Julia Saison Band 52

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  • Erscheinungstag 01.11.2019
  • Bandnummer 52
  • ISBN / Artikelnummer 9783733713638
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Jill Shalvis, Penny Jordan, Linda Warren

JULIA SAISON BAND 52

1. KAPITEL

Sie würde es tun. Sie würde den Weihnachtsmann verführen.

Nicht, dass sie besonders auf Männer mit weißem Bart und rotem Mantel stand. Obwohl sie zugeben musste, dass ihr das sonore Lachen von Weihnachtsmännern gefiel.

In Wahrheit war Katie Wilkins nur an dem Mann unter dem Weihnachtsmannkostüm interessiert – Mr. Perfect aus den Chefbüros am Ende des Flurs. Er besaß alles, was sie von einem Mann erwartete: eine gewisse Reife, gutes Aussehen und seriöses Auftreten. Er war so seriös, dass er, obwohl sie sich schon ein ganzes Jahr lang kannten, noch kein einziges Mal mit ihr geflirtet hatte.

Aber das sollte sich heute Abend ändern.

Weihnachten war eigentlich erst in drei Wochen, doch das tat der Stimmung auf der jährlichen Weihnachtsparty von Wells Aircraft nicht den geringsten Abbruch. Aus sämtlichen Lautsprechern, die in dem Flugzeughangar montiert waren, dröhnten Weihnachtslieder, und alle Angestellten der kleinen privaten Fluggesellschaft – angefangen von den Mechanikern bis hin zu Mr. Riggs, dem Direktor – hatten richtige Partylaune mitgebracht.

Der würzige Punsch tat ein Übriges.

Zumindest war das Katies Vermutung, als sie Mrs. Giddeon, die ansonsten recht prüde wirkende Empfangsdame, Arm in Arm mit Mr. Riggs entdeckte. Mit einem neckischen Glitzern in den Augen zog sie soeben ihren Chef unter den Mistelzweig, der von der Nase eines Jets herunterhing.

Und die Mechaniker Dale, Jake und Evan, ansonsten eher zurückhaltende junge Männer, schäkerten ungeniert mit Katies Kolleginnen Julie, Cassandra und Eloise, die gerade zu der Rockversion von „Jingle Bells“ einen bühnenreifen Gogo-Dance hinlegten.

Verwundert schüttelte Katie den Kopf. So außer Rand und Band hatte sie ihre Kollegen noch nie erlebt. Es wäre ihr nie in den Sinn gekommen, dass ihre Kollegen derart ausflippen könnten. Bisher hatte sie alle nur eifrig bei der Arbeit gesehen. Häufig mussten sie Überstunden machen, weil die Firma gerade am Expandieren war und viele neue Kunden betreut werden mussten. Wie war es möglich, so Knall auf Fall alles loszulassen? Ihr kam es vor, als sei sie die einzige Erwachsene auf der Party.

Doch im tiefsten Inneren beneidete sie ihre Kollegen. Auch sie würde gerne die Anspannung abschütteln, die sich seit Jahren in ihr angestaut hatte. Sich ein Glas Punsch genehmigen und alle Zwänge über Bord werfen.

Dieser Gedanke brachte sie zurück zu ihrem eigentlichen Vorhaben: sich an den Weihnachtsmann heranzumachen.

Katie blickte sich in dem großen, mit Gold- und Silbergirlanden geschmückten Hangar um. Natürlich fehlte auch nicht der Tannenbaum, der über und über mit Weihnachtsschmuck behängt war. Auf diese Weise fiel es nicht so sehr auf, dass er etwas mitgenommen aussah. In diesem Jahr war der Sommer in Südkalifornien besonders trocken gewesen.

Neben dem dürren Gewächs stand groß, lächelnd und eindrucksvoll der Weihnachtsmann. Sie wusste, wer sich unter dem Kostüm versteckte: Matt Osborne, ihr Mr. Perfect. Sie seufzte im Stillen.

Nun geh schon, flüsterte ihre innere Stimme ihr zu. Tu es. Küss ihn.

Normalerweise hatte Katie mit Weihnachten nicht viel im Sinn. Zu oft war dieses Fest für sie enttäuschend verlaufen. Angefangen hatte es, als sie sechs war, und ihre Nachbarin Holly Stone das Barbie-Ferienhaus bekam, das Katie sich so sehr gewünscht hatte. Als die beiden Mädchen zwölf und immer noch Nachbarn waren, hatte Holly beim Flaschendrehen auf der Weihnachtsparty gemogelt, damit sie den Jungen küssen konnte, auf den Katie es abgesehen hatte. Was dann vor drei Jahren passierte, war schließlich der Gipfel gewesen. Da waren Holly und Katie beide einundzwanzig und keine Nachbarn mehr, aber in einer Kleinstadt wie San Limo begegnete man sich zwangsläufig. Damals hatte Holly ihr den Verlobten ausgespannt – unter dem Weihnachtsbaum.

Genau genommen war Katie auch ein bisschen selbst schuld an ihren Missgeschicken. Sie war einfach zu gehemmt, zu kontrolliert, aber sie konnte nun mal nicht aus ihrer Haut heraus. Nicht von ungefähr war sie Buchhalterin geworden, das passte zu ihr. Sicher, sie war finanziell abgesichert und ganz zufrieden mit ihrem Leben – abgesehen davon, dass sie sich kaum erinnern konnte, wann sie zuletzt mit einem Mann ausgegangen war.

Im nächsten Jahr würde das anders werden. Kein Pech in der Liebe mehr. Das hatte sie sich fest vorgenommen, und sie würde alles tun, um ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen.

Gleich heute Abend würde sie damit anfangen. Das war ihr einziger Weihnachtswunsch in diesem Jahr. Keine Spiele oder Kleidung oder neuen Küchengeräte. Nein, diesmal wünschte sie sich nichts anderes als einen heißen Kuss von dem unvergleichlichen Matt Osborne. Und vielleicht, ihren Mr. Perfect zu erobern.

„Du willst doch hoffentlich nicht kneifen“, sagte eine säuselnde Stimme hinter ihr.

Katie verdrehte die Augen, überlegte sich dann aber, dass das eine ausgesprochen kindische Angewohnheit war, und setzte eine betont gleichgültige Miene auf. Dann drehte sie sich zu Holly, ihrer langjährigen Rivalin, um, die leider mittlerweile ihre Kollegin war.

Holly war immer sehr auffällig gekleidet, umso mehr an einem Abend wie diesem. In ihrem hautengen silbernen Etwas wirkte sie ausgesprochen sexy und selbstsicher.

„Ich kneife nie“, erwiderte Katie.

Holly ließ ein glockenhelles Lachen hören. „Darüber müssen wir jetzt nicht diskutieren, meine Liebe.“

„Und überhaupt, was ist eigentlich mit dir? Warum küsst du denn niemanden?“

„Bin ich diejenige mit dem langweiligen Sexleben oder du?“

„Langweilig“ ist der falsche Ausdruck, dachte Katie. „Nicht vorhanden“ käme der Wahrheit näher.

„Außerdem …“ Holly betrachtete eingehend ihre perfekt manikürten, rot lackierten Fingernägel, auf denen Abziehbildchen von Weihnachtsmännern in schlüpfrigen Posen prangten. „Wenn ich Matt küssen wollte, würde ich einfach zu ihm hingehen und ihn mir schnappen. Ich bin nicht schüchtern.“

Nein, schüchtern war Holly nicht. Das hatte Katie in den letzten Jahren zur Genüge erfahren. Und wenn sie selbst nicht noch drei weitere Jahre das Mauerblümchen spielen wollte, musste sie ihr Vorhaben jetzt durchführen, koste es, was es wolle. Es wäre doch gelacht, wenn sie es nicht schaffen würde, den Weihnachtsmann unter einen der vielen Mistelzweige zu ziehen. Schließlich hatte sie die Dinger extra zu diesem Zweck überall aufgehängt.

Zielstrebig bahnte Katie sich den Weg durch den Hangar, an den mit Lametta behängten Flugzeugen und den herausgeputzten Kolleginnen vorbei, auf den Mann in dem roten Mantel zu. Klar, dass Holly ihr folgte. So etwas ließ sie sich natürlich nicht entgehen. „Bist du wirklich sicher, dass Matt darunter steckt?“, fragte Katie leise.

Die beiden Frauen blieben ein paar Schritte vom Weihnachtsmann entfernt stehen und unterzogen ihn einer eingehenden Prüfung. Der Mann war ziemlich groß, hatte eine rote Nikolausmütze auf dem Kopf und einen weißen Vollbart. Und wie alle Weihnachtsmänner hatte er einen dicken Bauch, sicher hatte er sich ein Kissen unter den roten Mantel gestopft. So weit war also nichts Auffälliges an ihm. Irgendwie sah er fröhlich aus, aber das konnte auch von dem kräftigen Punsch kommen. Es gab keinen wirklichen Anhaltspunkt, wer tatsächlich in diesem Kostüm steckte.

„Er ist es auf jeden Fall“, entschied Holly.

Zwar wusste Katie aus leidvoller Erfahrung, was sie von Hollys Aussagen zu halten hatte, aber was konnte diesmal schon schiefgehen? Schließlich war allgemein bekannt, dass Matt in diesem Jahr den Weihnachtsmann spielen würde, es hatte nämlich im wöchentlichen Infoblatt gestanden.

Und was da stand, stimmte immer.

„Also gut.“ Katie straffte die Schultern und reichte Holly ihr noch volles Sektglas. „Wünsch mir Glück.“

„Heiße Küsse und fröhliches Knuddeln.“ Mit einem anzüglichen Lächeln hob Holly ihr Glas.

Vergeblich versuchte Katie, ihr hautenges rotes Stretchkleid weiter über die Oberschenkel zu ziehen. Dieses gewagte knallrote Nichts zu kaufen, hatte sie einige Überwindung gekostet, denn es entsprach nicht unbedingt ihrem üblichen Stil. Ganz zu schweigen von dem schwindelerregenden Preis. Sie konnte nur hoffen, dass es dem Weihnachtsmann gefiel, denn immerhin hatte sie ihr halbes Monatsgehalt dafür ausgegeben.

Aber wenn es funktionierte, würde sie liebend gern für den Rest des Monats von Spaghetti mit Tomatensauce leben.

Sie hörte auf, am Saum ihres Kleides zu zupfen, und streckte die Schultern. Dadurch kam ihr aufreizend enges Oberteil erst so richtig zur Geltung. Sehr gut. Warum sollte ein schüchternes Mädchen wie sie sich nicht auch einmal in Szene setzen? Tapfer schluckte sie ihre Angst hinunter und stöckelte entschlossen los.

Direkt auf den Weihnachtsmann zu. Ihren Mr. Perfect, der in dem Weihnachtsmannkostüm steckte.

Und gleich würde sie ihn küssen.

Er sah sie kommen, das merkte sie an seinem Blick, den er direkt auf sie gerichtet hielt.

Sie holte tief Luft, um sich noch mehr in Positur zu werfen.

Mit dem Ergebnis, dass der Weihnachtsmann sich an seinem Drink verschluckte. Woraufhin die in der Nähe stehende Edwina, die Betreiberin der kleinen Cafeteria im Foyer, sofort herbeisprang und ihm auf den Rücken klopfte. Allerdings löste sie damit nur einen erneuten Hustenanfall aus. Kurzerhand nahm sie dem Mann das Glas ab und stellte es beiseite, dann griff sie nach seinen Armen und streckte sie in die Höhe. Was allerdings etwas schwierig war, denn der Weihnachtsmann war sehr groß und Edwina sehr klein. Während sie versuchte, seine Arme auf und ab zu bewegen, musste sie also ständig hochhüpfen.

Da Edwina ein kurzes grünes Cocktailkleid anhatte, dessen Rock wild flatterte, während sie vor dem Weihnachtsmann herumhopste, sah das Ganze wie ein Elfentanz aus und wirkte unglaublich komisch.

Dem Weihnachtsmann wurde bei der Prozedur sichtlich ungemütlich, denn er versuchte ständig, Edwina abzuwehren. Endlich ließ sie ihn in Ruhe.

Als Edwina an Katie vorbeiging, flüsterte sie ihr zu: „Das kommt bestimmt von dem schweren Kostüm. Darunter muss es doch höllisch heiß sein. Ich finde, der arme Mann hat einen Orden verdient.“

„Ja, das finde ich auch“, murmelte Katie. Jetzt aus der Nähe merkte sie erst, wie dick der Mantel war. Der musste ja Tonnen wiegen mit dem weißen Webpelz darüber. Und dann noch das dicke Kissen darunter. Würde sie es bei diesem Bauch überhaupt schaffen, nahe genug an ihn heranzukommen?

Ja, entschied sie. Das sollte jetzt auch kein Hindernis mehr für sie sein. Es gab ohnehin kein Zurück mehr. Nicht mit Hollys spöttischem Blick hinter ihr, der ihr förmlich ein Loch in den Rücken brannte.

Der Mistelzweig, den sie für ihr Vorhaben ausgesucht hatte, befand sich etwa zwei Meter hinter Matt, etwas versteckt um die Ecke herum. Niemand würde sie dort sehen.

Mit klopfendem Herzen und zuckersüßem Lächeln näherte sie sich dem Weihnachtsmann. Sie hatte wirklich keine Ahnung, was sie erwartete. Vielleicht würde er es ihr ja einfach machen und von selbst nach hinten gehen, womöglich direkt unter den Mistelzweig.

Leider tat er das nicht. Stattdessen stand er wie angewurzelt da und musterte sie durch die albernste Brille, die Katie je gesehen hatte. Außen auf den Brillengläsern waren die lachenden Augen eines Weihnachtsmanns aufgedruckt, sodass sie Matts blaue Augen gar nicht erkennen konnte.

Irgendwie kam es ihr jedoch vor, als würde er sie ebenfalls anlächeln. Schwer zu sagen mit dem Bart. Das Beste hoffend, machte sie einen weiteren Schritt vorwärts, wobei sie ihn im Stillen beschwor, ihr doch bitte zu helfen.

Wieso tat er denn nichts? Er neigte bloß den Kopf, als wolle er fragen, was sie denn vorhätte. Dabei müsste das doch jedem klar sein.

Nun, sie würde ihm ein wenig auf die Sprünge helfen. „Ich weiß nicht, ob du es gemerkt hast“, fing sie an, „aber direkt hinter dir, gleich um die Ecke, hängt ein Mistelzweig … der hängt da einfach so herum.“

Keine Reaktion.

„Ich habe beim Dekorieren geholfen und ihn da hingehängt, damit man sich darunterstellen kann.“ Sie machte eine bedeutungsvolle Pause. „Zum Küssen.“

Noch immer zeigte der Weihnachtsmann nicht die geringste Regung. Was war denn bloß mit ihm los? Zugegeben, allzu gut kannte sie Matt nicht, aber zumindest wusste sie, dass er nicht auf den Kopf gefallen war. Immerhin war er stellvertretender Geschäftsführer. Es stimmte schon, dass er ein eher ruhiger Typ war. Doch jetzt bot sie ihm schließlich einen Kuss an!

So etwas lehnte doch ein normaler Mann nicht ab. Wenn man den Frauenzeitschriften glauben konnte, gab es auf der ganzen Welt keinen Mann, der sich nicht gerne küssen ließ.

Doch Matt rührte keinen Finger. Langsam verlor sie die Nerven, und es kamen ihr starke Zweifel, ob ihre Idee wirklich so gut war. Vielleicht sollte sie ihren Weihnachtswunsch ändern und sich lieber ein schwarzes Loch im Boden wünschen, durch das sie jetzt verschwinden könnte.

„Du bist es doch unter dem Kostüm, oder etwa nicht?“, fragte sie mit einem schelmischen Lächeln, um ihre Unsicherheit zu verbergen.

In diesem Moment reckte der Weihnachtsmann den Hals und blickte um die Ecke, wo der Mistelzweig hing. Eine Weile betrachtete er die ominöse Pflanze eingehend, dann drehte er sich wieder zu Katie um.

Sie lächelte ihm aufmunternd zu, denn viel Zeit blieb ihr nicht mehr. Jeden Moment würde Holly hinter ihr stehen und Matt für sich beanspruchen – und die hätte bestimmt keine Schwierigkeiten, einen Mann unter diesen blöden Mistelzweig zu bekommen.

Nein, sie durfte sich nicht blamieren. Jetzt oder nie!

Energisch fasste sie den Weihnachtsmann an der Hand und zog ihn um die Ecke. Ihr fiel auf, dass seine Hand groß und kräftig war und sich warm anfühlte. Irgendwie wirkte der Mann überhaupt größer und kräftiger als Matt. Doch jetzt, so kurz vor dem Ziel, war nicht die Zeit, darüber nachzudenken.

In dem Gang hinter der Ecke hörte man zwar noch den Partylärm, aber hier war sie mit Matt vollkommen alleine. Sämtliche Bürotüren waren geschlossen, und weit und breit war niemand zu sehen. Die Musik und das Stimmengewirr schienen aus einer anderen Welt zu kommen.

Es gab nur sie beide, abgeschottet in ihrer kleinen Welt.

Direkt unter dem Mistelzweig.

Und er starrte sie immerzu durch diese lächerlichen Brillengläser an, und die Nikolausmütze und der falsche Bart verdeckten völlig sein Gesicht. Das einzig Echte an ihm war sein Mund.

Sehr gut, denn mehr brauchte sie im Moment auch nicht.

Sie hob ihre Arme, umfasste mit beiden Händen seine Schultern und trat ganz dicht vor ihn. „Fröhliche Weihnachten, Matt“, flüsterte sie und drückte ihre Lippen auf seine. Und der Kuss fühlte sich genauso an, wie sie es sich die ganze Zeit erträumt hatte.

Sie spürte, wie er überrascht zusammenzuckte, und wie sein kräftiger Körper sich anspannte. Doch davon ließ sie sich nicht irritieren, sondern presste sich nur noch enger an ihn und küsste ihn so fest, dass sie sein lustvolles Seufzen erstickte.

Vielleicht war es auch nur ein Überraschungslaut gewesen, denn immerhin hatte sie ihn ziemlich überrumpelt. Andererseits, wenn es ihm nicht gefallen würde, hätte er sich bestimmt schon längst von ihr befreit.

Aber das tat er nicht.

Stattdessen legte er seine Hände um ihre Taille und zog sie an sich. Seine Lippen schmeckten nach Champagner. Wundervoll männlich … einfach himmlisch. Besser, als sie es sich in ihren wildesten Träumen vorgestellt hatte. Beherzt schob sie ihm die Brille auf die Stirn, und er hob ihr Kinn leicht an, um besser an ihre Lippen zu kommen. Dann fing er an, sie dermaßen leidenschaftlich zu küssen, dass ihre Knie ganz weich wurden. Es war der berauschendste, lustvollste Kuss, den sie je bekommen hatte.

Während er sich zögernd von ihr löste, legte er seine Hand an ihre Wange und streichelte sie. Dabei blickte er sie verwundert an.

Ihr war plötzlich ganz schwindlig. Noch nie hatte ein Kuss sie derart in ihren Grundfesten erschüttert. Sie war so verwirrt, dass die Welt um sie herum nicht mehr zu existieren schien.

„Das war … ein ganz besonderer Mistelzweig“, flüsterte sie.

„Ich glaube nicht, dass es an dem Mistelzweig lag“, sagte er ebenso leise.

Er hatte recht. Sie spürte es selbst, und sie konnte es auch in seinen blauen Augen sehen und an seinen Lippen, diesen wundervoll weichen und doch festen Lippen, die so unverschämt gut küssen konnten.

Verwirrt trat sie einen Schritt zurück, sodass der Mann in dem roten Mantel die Hände von ihren Hüften nehmen musste. Es sollte doch nur ein Kuss sein, dachte sie. Kein Erdbeben, das ihr Innerstes nach außen kehrte. „Ich muss jetzt gehen“, brachte sie mühsam hervor.

Wie hätte sie ahnen können, dass ein simpler Kuss derartige Gefühle in ihr entfachte? In ihr war eine wilde, unbändige Lust aufgelodert, die sie noch nie zuvor gespürt hatte.

Und eigentlich auch nie spüren wollte. Einen simplen Kuss hatte sie gewollt, mehr nicht. Ein kleiner, kindischer Weihnachtswunsch. Doch sie hatte so viel mehr bekommen.

„Katie.“

Wie sinnlich er ihren Namen aussprach! Sie erkannte seine Stimme gar nicht, denn sie klang ganz heiser vor Erregung.

Vielleicht war sie feige, aber sie musste jetzt unbedingt weg und alleine sein.

Schnell flüchtete sie sich in eins der umliegenden Büros und lehnte sich schwer atmend an die geschlossene Tür. Sie brauchte eine ganze Weile, bis sich ihr rasendes Herz und ihr vor Erregung prickelnder Körper etwas beruhigt hatten. Erst allmählich wurde ihr voll und ganz bewusst, was da eben passiert war. Was für ein Weihnachtsgeschenk! Nie hätte sie zu träumen gewagt, dass ihr Wunsch auf so unbeschreibliche Weise in Erfüllung gehen würde.

Als Katie sich wieder unter die Feiernden mischte, sah sie Matt neben dem Tannenbaum stehen – ohne Kostüm. Wie hat er sich bloß so schnell umziehen können? fragte sie sich verwirrt. Und wieso eigentlich?

Ihre Blicke trafen sich, und ihr wurde ganz heiß, weil sie daran denken musste, wie sie sich vor ein paar Minuten geküsst hatten.

„Guten Abend.“ Seine Stimme klang völlig gelassen. Erschreckend gelassen. „Sieht aus, als wären heute Abend wirklich alle gekommen.“

Wie konnte er nur so … normal klingen? Als wäre nichts gewesen. Dabei hatte er gerade eben mit seinem Kuss ihre ganze Welt auf den Kopf gestellt.

Hatte er vielleicht gar nicht dasselbe gefühlt wie sie?

Wie peinlich, wenn es so wäre.

„Matt, was da eben passiert ist …“

„Was ist denn passiert?“, fragte er in gleichgültigem Ton.

„Naja … weißt du denn nicht, was ich meine?“

„Entschuldige, ich verstehe nicht ganz.“

„Ich muss mich entschuldigen“, erklang plötzlich hinter ihr eine tiefe, sonore Stimme. Sofort sträubten sich ihr die Haare.

Bryan Morgan.

Chefpilot und allgemein als Draufgänger bekannt. Der Held aller Männer bei Wells Aircraft und der Schwarm aller Frauen.

Aller, außer Katie. Typen wie er, denen kein Risiko zu groß war, erinnerten sie viel zu sehr an ihren abenteuerlustigen Vater. Der war mit dem Flugzeug tödlich verunglückt, als sie noch ein Teenager war.

Normalerweise ging sie Bryan Morgan aus dem Weg, ohne über die komplizierten Hintergründe für ihr Verhalten näher nachzudenken.

Jetzt lächelte er sie mit seinem breiten, verwegenen Lächeln an, mit dem er die Herzen sämtlicher Frauen im Raum zum Schmelzen bringen konnte. Doch ihres sicher nicht.

„Du siehst heute sehr hübsch aus“, sagte er mit bewunderndem Blick.

„Danke“, erwiderte sie höflich und wandte sich dann demonstrativ von ihm ab und wieder Matt zu.

„Und die Dekoration gefällt mir auch sehr“, fuhr Bryan unbeirrt fort. „Sehr geschmackvoll.“ Dabei lächelte er anzüglich.

Ihm gefiel die Dekoration. Interessant. Aber jetzt sollte er mal wieder Land gewinnen. Sie wollte mit Matt über den Kuss reden.

„… besonders die strategische Anordnung der Mistelzweige“, fügte Bryan hinzu. Katie stockte der Atem. Sie drehte sich zu ihm um und starrte ihn verblüfft an.

„Wie meinst du das?“, flüsterte sie, während ihr das Herz bis zum Hals klopfte.

Doch Bryan sah sie nur mit unschuldigen blauen Augen an. Allerdings war da noch etwas anderes in seinem Blick, ein eigentümliches Feuer. Und plötzlich kroch eine leise Ahnung in ihr hoch. „Was hast du gerade gesagt?“, fragte sie.

„Nichts, überhaupt nichts“, sagte er mit hintergründigem Lächeln.

2. KAPITEL

Bryan Morgan vollführte mit seiner Maschine gerade ein rasantes Looping. Ihm war klar, dass er ungefähr zehn Sekunden hatte, um wieder aus der Drehung herauszukommen, wenn er noch eine Weile leben wollte.

Neun … acht …

Er dachte an die Weihnachtsparty gestern Abend. Es war sehr laut und lustig zugegangen, wie früher in seiner Familie. Mit seinen sechs älteren Schwestern hatte er kaum eine ruhige Minute erlebt und praktisch nie einen Platz für sich alleine gehabt. Deshalb schätzte er jetzt beides umso mehr. Laute Partys waren nicht sein Fall. Er mochte lieber kleine, private Feiern bei sich zu Hause.

Ein Ereignis allerdings hatte den gestrigen Abend enorm aufgewertet. Ein ziemlich überraschendes Ereignis, ausgelöst von einer Frau.

Bryan mochte Frauen, ganz klar, und zwar in allen möglichen Formen und Haarfarben. Aber in seinem Leben gab es schon mindestens sieben davon, wenn er seine Mutter zu seinen sechs Schwestern dazuzählte. Und alle hatten ihn in seinem bisherigen zweiunddreißigjährigen Leben auf jede nur denkbare Weise beeinflusst. Sie hatten ihn gleichermaßen verhätschelt und herumkommandiert und eine sehr dominante Rolle in seinem Leben gespielt. Und vital wie sie alle waren, würde es sicher noch mindestens ein halbes Jahrhundert lang so bleiben. Deshalb räumte Bryan nur äußerst selten einer anderen Frau einen Platz in seinem Leben ein.

Natürlich ging er oft mit Frauen aus. Aber es blieb immer unverbindlich.

Bisher.

Gestern Abend, als er Katie im Arm gehalten und geküsst hatte, war allerdings etwas Komisches mit ihm passiert. Schon oft war ihm Katie aufgefallen mit ihren weichen, kastanienbraunen Locken und ihren Augen in derselben Farbe, die ihn immer so reserviert anblickten.

Sieben … sechs …

In ihrem glänzenden roten Kleid hatte sie einfach bezaubernd ausgesehen. Er hatte heute Nacht sogar von ihr geträumt … wie das Kleid sich an ihren wohlgeformten Körper anschmiegt und über ihre sexy Oberschenkel rutscht …

Sie hatte so völlig anders ausgesehen als sonst. Im Büro war sie immer sehr seriös angezogen, ganz die korrekte Buchhalterin. Wer hätte gedacht, dass unter diesem farblosen Äußeren so viel Leidenschaft und Feuer steckte?

Ein Jahr kannte er sie schon und hatte keine Ahnung gehabt … bis gestern Abend. Obwohl er gerade kopfüber in der Maschine hing, musste er unwillkürlich lächeln. Ja, jetzt wusste er, was sich hinter ihrer Fassade verbarg.

Fünf … vier … Was er allerdings nicht wusste, war, wieso sie sich ihm gegenüber so misstrauisch verhielt. Er hatte in seinem Leben wahrlich schon viele Frauen kennengelernt und die unterschiedlichsten Gefühle in ihnen erweckt, aber mit Misstrauen war ihm bisher keine begegnet.

Drei … Die Maschine drehte sich spiralförmig, und auch in seinem Kopf wirbelte alles durcheinander. Höchste Zeit, seine Gedanken auf das Naheliegende zu konzentrieren.

Zum Tagträumen war jetzt wirklich ein ungünstiger Moment. Vor allem wenn er von Dingen träumte, bei denen ihm das Blut blitzartig vom Kopf in tiefere Körperbereiche schoss.

Und seinen Kopf brauchte er jetzt dringend.

Er war ein guter Flieger, ein sehr guter. Das konnte er ohne Arroganz behaupten, denn es war eine Tatsache. Er hatte auch viel Selbstvertrauen, denn das musste ein guter Pilot unbedingt haben. Und Bryan war ein brillanter Pilot.

Zwei …

Er hoffte nur, die da unten würden ordentliche Bilder in die Kamera kriegen, sonst müsste er das Ganze nochmal machen. Beim letzten Mal waren die Kameras ausgefallen. Den Stunt, den er jetzt geflogen war, würde er garantiert nicht besser hinkriegen.

Heute war perfektes Flugwetter, ein strahlend blauer Himmel ohne ein einziges Wölkchen in Sicht …

Eins. Eine Sekunde bevor er sich selbst und seine teure Maschine in den Boden rammte, zog er das Flugzeug aus der Spirale heraus. Er schüttelte den Kopf, um zu prüfen, ob er noch an der richtigen Stelle saß.

„Habt ihr es?“, fragte er in sein Mikrofon.

„Mann!“, kam Ritchies kreischende Stimme aus dem Kopfhörer. „Das war absolute Spitze!“

„Super, ihr habt es also?“

„Junge, weißt du eigentlich, dass du dein Talent vergeudest? Du solltest nur Stunts fliegen statt ständig diese reichen Typen herumzukutschieren.“

Ritchie Owens war ein Produzent aus Hollywood, zumindest erzählte er das den Frauen. Hauptsächlich produzierte er allerdings Bierwerbung. Der Stunt, den Bryan eben geflogen hatte, sollte in einem Werbespot zusammen mit bombastischer Musik das Gefühl von Freiheit und Abenteuer vermitteln – und den Durst der Männer anregen.

Bryan war das vollkommen egal. Diese Aufträge gaben ihm einfach Gelegenheit, riskant zu fliegen, und das allein zählte für ihn. „Ich kutschiere nicht reiche Leute herum, ich arbeite für eine Fluggesellschaft.“

„Jaja, wie auch immer. Trotzdem ist es Verschwendung.“

Bryan machte sich nicht die Mühe, Ritchie seine Meinung auszureden. Es gab für ihn keinen Grund, sich zu rechtfertigen, denn er tat seine Arbeit gern. Seiner Meinung nach besaß er alles, was ihm im Leben wichtig war. Ritchie allerdings, der nur darauf aus war, möglichst schnell viel Geld zu machen, würde nie verstehen, dass man auch etwas aus purer Leidenschaft tun konnte.

„Mensch, das war grandios!“ Ritchie war in seiner Begeisterung kaum zu halten. „Der beste Loop, den ich je gesehen habe. Das wird ein Riesending, das spüre ich in den Knochen.“

Bryan erwiderte nichts. Während er langsam zur Landung ansetzte, spürte er, wie die Sonne ihm den Rücken wärmte und wie er beinahe schwerelos über der Erde schwebte. Manchmal konnte er sein Glück kaum fassen.

Er hatte keine Probleme, keinen Stress. Er liebte sein Leben, so wie es war.

Doch heute war es irgendwie anders als sonst. Und wenn er ehrlich war – und das war er meistens, da brauchte man nur eine von seinen verflossenen Freundinnen zu fragen –, hatte das viel mit dem gestrigen Abend zu tun.

Genauer gesagt, mit diesem Kuss unter dem Mistelzweig.

Zugegeben, der Kuss hatte in Wirklichkeit nicht ihm gegolten. Doch immerhin hatte er versucht, ihr zu zeigen, dass er nicht der war, für den sie ihn hielt. Wenn auch nicht sehr nachdrücklich. Eigentlich hatte er es gerade mal geschafft, ihren Namen zu sagen.

Ein anständiger Mann hätte ihr vermutlich gleich danach die Wahrheit gesagt, aber so heldenhaft, wie alle glaubten, war er nicht.

Das Mädchen gefiel ihm eben.

In dem Moment, wo Katies warme Lippen seine berührt hatten, war er wie vom Blitz getroffen gewesen. In seinem Kopf hatte es nur so geschwirrt, was natürlich auch von der albernen Brille kam, die er tragen musste.

Davon war ihm noch immer ganz schwindlig.

Was er nicht verstand, war, wie eine Frau auch nur im Entferntesten auf die Idee kommen konnte, einen Langweiler wie Matt Osborne küssen zu wollen. In seinen Augen gehörte so etwas bestraft.

Bryan brachte sein Flugzeug sicher auf den Boden und rollte es selbst auf den Stellplatz. Das tat er meistens, obwohl immer ein ganzes Team von Mechanikern bereitstand und außerdem die Filmleute, die den ganzen Flughafen für den Vormittag gemietet hatten. Als er ausstieg und zum Himmel blickte, hörte er hinter sich eine weibliche Stimme. „Na, schon wieder Sehnsucht nach da oben, kaum dass du unten bist?“

Diese Stimme kannte er zur Genüge, und er wappnete sich innerlich. Holly stellte sich neben ihn, wobei sie absichtlich seinen Körper streifte. „Warum machst du eigentlich alles selbst? Wir haben doch wirklich genug Leute hier.“

Unnütz, ihr die Wahrheit zu erzählen, denn daran war sie überhaupt nicht interessiert. Sie versuchte nur ununterbrochen, Männer anzumachen, seit sie vor ein paar Wochen hier angefangen hatte zu arbeiten.

Sie lächelte ihn kokett an. „Bist du einfach ein Arbeitstier oder willst du den Frauen imponieren, weil du so viel kannst?“

„Ich komme gern ab und zu ein bisschen ins Schwitzen. Du solltest mich mal sehen, wenn ich das Flugzeug wasche, dann bin ich so richtig in meinem Element.“

Sein ironischer Ton war bei Holly glatt verschwendet. „Ach, Bryan, du bist ein so aufregender Mann. Wie hast du es gestern Abend nur geschafft, dir all die Frauen vom Hals zu halten, die auf dich scharf sind? Lag das etwa an dem Nikolauskostüm?“

„Ich dachte, es wäre ein Geheimnis, dass ich der Weihnachtsmann bin?“

Holly zog eine Augenbraue hoch und lächelte hintergründig. „Wer hat dir denn das erzählt?“

„Das weißt du ganz genau. Von dir habe ich doch die Mail bekommen, dass Matt nicht rechtzeitig kommen kann, und dass ich für ihn einspringen soll. Und ich sollte niemandem was verraten.“

„Ach, die Mail …“ Sie klimperte kokett mit den Wimpern. „Ich glaube, ich bin dir etwas schuldig.“

„Oh, ich habe meine Belohnung schon bekommen.“

„Aha?“ Holly machte einen Schmollmund. „Willst du damit etwa andeuten, dass es dir Spaß gemacht hat, in dem Kostüm zu stecken? Und auch, dass eine gewisse Buchhalterin, die dachte, du wärst … ein gewisser stellvertretender Direktor …?“

Plötzlich wurde ihm einiges klar. „Du hast das Ganze also angezettelt?“

„Oh, das ist zu viel der Ehre. Es wussten doch alle, dass Matt der Weihnachtsmann sein sollte.“

„Ja“, sagte er betont ruhig. „Aber Matt war nicht der Weihnachtsmann.“

„Stimmt. Wenn da also ein Versehen passiert ist …“ Mit unschuldigem Lächeln hob sie die Schultern. „Ich kann nichts dafür.“

„Du hast ihr erzählt, dass Matt in dem Kostüm steckt?“

„Nicht direkt“, erwiderte sie mit süffisantem Lächeln.

„Sondern was dann?“

„Der Kuss scheint dir doch gefallen zu haben.“

„Ich frage mal anders herum: Weiß sie, dass sie mich und nicht Matt geküsst hat?“

„Machst du Witze? Sie würde einen Herzanfall bekommen, wenn sie wüsste, dass sie den unbezähmbaren, wilden Bryan Morgan geküsst hat. Ich weiß zufällig, dass sie Männer wie dich verabscheut.“

„Aber so ganz zahm ist sie auch nicht.“

Bryan hatte jetzt genug von dem Geplänkel und wandte sich zum Gehen. In einer Stunde musste er schon wieder losfliegen und war dann für den Rest des Tages unterwegs.

Am besten vergaß er Katies Kuss. Ja, die kleine Buchhalterin konnte gut küssen, na und? Sie mochte keine Männer wie ihn. Na und? War ihm doch egal, es gab genug Frauen, die hinter ihm her waren.

Es hatte schon seine Gründe, dass er sich nicht bemühte, Frauen kennenzulernen. Zwischen seiner Arbeit und seiner liebevollen, aber anstrengenden Familie blieb ihm nun mal nicht viel Zeit. Und auf Komplikationen irgendwelcher Art konnte er gut verzichten. Mit Frauen gab es sowieso immer Komplikationen, und wenn sie noch so schöne kupferfarbene Haare und braune Augen hatten.

Während er mit solcherlei Gedanken beschäftigt zu seinem kleinen Büro ging, hörte er im Flur plötzlich eine vertraute Stimme.

„Matt? Matt, mach auf, ich weiß, dass du da drin bist.“

Katie!

In ihrem langweiligen Kostüm mit dem zu langen Rock und dem zu weiten Blazer stand sie vor Matts Tür. Normalerweise hätte er eine solche Frau unattraktiv gefunden. Aber bei Katie war das ganz anders. Er hätte sie am liebsten auf der Stelle in seine Arme gezogen.

Was war denn das jetzt schon wieder für eine Anwandlung?

Er sah, wie Matt seine Bürotür öffnete und Katie abwesend anlächelte. „Ja, bitte?“

Sie biss sich auf die Lippe. „Ich wollte … über gestern Abend mit dir reden.“

„Die Party?“, fragte Matt überrascht.

Der Blödmann hatte ja keine Ahnung, was er verpasst hatte. Bryan hätte sich vielleicht schuldig fühlen sollen, tat es aber nicht.

„Ja, die war richtig nett.“ Matt blickte auf die Uhr. „Oh, schon so spät. Tut mir leid, ich muss ganz schnell einen Bericht fertig machen.“

Mit einem entschuldigenden Lächeln wollte er die Tür zumachen.

„Aber …“ Katies Lächeln wirkte gezwungen, das konnte sogar Bryan vom Ende des Flurs her sehen. „Es ist nur … der Mistelzweig …“

Matt zuckte die Achseln. „Ja, davon hingen eine ganze Menge herum. Wirklich hübsche Dekoration.“ Er runzelte die Augenbrauen. „Aber die muss jetzt runter, sonst kommen die Leute noch auf dumme Gedanken. Am besten schreibe ich gleich eine Rundmail.“

„Ja, die Mistelzweige müssen runter“, wiederholte Katie, „sonst gibt es hier Massenorgien während der Bürostunden.“

Matt nickte zerstreut und machte ihr die Tür vor der Nase zu.

Du ahnungsloser Tölpel, dachte Bryan, und gleichzeitig triumphierte er innerlich.

Katie stand betreten vor der Tür. „Habe ich wirklich so wenig Eindruck hinterlassen?“, murmelte sie.

Ganz im Gegenteil, dachte Bryan. „Guten Morgen.“

Erschrocken fuhr Katie herum und blinzelte ihn verdutzt an. Dann schüttelte sie den Kopf. „Ich hätte doch zuerst einen Kaffee trinken sollen.“

Und er sollte ihr die Wahrheit sagen. „Du hast nach dem Mistelzweig gefragt, Katie“, begann er. „Vielleicht kann ich dir dabei behilflich sein.“ Wie wäre es mit noch einem Kuss?

Sie betrachtete ihn mit schmalen Augen.

„Stimmt was nicht?“, fragte er.

„Deine Stimme … sie klingt so …“

„Vertraut?“ Ein breites Lächeln ging über sein Gesicht. „Das sollte sie auch. Immerhin arbeiten wir zusammen.“

„Stimmt.“

Für einen Moment plagte ihn sein Gewissen, weil Katie vollkommen verwirrt aussah.

Aber der Moment ging schnell vorüber. Wenn er ihr jetzt reinen Wein einschenkte, würde sie entweder leugnen, dass der Kuss ihr gefallen hatte, oder sie würde weglaufen.

„Noch hängt der Mistelzweig im Hangar. Wenn du willst, können wir gerne …“

„Nein“, unterbrach sie ihn schnell und wandte sich zum Gehen. „Ich habe viel zu tun.“

Offenbar machte er sie nervös. Um das zu testen, ging er einen Schritt auf sie zu.

Natürlich ging sie prompt einen Schritt zurück und prallte gegen einen Aktenschrank, den sie zum Wackeln brachte, woraufhin ein Blumentopf, der darauf stand, herunterfiel. Sie konnte ihn gerade noch auffangen und stellte ihn auf den Boden. Dann drehte sie sich schnell wieder zu ihm um, mit dem Rücken an den Schrank gelehnt, als wolle sie sich vor einem Angriff wappnen.

An ihrer Wange hing noch etwas Blumenerde. In ihrer Verwirrtheit sah sie einfach bezaubernd aus. Er legte beide Hände an ihre Taille, um sie zu beruhigen. Jetzt waren sie genau in derselben Position wie gestern Abend.

„Du … du hast ja blaue Augen“, sagte sie verwundert. „Seit wann denn das?“

„Eigentlich seit meiner Geburt.“ Er lächelte übers ganze Gesicht. „Lass mich raten, du hasst blaue Augen.“

„Nein, ich …“ Ihr Blick wanderte zu seinem Mund, und in einer vollkommen unschuldigen Geste leckte sie sich über die Lippen.

Bryan konnte kaum an sich halten, so gern hätte er sie geküsst. Nur er wusste, wie fantastisch sie sich küssen konnten. „Wegen diesem Mistelzweig …“, murmelte er.

„Das war eine absolut blödsinnige Idee. Wirklich idiotisch …“, unterbrach sie ihn schnell und legte ihm die Hände auf die Brust. Er war nicht sicher, ob sie ihn damit wegschieben oder ihn berühren wollte.

„Ich verstehe, du kommst mir auch nicht vor wie eine Frau, die gerne was riskiert.“

„Das tue ich auch nicht. Absolut nicht.“

Er lächelte vielsagend. Gestern Abend hatte sie ihm das Gegenteil bewiesen. Da hatte sie jede Zurückhaltung fallen lassen.

Über ihnen summte die Sprechanlage, und Mrs. Giddeon bat Katie zum Empfang.

Mit einem erleichterten Ausruf machte Katie sich von ihm los und lief den Flur hinunter.

Als er sein Büro betrat, lachten die beiden anderen Piloten laut los. Verdutzt blickte er an sich herunter und sah zwei Handabdrücke auf seinem weißen Hemd, von der Blumenerde an Katies Händen. „Sehr lustig“, sagte er, aber er war nicht ärgerlich, sondern nur seltsam verunsichert.

Katie hatte etwas getan, was bisher keiner Frau außer seinen Schwestern und seiner Mutter gelungen war. Sie hatte einen bleibenden Eindruck bei ihm hinterlassen.

3. KAPITEL

„Sieh mal an“, murmelte Julie.

Bei der verdutzten Stimme ihrer Kollegin blickte Katie von ihren Unterlagen hoch, aber ihr fiel nichts Außergewöhnliches auf.

Cassandra und Eloise kamen gerade ins Konferenzzimmer, gefolgt von Dale, Jake, Evan und Mrs. Giddeon. Alle sahen ganz normal aus, selbst Holly, die als Letzte hereingetänzelt kam. Die fiel durch ihre kokette Art zwar immer auf, aber das nahm kaum noch jemand wahr.

Erneut blickte Katie sich suchend um, und dann sah sie noch einen weiteren Teilnehmer. Bryan.

Komisch, wie es in ihrem Bauch plötzlich anfing zu kribbeln. Mit erstauntem Blick wandte sie sich an Julie. „Der auch?“

„Ja, der auch – wow!“, erwiderte Julie mit atemloser Stimme.

Zugegeben, er war groß, dunkelhaarig und sah … nun ja, ziemlich gut aus. Außergewöhnlich gut. Na und? Von der Sorte Männer gab es doch genügend, oder? Trotzdem konnte Katie die Augen nicht von ihm wenden. Und anscheinend hatten sämtliche Frauen im Raum dasselbe Problem, denn alle starrten ihn wie hypnotisiert an.

Holly schlängelte sich sofort an den anderen vorbei, um einen Platz neben ihm zu ergattern. Pass auf, hätte Katie ihm am liebsten zugerufen. Denn Holly hatte genau denselben raubtierartigen Gesichtsausdruck wie damals … kurz bevor sie sich an Katies Verlobten herangemacht hatte, damals vor drei Jahren.

Ach, das ist doch Schnee von gestern, sagte sie sich. Kein Grund, sich noch darüber aufzuregen.

Viel mehr interessierte sie die Frage, wo Matt steckte. Sie hatte gehofft, ihn vor der Sitzung kurz alleine sprechen zu können. Drei Tage waren schon vergangen seit dem Kuss!

Obwohl sie versuchte, an Matt zu denken, waren ihre Augen unablässig auf Bryan gerichtet. Der Mann hatte einfach eine ungeheure Präsenz, das musste sie zugeben. Um ihn herum schien die Atmosphäre nur so zu flimmern. Eine Aura von Freiheit und Abenteuer umgab ihn, die sich auf den ganzen Raum auswirkte.

Äußerst gefährlich.

Im Gegensatz zu vielen anderen Draufgängern war jedoch nichts Aufgesetztes in seinem Verhalten. Nein, die aufregende Atmosphäre, die ihn umgab, war ihm offenbar angeboren.

Und genau deshalb mochte Katie ihn nicht – durfte sie ihn nicht mögen.

„Dieser Mann hat so was Wildes an sich“, murmelte Julie ihr von links zu, und ihre Stimme bebte vor Entzücken.

Für Katie hatte diese Eigenschaft ganz und gar nichts Entzückendes. Viel zu sehr wurde sie dadurch an ihren Vater erinnert. Der hatte auch Stunts geflogen und war ständig auf neue, größere Abenteuer aus gewesen. Er war Risiken eingegangen, an die andere sich nie herangewagt hätten, und hatte darüber seine Familie vernachlässigt. Zwar war er erwachsen genug gewesen, um eine Familie zu gründen, aber nicht reif genug, auch für diese Familie da zu sein. Ihr Vater war ein Mann gewesen, der immer auf Hochtouren lief, ständig auf der Suche nach neuen Kicks.

Die fand er dann als Testflieger für Flugexperimente, und bei einem dieser Flüge war er ums Leben gekommen.

Katie schluckte schwer. Obwohl das Unglück schon viele Jahre her war, fiel es ihr noch immer schwer, sich damit abzufinden.

Niemals könnte sie sich in einen Mann verlieben, der ihrem Vater so ähnlich war. In einen Mann, der nicht erwachsen werden wollte, dem sein eigenes Vergnügen mehr wert war als die Beziehung zu Menschen.

Da Katie nichts auf ihre Bemerkung erwiderte, blickte Julie sie fragend an. „Du sagst ja gar nichts. Findest du ihn nicht auch umwerfend?“

Natürlich übte er seine Wirkung auf sie aus. Schließlich war sie eine Frau. Wie er so dastand, groß und breitschultrig, mit seiner dunkelblauen Pilotenhose, die wie angegossen saß, und seinem weißen Hemd mit den hochgekrempelten Ärmeln, brachte er jede Frau dazu, verzückt zu seufzen.

So weit würde Katie natürlich nicht gehen. Aber sie fand ihn ziemlich aufregend mit seinen verwegen blitzenden blauen Augen und seinem Haar, das aussah, als hätte er es gerade mit den Fingern durchwühlt.

Doch am besten gefiel ihr sein Gesicht mit den männlichen Konturen und dem gebräunten Teint, das eine unglaubliche Vitalität ausstrahlte. Mit den Lachfältchen um die Augen und um den sinnlichen Mund, die ihr genau das bestätigten, was sie ohnehin schon wusste: Dieser Mann war nur auf Spaß und Abenteuer aus …

Mist, jetzt war ihm aufgefallen, dass sie ihn anstarrte. Doch er ließ sich nichts anmerken. Solche bewundernden Frauenblicke war er vermutlich gewohnt. Er zwinkerte ihr bloß kurz zu und lächelte dabei äußerst charmant.

Trotz ihrer Verlegenheit und ihrer Verwirrung passierte plötzlich etwas mit ihr, das sie schon kannte, und das ihr seltsam vertraut vorkam. Was war das bloß?

Wieso kam es ihr vor, als ob sie ein Geheimnis mit ihm teilen würde? Hatte sie etwa ihn statt Matt geküsst? Beinahe hätte sie bei diesem Gedanken laut herausgelacht, so abwegig erschien er ihr.

In diesem Moment betrat Matt den Raum, und sie war froh darüber. Er wirkte so seriös mit seinem perfekt gekämmten Haar, den perfekt sitzenden Hosen und dem perfekt gebügelten Hemd.

Komischerweise spürte sie bei ihm nicht dieses Aufflackern von Vertrautheit. Aber sie hatte doch Matt geküsst, oder? Klar hatte sie das, wieso kamen ihr denn plötzlich Zweifel? Um nicht weiter darüber nachzudenken, konzentrierte sie sich darauf, Matt liebenswürdig anzulächeln. Der hatte bloß leider seine Nase schon längst in die vor ihm liegenden Akten gesteckt. Ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen, hatte er sich direkt ihr gegenüber gesetzt.

Bestimmt war er einfach zu beschäftigt. Sie konnte das gut verstehen. Dennoch war ihr ein wenig die Laune verdorben.

Matt war zwar der perfekte Mann für sie, daran hatte sie keinen Zweifel, aber beachtet werden wollte sie schon ein bisschen. Entschlossen, eine Reaktion von ihm zu bekommen, setzte sie erneut ein strahlendes Lächeln auf und sagte laut: „Hallo, Matt.“

„Hm?“ Zerstreut hob er den Kopf und blinzelte sie an. „Oh, hallo.“ Er verzog sogar ein wenig den Mund zu einem Lächeln, sodass sie etwas Hoffnung schöpfte. Doch sofort widmete er sich wieder seinen Unterlagen.

Seriosität und eine gewisse Reife waren zwar durchaus positive Eigenschaften, doch langsam wurde das Ganze lächerlich. „Ich muss die ganze Zeit an die Weihnachtsparty denken.“ Diesmal hob er nicht mal den Kopf von seinen Akten, und jetzt war Katie richtiggehend beleidigt. „Und an die schöne Dekoration“, fügte sie etwas lauter hinzu. „Besonders an den Mistelzweig.“

Bei diesem Wort lächelte Matt sie geistesabwesend an. Nichts in seiner Miene deutete an, dass er damit irgendwelche bestimmten Gedanken verknüpfte. Sein Gesichtsausdruck war offen und von einer ruhigen Heiterkeit. Er war eben ein ruhiger, zurückhaltender Mann. Der perfekte Mann, rief Katie sich in Erinnerung.

Und wieso verspürte sie dann den heftigen Impuls, ihn zu schütteln? Natürlich, weil er so völlig gleichgültig über ihren heißen Kuss hinwegging.

„Ja, der Mistelzweig war eine tolle Idee“, sagte er beiläufig. „Das habe ich, glaube ich, schon mal erwähnt.“

„Ja, aber …“

„Mann, es geht ihr doch um seine Verwendung“, meldete Bryan sich plötzlich zu Wort und lächelte Katie zuckersüß zu, als sie ihn erstaunt anstarrte. „Hab ich recht?“

„Ich … also …“ Woher wusste er das? Und wieso spürte sie plötzlich wieder dieses komische Kribbeln, das sie eigentlich bei Matt spüren sollte?

Holly fing an zu lachen, ein fröhliches, ansteckendes Lachen. „Ich fand, es war eine tolle Party. Und jeder einzelne Mistelzweig hat Verwendung gefunden, so viel ist sicher.“ Sie lächelte Matt vielsagend zu, der daraufhin rot wurde.

Tatsächlich rot.

Katie starrte ihn entgeistert an. Seit Tagen versuchte sie vergeblich, eine Reaktion aus ihm herauszulocken, und jetzt machte Holly eine einfache Bemerkung, und er wurde rot. Frustriert blickte Katie auf die Unterlagen, die sie für das Meeting mitgebracht hatte.

Der spitze Brieföffner in der Mitte des Tischs blitzte einladend. Nein, im Protokoll würde es sich nicht so gut machen, wenn sie jetzt auf Holly einstach. Selbst als Holly jetzt Katies Akten vom Tisch fegte, sodass sie zu Boden fielen, beschloss Katie, sich lieber zusammenzureißen. „Hoppla, tut mir leid“, sagte Holly, sah aber gar nicht danach aus, als ob es ihr leidtäte.

Katie starrte sie an. Das hatte diese Schlange absichtlich gemacht. Aber Holly nahm gar keine Notiz von ihr, sondern hatte den Blick immer noch unverwandt auf Matt gerichtet. Katie bückte sich und hob die Papiere auf, und dabei bemerkte sie, wie Holly unter dem Tisch ihren rechten Stöckelschuh abstreifte und ihren Fuß hochlegte – in Bryans Schoß! Ihre knallroten Zehen wanderten direkt zu der Stelle zwischen seinen Oberschenkeln – und drückten zu.

Deshalb also hatte Holly sich doch links neben Julie gesetzt – genau Bryan gegenüber! Diese berechnende Person!

Katie hörte, wie Bryan einen erstickten Laut von sich gab, dann sah sie, wie er Hollys Fußgelenk packte und so fest drückte, dass seine Knöchel weiß hervortraten.

Die beiden befummelten sich hier schamlos mitten im Sitzungssaal, und keiner außer ihr schien etwas zu bemerken. Jetzt zog Holly auch ihren anderen Schuh aus und legte das andere Bein ebenfalls in Bryans Schoß.

Katie fuhr abrupt hoch … und stieß dabei so fest mit dem Kopf an die Tischplatte, dass sämtliche Kaffeetassen klirrten. Ob es wegen des Stoßes war und der Sternchen, die in ihrem Kopf herumschwirrten, oder deswegen, weil Bryan wieder einen unterdrückten Laut ausstieß, jedenfalls biss sie sich vor Nervosität auf die Zunge. „Au“, murmelte sie mit schmerzverzerrtem Gesicht.

Im selben Moment schob Bryan abrupt seinen Stuhl zurück und stand auf. Wortlos nahm er seine Unterlagen und ging um den Tisch herum. Katie vermutete, er würde sich direkt neben Holly setzen. Vielleicht, um sie noch besser befummeln zu können. Zu ihrer Überraschung ging er jedoch an Holly vorbei und setzte sich – direkt neben Katie.

„Hm, duftet der gut“, flüsterte Julie ihr von links ins Ohr.

Holly beugte sich über Julie zu Katie und flüsterte: „Komm, wir tauschen.“

Katie sah Bryan von der Seite an. Er wirkte etwas mitgenommen und ziemlich angespannt. Von seiner Lässigkeit war im Moment nicht viel zu spüren.

„Untersteh dich, mit ihr zu tauschen“, flüsterte er ihr zu, „sonst erzähle ich Matt, wieso du ständig von dem Mistelzweig redest.“

Na gut, dann würde sie eben nicht tauschen.

Sie blinzelte ihn argwöhnisch an, doch Bryan war jetzt wieder ganz entspannt und lächelte sie derart verwegen an, dass ihr ein Kribbeln über den ganzen Körper lief.

Zum Glück kam gerade Mr. Riggs, der Direktor von Wells Aircraft, herein, und für Katie gab es nun andere Dinge, um die sie sich kümmern musste.

Allerdings war sie sich die ganze Zeit Bryans betörender Gegenwart nur zu bewusst.

Kaum war die Sitzung zu Ende, verließ Bryan fluchtartig das Konferenzzimmer. Er brauchte jetzt dringend frische Luft und freute sich auf den bevorstehenden Charterflug.

Die nächsten paar Stunden verbrachte er damit, seine Passagiere mit lustigen Anekdoten zu unterhalten, und genoss es, gemächlich hoch oben am Himmel zu fliegen.

Viel zu schnell war er wieder am Boden. Und die Erste, die ihm in der Empfangshalle begegnete, war Holly.

„Was sollte das denn vorhin bedeuten?“, fragte er mit einem gefährlichen Unterton in der Stimme.

Holly ließ ihre Zunge im Mundwinkel spielen, etwas, das sicher viele Männer um den Verstand brachte. Zum Glück war Bryan nicht so leicht zu beeindrucken. „Ich höre?“

Sie lächelte unschuldig. „Meinst du, als ich meinen Fuß auf deinen …“

„Du weißt genau, wovon ich rede.“

„Es hat dir gefallen, das habe ich gesehen.“

„Ich will wissen, warum du das gemacht hast und wen du damit eifersüchtig machen willst. Ich verstehe nicht, warum du nicht direkt auf denjenigen zugehst, du kriegst doch sonst alle Männer herum.“

„Du schmeichelst mir.“

„Lass bitte deine Spielchen.“

„Aber Spielen macht doch so viel Spaß!“

„Ich verstehe das nicht“, sagte er kopfschüttelnd. „Wieso gehst du nicht, wie du es sonst tust, einfach auf den Mann zu? Wer immer es auch ist, ich bin sicher, er wird vor dir auf die Knie fallen, so wie alle Männer.“

„Außer dir.“

„An mir bist du doch gar nicht interessiert.“

„Bist du dir da so sicher?“

Wegen solcher Sätze hielt er sich die Frauen immer etwas auf Abstand.

Er beschloss, Holly einfach links liegen zu lassen, und blickte durch die großen Fenster nach draußen auf das Rollfeld.

Eine Frau lief gerade hinter der Sicherheitslinie in Richtung Hangar Zwei.

Katie.

Etwas ganz Komisches passierte plötzlich mit ihm: Sein Herz setzte kurz aus und fing dann umso heftiger zu schlagen an. Er sah ihr nach und konnte die Augen nicht von ihr wenden.

Irgendetwas war an dieser Frau …

Spontan lief er nach draußen, Katie hinterher. Als er sie schließlich in dem langen Gang zwischen dem Wartungshangar und dem Ersatzteillager einholte, rief er: „Hey, Katie.“

Als sie seine Stimme hörte, lief sie nur umso schneller, sodass er Mühe hatte, ihr zu folgen. „Die Sitzung lief ganz gut, oder?“

Ihm waren auch schon bessere Sachen eingefallen. Er verzog das Gesicht und machte einen erneuten Versuch. „Du siehst heute sehr hübsch aus.“ Das stimmte, obwohl er sich gut etwas Hübscheres an ihr vorstellen konnte als das langweilige Kostüm. Etwas, das ihre tolle Figur betonte.

„Nicht so hübsch wie Holly“, erwiderte sie knapp. Na immerhin bekam er eine Reaktion von ihr. Sie blickte kurz über ihre Schulter. „Sag ihr das doch mal, sie wird bestimmt begeistert sein.“

„Wie bitte?“ Völlig verdutzt blieb er stehen, wodurch sich der Abstand zwischen ihnen noch vergrößerte. Einen Moment lang war er unfähig sich zu rühren und starrte ihr nach, wie sie mit anziehendem Hüftschwung weiterlief. Dann rannte er los und hielt sie am Arm fest. „Was hast du da eben gesagt?“

„Ich habe gesagt, dass dein Kompliment bei Holly besser angebracht ist.“

Katies sonst so ruhiges Gesicht wirkte jetzt ärgerlich und verlegen.

Plötzlich fiel bei ihm der Groschen. „Holly hat dir erzählt, was sie gemacht hat.“

„Nein, ich hab’s gesehen, als ich meine Papiere aufgelesen habe, die sie vom Tisch gefegt hat. Sie hat ihren Schuh ausgezogen und dann … ach, was soll’s!“

„Aber begreifst du denn nicht?“ Es verwirrte ihn, dass sie offenbar wirklich keine Ahnung hatte. Und was ihn noch mehr verwirrte, war die Tatsache, dass ihm das nicht gleichgültig war. Seit wann machte es ihm etwas aus, was andere Leute dachten?

Was Katie betraf, machte es ihm anscheinend sehr viel aus, und diese Feststellung war ein regelrechter Schock für ihn. Doch darüber würde er später nachdenken.

„Das war doch alles Absicht! Sie hat deine Unterlagen extra heruntergeworfen, damit du dich bücken musst und dabei beobachtest, was sie da macht.“

„Das verstehe ich nicht.“

Das Ganze war ihm zuwider und erinnerte ihn heftig an die Teenagerspielchen in der Highschool. Und die Highschool war ihm zutiefst verhasst gewesen.

Eigentlich hatte er noch warten wollen, bevor er Katie die Wahrheit über die Sache mit dem Weihnachtsmann erzählte. Zum einen weil es ihn belustigte, sie ein wenig im Ungewissen zu lassen, zum andern weil er außer dem Fliegen nichts wirklich ernst nahm.

Seltsamerweise nahm er jedoch die Sache mit dem Weihnachtsmann ziemlich ernst.

„Ich weiß, dass du seit Tagen versuchst, mit Matt über den Kuss auf der Weihnachtsparty zu reden. Und es gibt einen triftigen Grund, warum er dazu nicht bereit ist.“

„Ich weiß.“ Sie verzog das Gesicht. „Das kommt davon, wenn man sich zu Weihnachten was wünscht. Das hätte ich mal lieber lassen sollen.“

„Hast du denn so schlechte Erfahrungen gemacht?“

„Sagen wir, der Weihnachtsmann hat anscheinend seit Längerem meine Adresse vergessen.“

„Und was hattest du dir gewünscht?“

„Ach, nichts Besonderes.“

„Oh, das glaube ich aber doch.“

„Okay, ich habe mir gewünscht, dass …“ Sie wurde rot. „Darf ich dich was fragen?“

„Klar.“

„Du bist doch ein Mann?“

„Ja“, erwiderte er schmunzelnd, „aber diese Frage ist ein bisschen zu einfach. Frag mich noch was anderes.“

Sie verdrehte die Augen. „Ach, vergiss es. Ist überhaupt nicht wichtig.“

Das war es allerdings, das konnte er deutlich sehen. „Katie, wegen diesem Kuss …“

„Den kannst du von mir aus auch vergessen.“

„Tut mir leid, das geht nicht.“ Den würde er nie vergessen. „Matt kann mit dir nicht darüber reden, weil … ich es war, den du geküsst hast.“

So, jetzt war es draußen.

Ihr Mund öffnete sich vor Erstaunen, schloss sich und öffnete sich wieder. „Aber … ich habe doch Matt geküsst, im Nikolauskostüm.“

„Nein, du hast mich geküsst, im Nikolauskostüm, und ich glaube, du hast es längst geahnt.“

„Nein, das kann nicht sein.“

„Doch. Außerdem, wie sollte ich sonst davon wissen?“ Er versuchte zu lächeln, aber es gelang ihm nicht wirklich, denn er musste daran denken, wie er sie in ihrem entzückenden roten Kleid im Arm gehalten und ihre Lippen auf seinen gespürt hatte. „Wenn du mal in Ruhe darüber nachdenkst, wirst du die Wahrheit erkennen. Ich glaube sogar, dass du es jedes Mal gespürt hast, wenn wir uns in den letzten Tagen zufällig getroffen haben.“

„Du träumst.“

„Wirklich? Warum siehst du mich dann immer so an?“

„Tue ich doch gar nicht!“

Als er nur schweigend lächelte, stieß sie frustriert den Atem aus. „Also gut, kann sein, dass ich dich hin und wieder etwas intensiver angesehen habe.“

„Ich fühle mich geschmeichelt.“

„Dazu besteht kein Grund. Geküsst habe ich dich auf jeden Fall nicht.“

„Soll ich dir das Gegenteil beweisen?“

4. KAPITEL

Wahrscheinlich könnte er es ihr tatsächlich beweisen.

Plötzlich wurden ihre Hände feucht, und ihr Herz fing an zu rasen.

Bestimmt bekam sie die Grippe. Ja, das war wohl der Grund.

Aber wieso fingen dann ihre Brustspitzen an zu kribbeln, als sie sich vorstellte, wie er es ihr beweisen würde? So etwas kam bei einer Grippe eher nicht vor.

Obwohl Bryan etwas entfernt von ihr stand, spürte sie sein Verlangen. Sie war sicher, wenn sie ihm jetzt um den Hals fiele, würde er sie an sich pressen und vor Lust stöhnen …

Nein! Das wäre definitiv der falsche Weg.

Normalerweise war Katie ein ausgeglichener Mensch, ruhig und zurückhaltend. Vielleicht ein wenig unscheinbar, aber dagegen würde sie was tun, sie hatte ja schon damit angefangen.

Von ihrer sonstigen Ausgeglichenheit konnte in diesem Moment allerdings keine Rede sein. „Wie kannst du etwas beweisen wollen, was nie passiert ist?“, fragte sie betont ruhig, obwohl sie innerlich zitterte.

„Indem ich dich noch einmal küsse.“

Sie starrte ihn an, brachte keinen Ton heraus. Dabei wollte sie so vieles sagen, wusste aber nicht wie. „Ich will nicht, dass du mich küsst“, stieß sie hervor.

„Du meinst, du willst nicht, dass ich dich noch einmal küsse.“

„Es gab kein erstes Mal.“

Er trat näher, sodass sie von seiner sinnlichen Ausstrahlung förmlich eingehüllt wurde. „Ich habe sechs Schwestern, das heißt, ich bin mit neugierigen, dominanten, manchmal nervtötenden, wunderbaren Frauen aufgewachsen.“

So etwas wollte sie gar nicht hören. Dass er eine große Familie hatte, passte nicht in ihr Bild von einem verantwortungslosen Frauenhelden. Aber das brauchte sie, um auf Abstand zu ihm zu bleiben. Irgendwie war diesem Mann einfach nicht beizukommen.

„Deshalb habe ich früh gelernt, einer Frau besser nicht zu widersprechen. Doch jetzt muss ich dir leider sagen, dass du dich irrst.“

Musste er denn unbedingt so dicht vor ihr stehen? Sie betrachtete seine intensiven blauen Augen und die Narbe über der linken Augenbraue. Bestimmt hatte er etwas ganz Verrücktes angestellt.

Plötzlich merkte sie, dass sie ihn die ganze Zeit anstarrte. Und er schien das auch noch zu genießen.

Blitzschnell machte sie kehrt und lief in einen Seitengang, der ins Lager führte. Eigentlich brauchte sie gar nichts, aber im Moment erschien ihr das Lager als der geeignete Ort, um in Ruhe nachdenken zu können. Sie ging hinein und schloss die Tür hinter sich.

Also, sie hatte den Weihnachtsmann geküsst, so viel stand jedenfalls fest. Der Rest war reine Spekulation. Außerdem stand fest: Sie wollte, dass Matt es war, den sie geküsst hatte. Er sollte es sein, der mit heiserer Stimme ihren Namen geflüstert, sie in den Arm genommen und zärtlich an sich gedrückt hatte.

Der nette, verlässliche Matt. Der perfekte Mann für sie.

Nein, sie hatte nicht den geringsten Zweifel, dass er es gewesen war.

Nicht den geringsten.

Beinahe keinen.

Ach du lieber Himmel, wo sollte das hinführen, wenn sie jetzt anfing zu zweifeln?

Plötzlich ging die Tür auf und Bryan kam herein.

„Na, zu welchem Ergebnis bist du gekommen?“

„Ich weiß gar nicht, was du meinst.“

„Schwindlerin.“

„Also wenn du sechs Schwestern hast, dann weißt du auch, dass es für eine Frau nicht gerade schmeichelhaft ist, wenn man sie als Schwindlerin bezeichnet.“

Er lächelte breit.

„Ich wette, du bist das verhätschelte Nesthäkchen“, fügte sie ohne zu überlegen hinzu.

Daraufhin wurde sein Lächeln noch breiter. „Oh, ja, das bin ich. Total verwöhnt. Und weißt du was? Du interessierst dich für mich. Das gefällt mir.“ Er kam näher. „Lass mich mal überlegen, was ich dir sonst noch erzählen kann.“

„Mich würde interessieren, warum du mit Holly herumgeplänkelt hast.“

Sein Gesicht bekam einen ärgerlichen Ausdruck. „Holly ist wirklich die allerletzte Person, mit der ich herumplänkeln würde. Diese Frau ist gefährlich.“

„Das mögen Männer doch.“

„Männer mögen aufregende Frauen, keine gefährlichen.“

„Soso“, bemerkte sie spöttisch.

„Verrate mir eins“, sagte er mit ernster Miene. „Hast du jemals gesehen, dass ich ihr schöne Augen gemacht hätte?“

Sie schüttelte den Kopf.

„Aber bestimmt hast du gesehen, dass ich immer die Flucht ergreife, sobald sie in der Nähe ist.“

Sie nickte.

„Bei dieser Frau komme ich mir immer vor wie eine Maus, die sich vor der Katze verkriecht.“

Darüber musste Katie lachen. „Als Maus kann man dich wohl kaum bezeichnen.“ Doch sie musste zugeben, dass das, was sie auf der Sitzung unter dem Tisch beobachtet hatte, eher eine einseitige Angelegenheit gewesen war.

Im Moment ging es ihr allerdings um etwas anderes. Bryan war zwar charmant, aber nicht seriös, zumindest nicht, was Frauen anbetraf. Sie hingegen war sehr seriös. Deshalb wollte sie auch einen seriösen Mann.

„Frag mich noch was anderes“, sagte er aufmunternd.

„Also gut, warum bist du gestern Morgen so riskant geflogen?“

„Es war nicht sehr riskant.“

„Ich habe doch gesehen, wie du gerade eben noch die Kurve gekriegt hast.“ Sie hatte das aber nicht so besorgt sagen wollen.

„Hast du mich etwa beobachtet?“

Ja, das hatte sie und dabei ihre Fingernägel zerbissen. „Du fliegst wild und rücksichtslos.“

„Danke.“

„Das sollte kein Kompliment sein.“

„Ich bin aber immer vorsichtig, und ich habe sehr viel Erfahrung.“

Letzteres konnte sie ihm nicht absprechen. „Ich verstehe einfach nicht, wie man so fliegen kann, als könnte jede Sekunde die letzte sein.“

„Aber so lebe ich nun mal, Katie.“

Sie machte einen Schritt nach hinten und lehnte sich mit dem Rücken gegen ein Regal. „Genau. So lebst du. Und das ist auch der Grund dafür … deshalb kann ich nicht …“ Erschrocken brach sie ab.

„Deshalb was? Deshalb kannst du nicht zugeben, dass ich es war, den du geküsst hast?“

Wie sollte sie ihm begreiflich machen, dass sie eine genaue Vorstellung von dem Mann hatte, mit dem sie zusammen sein wollte? Und dass er das genaue Gegenteil davon war? Sie wollte Stabilität, Sicherheit, Verlässlichkeit. Sie wollte keinen Mann, um dessen Leben sie täglich bangen müsste. Keinen, mit dem ihr Leben wie eine Achterbahn verlaufen würde.

Sie hasste Achterbahnen!

Als ob er ihre Gedanken lesen konnte, wurde er plötzlich ernst. Er trat ganz dicht vor sie, sodass sie seinen warmen Atem spürte. „Fandest du den Kuss denn so schlimm?“

Sie blickte abwechselnd auf ihre Schuhe, an die Wand und zur Decke hoch. Bloß nicht in seine Augen sehen!

Aber er gab nicht auf. „Na, was hat dir nicht gefallen an meinem Kuss? War es langweilig? Habe ich Mundgeruch?“

Darüber musste sie lachen. „Nein, nein. Auch nicht zu feucht oder so was. Es war …“

„Ja?“

„Gar nicht so schlecht.“

Er fasste sie am Kinn und drehte ihren Kopf zu sich, sodass sie ihn ansehen musste. „Warum magst du mich nicht?“, fragte er sanft, und als sie widersprechen wollte, legte er seinen Finger auf ihre Lippen.

Mit großen Augen sah sie ihn an und fragte sich, ob er genauso verwirrt war wie sie. „Sag mir die Wahrheit. Seit Monaten gehst du mir aus dem Weg. Du läufst in die andere Richtung, sobald du mich auf dem Flur siehst. Du sitzt bei den Meetings weit von mir entfernt. Du wendest dich an meine Piloten, wenn du etwas brauchst, statt direkt zu mir zu kommen. Warum, Katie? Das zumindest kannst du mir doch vielleicht erklären.“

Er streichelte nochmals kurz über ihre Lippen, bevor er seinen Finger wegnahm. Doch er blieb dicht vor ihr stehen. Schockiert stellte Katie fest, dass sie sich am liebsten an ihn geschmiegt hätte, und sie drückte sich fester gegen das Regal in ihrem Rücken. „Es stimmt nicht, dass ich dich nicht mag. Aber wir haben nichts gemeinsam.“

„Wie kommst du denn darauf?“

„Wir sind wie Feuer und Wasser. Ich bin langweilig und du bist …“ Unglaublich sexy. „Nicht langweilig.“

„Aber du bist nicht langweilig.“

„Du bist zu groß für mich.“

Er lachte. „Das sind kindische Einwände. Da musst du schon mit anderen Gründen kommen.“

„Ich bin jemand, der alles genau plant.“

„Und ich tue das nicht?“

„Du würdest ohne mit der Wimper zu zucken von einer Klippe springen.“

„Vielleicht, wenn ich ein gutes Seil hätte.“

„Siehst du? Du bist das genaue Gegenteil von mir.“

„So ganz stimmt das nicht“, erwiderte er leise und sah sie dabei zärtlich an. „Wir beide lieben Flugzeuge.“

„Wie …“ Woher wusste er von ihrer heimlichen Leidenschaft für Flugzeuge? Dass sie sämtliche Bücher und Zeitschriften über Fliegerei hortete, die sie nur kriegen konnte? Dass sie manchmal nachts durch die Hangars streifte und fasziniert und ängstlich zugleich die Flugzeuge betrachtete?

„Ich habe dich beobachtet.“ Er strich ihr eine Haarsträhne hinters Ohr. Sofort rieselte ihr ein Schauer über den Rücken. „Ich habe bemerkt, wie sehnsüchtig du die schlanken Jets ansiehst und sie liebevoll streichelst. Warum fliegst du nicht selbst, Katie? Was hält dich am Boden?“

„Mein Vater“, brach es aus ihr heraus, doch gleich darauf unterbrach sie sich. „Nein, frag mich nicht. Ich will nicht darüber reden.“

Er umfasste ihr Handgelenk und küsste ihre Handfläche. „Aber das sollten wir.“

„Nein. Glaub mir, es hat wirklich nichts mit dir zu tun.“

„Das glaube ich aber doch.“

„Ich bin nur …“ Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen, solange er ihre Hand in seiner hielt und seine warmen Lippen darauf drückte. „Ich gehe nun mal nicht gern ein Risiko ein.“

In seinen Augen blitzte es amüsiert. „Du bist jetzt alleine mit mir in diesem Lagerraum, das erscheint mir ziemlich riskant. Erzähl mal, warum wolltest du auf der Party den Weihnachtsmann küssen?“

„Das werde ich dir nicht verraten.“

„Ach bitte!“

„Das ist doch total verrückt. Mit dir hat das überhaupt nichts zu tun.“

„Bitte, verrate es mir trotzdem.“

„Es ist wegen Matt.“

„Matt?“

„Ja. Er ist zuverlässig, vertrauenswürdig, …“

„Der perfekte Mann.“ Er schüttelte belustigt den Kopf. „Ich habe gehört, wie die Frauen sich über ihn unterhalten.“

„Dann weißt du ja auch, weshalb er mir gefällt.“

„Zuverlässig, vertrauenswürdig …“ Er verzog das Gesicht. „Hört sich an wie in der Autowerbung. Für ein neues Auto, wo doch jeder weiß, dass die gebrauchten Modelle, die schon einige Jahre auf dem Buckel haben, und mit denen man schon viel erlebt hat, wesentlich mehr Charakter haben.“

Autor

Jill Shalvis

New York Times-Bestsellerautorin Jill Shalvis lebt in einer Kleinstadt in Sierras, voller verschrobener Mitmenschen. Jegliche Ähnlichkeit mit den Quirky Charakters in ihren Büchern ist, naja, meistens zufällig. Besuchen Sie sie auf ihrer Website www.jillshalvis.com, um mehr über Jills Bücher und ihre Abenteuer als Berge erklimmendes Stadtkinde zu lesen.

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Linda Warren

Nachdem Linda Warren ihr erstes Buch bei Harlequin Superromance veröffentlicht hat, war ihr Leben nicht mehr das, was es vorher war. Es machte plötzlich Spass, war spannend und sie hat nie genug Zeit. Aber sie genießt jede Minute. Sie wuchs in einer Farmer – Gemeinschaft in Smetana außerhalb von Bryan,...

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Penny Jordan

Am 31. Dezember 2011 starb unsere Erfolgsautorin Penny Jordan nach langer Krankheit im Alter von 65 Jahren. Penny Jordan galt als eine der größten Romance Autorinnen weltweit. Insgesamt verkaufte sie über 100 Millionen Bücher in über 25 Sprachen, die auf den Bestsellerlisten der Länder regelmäßig vertreten waren. 2011 wurde sie...

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