Küssen verboten – Verführen erlaubt?

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Küssen verboten! Stephanie besteht auf einer Anti-Kuss-Klausel, als sie sich darauf einlässt, die Scheinverlobte von Damian Nicolaides zu spielen. Denn dass der Tycoon verteufelt gut küssen kann, weiß sie aus eigener Erfahrung. Und auch, wie demütigend sich sein Spott danach anfühlt! Nein, Stephanie will nur die zwei Millionen Dollar, die der arrogante Grieche ihr bietet und die sie und ihre geliebte Großmutter von ihren Schulden befreien. Zu spät erkennt sie, dass die Klausel hätte heißen müssen: Verführen verboten!


  • Erscheinungstag 06.10.2020
  • Bandnummer 2461
  • ISBN / Artikelnummer 9783733714444
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Mir reicht es, Damian. Ich ertrage es nicht länger. Am liebsten würde ich die Flucht ergreifen.“

Damian zog die Brauen hoch. Es sah Clio nicht ähnlich, vor Problemen wegzulaufen. „So schlimm kann es doch nicht sein.“

Falsche Antwort, Nicolaides!

Noch bevor sie ihn wütend anfunkelte, sah er seinen Fehler ein. Dank seiner Mutter und seiner zwei Schwestern kannte er sich mit dem weiblichen Temperament ganz gut aus. Die Lage war offenkundig ernst.

„Ach nein?“ Clios tropfenförmige Diamantohrringe schwangen hin und her, als sie den Kopf schüttelte. „Er piesackt nicht nur mich, sondern auch Mama. Ein anderes Gesprächsthema kennt er nicht mehr. Ich wage es kaum, Mama zu besuchen oder anzurufen, weil er dann explodiert.“

Entsetzt merkte Damian, dass ihr die Tränen kamen. Er hatte sie noch nie weinen sehen. Obwohl sie nur seine Cousine zweiten Grades war, standen sie einander so nahe wie Geschwister.

Clios Kinn bebte. „Cassie heiratet bald, aber ich weiß nicht, ob ich der Feier gewachsen bin. Der Hochzeit meiner eigenen kleinen Schwester!“

Damians Magen krampfte sich zusammen. Clio hatte Kummer, und er war dafür verantwortlich. Er hätte es wissen müssen …

„Die ganze Zeit redet mein Vater darüber, dass ich als Älteste zuerst heiraten sollte. Dass du und ich perfekt zusammenpassen. Wie egoistisch ich bin, weil ich nicht den Mann heirate, der anständig, ehrenwert und geeignet ist.“ Sie biss sich auf die Unterlippe und sah Damian von der Seite an. „Natürlich erwähnt er nie, wie geeignet dein Vermögen ist.“

Ihr aufblitzender Humor schaffte es nicht, die dunkle Wolke über Damians Gewissen zu vertreiben. Selbst unter günstigsten Bedingungen war Manos ein schwieriger Mann, der Clio und ihrer Familie das Leben zur Hölle machen konnte.

Er nahm ihre Hand und spürte, wie sie zitterte. „Es tut mir leid. Ich bin schuld. Ich hätte nie …“

„Kehr jetzt bloß nicht den Macho raus, Damian Nicolaides! Ich weiß, dass du daran gewöhnt bist, Verantwortung zu schultern, aber die Schuld liegt nicht allein bei dir.“ Sie seufzte. „Glaubst du etwa, mir hat es keinen Spaß gemacht, dich zu all diesen Top-Partys zu begleiten? Oder dass ich nicht wie wild Kontakte geknüpft habe, um Kunden für meine Firma zu finden?“

„Aber es war meine Idee.“ Weil er genug davon gehabt hatte, Frauen abzuwimmeln, die mehr von ihm wollten als eine für beide Seiten befriedigende Affäre. Egal, wie oft er klarstellte, dass er nicht für etwas Dauerhaftes zu haben war – die Frauen glaubten, sie könnten ihn umstimmen.

Mit Clio als Begleiterin war es viel einfacher gewesen. Seine Geliebten akzeptierten eher, dass er nicht nach einer Ehefrau Ausschau hielt.

Ehefrau. Eine Gänsehaut breitete sich in seinem Nacken aus, kroch das Rückgrat entlang und schien einen Wirbel nach dem anderen zu vereisen.

Sanft drückte Clio seine Hand. „Du hast nichts falsch gemacht.“

Er blickte in ihr ernstes Gesicht und fragte sich, ob sie das gegenwärtige Problem mit ihrem Vater meinte oder die Vergangenheit, in der er durchaus Schuld auf sich geladen hatte.

Clio war an seiner Seite gewesen, als er dringend Beistand gebraucht hatte. Sie verdiente Besseres als diesen Schlamassel. „Okay, einigen wir uns darauf, dass keiner von uns etwas falsch gemacht hat.“ Schließlich stand es ihnen als Erwachsenen zu, Zeit miteinander zu verbringen, auch wenn sie kein Paar waren und es auch nie sein würden. „Trotzdem bleibt das mit deinem Vater ein Problem. Wir müssen versuchen, ihn eines Besseren zu belehren, ohne dir den Schwarzen Peter zuzuschieben.“

Clio entzog ihm ihre Hand und strich das Seidenkleid glatt, das sie für das heutige Fest trug. „Ich sage dir: Ich reiße aus. Nach Tierra del Fuego.“

Damian hörte den verzweifelten Unterton hinter den unbeschwerten Worten. „Weißt du überhaupt, wo das liegt?“

„Also gut, dann halt zum Polarkreis. Ich erweitere mein Geschäft um Inneneinrichtung für Iglus.“

Er musste lachen. Seine Cousine war glatt dazu fähig. Bei Herausforderungen blühte die talentierte Designerin auf.

Doch diese Krise überforderte sie. Ihr Ehrenwort reichte nicht, um Manos davon zu überzeugen, dass sie und Damian kein Paar waren. Vor allem, da Damians beträchtliches Vermögen eine Rolle spielte. Was es stets tat.

Das war einer der Hauptgründe, weshalb er sich auf vermeintliche Dates mit seiner Cousine verlegt hatte. Um den Frauen zu entgehen, die einen reichen Ehemann suchten. Ein griechischer Milliardär ohne Gattin und mit hohem Einkommen war ein exzellenter Fang. Einer in seinen frühen Dreißigern mit vollem Haar und eigenen Zähnen sogar eine Seltenheit. „Vergiss die Iglus, und überlass die Sache mir.“

„Du hast eine Idee?“, fragte sie hoffnungsvoll.

Er nickte. „Gib mir Zeit, um die Details auszuarbeiten. Vertrau mir, ich regle das mit Manos.“

Die Anspannung in ihrer Miene löste sich auf. „Danke, Damian. Ich hätte wissen müssen, dass ich auf dich zählen kann.“

Zwanzig Minuten später stand Damian neben seinem besten Freund, der heute heiratete. Christo checkte gerade die Nachrichten auf seinem Handy, sodass Damian den Blick auf das Meer vor Korfu hätte genießen können. Stattdessen ließ er den Blick über die Gästeschar im Garten der Villa schweifen.

Ich brauche eine Frau. Und zwar schnell.

Eine Frau, die seine Geliebte spielte, bis Manos begriff, dass Damian und Clio keine gemeinsame Zukunft hatten.

Wenn er mit einer schönen neuen Freundin bei der Hochzeit von Clios Schwester Cassie auftauchte, würde er Manos’ Hoffnungen dämpfen. Und wenn diese Freundin ein paar Monate in aller Öffentlichkeit an seiner Seite blieb …

Aber welche Frau?

Single musste sie sein. Und attraktiv, denn Manos war kein Narr. Zwischen Damian und seiner neuen Gefährtin musste es richtig knistern. Gleichzeitig brauchte er eine Kandidatin, die nicht auf eine echte Beziehung spekulierte. Die nicht versuchte, seine Zuneigung zu erringen und sich einen Platz in seinem Leben zu verschaffen.

„Entspann dich“, unterbrach Christo seine Überlegungen. „Ich bin derjenige, der heiratet, nicht du.“

„Und du heiratest sogar dieselbe Frau zum zweiten Mal. Das muss eine Art Rekord sein.“

„Beim ersten Mal hatte ich keine Ahnung, wie viel sie mir bedeutet. Diesmal ist alles vollkommen. Ich hoffe, du findest eines Tages eine Frau wie Emma. Den Mittelpunkt deiner Welt. Die Liebe deines Lebens.“

Als würde er noch daran glauben! Andere mochten so einen Menschen finden, falls sie außergewöhnlich viel Glück hatten. Er jedoch hatte seine Naivität vor einem Jahrzehnt verloren.

Entschieden vertrieb er die Gedanken an die Ereignisse, die ihn und seine Familie für immer verändert hatten. Heute war ein Tag der Freude, an dem man sich nicht mit Fehlern und Tragödien beschäftigen sollte.

Damian nahm zwei Gläser Champagner vom Tablett eines vorübergehenden Kellners und reichte seinem Freund eins davon. „Auf dich und deine reizende Emma. Und darauf, dass ich meine eigene Traumfrau finde.“

Eine, die schön, klug, umgänglich und vor allem nur eine flüchtige Erscheinung in seinem Leben war.

„Du siehst atemberaubend aus, Emma.“ Steph legte letzte Hand an den antiken Spitzenschleier. Sie hatte ihre beste Freundin noch nie so glücklich erlebt.

Emma lächelte schelmisch. „Du kennst mein Outfit doch schon.“

In diesem Kleid hatte sie Christo schon das erste Mal geheiratet. Seitdem war viel passiert. Die Eheleute hatten ihre Differenzen bereinigt und waren derart verliebt, dass es Steph beinahe wehtat, die Freude der beiden mitzuerleben.

„Hey, was ist los?“, fragte die Braut.

Emma war einfach zu scharfsinnig. Ein Blick auf Steph, als sie aus dem Flugzeug gestiegen war, und schon hatte Emma wissen wollen, was nicht stimmte. Es hatte die Brautjungfer viel Geschick gekostet, sich damit herauszureden, dass sie nach dem langen Flug von Melbourne nach Korfu müde war.

Steph weigerte sich, Emmas großen Tag mit ihrem Kummer zu trüben. Sie würde eine Lösung für ihr Problem finden – obwohl sich jeder bisherige Versuch als Fehlschlag entpuppt hatte. Sie musste sich nur mehr anstrengen, schließlich betraf diese Angelegenheit nicht nur sie selbst. „Nichts ist los! Darf ich nicht gerührt sein? Du siehst aus wie eine Märchenprinzessin.“

Ihre Freundin blickte sie zweifelnd an. Dann lächelte sie wieder. „Ich fühle mich auch wie eine! Kneif mich, damit ich weiß, dass es wirklich wahr ist.“

Statt sie zu kneifen, umarmte Steph sie fest. „Ich freue mich unglaublich für dich. Du verdienst es, nach allem, was du durchgemacht hast. Na los, Showtime!“

Emma drehte sich zur Tür, so rasch der Rock ihres langen Brautkleides es erlaubte. Steph zupfte noch einmal den Schleier zurecht und folgte ihr dann in den warmen Sonnenschein.

Es war ein herrlicher Tag. Der Garten der alten Villa mit dem blaugrünen Meer im Hintergrund war wie geschaffen für eine Hochzeit.

Trotzdem konnte Steph sich nicht richtig konzentrieren, als sie nach der Trauung mit den anderen Gästen plauderte. Aber das lag nicht an ihren privaten Sorgen. Die würden bald genug wieder im Mittelpunkt stehen. Nein, sie fühlte sich seinetwegen so unbehaglich. Wegen des Mannes, der sie die ganze Zeit beobachtete, obwohl er sich mit gefühlt jeder Frau unter vierzig unterhielt.

Steph wusste genau, wo Damian sich gerade aufhielt, weil ihm so viele sehnsüchtige Blicke folgten.

Wenn auch nicht von ihr.

Denn der dunkelhaarige breitschultrige Mann, der die meisten Gäste um einen Kopf überragte, war Damian Nicolaides.

Schlange.

Mistkerl.

Jener Mann, der sie dazu gebracht hatte, sich zum Narren zu machen. Ihr wurde speiübel, wenn sie daran zurückdachte.

Nicht zu fassen, wie leicht es ihm gefallen war! Steph mochte impulsiv sein, aber sie hatte schon in jungen Jahren gelernt, dass man Männern nicht blindlings vertrauen durfte. Warum hatte sie diese Regel damals in den Wind geschlagen? Sie, die sich bis dahin nie von männlichem Charme und einem sexy Körper hatte einlullen lassen?

Weil sie geglaubt hatte, Damian wäre anders. Loyal und fürsorglich. Was er den Menschen gegenüber, die er wertschätzte, auch zu sein schien. Jeder außerhalb seines engen Zirkels musste allerdings aufpassen, denn er war auch hinterlistig, berechnend und skrupellos.

Manchmal verfolgte Steph die Erinnerung an den Abend in Melbourne. Derzeit geschah das ziemlich oft, weil sie vor Sorgen kaum schlief.

Warum nur hatte sie sich trotz ihrer Erfahrung mit Damian von einem weiteren Mann täuschen lassen? Wenigstens hatte bei Damian nur ihr Stolz gelitten … Während sie zu Hause in Australien eine Katastrophe erwartete.

Plötzlich war ihr nicht mehr nach Feiern zumute. Sie raffte ihren langen Rock und folgte einem Pfad, der von der Villa wegführte. Erst als die Geräusche des Hochzeitsempfangs verebbten, blieb sie stehen. Sie stand auf einer niedrigen Klippe mit Blick auf einen weißen Sandstrand, der die Form eines Hufeisens hatte. Eine leichte Brise wehte, und es duftete nach Zypressen und Meer.

„Macht Ihnen die Party keinen Spaß?“

Wie geschmolzene Schokolade klang diese Stimme, genauso weich und verführerisch. Zu ihrem Entsetzen spürte Steph, wie sich tief in ihr etwas lockerte. Als hätte sie hierauf gewartet.

Sie hätte die Stimme von Damian Nicolaides überall wiedererkannt, denn sie hörte sie noch immer in ihren Träumen.

Also gut, er hatte eine schöne tiefe Stimme, doch darauf würde sie nicht reinfallen. Sie straffte die Schultern. „Ich wollte bloß etwas Zeit für mich.“ Wenn ich lange genug aufs Meer schaue, wird er schon gehen, dachte sie. Stattdessen hörte sie Schritte auf dem Kies.

„Direkt wie immer, Stephanie.“

Sie verwünschte das Gefühl, das sich in ihr ausbreitete. Als müsste dieser Mann nur den Mund aufmachen, damit ihre Hormone erwachten und aufgeregt herumflatterten.

Nur weil niemand sonst sie mit ihrem richtigen Namen anredete. Oder ihn wie die Aufforderung zu einer Sünde aussprach.

Jäh wurde ihr heiß. Das Blut schoss ihr in die Wangen. „Dann beherzigen Sie vielleicht den Wink mit dem Zaunpfahl und kehren zur Party zurück.“

Er schnaubte belustigt. Steph fühlte seinen Atem auf ihren angespannten Schultern und im Nacken. Damian stand schräg hinter ihr. Sie konnte ihn nicht sehen, spürte ihn aber auf eine Weise, die sie nicht erklären konnte – und auch nicht wollte.

„Ich habe ein Friedensangebot mitgebracht.“ Eine starke Hand erschien in ihrem Blickfeld und hielt ihr ein Glas Champagner hin.

Gerade wollte Steph ablehnen, da fuhr er fort: „Ich dachte, wir könnten auf das glückliche Paar anstoßen.“

Nur dieses Argument konnte sie umstimmen. Weiß er das? Natürlich. Er war clever. Gerissen. Und sie gab ihm nur mehr Macht, wenn sie ihm zeigte, dass die Vergangenheit sie nach wie vor beschäftigte.

Also nahm sie das Glas, vorsichtig und ohne Damians Finger zu berühren. Ein dezenter Duft stieg ihr in die Nase, erdig, warm und anziehend. Vertraut war er, irgendwie richtig. Steph weigerte sich, ihn zur Kenntnis zu nehmen, und drehte sich um. „Auf Braut und Bräutigam“, sagte sie und nippte. Dann trank sie noch einen Schluck, weil ihre Kehle unerwartet trocken war.

Aus der Nähe sah der Mann gar nicht wie eine Schlange aus, sondern so attraktiv wie eh und je. Hohe Wangenknochen und ein markantes Kinn, das ihn entschlossen wirken ließ. Eine lange gerade Nase, ein sinnlicher Mund und dunkelgrüne Augen, die in der Nachmittagssonne glänzten. Dunkle Haare, die sich weich anfühlten, wie sie wusste.

Ihre Finger zuckten, und das Glas in ihrer Hand schwankte kurz. Hastig senkte sie den Kopf und nippte noch einmal.

„Auf Emma und Christo“, murmelte Damian. „Mögen sie den Rest ihres Lebens miteinander glücklich sein.“ Jetzt nippte auch er.

Steph ertappte sich dabei, wie sie auf seinen Hals starrte. Als wäre etwas Faszinierendes an der Weise, wie er schluckte. Sie sah ihm in die Augen, und schlagartig spürte sie eine Anziehungskraft, die sie bis ins Mark traf.

Nein, nein, nein! Keine Anziehungskraft. Nicht wie letztes Mal. Verachtung. Geringschätzung.

„Danke für den Drink“, sagte sie höflich wie zu einem Fremden. Genau. Sie musste ihn wie einen Fremden behandeln. „Ich gehe lieber zurück. Emma …“

„… ist umringt von Freunden und Verwandten und kommt eine Weile ohne Sie aus.“

Steph hob die Brauen. „Wie auch immer, ich muss zum Empfang.“

„Ich hatte gehofft, wir könnten reden.“

„Es gibt nichts, worüber wir reden müssten.“

Bildete sie es sich nur ein, oder presste er die Lippen aufeinander? Der Glanz in seinen Augen wurde schwächer, und aus heiterem Himmel kam Steph der Gedanke, Damian könnte möglicherweise doch nicht so selbstbewusst sein, wie er auftrat.

„Wegen Melbourne …“, begann er.

„Dazu gibt es nichts zu sagen. Es ist vorbei.“

„So fühlt es sich aber nicht an. Wenn Sie mich ansehen, spüre ich Feindseligkeit, Stephanie.“

Sie schloss die Finger fester um ihr Glas, um den Inhalt nicht in sein verboten schönes Gesicht zu schütten. „Überrascht Sie das?“

„Ich habe mich doch entschuldigt.“

„Ach, und damit ist alles gut?“ Sie wedelte mit der Hand. Jahrgangs-Champagner flog durch die Luft und tropfte auf die Erde.

„Ich habe getan, was nötig war, um meinem besten Freund zu helfen.“

„Sie haben mich entführt!“ Steph stieß ihm mit dem Zeigefinger in die Brust.

„Es war nur eine winzige Entführung. Christo war verzweifelt, weil sich seine Braut am Hochzeitstag aus dem Staub gemacht hatte.“

„Das ist kein Grund. Emma hatte ihn doch informiert, dass es ihr gut ging. Außerdem können Sie ihr nicht vorwerfen, dass sie verschwunden ist, nachdem sie Christos wahren Grund für die Hochzeit erfahren hatte.“

„Er war krank vor Sorge. Ich musste ihm helfen, Emma zu finden. Und Sie …“ Er lehnte sich vor, legte die freie Hand auf ihre und zog sie an seinen Brustkorb. „Sie wussten, wo Emma sich aufhielt.“

„Das haben Sie vermutet.“ Steph sah ihm lieber in die Augen, als den Blick auf die breite Brust zu senken, wo sein Herz kräftig unter ihrer Handfläche pochte.

„Es war mehr als eine Vermutung, Stephanie. Man musste kein Genie sein, um zu folgern, dass Emma nur mit Hilfe so unauffällig und schnell verschwinden konnte. Ich habe Ihnen angesehen, wie unangenehm es Ihnen war, bei der Frage nach Emmas Aufenthaltsort zu schweigen. Und ich wusste, wenn ich mit Ihnen allein reden und Sie überzeugen könnte …“

Ihre Wangen brannten förmlich. Sie riss sich los und trat zurück. „So nennen Sie das? Überzeugen?“

Jetzt färbten sich auch seine Wangen einen Ton dunkler. Allerdings empfand sie keine Genugtuung, weil sie seinem Ego oder Gewissen einen Schlag versetzt hatte. Dass nicht Damian, sondern sie selbst damals den ersten Schritt gemacht hatte, war einfach zu demütigend.

Er hatte sie nach einer langen Arbeitswoche mit der Nachricht abgefangen, etwas über Emmas Aufenthaltsort zu wissen. Steph sollte mit ihm kommen und ihre beste Freundin zur Rückkehr zu Christo bewegen. Emma war damals auf Korfu gewesen. Steph hatte die Reise für ihre Freundin organisiert, konnte es aber nicht zugeben, also hatte sie Damian begleitet. Im Auto war sie eingenickt. Als sie aufwachte, stand der Wagen, und Damian beugte sich über sie. Instinktiv legte sie ihm beide Hände auf die Wangen. Einen Moment lang sah er ihr reglos in die Augen, und sie hätte geschworen, dass die Sehnsucht, die sie beide empfanden, die Luft im Auto vibrieren ließ.

Plötzlich schlang er die Arme um Steph. Sie beugte sich ihm entgegen, und er küsste sie derart leidenschaftlich, dass es alles übertraf, was sie über Verlangen zu wissen glaubte. Jeder Mechanismus, den sie zu ihrem Selbstschutz errichtet hatte, war außer Kraft gesetzt. Mit einem fast schon verzweifelten Begehren vergrub sie die Finger in seinem vollen weichen Haar.

Steph hatte die Wahrheit erst erkannt, als sie ausgestiegen und in das abgelegene Strandhaus gegangen waren. Als Damian erklärt hatte, er werde sie dort festhalten, bis sie ihm gestand, wo Emma war.

Zunächst hatte sie ihm nicht geglaubt, sondern vermutet, er wäre auf ein Rendezvous aus. Bis er sie informierte, dass er ihr im Auto das Handy weggenommen hatte.

Damian hatte sich gar nicht über sie gebeugt, um sie zu wecken oder zu küssen. Er war dabei gewesen, ihr das Handy aus der Handtasche zu entwenden, damit sie keine Hilfe rufen konnte.

Und als sie ihm die Hände auf die Wangen gelegt hatte? Nun, ein eindeutiges Angebot schlägt man nicht aus. Bestimmt hatte er geglaubt, ihr die Wahrheit als Verführer leichter entlocken zu können.

Sie schloss die Augen und wollte vergessen, wie sie ihre Sehnsucht einem Mann offenbart hatte, dem sie nichts bedeutete. Der die Tatsache, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte, kaltschnäuzig ausgenutzt hatte. Insgeheim hatte er garantiert über ihre Naivität gelacht.

„Stephanie?“ Eine Hand schloss sich um ihren Ellbogen. „Sind Sie okay?“

„Fassen. Sie. Mich. Nicht. An.“ Sie wich noch einen Schritt zurück, stieß mit dem Rücken an eine Zypresse und funkelte Damian wütend an.

Kurz nach Damians Drohung hatte Christo angerufen und erklärt, er wisse nun, wo Emma sei. Daraufhin hatte Damian sich für seine drastische Aktion, wie er es nannte, entschuldigt, Steph nach Hause gefahren und sogar bis zur Haustür begleitet – wie in einer Parodie auf ein Date. Innerlich hatte sie sich gekrümmt, weil sie ihm ihre Gefühle offenbart hatte. Gefühle, die er nicht erwiderte.

Ganz klein war sie sich vorgekommen. Wie bei jedem Mal, wenn ihr Dad entgegen seinen Ankündigungen nicht aufgetaucht war, weil es etwas Wichtigeres zu tun gab, als Zeit mit seiner Tochter zu verbringen.

„Ich wollte mich entschuldigen.“ In Damians tiefer Stimme schwang ein Unterton mit, der glatt als Schuldbewusstsein hätte durchgehen können – hätte Steph nicht lieber einem Krokodil vertraut, das sich als Vegetarier ausgab, als diesem Mann.

„Das haben Sie bereits getan.“

Er hob die breiten Schultern und ließ sie wieder sinken. „Offenbar ohne Erfolg. Sie haben mir nicht verziehen.“

Einen langen Moment blickten sie einander in die Augen, dann schaute Steph auf den strahlend blauen Himmel und die Zypressen hinter Damian. „Man kann nicht alles haben“, sagte sie. Sie würde sein Benehmen auf keinen Fall verzeihen.

„Und doch haben Sie Emma nichts erzählt.“

„Emma hatte genug um die Ohren. Es gab keinen Grund, ihr davon zu erzählen. Vor allem, weil Sie der beste Freund ihres Mannes sind. Warum sollte ich Emma in eine Lage bringen, in der sie Sie nicht mag und doch regelmäßig treffen muss?“

„Ist es das, was Sie empfinden? Sie mögen mich nicht?“ Wieder schwang in seiner Stimme etwas mit, das Steph nicht einordnen konnte.

Reue? Wohl eher Neugierde. Sicher mochten die meisten Leute ihn wegen seines Aussehens, Charmes und Reichtums. Höchste Zeit, diese Unterhaltung zu beenden. „Ich wurde dazu erzogen, höflich zu sein, Mr. Nicolaides. Aber Sie sind offenkundig zu dickhäutig, um den Wink mit dem Zaunpfahl zu verstehen.“ Sie fragte sich, ob irgendjemand, erst recht eine Frau, schon mal Nein zu ihm gesagt hatte. „Die Antwort lautet: Nein, ich mag Sie nicht.“

Darauf reagierte er nicht, woraus sie schloss, dass sie sein monumentales Ego nicht getroffen hatte. Sie reckte das Kinn. „Ich bin froh, wenn ich Sie nie wieder sehen oder sprechen muss.“

In dieser Sekunde sah sie es – die Muskeln in seinem Gesicht spannten sich kaum merklich an. Die Lippen zuckten, ganz kurz nur. Und seine Augen … In dem kühlen Grün schien ein Feuer aufzuflackern.

Im nächsten Moment fragte Steph sich, ob sie sich alles nur eingebildet hatte, denn er sah wieder weltmännisch und entspannt aus. Jetzt lächelte er auch noch. Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Was für eine Schande, dass dieser unerhört attraktive Mann so ein Schuft war.

„Schade. Ich hatte gehofft, Sie besser kennenzulernen, Stephanie, und etwas Zeit mit Ihnen zu verbringen.“

Nicht zu fassen! Glaubte er wirklich, sie würde noch einmal auf ihn hereinfallen? Begriff er nicht, wie sehr sie ihn verabscheute? „Sie machen Witze. Ich würde nicht einmal Zeit mit Ihnen verbringen, wenn Sie mir eine Million Dollar dafür bieten würden.“

Eine Ader an seiner Schläfe pulsierte. Als Steph sich umdrehte und zum Fest zurückkehren wollte, fragte er: „Und wie wäre es mit zwei Millionen Dollar?“

2. KAPITEL

Damian sprach die Worte aus, bevor er darüber nachdenken konnte. Trotzdem empfand er dabei eine seltsame Genugtuung.

Weil Stephanie ihn endlich nicht mehr verächtlich anblickte? Oder weil sein Instinkt ihm sagte, dass sein spontanes Angebot ein Geniestreich war?

Eine ungebundene, attraktive kluge Frau wollte er, die nur vorübergehend zu seinem Leben gehörte. Stephanie erfüllte sämtliche Bedingungen. Dass sie ihn nicht mochte, machte sie sogar zur idealen Kandidatin.

Mal abgesehen von dem kleinen Stich, den es ihm versetzte, dass sie ihn anschaute, als wäre er abstoßend.

Er verdiente ihren Unmut, denn er hatte sie gekränkt. Aber hätte er untätig bleiben sollen, wenn sein bester Freund außer sich vor Sorge gewesen war? Auf keine seiner Bitten um Hilfe war Stephanie eingegangen. Schließlich hatte er die Farce beenden wollen – aus ehrenwerten Beweggründen.

Allerdings war er zu sehr auf sein Ziel konzentriert gewesen, um das Ganze aus Stephanies Perspektive zu betrachten. Bis sie ihn mit großen braunen Augen voller Kummer angesehen hatte. Sogar ihr unmittelbar darauffolgender Temperamentsausbruch hatte die Erinnerung an ihre Verlegenheit nicht ausgelöscht. An jenem Abend waren Gefühle auf Damian eingestürmt, die er seit einem Jahrzehnt nicht mehr erlebt hatte. Seit der schicksalhaften Auseinandersetzung mit seinem Vater nicht.

Ursprünglich hatte er Stephanie noch einmal aufsuchen und den Misston aus der Welt schaffen wollen, doch dann war er wegen einer geschäftlichen Krise umgehend abgereist.

Vielleicht war es aber auch einfacher zu verschwinden, statt mich damit zu beschäftigen, was für Empfindungen sie in mir auslöst.

„Falls es das ist, was Sie unter einem Scherz verstehen, kann ich nicht darüber lachen.“ Steph wandte sich von ihm ab. Die dunklen Locken, die sie offen trug, tanzten ihr um den Kopf.

In Melbourne waren ihre Haare kurz gewesen. Die jungenhafte Frisur hatte ihr Gesicht umso femininer und anziehender gemacht. Damian beobachtete, wie die schimmernden Locken hin- und herschwangen. Es kam ihm vor, als würde Stephanies Lebhaftigkeit die Luft elektrisieren. Egal, ob sie gerade traurig, glücklich oder wütend war: Aus ihr strahlte eine innere Kraft.

Und wie sie ihn geküsst hatte …

„Es ist kein Scherz“, sagte er.

Abrupt drehte sie sich wieder zu ihm um. Obwohl er sie deutlich überragte, schaffte sie es irgendwie, auf ihn herabzusehen. Sie hob eine Braue, und der Blick aus ihren samtigen Augen schien ihn zu durchbohren.

Schon besser, dachte er. Mit ihrem Zorn konnte er umgehen. Es war der Schatten der Kränkung in ihren Augen, der ihm Unbehagen bereitete.

Als könnten die Gefühle einer winzigen Brünetten mich aus der Fassung bringen! Allein die Vorstellung war lächerlich. Am Verhandlungstisch kämpfte er ständig mit harten Bandagen. Und doch …

Autor

Annie West
Annie verbrachte ihre prägenden Jahre an der Küste von Australien und wuchs in einer nach Büchern verrückten Familie auf. Eine ihrer frühesten Kindheitserinnerungen besteht darin, nach einem Mittagsabenteuer im bewaldeten Hinterhof schläfrig ins Bett gekuschelt ihrem Vater zu lauschen, wie er The Wind in the Willows vorlas. So bald sie...
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