Karibische Liebesträume

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Für Miranda ist die Zeit der Einsamkeit vorbei, als vor ihrer Karibikinsel eine weiße Yacht ankert. Denn Louis Mendoza bittet sie, mit ihm nach San Paola zu kommen. Er ist so unwiderstehlich, dass sie seine Einladung annimmt. Doch auf San Paola erwartet sie eine Rivalin...


  • Erscheinungstag 01.07.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733778750
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Miranda zielte mit dem Gewehr auf den Kopf des Fremden, der mit gleichmäßigen Zügen durch die Bucht auf sie zugeschwommen kam, ohne zu ahnen, dass sein Leben auf dem Spiel stand. Zwei Tage und Nächte lang hatte seine Yacht jenseits des Korallenriffs vor Anker gelegen, und jetzt setzte er sich den Gefahren der Klippen aus, um zu ihr zu gelangen.

Barfuß, breitbeinig, den sonnengebräunten schlanken Körper angespannt, stand Miranda auf einem mit Gras bewachsenen Hügel, von dem aus sie die weiße Sandbucht überblicken konnte. Sie presste die nackte Schulter fest gegen den Gewehrkolben, behielt den dunklen Kopf im Auge, zog den Gewehrlauf langsam nach links, hielt den Atem an und drückte ab.

Eine weiße Fontäne spritzte hoch, und der laute Knall brachte jeden Sittich auf der kleinen karibischen Insel El Paraiso dazu, lauthals gegen die Störung der gewohnten Nachmittagsruhe zu protestieren.

Miranda fluchte leise, als der Schwimmer völlig unbeeindruckt seinen Weg fortsetzte und mit seinen kräftigen Armen das Wasser mühelos durchpflügte. Erneut hob sie das Gewehr und schoss – diesmal nur einen Meter von seinem Kopf entfernt – ins Meer.

„Nerven wie Drahtseile“, stieß sie hervor, als er weiter mit kräftigen Stößen das Wasser durchmaß, unbeeindruckt auch von dem zweiten, gefährlich nahen Warnschuss.

„Wollen doch mal sehen, wie dir das gefällt!“ Sie wartete, bis er an Land war und sich das Wasser aus dem dunklen, glänzenden Haar schüttelte, drückte nochmals ab und ließ direkt neben seinen Füßen körnigen weißen Sand aufspritzen. Seelenruhig blickte der Fremde auf die Stelle hinunter. Anschließend hob er langsam den Kopf, schirmte die Augen mit der Hand gegen die Sonne ab und sah in die Richtung, aus der der Schuss abgefeuert worden war.

„Noch einen Schritt weiter und ich schieße Ihnen zwischen die Augen“, schrie Miranda ihm zu.

Zu ihrer Überraschung hob er nicht angstvoll, sondern gespielt hilflos die Arme, während ein spöttisches Lächeln sich auf seinem Gesicht ausbreitete.

Am liebsten hätte sie diesem Kerl das Lächeln vom Gesicht geschossen. Diese Versuchung wurde noch größer, als er, immer noch unverschämt grinsend, behauptete: „Es tut mir schrecklich Leid, Schätzchen, aber ich hatte keine Ahnung, dass das Betreten des Strandes verboten ist. Ich kam nur an Land, um mir eine Tasse Zucker auszuborgen.“

Ihr Ärger schlug in Wut um. Eine Tasse Zucker ausborgen? Er hielt das wohl für einen guten Witz. Sie wirbelte herum, lief auf den steilen Pfad zu, den sie in den vergangenen Monaten ausgetreten hatte, und raste durch dichten Farn und duftigen Oleander hindurch zum Strand hinunter, um sich den Fremden vorzuknöpfen. Mal sehen, für wie komisch er das halten würde!

Der Fremde war nirgendwo zu sehen. Einen Moment lang hatte sie Angst und umfasste das Gewehr fester. Sie drehte sich zu spät um. Er hatte sie gepackt, noch bevor sie schreien konnte, und entriss ihr die Waffe.

Mit einer Hand umklammerte er ihren Oberarm so fest, dass sie das Gefühl hatte, ein Eisenband würde sich darum legen. Mit der anderen warf er das Gewehr ihres Onkels ins Meer. Dieser Riese schleuderte es doch tatsächlich so mühelos durch die Luft, als wäre es federleicht.

Da ihre kläglichen Versuche, sich loszumachen, fehlschlugen, konnte Miranda dem Fremden ihre Wut nicht körperlich zeigen. Deshalb spie sie ihm ins Gesicht: „Lass mich los, du Dreckskerl!“

Das tat er augenblicklich, mit einem so kräftigen Stoß, dass sie rückwärts taumelte. Sie verlor das Gleichgewicht und fiel in den Sand. Das kohlrabenschwarze schulterlange Haar hing ihr wirr ins Gesicht, der dünne Baumwollkittel war durch den Sturz hochgerutscht und entblößte die langen schlanken Beine. Verzweifelt versuchte sie, sich wieder zu bedecken.

„Es war wirklich nicht nötig, so grob zu werden“, fauchte sie, während sie sich mühsam aufrappelte und sich den Sand von den Armen strich.

„Na, Sie sind mir vielleicht ein Herzchen“, antwortete er erbittert. Das hämische Lächeln war wie weggewischt. „Erst versuchen Sie, mir meinen Kopf und meine Zehen wegzuschießen, und dann beschweren Sie sich auch noch, wenn ich Ihnen die verdiente Tracht Prügel geben möchte.“

Er streckte die Hand aus, um Miranda aufzuhelfen, aber sie missverstand die Bewegung und krabbelte auf den Knien von ihm weg. Sie wollte nicht, dass er sie noch einmal berührte. Kein einziges Mal.

Mit einem Satz war er bei ihr und zog sie wütend hoch. „Nun machen Sie doch nicht so ein Theater! Ich werde Ihnen schon nichts tun …“

„Ach nein?“, erwiderte sie heftig und kniff die Augen argwöhnisch zusammen. „Ohne mein Gewehr bin ich doch eine leichte Beute, nicht wahr? Aber ich warne Sie. Ich werde auf Leben und Tod mit Ihnen kämpfen, falls Sie irgendwelche faulen Tricks versuchen.“

Plötzlich legte der Fremde den Kopf nach hinten und lachte so laut auf, dass die Sittiche erneut aufgescheucht wurden und es Miranda kalt über den Rücken lief. Mit dem Gewehr in der Hand hatte sie keine Angst gekannt, jetzt fühlte sie sich nackt und ungeschützt. Apropos nackt! Unter dem scharlachroten Baumwollkleid war sie tatsächlich nackt. Dieser Kerl könnte ihr den Fetzen im Handumdrehen vom Leib reißen …

Unvermittelt hörte er auf zu lachen und blickte Miranda kalt an. „Wann haben Sie sich eigentlich zuletzt im Spiegel betrachtet, Schätzchen? Ihr Anblick reißt einen Mann wirklich nicht vom Hocker.“

„Sie machen nicht den Eindruck, als wären Sie allzu wählerisch“, konterte sie hitzig. Fest stand sie auf dem heißen Sand und sah dem Fremden furchtlos in die Augen. Sie konnte sich gut vorstellen, wie sie nach dreimonatigem Leben in der Wildnis aussah, doch es kümmerte sie nicht im Geringsten. Sie hatte sich schließlich nur sich selbst gegenüber zu verantworten. Früher einmal war sie tagaus, tagein nur mit ihrem Aussehen beschäftigt gewesen. Das hatte Presler, ihr damaliger Verlobter, auch von ihr verlangt. Doch er gehörte mittlerweile der Vergangenheit an, und kein Mann würde ihr je wieder vorschreiben, was sie zu tun und zu lassen hatte.

Der Fremde war außerdem auch nicht gerade todschick. Sein Haar war durch Wind und Wasser ebenso zerzaust wie ihres und außerdem voller Sand. Er trug verblichene schwarze Bermudashorts, die am linken Oberschenkel einen langen Riss aufwiesen. Sicherlich hatte er sich seit Tagen nicht mehr rasiert. Der blauschwarze Schimmer auf Wangen und Kinn verlieh ihm ein fast piratenhaftes Aussehen. Und trotzdem … Miranda erkannte einen attraktiven Mann auf den ersten Blick.

„Wer sind Sie eigentlich? Und was haben Sie hier zu suchen? Diese Insel ist nämlich Privatbesitz, wissen Sie?“, sagte Miranda ruhig. Inzwischen hatte sie die Angst vor dem Fremden, der ihr Gewehr ins Meer geschleudert hatte, überwunden. Hätte er ihr tatsächlich etwas antun wollen, hätte er es behalten und gegen sie gerichtet.

„Louis Mendoza“, antwortete er, hielt Miranda aber nicht nach britischer Manier höflich die Hand hin. Der Name klang zwar spanisch, aber er sprach Englisch mit einem Akzent, als hätte er es in Cambridge gelernt.

„Miranda Gordon“, erwiderte sie, selbst überrascht über ihre Höflichkeit, wenn sie bedachte, wie rüde sich der Fremde benommen hatte.

„Ich weiß, wer Sie sind“, sagte er ruhig und blickte sie aus schwarzen Augen prüfend an, als wollte er ihre Reaktion auf seine Bemerkung testen.

Mirandas Herz begann, gefährlich zu rasen. Kein Wunder, dass er ihr nicht die Hand hatte geben wollen. Blitzschnell machte sie kehrt, rannte den Pfad hinauf zu dem grasbewachsenen Hügel und weiter bis zu der Holzhütte, in die sie sich geflüchtet hatte, nachdem ihr Onkel dazu verurteilt worden war, den Rest seines Lebens hinter Schloss und Riegel zu verbringen.

Doch zu der Hütte, in der sie in den vergangenen Monaten gehaust hatte, gab es weder Schloss noch Riegel. Sonst hätte sie die Tür verrammelt, um sich diesen Mendoza, der ihr in aller Ruhe folgte, vom Leib zu halten.

Herausfordernd erwartete Miranda Louis Mendoza auf der schattigen Holzveranda und sah ihn offen an. „Was genau wollen Sie eigentlich von mir?“, fragte sie eisig und presste die Lippen zusammen. „Wenn Sie glauben, Sie könnten mich mit ein paar Millionen ködern, um mir meine Geschichte zu entlocken, dann muss ich Sie enttäuschen. Ich verkaufe nicht.“

„Sie haben nichts zu verkaufen“, entgegnete er kühl. „Sie kennen Ihren Onkel ja kaum und haben sicher noch weniger Ahnung von den krummen Geschäften, die er gedreht hat.“

Miranda hatte das Gefühl, ihr Magen würde sich umdrehen. Dieser Mann wusste mehr über sie, als ihr lieb war. Doch wenn er nicht von der Presse war, wieso verfolgte er sie dann so hartnäckig? Sie kämpfte die Angst nieder, die langsam in ihr aufstieg. Ihr Onkel hatte viele Menschen finanziell ruiniert. Vielleicht war dieser Louis Mendoza einer von ihnen und wollte sich jetzt dafür an ihr rächen.

„Sie scheinen ja viel über mich zu wissen“, sagte sie zögernd, hatte ihr Kinn aber immer noch kämpferisch vorgestreckt.

„Es reicht“, erwiderte er.

„Ich weiß jedenfalls nichts über Sie und lege auch keinen Wert darauf, aufgeklärt zu werden. Also verziehen Sie sich, und lassen Sie mich gefälligst in Ruhe.“

„Es stimmt mich unendlich traurig, aber das kann ich nicht“, antwortete er, ging an Miranda vorbei und betrat die Hütte.

„Wo zum Teufel wollen Sie hin?“, rief Miranda erbost, war mit einem Satz bei ihm und packte den Fremden unsanft am Arm. „Dies ist Privatbesitz. Raus hier, aber schnell!“

Mühelos entwand er ihr den Arm und begutachtete den nur spärlich möblierten Raum. An der gegenüberliegenden Wand waren Pritschen aufgestellt, auf dem abgetretenen Holzboden lag ein bunter mexikanischer Flickenteppich, und unter dem glaslosen Fenster stand eine weiß gestrichene Frisierkommode. Diese Hütte hatte Mirandas Onkel lediglich als Übernachtungsmöglichkeit gedient, wenn er auf See fischen ging. Niemand hatte sie jemals wirklich bewohnt, bis Miranda sich hier häuslich eingerichtet hatte, um wieder zu sich zu finden.

„Wo kochen Sie denn?“, erkundigte sich Louis Mendoza.

Die Frage kam für Miranda so überraschend, dass sie sie automatisch beantwortete. „Draußen. Hinter dem Vorhang gibt es einen kleinen Anbau.“

Louis Mendoza durchquerte den Raum und schob den gelbgrün gestreiften Vorhang beiseite. An der Hüttenwand war ein kleines Becken aus Porzellan angebracht, und ein Eimer stand unter der Regenabflussrinne, um das Wasser aufzufangen. Miranda hatte sich direkt neben dem Anbau aus grobem Stein eine Feuerstelle gebaut, wo sie kochen konnte.

„Ziemlich primitiv“, bemerkte Louis Mendoza und brachte Miranda damit sofort wieder auf die Palme.

„Was erwarten Sie? Es ist auch eine primitive Insel“, entgegnete sie wütend. „Was geht Sie das Ganze überhaupt an?“

Er zuckte mit den breiten Schultern. „Alles und nichts“, antwortete er geheimnisvoll und ging durch den Hinterhof auf ein kleines Stück Land zu, das Miranda durch einen Zaun aus Zuckerrohr abgetrennt hatte. Das Rohr hatte sie selbst geschlagen und mühevoll mit von ihr geflochtenem Schilf zusammengebunden. Dort hatte sie einen kleinen Garten angelegt, den sie liebevoll pflegte. Die riesigen Tomatenstauden düngte Miranda mit frischem Seetang, nach dem sie tauchte. Auf einem anderen Stück gediehen verschiedene Kräuter wie Thymian, Dill und Rosmarin trotz der Hitze prächtig. Außerhalb des Gartens wuchsen Bananen, Mangos und Brotfrüchte.

Miranda hatte in dieser Wildnis überlebt und fand langsam wieder zu sich selbst zurück. Sie hegte Presler gegenüber keine bitteren Gefühle mehr, selbst von den üblen Machenschaften ihres Onkels hatte sie mit der Zeit Abstand gewonnen. Sollten alle ihre Bemühungen vergebens gewesen sein, nur weil dieser arrogante Mann in ihr kleines Reich eingedrungen war?

Niedergeschlagen folgte Miranda Louis Mendoza, der am Gärtchen vorbei auf ein kleines natürliches Wasserbecken zuging.

„Ist das die Stelle, wo Sie baden und sich ihr Trinkwasser holen?“, fragte er, als sie sich neben ihn an den Rand des tiefen Beckens stellte, das durch einen Wasserfall gespeist wurde und dessen Wasser durch eine Felsspalte abfloss.

„Baden eigentlich nicht“, antwortete sie ausweichend und verschwieg, dass diese Wasserstelle ihr Angst einjagte. Nur ein einziges Mal war sie darin geschwommen. Durch den Riss im Gestein entstand eine derartig starke Strömung, dass ihr die Beine immer wieder weggezogen worden waren. Das hatte Miranda in panischen Schrecken versetzt. Außerdem war ihr unversehens klar geworden, dass sie ganz auf sich gestellt war. Sollte ihr tatsächlich etwas zustoßen, würde niemand ihr zu Hilfe eilen. Es gab keinen Menschen, der sich darum kümmerte, ob sie lebte oder starb.

Miranda gab sich einen Ruck. „Ich schwimme im Meer. Ich wäre schön dumm, wenn ich mein eigenes Trinkwasser verschmutzen würde“, erwiderte sie von oben herab, warf ihre Mähne in den Nacken und rannte zur Hütte zurück.

Louis Mendoza ließ sich Zeit, bevor er Miranda in die Hütte folgte. Er bewegte sich wie die Menschen Westindiens: geschmeidig, langsam, ohne Hast. Schließlich setzte er sich an den Bambustisch auf der Veranda, so als wäre er diesen Platz gewohnt.

Miranda war sicher, dass es auch so war. Das musste jedoch vor ihrer Ankunft gewesen sein, denn sie hatte ihn erst zwei Tage zuvor zum ersten Mal gesehen, als er sie von Deck seiner in der Bucht vor Anker liegenden Yacht aus beobachtet hatte.

„Kann ich Ihnen einen Drink anbieten, bevor Sie wieder gehen?“, fragte Miranda spitz. „Ich habe Rum und Mangosaft, aber leider kein Eis.“

Louis Mendoza lächelte. Seine weißen Zähne boten einen wirkungsvollen Kontrast zu der gebräunten Gesichtshaut.

Schlagartig wurde Miranda bewusst, dass sie seit drei Monaten kein menschliches Wesen mehr berührt hatte. Abrupt drehte sie sich um und betrat die Hütte. Nervös wischte sie zwei Gläser aus, goss Rum hinein und füllte sie dann mit selbst gepresstem Mangosaft auf.

Das Getränk war nicht gerade durststillend, mehr ein Drink, mit dem man seine Sorgen und Unruhe betäuben konnte. In der letzten Zeit hatte Miranda immer seltener Zuflucht darin gesucht, aber jetzt brauchte sie es, weil Louis Mendoza sie in mehr als einer Hinsicht beunruhigte.

„Woher haben Sie Ihre Vorräte?“, fragte er, als sie das Glas vor ihn auf den Tisch stellte.

Sie setzte sich auf die Stufen der Veranda und wandte ihm den Rücken zu. Das rabenschwarze Haar fiel üppig bis zu dem Punkt, an dem ihr Baumwollkittel zusammengebunden war. „Varga, ein Fischer, hat mich von St. Vincent aus übergesetzt und erkundigt sich alle paar Wochen, ob ich etwas brauche.“ Sie trank einen Schluck. „Ich brauche nicht viel, denn von dem, was die Insel bietet, kann ich gut leben.“

Louis Mendoza lachte leise. „Ich weiß nicht, ob ich Sie bewundern oder für geistesgestört erklären lassen soll, wenn ich Sie zurückbringe.“

Unvermittelt drehte Miranda sich um und blickte Louis Mendoza mit großen dunklen Augen an. „Was soll das heißen, ‚mich zurückbringen‘?“

„Sie können sich hier nicht ewig verkriechen. Dort draußen gibt es ein Leben, das durchaus lebenswert ist.“

„Wirklich sehr tief schürfend“, entgegnete sie spitz. „Aber das ist nichts für mich. Wer sind Sie eigentlich, dass Sie mir Vorschriften machen wollen?“

„Oh, niemand von Bedeutung“, erwiderte er ohne weitere Erläuterung.

Miranda drehte sich wieder um und sah auf das türkisfarbene Meer hinaus, das am Horizont mit dem dunkelblauen Himmel zu verschmelzen schien. „Sie wissen, wer ich bin, daher nehme ich an, dass Sie auch meinen Onkel kennen. Sie haben mir zwar Ihren Namen genannt, aber noch nicht gesagt, was sie eigentlich von mir wollen.“

„Nichts. Ich will Sie lediglich wieder in die Zivilisation zurückbringen. Meiner Ansicht nach hatten Sie genügend Zeit, dem nachzutrauern, was vielleicht hätte sein können.“

Stirnrunzelnd stand Miranda auf und setzte sich auf den Bambusstuhl, der Louis Mendoza gegenüberstand. „lch bin volljährig und kann tun und lassen, was ich will“, erwiderte sie mürrisch. „Ich möchte nicht zurückgehen – zumindest jetzt noch nicht.“ Sie senkte die dunklen Wimpern und spielte gedankenverloren an einer Falte in ihrem Kittel herum.

„Sie können nicht länger hier bleiben. Sie werden sonst noch verrückt …“

„Und wenn schon!“, fiel Miranda ihm hitzig ins Wort. „Wen kümmert’s denn?“ Wütend trank sie einen kräftigen Schluck. Als sie das Glas auf den Tisch stellen wollte, wurde es ihr aus der Hand gerissen und ins Gebüsch geschleudert.

„Tun Sie mir einen Gefallen und werden Sie endlich erwachsen“, sagte Louis Mendoza. „Gewehre und harte Getränke sind Gift für jemanden, der nicht damit umzugehen weiß, und schon gar nichts für eine Frau.“ Er kniff die Augen drohend zusammen. „Und die Nummer von dem Mädchen, das niemand liebt, zieht bei mir nicht. Sie sind doch nicht dumm. Je länger Sie sich hier verkriechen, desto schlimmer wird dann die Konfrontation mit der Welt. Und noch etwas: Überschätzen Sie sich nicht. Schön und gut, Sie sind Stanley Gordons Nichte, aber er hat Ihre Existenz erfolgreich vor aller Welt verborgen, indem er Sie am anderen Ende der Welt zur Schule gehen ließ …“

„Einen Augenblick“, unterbrach sie ihn erneut, „Sie verdammter, herablassender, besserwisserischer Kerl. Wer hat Sie eigentlich um Ihre Meinung gefragt?“ Mirandas Augen waren fast schwarz vor Zorn. „Wer gibt Ihnen das Recht, hier aufzutauchen und mir salbungsvolle Vorträge zu halten? Ich weiß sehr genau, wer ich bin, und habe mich nie für übermäßig wichtig gehalten.“ Wütend stand sie auf und legte die Hände flach auf die Tischplatte. „Und vor der Welt da draußen habe ich bestimmt keine Angst. Ich brauchte lediglich etwas Zeit, um mich auf die neue Situation einzustellen.“

Bei diesem Wutausbruch kniff Louis Mendoza erneut die Augen zusammen und verstärkte den Griff um das Glas. Den Drink hatte er kaum angerührt.

„Ich habe die besten Schulen besucht“, fuhr Miranda selbstbewusst fort. „Ich hatte alles, was man für Geld kaufen kann. Aber wie, glauben Sie, habe ich mich wohl gefühlt, als ich dahinterkam, dass mein aufwändiger Lebensstil durch schmutziges Geld finanziert wurde? Mein Onkel ist ein Verbrecher, der ein Vermögen damit machte, dass er unschuldige Menschen betrog. Ich hatte doch keine Ahnung …“

„Sie haben aber verteufelt lange gebraucht, um die Dinge klar zu sehen!“

„Wollen Sie damit etwa sagen, ich hätte von Anfang an Bescheid gewusst? Nun, das habe ich keineswegs. Ich habe erst davon erfahren, als mein Onkel verhaftet wurde.“

„Und beim ersten Anzeichen von Schwierigkeiten haben Sie sich sofort aus dem Staub gemacht wie eine Ratte, die das sinkende Schiff verlässt“, erwiderte er verächtlich.

Miranda kochte vor Wut. „Das habe ich nicht! Ich stand jeden einzelnen Gerichtstermin von Anfang bis Ende durch“, entgegnete sie heftig. „Sie haben meinen Onkel in der Luft zerrissen. Angeblich hat er mit der Mafia zusammengearbeitet, schmutziges Geld gewaschen und jedes nur denkbare krumme Geschäft gemacht. Das alles war mir völlig neu. Ich war zweiundzwanzig, und mein Leben wurde von Geld bestritten, das unschuldigen Menschen aus der Tasche gezogen worden war.“

Sie blickte Louis Mendoza flehentlich an. „Wie habe ich mich wohl gefühlt, als ich davon erfuhr? Ich werde es Ihnen sagen. Ich war verletzt, verwirrt und bis ins Mark getroffen. Und die Auswirkungen, die die Affäre auf mein Leben hatte, waren katastrophal. Ich war mit einem bekannten New Yorker Anwalt verlobt, der mich wie eine heiße Kartoffel fallen ließ, als mein Onkel verurteilt wurde.“

Miranda gab Louis Mendoza Zeit, um das Gehörte zu verarbeiten, bevor sie abschließend meinte: „Ich habe durchaus ein Recht, so zu sein, wie ich bin, Mr. Louis Mendoza. Also versuchen Sie nicht, sich in mein Leben einzumischen. Hauen Sie einfach ab und lassen Sie mich in Frieden.“

Louis Mendoza hatte den Blick gesenkt und schwieg beharrlich. Er griff sich mit der Hand in das mittlerweile trockene Haar, legte dann die Unterarme auf die Oberschenkel und sah starr auf die Holzbohlen der Veranda.

Miranda zog den roten Kittel enger um sich und ging wortlos davon. Hoffentlich war Louis Mendoza bereits verschwunden, wenn sie zurückkam. Die Sonne musste jeden Augenblick untergehen, und diese Tageszeit war Miranda heilig.

Eilig lief sie zum Strand, wo sie von einem kleinen Felsvorsprung aus jeden Abend beobachtete, wie die Sonne blutrot im Meer versank. Louis Mendozas schnittige Yacht lag heute den dritten Tag vor Anker. Es war ein wunderbarer Anblick, wie die Sonne hinter der schlanken Silhouette des Schiffes unterging und sich der Himmel orangerot verfärbte.

In der Karibik brach die Nacht stets schnell herein. Miranda fürchtete die dunklen heißen Nächte nicht, denn die Insel war klein und entlegen. Louis Mendoza war der erste unwillkommene Besucher. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als dass er die Anker lichten und so bald wie möglich verschwinden würde.

„Was tun Sie da?“, fragte Miranda erbost, als sie zur Hütte zurückkehrte und feststellte, dass Louis Mendoza keineswegs verschwunden war, sondern gerade einen Topf mit einem grünen schleimigen Zeug über das Feuer hängte. Außerdem hatte er die wenigen Kerzen, die sie wie einen Schatz hütete, gefunden und alle auf einmal angezündet.

„Ich mache Callalou-Suppe. Die Pflanze wächst hier ja überall wild. Da Sie offensichtlich nicht gewillt waren, die Insel noch heute Abend zu verlassen, hielt ich es für besser, mich ums Abendessen zu kümmern“, bemerkte er so ruhig und unbeteiligt, dass sie fast sprachlos war – fast, aber nicht ganz.

„Ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt. Ich werde die Insel meines Onkels weder heute noch morgen verlassen.“

„Meine Insel“, stellte Louis Mendoza in aller Ruhe richtig.

Das gab Miranda den Rest. Sie schoss nach vorn und riss ihm den Topf aus der Hand. Blitzschnell holte er ihn sich zurück und knallte ihn auf den Grillrost. Im Kerzenlicht funkelten seine Augen zornig.

„Nun wissen Sie also Bescheid“, sagte er kurz. „Sie befinden sich unbefugt auf meinem Grund und Boden.“ Er wandte sich erneut dem Topf zu und rührte langsam darin herum.

Wie kann er eine solche Behauptung aufstellen und dabei seelenruhig in der Suppe herumrühren? Miranda verspürte den Drang, diese einfach auf den Boden zu schütten. Sie biss sich auf die Lippe und bemühte sich, sich nicht aufzuregen.

„Vermutlich verwechseln Sie die Insel mit einer anderen“, sagte sie schließlich. „Diese hier gehört jedenfalls meinem Onkel, ebenso wie drei weitere dieser Inselgruppe. Vier Inseln wurden bei seiner Verhaftung nicht beschlagnahmt. Jedes Mal, wenn wir eine Kreuzfahrt machten, haben wir sie angelaufen. Aber wir sind damals überwiegend vor El Paraiso vor Anker gegangen, weil das die Lieblingsinsel meines Onkels war. Übrigens war es sein Jagdgewehr, das Sie ins Meer geschleudert haben. Hören Sie mir überhaupt zu?“

Gelangweilt wandte Louis Mendoza sich ihr zu. Offensichtlich machte er gute Miene zum bösen Spiel, obwohl er tausendmal lieber woanders gewesen wäre. Aber eigentlich schien er eher ein Mann zu sein, der nur das tat, was ihm gefiel. Wieso sah er sie dann so merkwürdig an?

„Oh ja, ich höre zu“, antwortete Louis Mendoza seufzend. „Und ich weiß auch, was jetzt kommt. Sie werden jetzt zweifellos mit donnernder Stimme fordern, dass ich Ihnen die Rechtmäßigkeit meiner Ansprüche beweise.“

„Falsch! Ich weiß, dass Sie lügen. Diese Insel gehört meinem Onkel, und Sie sind derjenige, der sie unbefugt betreten hat.“ Miranda atmete tief durch. „Ich will, dass Sie endlich gehen. Je eher, desto besser.“

„Ich werde nicht ohne Sie fortgehen …“

„Mit mir auch nicht“, entgegnete sie heftig. „Ich möchte die Insel noch nicht verlassen.“

„Sie haben keine andere Wahl. So wenig wie ich. Freiwillig oder nicht, Sie kommen mit mir.“ Er machte eine kleine Pause und ließ den Blick langsam über ihre schlanke, durchtrainierte Figur gleiten.

Miranda spannte sich innerlich unwillkürlich an. Der Blick spiegelte reine Sinnlichkeit wider. Sie konnte es förmlich spüren, wie sehr er sie begehrte.

Er trat einen Schritt vor, legte ihr den Arm um die Taille und zog sie heftig an sich. Warm strich sein Atem über ihre Wange.

„Du warst drei Monate ohne einen Mann. Wenn ich wollte, könnte ich dich hier und jetzt verführen und dich mir so gefügig machen, dass du diese Insel lieber heute als morgen verlässt.“

Offensichtlich erwartete Louis Mendoza, dass sie sich wehrte und ihm mädchenhaft keusch Widerstand entgegensetzte, sodass er sich ihr absolut überlegen fühlen konnte, wenn er den Protest mit einem einzigen glühenden Kuss erstickte.

Autor

Natalie Fox
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