Julia Winterträume Band 15

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GIB UNSERER LIEBE EINE CHANCE! von JACKIE BRAUN

Es ist bloß eine leidenschaftliche Affäre während eines Schneesturms. Jetzt hat sich das Wetter wieder beruhigt, und es gibt keinen Grund für Caro, länger bei Jake zu bleiben. Abgesehen davon, dass sie unrettbar ihr Herz an ihn verloren hat! Doch ihre Liebe scheint ohne Zukunft …

STILLE NACHT, GLÜCKLICHE NACHT von KATHIE DENOSKY

Kein Weihnachten? Erstaunt erfährt Lucas McCabe, dass seine hübsche neue Nachbarin Megan in diesem Jahr nicht feiern will. Doch mit zarten Küssen weckt er in ihrem einsamen Herzen zaghafte Vorfreude auf das Fest der Liebe - und plant, es mit ihr zu verbringen!

AUCH MILLIARDÄRE BRAUCHEN LIEBE von FIONA HOOD-STEWART

Der milliardenschwere Brasilianer Victor weiß genau, was er will - eine lockere Affäre. Doch seit er die sanftmütige Engländerin Araminta in seinem winterlichen Château in die Arme geschlossen hat, geht sie ihm nicht mehr aus dem Sinn! Ist er wirklich bereit, noch einmal einer Frau sein Herz zu öffnen?


  • Erscheinungstag 03.11.2020
  • Bandnummer 15
  • ISBN / Artikelnummer 9783733715441
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Jackie Braun, Kathie Donsky, Fiona Hood-Stewart

JULIA WINTERTRÄUME BAND 15

PROLOG

Jack McCabe ballte eine Hand zur Faust. Er spürte einen furchtbaren Schmerz und eine sinnlose Wut. Zu gern hätte er mit der Faust auf die Wand eingeschlagen. Er hätte blutige Knöchel in Kauf genommen, wenn er sich damit nur ein klein wenig Erleichterung verschafft hätte.

Stattdessen löste er langsam die Faust, schlug sein Tagebuch auf und nahm einen Stift zur Hand. Es befand sich bislang nur ein einziger Eintrag darin, geschrieben vor ein paar Monaten. Damals hatte der Psychologe, der für sein Polizeirevier zuständig war, ihm geraten, Tagebuch zu führen. So sollte er seine Gedanken sammeln und seinen Gefühlen Luft machen.

„Was für ein Unsinn“, stand dort. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es mir weiterhilft, wenn ich Tagebuch führe.“

Als die neue Wunde nun in ihm schmerzte, schrieb er das auf, was er nicht aussprechen konnte. Er fand dadurch zwar keinen Frieden, denn den konnte es für ihn nicht geben, aber er stellte fest, dass der Psychologe recht gehabt hatte. Er musste seinen angestauten Gefühlen endlich Luft machen. Die Wörter flossen in einem bitteren Strom aus ihm heraus. Erst ein Absatz, dann zwei, geschrieben in seiner kräftigen Schrift.

Danach ließ Jake den Kopf sinken und weinte. Tränen verschmierten die Tinte, sodass der erste Satz bald nicht mehr zu lesen war. Das machte nichts. Er würde sich an die Wörter erinnern, wenn der wütende Sturm seiner aufgewühlten Gefühle sich längst beruhigt hatte.

„Miranda hat unser Baby getötet.“

1. KAPITEL

Das Auto prallte so hart gegen die Schneewehe, dass der Airbag aufging. Aber immerhin war der Wagen nach einer endlosen Schlitterpartie auf der eisglatten Straße endlich zum Stehen gekommen.

Carolin Franklin Wendell nahm langsam die zitternden Hände vom Steuer und fuhr sich über das Gesicht. Es war nicht das eigene Leben gewesen, das in der Schrecksekunde vor ihrem inneren Auge vorbeigezogen war. Es war das Leben ihres Sohnes Cabot gewesen. Wenn sie gestorben wäre, dann hätte er bei seinem Vater und seiner Großmutter aufwachsen müssen. Bei dem Gedanken erschauderte sie.

Caro starrte durch die Windschutzscheibe. Ihr Kleinwagen steckte in der Schneewehe fest. Aber Caro wusste, dass ihr Leben vom richtigen Weg abgekommen war, lange bevor sie auf der Straße ins Schleudern geraten war. Seitdem sie vor vier Jahren törichterweise Truman geheiratet hatte, war ihr das eigene Leben entglitten. Nur hatte sie es sich selbst bislang nicht eingestehen wollen.

Noch an diesem Morgen, als sie beschlossen hatte, zu ihrem Mann zurückzukehren, hatte sie insgeheim gehofft, einen Weg aus diesem Albtraum zu finden. Nicht um ihrer selbst willen, sondern für Cabot. Ihr Sohn war das einzig Gute, was aus ihrer Ehe mit dem Erben einer der reichsten und mächtigsten Familien Neu-Englands hervorgegangen war.

Ihr Herz schlug wie wild, und sie zitterte am ganzen Körper. Sie ließ die Stirn auf das Lenkrad sinken und wusste mit einem Mal, dass es die Wahrheit war. Truman hatte recht. Sie hatte keine andere Wahl.

Es ist nur zu deinem Besten, Caroline. Du brauchst mich.

Caro wusste nicht, wie lange sie schon so dagesessen hatte. Der letzte Rest Wärme war aus dem Auto entwichen. Wenn sie ausatmete, konnte sie weiße Wölkchen sehen, ihre Fingerspitzen kribbelten vor Kälte, obwohl sie in kaschmirgefütterten Lederhandschuhen steckten. Sie zog das Handy aus ihrer Handtasche. Nun musste sie ihren Mann anrufen, um ihre Verspätung anzukündigen und um mehr Zeit zu bitten. Aber wenn es um ihren Sohn ging, dann würde sie sogar betteln. Doch zuerst brauchte sie einen Abschleppwagen und ein warmes Plätzchen, wo sie die Reparatur ihres Autos abwarten konnte.

Sie klappte das Handy auf und betrachtete einen Moment das Foto ihres Sohnes auf dem Display. Er lächelte, glücklich und sorglos, wie es sich für ein Kind gehörte. Sie fuhr zärtlich mit dem Finger über sein Engelsgesicht, dann stellte sie erschrocken fest, dass ihr Telefon keinen Empfang hatte.

Sie kämpfte mit der Tür, dann stieg sie in den knietiefen Schnee, hob das Handy in die Luft und drehte sich langsam im Kreis.

Immer noch kein Empfang.

Sie stopfte das Handy in die Tasche ihrer Winterjacke und schimpfte. Ihre Worte schwebten auf einer kleinen Atemwolke davon.

Ich muss auf Hilfe warten, dachte sie. Allerdings war es fraglich, ob noch ein Autofahrer so dumm wäre, sich bei diesem Wetter auf die Straße zu wagen. Die reine Verzweiflung hatte Caro dazu getrieben. Sie sah in die Richtung, aus der sie gekommen war. Sie war an einer Tankstelle vorbeigefahren, als sie törichterweise beschlossen hatte, die Autobahn zu verlassen, da die Straßenverhältnisse dort immer schlechter geworden waren. Das war vor fünf oder sechs Kilometern gewesen. Sie trug Stiefel, aber das weiche Leder und die sieben Zentimeter hohen Absätze waren nicht für dieses Wetter gedacht, schon gar nicht für eine anstrengende Wanderung.

Sie schaute in die andere Richtung. Was mochte sie auf dem Weg, den sie eingeschlagen hatte, noch erwarten?

Bei ihrem Pech würde sie wahrscheinlich kilometerlang nur Ahornbäume und Schneewehen sehen. Sie hatte den Unfall zwar überlebt, aber aus dem Schlimmsten war sie noch längst nicht heraus. Tränen stiegen ihr in die Augen, und ihr Atem ging schneller. Was sollte sie bloß tun? Sie hatte einen Termin einzuhalten.

Mit einem Mal meinte Caro, in der Ferne das Klingeln von Glöckchen zu vernehmen. Wahrscheinlich ist es nur der Wind, dachte sie. Doch einen kurzen Moment später erschien hinter der Kurve ein Mann auf einem Pferd. Die Krempe seines Huts war voller Schnee, ebenso die breiten Schultern, die in einem schweren Wildledermantel steckten. Ich muss träumen, dachte Cora. Doch der Mann kam näher, und sie konnte seine markanten Gesichtszüge erkennen: dunkle Augen, kantige Wangenknochen, Bartschatten am Kinn.

Carolines Herz setzte einen Schlag aus, dann gaben ihre Knie nach und sie sank in den Schnee.

Wahrscheinlich bin ich tot, dachte sie.

Nachdem Jake die Frau entdeckt hatte, wischte er sich mit der Hand über die Augen. Bestimmt bilde ich es mir nur ein, dachte er. Keine Frau würde sich bei diesem fürchterlichen Wetter freiwillig draußen aufhalten. Er selbst war nur deshalb hinausgestürmt, weil er seine Wut hatte abreagieren müssen. Und er hatte das Pferd mitgenommen. Die alte Bess kannte den Weg ins sichere Zuhause besser als er.

Als er sah, wie die Frau zusammenbrach, sprang er aus dem Sattel und kämpfte sich durch den knietiefen Schnee zu ihr. Er hockte sich neben sie und widerstand dem Wunsch, sie in die Arme zu nehmen.

Dein Freund und Helfer.

Es war eine Ewigkeit her, da war das sein tägliches Brot gewesen. Jetzt nicht mehr.

„Hallo, hören Sie mich?“ Seine scharfe Stimme schnitt wie ein Messer durch die kalte Luft. „Geht es Ihnen gut?“

Sie starrte ihn aus glasigen Augen an. Angst lag in ihrem Blick. Es war nicht das erste Mal, dass Menschen so auf ihn reagierten. Er kannte diesen Blick aus langjähriger Berufserfahrung.

Aber dann tat sie etwas, dass ihn direkt ins Herz traf. Sie hob eine zitternde Hand an seine Schläfen und fragte: „Sind Sie ein Engel?“

Die Frage überraschte ihn. Man hatte Jake in den letzten Jahren eine Menge Namen verpasst. Engel war nicht dabei gewesen.

„Nein, kein Engel.“

„Ich dachte, …“

„Sind Sie verletzt?“

Sie runzelte die Stirn. „Ich glaube, nicht.“

„Und Sie haben sich auch nicht den Kopf gestoßen?“

Er sah zum Auto und entdeckte den schlaffen Airbag. Er hatte sie vor einem stärkeren Aufprall geschützt, was allerdings nicht hieß, dass sie keine inneren Verletzungen davongetragen hatte.

„Mir geht es gut“, beharrte sie. Als ob sie ihre Aussage unter Beweis stellen wollte, rappelte sie sich mühsam auf.

Jake stand ebenfalls auf. Die Frau war größer als erwartet, wenn man ihre zierliche Erscheinung bedachte. Nicht zierlich, entschied er. Zart. Das war ein erheblicher Unterschied.

Ihr Scheitel reichte bis eben an seine Nase heran. Im hohen Schnee waren ihre Füße nicht zu sehen. Aber Jake konnte schwören, dass sie unpraktisches, hochhackiges Schuhwerk trug, das zu ihrer modischen, aber unzweckmäßigen Kleidung passte. Was für ein Glück, dass er im rechten Moment aufgetaucht war. Allein hätte sie wohl keine weitere Stunde durchgehalten.

Die Menschen brauchen dich, Jake.

„Mit meinem Auto sieht es allerdings anders aus“, sagte sie. „Ich bin mir nicht sicher, wie groß der Schaden ist, aber es muss abgeschleppt und repariert werden.“

Die Menschen zählen auf dich, Jake.

Er verdrängte den Gedanken und betrachtete das kleine Fahrzeug. Wahrscheinlich verbrauchte es nur wenig Benzin, aber das war auch alles, was für das Auto sprach. Schroffer als beabsichtigt, sagte er: „Das nennen Sie ein Auto? Es sieht eher wie ein Spielzeug aus.“

Die Frau lachte, aber es klang eher hysterisch als fröhlich. Wenn er nicht aufgekreuzt wäre, hätte sie wohl nicht einmal mehr eine halbe Stunde durchgehalten.

„Wie dem auch sei. Wissen Sie, ob es eine Werkstatt in der Nähe gibt? Und ein Telefon? Mein Handy hat hier kein Netz, und ich muss den Abschleppdienst anrufen.“

„Sie können vom Gasthof aus telefonieren.“

Sie seufzte erleichtert auf. „Es gibt einen Gasthof in der Nähe?“

Er nickte. „Die Straße hinunter, in etwa 800 Metern Entfernung.“

„Wissen Sie, ob noch ein Zimmer frei ist?“ Sie griff nach seinem Arm. „Bitte sagen Sie ja.“

Jake schluckte, als er in zwei haselnussbraune Augen blickte. „Ich bin sicher, es ist noch etwas frei.“

In Wahrheit war der Gasthof nur noch ein Schatten seiner selbst. Genau wie der Mann, der ihn vor ein paar Monaten gekauft hatte. Der Gasthof hatte eigentlich geschlossen, aber an diesem Osterwochenende waren tatsächlich Gäste gekommen. Jakes gesamte Familie hatte ihm einen Überraschungsbesuch abgestattet. Und das war der Grund, warum er sich bei dem heftigen Schneesturm draußen aufhielt.

Seine Eltern, sein Bruder, seine Schwägerin und ihre beiden Kinder waren am Tag zuvor unangemeldet aufgetaucht. Keine 24 Stunden später hatte er sich mit seinem jüngeren Bruder in den Haaren gelegen. Er war lieber aus dem Haus gelaufen, als etwas zu sagen, was er später bereuen würde.

„Gott sei Dank“, sagte die Frau. „K…könnten Sie mich vielleicht hinbringen?“ Ihr Blick fiel auf das Pferd. Bess wartete geduldig ein paar Meter abseits. Normalerweise wurde das Tier eingesetzt, um den großen Pferdeschlitten zu ziehen. Jake hatte es beim Kauf des Hauses als Dreingabe erhalten.

„Natürlich.“

Er klang nicht sonderlich glücklich. Ihr Gesichtsausdruck verriet, dass es ihr nicht entgangen war.

„Sie haben gesagt, dass es nur 800 Meter sind. I…ich kann hinlaufen.“ Sie machte einen unbeholfenen Schritt im Schnee.

„Sicher.“ Seine Stimme klang abfällig. „Mit dieser Kleidung können Sie froh sein, wenn Sie sich nicht schon nach einem Meter zu Tode frieren.“

Sie drehte sich aufgebracht zu ihm um. Ihre haselnussbraunen Augen funkelten wütend, und die rote Farbe ihrer Wangen rührte nicht nur vom bitterkalten Wind her. „Ich bin nicht hilflos! Ich komme gut allein zurecht!“

Die Worte hallten von den Ahornbäumen wider. Schnee fiel von den Zweigen. Vielleicht ist sie nicht hilflos, dachte Jake. Aber sie war ganz bestimmt verzweifelt. Er hatte diesen Gesichtsausdruck bei Menschen gesehen, deren Angehörige in den Drogenhandel verstrickt waren. Bei jenen Menschen hatte er genau gewusst, was ihnen Kummer bereitete. Aber welchen Grund hatte eine Frau, die ihrem Äußeren nach mit dem schönen Leben der Reichen vertraut war, verzweifelt zu sein?

Er verdrängte die Frage und den alten Wunsch zu helfen. Es geht mich nichts an. Jake hatte sich offiziell vom Heldengeschäft verabschiedet. Allerdings hatte man ihm keine andere Wahl gelassen.

Trotzdem sagte er jetzt: „Kommen Sie, ich helfe Ihnen in den Sattel.“

Die Frau sah unsicher zum Pferd. „Es macht mir wirklich nichts aus, zu Fuß zu gehen.“ Sie klang jetzt weniger stolz als ängstlich.

„Aber mir. Dann werden wir nämlich mindestens doppelt so lange unterwegs sein.“ Seine Stimme klang jetzt etwas sanfter. „Sie müssen keine Angst vor Bess haben. Sie tut nichts.“

Die Frau zeigte zu ihrem Auto. „Was passiert mit meiner Tasche?“

Er musste sich stark zusammennehmen, um nicht die Augen zu verdrehen. „Wie groß ist sie?“

„Ich rede nicht von meinem Gepäck auf dem Rücksitz. Ich brauche nur meine Kulturtasche. Sie liegt auf dem Beifahrersitz.“

Beim Blick durch das Fenster verzog er das Gesicht. Die Tasche war immerhin so klein, dass sie auf einem Flughafen als Handgepäck durchgegangen wäre. Aber da ihre Reise auch ohne zusätzliches Gepäck recht heikel war, sagte er: „Ich werde sie später holen.“

Er hatte erwartet, dass sie widersprechen würde. Stattdessen stapfte sie durch den Schnee zum Pferd. Obwohl der Wind heulte, konnte Jake den Singsang hören, mit dem sie sich Mut machte: „Ich schaffe das, ich schaffe das.“

Er half ihr in den Sattel, dann schwang er sich hinter ihr aufs Pferd. Bess machte einen nervösen Schritt zur Seite, da sie es nicht gewohnt war, überhaupt einen Reiter auf ihrem Rücken zu tragen, ganz zu schweigen von zweien. Jake konnte gut nachvollziehen, wie sie sich fühlte. Er war es gewohnt allein auf einem Pferd zu reiten und keine schöne Fremde auf dem Schoß sitzen zu haben.

„Ruhig, Bess. Alles ist gut“, sagte er.

Die Frau drehte sich zu ihm um. „Da fällt mir ein, ich kenne den Namen Ihres Pferdes, aber Ihren Namen weiß ich nicht.“

„Jake. Jake McCabe.“ Er wartete auf eine Reaktion. Eine Zeit lang hätten viele bei seinem Namen aufgeschrieen, zumindest in seiner Heimatstadt Buffalo. Doch ihre Miene blieb unverändert.

„Ich heiße Caroline … Franklin.“ Ihre Stimme klang seltsam herausfordernd, als sie hinzufügte. „Meine Freunde nennen mich Caro.“

„Also Caro, sind Sie bereit?“

Caro nickte, und Jake gab dem Pferd die Zügel.

Der Weg zum Gasthof dauerte länger als erwartet. Das Wetter war noch schlechter geworden. Der Wind hatte die älteren Hufspuren des Pferdes verweht.

Er atmete erleichtert auf, als er den Gasthof sah. Der Ort hatte eine beruhigende Wirkung auf ihn. Das Haus stand im Schutz hoher Bäume und war von der Hauptstraße aus nicht zu entdecken. Die große Veranda war mit einer dicken Schicht Schnee bedeckt, obwohl er sie kurz vor seinem Ausritt freigeschaufelt hatte. Im Sommer wollte er dort die Schaukelstühle aufstellen, die er in seiner Werkstatt gebaut hatte.

Er hatte schon immer gern mit Holz gearbeitet, und dank der geduldigen Anleitung seines Vaters, die ihm in seiner Kindheit zuteilgeworden war, verfügte er über einiges Geschick. Während sich einige Polizisten nach einem anstrengenden Tag dem Alkohol hingaben, hatte sich Jake an Bandsäge, Winkelschleifer und anderen Werkzeugen ausgetobt.

Wahrscheinlich hatte die Arbeit mit Holz ihn vor dem Durchdrehen bewahrt, während er das Ergebnis der internen Untersuchung abgewartet hatte, die auf den Tod der Frau und ihres Kindes gefolgt war. Sie waren bei einer Durchsuchungsaktion in einem Haus erschossen worden, in dem sich angeblich ein bekannter Drogenhändler versteckt hielt. Zwar hatte Jake nicht selbst geschossen, aber er hatte damals das Kommando geführt.

Sein Team war zur falschen Adresse gefahren.

Noch vor Abschluss der Ermittlungen hatte er zwei Stühle gebaut. Er hatte sich noch mehr Mühe gegeben als sonst, fest entschlossen, alles perfekt zu machen. Auch ohne die Hilfe des Psychologen wusste er, dass es ihm darum ging, die Kontrolle wiederzuerlangen. Am Ende war er mit den beiden Stühlen sehr zufrieden gewesen, aber die Ergebnisse der internen Untersuchung hatten ihn aus der Bahn geworfen.

Sie behaupteten, er habe die richtige Adresse erhalten, sich aber beim Lesen vertan. Nein, das hatte er nicht, verteidigte er sich zunächst. Aber dann waren wichtige Papiere nicht mehr auffindbar, und da ihn der Tod der beiden unschuldigen Menschen verfolgte, war er sich plötzlich nicht mehr so sicher. Nach der internen Untersuchung erhielt er eine Abmahnung, die in seine Akte wanderte, bekam aber die Erlaubnis, zu seiner Dienststelle zurückzukehren. Doch dann nahmen die Dinge eine noch schlimmere Wende.

Der junge Polizist, der die Schüsse abgefeuert hatte, beging Selbstmord, da er nicht damit fertig geworden war, das Blut zweier unschuldiger Menschen an seinen Händen kleben zu haben. Aber für die Leute in seiner Heimatstadt Buffalo stand fest, dass Jake auch daran die Schuld trug.

Jake, der nach Abschluss der Polizeischule fast zwölf Jahre lang in Buffalo Polizist gewesen war, geriet zum Außenseiter. Allerdings stellten sich einige Menschen öffentlich auf seine Seite. Die Polizeigewerkschaft hatte angekündigt, gegen das Untersuchungsergebnis Einspruch einzulegen. Aber als der Polizeihauptmann ihm eine Abfindung anbot, nahm Jake an. Er sah keine andere Möglichkeit, als aus dem Dienst auszuscheiden.

Welchen Grund hatte er, gegen das Untersuchungsergebnis vorzugehen? Eine Frau war tot, ihr Baby ebenfalls. Sein Kollege hatte sich das Leben genommen. Auch wenn sich Jake nicht bei der Adresse vertan hatte, so war die Schießerei doch unter seinem Kommando passiert. Und dann war da noch die Sache mit Miranda …

Er hatte seine Sachen gepackt und der Polizeitruppe und Buffalo den Rücken gekehrt.

Vor sechs Monaten war er zu dem Gasthof gefahren. Als Junge war er mit seiner Familie häufig dort gewesen. Das Haus lag im Schatten der Berge der Green Mountains im Bundesstaat Vermont. In seiner Kindheit hatte er den Ort geliebt, und er hoffte, dass er den alten Zauber als Erwachsener wiederfinden würde. Aber der Gasthof war geschlossen, ein Schild stak im Rasen, auf dem er zum Verkauf angeboten wurde. Als er den erbärmlichen Zustand des Gebäudes sah, wurde Jake ganz weh ums Herz. Dann hatte er es gekauft.

Die Menschen, die in der Nähe wohnten, waren höflich, aber gegenüber Fremden etwas reserviert. Jake war das egal. Schließlich war er nicht hier, um neue Freunde zu finden, sondern endlich Frieden. Er lief nicht vor seinen Problemen davon und versteckte sich hier. Auch wenn sein Bruder genau das vor einer halben Stunde behauptet hatte …

„Ist es das?“

Jake brauchte einen Moment, bis er erkannte, dass das Pferd am Gasthof vorbeigetrottet und vor der Tür des Stalls stehen geblieben war.

„Sieht so aus, als wollte selbst Bess sich vor dem Sturm in Sicherheit bringen“, murmelte er.

„Sie wohnt hier?“ Caro drehte sich zu ihm um. „Sie wohnen hier?“

„Ja. Ich bin der Eigentümer.“

Sie schaute ihn ungläubig an. Jake konnte das nachvollziehen. Er benahm sich nicht so freundlich, wie es sich für den Besitzer eines Gasthofes gehört hätte. Noch dazu sah das Haus nicht allzu wohnlich aus, mit der abblätternden Farbe, den losen Brettern und dem wuchernden Gebüsch.

„Es hat momentan geschlossen. Aber immerhin ist es drinnen warm und trocken. Ich bringe Sie ins Haus, dann hole ich Ihre Tasche.“ Er redete dem Pferd gut zu. „Tut mir leid, Bess, aber dein Stall muss noch warten.“

Der Schnee fiel jetzt in dicken Flocken, gerade so, als lieferten sich die Engel eine Schneeballschlacht. Jake sprang aus dem Sattel, reichte Caro die Hand und half ihr herunter.

Als sie die Terrasse hinter dem Haus erreichten, lächelte Caro ihn an. Jake konnte sich nicht erklären, warum er sie so faszinierend fand. Ihr Gesichtsausdruck verriet nichts als Höflichkeit, dennoch fand er ihn sexy und ein wenig zu einladend.

Plötzlich sagte sie: „Bitte, gehen Sie nicht.“

„Ich soll nicht gehen?“, fragte er gedankenverloren, als er die Röte auf ihren Wangen sah.

„Die Tasche ist nicht so wichtig. Bei dem Wetter …“ Sie hob die Hand hoch. „Sie haben schon genug für mich getan. Ich könnte es mir nicht verzeihen, wenn Ihnen meinetwegen etwas passiert.“

Jake blinzelte. Er hatte fast vergessen, wie es war, wenn sich jemand – noch dazu eine Frau – um ihn Sorgen machte.

„Ganz sicher?“

Sie nickte und ein paar Schneeflocken fielen ihr aus dem Haar. Er strich mit der Hand weitere weg, sie sah verlegen zur Seite. Ein Gefühl kam in ihm auf, so unerwartet wie der verspätete Wintersturm. Ihm wurde schmerzhaft bewusst, dass er schon lange Zeit nicht mehr mit einer Frau zusammen gewesen war.

Eine Tür ging hinter ihnen auf, bevor er etwas tun konnte, dass er später bereut hätte. Er war dankbar, dass die Situation gerettet war. Dann erkannte er, dass seine Mutter in der Tür stand. Sie hatte die Hände in die Hüften gestemmt, und ihre Augen funkelten böse.

„Jacob Robert McCabe, dass du mir ja nie wieder …“ Doreen McCabe hielt mitten in der Schimpfkanonade inne, als sie Caroline entdeckte. Überrascht änderte sie Haltung und Tonfall. „Oh, guten Tag. Ich bin Doreen. Jakes Mutter.“

„Darf ich vorstellen – Caroline Franklin“, sagte er.

„Caro.“

„Ach ja, Caro.“

Doreen nickte. Ihr Blick wanderte von einem zum anderen. „Ich wusste nicht, dass Jake noch eine Freundin erwartet.“

„Habe ich nicht“, sagte er im selben Moment, als Caro antwortete: „Bin ich nicht.“

„Ich meine, wir kennen uns nicht.“ Ihr Lachen klang verlegen.

Wenn seine Mutter die Situation verwirrend fand, ließ sie sich nichts anmerken. Stattdessen wies sie ihren Sohn zurecht: „Um Himmels willen, Jake! Hast du denn gar kein Benehmen? Bring das Mädchen sofort ins Haus, bevor sie sich noch den Tod holt. Sie muss die nassen Sachen ausziehen.“

Jake musste schlucken. Einen törichten Moment lang hatte er genau dasselbe gedacht.

2. KAPITEL

Caro betrat den Vorraum des Gasthofs und hätte beinahe wohlig aufgeseufzt, als ihr die Wärme entgegenschlug. Sie hörte verschiedene Stimmen, darunter auch die hellen Schreie von Kindern. Sie warf einen fragenden Blick in Jakes Richtung, bevor sie sich bückte, um mit klammen Fingern die Stiefel auszuziehen.

„Haben Sie nicht gesagt, der Gasthof sei geschlossen?“, murmelte sie.

„Ist er auch.“ Jake hatte schon den Hut abgenommen, nun zog er den Mantel aus.

„Das sind keine Gäste. Das ist der Rest unserer Familie“, erklärte Doreen, während sie ihrem Sohn den Mantel abnahm. Sie sah Jake vielsagend an und fügte hinzu: „Und da wir eine Familie sind, kümmern wir uns umeinander …“

„Mom …“

„Ich meine ja nur.“ Sie nahm Caro die Winterjacke ab und hängte sie zum Trocknen auf einen Bügel. „Ich hole ein paar Handtücher. Geht doch ins Wohnzimmer und setzt euch zum Aufwärmen an den Kamin.“

Caro musste lächeln. Jake schien kein Mann zu sein, der Befehle entgegennahm – außer von seiner Mutter.

Er führte sie in einen Raum, in dem ein Feuer im Kamin loderte. Ein älterer Mann saß in einem Lehnstuhl davor und rauchte eine Pfeife. Zwei Kinder spielten zu seinen Füßen. Auf der Couch gegenüber kuschelte sich ein jüngeres Paar in eine dicke Wolldecke.

Eine richtige Familie.

Caro spürte einen Stich im Herzen. Ihre Eltern waren vor fünf Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Sie hatte damals die Leichen identifizieren müssen. Noch immer griff sie manchmal geistesabwesend zum Telefon, um sie anzurufen.

Der Tod ihrer Eltern war wohl auch der Grund gewesen, warum sie Truman überhaupt geheiratet hatte. Sie hatte sich damals so einsam und verloren gefühlt. Er war ihr eine echte Stütze gewesen, hatte ihr geholfen, Entscheidungen zu treffen, als sie zu verstört und durcheinander war. Erst später war ihr aufgefallen, dass er sie damit nur unter seine Kontrolle bringen wollte.

Aber jetzt war nicht der Zeitpunkt, darüber nachzudenken. Caro fühlte sich erleichtert, dass sie die Nacht nicht allein in dem alten Gasthof mit seinem mürrischen Besitzer verbringen musste. Allerdings fühlte sie sich auch wie ein Eindringling, da sie offensichtlich in ein Familientreffen geraten war. Alle Anwesenden starrten sie an: Der ältere Mann sah von seinem Buch hoch, die Kinder hörten auf zu spielen und das Paar setzte sich aufrecht hin.

Eines der Kinder brach das Schweigen.

„Onkel Jake ist wieder da!“, rief das kleine Mädchen. Sie lief auf Jake zu und schlang die Arme um sein Bein.

Der kleine Junge folgte ihr sofort. Er klammerte sich an das andere Bein und schien hinaufklettern zu wollen. Caro lächelte, weil Cabot sich genauso verhalten hätte. Allerdings wäre Trumans Reaktion ganz anders ausgefallen als die von Jake. Anstatt von dem Gefühlsausbruch des Jungen peinlich berührt zu sein, nahm Jake ihn auf den Arm.

„Hallo, kleiner Mann.“

Caros Herz machte einen Satz. Das musste daran liegen, dass sie sich nichts sehnlicher für ihr Kind gewünscht hätte als einen Vater, der sich liebevoll auf seine Mätzchen eingelassen hätte. Jake konnte nicht der Grund für das warme Gefühl in ihrem Herzen sein. Auch wenn er mit einem Mal nichts mehr mit dem mürrischen Mann gemeinsam hatte, der sie aus dem Schnee gerettet hatte.

Jake lächelte aus ganzem Herzen, seine stahlblauen Augen sprühten vor Freude.

„Daddy hat gesagt, du frierst dir draußen noch den dummen Kopf ab.“

Kindermund tut Wahrheit kund, dachte Caro. Glücklicherweise hatte sie sich ein Lächeln verkniffen, denn Jake fragte nicht mehr ganz so freudig: „Hat er das gesagt?“ Er warf einen finsteren Blick in Richtung Couch. Der Mann, der dort saß, war offensichtlich sein Bruder.

Auch das versetzte Caro einen kleinen Stich. Sie war ein Einzelkind gewesen.

Der kleine Junge grinste und nickte. „Ja. Aber Grandpa hat gesagt, dass dir ein bisschen frische Luft bestimmt guttut. Hat sie das?“

Jake lächelte schief. „Ja, das hat sie.“

„Ich bin froh, dass du wieder da bist, Onkel Jake“, sagte das Mädchen begeistert. „Mommy und Grandpa haben sich nämlich schon Sorgen gemacht, dass dir etwas passiert ist.“

„Hast du dir auch Sorgen gemacht?“, fragte Jake.

„Ein bisschen. Aber du bist unbesiegbar.“ Sie sah zur Couch. „Das war doch der Superheld auch – der in dem Film, den wir letzte Woche gesehen haben.“

Jakes Blick wurde traurig, als er erwiderte: „Ich bin kein Superheld.“

Irgendetwas stimmt hier nicht, dachte Caro. Die Spannung, die in der Luft lag, war deutlich zu wahrzunehmen.

Sie sollte einen Abschleppdienst rufen und das Auto reparieren lassen, damit sie bald wieder aufbrechen konnte. „Darf ich das Telefon benutzen?“

Bevor Jake eine Antwort geben konnte, fragte der Junge: „Wer ist das, Onkel Jake?“

Caro gab die Antwort selbst. „Ich heiße Caro. Dein Onkel ist vielleicht kein Superheld, aber er hat mich vor dem Sturm gerettet. Mein Auto steckt im hohen Schnee fest.“

Jake warf ihr einen kurzen Blick zu. „Ich war nur zur rechten Zeit am rechten Ort“, murmelte er.

„Ich heiße Jillian“, sagte das Mädchen. Sie streckte Caro die Hand hin. „Ich bin sechs und habe einen Wackelzahn. Willst du mal sehen?“

Ohne die Antwort abzuwarten, öffnete Jillian den Mund und wackelte mit der Zunge an einem Schneidezahn.

„Jilly“, ermahnte die Frau, die mit Jakes Bruder und dem älteren Mann auf Caro zugekommen war. Sie sah Caro verlegen an. „Bitte entschuldigen Sie.“

„Das macht gar nichts. Für ein Kind ist ein loser Zahn etwas Aufregendes.“

Jake räusperte sich. „Caro, darf ich vorstellen: meine Schwägerin Bonnie und mein Bruder Dean. Jillian kennen Sie ja schon. Und das ist ihr Bruder Riley.“

„Ich bin fast fünf“, verkündete Riley, wobei er die entsprechende Zahl Finger in die Luft hielt.

Jillian verdrehte die Augen. „Er ist letzte Woche vier geworden.“

Nur Kinder haben es mit dem Älterwerden eilig, dachte Caro. Sie bückte sich, um die kleine Hand zu nehmen. „Schön dich kennenzulernen, Riley.“

Als der Junge lächelte, sah Caro die entzückenden Grübchen in seinen Wangen. Genau wie Cabot.

„Und das ist mein Vater Martin McCabe“, sagte Jake.

„Freut mich sehr, Mr. McCabe.“ Ihre Hand verschwand fast in der mächtigen Pranke von Jakes Vater.

„Mich ebenfalls.“

Doreen kam ins Zimmer, sie trug einen Stapel Handtücher. Caro wurde bewusst, dass sie schlimm aussehen musste. Truman und seine Mutter wären entsetzt, wenn sie Caro gesehen hätten: Sie stand neben lauter Fremden und sah wie aus dem Wasser gezogen aus. Allerdings hätten die Wendells auch niemals mit Leuten wie den McCabes verkehrt. Die McCabes gehörten nicht zu der Sorte Snobs, die sich bei steifen Abendgesellschaften über Investmentfonds unterhielten und sich darüber das Maul zerrissen, welcher ihrer Bekannten an der Börse keinen großen Reibach gemacht hatte.

Die McCabes sind wie meine Eltern, dachte Caro: bodenständige Familienmenschen. Bei dem Gedanken erschauderte sie.

„Du liebe Güte! Sie zittern ja. Setzen Sie sich ans Feuer!“, rief Doreen. „Martin, leg noch einen Scheit auf. Dean, hol dem armen Mädchen die Wolldecke.“

Sie musterte Caro von oben bis unten. „Bonnie hat bestimmt etwas zum Anziehen für Sie, auch wenn Sie etwas größer sind.“

„Bitte machen Sie sich wegen mir keine Umstände. Ich will Ihnen nicht zur Last fallen.“

„Warum sind Sie dann bei einem Schneesturm unterwegs?“, fragte Jake.

Caro richtete sich kerzengerade auf. „Ich habe einen dringenden Termin.“

„Aber nicht bei einem Sturm.“

„Sturm hin oder her, er ist wichtig!“

„So wichtig kann nichts auf der Welt sein“, gab Jake zurück.

„Doch.“ Caro musste an Cabot und Trumans Bedingungen denken und schluckte schwer. „Ich habe … einen Termin einzuhalten.“

„Arbeit?“ Er schnaubte verächtlich. „Sie haben Ihr Leben für die Arbeit riskiert?“

Sollte er doch denken, was er wollte. „Im Gegensatz zu Ihnen war ich nicht auf einem Pferd unterwegs.“

Jake sah sie mit offenem Mund an, dann presste er die Lippen zusammen. Dean verkniff sich ein Lachen. Caro bemerkte, dass die übrigen Familienmitglieder ihre Schlagfertigkeit durchaus amüsant fanden. Trotzdem war es ihr peinlich, dass sie sich nicht gut benommen hatte.

„E…es tut mir leid.“

Jake entspannte sich. „Sagten Sie nicht, dass Sie das Telefon benutzen wollen?“

„Ja, mein Handy hat keinen Empfang.“

„Kommen Sie.“

Doreen legte Caro die Decke um die Schultern. „Keine Angst“, flüsterte sie, „mein Sohn bellt zwar, er beißt aber nicht.“

Da Caro nicht wusste, was sie von dieser Bemerkung halten sollte, lächelte sie bloß.

Jake wartete neben dem Empfangstresen in der Nähe des Eingangs. Eine kleine Messinglampe beleuchtete ein vergilbtes Gästebuch. Das Telefon schien noch aus dem vorletzten Jahrhundert zu stammen, es hatte eine Wählscheibe und einen klobigen schwarzen Hörer.

„Es ist ein Ferngespräch“, sagte sie.

„Kein Problem.“ Er schob ihr das Telefon hin.

„Ich erstattete Ihnen die Gebühren natürlich.“ Wenn man an den Zustand des Gasthofes dachte, konnte er das Geld sicherlich gebrauchen.

„Machen Sie sich deswegen keine Sorgen“, erwiderte Jake.

Jake ließ sie allein. Er war wütend. Das lag allerdings nicht an Caro, obwohl sie bei dem Wetter besser zu Hause geblieben wäre, als mit dem Auto herumzufahren.

Und das nur wegen ihrer Arbeit!

Jake war wütend auf sich selbst. Warum benehme ich mich nur so? fragte er sich. Und warum hatte Dean sich in seine Angelegenheiten gemischt und alte Wunden aufgerissen, die gerade erst begonnen hatten, halbwegs zu verheilen?

„Du bist egoistisch“, hatte Dean am Nachmittag zu ihm gesagt.

Jakes Familie war am Abend zuvor angekommen. Sie hatten am Flughafen von Montpelier einen großen Kombi gemietet und plötzlich vor seiner Tür gestanden.

„Ich will nur meine Ruhe.“

„Nein, du willst hier vor dich hin grübeln. Man hat dich geopfert, um einen Fehler zu vertuschen. Anders kann es gar nicht gewesen sein.“ Dean hatte den Kopf geschüttelt. „Ich verstehe nicht, warum du es einfach hingenommen hast.“

„Eine Frau ist gestorben. Und ihr Kind auch. Mein Kollege hat sich das Leben genommen.“

Und dann war da noch die Sache mit Miranda …

„Aber es war nicht deine Schuld. Du warst bei der richtigen Adresse“, beharrte Dean. „Jemand, der so übergenau ist wie du, fährt nicht zur falschen Adresse.“

Jake hätte ihm gern geglaubt, aber es gelang ihm nicht. „Ich hatte das Kommando, also ist es meine Schuld.“

„Das sagst du immer wieder. Es ist jetzt schon über ein Jahr her. Warum bist du so streng mit dir? Du solltest ins Leben zurückkehren.“ Deans Stimme klang empört.

Die Frau und das Kind hatten ihr Leben gelassen. Ebenso sein junger Kollege. Über diese Tatsache konnte Jake nicht einfach hinwegsehen. Seine Familie hatte während des Ermittlungsverfahrens zu ihm gehalten. Aber seine Frau hatte die Scheidung verlangt und das gemeinsame Kind abtreiben lassen.

„Es gibt nichts, was mich zurückholt.“

„Außer deiner Familie.“

Der Satz verfehlte seine Wirkung nicht. Jake vermisste seine Eltern. Auch wenn Dean und er sich häufig stritten, seinen kleinen Bruder vermisste er ebenfalls. Und dann waren da noch Bonnie und die beiden Kleinen. Sie waren eine Familie, die fest zusammenhielt.

„Du weißt genau, was ich meine“, sagte Jake vage.

„Ach, ja“, erwiderte sein Bruder. „Du willst mir erzählen, dass du nach Vermont gekommen bist, um einen Neuanfang zu starten?“

Jake gab keine Antwort.

„Das habe ich mir gedacht. Ich habe den Eindruck, dass du dich hier verstecken willst“, warf Dean ihm vor. „Und während du vor Selbstmitleid vergehst, leiden Mom und Dad. Meine Kinder fragen, warum ihr Onkel so weit weggezogen ist und wie ein Einsiedler lebt.“

„Du verstehst gar nichts“, erwiderte Jake empört. „Ich tue das nur für euch!“

„Nein, Jake. Du tust es nur für dich. Und dabei geht es nicht nur um den schrecklichen Ausgang eures Einsatzes. Du kannst es nicht verkraften, was Miranda dir angetan hat.“

Jake hatte seinen Bruder daraufhin am Kragen gepackt. Er hatte sich stark zusammenreißen müssen, um nicht die Hand gegen seinen Bruder zu heben. Schließlich hatte er Dean losgelassen, seinen Mantel genommen und war in den Sturm hinausgerannt. Und dann hatte er Caro im dichten Schneetreiben gefunden.

Jetzt beobachtete er sie von der Küchentür aus. Er konnte nicht hören, was sie ins Telefon sprach, aber ihre Körperhaltung verriet, dass sie alles andere als glücklich war.

Was hatte sie erlebt?

Sie hatte nicht alles erzählt, da war Jake sich ganz sicher. Vielleicht war er kein Polizist mehr, aber seine Menschenkenntnis war ihm nicht abhandengekommen. Sie sah nicht wie eine Karrierefrau aus, dafür wirkte sie viel zu weich. Dennoch hatte sie ihr Leben in Gefahr gebracht, um einen Termin einzuhalten.

Warum nur?

Das geht mich nichts an, dachte er. Doch dann nahm er wahr, dass sich ihr Gesichtsausdruck entspannte und ein Lächeln über ihre Lippen glitt.

Wer mag am anderen Ende der Leitung sein, dass sie erst so finster dreinschaut und dann dahinschmelzt? fragte er sich.

Sie drehte das Telefonkabel zwischen den Fingern. Einen Ehering trug sie nicht, aber in dem Gespräch ging es jetzt eindeutig nicht mehr ums Geschäft.

Ich hab dich lieb.

Jake sah genau, dass ihre Lippen diese Wörter formten, bevor sie den Hörer auf die Gabel legte. Er war nicht enttäuscht, dass sie einem anderen gehörte, auch wenn er sie attraktiv fand. Frauen interessieren mich nicht mehr, redete Jake sich ein. Schuld daran war seine Exfrau.

Jake wurde bewusst, dass er sie immer noch ansah. Er musste mürrisch blicken, denn Caro zog die Augenbrauen hoch.

Besonders fröhlich war Jake nie gewesen. Im Gegensatz zu Dean, der immer gut gelaunt und Fremden gegenüber aufgeschlossen war. In letzter Zeit hatte sich Jake noch mehr zurückgezogen. Nur seine Familie schien seine schlechte Laune und sein aufbrausendes Benehmen ertragen zu können.

Und diese Frau.

Zu Jakes Überraschung kam Caro auf ihn zu.

„Sind Sie durchgekommen?“, fragte er schnell.

„Ja, danke.“

„Ist die Krise abgewendet?“

Ein Schatten huschte über ihr Gesicht. „Wie meinen Sie das?“

„Sie sprachen doch von einem Termin. Hat man Ihnen eine Gnadenfrist eingeräumt?“

Sie nickte. „So etwas in der Art.“

Warum sieht sie dann nicht glücklich aus? fragte Jake sich. Nur einen Augenblick zuvor hatte sie noch gelächelt und Liebesworte ins Telefon gesprochen.

„Das ist doch eine gute Nachricht, oder?“

„Stimmt.“ Sie lächelte, aber ihre Augen verrieten andere Gefühle. Es war nicht nur Verzweiflung. Jake erkannte Besorgnis und Anspannung. Das alles nur wegen eines Geschäftstermins?

Morgen war Ostersonntag. Welche Arbeit konnte so wichtig sein, dass sie an einem Feiertag einen dringenden Termin einhalten musste?

Und dann waren da noch die Abschiedsworte am Telefon. Vielleicht hatte sie sich mit ihrem Freund gestritten und am Telefon wieder vertragen. Nun steckte sie hier fest und konnte nicht mit ihm das Wochenende verbringen.

Das wird es sein.

„Er ist Ihnen wohl sehr wichtig.“

„Sehr.“ Sie seufzte, dann errötete sie. „W…wen meinen Sie?“

Er hatte also richtig geraten.

„Ich muss noch bei einer Werkstatt anrufen. Haben Sie ein Telefonbuch?“, beeilte sich Caro zu sagen.

Er fand ein Telefonbuch in einer Schublade des Empfangstresens. Es war mindestens zehn Jahre alt. Caro runzelte die Stirn.

„Haben Sie kein aktuelleres?“

„Nein, aber das macht nichts. In dieser Stadt hat sich seit 30 Jahren kaum etwas verändert.“

Die Stadt war altmodisch und anheimelnd, das machte sie für Touristen so anziehend. Und auch Jake hatte das angezogen. Er brauchte einen Ort, an dem er nicht an die schrecklichen Ereignisse in Buffalo erinnert wurde.

„Kennen Sie eine gute Werkstatt?“, fragte Caro.

Er überlegte kurz. „Versuchen Sie es bei Orville. Er hat eine Werkstatt mit eigenem Abschleppwagen.“

Er ließ sie in Ruhe telefonieren und ging ins Wohnzimmer. Seine Familie wartete ungeduldig. Doreen ergriff natürlich als Erste das Wort.

„Wer ist sie?“

„Eine Frau, deren Auto beim Schneesturm von der Fahrbahn abgekommen ist.“

„Eine schöne Frau“, murmelte Dean, was ihm einen mahnenden Klaps von seiner Frau einbrachte.

„Und was macht sie jetzt?“, wollte Doreen wissen.

„Sie ruft bei Orville an, damit er mit dem Abschleppwagen kommt.“

„Meinst du, er kommt bei diesem Wetter?“, fragte Dean.

„Ich schätze, eher nicht“, antwortete Jake ehrlich.

„Das bedeutet, dass sie über Nacht hierbleiben muss.“ Doreen schnalzte mit der Zunge. „Himmel, dann sollte ich schnell eines der Gästezimmer herrichten, so kann man niemanden hineinlassen.“

„Ich helfe dir“, bot Bonnie an.

„Das ist nicht nötig. Caro kann in meinem Zimmer schlafen“, sagte Jake.

Bei der ritterlichen Geste lächelte seine Mutter. Als er das Grinsen seines Bruders sah, fügte Jake hinzu: „Ich schlafe hier auf der Couch.“

„Kann ich dann auch hier schlafen, Onkel Jake?“, fragte Riley und tanzte aufgeregt im Kreis.

„Ich auch!“, fiel Jillian ein.

„Ihr schlaft oben bei uns“, sagte Bonnie. „Ihr wisst doch, dass morgen der Osterhase kommt und der stolpert nicht gern über einen Haufen Kinder, wenn er Ostereier versteckt.“

„Wann malen wir die Ostereier an?“, fragte Jillian aufgeregt.

„Können wir sie jetzt anmalen?“, schlug Riley vor.

„Wir malen sie nach dem Abendessen an und dann ab in die Badewanne“, sagte ihre Mutter.

Auf dem Weg vom Flughafen war die Familie an einem Supermarkt vorbeigekommen und hatte alles für das Osterwochenende eingekauft, einschließlich der Eier, die die Kinder färben wollten. Doreen hatte sogar an die Tischdecken in den irischen Nationalfarben gedacht, die sie immer an Feiertagen auflegte. Jake konnte sich die Szene am Esstisch schon genau vorstellen. Es war leicht, so zu tun, als sei alles in Ordnung.

Leider war es das nicht. Dieses Familientreffen war anders. Jemand fehlte … und dabei dachte Jake nicht an seine Exfrau.

Er schaute zur Tür. Caro war ins Wohnzimmer getreten. Trotz der nassen Haare und des erschöpften Gesichtsausdrucks sah sie wunderschön aus. Sie war ganz anders als Miranda – abgesehen von ihrer Vorliebe für schöne Kleider. Mirandas Gesichtszüge waren schärfer gewesen. Caro wirkte wesentlich weicher, zarter.

Jake räusperte sich. „Hatten Sie Glück mit dem Abschleppwagen?“

„Nein. Der Mann am Telefon meinte, dass die Straßen nicht befahrbar seien. Außerdem hatte er schon ein Dutzend anderer Anfragen. Er meinte, er könne frühestens am Montag kommen und mein Auto in die Werkstatt bringen.“

Verzweiflung schwang in ihrer Stimme mit, als sie fragte: „Gibt es keine andere Werkstatt, bei der ich es versuchen kann?“

„Ich fürchte, dass Sie überall die gleiche Antwort bekommen werden“, sagte Jake.

Sie nickte bedrückt.

„Machen Sie sich keine Sorgen. Sie können gern bei uns bleiben“, sagte Doreen. „Sie schlafen in Jakes Zimmer.“

„Nein, wirklich, das kann ich nicht annehmen.“ Caro war es sichtlich peinlich.

„Er schläft dann auf der Couch“, sagte Doreen.

Als er Caros zweifelnden Blick sah, fügte Jake hinzu: „Doch wirklich. Dann müssen meine Mutter und Bonnie nicht noch ein weiteres Gästezimmer herrichten.“

Sie lächelte. „Wenn das so ist …“

„Sie wollen jetzt bestimmt erst einmal heiß duschen“, sagte Doreen. „Jake, zeig ihr doch bitte, wo alles ist. Bonnie und ich suchen derweil Caro etwas zum Anziehen heraus.“

Jake verließ das Wohnzimmer. Caro folgte ihm. Obwohl sie hinter ihm ging, meinte er, ihren sexy Duft wahrnehmen zu können.

3. KAPITEL

Caro folgte Jake die Treppe hinauf, die gleich hinter dem Empfangstresen in die obere Etage führte. Das Treppengeländer wackelte, und die Stufen unter dem dunkelroten, abgetretenen Teppich knarrten bei jedem Schritt.

Oben angekommen wandte Jake sich nach rechts, ließ zwei Türen hinter sich und öffnete die dritte.

„Hier ist es“, sagte er und machte einen Schritt zur Seite, damit Caro eintreten konnte.

Da Caro angenommen hatte, er würde zuerst hineingehen, stieß sie mit ihm zusammen. Jake strauchelte kurz, streifte mit dem Fuß Caros Zeh und berührte mit dem Ellenbogen leicht ihre Brust.

„Oh, das tut mir leid.“

„Entschuldigung!“, rief sie.

Sie hatten gleichzeitig gesprochen.

„Habe ich Ihnen wehgetan?“, fragte er.

„Nein, zum Glück haben Sie ja die Stiefel ausgezogen.“ Auf die Berührung mit dem Ellenbogen ging Caro nicht näher ein.

Dann traten sie nacheinander ins Zimmer.

Der Raum war gut geschnitten, in der Dachgaube hatte ein Schreibtisch Platz, und zwei Lehnsessel standen vor dem Kamin. Über den Sesseln hingen Kleidungsstücke, zum Sitzen benutzte Jake sie offensichtlich nicht. Den Kamin schien er hingegen zu benutzen, darin lag ein angekohltes Holzscheit.

Caro wünschte, ein Feuer würde im Kamin brennen. Sie hatte das Gefühl, dass ihr niemals wieder warm würde. Dennoch bat sie Jake nicht, ein Feuer zu machen. Sie hatte ihm schon zu viel Mühe bereitet.

Das Bett erregte nun ihre Aufmerksamkeit. Das alte Gestell aus Messing gehörte vermutlich zur Originaleinrichtung des Gasthofes. Sie machte ein paar Schritte darauf zu, um sich das fein gearbeitete Kopfende anzusehen. Als sie eine Hand auf das kalte Metall legte, fiel ihr Blick auf das zerwühlte Laken. Caro kannte das aus eigener Erfahrung. Sie stellte sich vor, wie Jake im Bett lag und sich unruhig von einer Seite auf die andere warf. Schnell verdrängte sie den Gedanken.

Jake räusperte sich. Er stand hinter ihr, und Caro drehte sich zu ihm.

„Sie schlafen sehr unruhig“, sagte sie gedankenlos.

Jake zog die Augenbrauen hoch.

„Das Laken ist zerwühlt.“ Sie wies mit der Hand zum Bett.

„Ich hätte mein Bett wohl gemacht, wenn ich gewusst hätte, dass jemand anderes heute Nacht darin schläft. Ich hatte nicht mit Gesellschaft gerechnet.“

„Das sollte kein Vorwurf sein“, entschuldigte Caro sich. „In meinem Bett sieht es morgens auch immer so aus.“

Er sah sie wieder fragend an. Caro kam sich albern vor. Deshalb fügte sie hinzu: „Ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar, dass Sie mir Ihr Bett überlassen. Das Zimmer ist sehr gemütlich.“

Er lachte laut, was ihm gleich einen viel freundlicheren Ausdruck verlieh.

„Caro, das Zimmer ist ein Loch. Das ganze Hotel ist heruntergekommen.“ Er wurde wieder ernst. „Das war es nicht immer, und wenn ich einmal fertig bin, wird es in neuem Glanz erstrahlen. Ich schaffe das!“

Caro wusste nicht, was sie auf diese entschlossen vorgebrachte Erklärung antworten sollte. Aber Jake wandte sich ohnehin den praktischen Fragen zu.

„Es gibt im ganzen Haus nur drei funktionstüchtige Badezimmer. Das eine ist im Erdgeschoss, gleich neben dem ehemaligen Zimmer des Hausmeisters. Die anderen beiden befinden sich auf dieser Etage, meines liegt hinter der Tür.“ Er wies zur einen Seite des Zimmers. „Es tut mir leid, dass ich Ihre Sachen nicht mehr holen konnte, aber alles Wichtige finden Sie im Bad: Seife, Shampoo, Zahnpasta. Und im Spiegelschrank müsste auch noch eine neue Zahnbürste liegen.“

„Vielen Dank, mehr brauche ich nicht.“ Sie lächelte. „Allemal besser, als in einer Schneewehe zu übernachten.“

„Dann würden Sie nicht schlafen, dann wären Sie tot.“

Das Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht.

„Tut mir leid.“ Er sah zur Seite.

Zum ersten Mal bemerkte sie die kleine, sichelförmige Narbe neben seinem linken Auge. Sie hatte eine ähnliche Narbe unter dem Kinn, die sie sich zugezogen hatte, als sie mit sechs Jahren vom Fahrrad gestürzt war. Truman hatte sie immer für einen Makel gehalten und sie mehrmals gebeten, sich diese bei einem Schönheitschirurgen entfernen zu lassen.

Sie war froh, dass sie sich dem widersetzt hatte. Truman hatte es ohnehin schon geschafft, ihr viel zu viel von ihrer Persönlichkeit zu nehmen, sodass sie sich kaum noch erkannte, wenn sie in den Spiegel sah. Nachdem sie ihn verlassen hatte, ließ sie sich beim Friseur ihre ursprüngliche Haarfarbe, ein helles karamellbraun, färben. Truman hatte darauf bestanden, dass sie das Haar blond färben ließ.

„Es tut mir leid“, sagte Jake erneut und riss sie aus den Gedanken.

„Sie müssen sich nicht entschuldigen, schließlich haben Sie recht. Ich befand mich tatsächlich in einer schlimmen Lage, als Sie mich gefunden haben“, gab Caro zu. „Und ich wollte Sie nicht anstarren. Ich habe nur Ihre Narbe entdeckt.“

Einer plötzlichen Regung folgend, hob sie die Hand und fuhr mit einem Finger sanft über die Stelle in Jakes Gesicht.

„Sie verleiht Ihrem Gesicht Charakter.“

„Das haben Sie nett gesagt.“ Er klang nicht gerade überzeugt.

„Ich habe auch eine.“ Sie hob das Kinn. „Sehen Sie?“

Er nahm ihr Gesicht und drehte es zum Licht. Seine durch die Arbeit rau gewordene Hand hinterließ ein Kribbeln auf ihrer zarten Haut.

„Woher stammt sie?“, fragte er und zog die Hand weg.

„Ich bin vom Fahrrad gefallen und habe mir das Kinn am Lenker aufgeschlagen. Da war ich sechs. Und Ihre?“

„Ich war elf. Dean und ich balgten herum, und ich bin auf Mutters Vogeltränke aus Stein gefallen.“ Er rieb sich die Schläfe. „Ich hatte eine Gehirnerschütterung, und wir bekamen Stubenarrest.“

„Wie ungerecht.“

„Ich war der Ältere.“ Er zuckte die Schultern. „Ich hätte achtgeben müssen.“

„Hallo?“ Bonnie klopfte an, bevor sie eintrat. „Ich bringe ein paar Sachen. Leider habe ich nur diesen Morgenmantel und ein paar Wollsocken gefunden.“

Caro nahm den Frotteemantel. Er war warm und weich. Mehr brauchte sie nicht.

„Willst du kein Feuer machen, Jake?“, fragte Bonnie.

„Ja, natürlich“, sagte er gedehnt.

„Das wird Caro die Kälte aus den Knochen treiben“, fügte Bonnie mit einem Lächeln in ihre Richtung hinzu.

„Die Heizung muss erneuert werden. Das ist ein Punkt auf meiner langen Liste.“ Er seufzte.

„Dean hat mir Geschichten von dem Haus erzählt. Er meinte, es sei in eurer Kindheit ein wunderbares Hotel gewesen. Er erzählte, dass ihr in den Aufenthaltsräumen Verstecken gespielt habt und das Treppengeländer heruntergerutscht seid.“

Jake lachte bitter auf. „Heute würde das Geländer sogar unter Rileys Gewicht zusammenbrechen.“

„Er ist groß für sein Alter.“ Bonnie schien Jake absichtlich missverstanden zu haben. „Doreen sagt, er sieht genauso aus wie Dean früher. Er ist ganz und gar ein McCabe. Jillian kommt ebenfalls nach eurer Familie.“

Ein Muskel zuckte in Jakes Gesicht, in seinen Augen lag ein Ausdruck von Schmerz.

Da er nichts erwiderte, wechselte Bonnie das Thema.

„Bevor ich es vergesse, Mom wärmt gerade das Chili con Carne auf, das sie vorhin gekocht hat. Sie lässt euch ausrichten, dass es auf dem Tisch steht, falls ihr Hunger habt.“

Wie aufs Stichwort knurrte Caro plötzlich der Magen. Das Toastbrot und die Tasse Tee, die sie vor Stunden zu sich genommen hatte, waren entschieden zu wenig gewesen. Aber wegen der Aufregung des Tages hatte sie ihren Hunger nicht bemerkt.

Eigentlich hätte sie sich schämen sollen, aber dann musste sie lachen – Bonnie ebenso.

In Gedanken hörte Caro den strengen Tonfall ihrer Schwiegermutter: „Nur jemand mit schlechter Kinderstube lässt sich so gehen.“

Caros Lachen erstarb.

„Was ist mit euch?“, wandte sich Jake an Bonnie.

„Wir haben schon vor einer Weile gegessen.“

„Jillian sagte, du hättest dir Sorgen um mich gemacht“, zog er seine Schwägerin auf.

„Das habe ich auch. Deshalb habe ich gleich zwei Teller Chili con Carne gegessen.“ Bonnies Gesicht wurde ernst. „Mach das bitte nicht noch einmal. Auch wenn dich Dean noch so sehr reizt. Ja?“

Jake ergriff ihre Hand und drückte sie sanft. „Versprochen. Nächstes Mal werfe ich einfach Dean in den Schnee.“

„Unter einer Bedingung“, sagte sie.

„Welche?“

„Warte, bis ich den Fotoapparat geholt habe.“ Kichernd verließ Bonnie das Zimmer.

„Wie nett.“

Jake wandte sich zu Caro. „Was denn?“

„Sie und Ihre Familie. Sie scheinen sich sehr gut zu verstehen.“

Er nickte, aber Caro konnte seinem Gesichtsausdruck nicht entnehmen, ob er sich darüber freute.

„Sie können sich glücklich schätzen“, murmelte sie, da sie an ihre eigenen Eltern denken musste.

Caro drückte den Morgenmantel an die Brust. Wie sehr sie ihre Eltern vermisste! Sie vermisste die Telefonate, die Ermutigungen, die Unterstützung. Sie vermisste sogar die Ratschläge, die sie gelegentlich als Einmischung empfunden hatte. Aber ihre Eltern hatten es immer gut mit ihr gemeint und ihre einzige Tochter ohne Vorbehalte geliebt. Jetzt gab es nur noch einen Menschen auf der Welt, der sie genauso liebte: Cabot. Sie durfte ihn auf gar keinen Fall an Truman verlieren und zulassen, dass sein freundliches, offenes Wesen den festen Benimmregeln der Wendells zum Opfer fiel.

„Sie sollten eine heiße Dusche nehmen.“

Jakes Worte rissen Caro aus ihren Gedanken.

„Ich brauche nicht lange“, versprach sie.

Als sie die Badezimmertür schließen wollte, hörte sie Jake fragen: „Caro?“

„Ja?“

Er machte ein ernstes Gesicht. Ist er etwa besorgt? fragte sich Caro. Sie musste es sich eingebildet haben, denn er sagte nur: „Lassen Sie bitte etwas heißes Wasser für mich übrig, ja?“

Jake fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, nachdem Caro im Bad verschwunden war. Einen kurzen Moment hatte sie so einsam und verletzt ausgesehen. Er hätte sie zu gern gefragt, was ihr Kummer bereitete. Es geht mich nichts an, dachte er. Schließlich war er nicht mehr der Freund und Helfer, der versuchte, Leben zu retten. Das war ein für alle Mal vorbei. Er war ja nicht einmal in der Lage gewesen, das Leben seines eigenen Kindes zu retten.

Er hörte, wie Caro das Wasser aufdrehte. Die alte Wasserleitung ächzte unter dem Druck. Jake setzte diesen Punkt in Gedanken auf die Liste der zu erledigenden Reparaturen. Er öffnete den Kleiderschrank, nahm eine Jeans und einen dicken schwarzen Pullover heraus. Auch wenn er Caro gebeten hatte, ihm etwas heißes Wasser übrig zu lassen, würde er mit dem Duschen noch warten. Er zog sich rasch um und ging nach unten. Als er kurze Zeit später mit einem Armvoll Feuerholz zurückkehrte, lief das Wasser noch. Er entfachte ein Feuer im Kamin und legte ein Holzscheit auf. Im Bad wurde das Wasser abgestellt.

„Oh.“

Caro stand im Türrahmen. Offensichtlich hatte sie nicht erwartet, ihn noch im Zimmer anzutreffen. Schnell zog sie den Morgenmantel vor der Brust zusammen. Außerdem trug sie Bonnies Wollsocken.

Wieso sieht sie trotzdem so sexy aus? fragte sich Jake.

Vielleicht lag es daran, dass er einen rosa BH und ein rosa Spitzenhöschen hatte aufblitzen sehen, bevor sie den Morgenmantel geschlossen hatte.

Er zwang sich, nicht mehr an Seide und Spitze zu denken, sondern sich auf die klamme Hose und den Pullover zu konzentrieren, die sie über dem Arm trug.

„Ich habe Feuer gemacht.“

„Vielen Dank.“

Sie fuhr sich mit der freien Hand durchs nasse Haar. Auch wenn die Geste nicht verführerisch gemeint war, spürte Jake ein starkes Verlangen in sich aufsteigen. Regungslos beobachtete er, wie sie sich eine widerspenstige Locke aus dem Gesicht strich. Auch ohne Make-up sah sie hübsch aus. Ihr heller, ebenmäßiger Teint wirkte im Feuerschein des Kamins fast durchsichtig.

Bestimmt fühlt sich ihre Haut wunderbar weich an, dachte Jake. Er sprang auf. Es gefiel ihm nicht, welche Richtung seine Gedanken nahmen.

„Ich verschwinde jetzt besser.“

„I…ich habe Ihnen heißes Wasser übrig gelassen“, sagte sie.

„Danke. Aber ich werde erst nach dem Essen duschen. Mein Magen kann nicht mehr warten.“

Er bückte sich, um seine Sachen aufzuheben. Dabei warf er Caro einen verstohlenen Blick zu. Sie leckte sich über die Unterlippe. Nur zu gern hätte er diese Aufgabe für sie übernommen.

„Ich kann Ihre nassen Sachen nehmen.“ Jake zwang sich, sachlich zu bleiben. Vielleicht waren seine Manieren nicht die besten, aber immerhin besaß er welche. Außerdem war seine Mutter nicht weit, die immer darauf achtete, dass er sich anständig benahm. „Es gibt hier eine Waschküche.“

„Diese Sachen gehören in die Reinigung.“

Das hätte er sich eigentlich denken können. „Meine Mutter weiß bestimmt, wie man sie trocken bekommt.“

„Wenn das so ist …“ Sie gab ihm Hose und Pullover. „Ich komme gleich nach. Ich rubbel mir nur kurz die Haare trocken.“

Caro brauchte nicht lange. Sie lief auf Wollsocken in die Küche, wo Jake am Tisch saß und Chili con Carne aß. Seine Mutter Doreen stand an der Spüle und wusch das Geschirr ab, das Jakes Familie zum Essen benutzt hatte. Dann trocknete sie die Hände an einem Geschirrtuch ab und lächelte freundlich. Wenn es etwas gab, worauf man sich bei Doreen verlassen konnte, dann war es ihre Gastfreundschaft.

„Jetzt sehen Sie schon viel besser aus“, lobte sie. Bevor Caro etwas erwidern konnte, hatte Doreen ihr schon einen Platz am Tisch zugewiesen. „Setzen Sie sich. Ich hole Ihnen eine Schale Chili con Carne. Das wärmt von innen.“

Caro setzte sich Jake gegenüber. Sie sah ihn kurz an, dann wanderte ihr Blick zum Fenster.

„Was für ein Wetter“, murmelte sie. „Und das zu Ostern.“

Es schneite immer noch dicke Flocken.

Wenn Dean nicht mit mir gestritten hätte und ich nicht ausgeritten wäre, um mich abzureagieren, würde sie jetzt noch in ihrem Auto sitzen und auf Hilfe warten, dachte Jake. Ganz allein, in der Kälte. Sie sahen sich in die Augen. Er erkannte, dass Caro das Gleiche dachte. Bestimmt würde sie ihm gleich wieder danken wollen.

„Tja, so ein verdammter Schneesturm richtet sich nicht nach dem Kalender“, sagte Jake.

„Du sollst nicht fluchen, Jake“, ermahnte Doreen ihn und stellte eine Schüssel dampfendes Chili con Carne vor Caro auf den Tisch. „In der Wettervorhersage hieß es, dass heute Abend noch zehn Zentimeter Neuschnee fallen sollen. Wenn das so weitergeht, dann werden die Räumfahrzeuge eine Ewigkeit brauchen. Zum Glück sind wir auf ein langes Wochenende vorbereitet.“

„Machen Sie sich keine Sorgen“, sagte Jake, um Caro zu beruhigen. „Die Landstraße wird mit Sicherheit als Erstes freigeräumt.“

Sie nickte. „Wenn ich erst einmal da angekommen bin, wo ich hin soll, kann es meinetwegen bis zum Juni weiterschneien.“

Plötzlich ging die Tür auf, und die Kinder stürmten herein. Lautstark verlangten sie, mit dem Eierfärben anzufangen.

„Bitte, Grandma“, bettelte Jillian.

„Bitte, bitte, wir machen sie schön bunt“, fügte Riley hinzu.

Doreen schob die Kinder aus der Küche, wahrscheinlich wollte sie erst Bonnie um Erlaubnis fragen. Jake sah Caro fragend an. Sie will unbedingt diesen Termin einhalten, dachte er. Und das alles wegen eines Mannes? Sein Polizisteninstinkt sagte ihm, dass mehr dahinterstecken musste. Allerdings war er selbst einmal verliebt gewesen und wusste nur zu gut, dass man darüber die Wirklichkeit vergessen konnte.

„Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf“, begann er. Als Caro seinen barschen Tonfall hörte, sah sie ihn erschrocken an. In Sekundenschnelle überlegte Jake, dass er sich die Bemerkung lieber verkneifen sollte. Mit dem Löffel wies er auf die dampfende Schüssel vor Caro. „Passen Sie lieber auf – das Chili con Carne meiner Mutter ist höllisch scharf.“

4. KAPITEL

Der Abend brach schneller herein, als Caro erwartet hatte. Immerhin fühle ich mich wohl, dachte sie. Als sie in Jakes Richtung sah, korrigierte sie sich gedanklich: Sie fühlte sich sehr wohl.

Jake saß mit Dean an einem Tisch. Caro hatte es sich neben seiner Mutter und Schwägerin auf der Couch bequem gemacht. Die Männer spielten eine Partie Schach. Aus eigener Erfahrung wusste Caro, dass man dafür nicht nur Geschick, sondern auch Konzentration brauchte. Dennoch sah Jake nicht aufs Brett, sondern in ihre Richtung. Seine stahlblauen Augen blickten sie fragend an.

In seiner Gegenwart fühlte sie sich beinahe so verletzlich, als wäre sie nackt. Vielleicht war das der Grund, warum ihre Hände immer wieder zum Revers des Morgenmantels wanderten und prüften, ob er auch bis oben geschlossen war.

In der Küche hatten sie schweigend gegessen. Danach hatte Caro kurz erwogen, sich in ihr Zimmer zurückzuziehen. Aber was hätte sie dort tun sollen? Sie hätte dort gesessen, aus dem Fenster gestarrt und sich Sorgen und Vorwürfe gemacht. Lieber wollte sie unter Menschen sein. Also hatte sie sich ins Wohnzimmer gesetzt. Sie fühlte sich von Jakes Familie herzlich aufgenommen.

Sie hatte schon fast vergessen, wie es war, sich im Schoße einer Familie aufgehoben zu fühlen. Und sie fühlte sich wohl – im geliehenen Morgenmantel, mit zerzaustem Haar und ohne Make-up.

Von dem Moment an, als Truman ihr den Heiratsantrag gemacht hatte, hatte seine Mutter immer irgendetwas an ihr auszusetzen gehabt. Auch Truman krittelte ständig an ihr herum. Wie er sagte, geschah es nur zu ihrem Besten. Schließlich musste sie lernen, wie man sich in seinen gesellschaftlichen Kreisen benahm.

Du bist ein echter Rohdiamant, Caroline. Mit dem richtigen Schliff und in den richtigen Kleidern wirst du alle überstrahlen.

Fühlte sie sich anfangs von dieser Beteuerung noch geschmeichelt, war sie bald frustriert, verzweifelt und verbittert. Sie war kein Klumpen aus Ton, den man beliebig formen konnte. Als sie anfing, Rückgrat zu zeigen, begannen auch die Streitereien. Sie hätte ihn verlassen können, aber ihr Verständnis von Ehe war altmodisch. Sie wollte sich unbedingt an den Schwur halten, vor allem, als sie feststellte, dass sie schwanger war.

Dann wurde Cabot geboren. Trotz der anstrengenden Zeit als frischgebackene Eltern schienen sie und Truman sich wieder besser zu verstehen. Auch wenn sie in dem anderen vielleicht nicht die große Liebe gefunden hatten, stritten sie zumindest nicht länger. Wenn es um ihren Sohn ging, respektierte Truman Caros Entscheidungen.

Allerdings änderte sich das, wenn seine Mutter in der Nähe war.

Leider wurden die Besuche von Caros Schwiegermutter Susan im Laufe der Zeit immer häufiger, bis sie schließlich kurz nach Cabots erstem Geburtstag ganz bei ihnen einzog. Truman war begeistert, auch wenn Caro nicht zugestimmt hatte, ja, noch nicht einmal vorher gefragt worden war.

Sobald sich Susan Wendell im Gästeflügel des Hauses eingerichtet hatte, schrumpfte Caros kleine Insel der Zufriedenheit zusammen.

Sie musste hilflos mit ansehen, wie ihre Schwiegermutter nicht nur ihre Rolle als Cabots Mutter, sondern auch als Hausherrin übernahm. Der Speiseplan, Cabots Schlafenszeit, ja selbst die neuen Möbel fürs Wohnzimmer – sie alle trugen Susans Stempel. Und wenn Caro ihre Meinung äußerte oder sich bei Truman beschwerte, hieß es nur, sie sei trotzig und undankbar.

Sie will doch nur helfen, Caroline.

Wie oft hatte sie diesen Satz gehört?

Sie hatte die Zähne zusammengebissen und sich in ihr Schicksal gefügt, denn schließlich ging es um das Wohl ihres Sohnes. Aber eines Tages hatte sie gewusst, dass sie so nicht weiterleben konnte.

Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte, war nur eine Kleinigkeit gewesen. Es hatte nicht etwa einen hitzigen Streit zwischen Mutter und Großmutter gegeben. Caro hatte eines Tages ihren Sohn beim Spielen im Park beobachtet. Die anderen Kinder saßen in der Sandkiste und hatten sich bald angefreundet. Nur Cabot stand allein daneben. Er wirkte unsicher, wie ein Außenseiter in der Kleidung, die Susan vorgeschrieben hatte: keine Jeans, keine Pullis. Cabot trug kakifarbene Shorts mit Gürtel, dazu ein blaues Hemd mit Kragen. Natürlich stammten beide Kleidungsstücke von einem teuren Designerlabel.

Obwohl der Junge erst drei Jahre alt war, besaß er bereits mehr Oberhemden, Krawatten und Blazer als manch erwachsener Mann. Cabot war zur Miniaturausgabe seines Vaters geworden.

Diese Erkenntnis hatte Caro wachgerüttelt.

Sie wollte keinen zweiten Truman Wendell großziehen, der in starren Regeln und Vorschriften gefangen war. Sie wollten keinen Sohn großziehen, der sein Glück den gesellschaftlichen Zwängen opferte.

Caro wünschte sich, dass Cabot sich wie ein richtiges Kind benahm, nicht wie ein kleiner Mann. Er sollte oft und laut lachen, genau wie Riley und Jillian es gerade am anderen Ende des Zimmers taten. Die Kinder trugen bereits Schlafanzüge und saßen auf dem Schoß ihres Großvaters, der ihnen eine Gutenachtgeschichte vorlas.

Autor

Kathie De Nosky
Kathie DeNosky stellt ihren Wecker oft auf 2 Uhr morgens, um wenigstens einige Stunden in Ruhe arbeiten zu können, bevor der Rest der Familie erwacht. Während dann in ihrem Büro leise Countrymusik erklingt, schreibt sie an ihren Romances, denen eine ganz besondere Mischung aus Sinnlichkeit und Humor zeigen ist. Sie...
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