte. „Kann ich mir vorstellen. Dennoch, den Modemagazinen fehlt etwas, seit du nicht mehr auf den Covers auftauchst. Allerdings verstehe ich gut, dass du nach dieser Geschichte auf dem Laufsteg aufgehört hast zu modeln. Sich dem Tod plötzlich so nahe zu fühlen, muss schrecklich sein. Vor allem, weil du nichts davon gewusst hast. Was genau war noch das Problem?“

„Ein angeborener Herzfehler“, sagte sie, ohne zu zögern. Nach Jahren der Praxis kam ihr die Lüge leicht über die Lippen.

„Gruselig, so etwas auf diese Weise herauszufinden.“

„Ja.“ Wenn er doch bloß das Thema wechseln würde. Ihre Eltern hatten damals erfolgreich die Geschichte ihres Herzfehlers in die Welt gesetzt. Warum sonst sollte eine gesunde Vierundzwanzigjährige auf dem Laufsteg zusammenbrechen und die vielen illustren Zuschauer in Angst und Schrecken versetzen?

Serafia selbst hätte viele Gründe anführen können, die sie sich alle selbst zuzuschreiben hatte. Wie viele Models litt auch sie unter massiven Essstörungen, die sie bis zu dem Zusammenbruch hatte verbergen können. Magersucht und Bulimie waren gefährliche Krankheiten, über die gerade in der Modeindustrie mehr gesprochen werden sollte. Aber ihre Familie wollte die Wahrheit totschweigen, zu Serafias Bestem, wie sie behauptete. Und sie war damals nicht in der Lage gewesen, dagegen anzugehen.

Allgemein hieß es, dass sie sich von ihrem Beruf wegen dieser Herzsache zurückziehen musste. Das war nie angezweifelt worden. Fast ein Jahr war sie in einer Spezialklinik gewesen, wo man ihr beibrachte, mit ihrer Sucht umzugehen. Ungefähr fünfzehn Kilo hatte sie zugenommen, und sie hatte neu gelernt, zu essen und in vernünftigem Rahmen Sport zu treiben. Das Wesentliche aber war, die Zeichen zu erkennen, wenn die Gefahr bestand, in ihr fatales Ernährungsmuster zurückzufallen.

„Geht es dir jetzt besser?“

Eine schwierige Frage. Wer unter Essstörungen litt, für den stellte jeder Tag eine Herausforderung dar. Menschen, die Probleme mit Alkohol oder Drogen hatten, konnten lernen, ohne Alkohol und Drogen auszukommen. Aber essen, das war etwas anderes. Essen musste man jeden Tag.

Wichtig war, dass sie ihr Gewicht hielt und es keine wilden Ausrutscher nach oben oder unten gab. Bisher hatte sie es ganz gut geschafft.

„Ja, die Ärzte haben mich medikamentös gut eingestellt. Aber du hast recht, Modeln kam für mich danach nicht mehr infrage. Nach dieser halben Todeserfahrung war mir klar, dass ich mein Leben ändern musste. Und ich wollte es auch. Was ich jetzt mache, befriedigt mich sehr viel mehr.“

„Gabriel Alejandro Montoro!“ Eine helle Stimme erklang, dann hörte Serafia das Klackern schneller Schritte auf dem Steinboden, und Bella, Gabriels Schwester, stand vor ihnen. „Da bist du ja! Alle suchen dich.“

„Warum denn?“ Gabriel zuckte unbeeindruckt mit den Schultern. „Ich war die ganze Zeit hier. Und seit wann benutzt du meinen vollen Namen? Das tut doch nur Mama.“

„Genau! Und wenn Mama hier wäre, würde sie dich an den Ohren zurück ins Haus zerren.“

Serafia lachte leise. Genauso hatte sie Adela in Erinnerung. „Tut mir leid, dass ich Gabriel aufgehalten habe. Wir haben uns über seine neue Aufgabe als König unterhalten und überlegt, welche Veränderungen nötig sind.“

Misstrauisch musterte Bella sie, dann wandte sie sich wieder an ihren Bruder. „Viel Glück! Wie auch immer, Vater erwartet, dass du sofort reinkommst. Er will eine Rede halten, und dann will er dich auf der Tanzfläche sehen. Die Journalisten wollen Fotos machen.“

Stöhnend stand Gabriel auf und reichte Serafia die Hand. „Du siehst, es gibt kein Entkommen. Gehst du mit mir rein?“

„Ja, gern.“ Serafia hakte sich bei ihm unter, und gemeinsam betraten sie den Ballsaal.

Der Raum war jetzt geradezu überfüllt, und sie mussten sich einen Weg durch die Menge bahnen. Gabriels Vater Rafael III. stand mit Juan Carlos an der Bar.

Zu den Salazars hatte Serafia nie viel Kontakt gehabt, aber über Juan Carlos hatte sie eine ganze Menge Gutes gehört. Er galt als intelligent, verantwortungsbewusst und sachlich. Manche Leute meinten, dass er das genaue Gegenteil von Gabriel sei – und damit eigentlich viel besser als König geeignet. Das würde sie Gabriel natürlich nie erzählen. Aber vielleicht wäre Juan Carlos ein guter Berater. Er könnte dem König bestimmt sehr von Nutzen sein, zum Beispiel als Kontaktmann zum Parlament.

„Da bist du ja endlich!“ Rafael sah seinen Sohn streng an. „Wo bist du nur …“ Dann erst bemerkte er Serafia. „Ach so, deshalb warst du verschwunden.“ Er nickte ihr lächelnd zu.

„Wie schön, dich endlich wiederzusehen.“ Serafia trat auf ihn zu und umarmte den ältesten Freund ihres Vaters.

„Ja, es wurde wirklich Zeit.“ Rafael erwiderte die Umarmung herzlich. „Aber in Zukunft werden wir uns hoffentlich häufiger sehen. Mit einem Teil der Familie kehre ich nach Alma zurück. Und auch dein Vater überlegt, wieder in die alte Heimat zu ziehen, sowie die Monarchie sich gefestigt hat.“

„Das hat er mir auch gesagt.“ Doch sie war nicht sicher, ob er das tun würde. Da ihre Familie Alma bereits verlassen hatte, bevor Tantaberra endgültig die Macht übernahm, war das Volk misstrauisch, was die Motive der Espinas betraf. Bestimmt würden sie nicht mit offenen Armen empfangen werden, so wie die Montoros.

Serafia selbst hatte kein Bedürfnis, in das Land ihrer Väter zurückzukehren. Sie war in Spanien aufgewachsen. Spanien war ihre Heimat, sie liebte Barcelona und ihr dortiges Anwesen mit Blick auf das Mittelmeer.

Rafael legte Gabriel kurz einen Arm um die Schultern. „Da du nun hier bist, kann ich endlich meine kleine Rede halten. Dann solltest du den Ball eröffnen. Wird auch Zeit, die Party schleppt sich bisher ziemlich dahin.“

Gabriel nickte. Juan Carlos ging hinüber zu den Musikern und kam mit einem Mikrofon zurück. Sobald Rafael die Hand hob, wurde es still. Er strahlte eine natürliche Autorität aus, der sich alle sofort unterwarfen. Er wäre der ideale König gewesen, ging es Serafia durch den Kopf. Es wurde Zeit, dass die veralteten Gesetze von Alma geändert wurden.

„Meine Damen und Herren“, begann Rafael. „Ich danke Ihnen, dass Sie heute zu uns gekommen sind. Viele Jahrzehnte hat unsere Familie auf diesen Augenblick gewartet, auf die Gewissheit, dass die Monarchie in Alma wieder eingesetzt wird. Wir hoffen, dass die Bürger von Alma eine Zukunft in Frieden und Wohlstand erwartet, und werden alles dazu tun, was in unseren Kräften steht. Ich freue mich, mit Ihnen auf meinen Sohn und den zukünftigen König, auf Prinz Gabriel anzustoßen. Möge er dem Volk von Alma ein guter König sein.“

Einige klatschten. Gabriel aber stand steif an ihrer Seite, angespannt und keinesfalls so begeistert wie sein Vater. Serafia konnte seine Bedenken gut verstehen. Sie drückte ihm beruhigend den Arm und lächelte ihn an.

„Deshalb bitte ich Sie, Ihr Glas zu erheben und auf das Wohl des zukünftigen Königs von Alma zu trinken. Auf Gabriel I.! Lang lebe der König!“

„Lang lebe der König!“, riefen alle und hoben ihre Gläser, auch Serafia.

„Und nun möchte ich Gabriel bitten, den Ball zu eröffnen. Mein Sohn …“ Rafael machte eine einladende Handbewegung und wies auf die Tanzfläche.

„Sieht so aus, als müsste ich mir eine Tanzpartnerin wählen“, murmelte Gabriel und beugte sich zu Serafia. „Wie ist es, darfst du tanzen? Hast du dafür die Erlaubnis der Ärzte?“, flüsterte er ihr ins Ohr.

Sie sah lächelnd zu ihm hoch. „Oh, ja. Ich bin vollkommen gesund und könnte die ganze Nacht tanzen. Ich weiß allerdings nicht, ob du das durchhältst.“

„Das werden wir ja sehen.“ Er lachte und zog sie auf die Tanzfläche. Ein schneller Salsa erklang, und Gabriel legte ihr einen Arm auf den Rücken und zog sie fest an sich.

Wow! Ihr stockte kurz der Atem, als sie seinen schlanken und gleichzeitig muskulösen Körper an ihrem spürte. Das war nicht mehr der kleine Junge von früher, der mit seinem Papierdrachen den Strand entlanggelaufen war. Dies war ein erwachsener, gefährlich attraktiver Mann, der sie mit seinen grünen Augen furchtlos ansah.

Sie hatte schon lange nicht mehr getanzt, aber Gabriel hielt sie so fest im Arm, dass sie ganz automatisch in den Rhythmus fand. Sie schienen über das Parkett zu schweben, und die Menge wich zurück, um ihnen Platz zu schaffen. Blitzlichter flammten auf, aber Serafia gab sich ganz dem erregenden Rhythmus hin, sodass sie kaum bemerkte, was um sie herum geschah.

Dennoch war sie froh, als auch andere Paare auf die Tanzfläche traten und sie nicht mehr allein den Blicken aller ausgeliefert waren. In Gabriels Armen zu liegen, war herrlich und  gefährlich zugleich. Wie er sie ansah, wie er sie an sich drückte …

Und sie musste die nächsten zwei Wochen mit ihm eng zusammenarbeiten! Hoffentlich brachte sie genügend Geduld und Selbstdisziplin auf. Denn er betrachtete sie nicht nur als seine Imageberaterin, das war ihr sonnenklar. Und auch sie empfand mehr für ihn …

Hätte sie doch diesen Job nie angenommen!

Zu spät.

Hier hatte sie es nicht mit einem unsicheren Teenager oder einem spanischen Geschäftsmann zu tun, der ihre Hilfe brauchte. Gabriel Montoro war der geborene Verführer, sexy und unberechenbar. Und wenn sie nicht aufpasste, würde sie ihm nur allzu leicht verfallen.

3. KAPITEL

„Du kommst schon wieder zu spät.“

Als ob Gabriel das nicht wüsste. Aber nach den letzten anstrengenden Tagen hatte er keine Lust, sich das anzuhören. Sicher, er selbst hatte Serafia als Imageberaterin engagiert, aber er war kurz davor, sie noch einmal extra zu bezahlen, damit sie ihn wieder in Ruhe ließ.

Zwar hatte auch seine Familie ständig an ihm herumkritisiert, aber Serafias nüchterne Kommentare trafen ihn tiefer. Irgendwie störte es ihn mehr, wenn eine Frau wie sie ihm immer wieder seine Fehler vorhielt. Er wollte, dass sie ihn bewunderte, sich nach seinen Küssen sehnte. Aber das war leider nicht ihr Job.

„Danke für den Hinweis!“, gab er verärgert zurück. „Sobald ich König bin, werde ich dich zur offiziellen Zeitverantwortlichen ernennen.“

Doch anstatt ihm darauf eine schlagfertige Antwort zu geben, drehte sich Serafia nur um, holte etwas und kam mit einem samtbezogenen Tablett zurück. „Apropos Zeit, diese vier Uhren habe ich von einem Juwelier in der Stadt bringen lassen. Such dir eine aus.“

Sein Smartphone meldete sich. Carla, mit der er vor ein paar Wochen einmal ausgegangen war, schickte ihm eine SMS. Sie war nicht die Einzige, und auch diese SMS ignorierte er. Was sollte er auch antworten?

„Tut mir leid, Darling, aber ich muss in ein paar Tagen in ein Land fliegen, von dem du noch nie gehört hast, und dort den Thron übernehmen.“

Wohl eher nicht.

Er steckte das Smartphone wieder ein und blickte missmutig auf die vier Uhren. Er hasste Uhren. Was sollte er mit einer Uhr, wenn er die Zeit auf seinem Telefon ablesen konnte? „Ich brauche keine Uhr.“

„Nein? Das wundert mich, denn Pünktlichkeit ist nicht gerade deine starke Seite!“

Du liebe Güte, war er hier auf dem Kasernenhof? Jetzt wurde Gabriel langsam wütend. „Na und? Du scheinst damit mehr Probleme zu haben als ich.“

Am liebsten hätte sie ihm eine patzige Antwort gegeben, das sah er ihr an. Doch sie nahm sich zusammen. „Such dir bitte eine aus.“

„Ich will keine Uhr.“ Eine Armbanduhr schon gar nicht. Sie erinnerte ihn an seine Entführung und die beklemmenden Tage in dem dunklen Keller. Wie sehr hatte er da immer auf seine Uhr gestarrt und gehofft, dass die Zeit schneller vergehen und endlich Hilfe kommen würde. Danach hatte er keine Armbanduhr mehr ertragen können, auch weil er dann an die rauen Stricke denken musste, mit denen seine Hände gefesselt gewesen waren.

Doch Serafia gab nicht nach. „Das sind alles sehr teure Uhren.“ Sie nahm eine von dem Samttablett und trat dicht an ihn heran. „Wie wäre es mit dieser?“ Und ehe er noch reagieren konnte, hatte sie nach seinem Handgelenk gegriffen und ihm die Uhr übergestreift.

Gabriel erstarrte, dann zuckte er zurück. Sofort war alles wieder da, der dunkle feuchte Keller, die schmerzenden Handgelenke, die Furcht, die sich zur Panik steigerte, die Zeit, die einfach nicht vergehen wollte …

„Ich habe Nein gesagt!“, schrie er Serafia an und schleuderte die Uhr von sich. Dann erst begriff er, dass er sich in einem sonnendurchfluteten warmen Raum aufhielt. Tief durchatmend spürte er, wie sein Körper sich allmählich entspannte.

Als er Serafias fassungslosen, ja, ängstlichen Blick auf sich spürte, tat es ihm entsetzlich leid, sie angeschrien zu haben. „Entschuldige“, stieß er leise hervor, bückte sich und hob die Uhr auf.

Sie wich zurück, stellte das Tablett auf dem Schreibtisch ab und kam langsam wieder auf ihn zu. Immer noch sah sie ihn misstrauisch an, aber sie hatte sich wieder gefangen. Erstaunlich, wie rasch sie ihre Fassung wiedergewinnen konnte. Das muss sie mir unbedingt beibringen, dachte Gabriel.

Dann stand sie vor ihm. „Was war das denn eben?“

Gabriel hasste es, über seine Entführung zu sprechen. Auch seine Familie hatte in dem Punkt immer geschwiegen. „Ich … Also, ich mag einfach keine Uhr tragen. Dies Gefühl, etwas ums Handgelenk zu haben, macht mich ganz nervös.“

Sie glaubte ihm nicht, das war klar. Zumindest war sie sicher, dass mehr dahintersteckte. Aber sie fragte nicht weiter. „Okay, dann keine Armbanduhr.“

Leise seufzend griff sie nach ihrem Tablet-PC und tippte kurz etwas ein. „Also, dein erster öffentlicher Auftritt in Alma ist bei Patrick Rowling, der für dich eine Willkommensparty gibt. Mal sehen, ob du dafür das Richtige anzuziehen hast.“

„Wer ist dieser Patrick Rowling?“

„Einer der reichsten Männer Almas. Er ist Engländer, spielt aber eine große Rolle bei der Ölgewinnung in Alma. Seinem Firmenkonsortium gehören die meisten Bohrplattformen und Raffinerien im Land. Er ist ein sehr mächtiger und einflussreicher Mann. Deshalb ist es wichtig, dass du mit ihm auf gutem Fuß stehst, wichtig auch für die Zukunft der Monarchie.“

Zwar würde Gabriel der König des Landes sein, aber er hatte beinahe das Gefühl, dass er vor diesem Patrick auf die Knie fallen musste und nicht umgekehrt. Ihm graute schon vor dieser Party, obwohl er weder den Gastgeber noch die Gäste kannte.

„Da es eher eine offizielle Gesellschaft ist …“, Serafia öffnete seinen Kleiderschrank, „… bist du damit wahrscheinlich am besten angezogen.“ Zu Gabriels Entsetzen nahm sie eine marineblaue Uniform aus dem Schrank, die altmodisch, steif und kratzig aussah.

„Kommt gar nicht infrage“, sagte er mit Nachdruck. „Ich habe bisher ja alles Mögliche über mich ergehen lassen, aber das geht zu weit. Haarschnitt, Maniküre, Pediküre – ich habe mich nicht einmal beschwert, als du die Hälfte meiner Sachen an die Wohlfahrt gegeben und Tausende von meinem Geld für neue Klamotten ausgegeben hast, die kein Mann unter sechzig tragen würde. Aber das hier, das ist lächerlich.“

Schweigend hatte Serafia sich alles angehört. Jetzt schüttelte sie nur lächelnd den Kopf. „Gabriel, dies ist die Galauniform des Königs.“

„Aber diese Kordeln und Quasten und dann diese himmelblaue Schärpe … Damit sehe ich ja aus wie Aschenputtels Prinz.“

„Genau.“ Serafia war nicht aus der Ruhe zu bringen. „Du bist Su Majestad el Rey Don Gabriel I. Das ist die Uniform der Könige.“

„Ja, in den Vierzigerjahren, als mein Urgroßvater König war. Aber sie sieht absolut altmodisch aus. Unmöglich in der heutigen Zeit.“

„Du ziehst sie ja nicht jeden Tag an, sondern nur bei besonderen Ereignissen wie Krönungen, Hochzeiten oder offiziellen Gesellschaften wie die bei den Rowlings. Sonst kannst du völlig normale Sachen tragen.“

„Die du ausgesucht hast.“ Und das war nicht viel besser.

Seufzend hängte Serafia die Uniform wieder in den Schrank, schloss die Tür und lehnte sich erschöpft dagegen. „In zwei Tagen fliegen wir nach Alma, und bis dahin haben wir noch viel zu tun. Wenn das so weitergeht, schaffen wir es nie. Warum machst du es mir so schwer, Gabriel?“

Tat er das? Sicher, die Sache mit der Uhr war nicht optimal gelaufen, aber das war nicht zu ändern. Und sich konservativ anzuziehen, fiel ihm nun mal schwer. „Das ist nicht meine Absicht. Aber offenbar kann ich nicht anders.“

„Scheint so. Ich habe sogar den Eindruck, du genießt die Situation.“

Vielleicht ein bisschen … Irgendwie wirkte Serafia noch hübscher, wenn sie genervt war. Die rosigen Wagen, die blitzenden Augen … Ähnlich sah sie wahrscheinlich auch aus, wenn sie mit einem Mann im Bett war, den sie leidenschaftlich liebte.

Seit ihrem Zusammentreffen auf der Terrasse sah er sie immer weniger auf dem Laufsteg vor sich, wenn er an sie dachte, sondern eher in seinem Bett.

Jede Nacht dachte er an sie. Das überraschte ihn selbst, obwohl sie seine erste, wenn auch unerfüllte Liebe war. Auf seinem allerersten Computer hatte er ein Foto von ihr im Bikini als Bildschirmschoner gehabt. Aber das war lange her. Und doch hatten ihn beim ersten Wiedersehen nach all der Zeit die alten Gefühle überrascht.

Dass er so heftig auf sie reagierte, hatte wahrscheinlich auch mit den enthaltsamen letzten Wochen zu tun. Seit sein Bruder auf den Thron verzichtet hatte, hatte die Familie ihn gezwungen, sein Leben total umzustellen. Keine Clubs, keine Bars, keine Partys mit Freunden. Von morgens bis abends wurde er überwacht, also spielte sich auch nichts mit Frauen ab. So lange war er noch nie ohne gewesen, aber in Bezug auf Serafia war das egal. Auch wenn er die letzte Nacht eine Frau im Bett gehabt hätte, würde er sie trotzdem begehren.

„Ja, irgendwie amüsiert es mich, dich nervös zu machen“, sagte er und ging damit auf ihre letzte Bemerkung ein.

„Warum? Bist du ein Sadist?“

Er schüttelte lächelnd den Kopf und trat dicht vor sie hin. „Nein. Aber du bist geradezu unwiderstehlich, wenn du wütend bist.“

Meinte er das ernst? Fast hätte sie widersprochen, aber warum? War sie nicht wirklich eine attraktive Frau? Wenn Gabriel sie unwiderstehlich fand, warum sollte sie ihm nicht glauben?

„Danke.“ Sie nickte lächelnd. „Aber leg es bitte nicht darauf an, mich wütend zu machen, nur weil du mich dann interessanter findest.“

Jetzt trat Gabriel noch näher an sie heran, und da sie an dem soliden Eichenschrank lehnte, konnte sie nicht ausweichen. Aber sie wollte es auch gar nicht. Nicht wenn er sie so ansah. In seinen dunkelgrünen Augen stand brennendes Verlangen, und sie wusste auf einmal, dass er ihr nicht wortreich schmeicheln wollte. Sondern dass er sie tatsächlich begehrte.

Aber daraus durfte nichts werden, zu viel sprach dagegen. Er würde bald König sein und war außerdem ein weltbekannter Playboy. Und weder an Königen noch an Playboys war sie im Geringsten interessiert.

„Versprochen.“ Gabriel schmunzelte. „Zumindest, dass ich mir Mühe geben will. Aber wenn du wütend bist, bekommst du rosige Wangen, deine Augen leuchten, und ich sehe, wie du schneller atmest.“ Er warf einen kurzen Blick auf ihre Brüste, dann schaute er ihr tief in die Augen. „Wenn du nicht willst, dass ich dich wütend mache, gibt es vielleicht einen anderen Weg, um die gleichen Reaktionen hervorzurufen. Einen sehr viel angenehmeren Weg für uns beide.“

Unwillkürlich stöhnte Serafia leise auf und schloss kurz die Augen. Am liebsten hätte sie ihn umarmt und fest an sich gezogen, so sehr sehnte sie sich nach seiner Berührung. Sie spürte seine Wärme, die Haut kribbelte ihr, und es durchlief sie heiß.

Als er sich mit einer Hand neben ihrem Kopf abstützte und sie sein verführerisches Eau de Cologne wahrnahm, eine Mischung aus Sandelholz und Leder, wusste sie, dass sie kurz davor war, schwach zu werden.

Aber nein, das durfte nicht sein! Sie war seine Imageberaterin, und sie fing nie etwas mit einem Klienten an. Das wäre absolut unprofessionell.

„Ich schlafe nicht mit dir!“, platzte sie heraus.

Gabriel sah sie in gespieltem Entsetzen an. „Aber Miss Espina, ich bin schockiert!“

Sie lachte und merkte erleichtert, wie die Anspannung wich. Dann hob sie fragend die Augenbrauen. „Schockiert, weil ich so direkt war, oder weil ich dir eine Abfuhr erteilt habe?“

„Weder noch.“ Er warf ihr ein verführerisches Lächeln zu. „Sondern weil du glaubst, ich hätte es nur darauf abgesehen.“

Oh Gott, dieses Lächeln …

Serafia verschränkte die Arme vor der Brust, was ihr nur mit Mühe gelang, weil Gabriel so dicht vor ihr stand. Wenn das so weiterging, würde sie sich ihm an den Hals werfen, obwohl sie sicher war, dass er sich nur einen Scherz erlaubte. „Worauf denn dann?“

Gabriels Blick zuckte zu ihrem Dekolleté, das sie mit ihrer verkrampften Haltung noch betonte. Rasch ließ sie die Arme sinken.

Er sah sie betont harmlos an. „Du hast mich missverstanden. Ich dachte nur an einen gemeinsamen Lauf hier durchs Gelände und dann vielleicht noch einen Sprung in den Pool.“

„Aber sicher! Du siehst mir so richtig nach einer Runde Jogging aus!“

Wieder setzte er sein Verführerlächeln auf, und wieder wurden ihr die Knie weich. In den letzten Jahren hatte Sex in ihrem Leben keine große Rolle gespielt, und sie ärgerte sich, wie schnell sie auf Gabriel reagierte.

„Die Gesundheit und das Wohlbefinden des Königs sollten doch für alle Bürger Almas Priorität haben“, dozierte er lachend. „Lang lebe der König! Also, wie ist es mit Jogging?“

So wie er sie ansah, wie er sich fast gegen sie lehnte, hatte Serafia das eindeutige Gefühl, dass er an etwas anderes dachte. Sie setzte eine sachliche Miene auf. „Erst einmal muss für deine Krönungsuniform Maß genommen werden. In wenigen Tagen reisen wir ab, bis dahin muss alles fertig sein. Dann kannst du meinetwegen joggen gehen.“

„Und du? Willst du deinen Kreislauf nicht auch ein bisschen in Schwung bringen? Joggen ist auch gut zur … Entspannung.“ Er zwinkerte ihr vielsagend zu.

„Ich habe meine Übungen schon heute Morgen gemacht“, wehrte sie ab. Und das stimmte. Jeden Morgen gleich nach dem Aufstehen absolvierte sie das Programm, das ihr der Arzt verschrieben hatte, genau eine Dreiviertelstunde lang, nicht mehr und nicht weniger. Ihr Laufband stand verstaubt in der Ecke, denn Laufen oder gar Rennen kamen nicht mehr infrage.

Mit einem bedauernden Kopfschütteln musterte er sie von oben bis unten. „Schade“, sagte er leise, stieß sich von der Schranktür ab und trat ein paar Schritte zurück. Serafia atmete auf. Endlich konnte sie wieder tief Luft holen, ohne von seinem Eau de Cologne benebelt und betört zu werden.

Nun meldete sich auch noch sein Handy, und diesmal war sie sogar froh darüber. Sicher war das wieder eine seiner zahlreichen Freundinnen. In den vier Tagen, die sie zusammenarbeiteten, hatte er wohl jede Stunde eine oder zwei SMS bekommen. Meist antwortete er nicht, aber die Nachrichten kamen trotzdem. Offenbar fühlten sich die Damen sehr einsam, ob sie nun Carla, Francesca, Kimi, Ronnie, Anita, Lisa oder wie auch immer hießen.

Auch diesmal las sich Gabriel die SMS nicht durch und steckte das Handy sofort wieder in die Hosentasche.

„Ich will mal sehen, ob der Mann von dem Atelier schon gekommen ist.“ Serafia wandte sich zur Tür. „Meinst du, all deine Verehrerinnen lassen dich lang genug in Ruhe, damit er Maß nehmen kann?“

Gabriel zog die Augenbrauen zusammen und sah sie lauernd an. „Bist du etwa eifersüchtig?“

Nur ein bisschen, aber das geht dich nichts an. „Nicht eifersüchtig. Nur ein wenig besorgt.“

„Genau wie mein Vater. Warum solltest du dir wegen meines Liebeslebens Sorgen machen?“

„Das habe ich dir schon bei unserem ersten Gespräch erklärt. Weil dein Leben dir nicht mehr allein gehört. Das gilt für deine Beziehungen, deine Freizeit, ja, sogar für deinen Köper. Du kannst nicht mehr wie ein Wahnsinniger mit deinem Sportwagen herumkurven und dein Leben in Gefahr bringen. Du kannst nicht mehr jede Nacht mit einer anderen Frau feiern und die Zukunft deines Landes aufs Spiel setzen.“

Auf seinen fragenden Blick setzte sie hinzu: „Mit einem Kind, das aus einer Zufallsbekanntschaft entstanden ist. Mit einer Frau, an die du dich nicht mehr erinnern kannst. Und du kannst deine königliche Apanage nicht mit seichten Vergnügungen verplempern.“

„Wieso denn nicht? Ich habe mal in der Schule gelernt, dass das die Hauptbeschäftigung der Könige ist.“

„Womöglich vor vierhundert Jahren, aber doch nicht mehr heute. Wenn Heinrich VIII. mit so etwas wie unserer modernen Presse hätte leben müssen, wäre für ihn und seine armen Frauen alles ganz anders gekommen.“

„Willst du damit sagen, dass es nur um den äußeren Schein geht? Dass das Volk und auch die Presse zufrieden sind, wenn ich einen ordentlichen Eindruck mache?“

„Nicht ganz. Es kommt noch etwas hinzu. Deine Rastlosigkeit ist ein Zeichen für eine innere Unruhe. Genau das macht mir Sorgen. Du solltest dich gedanklich und gefühlsmäßig auf die Ehe vorbereiten. Auch wenn dir deine Zukünftige noch nicht begegnet ist, garantiere ich dir, dass du spätestens zum Ende deines ersten Regierungsjahres verheiratet bist. Das bedeutet, dass du deine Kontakte zu deinen Freundinnen abbrechen musst. Es geht darum, eine ernsthafte Beziehung aufzubauen, und ich fürchte, das wird dir nicht leichtfallen.“

„Wie kommst du darauf?“ Gabriel war empört.

„Es ist nicht leicht, eine echte Verbindung einzugehen und daran auch festzuhalten. Um Liebe und Vertrauen muss man sich immer wieder bemühen. In den Tagen, die ich hier bin, hast du mit keiner einzigen Person auf einer ernsthaften Ebene kommuniziert. Du hast keine wirkliche Beziehung zu irgendjemandem, noch nicht einmal zu deiner Familie.“

„Doch!“

„Zu wem denn? Wenn etwas Besonderes in deinem Leben passiert, wem würdest du als Erstem davon erzählen? Wem würdest du ein großes Geheimnis anvertrauen?“

Gabriel schwieg, während er krampfhaft überlegte, wen er ihr nennen könnte. Seine Mutter? Seinen Bruder? Nein. Er hatte auch keinen besten Freund, nicht aus der Schulzeit, nicht vom College … Das hatte er sich noch nie so deutlich klargemacht. Eigentlich traurig. Warum hielt er nur jeden auf Abstand?

„Ich habe eine große Familie und viele Freunde“, sagte er schließlich. „Seit klar ist, dass ich König werde, werden es täglich mehr. Was willst du eigentlich?“

„Ich möchte wissen, ob du jemanden hast, dem du blind vertrauen kannst, dem du alles erzählst, der dich immer versteht. Ich glaube nicht, dass Rita oder Lisa dieser Mensch ist, aber auch nicht Rafe oder Bella. Ich habe zwar das Gefühl, dass manche dir näherkommen wollen, aber du stößt sie zurück, selbst deine Familie. Du hast dich mit einer Mauer umgeben, und ich fürchte, du musst lernen, diese Mauer einzureißen, sonst hast du ein schweres Jahr vor dir.“

„Im Gegenteil, ich muss mich abschotten. Als König will jeder etwas von dir, und du kannst keinem vertrauen. Deine Ehe ist arrangiert, deine engsten Berater haben ihre eigenen kleinen Projekte im Sinn und suchen ihren Vorteil. Ich habe immer gedacht, dass es sehr viel besser ist, Abstand zu wahren und niemanden zu dicht an sich herankommen zu lassen.“

„Vielleicht hast du recht“, sagte sie und seufzte leise. „Vielleicht wäre ich auch besser in der Modewelt zurechtgekommen, wenn ich misstrauisch gewesen wäre. Wenn ich mir gesagt hätte, dass jeder mich ausnutzen will und ich niemandem vertrauen kann.“ Serafia sah ihn traurig an. „Andererseits bin ich davon überzeugt, dass jeder jemanden braucht, selbst ein König.“

„Glaub mir, Abstand ist besser. Wenn du niemandem vertraust, kann dich keiner betrügen.“

Aus Gabriels Worten sprach eine ungewohnte Ernsthaftigkeit, die Serafia beunruhigte. Jemand hatte ihn irgendwann einmal schwer enttäuscht. Eigentlich war es nicht ihre Sache, und sie sollte sich darum keine Gedanken machen, aber das konnte sie nicht. Was war geschehen? Was hatte ihn zu diesem Zyniker gemacht? Konnte sie ihm helfen?

Das Volk von Alma und auch sie erwarteten mehr von ihrem König. Was Gabriel bereit war zu geben, war nicht genug. Er musste fähig sein, auf Menschen zuzugehen, und dazu musste er seine inneren Mauern niederreißen.

Nur er allein konnte das tun.

4. KAPITEL

Zwei Tage später stieg Gabriel in den Privatjet der Familie Montoro und ließ damit sein vertrautes Leben hinter sich. Es war Nacht. Sein Vater Rafael schlief in dem kleinen Schlafraum. Gabriel und Serafia hatten die breiten Ledersitze zu bequemen Liegen zurückgeklappt.

Sobald sie in der Luft waren, schlief Gabriel ein. Als er erwachte, war er überrascht zu erfahren, dass sie in einer halben Stunde in Alma landen würden. Bisher war er nur einmal mit seinem Bruder dort gewesen, als Rafe noch für den Titel vorgesehen war. Aber diesmal würde er selbst den Boden Almas als der zukünftige König betreten. Verrückt.

„Du musst dich anziehen“, sagte Serafia leise neben ihm. „Dein Anzug hängt im Bad.“

Er hatte nicht gemerkt, dass sie aufgestanden war. Aber sie war bereits fix und fertig angezogen, hatte sich dezent geschminkt und ihr schweres dunkles Haar zu einem Knoten zusammengefasst. Offiziell nahm sie in der nächsten Woche die Rolle seiner persönlichen Assistentin ein. Inoffiziell war sie als seine Imageberaterin dafür zuständig, dass er alle Ereignisse ohne Peinlichkeiten überstand. Das taillierte Kostüm in einem warmen Dunkelrot stand ihr gut, und der kniekurze schmale Rock zeigte ihre langen schlanken Beine.

Unwillkürlich musste Gabriel an das lange enge Abendkleid aus roter Seide denken, das alle Vorzüge ihrer aufregenden Figur betonte. In diesem Kostüm sah sie eher unauffällig aus, aber das war sicher Absicht. Dennoch schade, dachte er. Auch wenn Serafia nicht gern im Rampenlicht stand, sie gehörte dahin.

Er ging ins Bad und zog den dunkelblauen Anzug an, den Serafia für ihn ausgesucht hatte. Das etwas hellere Hemd passte gut dazu, auch die blaue Krawatte gefiel ihm. Wahrscheinlich hielt Serafia dieses Outfit für ziemlich gewagt, aber Gabriel fand es insgesamt eher langweilig. Wenn er wenigstens ein Paar verrückte Socken dazu anziehen könnte! Seufzend griff er nach dem dunkelblauen Paar.

Als er wieder aus dem Bad kam, war auch sein Vater aufgestanden und fertig für die Ankunft. Der Pilot gab durch, dass sie sich bereits im Anflug auf Del Sol, die Hauptstadt von Alma, befanden.

„Die Presse wird dich vor der Ankunftshalle erwarten“, sagte Serafia. „Ein roter Teppich ist ausgerollt, und die königlichen Garden werden dafür sorgen, dass alles ordnungsgemäß abläuft. Die Anwesenden wurden selbstverständlich überprüft, und dein Pressesekretär hat die Fragen abgesprochen. Ich werde zuerst aussteigen und mich vergewissern, dass alles in Ordnung ist. Dann folgt Señor Montoro und danach du. Lass dir Zeit, damit alle ihre Fotos machen können.“

Gabriel nickte gehorsam. Schon die ganze Woche hatte sie ihn mit Informationen vollgestopft, und immer noch war kein Ende abzusehen.

„Und denk dran zu lächeln und zu winken. Es ist nur die Presse, also brauchst du keinen zu begrüßen. Keine Rede, kein Interview. Nur lächeln und winken.“

Der Jet berührte den Boden, und plötzlich war alles Wirklichkeit, was sich Gabriel bisher nur vorgestellt hatte. Er blickte aus dem Fenster. In der Ferne waren hohe Berge zu sehen. Näher an der Stadt erhoben sich grüne Hügel, die Stadt selbst bestand aus weißen Häusern mit roten Ziegeldächern. Darüber thronte eine alte Burg auf einer Erhöhung.

Durch ein gegenüberliegendes Fenster konnte Gabriel das Meer und weiße Strände erkennen, gesäumt von hohen Palmen. Bei ihrem ersten und letzten Besuch hatten Rafe und er keine Zeit gehabt, sich die Strände genauer anzusehen. Hoffentlich waren sie wenigstens halb so schön wie die von Miami. Ach, Florida …

Der Jet hielt, die Maschine wurde abgestellt, und die Besatzung stieg aus.

Serafia griff nach ihrer Tasche und ihrem Tablet-PC. „Lächeln und winken“, waren ihre letzten Worte, bevor sie das Flugzeug verließ. Sein Vater folgte ihr, und dann war Gabriel dran.

Sein Herzschlag dröhnte ihm in den Ohren, und er hatte das Gefühl, keine Luft zu bekommen. Wenn er oben auf der Treppe erschien, stand nur noch die Krönung zwischen ihm und Su Majestad el Rey Don Gabriel I. Eine beängstigende Vorstellung, aber es half alles nichts. Stöhnend stand er auf.

Tief durchatmen. Dann trat er auf die oberste Stufe und blieb stehen, geblendet von dem hellen Sonnenlicht. Doch sobald sich seine Augen daran gewöhnt hatten, setzte er ein Lächeln auf, hob grüßend die Hand und stieg langsam die Treppe hinunter. Unten erwarteten ihn ungefähr fünfzig Fotografen. Blitzlichter flammten auf, Fernsehkameras richteten sich auf ihn.

Links und rechts der Gangway standen zwei große Männer in Militäruniformen, vergleichbar mit der, die Serafia für ihn hatte anfertigen lassen. Die Männer trugen diskrete Kopfhörer im Ohr, deren Kordel im Kragen verschwand.

Aha, die Sicherheitsbeamten, dachte Gabriel, als sie sich verneigten, während er an ihnen vorbeiging, und ihm dann folgten. Es wird ernst. Bisher hatte er sich um seine eigene Sicherheit noch nicht viele Gedanken gemacht.

Am Ende des roten Teppichs standen Rafael und Serafia neben einem Mann, wohl seinem Pressesekretär. Serafia lächelte breit, wahrscheinlich um ihn ans Lächeln und Winken zu erinnern.

Er hatte sie fast erreicht, als einer aus der Pressemeute ihm zurief: „Was halten Sie vom Verzicht Ihres Bruders auf den Thron, Gabriel? Wussten Sie, dass er Vater wird?“

Die dreiste Frage schockierte Gabriel kurz, dann hatte er sich wieder gefangen. „Rafe hat seine Wahl getroffen. Das kann ich gut akzeptieren.“ Serafia hatte ihm zwar gesagt, er solle keine Fragen beantworten, aber die Frage hatte ihn überrumpelt. Dazu hielt der Mann die Kamera direkt auf ihn gerichtet.

„Und was ist mit dem Kind?“, drängelte der Reporter.

Das geht dich gar nichts an.

Äußerlich blieb Gabriel ruhig. „Ich wusste nicht, dass es meinem Bruder und Miss Fielding so ernst ist. Das Kind geht nur die beiden etwas an, und ich erwarte, dass Sie das respektieren.“

„Haben Sie sich schon eine Königin ausgesucht?“, wollte ein anderer wissen. Und nun prasselten die Fragen auf Gabriel ein.

„Wird sie aus Almas Adel kommen? Oder aus einem anderen europäischen Königshaus, um die Wirtschaftsbeziehungen zu stärken?“

Autor

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