Liebe Ahoi!

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Als Maxines Katamaran mit einer Motoryacht kollidiert, hat sie Glück im Unglück. Der smarte Arzt Marc rettet sie und bietet ihr an, die Reparaturkosten für das Boot zu übernehmen, wenn sie für seine erkrankte Sprechstundenhilfe einspringt. Ein perfekter Handel, der allerdings seine Tücken hat: Liebe war nicht einkalkuliert ...


  • Erscheinungstag 28.03.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733756239
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Nebel hatte sich über den Atlantik gesenkt, doch Marc Merit störte es nicht, als er seinen Kreuzer am Abend zurück nach Merit Island steuerte. Vor einem halben Jahr hatte er die Praxis von Doktor Fleet übernommen und kannte sich in den Gewässern zwischen den felsigen kleinen Inseln mittlerweile so gut aus, dass er sich dort auch mit geschlossenen Augen zurechtfinden würde. Was heute zweifellos sein Glück war, denn am Nachmittag war das Radargerät an Bord ausgefallen.

Tief atmete Marc die feuchte würzige Meeresluft ein und lächelte zufrieden. All seine Patienten waren für heute versorgt, und er würde einen ruhigen, wohlverdienten Feierabend verbringen können. Das Leben auf Merit Island war schön, wenn auch ein bisschen einsam, denn es mangelte an geeigneten Frauen.

Grundsätzlich war er froh, dass er hierher zurückgekehrt war, und nirgendwo war alles vollkommen. Seine letzte Arzthelferin, Schwester Ursula, war ausgesprochen hübsch gewesen und wäre ihm gern nähergekommen. Wahrscheinlich hatte sie die Abgeschiedenheit nicht gemocht – oder sich an der Tatsache gestoßen, dass er nicht an einer engeren Beziehung interessiert gewesen war. Jedenfalls hatte sie gestern überraschend aufgehört, bei ihm zu arbeiten.

Heute Morgen hatte er sofort in mehreren Fachzeitschriften eine Stellenanzeige aufgegeben, und da er sehr gut zahlte, dürfte er in zwei, spätestens drei Wochen eine neue Kraft gefunden haben. Seufzend nahm er eine kleine Kurskorrektur vor. Er war wie jeder Landarzt überlastet, und die Praxis war schon immer unterbesetzt gewesen. Auch wenn er nicht wirklich lange allein zurechtkommen musste, war jeder Tag einer zu viel.

Plötzlich ging ein Ruck durch das Boot und riss Marc aus seinen Gedanken. Er hörte ein Knirschen und Ächzen und wusste sofort, dass jemand den kleinen Kreuzer gerammt hatte, und zwar mittschiffs, unmittelbar hinter ihm. Fluchend schaltete er die volle Beleuchtung ein und verließ das Ruderhaus.

Deutlich erkannte er wenig später den Katamaran, der mit seinem Boot zusammengestoßen war und den Fiberglasrumpf stark beschädigt hatte. Er presste die Lippen zusammen, um nicht erneut zu fluchen, und sah aus den Augenwinkeln, wie drüben an Bord jemand langsam aufstand und sich wegen des nachgebenden Trampolins am Mast festhielt. Verblüfft stellte er fest, dass es eine zierliche blonde Frau war.

„Oh nein!“, rief sie entsetzt, nachdem sie einen kurzen Blick auf den übel zugerichteten Doppelrumpf ihres Katamarans geworfen hatte, und fuhr sich mit der Hand durch das zerzauste lange Haar. Finster sah sie Marc an. „Was haben Sie nur mit meinem Boot gemacht?“ Vorwurfsvoll zeigte sie mit dem Finger zum Bug.

Marc traute seinen Ohren nicht und betrachtete sie ärgerlich. „Wie rücksichtslos von mir, es mit meiner Schiffsseite vorn zu rammen!“, antwortete er sarkastisch. „Bitte verzeihen Sie mir.“

Erregt strich sie sich erneut durch die blonde Mähne. „Aber … das Boot ist noch nicht einmal meins.“

„Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie gerade in der Nähe gewesen sind, es krachen hören und dann beschlossen haben, herauszufinden, was los ist?“

Finster blickte sie ihn an. „Ich habe viel für beißenden Spott übrig! Allerdings nicht in allen Lebenslagen. Und momentan ist er nicht sehr hilfreich.“ Bekümmert schüttelte sie den Kopf. „Was mache ich jetzt bloß? Ich kann mit dem Katamaran nicht zurücksegeln. Er wird sinken.“

„Das bezweifle ich. Aber Sie können ihn bestimmt nicht steuern.“ Er bemerkte, dass ihr etwas Dunkles über die Stirn rann, und empfand einen Anflug von Besorgnis. „Sie müssen sich den Kopf gestoßen haben, denn Sie bluten.“

„Natürlich habe ich das. Schließlich hatte ich einen Unfall.“ Sie fasste sich an die Stirn und schnitt ein Gesicht, als sie das Blut an den Fingern entdeckte. „Das nenne ich perfekt.“

„Ich sehe mir die Wunde besser einmal an“, erklärte Marc und nahm ein starkes Seil aus einem Kasten unterhalb der Reling, um den Katamaran ins Schlepptau zu nehmen. Er konnte die verletzte junge Frau, die vielleicht eine Gehirnerschütterung erlitten hatte, unmöglich allein in dem beschädigten Boot zurücklassen.

„Machen Sie sich meinetwegen keine Umstände. Ich kann mich gut um mich selbst kümmern.“

Nachdem er das Tau an einer Klampe seines Kreuzers befestigt hatte, kletterte er zu ihr an Bord.

„Was wollen Sie hier?“

„Mir vor allem Ihren Kopf ansehen“, antwortete er, während er das andere Tauende festband.

„Ich sagte doch bereits, dass ich keine Hilfe brauche.“

„Das habe ich gehört.“ Marc ging auf sie zu und zeigte auf das Trampolin. „Setzen Sie sich, während ich Sie untersuche.“

„Was glauben Sie, wer Sie sind? Mich einfach so herumzukommandieren!“

„Der Mann, den Sie gerammt haben.“ Er legte ihr die Hände auf die Schultern. „Setzen Sie sich!“

„In Ordnung, aber nur, weil ich mich ein wenig … müde fühle“, erklärte die Frau und befolgte widerwillig seine Anweisung.

„‚Schwindlig‘ wäre wohl das treffendere Wort, oder?“

„Nein, wäre es nicht. Ich bin ziemlich müde, denn ich bin schon eine ganze Weile hier draußen auf dem Atlantik. Ich habe mich etwas im Nebel verfranzt.“

„Und in ein paar Minuten könnten Sie etwas ohnmächtig werden, wenn Sie eine Gehirnerschütterung haben.“ Marc kniete sich neben sie und strich vorsichtig die Strähnen auseinander, um sich die Wunde ansehen zu können. Was hatte sie nur für herrlich dichtes goldblondes Haar, das zweifellos nicht gefärbt war! Wohin verirrten sich seine Gedanken? Du bist als Arzt hier, ermahnte er sich stumm, also konzentrier dich auf die Untersuchung!

„Eine Gehirnerschütterung?“ Sie lachte spöttisch auf. „Von dem kleinen Stoß? Da hat mein Kopf schon mehr aushalten müssen, wenn ich mir einen Sonnenhut aufgesetzt habe.“

Unwillkürlich verzog er amüsiert den Mund. Das musste er der forschen jungen Frau lassen – sie hatte Mut.

„Einmal im australischen Busch habe ich mir sogar selbst mit Zweigen und einem Gürtel das gebrochene Bein geschient. Ich weiß mir also allein zu helfen.“

Fantasierte sie, oder erzählte sie gern Märchen? „Das war sehr einfallsreich. Und was tun Sie, wenn Sie bewusstlos sind?“

„Hören Sie, das ist doch nur eine kleine Platzwunde.“

„Die genäht werden muss, Miss …“ Er blickte sie an und bemerkte ihre großen silbergrauen Augen, die glücklicherweise keine Anzeichen eines Hirntraumas zeigten.

„Baptiste, Maxine Baptiste“, sagte sie nicht mehr ganz so forsch.

„Nun, Miss Baptiste, wie gut sind Sie darin, sich selbst zu nähen?“

Sie kniff leicht die Augen zusammen.

„Habe ich Ihnen wehgetan?“, fragte er, während er ein sauberes Taschentuch aus der Hosentasche nahm.

„Nur als Sie mir mit Ihrem Boot den Weg versperrt haben“, antwortete sie leise.

Marc presste das Taschentuch auf die Wunde und sah sie eindringlich an. „Halten Sie es fest, während ich Ihnen zu mir an Bord helfe.“

„Wie bitte?“

Er schüttelte den Kopf. „Sie müssen genäht werden, schon vergessen? Und das kann ich hier nicht tun.“

„Sie haben verdammt recht, dass Sie das nicht machen können. Ich pflege nämlich keine Fremden, die im Nebel herumschleichen, mit Nadel und Faden an meinen Kopf zu lassen!“

Energisch umfasste er ihren Arm, stand auf und zog auch sie hoch. „Können Sie gehen?“

„Ich gehe nirgendwohin“, protestierte sie, war aber offenbar zu wackelig auf den Beinen, um sich gegen ihn zu wehren, als er sie einfach hinter sich herzog.

Der Katamaran neigte sich bedenklich zur Seite. „Lassen Sie uns schnell an Deck klettern, bevor wir beide ins Wasser fallen. Halten Sie sich am Dollbord fest, dann hebe ich Sie hinüber.“

Finster blickte Miss Baptiste ihn an. „Wenn Sie glauben, ich würde in das Boot eines fremden Mannes steigen, sind Sie verrückter, als Sie aussehen.“

„Ich heiße Marc Merit, wohne auf einer Insel ganz in der Nähe und bin Arzt“, stellte Marc sich vor, nachdem er den Katamaran notdürftig ausbalanciert hatte. „Und jetzt machen Sie endlich, bevor ich die Beherrschung verliere und Sie wie einen Sack Mehl nach drüben an Bord hieve.“

„Erst will ich, dass Sie sich ausweisen.“

Ungläubig blickte er sie an. „Wie bitte?“

„Ich will irgendeinen Ausweis sehen. Jeder kann sich als Arzt ausgeben. Selbst ein Killer.“

„Auch ein Killer kann ein Arzt sein.“ Er nahm ein Lederetui aus der Gesäßtasche, klappte es auf und hielt ihr seine Mitgliedskarte von der ärztlichen Vereinigung hin. „Mein Killerausweis wird gerade erst gedruckt.“

Miss Baptiste studierte sie genauestens und blätterte dann die anderen Karten durch, bis sie seinen Führerschein fand. „Dr. Marcus G. Merit“, las sie mit gerunzelter Stirn.

„Alles klar?“

„Sie sind also Arzt“, erwiderte sie mürrisch. „Aber wie Sie bereits festgestellt haben, können Ärzte auch Killer sein.“

Marc steckte das Etui wieder in die Hosentasche. „Ja, allerdings ist es, rein statistisch gesehen, viel wahrscheinlicher, dass Sie auf einen Arzt treffen, dem an Ihrer Gesundheit gelegen ist und nicht an Ihrem Ableben.“

„Wie reizend!“ Nachdenklich betrachtete sie ihn, und er hatte das Gefühl, dass sie alle Möglichkeiten erwog. „Auch wenn es mir nicht gefällt, bleibt mir wohl nichts anderes übrig“, meinte sie schließlich leise, hielt sich am Dollbord fest und schwang ein Bein nach drüben. Als sie Schwierigkeiten hatte, das andere nachzuziehen, umfasste er ihre schmale Taille und half ihr an Deck.

Während sie sich aufrichtete und das Taschentuch wieder auf die Wunde drückte, kletterte er an Bord und nahm ihren Arm. „Kommen Sie, und setzen Sie sich. Sollten Sie ohnmächtig werden, sind Sie dem Deck näher und fallen nicht so tief.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, führte er sie zu dem anderen Stuhl beim Steuer.

„In welcher Spielecke haben Sie Ihre bezaubernden Manieren gelernt, Doc? Ihr Umgang mit Patienten ist atemberaubend.“

Ärgerlich blickte er sie an. Sie war eine der nervtötendsten Frauen, die je seinen Weg gekreuzt hatten. „Dank Ihnen ist mein Boot beschädigt, und Sie erwarten, dass ich freundlich und zuvorkommend bin?“

Leicht verlegen sah sie weg. „Ganz so brummig müssen Sie vielleicht doch nicht sein.“

„Da Ihnen momentan der Kopf brummen dürfte, haben Sie mich vermutlich angesteckt“, erklärte Marc und fand sogleich, dass er sich diese Bemerkung besser gespart hätte. Miss Baptiste hatte Schmerzen und stand noch unter Schock. Leute in ihrem Zustand schlugen zuweilen um sich, ohne wirklich zu meinen, was sie sagten. Und schließlich konnte sie nichts dafür, dass sich Nebel gebildet und sie die Orientierung verloren hatte.

Bestimmt machte sie sich auch Gedanken wegen des beschädigten Katamarans, der noch nicht einmal ihr gehörte. Die verwaschenen Jeans und der weiße Nylonpulli wirkten nicht so, als hätte sie sie in einer vornehmen Boutique gekauft. Und wenn sie unter dem ausgebeulten weißen Schweißband am linken Handgelenk kein Diamantarmband verbarg, hatte sie möglicherweise Schwierigkeiten, das Geld für die Reparatur aufzubringen.

„Wessen Katamaran ist das?“, fragte er, nachdem er diesen ins Schlepptau genommen hatte.

Mit Bedacht faltete Miss Baptiste das Taschentuch anders und presste es dann wieder auf die noch immer blutende Wunde. „Ach, den habe ich von irgend so einem Typ bekommen. Ich wollte für die Habitatregatta am nächsten Wochenende ein wenig üben.“

„Für welche Regatta?“

Kurz sah sie ihn an, und er stellte fest, dass es ihre Augen verdächtig funkelten.

„Eine Wettfahrt zugunsten einer neuen Heimat für Eisbären im Zoo von Portland. Die Anmeldegebühren fließen in den Bau.“

Marc hatte noch nichts davon gehört. Allerdings hatte er auch seit Jahren keine Zeit mehr gehabt, den Zoo zu besuchen. Er schaffte es häufig sogar nicht einmal, die Tageszeitung zu lesen.

Aufmerksam betrachtete er ihr abgewandtes, angespannt wirkendes Gesicht. „Wie fühlen Sie sich?“

„Bestens.“ Sie lehnte sich auf dem Stuhl zurück und schloss die Augen.

„Sie werden nicht einschlafen, oder?“, fragte er besorgt.

Flüchtig blickte sie ihn an. „Keine Angst, Doc. Sollte ich ohnmächtig werden, werfe ich mich vorher aufs Deck, damit Sie es als Erster mitbekommen.“

Marc musste ein Lachen unterdrücken und konzentrierte sich darauf, den Kreuzer durch den Nebel zu steuern. „Danke. Ich werde auf das dumpfe Geräusch beim Aufschlagen achten.“

Aus den Augenwinkeln sah er, wie sie den Kopf etwas wandte und ihn beobachtete. Es machte ihn seltsam nervös, sodass er sich schließlich zu ihr umdrehte. Sie zuckte nicht mit der Wimper, schien nicht im Mindesten verlegen, dass er sie dabei ertappte.

Diese Frau war irgendwie faszinierend. Aufmerksam betrachtete er ihr ausdrucksstarkes Gesicht mit den großen silbergrauen Augen, dem verlockend sinnlichen Mund …

„Ich wollte einen Teil der Siegprämie dem Zoo stiften“, sagte sie und seufzte, „und das restliche Geld für die Reise nach Java verwenden.“

„Wohin?“

Maxine zuckte die Schultern und sah hinaus auf den Atlantik. „Ich bin Mitglied in einer Umweltschutzgruppe, die sich um das Überleben der Orang-Utans kümmert. Wir haben vor, in einigen Wochen über die Insel zu streifen. Mit der verbliebenen Summe wollte ich die Reise dorthin finanzieren.“

Marc lachte ungläubig auf. „Sie scherzen, oder?“

„Nein, warum?“ Sie blickte ihn an.

Skeptisch zog er die Brauen hoch. „Mal angenommen, Sie würden die Regatta gewinnen. Warum setzen Sie den Siegespreis so ein?“

Miss Baptiste runzelte die Stirn. „Weil die ganze Welt mein Zuhause ist, Doc, und mir mein Zuhause am Herzen liegt. Ihnen nicht?“

Aufmerksam betrachtete er sie noch einen Moment und konzentrierte sich dann auf das Anlegemanöver. Es ist eigentlich schade, dachte er seltsam deprimiert, dass diese hübsche, temperamentvolle Frau eine flatterhafte kleine Närrin ist.

Maxine hätte nie gedacht, dass sie den Abend in einem Cottage auf einer entlegenen Insel verbringen würde, wo ihr ein griesgrämiger Arzt, der es lächerlich fand, javanische Orang-Utans zu schützen, eine Kopfwunde nähte.

Eins musste sie dem Doktor jedoch lassen. Er mochte zwar eine zynische Haltung gegenüber der bedrohten Flora und Fauna dieser Welt einnehmen und auch Manieren haben, die zu wünschen übrig ließen, aber er schien ein Meister seines Fachs zu sein, denn er nähte die Wunde mit ausgesprochen ruhiger und leichter Hand.

Verstohlen sah sie ihn an. Er war völlig auf seine Arbeit konzentriert und wirkte wie ein guter, vertrauenswürdiger Landarzt. Was allerdings nicht nur positiv zu bewerten war, weil gute, vertrauenswürdige Landärzte ziemlich langweilig waren. Sie befassten sich zu sehr mit dem Hier und Jetzt und hatten kaum einen Blick für das Morgen und den Reichtum an Möglichkeiten, den die Welt bot und der diese zu einem faszinierenden Planeten machte.

„So, fertig. Und vermutlich wird auch keine Narbe zurückbleiben.“

Kurz sah Marc sie an, und wieder weckten seine braunen Augen solch ein seltsames Gefühl in ihr. Selbst wenn er sie finster betrachtete oder ihr grimmig etwas befahl, übte sein Blick eine merkwürdige Magie auf sie aus, der sie sich nicht so recht entziehen konnte. Hatte sie vorhin deshalb vielleicht nicht länger protestiert, oder hatte ihre Benommenheit sie daran gehindert und die Tatsache, dass er einen Moment drei Köpfe gehabt hatte statt nur einem?

Er legte Nadel und Faden beiseite, und Maxine hob unwillkürlich die Hand, um die Wunde abzutasten. Sogleich fasste er sie am Arm und hielt ihn fest.

„Versuchen Sie, die Wunde eine Weile nicht zu berühren“, forderte er sie auf. „Morgen dürfen Sie allerdings wie gewohnt duschen, und in sieben bis zehn Tagen löst sich die Naht von selbst auf.“ Behutsam legte er ihr den Arm aufs Bein und ließ ihn los.

„Vielen Dank, Doc, das hätte ich nicht allein gekonnt.“

„Sagen Sie, was verstecken Sie eigentlich unter dem Schweißband?“

„Meinen wertvollsten Besitz.“ Zärtlich legte sie einen Moment die Hand darauf, bevor sie es abstreifte und zwei Silberarmbänder mit vielen Anhängern zum Vorschein kamen. „Meine Eltern haben sie mir geschenkt. Die Anhänger stammen von all den Orten, an denen wir zusammen gewesen sind.“

„Ja.“ Marc wandte sich ab, zog die Gummihandschuhe aus und warf sie in den Abfalleimer. „Ich würde gern etwas wissen.“

„Falls Sie fragen wollen, ob ich versichert bin – nein, das bin ich nicht. Und die Armbänder können Sie auch nicht haben.“

Kritisch betrachtete er sie. „Obwohl mich einige Patienten in Naturalien bezahlen, möchte ich Ihre Armbänder nicht.“ Kurz verzog er den Mund. Ob amüsiert oder verächtlich, war ihr allerdings nicht klar. „Ich wollte mich auch nicht erkundigen, ob Sie versichert sind, aber meine Frage hat durchaus etwas mit Geld zu tun.“

„Ich habe keines bei mir. Außerdem habe ich Ihnen gesagt, dass ich Ihre Hilfe nicht brauche. Sie haben sie mir aufgezwungen.“

„Ich bin ein brutaler Kerl“, erklärte er ruhig. „Und jetzt halten Sie mal eine Minute lang den Mund und lassen mich reden.“

„Entschuldigen Sie.“ Maxine breitete die Arme aus. „Bitte reden Sie. Ich vergesse immer wieder, dass ihr Medizinmänner wichtiger seid als wir Normalsterbliche.“ Feindselig blickte sie ihn an. „Oder ichbezogener? Ich erinnere mich nicht.“

Marc setzte sich auf einen Stuhl, verschränkte die Arme vor der Brust und betrachtete sie finster. Maxine ließ sich davon nicht beirren und musterte ihn ihrerseits ungeniert. Unter dem Arztkittel trug er eine beigefarbene Hose und ein weißes Polohemd und wirkte insgesamt ausgesprochen konservativ, patientenfreundlich und landärztlich.

„Haben Sie sich tatsächlich schon einmal allein das Bein geschient?“

„Warum?“ Wie konnte er nur so arrogant fragen? „Ist das Recht, ein gebrochenes Bein zu schienen, nur den Halbgöttern in Weiß vorbehalten?“

„Heißt das nun ja oder nein?“

„Ja. Meine Eltern haben wilde Tiere fotografiert und sind viel in der Welt herumgereist. Sie haben mich überallhin mitgenommen und mich auch unterrichtet. Da wir oft auf uns selbst gestellt waren, mussten wir sehr erfindungsreich sein.“ Sie setzte sich aufrecht hin. Oh ja, sie war außerordentlich stolz auf ihre Eltern, die sich in Fachkreisen einen Namen gemacht hatten! „Als ich eines Tages allein in unserem Lager war, bin ich gestürzt und habe mir das Bein gebrochen. Bis zur Rückkehr meiner Eltern hatte ich es selbst geschient.“

Nachdenklich blickte Marc sie an, schien hin und her zu überlegen und endlich – wenn auch widerwillig – zu beschließen, dass er ihr glaubte. Deutlich spürte Maxine, wie es sie mit Genugtuung erfüllte. Der griesgrämige Doktor mochte zwar nicht viel von Spontaneität und einem Vagabundenleben halten, aber Mut und Intelligenz wusste er offenbar zu schätzen.

„Was ist? Haben Sie nichts weiter zu sagen?“ Herausfordernd funkelte sie ihn an.

„Doch.“ Er fuhr sich übers Kinn und nickte. „Werden Sie Schwierigkeiten haben, die Reparatur des Katamarans zu bezahlen?“

Maxine runzelte die Stirn. Mit dieser Frage hatte sie nicht gerechnet. „Das ist meine Sache und geht Sie nichts an.“

„Ja, und ich bin auch wahrlich nicht darauf erpicht, es zu meiner Sache zu machen. Wenn Sie allerdings nichts dagegen haben, antworten Sie mir bitte trotzdem.“

Sie hatte etwas dagegen, zuckte aber die Schultern. Ihr Kampfgeist war so gut wie erloschen. Sie hatte rasende Kopfschmerzen, besaß keinen Cent und wusste nicht, wo sie die Nacht verbringen sollte.

„Ich habe den Bootseigentümer vor zwei Tagen auf einer Kundgebung für eine saubere Umwelt kennengelernt. Er hat mir von der Regatta erzählt und gemeint, er hätte einen Katamaran, den ich benutzen könnte, sollte ich an dem Wettsegeln teilnehmen wollen. Also habe ich ihn mir ausgeliehen.“

Ihr lief ein kalter Schauer den Rücken hinunter. Was sollte sie jetzt nur tun? „Er ist kein enger Freund, und ich habe keine Ahnung, wie er reagieren wird, wenn er das Wrack sieht.“

Maxine spürte, wie sie Magenschmerzen bekam, als sie sich ihre Situation verdeutlichte. Sie steckte wirklich in Schwierigkeiten. An die Reise nach Java war überhaupt nicht mehr zu denken. Sie musste sich vorübergehend einen Job suchen, um sich das Geld sowohl für die Reparatur des Katamarans als auch für ihr nächstes Abenteuer zu verdienen.

Marc betrachtete sie finster, schwieg jedoch beharrlich. Irgendwo tickte eine Uhr, und Maxine sah sich in der kleinen, ganz in Kiefer eingerichteten Küche um, bis sie die Pendeluhr an einer der ebenfalls holzverkleideten Wände entdeckte. Überall herrschte peinliche Sauberkeit. Sogar der blaue Webteppich auf dem Dielenboden wirkte, als wäre er gerade aus der Reinigung gekommen.

„Miss Baptiste“, sagte Marc endlich, und sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihn. „Ich habe keine Zeit für lange Vorreden. Gestern hat mich meine Sprechstundenhilfe verlassen, und ich brauche dringend Hilfe. Wenn ich die Reparatur des Katamarans bezahle, würden Sie es abarbeiten und mir die nächsten beiden Wochen unter die Arme greifen?“

Verwirrt blickte sie ihn an. Seine Frage traf sie völlig unvorbereitet. Der mürrische Doktor bot ihr einen Job an! Griesgram hin, Griesgram her, dachte Maxine, ich muss unbedingt Geld verdienen, und wo und wie ich das tue, ist letztlich nicht so wichtig. „Ich könnte kochen und mich um die Wäsche kümmern. Was immer Sie wollen.“

Marc zog die Augenbrauen hoch. „Ich will Sie als Arzthelferin.“

„Aber … ich … bin keine …“

Ungeduldig schüttelte er den Kopf. „Okay, nennen wir es Assistentin. Ich benötige jemanden, der mich zu den Patienten begleitet und mich hier in der Praxis unterstützt. Zu Gehirnoperationen werde ich Sie nicht heranziehen.“

Maxine schluckte und runzelte die Stirn. Sie hatte das Gefühl, dass sie nicht mehr klar denken konnte. Lag das vielleicht an ihrer Kopfverletzung?

Er beugte sich etwas vor. „Sie brauchen einen Job. Richtig?“

Sie sah in seine braunen Augen, spürte seinen durchdringenden Blick und konnte nur nicken.

„Und ich brauche jemanden, der mir hilft, und denke, dass Sie dazu in der Lage sind“, erklärte er und lehnte sich zurück. „Wenn Sie zwei Wochen bleiben, sorge ich dafür, dass der Katamaran wieder in einen tadellosen Zustand versetzt wird. Was sagen Sie dazu?“

„Zum einen, dass er das vorher überhaupt nicht war“, antwortete sie leise.

„Nun, dann ist er nach der Reparatur eben besser. Verklagen Sie mich doch.“

„Sie müssen nicht gleich auf mich losgehen. Ich wollte nur etwas klarstellen.“

Marc fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Entschuldigung.“ Tief atmete er ein, und Maxine hatte den Verdacht, dass er insgeheim bis zehn zählte. „Also, was sagen Sie dazu?“

Wollte sie wirklich zwei Wochen auf dieser kleinen Insel festsitzen und sich praktisch auf Gedeih und Verderb an diesen Griesgram binden? Hatte sie denn überhaupt eine Wahl? Es könnte mehrere Tage dauern, bis sie eine andere Arbeit gefunden hatte, und der Verdienst würde bei Weitem nicht so hoch sein. Die Reparatur des Katamarans dürfte mindestens zweitausend Dollar kosten.

Argwöhnisch sah Maxine ihn an. „Sie bezahlen Ihre Assistentinnen offenbar fürstlich, Doc.“

„Wir Killer haben es schwer, eine gute Kraft zu halten“, erwiderte Marc mit ernster Miene, und sie musste ein Lächeln unterdrücken.

Prüfend betrachtete sie ihn und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ja“, bestätigte sie nachdenklich. Er sah wirklich blendend aus, doch seine mürrische Art würde ihr sehr zu schaffen machen. Länger als zwei Wochen hielt es bestimmt kein normaler Mensch mit ihm aus.

Diese Überlegung brachte Maxine auf einen Gedanken. Obwohl sie wirklich dringend einen sehr gut bezahlten Job brauchte, beschloss sie, diesen nur unter einer knallharten Bedingung anzunehmen. „Zusätzlich zu den Reparaturkosten für den Katamaran brauche ich auch noch Geld, um an mein nächstes Reiseziel zu gelangen. Kommen Sie auch dafür auf?“, erkundigte sie sich und wusste nicht, ob sie mehr erleichtert wäre, wenn er sich einverstanden erklären oder wenn er sie kurzerhand zum Gehen auffordern würde.

Marc blickte zur Decke. „Und was ist Ihr nächstes Reiseziel?“

„Ich … ich weiß es noch nicht. Java wird es wahrscheinlich nicht mehr sein.“ Sie zuckte die Schultern. „Ich werde mich entscheiden, wenn es so weit ist.“

„Eine hervorragende Planung.“

Autor

Renee Roszel

Renee ist mit einem Ingenieur verheiratet, was einen großen Vorteil und einen kleinen Nachteil hat. Der Vorteil: Wann immer ihre Kinder Probleme in Mathe haben, kann er helfend einspringen, denn Renee könnte es ganz sicher nicht! Der Nachteil: Seine Liebeserklärungen tendieren dazu, sehr sachlich zu sein – er ist und...

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