Julia Saison Band 37

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3 Romane von Kat Cantrell

LEIDENSCHAFT STAND NICHT IM VERTRAG ... von CANTRELL, KAT
Klopfenden Herzens geht Dannie durch die Tür: Gleich wird sie ihren Bräutigam Leo Reynolds - ausgewählt von der Partnervermittlung - sehen. Aus Not hat Dannie einer arrangierten Heirat zugestimmt - und weiß bei Leos Anblick nicht, ob sie eine Ehe ohne Gefühle ertragen kann …

VERFÜHRT UND VERRATEN von CANTRELL, KAT
"Freust du dich, mich zu sehen?" Diese Stimme hat Juliet vermisst! Doch Prinz Alain Phineas of Montagne hat sie verführt - und verraten! Auch wenn die Partnervermittlung meint, dass ausgerechnet ihr Exfreund der richtige Mann ist: Juliet wird Alain nie wieder vertrauen …

SINNLICHE KÜSSE VOM FEIND von CANTRELL, KAT
Liebe per Computer? Unmöglich, findet Dax Wakefield. Als er Partnervermittlerin Elise kennenlernt, weiß der Journalist, was zu tun ist: Er wird ihr "Institut" lächerlich machen. Schade nur, dass sein Plan bei jedem Blick in Elises lockende Augen ins Wanken gerät …


  • Erscheinungstag 05.05.2017
  • Bandnummer 37
  • ISBN / Artikelnummer 9783733709600
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Kat Cantrell

JULIA SAISON BAND 37

KAT CANTRELL

Leidenschaft stand nicht im Vertrag …

Es ist so einfach: Er braucht dringend eine Frau, die an seiner Seite die Firma repräsentiert, und Dannie einen Mann, der ihr Sicherheit gibt. Von Liebe ist zwischen Leo Reynolds und seiner Ehefrau nie die Rede gewesen. Ein perfektes Arrangement nach dem Geschmack des Millionärs – wenn ihm nicht sein Herz einen Strich durch die nüchterne Rechnung machen würde …

KAT CANTRELL

Verführt und verraten

„Denk immer daran: Sie hat die ganze Familie in Verruf gebracht!“ Prinz Alain darf seiner Sehnsucht nach Juliets süßen Küssen nicht nachgeben. Sie hat einen unglaublichen Skandal ausgelöst und das Königshaus gefährdet! Er muss sie vergessen – auch wenn er nichts lieber will, als nur noch eine Nacht der Leidenschaft in ihren Armen zu verbringen …

KAT CANTRELL

Sinnliche Küsse vom Feind

Schon lange glaubt die Heiratsvermittlerin nicht mehr, dass sie die große Liebe finden wird – es reicht Elise, wenn sie andere suchende Herzen glücklich machen kann. Bis Dax Wakefield vor ihr steht: groß, blond, attraktiv, genau ihr Typ. Leider gibt es ein Problem: Der reiche Journalist will ihre Firma ruinieren – und das kann Elise nicht zulassen …

1. KAPITEL

Am liebsten hätte Leo Reynolds seine persönliche Assistentin geheiratet. Sein Leben wäre dadurch sehr viel einfacher geworden!

Leider war seine Assistentin aber schon verheiratet – und fast doppelt so alt wie er.

Leos Problem war, dass er in der Woche im Schnitt hundert Stunden arbeitete. Diese Tatsache hatte bis jetzt noch jede Frau in die Flucht geschlagen! Die Einsamkeit war der Preis dafür, dass es ihm gelungen war, Reynolds Capital Management an die Spitze der Risikokapitalbranche zu katapultieren.

„Sie haben mein Leben gerettet, Mrs. Gordon.“ Leo lächelte seine Assistentin dankbar an und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.

Sein Laptop weigerte sich, mit dem Drucker zu kommunizieren, und ein wichtiges Dokument hatte deshalb nicht ausgedruckt werden können. Das unterzeichnete Dokument, das Leo nun glücklich in den Händen hielt, musste in weniger als einer Stunde bei Garrett Engineering sein – auf der anderen Seite von Dallas.

„Ein Angebot auszudrucken heißt ja wohl noch nicht, Ihr Leben zu retten.“ Mrs. Gordon blickte betont deutlich auf ihre Armbanduhr. „Es ist schon spät und außerdem Freitag. Führen Sie Jenna in das neue Restaurant am Victory Park aus, und überlassen Sie das Angebot mir. Entspannen Sie sich mal! Das wird Ihnen guttun.“

Leo verzog das Gesicht. Ein Schatten des Bedauerns spiegelte sich kurz in seinen Zügen und verschwand dann wieder. „Jenna und ich haben uns getrennt. Sie ist bereits mit jemand anderem zusammen.“

Hoffentlich würde diese neue Beziehung sie glücklich machen. Jenna verdiente einen Mann, der sie mit Aufmerksamkeit und Zuneigung überschüttete. Inzwischen bedauerte Leo es, dass er ihr nicht das hatte geben können, was sie brauchte. Aber es wäre unfair gewesen, sie in dem Glauben zu lassen, er würde sich jemals auf eine ernsthafte Beziehung einlassen können.

„Das wundert mich nicht! Schließlich haben Sie sich so selten bei ihr blicken lassen, dass Jenna reichlich Zeit hatte, sich nach einem anderen umzusehen!“ Mrs. Gordon verschränkte die Arme vor der Brust und sah Leo missbilligend an. „Mit wem werden Sie dann zur Einweihung des Museums gehen?“

Leo stöhnte. Das hatte er praktischerweise vergessen, aber er konnte sich auf keinen Fall vor der Einweihungsfeier drücken. Denn das neue Kindermuseum im Kunstviertel von Dallas trug seinen Namen, da er den Bau gesponsert hatte. „Sie haben am nächsten Samstag doch noch nichts vor, oder?“

Mrs. Gordon kicherte, als ob er einen Witz gemacht hätte. „Irgendwann werde ich Ja sagen, wenn Sie mich bitten, mit Ihnen auszugehen. Und dann gnade Ihnen Gott, denn ich werde Sie gründlich aufmischen. Wenn Jenna nicht mehr zur Verfügung steht, suchen Sie sich doch eine andere Frau. Daran mangelt es Ihnen doch wirklich nicht, oder?“

Nein, Leo konnte sich nicht beklagen. Frauen, die gern mit ihm ausgegangen wären, gab es tatsächlich in Hülle und Fülle. Allerdings nur so lange, bis sie herausfanden, wie wenig Zeit er für sie übrig hatte. Und das ging in der Regel sehr schnell.

Plötzlich hatte er wieder dieses hohle Gefühl im Magen, wie es ihm in letzter Zeit öfter passiert war. Bisher hatte er dieses Gefühl als Hinweis gedeutet, dass er noch härter für seinen Erfolg arbeiten musste. Aber jetzt, da es auftauchte, während er mit seiner Assistentin über sein Privatleben sprach, war er sich dessen nicht mehr so sicher.

„Ich hasse Dates.“ Und Small Talk. Die Zeit, die man für das Kennenlernen aufwenden musste, kostete viel Energie. Zuviel Energie. Reynolds Capital Management kam an erster Stelle. Immer.

„Weil Sie es zu selten machen.“

Das war Mrs. Gordons Lieblingsthema. Sie wurde nie müde, ihn auszuschimpfen, weil er keine Frau an seiner Seite hatte. Leo seufzte. „Haben Sie schon wieder mit meiner Mutter gesprochen?“

„Ja, wir haben am Dienstag zusammen Mittag gegessen. Sie lässt Sie grüßen.“ Mrs. Gordon blickte ihn unter hochgezogenen Augenbrauen bedeutungsvoll an. Er wusste sofort, was sie meinte. Er sollte seine Mutter anrufen und sich mit Frauen treffen, die für eine Heirat in Frage kamen.

Ja, Leo hasste Dates. Aber am meisten hasste er es, eine Frau zu enttäuschen, wenn er mal wieder eine Verabredung absagen musste. Leo war nicht gern allein. Außerdem war er natürlich auch ein Mann – er liebte Sex. Warum fiel ihm die perfekte Frau nicht einfach in den Schoß, damit er sich auch weiterhin voll und ganz auf die Arbeit konzentrieren konnte?

„Es ist schon spät“, sagte er in dem offenkundigen Versuch, das Thema zu wechseln. „Warum gehen Sie nicht nach Hause, und ich bringe Garrett das Angebot persönlich vorbei?“

Er hatte bis um fünf Uhr Zeit, das Dokument bei Garrett Engineering abzuliefern. Darin bekundete er sein Interesse, mit der Firma ins Geschäft kommen zu wollen.

Tommy Garrett produzierte Verbrennungsmotoren. Oder vielmehr, er würde sie produzieren, sobald er genug Geld dafür hatte. Garrett hatte eine revolutionäre Methode erfunden, den Kraftstoffverbrauch eines durchschnittlichen Automotors zu verringern, und Leo wollte, dass seine Firma dieses Vorhaben finanzierte. Diese Partnerschaft würde ihnen beiden langfristige Profite sichern, und Leo konnte dabei das machen, was ihm am meisten lag – hinter den Kulissen die Strippen ziehen.

Falls er diesen Deal abschließen konnte.

Nein, nicht falls. Leo musste diesen Deal abschließen!

Er würde nicht rasten, bis seine Firma finanziell so stabil sein würde, dass ihre Existenz gesichert war. Mit der ersten Million hatte er dieses Ziel noch nicht erreicht, denn er musste immer wieder in neue Unternehmen investieren. Deshalb konnte er sich auch nicht ausruhen.

„Da Sie bisher noch jede Frau mit Ihrer Entschlossenheit, sich zu Tode zu schuften, vertrieben haben, nehme ich Ihr Angebot gern an. Übrigens habe ich heute Morgen den Tank in Ihrem Auto aufgefüllt. Es wäre nicht schlecht, wenn Sie hin und wieder mal die Anzeige beachten würden.“

„Vielen Dank. Sie sind zu gut zu mir. Ach, übrigens …“, warf Leo ein, während Mrs. Gordon schon nach ihrer Handtasche griff, „ich habe vor, demnächst eine Party zu Ehren von Tommy Garrett zu geben. Wenn ich Sie ganz nett darum bitte, würden Sie sie dann organisieren?“

„Es ist nicht mein Job, Ihre Ersatzfrau zu sein.“ Mrs. Gordon presste die Lippen fest zusammen. Das bedeutete, sie hätte eigentlich noch mehr zu sagen gehabt, vermied es aber aus Taktgründen. In den letzten acht Jahren, in denen sie sich um seine Belange kümmerte, hatte er diesen Ausdruck öfter gesehen.

Daher lachte er und erwiderte: „Sie haben recht. Das gehört nicht zu Ihrem Jobprofil.“

Oder doch? Wenn sein Haar zu lang war, machte Mrs. Gordon einen Friseurtermin. Wenn seine Mutter Geburtstag hatte, suchte sie das Geschenk aus. Doch der Vorschlag, eine Party für ihn zu organisieren, ging anscheinend selbst ihr ein bisschen zu weit.

Sie fuhr ihren PC herunter. „Nun, die Planung sollte vielleicht zum Job einer anderen Person werden!“

„Denken Sie an einen Partyplaner?“ Es war vielleicht gar keine schlechte Idee, einen Profi dafür zu engagieren. Besser als nichts.

„Nein, an eine Freundin. Oder an jemand, der in einem halben Jahr immer noch da ist. Engagieren Sie eine Ehefrau.“ Sie nickte. „Sie brauchen eine gute Frau, die sich um Sie kümmert. Sie kann dafür sorgen, dass Ihr Tank immer voll ist. Sie kann Tommy Garrett Honig ums Maul schmieren und dafür sorgen, dass alles in Ihrem Leben gut läuft. Und in der Nacht hält sie Sie warm.“

Ihre Augenbrauen zuckten erneut, aber Leo bemerkte es kaum.

Engagieren Sie eine Ehefrau.

War so etwas denn überhaupt möglich? Diese Lösung schien fast zu perfekt zu sein.

Er hatte weder Zeit noch Lust, sich nach Frauen umzuschauen, bis er eine fand, die nicht von ihm erwartete, dass er permanent zur Verfügung stand. Denn Reynolds Capital Management lief schließlich nicht von allein. Seine Mitarbeiter und seine Geschäftspartner hingen von ihm ab.

Aber eine Ehefrau konnte ihm nicht einfach kündigen. Das war die absolute Sicherheit.

Leo hätte dann eine ständige Begleiterin, die das hohle Gefühl im Magen vertreiben würde. Eine, die es nicht auf sein Vermögen abgesehen hätte. Beide wüssten von Anfang an, worum es bei diesem Arrangement gehen würde – um Stabilität. Und diese Frau würde es ihm nicht übelnehmen, wenn er einhundert Prozent seiner Energie in die Firma investierte.

Alles oder nichts. Das war sein Lebensmotto. Wenn er sich zu etwas verpflichtete, gab er alles und mehr. Seit früher Jugend hatte Leo gewusst, dass er diese Anlage von seinem Vater geerbt hatte. Doch er durfte auf keinen Fall dieselben Fehler wie sein Vater machen.

Dann hatte er Carmen kennengelernt, die ihm gezeigt hatte, wie gefährlich ihm seine Veranlagung werden konnte. Nie wieder durfte eine Schwärmerei zum Mittelpunkt seines Lebens werden!

Liebe oder Erfolg. Seine Persönlichkeit ließ nicht beides zu. Nachdem es ihm gelungen war, dem Ghetto zu entkommen, hatte er seine Zukunft nie wieder aufs Spiel setzen wollen.

Wenn er eine verständnisvolle Ehefrau hätte, würde er Arbeit und Privatleben komplett trennen können. Am besten gefiel ihm bei dieser Vorstellung, dass er dann nie wieder Small Talk mit einer Frau machen müsste. Oder sich wie ein Schuft fühlen, weil er wieder einmal eine Verabredung abgesagt hatte.

Leo zog sein Jackett über und brachte sein Angebot höchstpersönlich zu Garretts Firma, die ihr kleines Büro in Downtown Dallas hatte. So klein würde das Büro allerdings mit Sicherheit nicht mehr lange bleiben. Investoren im ganzen Land rissen sich bereits darum, Geld in das Unternehmen zu investieren. Und wenn die Firma erst einmal an die Börse ging, würde ihr Wert ins Unermessliche steigen.

Leo musste diesen Deal mit Tommy Garrett einfach an Land ziehen! Und die Party wäre eine fantastische Möglichkeit, seine Chancen zu erhöhen. Eine Ehefrau könnte sich um die Planung der Party kümmern und ihm das Geschäftliche überlassen. Er würde Tommy Garrett schon begreiflich machen, warum Reynolds Capital der beste Partner für ihn war. Sein Angebot stand für die nächsten paar Wochen. Zeit genug, um eine Ehefrau zu finden.

Als Leo wieder in seinem Büro war, ließ er sich an seinem Schreibtisch nieder und fuhr sein Laptop hoch. Innerhalb von fünfzehn Minuten fand er bei Google die Antwort darauf, ob es möglich war, eine Frau fürs Leben zu engagieren. Nachdem er sich durch die Reinigungsfirmen und die Begleitservices gearbeitet hatte, stieß er auf die Lösung für sein Problem.

Ein Ehevermittlungsinstitut.

Ja. Natürlich. Daran hatte er gar nicht gedacht, als er mit seiner Suche begonnen hatte. Um genau zu sein, hatte er gar nicht gewusst, wonach er suchte. Aber die Antwort war bestechend einfach. Leo hatte immer geglaubt, dass er eines Tages heiraten würde, wenn er sich leisten können würde, Energie in eine Beziehung zu investieren. Doch inzwischen war er bereits fünfunddreißig, und Reynolds Capital Management verschlang immer noch all seine Zeit.

Er starrte auf das Logo von EA International. Die Website war sehr professionell und geschmackvoll gemacht. Vor allem bot die Firma ihre Dienste nur exklusiven Kunden an. Sie versprach Diskretion, und bei Nichtgefallen bekam man garantiert sein Geld zurück. Das gefiel Leo am besten.

Das Motto sagte ja schon alles: Wir helfen Ihnen dabei, die Richtige zu finden.

Die Richtige würde in seinem Fall die Frau sein, die alle seine Wünsche erfüllte. EA International würde sich für ihn um die in Frage kommenden Kandidatinnen kümmern, die Interviews mit ihnen durchführen, ihren sozialen Hintergrund durchleuchten und diejenigen aussortieren, denen es um eine romantische Verbindung ging. Materielle Sicherheit zählte nun mal mehr als romantische Gefühle.

Es war geradezu brillant. Das Institut würde alles tun, was nötig war, um die geeignete Frau für Leo zu finden. Eine, die er nie enttäuschen würde. Er musste dafür nur noch zum Hörer greifen.

Und wenn das geklärt war, konnte er sich endlich wieder der Arbeit widmen.

Daniella White hatte schon als kleines Mädchen davon geträumt, zu heiraten. Irgendwann würde sie in silberne High Heels schlüpfen und ein wunderschönes Kleid aus weißer Spitze tragen. Die Gäste würden Einladungen aus feinstem Büttenpapier bekommen, und die Hochzeitstorte würde dreistöckig sein, mit roten Rosen aus Marzipan.

Aber vor allem würde ein unglaublich attraktiver Mann vor dem Altar auf sie warten und ihr ein umwerfendes Lächeln schenken. Nach der Hochzeitszeremonie würde die Liebe ihres Lebens sie in die Flitterwochen an einen atemberaubenden, unglaublich exotischen Ort entführen. Ihre Ehe würde leidenschaftlich und liebevoll zugleich sein.

Doch als ihr wirklicher Hochzeitstag dann nahte, hätte Dannie sich nie träumen lassen, dass sie einen Bräutigam haben würde, den sie vorher noch nie getroffen hatte. Oder dass sie Leo Reynolds in wenigen Minuten ausgerechnet im Wohnzimmer ihrer Ehevermittlerin heiraten würde. Fast ohne einen einzigen geladenen Gast!

„Was sagst du dazu, Mom?“ Dannie betrachtete zweifelnd ihr Bild im Spiegel. Ein schlichtes cremefarbenes Kleid war nun ihr Hochzeitskleid, und sie wünschte sich, es würde ihr besser gefallen. Aber sie würde sich schon damit arrangieren, wie mit allem.

Das ausgeklügelte Computerprogramm von EA International hatte herausgefunden, dass sie und der Geschäftsmann Leo Reynolds gut zusammenpassten. Er erwartete von einer Ehefrau ein elegantes Auftreten. Dannie hatte die letzten Monate unter der strengen Aufsicht der Agenturchefin damit verbracht, dieser Erwartung zu entsprechen.

Dannies Mutter hustete kräftig und schlug sich mit der Hand auf die Brust, als ob sie das Narbengewebe ihrer Lungen durch reine Willenskraft heilen könnte. „Du bist wunderschön, Liebling“, sagte sie, nachdem sie sich von dem Anfall erholt hatte. „Jeder Zoll eine richtige Ehefrau. Ich bin so stolz auf das, was du erreicht hast.“

Ja, es war wirklich schwierig, meinen Namen in eine Datenbank einzutragen. Aber Dannie verschluckte den Kommentar. Sie war keine Besserwisserin mehr. Außerdem verstand sowieso niemand ihre Witze.

Dann wurde zweimal laut an die Tür geklopft. Plötzlich hatte sie einen Kloß im Hals. Elise Arundel, ihre Heiratsvermittlerin, steckte ihren dunklen Pagenkopf zur Tür herein. „Oh, Dannie, du siehst ja hinreißend aus!“

„Dank dir, Elise.“

„Ich habe das Kleid nicht ausgesucht. Das warst du, und es steht dir ausgezeichnet. Ich hatte noch nie jemanden mit so viel Stilgefühl wie du.“

„Gut, aber dafür hatte ich am Anfang keine Ahnung, wie man sich richtig schminkt.“ Dannie fragte sich, ob diese Antwort vielleicht ein bisschen undankbar war. Das war das Problem, wenn man seine Persönlichkeit veränderte, um die Frau eines reichen Mannes zu werden. Nichts an ihr kam ihr mehr natürlich vor.

Elise betrachtete sie eingehend und schüttelte dann den Kopf. „Du bist makellos. Leo wird völlig von den Socken sein.“

Ihr Puls beschleunigte sich erneut.

Die Gestalt im Spiegel starrte sie an – fast eine Fremde, bis auf ihr dunkelbraunes Haar und die hellbraunen Augen. Ob Leo ihr eleganter Knoten gefallen würde? Ihre aufrechte Haltung? Würde er merken, dass sie in Wirklichkeit große Angst hatte? Was sollte sie tun, wenn er keine Brünetten mochte?

Aber das war ja albern. Er hatte schließlich ihr Foto gesehen, genau wie sie seins. Zweimal hatten sie bereits telefoniert. Das Gespräch war angenehm gewesen, und sie hatten alle wichtigen Punkte in Ruhe besprochen. Beide waren damit einverstanden gewesen, der intimen Seite ihrer Beziehung Zeit zu lassen und nichts zu übereilen. Das hatte für Dannie den Ausschlag gegeben, denn so hatte sie nicht das Gefühl gehabt, von ihm ausgehalten zu werden. Außerdem hatte er gesagt, dass er sich Kinder in Zukunft durchaus vorstellen könnte.

Keiner von ihnen machte sich Illusionen über ihre Ehe. Diese Verbindung war für beide ein Mittel zum Zweck.

Aber warum war sie dann so nervös?

Ihre Mutter strich ihr übers Haar. „Bald wirst du Mrs. Leo Reynolds sein, und all deine Träume werden sich erfüllen. Für den Rest deines Lebens wirst du die finanzielle Sicherheit und Partnerschaft haben, die ich nie hatte.“ Erneut hustete sie, und Dannies Herz zog sich mitleidig zusammen.

Ihre Mutter litt an Lungenfibrose.

Dannie heiratete Leo, um ihrer Mutter die bestmögliche Pflege zukommen zu lassen.

Sie würde nie vergessen, was sie ihm verdankte. Was sie Elise verdankte.

Ihre Mutter hatte recht. Dannie hatte immer davon geträumt, Ehefrau und Mutter zu werden, und jetzt bekam sie diese Chance. Eine Ehe, in der die Partner gut zusammenpassten, würde für sie und ihre Mutter endlich Sicherheit bedeuten. Es gab keinen Grund, traurig zu sein, dass diese Sicherheit nicht auf Liebe basierte.

Vielleicht würde sie sich ja mit der Zeit entwickeln. An diese Hoffnung klammerte sich Dannie.

Mit einem verheißungsvollen Lächeln öffnete Elise die Tür noch weiter. „Leo wartet auf dich vor dem Kamin. Hier ist dein Brautstrauß. Schlicht und geschmackvoll, mit Rosen und Orchideen, wie du es dir gewünscht hast.“

Sie konnte nur mit Mühe die Tränen unterdrücken. „Wunderschön. Alles ist wunderschön. Ich kann dir nicht genug danken.“

Noch immer konnte sie nicht glauben, dass Elise ausgerechnet sie für das Programm des Ehevermittlungsinstituts ausgesucht hatte. Als sie sich beworben hatte, war ihr das wie reine Spekulation erschienen. Aber welche Möglichkeiten hatte sie sonst? Ihre Mutter brauchte aufwendige Pflege, die sie sich nicht leisten konnten. Dannie kümmerte sich aufopferungsvoll um sie – sie machte die Arzttermine, kochte und putzte die Wohnung. Ihr Vater hatte sie noch vor ihrer Geburt verlassen. Von Anfang an hieß es daher sie beide gegen den Rest der Welt.

Doch leider konnten nur die wenigsten Arbeitgeber damit leben, dass Dannie so viel Freizeit brauchte. Nachdem sie zum dritten Mal gefeuert worden war, wurde ihre Situation langsam untragbar. Sie hatte vergeblich nach einer Arbeit gesucht, die sie zu Hause erledigen konnte, oder nach einem Job mit flexiblen Arbeitszeiten. Eigentlich hatte sie schon aufgeben wollen, als sie plötzlich auf die Anzeige von EA International gestoßen war.

Haben Sie je von einer anderen Art Karriere geträumt? Neben diesem Slogan war das Foto einer strahlenden Braut abgebildet gewesen. Dannie hatte es einfach anklicken müssen!

EA International war für Frauen gedacht, die gut organisieren konnten, sich sozial verbessern wollten und deren Ambition es war, „die Frau hinter dem Mann“ zu sein. Wer glaubte, dafür in Frage zu kommen, konnte sich um die Aufnahme in ein innovatives Trainingsprogramm bewerben.

Wer hätte bessere organisatorische Fähigkeiten haben können als Dannie, die sich seit Jahren um ihre kranke Mutter kümmerte? Dafür, dass sie Leos Haushalt führen und seine Partys ausrichten würde, konnte Dannie ihrer Mutter endlich die nötige professionelle Pflege besorgen, die sie verdiente.

Eine Ehe zu führen, die eher ein Geschäftsvertrag war, schien dafür ein geringer Preis zu sein.

„Du bist eine meiner erfolgreichsten Absolventinnen.“ Elise reichte Dannie den Brautstrauß. „Ich sage dir voraus, dass dies eine außergewöhnlich gute Ehe werden wird. Leo und du, ihr könntet nicht besser zusammenpassen.“

Dannies Magen machte einen Satz. Sie wollte ihn mögen. Wollte es genießen, verheiratet zu sein. Würde sie ihn anziehend finden? Was, wenn nicht? Würde es dann nie Intimität zwischen ihnen geben? Vielleicht hätten sie sich doch erst einmal treffen sollen, bevor sie einen so gravierenden Schritt machten.

Aber eigentlich war es egal. Hier ging es nicht um die gegenseitige erotische Anziehung. Es würde genügen, wenn sie sich mochten, unabhängig vom Äußeren.

Dannie sog den süßen Duft der Blumen tief ein. „Wir haben ähnliche Ziele, und wir wissen um die praktischen Vorteile unserer Verbindung. Ich gehe davon aus, dass wir miteinander sehr glücklich sein werden.“

Leo war überaus vermögend. Das machte ihr ein wenig Angst, aber Elise hatte ihr versichert, dass sie damit schon fertig werden würde. Schließlich würde sie ja einen wichtigen Platz in seinem Leben einnehmen und irgendwann vielleicht sogar die Mutter seiner Kinder sein. In ihrem Trainingsprogramm hatte Elise immer wieder darauf hingewiesen, dass man als Frau in solch einer arrangierten Ehe im Grunde Aufgaben übernehmen würde wie in einem Job.

„Nicht nur du.“ Elise machte sich am Verschluss von Dannies Halskette zu schaffen. Die Kette mit dem herzförmigen Anhänger war ein Geschenk der Agentin gewesen, als Dannie sich damit einverstanden erklärt hatte, Leo zu heiraten. „Mein Computerprogramm irrt sich nie.“

Dannies Mutter mischte sich in ihr Gespräch ein. „Das ist die beste Art von Ehe, weil sie auf Gemeinsamkeiten und nicht auf Gefühlen basiert. Genau das wünscht Dannie sich von einer Ehe.“

Dannie zwang sich, zu nicken, obwohl sie am liebsten widersprochen hätte. Sie musste kurz an Rob denken, in den sie sich so sehr verschossen hatte.

Aber was hatte es ihr gebracht? Nach der Trennung war sie wie am Boden zerstört gewesen!

Das würde ihr nie wieder passieren, allein um ihrer Mutter willen.

„Du hast recht“, stimmte sie daher zu. „Sicherheit und Partnerschaft. Was kann man mehr wollen?“

Nur im Märchen lösten sich Probleme einfach so auf, und Menschen verliebten sich ineinander. Aber in Wirklichkeit mussten Frauen Opfer bringen, und Dannie war dazu bereit.

Daher zögerte sie nicht länger, sondern schritt durch die Tür ins andere Zimmer, wo Leo bereits auf sie wartete. Sie hoffte inständig, dass sie Zuneigung füreinander entwickeln würden. Und wenn es mehr sein sollte, wunderbar.

Ihre Mutter und Elise folgten ihr. Dannie blieb oben auf der Wendeltreppe stehen und betrachtete die Szenerie.

Um den feierlichen Anlass zu unterstreichen, hatte Elise rechts und links vom Kamin Blumenarrangements platziert. Ein Fotograf stand im Türrahmen, bereit, die Zeremonie im Bild festzuhalten. Vor dem Kamin wartete der grauhaarige Priester auf sie, den Elise für die Hochzeitsfeier empfohlen hatte.

Rechts von ihm stand Leo Reynolds. Ihr zukünftiger Ehemann.

Er sah hoch und begegnete ihrem Blick.

Ein Schock durchzuckte sie. Er sah genauso aus wie auf dem Bild, aber in Wirklichkeit … Dieser Mann war der absolute Wahnsinn! Sein dunkles Haar war streng nach hinten zurückgekämmt. Er trug einen teuren Designeranzug, der seinen durchtrainierten Körper betonte. Mit seinen klassischen Gesichtszügen war Leo Reynolds so attraktiv, dass er mühelos das Cover eines Männermagazins schmücken könnte. Ein Hauch von Dannies Lieblingsfilm „Vom Winde verweht“ schien plötzlich in der Luft zu liegen …

Leo wirkte aber gleichzeitig sehr nett, so, als würde es ihm nichts ausmachen, einer alten Dame die Einkaufstüten zu tragen. Dannie musste innerlich über ihr Bild lachen. Leo Reynolds hatte bestimmt noch nie in einem Supermarkt eingekauft, darauf hätte sie ihren Brautstrauß verwettet.

Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, warum er sich wohl an ein Ehevermittlungsinstitut gewandt hatte. Schließlich sah er gut aus und war vermögend. Eigentlich hätten die Frauen für ihn Schlange stehen müssen.

Mit dem Blick fest auf ihn gerichtet, schritt sie anmutig die Treppe herunter. Das hatte sie wieder und wieder geübt, in schwindelerregend hohen High Heels, und sie fühlte sich daher ziemlich sicher, trotz des feierlichen Anlasses.

Dann stand sie vor ihm. Dank ihrer Schuhe waren sie beinahe gleich groß.

Sie versuchte, seinen Gesichtsausdruck zu deuten, und er schien dasselbe mit ihr zu tun. Was sollte man zu einem Mann sagen, den man zwar heiraten würde, den man aber zum ersten Mal traf?

„Hallo.“ Daran konnte nichts falsch sein.

„Hallo“, erwiderte Leo und lächelte sie an.

Ihr Magen flatterte ein wenig, aber es war ein unerwartet warmes Gefühl. Theoretisch wusste sie ja, dass dieser Mann für sie vor allem finanzielle Sicherheit bedeutete. Aber die Realität war viel … viel realer.

Sie standen direkt voreinander. Dannie merkte, dass ihre Knie weich waren, aber sie ignorierte das Gefühl. Wenn sie jetzt während der Hochzeitsfeier zusammenbrach, würde Elise ihr das nie verzeihen.

„Gut, lassen Sie uns anfangen.“ Der Priester hielt die Bibel hoch und sprach die Ehegelübde vor, die sie ihm nachsprechen sollten. Leo hatte darauf bestanden, dass Dannie den genauen Wortlaut selbst bestimmte.

Doch im Mund des Priesters klangen die Worte plötzlich ganz anders. Er sprach von guten und schlechten Zeiten, von Treue in Reichtum und Armut. Aber nichts davon passte auf Leo und sie. Diese Gelübde sollten die Brautleute an die Zeit ihres Verliebtseins erinnern, wenn es in der Ehe einmal schwierig werden sollte.

Aus den Augenwinkeln sah sie hinüber zu Leo, um seine Reaktion zu erkennen. Plötzlich wünschte sie sich, sie hätten sich doch schon früher getroffen. Dann wüsste sie jetzt vielleicht, was er dachte.

Aber alle hatten geglaubt, dass das nicht nötig war. Elise hätte nie zugelassen, dass sie einen Mann heiraten würde, der ihrer nicht würdig war. Der Test hatte ergeben, dass Leo und sie in allen siebenundvierzig Punkten übereinstimmten. Was konnte also groß schiefgehen?

„Wollen Sie Leo zu Ihrem rechtmäßig angetrauten Ehemann nehmen?“, fragte der Priester Dannie in diesem Moment.

Sie räusperte sich. „Ja, ich will.“

Mit leicht zitternder Hand streifte sie Leo einen Platinring auf den Finger. Doch sie bekam ihn nicht über den Knöchel. Als er ihr half, sah sie hoch und begegnete dem Blick seiner blauen Augen.

Derselbe Schock, den sie vorher oben auf der Treppe erlebt hatte, fuhr durch ihren ganzen Körper. Es war wie eine plötzliche Erkenntnis, wie ein Wiedererkennen.

Sie schüttelte das Gefühl ab. Es waren die Nerven. Nicht mehr.

In diesem Moment sagte Leo sein „Ja, ich will.“ Seine Stimme klang voll und stark. Er schien überhaupt nicht nervös zu sein.

Bewegt blickte Dannie auf den glänzenden Ring, den Leo ihr nun überstreifte. Es war überwältigend, welch große Bedeutung ein so kleiner Gegenstand haben konnte.

Leo und sie hatten beide in ihrem Profil beschrieben, dass ihnen eine verantwortungsvolle Bindung wichtig war. Darüber hatten sie auch gleich als Erstes am Telefon gesprochen. Er war in der Formulierung des Ehevertrags äußerst großzügig gewesen, und Dannie war mit allen Punkten einverstanden gewesen, bis auf einen. Sie hatte darauf bestanden, im Falle einer Trennung auf jegliches Vermögen zu verzichten. Das war ihre Art, ihm zu zeigen, wie sehr er sich auf ihr Wort verlassen konnte.

Leo bedeutete für sie vor allem Sicherheit. Dafür würde sie die Frau sein, die er brauchte.

Diese Ehe war eine dauerhafte Lösung ihres Problems, nicht eine Liebesheirat. Damit war sie vollkommen einverstanden. Leo würde sie nie verlassen, so wie ihr Vater es getan hatte.

Der Priester beendete die kurze Zeremonie mit dem Satz: „Sie können die Braut jetzt küssen.“

Oh, warum hatte sie nur auf diesem Satz bestanden? Das würde bestimmt ziemlich komisch werden. Andererseits war es schließlich ihre Hochzeit. Sollte sie nicht wenigstens einen Kuss von ihrem Ehemann bekommen? Einen Kuss, der ihren Handel besiegelte?

Leo wandte sich zu ihr, sein Gesichtsausdruck war unergründlich. Als seine Lippen sich ihren näherten, schloss Dannie die Augen. Dann küsste er sie.

Es war wie ein kurzer Blitzschlag, der ihr durch und durch ging. Vielleicht würde es ja doch mehr als nur Zuneigung zwischen ihnen geben. Das hielt sie für nicht unmöglich.

Plötzlich zog er sich zurück, als hätte ihn eine Schlange gebissen.

Ihr erster Kuss! Wie … enttäuschend, so kurz. Gleichzeitig hatten die Funken zwischen ihnen gesprüht. Ob er es auch gespürt hatte? Offensichtlich nicht.

Ihre Mutter und Elise applaudierten begeistert. Dann kamen sie auf die beiden zu und gratulierten ihnen.

Dannie schluckte. Was hatte sie denn erwartet? Dass Leo sich plötzlich von einem Investor in einen Prinzen verwandeln würde? Sein Teil des Handels bestand darin, sich um sie und ihre Mutter zu kümmern und für finanzielle Sicherheit zu sorgen. Sie konnte sich glücklich schätzen, wenn sie eine zufriedenstellende Partnerschaft entwickelten.

Sie durfte nicht daran denken, wie er sie vielleicht geküsst hätte, wenn sie sich unter anderen Umständen kennengelernt hätten. Doch irgendwie bekam Dannie diesen Gedanken nicht aus dem Kopf. Wie würden seine blauen Augen wohl aussehen, wenn in ihnen das Feuer der Leidenschaft glühte?

2. KAPITEL

Daniella stand mit gefalteten Händen und gesenktem Kopf in der Tür. Leos neue Frau war elegant und bescheiden, genau wie er es sich gewünscht hatte. Doch er hatte nicht erwartet, dass ihr Foto offensichtlich log. Und es war eine Riesenlüge.

Daniella war nicht das nette Mädchen von nebenan, wie er geglaubt hatte. Es ging von ihr eine enorme sinnliche Energie aus, so als würde in ihrem Inneren ein Vulkan brodeln. Wenn dieser Vulkan jemals ausbrach – Vorsicht!

Sie sah nicht nur umwerfend gut aus, sondern entzog sich jeder Beschreibung.

Man hätte Lieder für sie schreiben oder Gedichte über sie verfassen können. Vorausgesetzt, man war dazu in der Lage.

Selbst ihr Name war exotisch und ungewöhnlich. Leo konnte nicht aufhören, sie anzuschauen. Immer wieder musste er an ihren Kuss denken. Er hatte ihn so schnell wie möglich abbrechen müssen, weil er das Gefühl gehabt hatte, diesen himmlischen Kuss sonst nie beenden zu können. Sein ganzer Körper hatte darauf reagiert.

Was sollte er mit einer solchen Frau nur anfangen?

„Von mir aus können wir fahren, Leo. Ich bin bereit.“ Ihre Stimme klang selbstsicher und gleichzeitig sanft.

Er würde sie mit nach Hause nehmen. Und obwohl sie aussah, als würde man mit ihr eine Menge Spaß haben können, waren sie doch verheiratet.

Warum hatte er sie nicht schon vorher getroffen? Weil er sich letztlich auf Elise Arundel und ihr Fachwissen verlassen hatte. Er hatte die Ehevermittlerin mehrmals persönlich gesprochen und war davon überzeugt gewesen, dass sie die richtige Partnerin für ihn finden würde.

Daniella. Sie hatte sich als die perfekte Besetzung für die Rolle seiner Ehefrau erwiesen.

Leider gab es ein Problem, das er vorher nicht bedacht hatte. Sie erinnerte ihn viel zu sehr an Carmen. Diesmal war es noch schlimmer, denn er war kein verliebter Teenager mehr, sondern ein erwachsener Mann, und Daniella war seine Frau. Doch er war fest entschlossen, dass keine Frau ihn auf denselben katastrophalen Weg führen würde, den sein Vater genommen hatte.

In dieser Ehe sollte es allein darum gehen, dass die beiden Partner gut zueinander passten und sich das Leben gegenseitig erleichterten. Hier ging es nicht um einen Sprung in den Wahnsinn der Leidenschaft. Vielleicht sollte er das von vornherein klarstellen.

„Hat mein Fahrer schon deine Sachen geholt?“, fragte er seine frischgebackene Ehefrau in sachlichem Ton. Doch sofort bereute Leo seine Frage.

Mein Fahrer. Das war kein guter Start. Normalerweise fuhr er seinen Wagen immer selbst. Er hatte nur deshalb einen Chauffeur engagiert, weil er geglaubt hatte, das würde ihr gefallen.

Sie nickte. „Ja, danke.“

„Und hast du dich schon von allen verabschiedet?“

„Ja. Von mir aus können wir fahren.“

Das Gespräch war alles andere als anregend. Leo hätte einen Zahnarztbesuch jederzeit vorgezogen. Deshalb hatte er auch keine Lust gehabt, sich weiterhin mit Frauen zu treffen. Er hatte den Small Talk einfach nicht mehr ausgehalten. Doch schließlich waren Daniella und er jetzt verheiratet. Sie sollten entspannter miteinander umgehen.

Er wartete, bis sie im Auto saßen, bevor er wieder das Wort an sie richtete. „Wenn du nichts dagegen hast, würde ich heute Abend gern meine Eltern zum Essen einladen. Sie möchten dich kennenlernen.“

„Oh, darauf freue ich mich schon. Warum hast du sie eigentlich nicht zur Hochzeitsfeier eingeladen? In deinem Profil stand doch, dass Familie dir sehr wichtig ist.“

Er zuckte die Achseln. „Nun, um ehrlich zu sein, sind sie nicht besonders glücklich darüber. Meine Mutter hätte es lieber gesehen, wenn ich jemanden geheiratet hätte, in den ich verliebt bin.“

„Das tut mir leid.“ Mitfühlend legte sie ihm die Hand auf den Arm und zog sie dann sofort wieder zurück. „Aber du musst dein Leben so leben, wie du es für richtig hältst. Hier geht es nicht um die Wünsche deiner Mutter.“

Leo merkte, dass er vollkommen fasziniert von ihr war. Ihre Art, sich auszudrücken, ihre Haltung, ihre Manieren … Alles an ihr war elegant und anmutig. Sie strahlte Klasse und Stil aus, und man konnte gar nicht glauben, dass sie aus demselben heruntergekommenen Viertel der Stadt stammte wie er auch. Sie schien ein willensstarker Mensch zu sein, und er bewunderte sie dafür, dass sie sich so aufopfernd um ihre Mutter kümmerte.

Aber das war noch nicht alles. Daniella wirkte unglaublich sinnlich, er konnte kaum die Augen von ihr lassen. Der Grund dafür war wahrscheinlich nur, dass das alles ganz neu für ihn war. Morgen würde er das bestimmt anders wahrnehmen.

Bei diesem Gedanken entspannte er sich ein wenig.

Er war entschlossen, sein Bestes zu geben, damit ihre Ehe funktionierte. Dann konnte er sich endlich wieder auf seine Arbeit konzentrieren, während seine Frau sich um die anderen Dinge kümmerte. Dafür hatte er Ms. Arundel schließlich ein kleines Vermögen gezahlt.

„Ich weiß, dass wir uns kaum kennen. Aber das möchte ich ändern. Daher sollst du wissen, dass du immer mit mir sprechen kannst. Egal, was es ist – wenn du irgendetwas brauchst oder irgendwelche Probleme hast, kannst du damit jederzeit zu mir kommen. Okay?“

„Das ist wirklich sehr nett von dir.“

Sie sah ihn dankbar an. Leo fühlte sich plötzlich ziemlich unbehaglich. Er wollte ihr nicht das Gefühl vermitteln, als wäre er der Schlossherr und sie nur eine Untergebene. Sie waren gleichwertige Partner. „Wie ich dir bereits am Telefon sagte, habe ich viele soziale Verpflichtungen. Ich erwarte, dass du dich darum kümmerst. Aber wenn du irgendwelche Fragen haben solltest, bin ich immer für dich da.“

„Verstehe.“ Sie wollte offensichtlich noch etwas hinzufügen, überlegte es sich dann jedoch anders. Sie wirkte nervös und unsicher.

„Daniella.“ Leo machte eine Pause, er wollte die Spannung zwischen ihnen lockern. Ihr Blick hatte plötzlich etwas Verletzliches, und das ging ihm unter die Haut. „Wir sind jetzt verheiratet. Ich möchte, dass du mir vertraust.“

„Das tue ich.“ Sie nickte, und ihr Gesichtsausdruck war so ernst, dass er ihr am liebsten einen Witz erzählt hätte, um sie zum Lächeln zu bringen. „Du erfüllst all meine Erwartungen. Ich bin sehr glücklich über die Wahl, die Elise getroffen hat.“

„Ja, ich auch.“ Er war zufrieden, aber nicht glücklich. In dieser Ehe ging es nicht um Glück, sondern um Vernunft. „Aber wir werden zusammen leben und sollten die Gegenwart des anderen genießen. Du kannst mit mir über alles sprechen. Egal, ob es um Geld, Religion oder Politik geht.“

Oder um Sex.

Sie sah ihn an, ihre Blicke trafen sich. Erneut sprang ein Funke über, und er spürte ihre Energie … diesen Vulkan, der sich in ihr verbarg, bereit, jederzeit auszubrechen. Sein Körper reagierte sofort darauf.

Stopp, befahl er sich. Sie hatten ein Abkommen geschlossen. Ein vernünftiges Abkommen unter Erwachsenen. Dazu gehörte nicht, dass er seine Hand unter ihren Rock schob.

„Vielen Dank“, sagte sie förmlich. „Das weiß ich sehr zu schätzen.“

Er räusperte sich. „Bist du immer noch damit einverstanden, dass wir uns mit der körperlichen Seite unserer Beziehung Zeit lassen?“

Ihre Augen weiteten sich, und fast hätte er gestöhnt.

Wunderbar, es gelang ihm anscheinend spielend, ihr dabei zu helfen, sich zu entspannen!

„Ja, natürlich“, erwiderte sie. „Warum auch nicht?“

Weil du diese Hitze zwischen uns spürst und genauso ins Schwitzen gerätst wie ich.

Leo hätte nie gedacht, dass die Chemie zwischen ihnen so stark sein würde. Das war viel zu gefährlich. Wozu hatte er schließlich die Dienste eines Ehevermittlungsinstituts in Anspruch genommen?

Er sollte sich auf die Arbeit konzentrieren und nicht darauf, wie er seine Frau am schnellsten ins Bett kriegen konnte. Es ging hier nicht um sein Vergnügen, das musste er sich immer wieder ins Gedächtnis rufen.

„Ich will mich ja nur vergewissern, dass wir beide dasselbe wollen.“

„Selbstverständlich. Bei unserer Ehe geht es vor allem um Partnerschaft. Wir werden miteinander intim, wenn die Zeit dafür gekommen ist. Haben wir das nicht so besprochen?“ Etwas blitzte in ihren Augen auf, aber er konnte es nicht genau deuten.

Das waren seine Worte gewesen. Plötzlich wünschte er sich, er könnte sie zurücknehmen. Wünschte sich, er könnte Daniella glücklich machen. Das kam für ihn völlig überraschend. Er wusste nicht, wie er damit umgehen sollte.

„Zunächst einmal werden wir getrennte Schlafzimmer haben.“ Das war von Anfang an seine Absicht gewesen. Jetzt schien ihm diese Vorsichtsmaßnahme wichtiger denn je. „Lass uns die Dinge langsam angehen, okay?“

Dann konnten sie in aller Ruhe das entwickeln, was er sich vorgestellt hatte: Eine Ehe, in der jeder sein eigenes Leben führte, und in der man sich hin und wieder auch zum gemeinsamen Vergnügen im Schlafzimmer traf.

In diesem Moment klingelte sein Handy, und er sah auf das Display. Er hatte sich für die Hochzeit einen halben Tag freigenommen und hatte auch seinen Angestellten dafür freigegeben. Aber ganz ließ ihn die Arbeit nie los.

Es war eine E-Mail aus Tommy Garretts Büro. Man ließ ihn wissen, dass es jetzt bei dem Bieterstreit nur noch um seine und eine andere Firma ging, Moreno Partners. Großartig! Das Timing hätte nicht besser sein können. Jetzt konnte seine Frau sich gleich um die Vorbereitungen für die Party kümmern, sobald sie sich eingelebt hatte.

„Musst du zurückrufen?“, fragte Daniella höflich. „Mach ruhig, beachte mich gar nicht.“

Als wenn das so leicht gewesen wäre! „Danke, nicht nötig. Es war nur eine E-Mail, auf die ich nicht sofort antworten muss.“

Nur wenn er erfolgreich war, konnte er ihr die Sicherheit bieten, die sie brauchte. Das war das Einzige, was für ihn zählte. Kein Preis war zu hoch, um sicherzustellen, dass er sich ausschließlich auf Reynolds Capital Management konzentrierte. Auch wenn er dafür weiterhin einsam sein würde.

Den Rest der Fahrt sagte Dannie kein einziges Wort mehr. Sie waren auf dem Weg zu ihrem neuen Zuhause.

Wo sie getrennt von ihrem Mann schlafen würde.

Einerseits verwirrte sie das, andererseits war sie darüber erleichtert. Wahrscheinlich hatte sie sich die Anziehung zwischen ihnen nur eingebildet. Es war offensichtlich, dass Leo an ihr als Frau überhaupt nicht interessiert war.

Vielleicht hatte er ihre Fassade ja auch bereits durchschaut.

Sie warf einen verstohlenen Seitenblick auf den schwer einschätzbaren Mann, den sie gerade geheiratet hatte.

Plötzlich kam ihr ein schrecklicher Gedanke. Was sollte sie tun, wenn er sie nicht mochte? Es hing so viel davon ab, dass diese Ehe ein Erfolg wurde. Wenn Leo sich von ihr scheiden ließ, würde sie mit leeren Händen dastehen.

Als Erstes hatte er für ihre Mutter eine Pflegerin angestellt, die sich mit Lungenfibrose bestens auskannte. Sie sollte heute mit der Arbeit beginnen.

Ohne professionelle Hilfe würde sich das Leiden ihrer Mutter verschlimmern. Das hatte Dannie unbedingt verhindern müssen!

Sie ballte die Hände zusammen, und spürte, wie sich ihre langen Nägel schmerzhaft in ihre Haut bohrten. Lange Nägel! Das war auch etwas, an das sich Dannie erst noch gewöhnen musste. Aber es hatte zu Elises Programm gehört, um aus Dannie die perfekte Heiratskandidatin zu machen.

Sie durfte nie vergessen, dass sie eine Aufgabe übernommen hatte. Es war ihr Job, die Frau hinter einem erfolgreichen Geschäftsmann zu sein. Nicht, sich von einer Woge der Leidenschaft für ihren neuen Ehemann davontragen zu lassen.

„So, wir sind da“, erklärte Leo in diesem Moment.

Sie sah aus dem Fenster und konnte einen erstaunten Ausruf nur mit Mühe unterdrücken. Sein Haus übertraf all ihre Erwartungen.

Bei den Vorgesprächen war die Rede davon gewesen, ob sie es überhaupt schaffen konnte, sich um einen großen Haushalt zu kümmern. Im Geist hatte Dannie sich ein zweistöckiges Haus mit vier Schlafzimmern vorgestellt, in einer guten Wohngegend. Nach der kleinen Zweizimmerwohnung, die sie mit ihrer Mutter bewohnt hatte, wäre diese Veränderung schon groß genug für sie gewesen.

Sie hatte gewusst, dass das Haus in Preston Hollow stand, einem der schicksten Vororte von Dallas. Aber was sie jetzt sah, verschlug ihr den Atem.

Gerade fuhren sie durch ein großes, schmiedeeisernes Tor in die Einfahrt. Sie war von hohen Bäumen umsäumt, wie eine Allee. Ein gepflegter Rasen zog sich bis zu der Steinmauer hin, die das Haus umgab.

Leos Haus. Ihr Haus.

Dann hielt der Wagen in der halbkreisförmigen Schotterauffahrt. Das Herrenhaus erstreckte sich über das gesamte Grundstück. Spitze Giebel zierten die gotische Backsteinfassade. Dannie zählte vier, nein, fünf Schornsteine, die in den Himmel ragten.

Es wäre besser gewesen, wenn sie sich vorher ein Foto angeschaut hätte. Was, zum Teufel, hatte sie hier verloren?

„Na, was sagst du?“, fragte Leo gespannt.

Sie schluckte. „Es ist sehr …“ Gruselig. „… nett!“

Sie biss sich auf die Unterlippe. Elises ganze Arbeit würde sich in Nichts auflösen, wenn es ihr nicht gelang, ihre besserwisserische Seite unter Kontrolle zu bringen. Der Gedanke an Elise beruhigte sie. Sie hatte unglaublich hart daran gearbeitet, Dannie auf ihre Rolle vorzubereiten. Wieder und wieder hatte sie lernen müssen, wie ein Tisch richtig dekoriert wurde und wie man den perfekten Tee zubereitet. Wie man richtig sitzt, geht und Menschen miteinander bekannt macht. Darüber hinaus war es Elise gelungen, ihr Erscheinungsbild so zu verändern, dass sie auf dem Cover eines Hochglanzmagazins hätte erscheinen können.

Doch das hier war der Test – ob sie bestanden hatte oder durchfallen würde.

Sie atmete tief durch und lächelte. „Es ist wunderschön, Leo. Ich kann es kaum erwarten, mich hier einzuleben.“

„Ich möchte es dir zeigen.“ Er half Dannie beim Aussteigen und führte sie galant die Treppe hoch. „Bitte, fühl dich hier ganz wie zu Hause. Wir können über alles sprechen, was du ändern möchtest.“

Alles. Bis auf den Umstand, dass dies eine arrangierte Ehe war.

Dannie wusste, es war albern, überhaupt so zu denken. Aber ihr Hochzeitstag war so enttäuschend für sie. Natürlich durfte sie sich nicht wünschen, dass Leo sie hochhob und auf seinen Armen die Treppe hinauftrug, so wie Rhett Butler es im Film mit Scarlett O’Hara gemacht hatte.

Er bedeutete Sicherheit für sie, nicht Leidenschaft. Eine Partnerschaft, die auf gegenseitiger Zuneigung beruhte, musste ihr genügen. Sie war jetzt Leos Frau, nicht die Liebe seines Lebens. Das durfte sie nie vergessen.

Er führte sie ins Foyer. Das Innere des großen Hauses erstreckte sich vor ihr, mit seinen hohen Decken, den französischen Fenstern und langen Fluren. Es erinnerte sie an eine Kathedrale, wunderschön und opulent.

Die Tour ihres neuen Heims dauerte eine halbe Stunde. Als sie schließlich zuletzt in der Küche landeten, war Dannie völlig außer Atem und wünschte sich nur, ihre Schuhe ausziehen zu können. Das Haus hatte nämlich insgesamt vier Freitreppen.

Leo lehnte sich gegen die Kücheninsel aus Granit in der Mitte des Raums und schnappte sich ein Handy, das auf dem Tresen lag. „Für dich. Hier ist die Nummer, zusammen mit den Codes für die Alarmanlage und dem WLAN-Schlüssel.“

Dannie nahm das Handy entgegen und starrte auf das glänzende Display. Es würde Stunden dauern, um herauszufinden, wie es funktionierte. „Danke. Steht deine Nummer auch drin?“

„Ich habe sie schon einprogrammiert. Hier ist die Bedienungsanleitung.“ Er schob sie ihr über den Tresen hin und steckte eine Hand in die Hosentasche. Es wirkte sehr lässig, als wären sie ein ganz normales Paar, das sich in der Küche miteinander unterhielt. „Dieses Modell ist besonders ausgefeilt. Bitte, schau dir doch einmal meinen Terminplan an. Die Nummer meiner persönlichen Assistentin ist ebenfalls schon einprogrammiert. Mrs. Gordon freut sich darauf, dich kennenzulernen.“

Er hatte eine persönliche Assistentin, die ihn wahrscheinlich hundertmal besser kannte als Dannie. Eine Frau, die über all seine Eigenheiten Bescheid wusste.

Plötzlich fühlte sie sich völlig überfordert. „Verstehe. Ich werde sie gleich anrufen.“

„Der Wagen und der Chauffeur werden dir so lange zur Verfügung stehen, wie du sie brauchst“, fuhr er fort. „Aber sobald du Zeit hast, fahr bitte zu einem Autohändler und kauf dir ein eigenes Auto. Egal, welches Modell. Du willst schließlich unabhängig sein.“

Ein Auto. Jedes Modell, das ihr gefiel. Sie war so lange mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs gewesen, dass die Vorstellung sie überwältigte. Gab es irgendetwas, woran er nicht gedacht hatte? „Das ist wirklich sehr nett von dir. Vielen Dank.“

„Ich habe ein Bankkonto für dich eröffnet. Das werde ich regelmäßig auffüllen, doch wenn du Geld brauchen solltest, lass es mich wissen. Gib es so aus, als wäre es deins, nicht meins.“ Er holte eine glänzende neue Kreditkarte aus seiner Hosentasche und reichte sie ihr. „Ohne Limit.“

„Leo.“ Dannie konnte nur mit Mühe die Tränen zurückhalten. Mit so viel Großzügigkeit hatte sie nicht gerechnet. „Danke für alles. Entschuldige, vielleicht ist das ja ein bisschen zu direkt. Aber ich verstehe einfach nicht, warum du mir so viel gibst, ohne eine Gegenleistung dafür zu verlangen.“

Er sah sie überrascht an. „Aber ich erwarte doch eine Gegenleistung. Eine ziemlich große sogar.“

„Ich meinte, was den Sex angeht.“

Er erstarrte.

Ja, das war offensichtlich zu direkt gewesen. Doch was sollte sie machen? Eine unlimitierte Kreditkarte, und er wollte nicht einmal, dass sie sich dafür einmal im Monat liebten?

„Daniella …“, Leo schluckte. Sie sah, dass er keine Worte fand.

„Es … es tut mir leid“, stieß sie hervor. „Bitte, verzeih. Es steht mir nicht an, deine Motive zu hinterfragen.“

Er entspannte sich ein wenig und hob die Hand. „Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich will nur, dass wir gute Partner werden. Der beste Weg dafür ist meiner Meinung nach, dir dein eigenes Geld zu geben. Und die Macht, damit so zu verfahren, wie es dir richtig erscheint.“

Dannie sah ihn an. Macht. Mit all diesen Geschenken hatte er ihr Macht verleihen wollen. Der Mann, den sie geheiratet hatte, war aufmerksam, großzügig und sehr einfühlsam. „Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll.“

„Du musst gar nichts sagen.“ Er lächelte sie an. „Vergiss nicht, ich verbringe viel Zeit im Büro. Du solltest dir ein Hobby zulegen oder einen ehrenamtlichen Job. Dafür wirst du auf jeden Fall ein Auto brauchen.“

Unglaublich – er gab ihr die Mittel in die Hand, ihre eigenen Interessen wahrzunehmen, obwohl sie sich doch vor allem um seine Bedürfnisse kümmern sollte.

„Werde ich dafür denn überhaupt Zeit haben, bei all deinen gesellschaftlichen Verpflichtungen?“

Diesen Einwand wischte er beiseite. „Ich glaube kaum, dass dich das zu hundert Prozent ausfüllen wird. Schließlich wirst du dir hier dein eigenes Leben aufbauen. Dann kannst du mir erzählen, was du alles so machst.“

„Verstehe.“

„Prima.“ Sein Lächeln war so strahlend, dass es ihr unter die Haut ging. Sie hielt den Atem an.

Wenn er sie jetzt schon so anstrahlte – wie würde sein Blick erst sein, wenn er sie voller Verlangen betrachtete?

Leo griff nach ihrer Hand und drückte sie. „Ich möchte nicht, dass du von unserer Ehe enttäuscht bist. Früher war es schwer für mich, eine Beziehung aufrechtzuerhalten, weil die Frauen, mit denen ich zusammen war, immer mehr von mir verlangt haben, als ich ihnen geben konnte. Ich bin froh, dass wir diese Probleme nicht haben werden.“

Seine Berührung ging ihr durch und durch. Sie konnte nicht mehr klar denken und erwiderte impulsiv: „Heißt das, du konntest keine einzige Frau finden, die bereit war, sich im Austausch für ein luxuriöses Leben mit deiner Abwesenheit zu arrangieren?“

Ihre Mutter hätte einen Herzanfall bekommen, wenn sie gehört hätte, wie offen sie mit ihm sprach. Aber er hatte ihr vorher gesagt, dass sie über alles reden konnten. Hoffentlich hatte er es auch so gemeint.

„Oh, doch. Aber ich wollte eben die richtige Frau.“

Plötzlich verstand sie, warum er sich an ein Ehevermittlungsinstitut gewandt hatte. Kein Wunder, dass er so versessen darauf gewesen war, sich ihre Loyalität zu sichern. Er hatte verhindern wollen, dass sie ihn verließ, wenn sie herausfand, dass sie ganz allein in diesem riesigen Haus sein würde.

Wirklich gruselig.

„Aha.“

„Daniella.“ Er sah sie eindringlich an. „Keiner von uns beiden hat irgendwelche Illusionen bezüglich dieser Ehe, deshalb wird sie auch funktionieren. Ich verstehe dein Bedürfnis nach Sicherheit vollkommen, denn mir geht es genauso.“

Sie nickte und teilte ihm mit, dass sie jetzt auspacken wollte. Vor allem brauchte sie ein wenig Luft zum Atmen. Ja, er hatte recht – Sicherheit war wichtig. Sie hatte einen guten, soliden Mann geheiratet, der sie nie so im Stich lassen würde wie ihr Vater. Doch sie hätte nie gedacht, dass ihre Dankbarkeit ihm gegenüber eine so unerwartete Wärme in ihr auslösen würde. Zumal er ihr ja bereits gesagt hatte, dass er nur selten da sein würde.

Als sie die Treppen hoch in ihr Zimmer ging, wurde ihr klar, was er ihr eigentlich hatte sagen wollen.

Er brauchte sie genauso sehr wie sie ihn.

3. KAPITEL

Der seidige Stoff war ganz bestimmt noch nicht in Dannies Koffer gewesen, als sie ihn gepackt hatte.

Sie ließ die wunderschönen Dessous durch ihre Finger gleiten und sah plötzlich die kleine Karte: „Für eine heiße Hochzeitsnacht! Elise.“

Staunend hielt sie den Zweiteiler aus schwarzer Spitze, durchsetzt mit roter Seide, hoch. Ja, das würde allerdings eine heiße Nacht geben. Allerdings nur, wenn sie verrückt genug wäre, etwas so Erotisches für ihren Mann anzuziehen.

Doch das würde nicht geschehen, denn sie hatte schließlich einen Workaholic geheiratet.

Sie legte die Dessous ganz nach hinten in die Kommode. In diesem Outfit würden sie bestimmt nicht zum Schlafen kommen. Sie seufzte tief. Vorausgesetzt, dass ihr Ehemann sich von ihr angezogen fühlte. Und dass sie ein Schlafzimmer teilten.

Aber was hatte sie erwartet? Dass er einen Blick auf seine Frau werfen und sich unsterblich in sie verlieben würde? Das war schließlich nicht Teil des Handels, den sie eingegangen waren.

Doch obwohl sie versuchte, vernünftig zu bleiben, war sie enttäuscht. Sie fühlte sich von Leo zurückgewiesen. Wie sollten sie Kinder bekommen, wenn sie nicht einmal in einem Zimmer schliefen?

Staunend sah sie sich in dem luxuriösen Raum um, der mehr einer Suite ähnelte. Es gab eine Minibar, die mit allem aufgefüllt war, was das Herz begehrte. Auf dem kleinen Tischchen neben dem Bett lag ein neues I-Pad. Sie hätte wetten können, dass er es bereits mit hunderten von Büchern aufgeladen hatte, denn in ihrem Profil hatte sie betont, wie gern sie las.

Darüber hinaus gab es noch einen riesigen Flachbildfernseher und eine gigantische Stereoanlage. Die Bedienungsanleitungen dafür lagen auf der seidenen Tagesdecke. Natürlich – Leo kümmerte sich um alles.

Sie fragte sich, ob er auch eine Bedienungsanleitung für sich selbst hatte. Die würde sie nämlich sehr gern lesen, und zwar von der ersten bis zur letzten Seite!

Als sie das letzte Paar Strümpfe in die Schubladen gepackt hatte, stellte Dannie erschrocken fest, dass es schon ziemlich spät war. In einer halben Stunde würden Leos Eltern eintreffen. Sie hatte kurz zuvor noch ihre Mutter angerufen, um zu sehen, wie sie mit der neuen Pflegerin zurechtkam. Offensichtlich schienen die beiden Frauen sich wunderbar zu verstehen.

Erleichtert ging sie ins Badezimmer und räumte ihre Sachen ein. Der Raum allein war größer als ihre ganze Wohnung.

Sie überlegte lange, was sie anziehen sollte, und entschied sich schließlich für einen fliederfarbenen Rock und eine taubenblaue Bluse. Ihre kleine Garderobe aus ausgewählten Sachen war ebenfalls ein Geschenk von Elise gewesen. Dannie hatte eine Zwischengröße, deshalb musste alles für sie geändert werden. Schuhe waren hingegen kein Problem, und zu diesem Outfit passten am besten die hellen Slingpumps aus Kalbsleder. Dann trat sie vor den Spiegel und betrachtete sich.

Wer war diese Frau?

„Daniella Reynolds“, flüsterte sie, als müsste sie sich selbst noch an den Klang gewöhnen. Nur ihre Großmutter nannte sie so, aber sie mochte die Art, wie Leo ihren Namen aussprach.

Als sie nach unten ging, sah Dannie, dass Leo nicht im Wohnzimmer oder in der Küche war. Schließlich fand sie ihn in seinem Arbeitszimmer über seinen Schreibtisch gebeugt. Einen Moment lang beobachtete sie ihn, und er bemerkte sie zunächst nicht. Die Bücherregale an den Wänden reichten bis zur Decke. Er hatte sein Jackett abgelegt und die Ärmel hochgekrempelt.

Dann sah er auf und lächelte sie an. Ihr Magen machte einen kleinen Satz.

„Bist du sehr beschäftigt?“

„Nein, ich … ich bin gerade fertig.“ Irgendwie schien es ihm peinlich zu sein, dass sie ihn erwischt hatte.

„Was hast du denn gemacht?“

„Ich bin Mentor für ein paar Studenten der Betriebswirtschaftslehre. Mit einem von ihnen habe ich gerade einen Businessplan durchgesprochen.“ Er fuhr den Laptop herunter.

„Das ist ja großartig! Bestimmt sind sie sehr stolz darauf, dass du ihr Mentor bist.“

„Ich mache das anonym.“

Sie sah ihn verwirrt an. „Oh. Warum?“

„Weil die Geschäftswelt … nun, ich möchte mir vor meinen Konkurrenten keine Blöße geben.“

„Bill Gates macht so etwas doch auch!“

„Ja, aber er ist schließlich auch megaerfolgreich.“

Leo etwa nicht? Doch noch bevor Dannie etwas darauf erwidern konnte, war er bereits aufgestanden.

„Lass uns gehen!“

Sie nickte beklommen. Für ihn war das Gespräch offensichtlich beendet. Im nächsten Moment klingelte es an der Tür. Sie gingen hinunter. Leo öffnete die Tür und stellte ihr dann seine Eltern vor.

„Ich freue mich sehr, Sie kennenzulernen!“, sagte Leos Mutter zu Dannie und umarmte sie zu ihrer Überraschung.

„Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite, Mrs. Reynolds.“

„Oh, bitte, nennen Sie mich Susan.“

„Gern. Äh, bitte entschuldigen Sie, aber ich hatte jemand erwartet, der irgendwie …“ Kälter. Strenger. Voreingenommener. „… älter wäre.“

Susan lachte. „Oh, vielen Dank! Wie wär’s, wenn wir beide in die Küche gehen und uns einen Tee machen? Dann könnten Leo und sein Vater sich ein paar Minuten lang unterhalten.“

Dannie nickte und folgte der älteren Frau in die Küche. Sie sah Leos Mutter dabei zu, wie sie die Gläser holte und den Tee aufsetzte. Offensichtlich fühlte sie sich hier wie zu Hause.

„Ich wollte mich dafür entschuldigen, dass wir bei der Zeremonie nicht anwesend waren“, sagte sie dann und reichte Dannie eine Tasse. „Es war so eine Art Protest von uns, nicht besonders erwachsen, fürchte ich. Aber ich bin wütend auf Leo, nicht auf Sie.“

„Warum?“

„Weil …“ Susan seufzte. „Er ist immer so eigen. Zu fokussiert, zu sehr auf seine Arbeit fixiert. Dabei vergisst er alles, was wirklich zählt.“

„Zum Beispiel?“

„Das Leben. Die Liebe. Enkel.“ Leos Mutter sah sie prüfend an. „Hat er Ihnen eigentlich schon einmal erzählt, dass er zeichnet?“

Dannie hätte fast ihre Tasse fallengelassen. „Was zeichnet er denn?“, fragte sie ungläubig.

Susan schnaubte. „Das ist wieder einmal typisch. Leo würde lieber sterben, als zuzugeben, dass er etwas Frivoles macht. Er kann alles zeichnen – Tiere, Landschaften, Brücken und Gebäude. Tatsächlich ist er sehr talentiert. Wie sein Namensvetter.“

„Sein Namensvetter?“

„Ja, Leonardo da Vinci.“

Was, sein voller Name war Leonardo? Nicht Leonard? Der kleine Haken am Ende des Namens auf der Hochzeitsurkunde war Dannie zwar aufgefallen, aber sie hatte nicht weiter darüber nachgedacht.

Plötzlich hatte sie ein ganz anderes Bild von ihm. Er hatte anscheinend eine kreative Ader. Sie konnte es kaum erwarten, eins seiner Bilder zu sehen.

„Daniella, ich möchte Ihnen gern etwas unter vier Augen sagen“, fuhr seine Mutter fort. „Ich verstehe, dass Ihre Ehe so eine Art Arrangement ist, und es geht mich auch nichts an. Aber Leo braucht jemanden, der ihn wirklich liebt und den er auch lieben kann. Wenn Sie das nicht sind, steigen Sie bitte aus dem Handel aus.“

Dannie klopfte das Herz bis zum Halse. Sie wusste, es ging in ihrer Vereinbarung nicht um Liebe. Aber plötzlich wurde ihr etwas bewusst: Sie war nicht bereit, ihre eigenen Träume von einer glücklichen Ehe zwischen zwei Liebenden so schnell zu begraben.

„Aber was ist, wenn ich das sein werde?“

Susan lächelte sie strahlend an. „Dann würde ich sagen, herzlich willkommen in unserer Familie!“

Leo schloss die Eingangstür hinter seinen Eltern und hielt kurz inne, bevor er sich zu Dannie umdrehte.

Das Treffen mit ihnen hatte all seine Erwartungen übertroffen. Offensichtlich mochten sie seine neue Frau sehr und hatten sich angeregt mit ihr unterhalten. Kein Wunder, denn Dannie war geradezu perfekt. Sie war eine gute Gesprächspartnerin und eine hervorragende Gastgeberin. Warmherzig, freundlich und sehr, sehr sexy.

Doch jetzt waren sie allein miteinander.

„Danke, dass du so nett zu meinen Eltern warst.“

Sie sah ihn verwirrt an. „Dafür musst du mir nicht danken. Dafür bin ich schließlich hier. Es hat mir Freude gemacht, sie kennenzulernen. Deine Mutter ist eine sehr interessante Frau.“

„Was immer sie auch zu dir in der Küche gesagt haben mag, Daniella – bitte, hör nicht auf sie. Sie ist eine unheilbare Romantikerin.“

„Dannie.“

„Was?“

„Daniella ist so förmlich. Alle anderen nennen mich Dannie.“

Er schüttelte den Kopf. „Nein, ich mag deinen Namen. Daniella. Ungewöhnlich und sehr schön. Er passt gut zu dir.“

Ihre Augen leuchteten auf. „Du findest, dass ich schön bin?“

Hatte er das gesagt? Leo war sich nicht sicher. „Natürlich bist du das. Sehr … hübsch.“

Hübsch. Das war wohl kaum die richtige Bezeichnung für ihre sprühende Sinnlichkeit. Er verspürte plötzlich das dringende Bedürfnis, sich in die Arbeit zu flüchten.

„Gute Nacht“, sagte er daher schnell und wandte sich zum Gehen.

„Leo.“ Sie legte ihm die Hand auf den Arm und sah ihn eindringlich an. „Ich habe dich gebeten, mich Dannie zu nennen, weil meine Freunde mich so nennen. Das sind wir doch – Freunde, oder?“

„Ich …“ Irgendetwas in der Atmosphäre hatte sich zwischen ihnen verändert. Die Spannung war mit den Händen zu greifen.

„Ich … wir … äh, ja, natürlich.“

Sie nickte, streckte die Hand aus und lockerte seine Krawatte. „Wir helfen einander dabei, uns zu entspannen, richtig?“

Entspannen? Jeder Nerv in seinem Körper war bis zum Zerreißen gespannt. Ihre Berührung hatte ihn durchzuckt wie ein elektrischer Schlag. Er wollte ihre Lippen schmecken, roch den zarten Duft nach Erdbeeren, den sie verströmten.

„Wieso glaubst du, dass das nötig ist?“

„Weil ich spüre, wie sehr du unter Strom stehst.“

Allerdings, das ließ sich nicht leugnen. Leo merkte, wie erregt er war und wie gern er sie geküsst hätte.

Aber im letzten Moment beherrschte er sich und trat einen Schritt zurück. „Ich stehe unter Strom, weil ich heute Abend noch eine Menge Arbeit vor mir habe.“ Er musste einfach Distanz zwischen ihnen schaffen. „Bitte, erinnere dich noch einmal daran, dass dies keine normale Ehe ist. Wenn dir das nicht genügt, sollten wir unsere Verbindung wieder lösen.“

Dannie sah ihn verletzt an. Was war nur mit ihm los? Sie hatte ihn gefragt, ob sie Freunde sein könnten, und hatte seine Krawatte gelockert. Warum machte er daraus jetzt eine so große Sache?

„Was hat dich eigentlich so abgebrüht gemacht?“, fragte sie und sah ihn furchtlos an.

„Ich bin nicht abgebrüht, und ich habe auch nichts gegen Beziehungen im Allgemeinen. Schau dir nur meine Eltern an – sie sind immer noch völlig verrückt nacheinander.“

„Ja, das habe ich bemerkt. Sie scheinen sehr glücklich miteinander zu sein. Was ist daran verkehrt?“

„Gar nichts. Ich weiß, dass sie glücklich sind.“ Er verdrehte die Augen. „Aber das ist auch schon alles. Meine Eltern haben kein Geld, sie haben keinerlei Rücklagen.“

Und sie hatten immer jede finanzielle Hilfe von Leo abgelehnt. Dabei hätte er sich so gern um sie gekümmert, hatte ihnen ein Haus, Autos oder Ferien angeboten. Aber alles vergebens. Sie behaupteten, ihre heruntergekommene Nachbarschaft zu lieben, in der es von Straßengangs nur so wimmelte und wo die Wände mit Graffiti besprüht waren. Anscheinend hatten sie den Vorfall vergessen, bei dem ein bewaffneter Dieb in ihr Haus eingebrochen war. Aber Leo war er unauslöschlich ins Gedächtnis eingeprägt. Er war damals erst sechs gewesen, doch er hatte sich geschworen, alles zu tun, um diesem Ghetto irgendwann zu entkommen.

„Das wirfst du ihnen vor?“

„Nein, ich klage meinen Vater nicht an, weil er einen schlecht bezahlten Job angenommen hat. Schließlich hat er dafür viel Zeit mit der Familie verbringen können. Ich habe mich nur für ein anderes Leben entschieden. Mein Kind soll einmal mehr als nur ein Geschenk unter dem Weihnachtsbaum finden. Und es soll auch nicht zu Hause bleiben müssen, wenn alle anderen auf Klassenfahrt gehen, weil die Eltern sich die Ausgaben nicht leisten können.“

„Oh, Leo.“

Das Mitgefühl in ihren Augen berührte ihn tief, war ihm aber gar nicht recht. Außerdem hatte er ja nur seinen Standpunkt erklären wollen.

„Siehst du das?“ Er zeigte auf den großen Raum, in dem sie sich befanden. „Ich habe für jeden einzelnen Cent schwer geschuftet. Und ich bin immer noch nicht da, wo ich sein möchte. Wenn ich mich auch nur einen Moment gehen lasse, wird der ganze Zauber schnell verschwinden.“

Beim Anblick seiner Frau, die seinem Vortrag gebannt folgte, wurde ihm schlagartig klar, dass er sich vor allem vor einem hüten musste: Vor der Versuchung. Er musste sein Ziel vor Augen behalten und durfte sich nicht ablenken lassen. Von nichts und niemandem, auch nicht von Daniella.

„Ich arbeite“, sagte er daher ruhig. „Die ganze Zeit. Ich habe nicht die Energie für eine Beziehung. Es wäre nicht fair, dich das glauben zu lassen.“

Nein, seine niederschmetternde Erfahrung mit Carmen hatte es Leo damals eindeutig bewiesen: Er war nicht geschaffen für ein freies Leben voller Möglichkeiten.

4. KAPITEL

In dieser Nacht schlief Dannie ausgesprochen schlecht. Das Bett war zwar sehr bequem, aber sie konnte einfach keine Ruhe finden. Das, was Leo ihr erzählt hatte, hatte sie sehr aufgewühlt.

Zwar hatte sie inzwischen den Eindruck, dass er sich von ihr angezogen fühlte. Aber er hatte gleichzeitig auch klar gemacht, dass das keine Konsequenzen haben würde. Wie sollten sie also in Zukunft miteinander umgehen – wie höfliche Fremde?

Was Dannie anging, waren sie für den Rest ihres Lebens verheiratet. Sie wollte, dass sie im Laufe der Zeit Freunde und Liebhaber sein würden. Trotz allem, was er gesagt hatte, konnte sie nicht verstehen, warum Leo das nicht ebenfalls wollte.

Jedenfalls bescherte ihr dieses Problem eine schlaflose Nacht.

Am Morgen wachte sie ganz benommen auf. Aber sie war fest entschlossen, die Frau zu werden, von der Leo sein ganzes Leben lang geträumt hatte. Wenn sie auf seine Bedürfnisse einging – besonders auf die unerfüllten –, würde ihre Beziehung vielleicht doch noch an Tiefe gewinnen.

Nachdem sie sich angezogen hatte und nach unten gegangen war, teilte ihr eines der Hausmädchen mit, dass er bereits weg war. Anstatt sich der Enttäuschung darüber hinzugeben, machte Dannie sich erst einmal mit der Küche vertraut. Morgen würde sie den Wecker ganz früh stellen und mit ihm frühstücken.

Danach ging sie an die Arbeit. Sie vertiefte sich in die komplizierte Bedienungsanleitung ihres Handys, sah sich Leos Kleidung an und merkte sich die Markennamen sowie die Pflegehinweise. Als Hausherrin musste sie dafür sorgen, dass die Angestellten ihre Arbeit zufriedenstellend verrichteten.

Mittags tat ihr der Kopf weh. Und sie hatte noch nicht einmal mit Leos Kalender angefangen.

Doch nach einem langen Gespräch mit Mrs. Gordon, die sie mit einer Vielzahl von nützlichen Informationen versorgte, ging es Dannie besser. Sie sprachen über eine Stunde miteinander. Danach schickte Leos persönliche Assistentin Dannie noch ein paar E-Mails mit detaillierten Anweisungen.

Dannie las sich jede Mail aufmerksam durch. An diesem Abend gab es ein Treffen mit den Absolventen seines College. Mrs. Gordon bot an, ihre Erinnerungsnotiz an Leo wieder zu löschen, damit Dannie den Umgang mit seinem Kalender üben konnte.

Das war ein erster Test, und sie hoffte, ihn zu bestehen. Tatsächlich gelang es ihr, Leo die Notiz auf ihrem I-Phone zu schicken. Als er akzeptierte, brach sie in Jubelschreie aus. Doch dann erkannte sie, dass sie das Ereignis auf morgen terminiert hatte. Daher musste sie die Notiz leider korrigieren, was natürlich etwas peinlich war.

Doch mit der Zeit würde sie es schon lernen, da war sie sich sicher. Nun musste sie sich überlegen, was sie an diesem Abend tragen sollte. Es war schließlich ihr erster öffentlicher Auftritt als die Frau an seiner Seite. Schließlich entschied sie sich für ein lachsfarbenes Etuikleid, das ihre Figur betonte, aber trotzdem elegant war. Dazu passten die Riemchensandalen von Jimmy Choo perfekt. Gespannt fragte sie sich, ob ihm ihre Erscheinung überhaupt auffallen würde.

„Na, wie war dein Tag?“, fragte Dannie höflich, als Leo nach Hause kam. Er wirkte müde und erschöpft. Vielleicht hatte er ja ebenfalls nicht gut geschlafen?

Er legte seine braune Aktentasche auf dem Küchentresen ab. „Ziemlich gut. Und deiner?“

„Prima.“ Abgesehen von der Tatsache, dass er ihr gestern keinen Gutenachtkuss gegeben hatte. Halt den Mund, Scarlett! „Das Event für die Absolventen deines College findet im Renaissance Hotel statt. Sobald wir fertig sind, wird uns der Chauffeur dort hinbringen.“

Er hatte kein Wort über ihr Kleid gesagt. Doch vielleicht war das ja kein schlechtes Zeichen. Komplimente waren nicht der Grund dafür, warum sie Leo geheiratet hatte.

„Wunderbar. Ich ziehe mich schnell um, dann können wir los.“ Er verließ die Küche mit schnellen Schritten, wandte sich dann aber noch einmal um. „Einem Freund von mir wird ein Preis verliehen. Wir sollten ihn danach zum Dinner ausführen.“

Dannie musste also einen Tisch reservieren. Aber wo? Und für wie viele Gäste? Sie hätte gern nachgefragt, doch Leo war bereits verschwunden.

Da ihr auf die Schnelle nichts Besseres einfiel, rief sie im teuersten Restaurant der Stadt an und buchte einen Tisch für Leo Reynolds.

Wenig später erschien er dann im schwarzen Anzug mit weißem Hemd und schwarzer Krawatte. Er sah so umwerfend attraktiv aus, dass es ihr den Atem verschlug.

„Und, bist du fertig?“

Sie merkte, dass sie ihn angestarrt hatte und wurde rot. „Ja, natürlich“, stieß sie hervor und schnappte sich ihre Abendtasche.

Leo eskortierte Dannie durch die Lobby des Hotels, mit der Hand auf ihrem verlängerten Rücken. Sie mochte diese Geste. Er unterstützte sie dadurch, und sie zeigten allen, dass sie ein Paar waren.

Sie erregten tatsächlich Aufsehen. Alle Köpfe wandten sich ihnen zu, als sie den Ballsaal des Renaissance Hotels betraten. In einer Ecke des Saals spielte ein Streichquartett Lieder von Richard Strauss.

Dannie wusste, jetzt kam es darauf an. Sie hatte zwar nicht studiert, aber man erwartete von ihr trotzdem, witzige und angeregte Konversation betreiben zu können.

Jetzt war sie froh über die Wahl ihres zwar schlichten, doch sehr eleganten Kleids. Leider rutschte ihr einer der Spaghettiträger immer wieder von der Schulter. Unauffällig versuchte sie beim Gehen, ihn wieder zurechtzurücken.

„Alles okay?“, flüsterte Leo ihr zu.

„Natürlich.“ Sie zwang sich zu einem Lächeln, während sie auf eine Gruppe von Männern und Frauen zugingen, die er offensichtlich gut kannte. Dannie begrüßte jeden Einzelnen freundlich und versuchte, sich alle Namen zu merken. Dauernd den Job zu verlieren, hatte offensichtlich auch seine Vorteile. Jetzt gab es nur noch wenige Situationen, die sie einschüchtern konnten.

„Das hier ist Jenna Crisp“, sagte Leo in diesem Moment. Die umwerfend attraktive Rothaarige war die Begleiterin seines Freundes Dax Wakefield, dem an diesem Abend der Alumni Preis verliehen werden würde. „Jenna, das ist meine Frau, Daniella Reynolds.“

Sie schüttelte der anderen Frau die Hand, aber diese sah sie gar nicht an. Ihr Blick war die ganze Zeit auf Leo gerichtet. Eigenartig!

„Hallo, Jenna“, sagte Dannie. „Kennen Sie Leo schon lange?“

„Lang genug“, erwiderte die andere kühl. „Und wie haben Sie beide sich getroffen, wenn ich fragen darf?“

Darüber hatten Leo und Dannie noch gar nicht gesprochen. Ob seine Freunde wussten, dass er zu einem Ehevermittlungsinstitut gegangen war? Sie entschied sich für eine Halbwahrheit. „Eine gemeinsame Freundin hat uns zusammengebracht.“

„Interessant.“ Eines war klar – Jenna mochte sie nicht.

„Genau wie bei Dax und mir“, fuhr die Rothaarige fort. „Leo hat uns einander vorgestellt.“

„Wie nett von ihm!“

„Finden Sie? Na, ich weiß nicht. Schließlich bin ich damals mit Leo zusammen gewesen. Daher wusste ich offen gestanden nicht, was ich davon halten sollte.“

Ach, du meine Güte! Kein Wunder, dass die Dolche in Jennas Augen so scharf waren. Dannie stöhnte innerlich. Dieser Abend drohte, recht kompliziert zu werden.

„Dazu kann ich leider nichts sagen“, erwiderte sie und wechselte dann das Thema. „Möchten Sie vielleicht ein Glas Champagner?“

„Sehr gern.“ Jenna wandte sich ab und nahm Leo am Arm, der weiterhin ins Gespräch mit Dax vertieft war. Damit hatte sie Dannie faktisch aus der Gruppe ausgeschlossen.

Dannie fühlte sich zwar düpiert, aber sie konnte die Reaktion verstehen. Sie wäre ebenfalls verwirrt gewesen, wenn ihr Freund sie einem anderen Mann vermittelt und dann flugs eine andere geheiratet hätte. Außerdem war sie jetzt in der stärkeren Position, denn schließlich trug sie Leos Namen.

Als sie mit zwei Gläsern Champagner in der Hand zu der Gruppe zurückkehrte, lächelte Leo sie dankbar an. Dannie spürte sofort ein Flattern im Magen, und fast wäre sie bereit gewesen, ihm zu verzeihen. Aber nur fast.

Eine gute Ehefrau hätte das Gespräch ihres Mannes mit seiner Exfreundin wahrscheinlich sofort beendet. Andererseits war es ihre Pflicht, alles über ihn zu wissen.

„Du hattest ein Verhältnis mit Jenna?“, flüsterte sie Leo daher ins Ohr, als Dax sich mit seiner Freundin unterhielt.

„Nur ganz kurz.“ Er sah sie überrascht an. „Das hat sie dir gesagt? Wie taktlos von ihr! Bitte entschuldige, wenn ich dich in eine unangenehme Position gebracht habe.“

Sie wehrte ab. „Kein Problem. Ich komme schon damit klar. Und du hast es ja bestimmt nicht mit Absicht gemacht.“

Er hatte sich entschuldigt, anstatt ihr vorzuwerfen, dass sie ihre Nase in seine Angelegenheiten steckte. Das war eine Erleichterung für sie.

Leo fuhr fort: „Wir haben uns nur ein paar Mal getroffen. Es hat einfach nicht funktioniert, daher habe ich ihr auch Dax vorgestellt. Sie wollte mehr von mir, als ich ihr geben konnte.“

Dannie verstand sofort, was er ihr damit sagen wollte. Anscheinend hatte Jenna den einen Fehler gemacht, mit dem Leo nicht leben konnte oder wollte. Sie hatte sich in ihn verliebt, und er hatte sich auf der Stelle von ihr getrennt.

Das war eine Warnung für sie. Wenn sie denselben Fehler machte, würde sie alles verlieren.

Dennoch – sie fand es reizend von ihm, dass er Jenna dabei geholfen hatte, mit einem anderen Mann glücklicher zu werden. Hinter dem Gebaren eines Geschäftsmanns verbarg sich ein gutes Herz. Obwohl sie merkte, dass er sie auf Distanz halten wollte, hatte sie doch das Gefühl, dass er sie brauchte, um seinen emotionalen Panzer zu durchbrechen.

Aber wie sollte sie das anstellen?

Der Champagner hinterließ einen bitteren Nachgeschmack in Leos Mund.

Wenn er gewusst hätte, dass Jenna Daniella absichtlich verstimmen würde, hätte er seine Frau von ihr ferngehalten.

Eigentlich hatte er sich vorgenommen, ein Gespräch mit Miles Bennett zu beginnen, der eine neue Software entwickelt hatte, für die sich bereits viele Investoren interessierten. Auch John Hu, ein weiterer Geschäftspartner, wollte mit ihm reden. Im Moment stand er noch an der Bar und unterhielt sich mit der Frau von Genere Ross.

Leo musste wieder an ein paar seiner letzten Investments denken, die sich nicht so entwickelt hatten, wie er es sich vorgestellt hatte. Jetzt brauchte er neue Projekte, und zwar schnell.

Doch anstatt die Dinge zu tun, die er sich vorgenommen hatte, beobachtete er seine Frau. Selbst während seiner Unterhaltung mit Dax ließ er sie nicht aus den Augen.

Daniella war der Star des Abends. Sie bezauberte alle, mit Ausnahme von Jenna natürlich.

Leo hatte vorher überhaupt nicht an die Konsequenzen gedacht, als er die beiden Frauen miteinander bekannt gemacht hatte. Daran merkte er, was für ein Neuling er in Sachen Ehe war. Wie würde es Daniella jetzt gehen? War es ihr unangenehm, sich im selben Raum mit seiner Exfreundin aufzuhalten?

Falls ja, merkte man es ihr nicht an. Sie sah aus wie ein Geschenk, das er auf die Liste für seine Weihnachtswünsche gesetzt hatte.

Dieses Kleid. Es spannte sich um ihre Brüste und enthüllte gerade genug von ihrem Dekolleté, um interessant, aber nicht anstößig zu sein. Die zierlichen Schuhe, die sie trug, betonten ihre langen Beine. All das gefiel Leo besser, als ihm lieb war.

Sie war ohne Zweifel die schönste Frau im ganzen Raum. Und die spannendste, lebendigste Frau mit der besten Haltung. Leo war nicht der Einzige, der so dachte, das war ihm klar.

Während er sie beim Gespräch mit seinen Geschäftspartnern beobachtete, sah er, dass ihr immer wieder einer der Spaghettiträger von der Schulter rutschte. Dabei wurde auch mehr von ihrem Dekolleté sichtbar, was ihm durch und durch ging.

Er stieß einen leisen Fluch aus. Dax starrte ihn an, als hätte er den Verstand verloren. Das war ja auch gut möglich.

„Ich brauche noch etwas zu trinken“, sagte Leo schnell und winkte einen Kellner heran.

Als er das Glas Champagner in der Hand hielt, leerte er es in zwei Zügen aus. Doch es kühlte ihn nicht ab.

Hilflos sah er zu Daniella herüber, die in diesem Moment aufsah. Ihre Blicke trafen sich, und sie schenkte ihm ein verstohlenes Lächeln. Als ob sie sagen würde: Später.

Sie waren noch nicht einmal Freunde, doch Leo entwickelte bereits Fantasien darüber, wie er diese Stufe am besten überspringen konnte.

Die Musik erklang erneut, sie kündete den Beginn der Preisverleihung an. Daniella ging auf Leo zu. Im selben Moment machte er einen Schritt nach vorn und griff nach ihrem Arm. Dabei stießen sie zusammen, und der Knopf seines Jacketts verfing sich in ihrem Kleid.

Nur für ein paar Sekunden war eine ihrer Brustspitzen zu sehen. Der Anblick elektrisierte ihn und entfachte ein Feuer in seinen Lenden. Sie schrie leise auf und bedeckte die Brust mit den Händen.

Sofort nahm Leo sie in den Arm und verbarg sie vor den Blicken der anderen. Sie schmiegte sich an ihn. Er hoffte, sie würde seine Erregung nicht bemerken.

„Niemand hat es mitbekommen“, flüsterte er ihr ins Ohr. Doch er merkte, wie heiß ihm plötzlich geworden war. Die Temperatur im Raum schien um zehn Grad gestiegen zu sein.

Autor

Kat Cantrell
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