Liebe, Lust & Leidenschaft - Best of Baccara Collection 2021

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Mit diesem eBundle präsentieren wir Ihnen die schönsten und erfolgreichsten Baccara Collection Ausgaben aus 2021 - leidenschaftlich, aufregend und extravagant. Die etwas längere Auszeit vom Alltag für die selbstbewusste Frau … Happy End garantiert!

Baccara Collection Band 428

HEISSES VERLANGEN UNDERCOVER von JULES BENNETT
Ihr neuer Boss ist einfach unwiderstehlich! Dabei hat Sophie den Job bei Nigel Townshend nur angenommen, um in seiner Firma belastendes Material über ihre Stiefmutter zu sammeln. An Lust hat Sophie dabei nicht gedacht. Und schon gar nicht daran, sich zu verlieben …

WIEDERSEHEN MIT DEM SEXY EX von SHERI WHITEFEATHER
Soll Sängerin Tracy das Friedensangebot ihres Ex annehmen? Zögernd sagt sie Ja zu Dashs Vorschlag, mit ihm zusammen aufzutreten. Und landet viel zu schnell mit dem sexy Country-Star im Bett! Vergeblich versucht sie sich einzureden, es wäre nur ein One-Night-Stand gewesen …

VERFÜHRT NACH ALLEN REGELN DER KUNST von JOSS WOOD
Ihre verhängnisvolle Schwäche für Bad Boys treibt Kunstexpertin Sadie in die Arme von Carrick Murphy, der sie mit zärtlicher Leidenschaft verwöhnt. Was morgen ist, interessiert sie überhaupt nicht, denn Sadie glaubt nicht an Verpflichtungen. Bis süße Folgen alles ändern!

Baccara Collection Band 429

WENN DIE SEHNSUCHT NEU ERWACHT von REESE RYAN
Kein Mann hat sie je so erotisch verzaubert wie Darius! Als Audra, Erbin eines Schmuckimperiums, ihren Ex in Texas wiedersieht, weckt das sofort heiße Erinnerungen in ihr - und neue Sehnsucht. Doch kann sie Darius vertrauen, obwohl er sie damals verlassen hat?

HEIMLICH, STILL UND SINNLICH von JAYCI LEE
Solange Adelaide denken kann, träumt sie von Michael, dem besten Freund ihres Bruders. Endlich küsst er sie heimlich, still - und sinnlich. Ausgerechnet jetzt verbietet ein gemeinsames berufliches Projekt, dass mehr aus ihnen wird. Soll Adelaide es trotzdem wagen?

EINE NACHT IST ERST DER ANFANG von JOSS WOOD
Eine Frau passt überhaupt nicht in Ronans Leben. Aber eine einzige Nacht lang will er das vergessen, denn zwischen ihm und der schönen Joa knistert es aufregend. Doch kaum dämmert der Morgen, weiß Ronan: Eine Nacht mit dieser sexy Traumfrau ist erst der Anfang …

Baccara Collection Band 430

WIE ZÄHMT MAN EINEN TEXANISCHEN MILLIONÄR? von JANICE MAYNARD
Eine Affäre mit einem texanischen Millionär zu haben, ist das eine. Aber es ist etwas ganz anderes, ihn zwei Jahre später wiederzusehen! Auch wenn Brielle spürt, dass Vaughn Blackwood sie begehrt, so scheint er jetzt genauso wenig bereit, sich auf Liebe einzulassen wie damals …

ICH WILL DICH - UND DARF NICHT! von NADINE GONZALEZ
Der umwerfend attraktive Jonathan Gunther weckt in Sofia ein nie gekanntes Verlangen. Aber kann sie es wirklich riskieren, ihm die Wahrheit zu sagen? Um ihre Eltern vor einem Skandal zu schützen, muss sie vorgeben, mit einem anderen verlobt zu sein …

VERHÄNGNISVOLL SEXY von JOSS WOOD
Warum ist er bloß so unwiderstehlich sexy? Beah weiß, dass es ein Fehler ist, mit Finn die Nacht zu verbringen. Seit sie in London sind, um für ein Auktionshaus zu arbeiten, brennt ihre Liebe so heiß wie am ersten Tag. Dabei ist ihre Ehe seit neun Jahren geschieden!


  • Erscheinungstag 27.01.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751513647
  • Seitenanzahl 1203
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Jules Bennett, Sheri Whitefeather, Joss Wood, Jayci Lee, Reese Ryan, Janice Maynard, Nadine Gonzalez

Liebe, Lust & Leidenschaft - Best of Baccara Collection 2021

Jules Bennett, Sheri WhiteFeather, Joss Wood

BACCARA COLLECTION BAND 428

IMPRESSUM

BACCARA COLLECTION erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA COLLECTION
Band 428 - 2021 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg

© 2020 by Harlequin Books S.A.
Originaltitel: „From Boardroom to Bedroom“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
in der Reihe: DESIRE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Brigitte Marliani-Hörnlein

© 2020 by Sheree Henry-WhiteFeather
Originaltitel: „Wild Nashville Ways“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
in der Reihe: DESIRE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Peter Müller

© 2020 by Joss Wood
Originaltitel: „One Little Indiscretion“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
in der Reihe: DESIRE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Anja Schotte

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 01/2021 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751500968

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

 

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JULES BENNETT

Heißes Verlangen undercover

Von der ersten Sekunde an wecken ihre üppigen Kurven ero- tische Fantasien in Nigel! Im Privatjet nach England kann er nicht anders: Hoch über den Wolken verführt er seine neue Assistentin. Doch sein Herz erleidet eine Bruchlandung, als er erfährt, wer die sinnliche Schönheit wirklich ist – und warum sie unbedingt den Job bei ihm haben wollte …

SHERI WHITEFEATHER

Wiedersehen mit dem sexy Ex

Zusammen mit Tracy in Nashville auftreten, ihre Karriere als Sängerin beflügeln – und sie mit heißen Küssen zurück- erobern: Das ist Dashs Plan. Aber der Country-Superstar hat nicht mit dem Eigensinn seiner Ex-Verlobten gerechnet. Selbst nach einer heißen Liebesnacht will Tracy nichts von einem Neuanfang wissen …

JOSS WOOD

Verführt nach allen Regeln der Kunst

Carrick ist grundsätzlich nur an kurzen Affären interessiert. Bis er Sadie Slade damit beauftragt, für sein Auktionshaus ein Gemälde zu begutachten. Keine gute Idee! Denn Sadie sieht aus wie ein sexy Covermodel, und er kann einfach nicht genug von ihr bekommen. Mit ihr will er mehr als eine kurze Affäre. Nur was will sie?

PROLOG

„Und das Anwesen, die Unternehmen und das Vermögen gehen an Miranda Dupree.“

„Das soll wohl ein Witz sein!“ Sophie Blackwood konnte nicht länger schweigen. Sie wusste zwar nicht genau, was sie tun oder sagen sollte, aber einfach hier sitzen und schweigen war auch keine Option.

Wie zum Teufel hatte die Ex-Frau ihres Vaters – eine sehr junge dazu – es geschafft, sich das gesamte Erbe zu schnappen? Diese geldgierige Frau!

Die Situation war völlig inakzeptabel.

Sophie und ihr Vater hatten sich nie nahegestanden, aber alles dieser Frau zu hinterlassen, die nicht einmal mehr seine Ehefrau war, das war für Sophie wie ein Schlag ins Gesicht.

Selbst nach seinem Tod enttäuschte Buckley Blackwood, „Buck“, sie noch. Sophie blickte hinüber zu der umstrittenen Frau, die doch tatsächlich den Nerv besaß, überrascht zu wirken. Bitte, als hätte sie sich Sophies Vater nicht wegen seines Vermögens gekrallt. Miranda hatte doch gewusst, dass dieser Moment kommen würde.

Sophie sah zu ihren Brüdern hinüber, die genauso fassungslos wegen des Testaments waren, das der Anwalt ihres Vaters, Kace LeBlanc, Punkt für Punkt verlas. So als wäre es völlig normal, alles der Ex-Frau zu vermachen.

Nun, Sophie würde nicht länger bleiben und sich diesen Unsinn anhören. Sie liebte ihre Brüder, aber Miranda konnte sie nicht ausstehen.

Sophie war überrascht, dass ihre narzisstische Stiefmutter, dieses Monster, nicht ein gesamtes Kamerateam dabeihatte, um diesen Teil ihres Lebens zu dokumentieren. Einer der Stars in „Das geheime Leben der New Yorker Ex-Ehefrauen“ zu sein – New Yorks Version von „Die wirklichen Hausfrauen“ –, schien Mirandas Leben zu beherrschen. Ständig folgte der Frau ein Team und dokumentierte jeden Aspekt ihres schrillen Lebensstils.

Dieses ganze Szenario kostete Sophie den letzten Nerv.

Miranda besaß bereits Millionen. Sie brauchte von Buck weder das Geld noch die Ranch. Sicher, Sophie brauchte es auch nicht, aber verdammt, sie und ihre Brüder waren Blutsverwandte. Hatten sie kein Anrecht auf den Nachlass?

Sah denn niemand, was für eine rachsüchtige Frau Miranda in Wirklichkeit war? Es musste einen Weg geben zu beweisen, dass sie nicht so großartig war, wie viele dachten. Auch wenn die Reality-Show Miranda als fürsorgliche und liebevolle Frau porträtierte – Sophie glaubte nicht eine Sekunde daran.

Sophie nahm Kellans und Vaughns wütenden Gesichtsausdruck wahr, als sie das Arbeitszimmer auf dem Anwesen ihres Vaters verließ.

Ihre Brüder waren die einzigen Menschen, die ihr wichtig waren. Sie alle waren ein Team, waren es immer gewesen. Und sie wusste, dass sie gemeinsam daran arbeiten würden, diese Farce eines Testaments zu kippen. Doch im Moment war Sophie viel zu wütend, um nachzudenken oder sich darauf zu konzentrieren, welche Schritte sie als Nächstes unternehmen sollten.

Sie wollte nur noch raus aus dem Haus ihres Vaters, in dem sie nie glücklich gewesen war und in dem sie gerade eine neue Enttäuschung über sich hatte ergehen lassen müssen. Die meisten Menschen würden nach dem Tod eines Elternteils trauern, und ein Teil von Sophie war auch traurig. Buck war ihr Vater gewesen, aber es war immer schwer, ihn zu lieben. Und wie sich herausstellte, war das auch nach seinem Tod noch so.

Als Sophie hinaus in die Sonne trat, nahm sie ihre Sonnenbrille vom Kopf und setzte sie auf. Sie brauchte eine Pause. Sie wollte weg, auch wenn es nur für ein paar Tage war. Royal in Texas war eine hübsche Stadt, und Sophie lebte wirklich gern hier. Aber wie jede Kleinstadt war es eine Brutstätte für Klatsch und Tratsch, und diese jüngste Bombe, die ihr Vater hatte platzen lassen, würde für Wochen in aller Munde sein. Überall würde getuschelt werden. Allein bei dem Gedanken daran standen ihr die Haare zu Berge.

Andererseits könnte sie die Situation vielleicht zu ihrem Vorteil wenden, wenn sie die Karten richtig spielte. Und der Tratsch über das skandalöse Blackwood-Testament würde dann zu Gerede über Miranda führen.

Wenn Sophie irgendetwas aufdecken könnte, was an dem Testament nicht ganz koscher war, könnten sie es anfechten. Vielleicht gab es ja einen Skandal, ein Geheimnis oder ein Druckmittel, das Miranda gegen Buck in der Hand gehabt hatte, weshalb er seine Kinder enterbt hatte. Sophie musste nur herausfinden, was es war.

Sie holte ihr Handy aus der Tasche, nachdem sie sich hinters Lenkrad ihres Sportwagens gesetzt hatte. Es war Zeit anzufangen.

1. KAPITEL

Sophie erkannte sich selbst kaum wieder in den verspiegelten Aufzugstüren. Quer durchs Land zu fliegen, sich äußerlich komplett zu verändern und eine neue Identität zuzulegen, war eine Meisterleistung gewesen.

Aber Beharrlichkeit zahlte sich aus – zumindest hoffte sie darauf.

Sie war nach New York gereist, um Miranda auszuspionieren. Sie hatte versucht, jeder möglichen Spur in Royal nachzugehen, jedoch ohne Erfolg. Nach zwei Monaten war ihr klar geworden, dass sie ihren Radius erweitern musste. Wenn sie etwas finden wollte, dann in New York – und dazu musste sie ihre Identität ändern.

Niemand würde der Stieftochter, die Miranda bekanntlich hasste, Geheimnisse anvertrauen. Doch vielleicht würde Sophie mithilfe ihrer neuen Identität unter dem Radar durchschlüpfen können. Da sie sonst keine Idee hatte, wie sie Nachteiliges über ihre Stiefmutter herausfinden sollte, hatte sie diese ungewöhnliche Herangehensweise gewählt.

Seit einer Woche lebte Sophie mit ihrem neuen Aussehen und in ihrer neuen Rolle, aber sie hatte sich noch nicht daran gewöhnt, jemand anderes zu sein. Nie zuvor war sie so hinterlistig und durchtrieben gewesen.

Aber besondere Situationen erforderten besondere Maßnahmen.

Als der Fahrstuhl zu den Räumen der Green Room Media Inc. hinaufglitt, überlegte sie, was genau sie tun würde. Sie hatte einen befristeten Job als Beraterin bekommen und hoffte, dass sie in dieser Position in der Lage sein würde, an Material aus dem Schneideraum heranzukommen. Vielleicht würde sie sogar engen Kontakt mit einem Teil des Kamerateams von „Das geheime Leben“ haben.

Sie musste etwas Pikantes über Miranda herausfinden, damit Sophie etwas gegen sie in die Hand bekam. Am besten wäre es, Miranda als geldgierige und hinterhältige Frau zu entlarven. Das würde es Sophie ermöglichen, das Testament anzufechten, damit das Blackwood-Anwesen wieder in die Hände der Familie zurückfiel. Eine Frau, die ihr Leben und ihre materiellen Besitztümer im Fernsehen zur Schau stellte, brauchte es sicher nicht.

Das Anwesen stand Sophie und ihren Brüdern zu. Sie wollte nicht jammern, aber sie war auf Blackwood Hollow aufgewachsen, und das Haus barg so viele Erinnerungen. Erinnerungen an ihre wundervolle, verstorbene Mutter. Geld hatten sie alle genug … darum ging es nicht. Es ging um Familie, und zu der hatte Miranda in Sophies Augen nie gehört.

Sophie nahm Miranda nicht die süße, unschuldige Person ab, die sie in der Öffentlichkeit spielte, absolut nicht. Die Frau würde nicht in einer der skandalösesten Reality-Shows auftreten, wenn sie so perfekt wäre. Es musste etwas geben. Leider war Sophie Miranda während der kurzen Ehe mit ihrem Vater so gut es ging aus dem Weg gegangen. Und so kannte sie die Frau nicht gut genug, um zu wissen, wo sie nach Leichen im Keller suchen sollte. Aber sie vermutete, dass es welche gab, und zwar in den Büros der Produktionsfirma, die in den letzten Jahren der Mittelpunkt von Mirandas Leben gewesen war.

„Das geheime Leben“ war eine beliebte Reality-Show über das Leben geschiedener Frauen in Manhattan. Natürlich hingen die Einschaltquoten davon ab, wie viele Skandale die Ladys bei der Zurschaustellung ihres verschwenderischen Lebensstils zu bieten hatten. Es war einfach geschmacklos – aber die Sendung war beliebt, und es stand ein großer Stab von Leuten dahinter, um die guten Quoten zu halten. Dort musste Sophie ansetzen.

Sophie hatte sich auf die Stelle der persönlichen Beraterin bei der Produktionsfirma der Serie beworben. Die Sicherheitsvorkehrungen waren erstklassig, also war Kreativität gefordert, um hereinzukommen. Eine Blackwood wäre nie in dieses Büro gelangt. Nicht nach dem kürzlichen Tod von Mirandas Mann. Allein bei dem Wort Blackwood würden alle Alarmglocken schrillen, und Sophie wäre ausgeschlossen, bevor sie überhaupt anfangen konnte.

Ein befristeter Job war die perfekte Möglichkeit, in die Büros zu gelangen.

Es gab lediglich das Problem ihrer Popularität durch ihren YouTube-Kanal „Dream It, Live It“ für Innenarchitektur. Wegen der vielen treuen Follower war sie gezwungen gewesen, ihr Äußeres grundlegend zu ändern, damit niemand sie hier erkannte.

Nichts, was eine Haarfärbung, ein sorgfältig aufgetragenes Make-up, eine sexy Cateye-Brille, eine schicke Jacke sowie enge Jeans nicht schaffen könnten. Normalerweise trug Sophie farbenfrohe Kleider, weil sie sie viel bequemer fand als Hosen. Dieses Outfit lag also definitiv außerhalb ihrer Norm. Genau wie das Make-up. Sie bevorzugte den natürlichen Look, und mit den rot geschminkten Lippen hatte sie ihre Komfortzone definitiv verlassen.

Und die Haare? Die Frisur gefiel ihr irgendwie. Der fransige Schnitt und das kräftige Aschblond ließen sie frech aussehen. Es war der dringend benötigte Impuls für ihr Selbstwertgefühl, denn ihre Nerven lagen blank.

Hier war sie also, Tag eins im neuen Job und ihrer neuen Identität. Vielleicht hatten Blondinen ja mehr Spaß.

Die größte Umstellung war der neue Name. Das war etwas, woran sie immer denken musste, denn wenn jemand sie ansprach und sie nicht reagierte, würde ihre Tarnung schnell auffliegen.

Der Fahrstuhl hielt an, und Sophie holte tief Luft.

Nein. Sie musste aufhören, an sich selbst als Sophie zu denken. Für die nächsten Wochen war sie Roslyn Andrews. Diesen Namen konnte sie im Kopf behalten, oder? Es war eine nette Kombination aus Sophies zweitem Vornamen und dem Mädchennamen ihrer Großmutter. Kein Problem also. Sie hatte einen Namen gewählt, der zumindest etwas vertraut war. Und sie würde sich nicht lange daran gewöhnen müssen.

Sie hatte sich eine Woche Zeit gegeben, um reinzukommen, den Knüller über Miranda aufzuspüren und wieder rauszukommen. Sie mochte es nicht, hinterlistig zu sein – es war das genaue Gegenteil ihrer Persönlichkeit –, aber ihr und ihren Geschwistern war Unrecht getan worden.

Die Fahrstuhltür glitt auf, und die schicken Büroräume von Green Room Media hießen sie willkommen. Die elegante weiße Einrichtung und der halbrunde Schreibtisch mitten in dem geräumigen Foyer waren schlicht und doch stilvoll. Der Rezeptionist blickte von seinem Computer auf und lächelte. Sie hatte schon einmal mit ihm gesprochen, als sie vor wenigen Tagen zum Vorstellungsgespräch gekommen war. Sie brauchten offensichtlich sehr schnell jemanden, denn Sophie war vom Fleck weg eingestellt worden.

„Ah, Miss Andrews. Willkommen. Bereit für den ersten Tag?“

Mehr als ihm bewusst war. Wäre es zu offensichtlich, wenn sie ihn bat, sich sofort Filmmaterial ansehen zu dürfen?

„Bereit“, erwiderte Sophie lächelnd. „Wo ist mein Arbeitsplatz?“

Craig, so glaubte sie, war sein Name, stand auf und deutete den langen Flur entlang. „Sie arbeiten direkt mit Mr. Townshend zusammen, Sie Glückspilz. Er ist toll, aber er verlangt Loyalität und Präzision. Seine persönliche Assistentin ist im Mutterschaftsurlaub, deshalb braucht er einen Ersatz. Wenn Sie etwas brauchen, können Sie jederzeit zu mir kommen.“

Mit Mr. Townshend arbeiten. Nigel Townshend? Sie wäre vorübergehend seine persönliche Beraterin? Sophie wusste nicht, ob sie begeistert oder entsetzt sein sollte, dass sie dem innersten Kreis des Unternehmens angehören würde – und mit dem heißesten Mann zusammenarbeiten sollte, der je die Titelseiten von Zeitschriften geziert hatte. Er war als der britische, schwerreiche Bad Boy bekannt. Jede Frau wusste, wer Nigel war.

Sophies Herz machte einen Satz, und sie war nervös wie ein Schulmädchen. Nigel war ein sehr dominanter und mächtiger Mann. Beim Vorstellungsgespräch hatte Sophie gedacht, dass sie nur Botengänge machen oder Telefonate annehmen würde. Sie hatte auf mehr gehofft, aber sie musste auch realistisch sein. Sie hatte nur versucht, ihren Fuß in die Tür zu bekommen.

Nun, das hatte sie geschafft. Jetzt musste sie sich innerhalb kürzester Zeit nicht nur mental darauf vorbereiten, den sexy Briten zu treffen, sondern sich auch so weit beruhigen, dass sie nicht wie ein Schwachkopf daherkam, der diese Stelle nicht verdient hatte. Sie konnte es sich nicht leisten, gefeuert zu werden, bevor sie gefunden hatte, was sie suchte.

Sophie eilte hinter Craig her. „Sind Sie sicher, dass das die Stelle ist, für die ich eingestellt wurde?“, fragte sie.

Craig blieb so abrupt stehen, dass Sophie fast in ihn hineingelaufen wäre. Er blickte sich um, bevor er sich zu ihr beugte und flüsterte: „Das haben Sie nicht von mir gehört“, begann er. „Aber die Einschaltquoten von ‚Das geheime Leben‘ befinden sich im Sinkflug, und Nigel hat es zur Chefsache erklärt, den Grund dafür herauszufinden. Er braucht den Blick von außen, um die Situation zu klären. Und genau da kommen Sie ins Spiel.“

Nun, das sollte kein Problem sein. Sie kannte sich mit Einschaltquoten aus, schließlich betrieb sie ihren YouTube-Kanal sehr erfolgreich. Vielleicht könnte sie hier etwas bewirken und den Knüller bekommen, den sie brauchte. Eine Win-win-Situation.

„Gibt es bisher niemanden, der versucht hat, das Problem zu analysieren?“, fragte Sophie, die immer noch glaubte, das Ganze wäre ein Fehler.

„Seine Assistentin wäre ihm sicherlich eine wertvolle Hilfe, aber sie steht nicht zur Verfügung, und Nigel möchte jemanden von außen.“ Craig senkte seine Stimme noch mehr. „Ich glaube, die Sendung ist in Gefahr. Er hat es mir nicht direkt gesagt, aber … Nun, ich habe meine Quellen.“

Oh, sie hatte keinen Zweifel, dass der Rezeptionist wusste, wie der Laden lief, und dass er eine der besten Quellen für Klatsch und Tratsch war. Vielleicht wäre ein kleiner Plausch beim Lunch mit ihm ein guter Ausgangspunkt für ihr eigenes Projekt.

Die Sache lief besser an, als sie gehofft hatte. Sicherlich könnte Sophie, wenn sie mit dem Oberboss persönlich arbeitete, Zugang zu dem gesamten Filmmaterial bekommen. Aber sie musste trotzdem vorsichtig sein. Sie durfte sich keinen Fehler erlauben und auf keinen Fall Verdacht erregen. Vor allem durfte sie Miranda nicht begegnen. Selbst mit ihrem blonden Haar, der Brille und einer völlig anderen Garderobe würde ihre Stiefmutter sie erkennen.

„Mr. Townshend erwartet Sie.“ Craig legte seine Hand an den goldenen Türgriff einer weißen Doppeltür. „Willkommen bei Green Room Media.“

Die Türen schwangen weit auf, und Sophie alias Roslyn holte tief Luft.

Showtime.

Als er um Hilfe gebeten hatte, hatte er kein sexy Supermodel im Look einer Bibliothekarin erwartet. Der Anblick der kurvenreichen Blondine mit der heißen Brille und dem selbstbewussten Lächeln traf ihn mitten in den Bauch. Zudem war er ein Fan von glänzend roten Lippen.

Diese Jeans sollten verboten sein, aber er beschwerte sich sicher nicht.

Verdammt noch mal. Er hatte keine Zeit für eine Ablenkung dieser Art. Er hatte nicht einmal Zeit gehabt, das Bewerbungsgespräch selbst zu führen, und hatte darauf vertraut, dass seine loyalsten, verlässlichsten Mitarbeiter das zu seiner Zufriedenheit übernahmen. Er hatte nur nach jemandem gefragt, der qualifiziert und professionell war und ein ansprechendes Äußeres hatte.

Letzteres hatte er bekommen, jetzt hoffte er, dass ihre Qualifikation ebenso beeindruckend war wie das äußere Erscheinungsbild.

Er sollte seine neue temporäre Beraterin vielleicht einfach willkommen heißen. „Temporär“ war das Schlüsselwort – genauso wie „tabu“, denn er fing niemals eine Affäre mit Angestellten an. Er ging gern aus, aber es wurde nie ernst … sehr zur Enttäuschung seiner Familie.

Die Townshends verstanden nicht, warum Nigel in New York ein Imperium aufbaute und nicht in England eine Familie gründete. Er liebte seine Familie, er schätzte sie wirklich und vermisste sie wie verrückt. Aber er wollte sich von der Dynastie abspalten und sein eigenes Vermächtnis schaffen. Dieses Unternehmen und seine TV-Produktionen waren größer als alles, wovon er je geträumt hatte. Er musste nur diesen Trend von Wachstum und Erfolg fortsetzen, um seiner Familie zu zeigen, dass sich seine Ziele und Träume wirklich lohnten.

Er schob die Familienthemen beiseite und richtete den Blick auf die umwerfende Frau in seinem Büro. Ein Test der Willenskraft. Wenn sie die nächsten Wochen oder Monate an seiner Seite arbeitete, dann würde er sich in Erinnerung rufen müssen, dass das hier ein berufliches Umfeld war. Das verlangte er von jedem seiner Mitarbeiter, und diese sollten nicht glauben, dass er nicht in der Lage war, seine eigenen Standards zu erfüllen.

Nigel stand auf und ging um den Schreibtisch herum. Er war der Boss, Zeit für ihn, sich wie ein solcher zu verhalten und seine verrückten Hormone zu zügeln. Für seine Familie war er das berüchtigte schwarze Schaf, und er tat sein Bestes, diesem Ruf nicht gerecht zu werden. Nur weil ein Mann nicht heiraten und einen Haufen Kinder zeugen wollte, war er noch lange kein Versager.

Sicher, seine Schwester heiratete nächste Woche, und er war Treuzeuge, was ihm nicht unbedingt half.

Umso wichtiger war es, die sinkenden Zahlen umzukehren und „Das geheime Leben“ wieder an die Spitze der Rangliste zu bringen. Vielleicht wäre seine Familie dann stolz auf seine Arbeit.

„Sie müssen Roslyn Andrews sein“, sagte er und richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf die neue Mitarbeiterin. „Ich bin Nigel Townshend.“

Mit einem breiten Lächeln durchquerte sie sein Büro und reichte ihm die Hand. „Sehr erfreut, Mr. Townshend.“

„Mr. Townshend ist mein Vater“, korrigierte er. „Nennen Sie mich bitte Nigel.“

„Gern, Nigel.“

Sein Name war so magisch auf ihren Lippen, wie er erwartet hatte. Und all seine Mitarbeiter nannten ihn Mr. Townshend. Es gab keine Rechtfertigung für seine schnelle Reaktion darauf, dass sie ihn Mr. genannt hatte, aber es war passiert.

„Ich hatte keine Ahnung, dass ich direkt mit Ihnen arbeiten würde“, fügte sie hinzu. „Darf ich ehrlich sein?“

Die Mischung aus dieser sexy Stimme und dem festen Händedruck war ein Angriff auf jedes seiner Nervenenden. Ihre dunklen Augen leuchteten auf, als er seine Hand in ihre schob.

Nun, war das nicht interessant?

Sie zog die Hand zurück und rückte den Schulterriemen ihrer Tasche zurecht. Eins musste er ihr lassen, ihr Lächeln ließ nicht nach.

Selbstsicherheit war eine attraktive Eigenschaft. Wenn dann noch diese verführerische äußere Verpackung dazukam, dann könnte er bei dieser Frau in Schwierigkeiten geraten. Verdammt, er war es schon, da sie sich nach einer Minute schon beim Vornamen nannten. Er hatte Mitarbeiter, die seit Jahren für ihn arbeiteten und ihn immer noch nicht Nigel nannten.

„Natürlich“, erwiderte er. „Ehrlichkeit ist unsere Schlüsselpolitik.“

Sie rückte ihre Brille zurecht. „Ich bin jetzt, da ich weiß, dass ich mit dem Boss persönlich arbeite, noch nervöser. Aber ich verspreche Ihnen, dass meine Nervosität mich nicht daran hindern wird, beste Arbeit zu leisten.“

„Gut, denn ich brauche das Beste.“

„Ich hoffe, ich kann Ihre Erwartungen erfüllen.“

„Daran habe ich keine Zweifel. Ich habe Ihren Lebenslauf gesehen. Die Tatsache, dass Sie im Bereich der Innenarchitektur arbeiten, hat mich gereizt, weil ich glaube, Innenarchitekten achten auf alle Aspekte des Lebens, und das ist genau das, was ich brauche. Und, ich weiß nicht, ob Sie irgendetwas gehört haben, aber es ist nicht schwer, mit mir auszukommen, auch wenn man mir nachsagt, ich hätte einen trockenen Sinn für Humor.“

„Ich habe zwei ältere Brüder. Ich kann mich behaupten, egal, welche Witze gemacht werden.“

Bei ihrer Ehrlichkeit und ihrem Sinn für Humor war Nigel sicher, dass sie sich gut verstehen würden … solange er in Erinnerung behielt, dass dieses Arrangement beruflich und befristet war.

Diese beiden Worte konnte er sich gar nicht oft genug in Erinnerung rufen, solange Miss Andrews mit ihm arbeitete.

„Nehmen Sie bitte Platz.“ Er deutete auf den Ledersessel vor seinem Schreibtisch. „Da ich bei dem Vorstellungsgespräch nicht dabei war, würde ich gern etwas über Sie erfahren, bevor wir mit der Arbeit beginnen. Wie gesagt, ich habe Ihren beeindruckenden Lebenslauf gelesen, und meine Mitarbeiter haben ein Loblied auf Sie gesungen.“

„Ich fühle mich geschmeichelt.“

Das konnte sie auch. Sie hatten eine Reihe von Bewerbungsgesprächen geführt, aber Nigel hatte sehr spezifische Anforderungen gestellt. Interessant, dass die faszinierendste Frau, die er je kennengelernt hatte, diejenige war, die in seinem Büro gelandet war.

Er arbeitete jeden Tag mit schönen Frauen zusammen. Die gesamte Besetzung der Crew bestand aus großartigen Frauen. Aber Roslyn hatte etwas wohltuend Erfrischendes an sich.

Nigel knöpfte seine Manschetten auf und krempelte die Ärmel seines Oberhemdes hoch, als er zu seinem Schreibtischstuhl zurückkehrte. Der Abstand zu ihr würde ihm helfen, einen klaren Kopf zu behalten und sich auf den einzigen Grund für ihre Einstellung zu konzentrieren. Er brauchte eine neue Vision für die Show, und das ging nur, wenn er eine Außenstehende mit einbezog.

Es war kein Platz für einen Flirt oder Büro-Eskapaden. Und eine Klage wegen sexueller Belästigung konnte er sich schon gar nicht leisten. Sicher, eine schlechte Presse würde die Einschaltquoten in die Höhe treiben, aber er wollte weder seine Familie blamieren noch seinen eigenen Ruf aufs Spiel setzen oder eine Frau erniedrigen.

Er respektierte Frauen, und das war bei seiner neuen Beraterin nicht anders. Es gab keinen Grund, warum er sie nicht attraktiv finden und trotzdem einen klaren Kopf behalten könnte … oder?

„Ich habe gesehen, dass Sie erst kürzlich nach New York gezogen sind.“ Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück.

Roslyn nickte. „Vor einem Monat. Es war Zeit für eine Veränderung.“

„Sie kommen aus Texas?“

„Ja. Meine Familie besitzt dort eine Ranch.“ Sie legte die Handtasche auf ihren Schoß und schlug die Beine übereinander. „Meine Brüder leben noch dort.“

„Warum diese drastische Veränderung?“

Kurz zog Traurigkeit über ihr Gesicht, dann hob sie das Kinn und riss sich zusammen. „Mein Vater ist kürzlich gestorben, und mir wurde bewusst, wie fragil das Leben ist. Ich habe mich immer gefragt, wie es ist, in der Stadt zu leben, und beschloss, das Risiko einzugehen.“

Ein Risiko einzugehen, war sicherlich etwas, was er verstehen und schätzen konnte. Er selbst wäre nicht so weit gekommen, wenn er nicht den Schritt gewagt und seine eigenen beruflichen Chancen genutzt hätte. Er verstand ihr Bedürfnis, sich von der Familie abzunabeln, und er bewunderte sofort ihren Ehrgeiz und ihre Unabhängigkeit.

„Ihr Verlust tut mir leid“, sagte er. „Ich muss zugeben, dass ich beeindruckt bin, dass Sie diesen Schritt gewagt haben.“

„Jetzt war der beste Zeitpunkt“, bemerkte sie mit diesem zuversichtlichen Lächeln, das ihn sofort wieder erregte.

„Sie sind Innenarchitektin.“ Nigel warf einen Blick auf die Portfoliofotos auf seinem Monitor, die er sich vor ihrem Kommen angesehen hatte. „Ziemlich beeindruckend. Warum der Wechsel zu den Medien? Wollten Sie einfach etwas ganz anderes machen?“

Sie zuckte mit der Schulter. „Warum kann ich nicht beides verbinden? Ich habe immer die Innenarchitektur geliebt und bin von den Medien fasziniert. Wer weiß. Vielleicht kann ich eines Tages Wohn- und Arbeitsräume für die Stars gestalten. Das hier ist ein guter Schritt in diese Richtung.“

Nigel beugte sich vor. „Ist es das, was Sie sich hier erhoffen? Die Chance, Promis zu treffen und einen Fuß in die Tür zu bekommen?“

Roslyn wollte etwas erwidern, doch er hob die Hand. „Ich urteile nicht“, fügte er hinzu. „Ich finde es brillant.“

„Sie haben mich durchschaut“, lachte sie. „Ich denke, wenn ich den Sprung in einen neuen Markt wage – warum dann nicht im großen Stil? Ich möchte eine breite Palette abdecken, und wenn ich mein eigenes Unternehmen habe, dann kenne ich mich in allen Bereichen gut aus.“

„Sie sind genau das, was ich in meinem Team brauche“, sagte er. „Was ist Ihr Lieblingsessen?“

Roslyn blinzelte, dann lachte sie. „Wie bitte?“

„Lieblingsessen.“

„Ähm … ich weiß nicht. Vielleicht Sushi. Warum?“

„Ich mag Dinner-Meetings, und ich will sicher sein, dass ich ein Restaurant wähle, das Ihnen gefällt.“ Er mochte Sushi nicht besonders, aber das hier war New York. Viele Restaurants boten eine große Vielfalt, sodass für sie beide etwas dabei sein würde.

„Was halten Sie davon, wenn ich Sie herumführe und allen vorstelle?“ Er wollte das Gespräch mit ihr noch nicht beenden, obwohl er genau das tun und sich in die Arbeit stürzen sollte.

Normalerweise führte Craig neue Mitarbeiter herum, aber Nigel hatte heute Morgen bereits angekündigt, dass er es persönlich tun wollte … Jetzt wünschte er, er hätte Craig die Aufgabe überlassen.

„Es gibt Aspekte dieses Unternehmens, die Sie vom ersten Tag an kennen sollten“, fuhr er fort. „Ich möchte, dass Sie sich wohlfühlen und es hier als Ihr zweites Zuhause betrachten, solange Sie hier angestellt sind. Hier sind alle sympathisch und kommen größtenteils gut miteinander aus.“

Roslyn stand auf und hängte sich die Tasche wieder über die Schulter. „Das ist beeindruckend bei so einem großen Unternehmen. Ich freue mich, Teil von so etwas Positivem zu sein.“

So sehr er sich dafür einsetzte, dass unter seinen Mitarbeiter Harmonie herrschte, am Set von „Das geheime Leben“ brauchte er mehr Dramatik und Action. Es musste für die Zuschauer einen Grund geben, wieder einzuschalten und gespannt darauf zu sein, was als Nächstes passierte. Aber im Moment hatte er einfach keine Ideen.

Er hatte jedoch eine neue Mitarbeiterin, die begierig darauf wartete, die Büros zu sehen. Vielleicht sollte er sie einfach mit in die Penthouse-Suite nehmen und ihr diesen atemberaubenden Blick vom Dach aus zeigen. Das Penthouse wurde gelegentlich von den Mitarbeitern für besondere Veranstaltungen benutzt, da es über einen großen Konferenztisch und eine voll ausgestattete Küche verfügte. Aber es gab auch noch einen privaten Bereich, in dem er manchmal übernachtete, wenn er zu lange gearbeitet hatte und Ruhe brauchte.

Sein Job war es jetzt, die Serie zu retten, und diese Frau mochte die hinreißendste Beraterin sein, die er je gesehen hatte, aber er brauchte sie, und er würde nichts tun, was seine Show gefährdete – und dazu gehörte auch, dass er seine neue Mitarbeiterin nicht anmachte.

„Wir beginnen mit dem besten Teil des Gebäudes.“ Nigel deutete auf den Fahrstuhl in der Ecke.

„Ihr privater Aufzug?“, fragte sie grinsend. „Ich bin beeindruckt.“

„Es hat Vorteile, wenn man CEO ist.“

Und als CEO lag es in seiner Verantwortung, zu hundert Prozent professionell zu sein, immer.

Er arbeitete täglich mit tollen Frauen zusammen. Das hier sollte nicht anders sein … dennoch war es so.

2. KAPITEL

Sophie wusste nicht, wie sie mit dem Gefühlschaos umgehen sollte, als sie neben Nigel im Aufzug stand. Sie wünschte, sie hätte vorher gewusst, dass sie direkt mit ihm arbeiten würde. Sie wünschte, sie hätte gewusst, wie beeindruckend dieses Kraftpaket von einem Mann tatsächlich war. Und vor allem wünschte sie, sie hätte gewusst, wie heiß ihr werden konnte, denn das hier war völlig neu für sie.

Zugegeben, vermutlich hätte sie nichts vollständig auf diesen Schlafzimmerblick, dieses energische Kinn, die richtige Menge an teurem Aftershave und diesen geschliffenen britischen Akzent vorbereiten können.

Himmel! Sie hatte doch nicht ahnen können, wie sexy ein Gespräch mit einem Briten sein konnte. Wie schafften es die Frauen in diesem Büro, ihre Arbeit zu erledigen? Wie sollte sie selbst es schaffen? Sie konnte es sich nicht leisten, gefeuert zu werden, weil sie von ihrem Boss träumte, anstatt sich auf ihre Aufgabe zu konzentrieren.

Der Mann öffnete den Mund, und eine Reihe unangebrachter Gedanken schwirrte ihr durch den Kopf.

Nigel Townshend war nicht nur ein Mann, bei dem Frauen schwach wurden, er war zudem ein milliardenschwerer Bad Boy mit einem gewissen Ruf. Bei Preisverleihungen und Premieren hatte er immer die heißesten Frauen an seiner Seite. Er war bekannt dafür, dass er mit den schönsten Supermodels ausging, aber ihres Wissens nach war er nie zweimal mit derselben Frau gesehen worden, weshalb Sophie vermutete, dass er bei den Frauen keine ernsthaften Absichten hegte.

Und Sophie war das genaue Gegenteil dieser oberflächlichen Betthäschen – sie war noch niemals mit einem Mann zusammen gewesen …

Wie es wohl wäre, mit einem Bad Boy zusammen zu sein? Vielleicht war es ja genau das, was sie brauchte. Vielleicht sollte sie sich einem Mann hingeben, der genau wusste, was er tat.

Andrerseits wollte sie einem Mann, den sie gerade erst kennengelernt hatte, nicht verkünden, dass sie noch Jungfrau war. Sie schämte sich dessen nicht, und es tat ihr auch nicht leid, dass sie die Jahre damit verbracht hatte, ihre Karriere aufzubauen und zu einer erfolgreichen Geschäftsfrau und YouTube-Sensation zu werden. Es gab keine Regel und keinen Zeitplan für Sex. Sie würde ihn haben, wenn sie dazu bereit war oder wenn ein Mann sie so sehr faszinierte, dass sie es wirklich wollte.

Leider faszinierte ihr neuer Boss sie weit mehr als gut war. Sie konnte sich ohne Probleme vorstellen, wie er die Papiere von seinem Schreibtisch fegte und ihr in einem leidenschaftlichen Moment die Kleider vom Leib riss. Die Kleidung wäre natürlich ruiniert, aber es würde ihr nichts ausmachen, diese hautengen Jeans zu opfern.

Sie stellte sich vor, dass Nigel sie unwiderstehlich fand. Vielleicht würde es an langen Abenden zu tiefen Blicken und sinnlichen Berührungen kommen. Nicht, dass sie damit rechnete, er könnte etwas Unangemessenes tun … aber man durfte doch träumen, oder?

Der Fahrstuhl blieb mit einem „Ping“ stehen, und die Tür öffnete sich. Gerade rechtzeitig, um sie aus weiteren Tagträumen über ihren neuen Boss herauszuholen.

Meine Güte. Sie hatte im Moment genug Probleme. Sie musste sich auf die Aufgabe konzentrieren, die ihre Brüder ihr anvertraut hatten. Mit dem CEO von Green Room Media in die Kiste zu springen, gehörte nicht dazu.

Nigel ließ ihr den Vortritt, und kaum hatte sie den Fahrstuhl verlassen, stockte Sophie der Atem.

„Ich habe genauso reagiert, als ich die Aussicht zum ersten Mal sah.“ Er stand direkt neben ihr. „Ich gebe zu, daran hat sich nichts geändert. Die Skyline von New York City ist und bleibt zeitlos, atemberaubend und sexy.“

Wegen der Rundumverglasung in der Penthouse-Suite hatte Sophie das Gefühl, als könnte sie die Sonne berühren. Sie musste Nigel recht geben, die Aussicht hatte etwas Verführerisches. Etwas … Mächtiges, als könnte man, weil man so weit oben war, die ganze Welt beherrschen.

Es war dennoch eine Lüge gewesen, als sie sagte, sie wollte das Leben in der Stadt kennenlernen. Sie mochte das entspannte Leben auf dem Land, es passte zu ihrer Persönlichkeit. Das Leben in der Stadt war laut und hektisch – nicht nur wegen des Verkehrs, sondern insgesamt. Sie hatte das Gefühl, dass die Menschen zu sehr mit sich selbst beschäftigt waren, um anderen wirklich zuzuhören.

Sophie mochte Menschen, sie mochte es, mit ihnen zu plaudern und mehr über sie zu erfahren. Diese Neugier hatte sich beruflich für sie ausgezahlt.

„Kommen Sie näher.“ Nigel legte die Hand unter ihren Ellenbogen und führte sie an die Fenster. „Hierher fliehe ich, wenn mir unten alles zu viel wird.“

Sophie blickte von der Stadt unter sich zu dem Mann an ihrer Seite. „Und ich dachte, es gäbe nichts, womit Sie nicht fertigwürden.“

Nigel grinste. „Verraten Sie mein Geheimnis nicht.“

„Meine Lippen sind verschlossen“, versprach sie. „Ich bin nicht hier, um zu urteilen, sondern um zu helfen.“

Sie war nicht hier, um ihn wegen irgendetwas bloßzustellen … es sei denn, er war in einen Skandal mit Miranda verwickelt. Und selbst dann wollte sie niemandem wehtun, also würde sie Nigel keinen Schaden zufügen.

Aber Sophie konnte mit ihrem Plan nicht einfach loslegen. Sie musste sich langsam vorantasten. Aber gleichzeitig drängte die Zeit.

„Ich kann mir vorstellen, dass es viel gibt, wovor Sie fliehen wollen, und viele Gründe, den Kopf frei zu bekommen.“ Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Aussicht. „Selbst die stärksten Menschen müssen sich mental erholen.“

„Das Geschäft kann manchmal mörderisch sein“, gab er zu.

„Zu viele Diven, mit denen Sie arbeiten müssen?“, scherzte sie, in der Hoffnung, er würde auf die Bemerkung eingehen.

„Die Ladys in der Serie?“ Er zog die Augenbrauen hoch. „Sie sind nicht schlimm. Einige sind anspruchsvoll, aber insgesamt machen sie mir keine allzu große Mühe.“

Nicht das, was sie hören wollte, aber es war ein erster Versuch gewesen.

Die Zeit mit Nigel zu verbringen, war sicherlich nicht das Schlechteste. „Sie wohnen also hier oben?“

„Nein. Nach langen Arbeitstagen bin ich manchmal hiergeblieben, aber normalerweise nutze ich diese Räume nur für eine Pause. Wir hatten außerdem ein paar interne Zusammenkünfte und private Vorstellungen hier oben für die Sendung.“

„Ich möchte keinen falschen Eindruck erwecken“, begann sie und hoffte, dass sie stärker klang, als sie sich fühlte. „Ich meine, Sie sind ein attraktiver Mann …“

„Das denkt das People Magazine.“

Sophie musste lachen. „Wie gesagt, ich bin nur hier, um die großartige Gelegenheit wahrzunehmen, etwas zu lernen und eine Bereicherung für Ihr Team zu sein und vielleicht nebenbei meine eigenen Fähigkeiten zu verbessern.“

Nigel hob eine seine dichten dunklen Augenbrauen.

„Berufliche Fähigkeiten“, korrigierte sie immer noch lächelnd. Oh, er war ein schlimmer Junge, und das gefiel ihr.

„Ob Sie es glauben oder nicht, ich brauche eine persönliche Beraterin, und ich nehme die Firma sehr ernst.“

Er schob die Hände in die Hosentaschen und neigte auf diese sexy, arrogante Art den Kopf. Kein Zweifel, Nigel war eine Kraft, mit der man rechnen musste. Er war auf der ganzen Welt bekannt, nicht nur für seinen Charme und sein gutes Aussehen, sondern auch für die Art und Weise, wie er eine Firma gegründet und diese Reality-Show mit reichen, geschiedenen Frauen aufgebaut und diese Damen zu Superstars gemacht hatte … einschließlich Miranda.

„Aber da wir gerade offen miteinander sprechen“, fuhr er fort. „Sie wissen sicherlich auch, dass Sie den Männern den Kopf verdrehen.“

Sie war zwar nicht eitel, aber sie gehörte auch nicht zu den Frauen, die mit kritischen Bemerkungen über ihr Äußeres nach Komplimenten angelten. Ihr war auch klar, dass manche Männer eine kurvenreiche Frau wie sie unattraktiv fanden. Das waren die Männer, für die es in ihrem Leben keinen Platz gab.

Es war zwar erfreulich zu wissen, dass er nicht zu dieser Kategorie gehörte, trotzdem wollte Sophie sich mit Nigel nicht auf dieses Thema einlassen. Sie konnte sich keine Ablenkung leisten und schon gar nicht das Gerede, dass die neue Kollegin mit dem Boss flirtete, um beruflich voranzukommen. Gerüchte würden nur ungewünschte Aufmerksamkeit auf sie lenken. Miranda durfte nicht wissen, dass Sophie hier war.

„Okay, da wir das jetzt geklärt haben, wird die Anziehungskraft ein Problem zwischen uns darstellen?“ Sie hielt seinem Blick stand. Ehrlichkeit war wichtig für sie.

Abgesehen von der Tatsache, dass sie ihn wegen ihres Namens angelogen hatte. Aber in ihrer derzeitigen Situation waren Lügen einfach ein notwendiges Übel.

„Kein Problem“, versicherte er ihr mit diesem schiefen Grinsen und dem sexy Akzent.

Vielleicht waren andere Menschen immun gegen Nigel und diese sinnliche Stimme, sie aber würde eine starke Abwehrhaltung einnehmen müssen, um die nötige Distanz zu wahren.

„Was wollten Sie mir noch zeigen?“, fragte sie. „Vielleicht meinen Arbeitsplatz? Oder welche Projekte ich mir ansehen soll?“

„Craig richtet Ihnen ein Büro neben meinem ein“, sagte er. „Wenn Sie mit mir zusammenarbeiten, dann brauche ich Sie in meiner Nähe.“

„Mein eigenes Büro?“ Damit hatte Sophie nicht gerechnet. Ein Büro neben Nigels? Die Stelle war besser, als sie zu hoffen gewagt hatte.

Die Sache lief fast zu gut. Aber sie musste ignorieren, wie sehr sie sich zu ihrem neuen Boss hingezogen fühlte, und sich darauf konzentrieren, weshalb sie hierhergekommen war. Sie hatte ihr Leben und ihr Aussehen nicht verändert, um sich einen reichen Briten zu angeln. Etwas über Miranda herauszufinden hatte oberste Priorität.

„Hat mein Büro einen Aufzug?“

Nigels Lippen zuckten, und sie bemerkte, dass seine blauen Augen funkelten, wenn er sich amüsierte. Es war dumm, solche Dinge überhaupt zu bemerken, aber es lag in ihrem Naturell, zu beobachten und zu versuchen, mehr über ihn zu erfahren.

„Sicher. Es ist der, der Sie von der Lobby in den Empfangsbereich gebracht hat.“

Sophie verdrehte die Augen. „Das meinte ich nicht“, scherzte sie.

Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder der Aussicht zu. Das hier war definitiv etwas anderes als die Blackwood Ranch mit dem weiten Himmel und den grünen Feldern. Diese Kombination aus Stahl und alten Bauwerken war eine ganz andere Art von Schönheit. Ihr Designerauge nahm die verschiedenen Formen und Farben auf. Der Schnee auf den Gebäuden und Balkonen sah wunderschön aus.

Das winterliche Weiß ließ sie an ihr neues Büro zu Hause denken, das sie in Weiß und verschiedenen Blau- und Grüntönen eingerichtet hatte.

„Studieren Sie immer die Umgebung?“

Nigels Frage riss sie aus ihren Gedanken. Sophie blickte über die Schulter und zuckte mit den Achseln.

„Das gehört zu meinem Beruf.“

„Sie sind genau die Richtige für diese Stelle“, bemerkte er.

Sophie schwoll vor Stolz an, aber sie verspürte auch den Anflug eines schlechten Gewissens. Sie war nicht hier, weil sie die Einschaltquoten dieser Sendung steigern wollte. Nein, sie wollte diese wertvollen, ungeschnittenen Outtakes mit Miranda sehen. Sicherlich gab es welche, die unsympathische Verhaltensweisen enthüllten oder auf Geheimnisse hinwiesen, die die Produzenten der Öffentlichkeit nicht zeigen wollten. Es musste etwas Interessantes geben.

„Da dies Ihr erster Tag ist, werde ich Sie nicht allzu sehr mit Informationen bombardieren. Morgen geht die Arbeit dann richtig los.“ Nigel deutete auf den Fahrstuhl. „Was halten Sie davon, wenn ich Ihnen jetzt Ihr Büro zeige und dann etwas zum Lunch bringen lasse. Sushi?“

Sophie nickte. „Klingt perfekt.“

Nigel schob die Hände in die Hosentaschen und starrte auf die atemberaubende Skyline. Es war idiotisch gewesen, Roslyn hierherzubringen. Er verbandelte sich nicht mit seinen Mitarbeitern.

Doch von dem Moment an, als sie sein Büro betreten hatte, war er von ihrer Ausstrahlung in den Bann gezogen worden. Roslyn war selbstbewusst, elegant und kultiviert. Sie hatte Humor und ein wunderschönes Lächeln. Sie war fast zu gut, um wahr zu sein.

Und sie war ehrlich gewesen. Brutal ehrlich, als sie ihn mit der Anziehungskraft zwischen ihnen konfrontierte. Ein Teil von ihm war beeindruckt, dass sie so mutig gewesen war, während der andere Teil insgeheim gewünscht hatte, sie hätte dieser Anziehung nachgegeben.

Verdammter Mist! Was war nur in ihn gefahren? Er verhielt sich ja wie ein verknallter Teenager. Dabei war die Firma sein Ein und Alles. Er war nach New York gekommen, um sein eigenes Unternehmen zu gründen, und er hatte verdammt gute Arbeit geleistet. Er genoss einen hervorragenden Ruf, den er nicht damit gefährden durfte, dass er sich mit einer Angestellten einließ. Er musste seine Gefühle wieder in den Griff bekommen.

Das Handy in seiner Hosentasche vibrierte. Er blickte aufs Display und sah Seraphinas Namen.

Seraphina Martinez, oder Fee für enge Freunde, war eine der Damen ihrer Fernsehcrew. Sie führte einen verschwenderischen Lebensstil und hatte gleichzeitig ein großes Herz. Fee war der Liebling der Fans, besonders, seitdem ihr Kochbuch auf den Markt gekommen war.

Nigel nahm den Anruf entgegen. „Fee“, grüßte er sie. „Wie geht es Ihnen?“

„Gut, danke. Hören Sie, ich wollte Ihnen nur sagen, dass ich über Ihr Angebot nachgedacht habe. Ich glaube nicht, dass ich es annehmen kann.“

Nicht das, was er hören wollte. Seraphina hatte sich in den Cowboy Clint Rockwell verliebt und plante eine gemeinsame Zukunft mit ihm … in Texas. Als sie davon gesprochen hatte, die Sendung zu verlassen, hatte Nigel versucht, sie zum Bleiben zu überreden, indem er ihr ein beeindruckendes Paket anbot, das das Marketing für ihr Kochbuch, mehr Sendezeit und eine nette Summe Geld beinhaltete.

„Jetzt lehnen Sie nicht gleich ab“, sagte er. „Wir können das hinkriegen. Ich hatte gehofft, dass Sie ein Spin-off in Betracht ziehen würden.“

„Ein Ableger von ‚Das geheime Leben‘?“, wiederholte sie. „Nigel …“

„Denken Sie darüber nach“, unterbrach er sie. „Eine Südstaatenserie mit Ihnen und Clint als Hauptdarsteller würden die Zuschauer lieben.“

Ganz zu schweigen davon, dass es vielleicht die Story wäre, die er brauchte, um seine Sendung zu retten.

Nigel rieb sich die Stirn und holte tief Luft. Er war in seiner Karriere nicht so weit gekommen, um sich jetzt von Rückschlägen abschrecken zu lassen. Er konnte es sich nicht leisten zu versagen. Nicht einmal Mittelmäßigkeit durfte er zulassen. Das wäre tödlich für eine Show zur Hauptsendezeit. Schnell würde man sie durch ein anderes Format ersetzen und rauswerfen.

Vielleicht mussten sie etwas Neues ausprobieren. Die Besetzung hatte auf Mirandas Ranch in Texas die Weihnachtsepisode gedreht, und die hatte tatsächlich für einen leichten Anstieg bei der Einschaltquote gesorgt.

„Ich werde mit Clint darüber sprechen. Ich glaube aber nicht, dass er einverstanden sein wird.“

„Reden Sie einfach mit ihm“, wiederholte Nigel. „Eine Episode, in deren Mittelpunkt Ihre Hochzeit steht, wäre ein toller Serienstart.“

Schweigen schlug ihm entgegen. Er kannte Seraphina gut genug, um zu wissen, dass sie diese Option in Erwägung zog.

„Ich weiß nicht“, sagte sie schließlich. „Clint und ich wollen wirklich raus aus dem Rampenlicht. Wir wollen gemeinsam neu anfangen. Das Feuer in Royal hat für mich alles in ein neues Licht gerückt.“

Das Feuer, von dem sie sprach, hatte sie und Clint schlussendlich zusammengebracht.

„Denken Sie darüber nach“, sagte er. „Sprechen Sie mit Clint.“

„Das werde ich. Ich weiß, dass mein Vertrag noch läuft …“

„Darum kümmern wir uns später. Sprechen Sie mit Clint, und dann melden Sie sich wieder bei mir.“

„Danke, Nigel.“

Er beendete den Anruf und stieß einen Seufzer aus. Seine Gedanken kreisten schon wieder um die neue Beraterin, und er fragte sich, ob sie sich in das neue Projekt einfühlen könnte – falls Fee und Clint zustimmten.

Aber selbst, wenn es diesen Ableger der Sendung geben würde, wollte Nigel die Rettung von „Das geheime Leben“ nicht aufgeben. Die Sendung war sein Baby, und er würde alles tun, um sie zu retten.

Er wusste, dass Roslyn einen brillanten Verstand hatte, und er hatte vor, diesen zu nutzen und mit ihr dafür zu sorgen, dass seine Show auf Sendung blieb.

Könnte sie das Wunder sein, auf das er gewartet hatte? Wäre sie in der Lage, das zu tun, was er selbst nicht schaffte?

Er hatte nicht alle Antworten, aber eines wusste er ganz sicher: Er würde mehr Zeit mit Roslyn verbringen, und er konnte es nicht erwarten.

3. KAPITEL

Als Sophie am nächsten Morgen in ihr Büro kam, stellte sie überrascht fest, dass Nigel nirgendwo zu sehen war. Craig sagte etwas von einem Notfall und gab Sophie eine Liste von Dingen, die sie nachlesen sollte. Später sollte sie an einem Meeting mit einigen Crewmitgliedern der Show teilnehmen.

Perfekt. Ein Meeting war genau die Art von Starthilfe, die sie brauchte. Zweifellos würde das Team über die Besetzung sprechen, und Sophie beabsichtigte, sich im Geiste detaillierte Notizen zu Miranda zu machen.

Ein paar Stunden später war von Nigel immer noch nichts zu sehen, und Sophie musste sich eingestehen, dass sie ständig an ihn gedacht hatte, während sie die Materialien zur Vorbereitung des Treffens las.

Doch sie durfte Nigel nur als Sprungbrett zur Durchführung ihres Plans in ihre Gedanken und in ihr Leben lassen.

Leider hatte sie diese starke Reaktion auf ihn nicht erwartet. Bei keinem Mann war ihr je so heiß geworden wie bei Nigel. Noch nie hatte sie so schnell und stark das Bedürfnis verspürt, ihre Unschuld aufzugeben. Nigel weckte Gefühle in ihr, von denen sie gar nicht gewusst hatte, dass sie existierten.

Vielleicht lag es an seiner verruchten Ausstrahlung, vielleicht auch an seiner Art, sie anzusehen. Als wäre sie nackt. Oder weil er mit ihr herumscherzen konnte, als würden sie sich seit Jahren kennen.

Wie auch immer, sie hatte noch nie eine intime Beziehung gehabt, geschweige denn ein kurzes Liebesabenteuer. Das war der Hauptgrund, weshalb sie gestern so ehrlich gewesen war. Nigel sollte nicht glauben, sie wäre für ihn zu haben. Sie wollte ihm keinen falschen Eindruck von ihrem wahren Wesen vermitteln.

Nun, zumindest in Hinblick auf Sex.

Wenn sie ihn unter anderen Umständen getroffen hätte, wenn sie ihn nicht hätte anlügen müssen, wenn sie Zeit hätte, ihn richtig kennenzulernen … dann wäre sie vielleicht offen dafür, diese Anziehungskraft weiter zu erforschen.

Aber die Fantasie war irrelevant, sie musste konzentriert bleiben.

Sophie schnappte sich die Unterlagen und ihr Handy und verließ das Büro. Das Besprechungszimmer befand sich zwei Etagen tiefer, und Sophie trat mit anderen Mitarbeitern, die sie nicht kannte, in den Fahrstuhl. Sie unterhielten sich über Büroklatsch, wovon für sie nichts von Nutzen war.

Als Sophie in das Besprechungszimmer trat, fand sie einen Platz am Ende des langen Tisches und lächelte den jungen Mann neben sich an.

„Sie sind neu“, sagte er. „Ich bin Miles.“

Sophie nickte. „Roslyn. Schön, Sie kennenzulernen.“

„Diese Meetings sind so überflüssig“, murmelte er. „Jede diese Information könnte in einer E-Mail geschickt werden, aber Mr. Townshend greift hart durch. Er ist in letzter Zeit etwas nervös. Die Einschaltquoten sind schlechter denn je.“

Sophie schwieg, als Nigel das Sitzungszimmer betrat. Sein Blick fegte über die Handvoll Mitarbeiter hinweg, bevor er auf ihr landete. Ein Schauer jagte durch ihren Körper. Sie hatte keine Ahnung, wie der Mann mit einem einfachen Blick solch eine Macht in einem Raum voller Menschen auf sie ausüben konnte.

„Ich gehe davon aus, dass Sie alle die Marketingunterlagen gelesen haben“, begann er und setzte sich an den Kopf des Tisches. „Wir entwickeln einen neuen Ansatz in Bezug auf die sozialen Medien, und ich möchte sicher sein, dass wir alle auf demselben Informationstand sind.“

Sophie hörte aufmerksam zu, während über neue Segmente diskutiert wurde und darüber, wie die Inhalte der sozialen Medien maximiert werden könnten. Sie beobachtete, wie Nigel die Vorschläge jedes einzelnen Mitarbeiters zu beherzigen schien, und sie bewunderte den Mann, der Mitarbeitertreffen nicht als Plattform benutzte, um seine eigenen Ideen zu verbreiten, ohne anderen zuzuhören. Er bevormundete keines seiner Crew-Mitglieder und gab ihnen auch nicht das Gefühl, ihre Ideen wären weniger wert. Das sprach Bände darüber, wie er als CEO war.

Sophie hätte gern sofort mitgeredet und ihnen gesagt, dass sie die Sache völlig falsch angingen. Aus persönlicher Erfahrung wusste sie, was Menschen anzog, und sie wusste, wie man bestimmte Plattformen nutzte, um gewünschte Nischenmärkte anzusprechen.

Zu ihrem Job als Beraterin gehörte es aber auch, erst alle Fakten zu kennen, bevor sie ihre Meinung oder Vorschläge äußerte. Sie war neu und wollte an ihrem zweiten Arbeitstag niemandem auf die Füße treten. Deshalb beschloss sie, zunächst zu schweigen.

Sophie machte sich Notizen zu den Dingen, die sie mit Nigel unter vier Augen besprechen wollte. Sie würde die aktuellen Marketingpläne unter verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Schließlich war sie nicht umsonst mit ihrem YouTube-Kanal so erfolgreich.

Ihr Blick fiel wieder auf Nigel und …

Apropos Aufmerksamkeit. Er starrte sie mit einer Intensität an, wie sie es noch nie erlebt hatte … als wollte er viel mehr von ihr. Und das in einem Raum voller Menschen.

Jemand anderes begann zu sprechen, aber Sophie hörte nicht, was gesagt wurde. Nigel brach den Bann, indem er wegsah, doch Sophie konnte sich für den Rest des Meetings nicht mehr konzentrieren.

Als sie fertig waren, packte sie ihre Sachen und ging zurück in ihr Büro. Das Meeting hatte nichts ergeben, was ihrem Plan dienlich war. Tatsächlich war nur sehr wenig über die Stars selbst gesprochen worden. Wenn von Filmaufnahmen die Rede war, ging es meist um Orte für die bevorstehenden Drehs und die Vermarktung der Sendung.

Da es also nichts gab, was sie im Moment tun konnte, um Mirandas schmutzige Geheimnisse auszugraben, beschloss sie, gedanklich auf der Marketingebene zu bleiben und einige Ideen und Vorschläge zusammenzutragen.

Sicher, sie würde nicht lange bleiben, aber es wäre trotzdem verdächtig, wenn sie keine Arbeitsergebnisse vorweisen konnte. Auch konnte sie nicht einfach ignorieren, dass Nigel sie für ehrlich hielt.

Sophie hatte eine Tabelle, die sie benutzt hatte, als sie bei YouTube anfing – im Grunde die Dos and Don’ts und was funktionierte und was nicht, wenn es um Markenwerbung ging. Der Marketingbereich war wie ein Strategiespiel, und wenn die Spieler nicht wussten, welchen Schritt sie als nächsten tun sollten, dann konnte der gesamte Plan umsonst sein.

Auch wenn hier ein ganzes Team daran arbeitete, hatte Nigel sich den Blick von außen gewünscht, und da kam sie ins Spiel.

In dem Moment, als Sophie um ihren Schreibtisch herumging, fiel ihr Blick auf die Tür, und sie stieß einen Schrei aus.

„Ich wollte Sie nicht erschrecken.“

Nigel lehnte am Türrahmen, die Arme vor der breiten Brust verschränkt. Sein Haar war ein wenig zerzaust, als wäre er nach dem Meeting mit den Händen hindurchgefahren.

Sie musste so in Gedanken gewesen sein, dass sie nicht gemerkt hatte, dass er direkt hinter ihr gestanden hatte, als sie eintrat.

„Alles in Ordnung“, erwiderte sie und legte ihre Sachen ab. „Ich bin eigentlich froh, dass Sie hier sind.“

„Tatsächlich?“

„Es gibt einige Dinge, die ich bezüglich der Marketingstrategie mit Ihnen besprechen möchte.“ Sie ignorierte, dass er sie anstarrte, als würde er lieber etwas anderes tun, als über die Arbeit zu sprechen.

„Warum haben Sie Ihre Gedanken nicht während des Meetings geäußert?“, fragte er und zog die Stirn kraus.

„Nun, meine Aufgabe ist es, mir erst alles anzuhören, bevor ich meine Meinung dazu äußere“, teilte sie ihm mit. „Außerdem ist es erst mein zweiter Tag, und ich war mir nicht sicher, ob Ihre Mitarbeiter hören wollten, dass ich die meisten ihrer Ideen nicht richtig finde.“

Nigel betrachtete sie einen Moment, dann lachte er. „Ich weiß Ihre Ehrlichkeit zu schätzen. Aber wenn wir reden wollen, dann sollten wir es beim Lunch tun. Wir treffen uns in einer halben Stunde im Penthouse.“

„Ich benötige etwa fünfundvierzig Minuten“, sagte sie. „Vertrauen Sie mir. Ich habe Ihnen einiges mitzuteilen.“

Er starrte sie noch eine Minute lang an. Sophie entging das Knistern zwischen ihnen nicht. Selbst wenn sie den Job nur zum Schein angenommen hatte, musste sie mit offenen Karten spielen, denn sie war nie gut darin gewesen, ihre Gefühle zu verbergen. Sie konnte nur mit einem gewissen Maß an Lügen umgehen.

„Hören Sie“, begann sie. „Die Anziehungskraft hier ist …“

Nigel zog eine Augenbraue hoch. „Ja, ist sie“, stimmte er lächelnd zu. „Aber ich würde mich nie mit einer Angestellten einlassen. Vor allem jetzt nicht, wo ich mich ganz auf die Sendung konzentrieren muss.“

Sophie nickte. „Okay, gut. Denn ich bin nicht wegen einer Affäre oder sonst etwas hierhergekommen.“

„Ich weiß Ihre Ehrlichkeit zu schätzen.“

Sophie seufzte. „Das kann manche Leute abschrecken.“

„Männer?“

Sie nickte.

„Dann sind sie dumm.“

Da war sie wieder … diese knisternde Spannung. Sie wartete darauf, dass er mehr sagte, doch er tat es nicht. Er hatte bereits deutlich gemacht, dass er mit Angestellten nicht privat verkehrte. Schade, dass er nicht wusste, dass sie keine echte Mitarbeiterin war. Auch wenn er vermutlich über den wahren Grund ihrer Anwesenheit nicht begeistert wäre. Vielleicht war es besser so. Sie konnten nicht zusammen sein, aber zumindest wusste sie, dass er es wollte.

„Ich bin in einer Dreiviertelstunde oben“, sagte sie.

Nigel grinste und nickte, dann drehte er sich um und war weg. Sophie stieß einen langen Atemzug aus, als er sich entfernte. Sie musste wirklich konzentriert bei der Arbeit bleiben, und er musste es auch. Denn sie beide hatten andere Probleme, die ihre volle Aufmerksamkeit erforderten … auch wenn ihm das anscheinend nicht klar war.

Doch was war mit ihr? Hatte sie insgeheim nicht in Erwägung gezogen, sich auf eine Affäre mit ihrem Boss einzulassen? Sie hatte sich noch nie einem Mann hingegeben. War sie nun wegen eines erotischen Akzentes und einiger heißer Blicke wirklich bereit, sich darauf einzulassen?

Nigel lächelte, als Roslyn ins Penthouse kam. Die Frau war hinreißend. Er kannte sie nicht gut, aber alles an ihr faszinierte ihn. Die Tatsache, dass sie sein Team praktisch inkompetent genannt hatte, ärgerte und amüsierte ihn gleichermaßen. Er konnte kaum erwarten zu hören, was ihrer Meinung nach die sorgfältig ausgearbeiteten Pläne seines gut ausgebildeten, erfahrenen Teams übertreffen könnte.

Vielleicht waren ihre Ideen wertvoll, vielleicht war sie auch nur von sich selbst eingenommen. Egal wie, er bewunderte sie dafür, dass sie das Selbstvertrauen besaß, sich zu äußern … als ob er noch mehr Gründe brauchte, um sie attraktiv zu finden.

Heute trug sie eine enge, knöchellange schwarze Hose, dazu einen schwarzen Blazer und rote Pumps. Diese verdammten Pumps passten farblich zu ihren Lippen. Sie sah aus wie ein lebendig gewordenes Pin-up-Girl aus den Fünfzigerjahren, und er hatte sich selbst in die Situation gebracht, mit ihr allein zu sein. Aber er fühlte sich nicht nur wegen ihres Äußeren zu ihr hingezogen. Sie war verdammt klug und mutig. Eigenschaften, die er nicht ignorieren konnte.

Und das war höchst unklug von ihm. Er hatte schon genug Probleme wegen der Einschaltquote seiner Serie, er brauchte nicht auch noch einen Skandal, indem er eine Affäre mit seiner Beraterin anfing. Er musste seine Gefühle unbedingt in den Griff bekommen.

„Ich habe den Lunch hochbringen lassen“, sagte er, als sie aus dem Fahrstuhl trat. „Eine Auswahl an allen möglichen Leckereien. Ich vermute, Sie essen nicht nur Sushi.“

„Natürlich nicht.“ Sie legte ihren Laptop und ihr Handy auf den Schreibtisch aus Glas und Chrom. „Und da ich das Frühstück ausgelassen habe, klingt alles gut.“

Während sie sich ihre Teller füllten, beobachtete er, was sie mochte und was sie liegen ließ. Er stellte fest, dass er alles über sie wissen wollte und sie in den kommenden Tagen mit diesem Wissen erfreuen wollte.

„Okay, sagen Sie mir, was meine sehr gut ausgebildeten Leute nicht wissen. Das ist genau das, an was ich gedacht habe, als ich nach einer Beraterin gesucht habe. Ich brauche diesen Blick auf die Dinge von jemandem, der nicht in der Branche tätig ist, aber trotzdem auf alle Details achtet.“

Sie nahmen am Schreibtisch gegenüber voneinander Platz. Statt mit dem Essen zu beginnen, fuhr Roslyn ihren Laptop hoch und schwenkte ihn herum, um ihm ein von ihr erstelltes Diagramm zu zeigen.

„Das ist eine ziemlich grobe Darstellung, aber ich habe ein paar Zahlen eingefügt, um Ihnen ein Beispiel für das zu geben, was ich gleich erklären werde.“

Fasziniert ignorierte auch er das Essen. Er beobachtete, wie sie von einem farbigen Bereich auf den nächsten deutete. Sie hatte eindeutig die Zahlen aus den neuesten Ranglisten herangezogen, die gerade bei dem Meeting besprochen worden waren. Wie zum Teufel war sie so schnell gewesen?

„Man kann sehen, dass die Zielgruppe hauptsächlich zu diesen Zeiten in den sozialen Medien unterwegs ist. Aber Ihre Beiträge werden zu anderen Zeiten gepostet und verfehlen so ihr Ziel.“

Sie merkte den Unterschied an und wechselte dann zu einer weiteren Grafik. „Die Posts sind gut – aber die meisten gehen in den Feeds der anderen verloren.“ Sie wies auf einige Beiträge hin, die den von ihr hervorgehobenen Zeitfenstern am nächsten kamen. „Schauen Sie auf den Unterschied in den Zeitfenstern – der Aufwärtstrend bei den Likes, Retweets und Kommentaren. Wenn Sie die reizvolleren Beiträge, die mit aufregendem Inhalt, zu diesen Zeiten posten, dann werden Sie, denke ich, riesige Ergebnisse erzielen.“

Nigel starrte auf den Monitor und hörte ihr aufmerksam zu. All ihre Gedanken ergaben vollkommen Sinn, weshalb er sich fragte, warum sein sehr gut bezahltes Team diese Strategie nicht schon früher in Betracht gezogen hatte. Dies war das erste Mal, dass er so etwas gesehen hatte.

„Sie haben all das in den wenigen Minuten nach unserem Gespräch erstellt?“, fragte er und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf sie.

„Es war eigentlich nur ein Einfügen von Zahlen. Ich habe eine Reihe von Onlinemarketing-Kursen besucht, also habe ich einfach das verwendet, was ich gelernt habe. Wie gesagt ist es ein grober Entwurf, aber wenn Sie möchten, kann ich für das nächste Treffen konkretere Beispiele erstellen.“

Sexy, kultiviert und klug. Er hatte ein großes Problem.

„Sie haben Marketingkurse besucht?“, fragte er nach einem Moment.

Sie nickte und schob den Laptop zur Seite. Dann zog sie den Teller und eine Flasche Wasser zu sich heran. „Innenarchitektur ist meine Leidenschaft, aber ich wusste, dass ich nicht wachsen und mehr Kunden erreichen würde, wenn ich nicht verstehe, wie man mit Social Media umgeht. Egal, wie gut meine Dekorationsideen sind, ich komme nicht weiter, wenn niemand sie sieht.“

Je länger sie sprach, desto reizvoller fand er sie. Sie rückte die Brille zurecht, nicht auf schüchterne, kokette Art, sondern weil sie tatsächlich hinuntergerutscht war. Eine Strähne ihres blonden Haars fiel über ihre Stirn, und sie strich sie zurück hinters Ohr.

„Im Grunde wollen Sie die 20-20-20-Regel praktizieren“, fuhr sie fort und merkte gar nicht, dass ihre Ausführungen ihn antörnten. „Die Regel lautet: zwanzig neue Anhänger, zwanzig neue Kommentare, zwanzig neue Likes. Jetzt, da ‚Das geheime Leben‘ so erfolgreich ist, können wir die Zahl noch erhöhen. Zuschauer wollen sich wichtig fühlen, als hätten sie eine persönliche Beziehung oder Verbindung zu den Ladys.“

Sie nahm eine saftige Erdbeere von ihrem Teller, betrachtete sie und steckte sie in den Mund. Nigel war noch nie so eifersüchtig auf eine Frucht gewesen.

„Ich würde den Darstellerinnen empfehlen, dieselbe Methode anzuwenden“, fügte sie hinzu. „Sie sind Ihr Ticket zu neuen Zuschauern. Wenn sie nicht viel Rummel um die Sendung machen, dann macht es niemand.“

„Während die Serie läuft, posten sie ziemlich viel“, erwiderte er.

„Aber was machen sie außerhalb dieser Zeit? Und posten sie die richtigen Inhalte?“, entgegnete sie. „Schaffen sie es, Zuschauer neugierig auf die nächste Folge oder Staffel zu machen? Mit der Anspielung auf einen Skandal zum Beispiel?“

Nigel öffnete verschiedene Social-Media-Accounts der Besetzung und scrollte sich hindurch. Er erkannte schnell, dass sie recht hatte – die Inhalte mussten maßgeschneiderter sein, fokussierter. Er hatte sein Marketingteam in unterschiedliche Gruppen aufgeteilt, und jede konzentrierte sich auf ein spezielles Gebiet. Doch in weniger als zwei Tagen hatte Roslyn es geschafft, genau aufzuzeichnen, was sie brauchten. Zudem hatte sie sogar noch eine verdammt gute Grafik erstellt, um ihren Standpunkt zu untermauern.

Nach einigen Minuten des Schweigens legte Nigel sein Handy auf den Tisch und zog den Teller zu sich. Er stocherte in seinem Essen herum, während ihm alle Informationen durch den Kopf gingen.

„Wenn ich zu weit gegangen bin …“

„Nein.“ Er sah zu ihr. Roslyn schien nicht verunsichert zu sein, als sie seinem Blick begegnete, weshalb er sie noch mehr schätzte. „Sie sind nicht zu weit gegangen. Das sind die Dinge, die ich wissen muss, und Sie haben in so kurzer Zeit Erstaunliches geleistet.“

„Danke. Ich will niemandem auf die Füße treten, aber ich wurde ja aus einem bestimmten Grund eingestellt.“

Sein Respekt vor dieser neuen Mitarbeiterin stieg weiter an. Vielleicht war sie nicht zu gut, um wahr zu sein. Vielleicht war sie einfach so unglaublich, und er hatte den Jackpot geknackt.

Mit jedem Moment, den er mit ihr verbrachte, stellte er stärker fest, dass ihre Schönheit gegenüber ihrem brillanten Verstand in den Hintergrund trat. Gutes Aussehen brachte jemanden im Leben nur bis zu einem gewissen Punkt, und Roslyn erwies sich auf vielen Ebenen als große Bereicherung.

Verdammt schade, dass er sich mit Angestellten nicht einließ. Aber seine Familie in England sollte stolz auf ihn und das sein, was er erreicht hatte. Sie sollte nicht denken, dass er nur wegen der schönen Frauen nach New York gegangen war. Ja, er ging oft aus, aber das posaunte er nicht in den Medien herum, und er ging auch nie mit jemandem aus der Show aus oder mit einer Büroangestellten.

Roslyn war genau der Typ Frau, nach dem er, ohne dass es ihm bewusst gewesen war, gesucht hatte. Wenn sie nicht für ihn arbeiten würde, dann hätte er nichts dagegen, sie auch privat näher kennenzulernen.

Aber auch, wenn Intimität zwischen ihnen keine Option war, bedeutete das nicht, dass er nicht Roslyns Gesellschaft genießen konnte, vielleicht mehr, als er es bei anderen Mitarbeitern tat.

„Beginnen Sie zum Beispiel mit Seraphinas Account.“ Roslyn öffnete die Seite und drehte ihr Handy zu Nigel. „Selbst ihre Biografie könnte fesselnder sein.“

„Seraphina wird vielleicht nicht mehr lange Teil der Show sein.“

Er hatte das noch nicht erzählen wollen, doch sein Instinkt sagte ihm, dass er Roslyn vertrauen konnte. Sie hatte alles getan, um sich zu beweisen, und wenn sie ihm helfen sollte, die Einschaltquoten zu verbessern, dann brauchte sie alle sachdienlichen Informationen.

Roslyns dunkle Augen weiteten sich. „Oh … das wusste ich nicht. Sie hätten es mir auch nicht sagen müssen.“

„Es ist okay“, erwiderte er. „Ich habe erst kürzlich erfahren, dass sie darüber nachdenkt – obwohl wir sie natürlich nicht gehen lassen möchten. Ich habe heute Morgen mit ihr telefoniert und ihr eine andere Option aufgezeigt. Deshalb bin ich ein paar Minuten zu spät zum Meeting gekommen.“

„Was hat sie vor?“

„Sie zieht nach Texas zu einem Cowboy, den sie bei den Dreharbeiten dort kennengelernt hat. Sie und Clint wollen heiraten.“

Roslyn lächelte. „Nun, das ist großartig für sie und für die Sendung. Das ist eine riesige Marketingmöglichkeit und eine Entwicklung, die jeder Zuschauer lieben wird. Ein Happy End für eine der Lieblingsdarstellerinnen ist Gold wert.“

„Ich möchte sie und Clint für ein Spin-off gewinnen“, vertraute er ihr an. „Ich habe mit ihr darüber gesprochen, aber sie ist nicht sicher, dass Clint mitmachen wird.“

Roslyn schnappte nach Luft. „Ein Spin-off wäre genial. Es gibt nichts Besseres als eine Liebesgeschichte aus dem wirklichen Leben. Die Menschen lieben solche Märchen.“

„Märchen?“, fragte er. „Sie glauben nicht an die wahre Liebe?“

Roslyn zuckte mit den Schultern. „Ich erlebe sie nur selten. Ich meine, ich liebe meine Brüder, und sie lieben mich. Tatsächlich hat mein ältester Bruder seine große Liebe gefunden, aber ich denke, so etwas ist selten. Mein Vater war in Sachen Liebe sicher kein Vorbild. Er hat meine Mutter betrogen, bevor sie einen Schlaganfall erlitt und starb. Ich denke, dadurch bin ich einfach abgestumpft.“

Interessant. Roslyn setzte sich so leidenschaftlich für ihren Beruf ein, im Privatleben schien sie genau den entgegengesetzten Weg einzuschlagen.

„Wenn also ein Mann Sie mit Ihren Lieblingsblumen überhäufen würde, dann würden Sie sich nicht ein wenig verlieben?“

Roslyn griff lachend nach der Wasserflasche. „Ein Blumenstrauß ist so ein Klischee. Wenn ein Mann mir eine einzige Blume mit liebevollen Worten schenken würde, dann würde mir das mehr bedeuten als ein großer, teurer Strauß.“

„Sie brauchen also schöne Worte?“, fragte er.

„Ich brauche gar nichts.“, korrigierte sie. „Ich verdiene jemanden, der ehrlich ist und sein Herz nur mir allein öffnen will. Ich glaube einfach nicht, dass es diesen Mann gibt.“

Nigel dachte über ihre Worte nach und spürte den Schmerz, der hinter ihrer Abwehrhaltung verborgen lag.

„Und was ist mit Ihnen?“, fragte sie. „Glauben Sie denn an die wahre Liebe?“

„Ja, ich glaube, dass es sie gibt, aber ich hatte bisher keine Zeit, danach zu suchen. Auch wenn meine Großmutter mich gern verheiraten würde, damit ich für die nächste Generation Townshends sorge.“

„Das klingt etwas altmodisch“, spöttelte sie.

„Sie kennen meine Großmutter nicht. Die Frau ist eine Kraft, mit der man rechnen muss. Ich habe Angst vor ihr.“

Roslyn lachte. „Dann sollten Sie besser nach Mrs. Townshend suchen.“

Vielleicht sollte er erst herausfinden, wie er es schaffen könnte, nicht ständig von Roslyn zu träumen. Wie konnte er an eine andere Frau denken, wenn er Roslyn haben wollte?

Und was Nigel wollte, das bekam er.

4. KAPITEL

Sophie drückte sich vom Schreibtisch weg und stand auf, wobei sie ihre Bluse über die schmal geschnittene schwarze Hose zog. Sie wünschte wirklich, sie wäre mit ihrer Typveränderung nicht so weit gegangen. Sie vermisste die bequemen und doch modischen Kleider, die ihr Markenzeichen geworden waren.

Doch da es Winter in New York war, war sie gleichzeitig froh, dass sie mehrere Schichten Kleidung übereinander trug. Der Wind konnte brutal sein. Sie vermisste die Wärme und den Sonnenschein in Royal, hatte aber das Gefühl, dass sie hier weiterkam … und damit meinte sie nicht nur bei Nigel.

Sie hob den Kopf, als jemand an die Tür klopfte, und sah Craig. „Hallo. Mr. Townshend hat angerufen. Er möchte, dass Sie ihn zum Dinner treffen. Er hat Ihnen Adresse und Zeit gesimst, aber er wollte, dass ich es Ihnen auch persönlich sage.“

Sophie griff nach ihrem Handy. „Ich habe nicht gehört, dass eine Nachricht gekommen ist“, murmelte sie.

Sie tippte auf das Display, und tatsächlich gab es eine Nachricht von Nigel wegen des Abendessens. Außerdem hatte sie zwei von ihren Brüdern verpasst. Sie musste sich bei ihnen melden.

„Hab sie.“ Sie lächelte Craig an und schwenkte ihr Handy. „Ich habe vergessen, dass ich auf Vibration gestellt hatte.“

„Kein Problem“, antwortete er. „Und, wie läuft es? Haben Sie sich gut eingelebt?“

Sophie nickte. „Es läuft wirklich gut.“

„Ich habe Mr. Townshend mit ein paar Leuten vom Kamerateam reden hören.“ Craig trat in ihr Büro und senkte die Stimme. „Er hat Sie und ein paar Ihrer Ideen für die sozialen Medien erwähnt.“

Sophie verspürte einen gewissen Stolz. Beim Lunch gestern hatte sie nicht nur Posts erörtert, sondern auch verschiedene Möglichkeiten, kleine Segmente zu präsentieren, um neue Zuschauer anzuziehen. Sie versuchte, alle Gesellschaftsschichten anzusprechen, egal in welcher Phase eine Frau steckte. Geschieden, verheiratet, Hausfrau und Mutter, Karrierefrau, was auch immer. Jedes Mitglied der Besetzung hatte etwas, das potenzielle weibliche Zuschauer ansprach.

Aber dem Gefühl des Stolzes folgte schnell das schlechte Gewissen. Sie mochte tatsächlich gut in ihrem Job sein, aber sie hasste es, zu lügen. Nigel und Craig und alle anderen, denen sie begegnet war, waren so nett zu ihr und sorgten dafür, dass sie sich als Teil des Teams fühlte.

„Ich hoffe nur, dass sich diese Ideen für ‚Das geheime Leben‘ auszahlen“, erwiderte sie.

„Seraphina verlässt vielleicht das Team.“ Craig sah traurig darüber aus. „Das wäre nicht gut.“

Also war es immer noch nur ein Gerücht – Nigel hatte es offensichtlich niemandem außer ihr erzählt. Sie fühlte sich insgeheim geehrt über sein Vertrauen in ihre Diskretion. Sophie wollte zwar jeden Klatsch über Miranda erfahren, aber sie würde nichts hinzufügen oder sich in das Leben der anderen Frauen einmischen. Und sie würde auf keinen Fall etwas verraten, was Nigel ihr anvertraute … es sei denn, Mirandas Name käme ins Spiel.

„Das wäre schade“, erwiderte sie. „Ich habe das Gefühl, die Frauen passen gut zusammen.“

Craig zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Angesichts der Einschaltquoten und dem möglichen Verlust einer der Darstellerinnen hoffe ich nur, dass nicht die ganze Sendung untergeht.“

„Haben Sie denn eine Lieblingsdarstellerin?“

Craig lächelte. „Hat das nicht jeder? Ich habe eine Vorliebe für Miranda. Ihr Südstaatencharme macht so viel Spaß. Außerdem ist sie die Netteste von allen.“

Oje. Das war nicht das, was Sophie hören wollte. Aber es war nur eine Meinung, und Sophie hatte gerade erst angefangen.

„Niemand kann immer nett sein“, entgegnete sie mit einem Lächeln. „Ich wette, Sie könnten mir auch anrüchige Geschichten erzählen.“

Craig machte eine Geste, als würde er seine Lippen versiegeln. Dann zuckte er mit den Schultern.

„Ich wusste es“, scherzte sie, wünschte aber, er würde mehr Informationen preisgeben. „Wie lange sind Sie schon hier, Craig?“

„Drei Jahre.“

„Dann haben Sie definitiv die Ladys von ihrer besten und schlechtesten Seite gesehen.“

Er nickte und lehnte sich gegen die Wand. „Das können Sie laut sagen. Hinter den Kulissen waren sie manchmal wie Hund und Katze.“

„Das kann ich mir vorstellen. Solche starken und unabhängigen Frauen müssen ja aufeinanderprallen.“

„Das tun sie manchmal“, stimmte er zu. „Meistens verstehen sie sich jedoch. Vielleicht ist deshalb die Einschaltquote gesunken. Die Leute erwarten mehr Dramen bei solchen Reality-Shows. Diese Ladys halten für gewöhnlich zusammen, weil sie alle wissen, wie es ist, eine geschiedene Frau zu sein, die einen Neuanfang versucht.“

Oder die versucht, ihre gierigen Klauen in Dinge zu graben, die ihr nicht gehören.

„Außerdem hat das Feuer sie zusammengeschweißt, das ausbrach, als sie auf Mirandas Ranch in Royal gedreht haben“, fügte Craig hinzu.

Ja, Sophie war sich sehr wohl bewusst, was für ein Albtraum das gewesen war – und immer noch war. Royal hatte sich noch nicht davon erholt, gerade wurde das Klubhaus des Texas Cattleman’s Club renoviert. Bei dem Feuer war ein Teil des wunderschönen Hauptgebäudes zerstört worden.

Aber Royal war eine enge Gemeinschaft. Es mochte Dramen und Klatsch geben, doch wenn es hart auf hart kam, dann zogen alle an einem Strang.

Sophies Handy vibrierte, und sie blickte auf das Display. Es war ihr Bruder Kellan.

„Entschuldigen Sie mich bitte“, sagte sie zu Craig. „Da muss ich rangehen.“

„Natürlich.“ Er drückte sich von der Wand ab und ging zur Tür „Ich sage Mr. Townshend Bescheid, dass Sie ihn später treffen werden.“

Sie wartete, bis sie allein war, dann setzte sie sich hinter ihren Schreibtisch und nahm den Anruf entgegen.

„Kellan. Was gibt’s?“

„Irina und ich haben seit Tagen nichts von dir gehört. Gibt es was Neues?“

Irina und Kellan waren schwer ineinander verliebt. Irina war die Haushälterin ihres Vaters gewesen und hatte eine dunkle Vergangenheit als gekaufte Braut, aber Kellan behandelte sie wie eine Königin.

„Nichts, was ich gebrauchen könnte“, gab Sophie zu.

Bisher waren leider nur wilde Fantasien über ihren überaus sexy Boss bei ihrer Suche herausgekommen – aber das wollte Kellan ganz bestimmt nicht hören. Vermutlich wäre es keine gute Idee zu erwähnen, dass sie direkt an der Seite eines Mannes arbeitete, der all diese Gefühle und schmutzigen Fantasien in ihr weckte. Andrerseits, wer könnte es ihr verdenken?

„Alles in Ordnung bei dir?“, fragte Kellan. „Ich mache mir Sorgen.“

Immer machte er sich Gedanken um sie; und seit sie undercover in New York war, noch mehr.

„Es geht mir gut, und ich verspreche, ich sage euch sofort Bescheid, wenn ich etwas Brauchbares höre oder sehe“, schwor sie. „Es dauert einfach länger, als ich dachte. Bisher wird Miranda von allen als Heilige dargestellt.“

Kellan schnaubte. „Das ist sie ganz sicher nicht. Vielleicht hast du nicht mit den richtigen Leuten gesprochen.“

„Nun, es gibt ziemlich viele hier“, gab sie zu. „Ich arbeite mich durch.“

Sophie sprach leise, da ihre Tür nur angelehnt war. „Ich hoffe, dass ich in den Schneideraum komme und mir einige der Mitschnitte ansehen kann“, murmelte sie.

„Dort könntest du den Beweis finden, den wir brauchen. Wenn sie zugibt, dass sie Dad manipuliert oder einen Trick angewendet hat, um das Testament durchzusetzen, dann können wir es vor Gericht anfechten.“

„Wie läuft es in Royal?“, fragte sie.

„Alles wie immer. Irina plant noch unsere große verspätete Hochzeitsreise, und ich arbeite an einem weiteren Projekt mit einem Bauunternehmen in Houston.“

Sophie freute sich, dass ihr Bruder mit Irina das große Glück gefunden hatte. Die Blackwood-Geschwister verdienten ihr privates Glück, aber Sophie war nicht sicher, ob auch in ihren Sternen eine Hochzeit mit dem richtigen Mann stand. Ganz sicher war sie nicht auf der Suche nach Liebe. Nicht jeder wurde fündig, und sie selbst wartete nicht ungeduldig auf die Liebe ihres Lebens.

Aber Begierde oder Leidenschaft? Damit hatte sie kein Problem.

Nigel weckte in ihr den Wunsch, ihr Gelübde zu brechen, an der Jungfräulichkeit festzuhalten, bis der Richtige kam. Sie hatte vor langer Zeit entschieden, dass es den richtigen Mann nicht gab, und auch niemanden, der es wert war, dass sie sich ihm schenkte.

Sie wollte keinen Sex haben, nur um mal Sex gehabt zu haben. Vielleicht gehörte sie mit dieser Denkweise einer Minderheit an, aber sie war niemandem verpflichtet, und sie war stolz darauf, dass sie nicht mit Männern ins Bett gehen musste, um sich gut zu fühlen.

Nigel jedoch ließ sie von einem Liebesabenteuer und heißen Nächten träumen – und von Dirty Talk mit diesem erotischen britischen Akzent. Wenn er früher in ihr Leben getreten wäre oder wenn sie unter anderen Umständen hier wäre, dann würde sie ihrem Verlangen folgen. Sie würde ausloten, was vielleicht daraus werden könnte.

„Sophie?“

Sie konzentrierte sich wieder auf das Telefonat. „Entschuldige. Ich war abgelenkt.“

„Bist du sicher, dass es dir gut geht?“, fragte Kellan. „Du musst das nicht tun. Wir finden einen anderen Weg, das Testament anzufechten und Miranda dazu zu bringen, uns zurückzugeben, was uns gehört.“

„Ich schwöre dir, es geht mir gut. Aber jetzt muss ich zurück an die Arbeit. Ich melde mich wieder bei dir.“

„Ich habe dich lieb.“

„Ich dich auch“, erwiderte sie, bevor sie den Anruf beendete.

Sophie blickte auf die Uhr und stellte fest, dass ihr nur noch wenige Stunden bis zu dem Treffen mit Nigel blieben. Sie ging gerade das Problem der Einschaltquote aus einem neuen Blickwinkel für ihn an, und damit wollte sie fertig werden. Je nützlicher sie sich erwies, desto mehr Geheimnisse würde er ihr anvertrauen. Er hatte bereits Seraphinas private Angelegenheit offengelegt. Sicher wusste er auch irgendetwas über Miranda, das über das öffentliche Wissen hinausging.

Sophies einziges Ziel war es, konkrete Beweise dafür zu finden, dass Miranda Buck dazu verleitet hatte, ihr sein Anwesen zu überlassen. Sophie konnte sich nicht vorstellen, dass ihr Vater es aus freien Stücken getan hatte. Aber selbst, wenn es so wäre, dann war sie der Meinung, dass er sie und ihre Brüder nicht einfach enterben konnte.

Vielleicht könnte sie ihre enge Zusammenarbeit mit Nigel zu ihrem Vorteil nutzen. Vermutlich kannte er die Frauen besser als jeder andere am Set. Sie vertrauten sich ihm bestimmt an.

Sophie hatte nicht die Absicht, mit ihm ins Bett zu gehen, um Informationen zu bekommen – so etwas würde sie nie tun. Wenn sie jedoch mit Nigel zu Abend aß, dann könnten sich daraus nützliche Gespräche für sie entwickeln.

Immerhin … Nigel hatte deutlich gemacht, dass er an ihr interessiert war. Vielleicht würde er ihr dadurch noch mehr anvertrauen, und dann könnte sie zurück nach Royal … bevor sie doch noch ihre Unschuld verlor.

5. KAPITEL

Nigel stand auf, als Roslyn den Raum betrat. Er hatte den üblichen Tisch auf der zweiten Ebene von Manhattans vornehmstem Restaurant reservieren lassen. Er hatte extra Bescheid gesagt, dass er keine Unterbrechungen wünschte.

„Entschuldigen Sie, dass ich zu spät komme.“ Roslyn legte den roten Schal und ihren Mantel ab, dann schüttelte sie ihr goldenes Haar. „Es dauert hier wesentlich länger, durch die Stadt zu kommen, als dort, wo ich herkomme.“

„Das Mädchen vom Lande“, scherzte er und deutete auf den Platz neben seinem.

Die Empfangsdame nahm Roslyn Mantel und Schal ab und entfernte sich dann wieder.

Die flackernde Kerze und der Strauß weißer Rosen in einer goldenen Vase erzeugten eine von ihm nicht beabsichtigte romantische Stimmung. Er wollte Zeit mit ihr verbringen, und er wollte ein gutes Abendessen. Warum könnte er nicht beides haben? Die Dekoration war nicht seine Schuld – sie gehörte zum Ambiente des Lokals.

„Ich werde den verrückten Verkehr bei unserem nächsten Treffen berücksichtigen“, sagte sie.

„Ich schicke das nächste Mal meinen Fahrer“, erwiderte er.

„Das ist nicht nötig. Ich bezweifle, dass Sie das für Ihre anderen Angestellten tun.“

Stimmt, aber sie war nicht irgendeine Angestellte. Eine Debatte, die er jetzt jedoch nicht führen würde. Er würde ihr das nächste Mal einfach einen Wagen schicken.

„Was mich an etwas erinnert, das ich Sie fragen wollte“, fügte sie hinzu und drehte sich zu ihm. „Jeder im Büro nennt Sie Mr. Townshend, doch ich sollte Sie auf Ihren Wunsch hin Nigel nennen.“

Erwischt. „Sie arbeiten enger mit mir zusammen als die meisten anderen. Möchten Sie ein Glas Wein?“, fragte er, statt sich auf eine Diskussion einzulassen, die er am Ende sowieso gewinnen würde.

„Weißwein, bitte. Nettes Ausweichmanöver.“

Nigel lächelte nur und zwinkerte ihr zu, als er den Kellner zu sich rief und die Getränke bestellte. Als sie wieder allein waren, drehte er sich zu ihr.

„Craig hat mir erzählt, dass Sie den ganzen Tag sehr fleißig waren. Ich glaube, die Worte, die er benutzt hat, waren ‚sie hat wie wild auf die Tastatur eingehämmert‘.“

Roslyn lächelte und neigte den Kopf. „Vielleicht habe ich ja an ein paar Dingen gearbeitet.“

„Zum Beispiel?“

Sie griff in ihre Tasche und holte eine Mappe hervor. „Ich hatte gehofft, dass Sie mich fragen würden. Ich habe mögliche Szenarien für kommende Segmente entworfen. Nur ein paar Dinge, die Anreize schaffen könnten, damit wieder mehr Zuschauer einschalten.“

Fasziniert und begeistert von ihrer Arbeitsmoral und Leidenschaft rückte Nigel näher an sie heran. Er wollte einen Blick auf die Unterlagen werfen, die sie mitgebracht hatte, vor allem aber wollte er diesen sinnlichen Blumenduft einzuatmen, der sie umgab. Für ein Mädchen vom Lande schien sie sich gut in das Stadtleben einzufügen. Sie arbeitete hart, hatte Klasse, Schönheit und Verstand.

Warum quälte er sich? Warum suchte er sich nicht einfach eine andere Frau, mit der er Zeit verbringen konnte? Eine, die ihm einen befriedigenden Abschluss des Abends garantieren würde?

Weil keine der Frauen, die er kannte, ihn so faszinierte wie Roslyn Andrews.

Nigel hörte ihr zu, beobachtete, wie sie von einer Grafik zur nächsten blätterte und sogar darüber diskutierte, ein paar Promis hinzuzuziehen, vielleicht auf einer Cocktailparty, die von einer der Damen veranstaltet wurde.

„Wenn sie in ihren sozialen Netzwerken ordentlich Rummel um das Event machen, dann wird sich die Zuschauerzahl sofort erhöhen“, schloss sie.

Nigel legte den Arm über die Rückenlehne ihres Stuhls. „Beeindruckend.“

Sie lächelte strahlend, und ihre Augen funkelten. „Ich denke wirklich, für Ihr Problem gibt es eine einfache Lösung, sie erfordert nur ein wenig Routinearbeit.“

Das war die Geschichte seines Lebens. Er hatte noch nie jemanden getroffen, der härter arbeitete als er … bis jetzt. Aber ihre Ideen und ihr Einfallsreichtum waren genau das, was er brauchte, um seine Sendung nicht nur über Wasser zu halten, sondern um im Ranking höher denn je zu steigen.

„Lassen Sie uns eine Pause machen“, sagte er. „Ich hatte kein Mittagessen und habe einen Bärenhunger.“

Roslyn lachte. „So hungrig bin ich nicht, aber ich hätte gern eine Vorspeise oder etwas Brot zum Wein.“

Sie bestellten, und als sie wieder allein waren, wollte Nigel mehr über ihr Privatleben erfahren. Das Bedürfnis, alles über sie zu wissen, war so unglaublich stark, dass er es selbst nicht erklären konnte. Es war lange her, dass eine Frau ihn so gereizt hatte wie Roslyn. Und die Mitarbeiter, die sie bisher kennengelernt hatten, waren ebenso fasziniert und beeindruckt von ihrer Arbeitsmoral und ihrem Ehrgeiz. Und mit ihrem süßen Südstaatenakzent hatte sie einige der Männer bezaubert.

Nigel gefiel das gar nicht, aber er hatte Verständnis dafür, denn das Gesamtpaket Roslyn war wirklich verlockend.

„Sie sind also in die Stadt gekommen, weil Sie nach dem Tod Ihres Vaters eine Veränderung wollten?“, begann er. „Gefällt Ihnen der Lebensstil hier? Abgesehen von dem Verkehr, meine ich.“

„Es ist definitiv eine Umstellung. Ich weiß nicht, ob ich mich jemals an das ganze Chaos gewöhnen werde. Texas ist ein großer Staat, und ich bin an weites Land und grünes Gras mit blauem Himmel und Sonne gewöhnt.“ Sie zögerte, dann fragte sie: „Woher kommen Sie ursprünglich?“

Sie wollte den Spieß umdrehen? Das war in Ordnung für ihn. Er hatte kein Problem damit, über seine Herkunft zu sprechen, zumal ihre Frage bedeutete, dass sie an ihm genauso interessiert war wie er an ihr. Vielleicht bildete er es sich nur ein, aber ihm entging nicht, wie sie ihn anschaute.

Er war schon von vielen Frauen angebaggert worden – für einen Mann in seiner mächtigen Position war das nichts Ungewöhnliches. Doch Roslyn versuchte nicht, ihn mit ihren schönen Worten oder der schicken Kleidung zu betören … und doch tat sie es irgendwie.

„Meine Familie lebt in Cumbria, England“, erzählte er. „Wunderschöne, weite Landschaft, so weit das Auge reicht. Ich bin gern dort, aber ich mag auch das Stadtleben.“

„Ich wette, Sie haben Pferde.“ Sie legte die Finger um den Stiel ihres Weinglases und sah ihn dabei lächelnd an.

„Ja, haben wir“, antwortete er. „Pferde sind die Leidenschaft meiner Großmutter und mir. Wenn ich zu Hause bin, dann treffen wir uns immer in den Ställen.“

„Sie und Ihre Großmutter stehen sich sehr nahe, schließe ich daraus.“ Roslyn bewegte sich auf ihrem Platz, dabei streifte ihr Haar seine Hand, die auf ihrer Rückenlehne lag.

Er konnte nicht widerstehen, die Enden durch seine Finger gleiten zu lassen. „Ihr Haar ist so verdammt weich“, murmelte er.

„Das Haar Ihrer Großmutter?“

„Wie sich das anfühlt, weiß ich nicht.“

Roslyn lachte. „Wir haben gerade von Ihrer Großmutter gesprochen.“

„Haben wir, aber ich möchte lieber über Sie sprechen.“

Sie zögerte einen Moment, und der Bann war gebrochen. Er zog seinen Arm zurück, denn er wollte nicht, dass sie sich unwohl fühlte oder er wie ein aufdringlicher Boss rüberkam. Hatte er ihr nicht gesagt, dass er sich mit einer Mitarbeiterin nicht einließ? Warum übte sie weiterhin diese Anziehungskraft auf ihn aus? Es lag an ihrer verdammten Intelligenz. Sie war zu faszinierend, zu berauschend. Er wollte immer mehr von ihr.

„Erzählen Sie mir mehr von Ihrer Heimatstadt“, bat er. „Wissen Sie, Miranda hat auch eine Zeit lang in Texas gewohnt.“

„Ich weiß“, erwiderte sie. „Ich habe mich eingehend mit allen Darstellerinnen befasst. Das gehört doch zu meinem Job, oder?“

„Sie kommen immer wieder auf die Arbeit zurück.“ Nigel schüttelte den Kopf und griff nach seinem Glas. „Ich habe noch nie jemanden kennengelernt, für den die Arbeit so wichtig war wie für mich.“

„Nun, mir ist mein Job halt wichtig, und ich möchte einen guten Eindruck machen. Ich bin der Meinung, dass jeder etwas bewirken kann, egal wie klein seine Position oder sein finanzieller Hintergrund ist.“

Sie fand immer genau die richtigen Worte. Buchstäblich für alles.

Seit dem letzten Meeting geisterte eine Idee durch seinen Kopf, die vielleicht nicht nur ihn, sondern auch das Unternehmen weiterbringen würde. „Ich würde gern etwas mit Ihnen besprechen“, begann er.

„Okay. Reden wir wieder über die Arbeit?“

Nigel lächelte. „Im Moment ja. Was halten Sie davon, das Marketing für Seraphinas Hochzeit federführend zu übernehmen? Ich meine nicht die eigentliche Hochzeit, sondern die Vermarktung des Rummels rund um die Show? Vielleicht könnten Sie etwas ausarbeiten, womit wir sie überzeugen können, mit der Hochzeit auf Sendung zu gehen.“

Die Idee sprudelte weiter aus ihm heraus. Er hoffte, dass sie sich der Sache annehmen würde. Roslyn machte große Augen, die Kinnlade fiel ihr hinunter. Nach einem Moment hatte sie sich wieder im Griff und trank noch einen Schluck Wein.

„Ich fühle mich geschmeichelt, und ich würde gern ein Konzept entwickeln, das Seraphina hoffentlich überzeugen wird.“

Eine schwere Last fiel von seinen Schultern. Die Dinge schienen sich zu fügen, und Nigel war sich sicher, dass alles, was er jemals gewollt hatte, direkt vor ihm lag.

„Ich vertraue auf Ihren Ideenreichtum. Sie sind der Schlüssel zum Erfolg der Show, dessen bin ich sicher.“

Etwas wie ein Schatten zog über ihr Gesicht, dann war er verschwunden. Nach einem Moment straffte Roslyn die Schultern und nickte. „Ich werde Sie nicht enttäuschen.“

Sophie trank ihr zweites Glas Wein aus und fragte sich wieder einmal, auf was zum Teufel sie sich da eingelassen hatte. Ein neues Projekt für Nigel? Sie hatte keine Zeit dafür. Sie musste aus diesem Job und dieser Identität herauskommen, bevor Miranda erfuhr, dass sie hier war. Sie musste zurück nach Royal.

Aber sie konnte Nigel einfach nichts abschlagen.

Sie rief sich in Erinnerung, dass ihre Chancen, um an brauchbare Informationen zu kommen, umso größer waren, je näher sie dem Mogul kam. Auf der anderen Seite könnte es gefährlich sein, sich auf ein längeres Projekt einzulassen – in jeglicher Hinsicht. Dennoch würde sie bleiben, bis sie die nötige Munition gegen Miranda hatte, und dann würde Sophie gehen.

„Wie hat es Ihnen geschmeckt?“, fragte Nigel.

Sophie blickte auf ihren Teller und war überrascht, dass sie bei ihrem schlechten Gewissen und ihrer Nervosität überhaupt einen Bissen hatte essen können.

„Gut“, log sie mit einem Lächeln. „Viel besser als das Essen zum Mitnehmen, das ich mir auf dem Rückweg zu meinem Apartment immer besorge.“

Ihr schickes Penthouse war eigentlich perfekt. Sie hatte keine Kosten gescheut, als sie eine Wohnung auf Zeit gesucht hatte. Sie hatte für den ganzen Monat zahlen müssen, aber sie würde lange vorher wieder raus sein … hoffte sie.

„Wir können jeden Abend zusammen essen, wenn Sie nicht gern allein essen“, erwiderte er und legte seine Serviette auf den Tisch.

„Dies ist kein Date.“

„Natürlich nicht. Sie wissen, dass ich mit Mitarbeitern keine Dates habe.“ Nigel zog eine Augenbraue hoch. „Klang es so, als wäre es eins?“

„Ehrlich gesagt, ja.“

Er lachte und zuckte mit den Schultern. „Ich mag Ihre Gesellschaft, beruflich und privat. Und Ihnen gefällt es doch auch.“

Erneut wurde sie nervös. Er musste nur mit ihrem Haar spielen, und schon war sie ihm wieder verfallen. Trotzdem betonte er immer wieder, dass er sich nicht mit seinem Personal einließ. Und sie sollte ihre Jungfräulichkeit nicht an einen Mann verlieren, den sie anlog und für ihre Zwecke benutzte.

Außer, sie wollte es. Und wie sie es wollte.

„Dates würden die Sache sicherlich verkomplizieren“, sagte sie schließlich. „Ich meine, ich arbeite ja nur vorübergehend für Sie. Außerdem wissen Sie gar nicht, ob ich nicht einen Freund in Texas habe.“

Nigel griff nach ihrer Hand, strich mit dem Daumen über die Knöchel und sah ihr so tief in die Augen, dass sie schwören könnte, er blickte in ihre Seele.

Oh, Mann. Er mochte immer wieder behaupten, dass er mit Mitarbeiterinnen nicht ausging, das hieß aber nicht, dass er in besagten Mitarbeiterinnen nicht heißes Verlangen weckte.

„Wenn Sie einen Freund in Texas haben, dann ist er ein Idiot, dass er Sie allein hierherkommen lässt.“

Dieser britische Akzent ließ Schmetterlinge in ihrem Bauch aufflattern.

„Machen Sie alle Ihre weiblichen Angestellten so an?“, fragte sie.

„Das habe ich noch nie getan“, erklärte er. „Ich wollte es auch nie.“

Bis jetzt.

Die Worte schwebten zwischen ihnen, und Sophie wünschte, sie könnte die Alarmglocken ignorieren, die in ihrem Kopf schrillten. Wenn dies eine andere Zeit wäre, ein anderer Ort, wenn sie ihm ihre wahre Identität preisgeben und von vorn beginnen könnte, dann würde die Anziehungskraft zwischen ihnen vielleicht zu etwas führen.

Aber die harte Realität war, dass sie nur hier war, um ihrer Ex-Stiefmutter, dieser Hexe, einen Dämpfer zu versetzen. Um das zu erreichen, hatte Sophie drastische Maßnahmen ergriffen, und sie durfte sich jetzt nicht ablenken lassen – sie hatte ihren Brüdern ein Versprechen gegeben. Abgesehen davon, wie könnten sie denn eine Beziehung aufbauen? Sie konnte nicht ewig diese Fassade aufrechterhalten, und je enger ihr Verhältnis wurde, desto verratener würde er sich fühlen, wenn er erfuhr, dass sie ihn die ganze Zeit angelogen hatte.

„Am Freitag muss ich an der CBN Awards Ceremony teilnehmen. Es ist keine große Sache, und ich weiß, dass dies jetzt sehr plötzlich kommt, aber …“ Noch immer strich er mit dem Daumen über ihre Hand und rückte noch ein Stück näher heran. „Begleiten Sie mich.“

„Nigel, ich …“

„Ich schicke morgen früh meinen persönlichen Stylisten in Ihr Büro“, fuhr er fort. „Wählen Sie aus, was Ihnen gefällt. Ich sorge auch dafür, dass jemand kommt, der Ihnen bei der Frisur und dem Make-up hilft. Sie müssen sich um nichts kümmern.“

Erlebte sie gerade eine verzerrte Version von „Pretty Woman“?

Wenn ihre Brüder wüssten, dass Nigel Townshend sie anbaggerte oder wie er sie immer wieder ansah und berührte, dann wäre sie schneller im Jet zurück nach Texas, als sie überhaupt „Pretty Woman“ sagen konnte.

„Ich weiß nicht, welchen Eindruck es macht, wenn ich Sie zu dieser Verleihung begleite“, erwiderte sie. „Ich bin noch neu in Ihrem Unternehmen, und wir arbeiten erst seit kurzem so eng zusammen.“

Ganz abgesehen davon, dass Miranda sie sofort erkennen würde, wenn die Besetzung von „Das geheime Leben“ dabei war. Brille und blondes Haar reichten in dem Fall nicht aus.

„Wollen Sie nicht mit den Darstellerinnen Ihrer Sendung gehen?“, fragte sie. „Sie wissen schon, wie eine vereinte Front?“

„Es ist keine Feier für sie“, erwiderte er. „Es ist eine Feier für Regisseure, Produzenten und Macher. Es ist eine kleine Angelegenheit, aber man erwartet meine Teilnahme.“

Miranda wäre also nicht da? Und er bot ihr ein kostenloses Kleid, Frisur und Make-up und einen netten Abend.

Zu alldem fühlte sie sich zu ihm hingezogen wie zu keinem anderen Mann. Wie könnte sie das alles ignorieren. Ja, es war der denkbar schlechteste Zeitpunkt, wenn man die Umstände bedachte, aber sie steckte jetzt schon so tief drin, deshalb …

Sophie lächelte. „Ich komme gern mit.“

Bei dem Lächeln, das sich auf Nigels Gesicht ausbreitete, fragte sie sich, ob sie gerade ihren Verstand geopfert hatte … und ihr Herz.

6. KAPITEL

„Okay, Nigel“, sagte Lulu, als sie aus dem Bad trat. „Ich werde versuchen, mit Fee über die Hochzeit zu sprechen. Ich stimme Ihnen zu, es wäre fantastisch, daraus eine besondere Episode zu machen.“

„Danke, Lulu“, erwiderte Nigel. „Ich wusste, dass ich auf Sie zählen kann.“

Sie beendete den Anruf und steckte das Handy in die Tasche ihres Bademantels.

Lulu Shepard mochte einer der Stars der Serie sein, aber ihr ganzes Leben schien gerade auf dem Kopf zu stehen. Ihre beste Freundin, der sie vertraute und zu der sie ging, wenn sie jemanden brauchte, verließ die Serie.

Seraphina hatte ihre große Liebe gefunden und zog nach Texas. Lulu freute sich für sie, aber sie vermisste ihre Freundin jetzt schon. Keine spontanen Treffen mehr zum Lunch, nur noch Textnachrichten und gelegentliche Telefonate.

Es klingelte an der Tür, und Lulu warf einen Blick auf die Uhr. Fast zehn Uhr. Wer kam so spät noch vorbei?

Auf jeden Fall jemand, den der Portier kannte, denn er hatte sie nicht angerufen, um ihr Bescheid zu geben. Das bedeutete, dass es entweder ein Nachbar war oder ein Gast, der auf der Liste derjenigen stand, die unangekündigt hinauffahren durften.

Das schränkte die möglichen Personen bis auf wenige ein.

Sie durchquerte ihr Penthouse und blickte durch den Spion. Vor der Tür stand ausgerechnet die Person, die sie sehen und der sie gleichzeitig aus dem Weg gehen wollte.

Kace LeBlanc.

Sie zog den Gürtel ihres Bademantels enger und holte tief Luft, als sie öffnete.

„Kace.“

Sein warmer Blick ruhte auf ihr, und der Moment war so intensiv, als hätte er die Hand ausgestreckt und sie berührt.

Sie hatte einige leichtsinnige Dinge mit Fee und den anderen Ladys aus der Serie getan, aber nichts war so leichtsinnig gewesen, wie ihr Herz an Kace zu verlieren. Der Mann war das genaue Gegenteil von ihr, er lebte in Texas, er konnte sie zur Weißglut bringen … trotzdem konnte sie nicht leugnen, dass er etwas an sich hatte, das sie auf eine unerklärliche Art reizte.

Als sie nach dem Feuer in Royal bei den Aufräumarbeiten geholfen hatte, hatte Lulu eine andere Seite von ihm gesehen. Er war nicht so großspurig und arrogant gewesen. Er war … stark gewesen, mächtig, hatte sie auf eine sexy Art und Weise herumkommandiert.

Und sie hatte schließlich dieser Anziehungskraft nachgegeben. Wer konnte ihr das verdenken?

„Was machst du hier?“, fragte sie schließlich.

Er ließ seinen Blick über sie wandern – und sie erbebte. Wer hätte gedacht, dass ein Blick so intensiv sein konnte?

Kace trat einen Schritt nach vorn und drängte sie zurück, bis er in der Wohnung war und die Tür hinter sich schließen konnte.

„Ich bin geschäftlich in der Stadt“, sagte er. „Ich war eigentlich auf dem Weg in mein Hotel, bin aber hier gelandet.“

„Ohne anzurufen oder eine Nachricht zu schicken?“, fragte sie. „Das ist unhöflich, Kace, selbst für dich.“

Er trat einen Schritt näher. „Schickst du mich weg?“

Lulu verschränkte die Arme, um sie nicht nach ihm auszustrecken. „Nein. Nein, das tue ich nicht.“

Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, und Lulu fragte sich, worauf zum Teufel sie sich gerade einließ.

„Habe ich Ihnen schon gesagt, wie umwerfend Sie heute Abend aussehen?“

Sophie brauchte seine Worte nicht, um ihr zu bestätigen, wie gut sie aussah. Die Art, wie Nigel dicht an ihrer Seite blieb, wie sein Blick immer wieder über sie wanderte, als wüsste er genau, wie sie ohne dieses heiße, figurbetonte Kleid aussah, sagte alles.

Als sie die Auswahl an Kleidern erblickt hatte, die sie anprobieren sollte, hatte sie sich sofort in dieses verliebt und sich vorgestellt, wie Nigel auf ihren Anblick in dem Kleid reagieren würde. Er hatte sie nicht enttäuscht. Sie hätte ihm einen Korb geben und sich auf ihre Aufgabe konzentrieren sollen, statt sich von dem Glanz und Glamour so betören zu lassen, und von der Limousinen-Fahrt mit diesem verführerischen Mann.

Dennoch saß sie auf dem Rücksitz seines Wagens und fuhr mit ihm durch die Straßen der Stadt. Er bewegte sich auf seinem Sitz, und sein Bein streifte ihres, als bräuchte sie die Erinnerung, wie nah sie sich den ganzen Abend gewesen waren.

„Es gab nicht einen Mann in dem Ballsaal, der nicht von Ihnen fasziniert war“, fuhr er fort. „Ich bin froh, dass Sie mein Date waren.“

„Es war also ein Date?“, fragte sie.

„Und wenn es so wäre?“

Sei vorsichtig.

„Ich dachte, Sie lassen sich nicht mit Angestellten ein“, konterte sie.

Er fuhr mit der Fingerspitze den hohen Schlitz in ihrem Rock entlang. Sophie erschauerte, als ihr Blick von seiner Hand zu seinem Gesicht huschte.

„Ich habe es nie getan“, stimmte er zu. „Vielleicht habe ich meine Meinung geändert, wenn Sie interessiert sind.“

Sein Finger wanderte rauf und runter. Er berührte sie sonst nirgendwo, aber sie konnte die Welle der Erregung nicht unterdrücken, die ihren Körper durchströmte. Sie musste dem ein Ende setzen. Sie hätte ihn schon längst stoppen müssen, schon als er sie bat, sie zum Dinner zu begleiten, oder als er sie in dem Penthouse-Büro angestarrt hatte, als wäre sie die köstlichste Sache der Welt und er ein ausgehungerter Mann.

„Nigel …“

Er ließ seine Finger ruhig liegen. „Soll ich aufhören?“

Sophie spitzte die Lippen, als ein stummer Kampf zwischen ihrer erwachten Begierde und ihrem gesunden Menschenverstand stattfand.

So lange hatte sie ihre Karriere vor ihr Privatleben gestellt. Könnte sie jetzt nicht einfach nehmen, was sie haben wollte? Nur dieses eine Mal? Wer sagte eigentlich, dass sie sich für den richtigen Mann aufsparen musste? Was, wenn der Richtige nie kam? Was, wenn Nigel der richtige Mann war?

„Sie denken zu viel nach“, murmelte er. „Ich kann sehen, dass Sie innerlich einen Kampf ausfechten.“

„Manchmal möchte ich einfach ignorieren, was richtig ist. Was von mir erwartet wird.“ Sie breitete ihre Gedanken vor ihm aus, bevor sie sie für sich behalten konnte. „Haben Sie manchmal das blöde Gefühl, egoistisch zu sein?“

Nigels Blick fiel auf ihre Lippen. „Jede Entscheidung, die ich treffe, treffe ich bewusst. Deshalb, nein, habe ich nicht.“

Natürlich, jemand der so mächtig und selbstbewusst wie Nigel war, stellte sein Handeln nicht infrage. Sein Leben war vermutlich bis zur Perfektion geplant, ohne dass er sich Sorgen über die Konsequenzen machen musste.

Sophie war immer stolz auf ihre eigene Stärke gewesen, doch hier auf dem Rücksitz eines dunklen Wagens mit ihrem nicht wirklichen Boss zu sitzen, schwächte ihre Willenskraft. Schon vor dem heutigen Abend hatte er sie in seinen Bann gezogen und dazu gebracht, sich mehr zu wünschen, als sie sich jemals selbst zugestanden hatte.

Warum konnte nicht alles ganz einfach sein? Warum hatte sie ihn nicht unter anderen Umständen treffen können? Warum musste sie sich entscheiden zwischen dem Versprechen, das sie ihren Brüdern gegeben hatte, und dem, was sie unbedingt erleben wollte?

Bevor Sophie etwas sagen konnte, blieb der Wagen stehen, und einen Moment später wurde schon ihre Tür geöffnet. Der Fahrer reichte ihr die Hand, um ihr beim Aussteigen zu helfen. Sie war kaum aus dem Wagen, da merkte sie, dass sie nicht vor ihrer Wohnung standen, sondern bei Green Media.

Sie blickte zu Nigel, als dieser aus dem Wagen stieg.

„Das wäre dann alles, James.“

Der Fahrer stieg wieder ein und fuhr davon.

„Wie komme ich nach Hause?“, fragte sie.

Nigel lächelte. „Wenn Sie dorthin wollen, dann lasse ich ihn zurückkommen.“

„Und die andere Möglichkeit?“

„Sie kommen mit in mein Penthouse.“

Sie ging einen Schritt auf ihn zu, sagte ihm stumm, dass sie genau das wollte. Sie war nicht sicher, warum er sie hierhergebracht hatte. Vielleicht wollte er später noch arbeiten, vielleicht wollte er ihr das Gefühl geben, auf neutralem Boden zu sein, weil sie beide hier arbeiteten … sie hatte keine Ahnung.

Ihre Fantasie lief auf Hochtouren, und sie war nicht sicher, ob sie für mehr als diesen Flirt bereit war. Aber wenn nicht jetzt – wann dann?

Sophie rückte die Clutch unter ihrem Arm zurecht und holte tief Luft.

„Ich könnte zuerst einen Drink gebrauchen“, gestand sie und zitterte vor Kälte.

Nigel zog sein Jackett aus und legte es um ihre Schultern. Sein Duft hüllte sie ein, seine Wärme. Ein weiterer Meilenstein auf dem Weg, den sie gemeinsam eingeschlagen hatten.

Ein Glas Wein wäre jetzt genau das Richtige. Wer weiß, vielleicht könnten sie sich zuerst unterhalten, und sie würde mehr über Miranda herausfinden. Bisher hatte ihre Suche nichts Brauchbares ergeben. Und war sie nicht deshalb hier? Um den Beweis zu finden, dass ihre Stiefmutter Buck getäuscht und sich so das Erbe erschwindelt hatte?

Vielleicht war Sophie in diesem Moment aber auch hier, um etwas für sich zu tun. Um endlich das zu bekommen, was sie sich so lange verwehrt hatte. Denn in diesem Moment wollte sie wegen Nigel hier sein und wegen nichts anderem sonst.

„Ein Drink“, wiederholte er grinsend. „Das kann ich bewerkstelligen.“

Noch nie in ihrem Leben war sie sich der Anwesenheit eines Mannes so bewusst gewesen wie jetzt in diesem Fahrstuhl auf dem Weg hinauf ins Penthouse. Es gab viel Platz, und doch stand er direkt neben ihr, die Hand unter seinem Jackett an ihrem Rücken, dort, wo der tiefe Rückenausschnitt nackte Haut entblößte.

Sein würziges Aftershave hatte sie den ganzen Abend betört. Der Duft eines Mannes hatte sie noch nie angetörnt, aber bei Nigel war alles anders.

Die Tür glitt auf, und sie trat ins Penthouse und an das Fenster, um den Blick über die Stadt zu genießen. Es schneite leicht, und die Flocken glitzerten im Licht der Straßenbeleuchtung.

„Ich hätte nie gedacht, dass mich Schnee so faszinieren würde.“

„Sie machen sich gut in der Stadt. Dieses Leben passt zu Ihnen.“

Wenn er wüsste, wie sehr sie ihr altes Ich vermisste. Ihre Stiefel und Flip-Flops, ihre langen Flatterkleider. Sie hasste enge Hosen und Blazer.

Sie vermisste die Ranch und fragte sich, was dort gerade los war. Sie vermisste ihr französisch inspiriertes Zuhause in der luxuriösen, geschlossenen Wohnanlage. Und sie vermisste ihr eigenes Bett.

Ein Bild von Nigel in ihrem Schlafzimmer stahl sich in ihre Gedanken. Er würde nie dort sein. Er würde nie wissen, dass sie eine Blackwell war. Wenn er je herausfand, warum sie wirklich hier war, würde er ihr das nie verzeihen, und er würde ihr nie glauben, dass sie nicht vorgehabt hatte, ihn zu täuschen.

Wenn er nur die richtige Sophie hätte kennenlernen können.

„Möchten Sie lieber Weiß- oder Rotwein?“

„Ich denke, Sie wissen inzwischen, dass ich Weißwein bevorzuge.“

„Ich wollte nur sicher sein“, entgegnete er lächelnd.

Als er zu ihr kam, versuchte Sophie, ihre Sorgen und ihren Verrat für einen Moment zu vergessen. Sie nahm den Anblick des Mannes in sich auf, wie er ihr ein Glas Wein brachte. Dachte daran, wie er sein Jackett um ihre Schultern gelegt hatte, erinnerte sich, wie beeindruckt er von ihren Ideen gewesen war und dass er sie nicht als seine eigenen vorgestellt hatte, obwohl er es sehr leicht hätte tun können.

Nigel war ein Ehrenmann, ein Mann, in den sie sich leicht verlieben könnte. In den sie sich bereits verliebt hatte …

Dieses Date würde weit über das hinausgehen, was sie erwartet hatte.

Date. Sie sollte nicht zulassen, dass sich dieser Ausdruck in ihrem Kopf festsetzte, denn ein Date implizierte, dass es mehr geben konnte – doch in diesem Fall würde es nicht über einen Flirt hinausgehen.

Es sei denn, sie wäre so ehrlich wie möglich zu ihm, ohne damit ihre Mission zu gefährden.

„Ich bin nicht naiv“, sagte sie, als sie das Glas nahm. „Und ich werde Ihnen auch nichts vormachen.“

Jedenfalls nicht mehr, als sie es schon getan hatte.

Nigel zog die Augenbrauen hoch. „Gibt es etwas, das ich Ihrer Meinung nach falsch verstanden habe?“

Sie holte tief Luft und trank einen Schluck Wein, bevor sie etwas sehr Persönliches aussprach. „Ich war in meinem Leben immer auf meine Karriere fokussiert, sodass mein Privatleben in den Hintergrund getreten ist. Ich will bei allem, was ich tue, die Beste sein“, fuhr sie fort. „Deshalb hatten Dates bisher keine hohe Priorität bei mir.“

„Ich fasse es als Kompliment auf, dass Sie bei mir eine Ausnahme gemacht haben.“

„Das können Sie auch“, lachte sie, dann holte sie noch einmal tief Luft. „Was ich zu sagen versuche, ist, bestimmt haben Sie mich in der Hoffnung hierhergebracht, wir beide könnten zusammen … ähm.“

„Plötzlich so schüchtern? So kenne ich Sie gar nicht. Sie waren immer so offen und ehrlich.“

„Okay.“ Sie straffte die Schultern und hob das Kinn. „Wir waren uns bereits einig, dass wir uns zueinander hingezogen fühlen.“

„Aber?“

„Aber“, fuhr sie fort, „es gibt eine wichtige Sache, die Sie über mich wissen müssen.“

„Und die wäre?“

„Ich war noch nie mit einem Mann im Bett.“

7. KAPITEL

Nigel starrte Roslyn an und wartete darauf, dass sie anfing zu lachen und ihm erklärte, dass dies ein Scherz war. Doch sie hielt seinem Blick stand, ohne auch nur ansatzweise zu lächeln.

Unberührt. Die Frau, nach der er sich seit Tagen sehnte, war noch Jungfrau. Sie hätte es ihm nicht sagen müssen, und doch hatte sie ihm diese höchst persönliche Information anvertraut.

„Ich würde verstehen, wenn Sie den Abend jetzt beenden und Ihren Fahrer anrufen möchten, damit er mich abholt.“

Ohne ein Wort zu sagen, nahm Nigel ihr das Glas aus der Hand und stellte beide Gläser auf den Beistelltisch. Dann drehte er sich wieder zu ihr, trat direkt an sie heran und nahm ihr Gesicht zwischen die Hände, bis sie keine andere Wahl hatte, als ihn direkt anzusehen.

„Wie ich schon einmal gesagt habe, ich habe noch keine Frau wie dich getroffen“, sagte er und ging damit zum vertraulichen Du über.

„Ist das jetzt gut oder schlecht?“

„Gut.“ Er lachte. „Definitiv gut.“

„Dann bleibe ich also?“

Sein Körper war in Aufruhr, und er musste sich zwingen, langsam weiterzumachen. Er war noch nie in so einer Situation gewesen, doch er stellte fest, dass es ihm nicht die Lust nahm, dass sie noch Jungfrau war … ganz im Gegenteil.

„Von jetzt an ist alles deine Entscheidung“, sagte er und strich mit dem Daumen über ihre Unterlippe.

Noch nie in seinem Leben hatte er über irgendetwas die Kontrolle abgegeben, aber das war genau das, was er jetzt bei Roslyn tun wollte. Er wollte nicht nur, dass sie sich wohlfühlte, er wollte sich ihrer Führung überlassen, während sie sich entfaltete und ihre Leidenschaft entdeckte.

Gleichzeitig war er nervös und unterdrückte den unbequemen Gedanken, sie vielleicht auszunutzen. Er würde nichts tun, was sie nicht wollte, aber er hatte Fragen.

„Warst du so sehr auf die Arbeit konzentriert, dass du dir keine Zeit für dich genommen hast?“

„Ich will mir erst beruflich einen Namen machen“, sagte sie. „Das Privatleben ist später dran.“

Oder jetzt.

Nigel beugte sich vor und streifte ihre Lippen mit seinen. Ihr rasches Einatmen und der schnelle Puls an ihrem Hals erhöhten sein Bedürfnis, sie all das fühlen zu lassen, was sie sich verwehrt hatte.

Die Tatsache, dass sie ihn ausgewählt hatte, der Erste für sie zu sein, schmeichelte nicht nur seinem Ego … es war eine verdammte Kostbarkeit.

„Warum bist du mit mir hier oben?“

„Weil ich nicht anders kann“, murmelte sie ehrlich. „Ich habe mich noch nie zu jemandem so hingezogen gefühlt wie zu dir. Ich weiß, dass es nicht richtig ist, weil du mein Boss bist, und ich habe versucht, meine Gefühle zu ignorieren.“

Nigel nahm sein Jackett von ihren Schultern und warf es beiseite. „Was fühlst du?“

Er legte einen Arm um ihren Rücken, um sie fest an sich zu drücken.

„Anziehungskraft. Begierde.“ Ihr Blick fiel auf seinen Mund. „Erregung.“

Für jemanden, der so unschuldig war, wusste sie, was sie sagen musste. Sie hob die Hand, zögerte, dann berührte sie sein Gesicht.

Da war dieser Hauch von Unsicherheit. Im Büro hatte er nichts davon bemerkt. Dort hatte er sie nur selbstbewusst und stark erlebt. Auch wenn sie ursprünglich für eine untergeordnete Position eingestellt worden war, Roslyn war mehr als eine einfache Beraterin.

„Hab keine Angst“, sagte er, obwohl er selbst nervös war. Er wollte, dass alles perfekt für sie war. Roslyn hatte mehr verdient, als von ihm auf dem Schreibtisch genommen zu werden.

Sie hatte noch nie Sex gehabt, und er musste ihre Gründe dafür respektieren … auch wenn sie ihm fremd waren.

Nigel nahm ihre Hände in seine und führte sie zum Ledersofa. Sie setzte sich, wobei sie ihre ausdrucksstarken Augen auf ihn gerichtet hielt. Zu gern hätte er ihr das sexy Kleid vom Leib gerissen und ihre verführerischen Kurven mit seinen Blicken, den Händen und dem Mund erkundet, doch er wollte sie nicht bedrängen oder erschrecken.

Selbstbeherrschung war bei ihr entscheidend.

Roslyn wollte an seine Hose greifen, doch er wich zurück. Erstaunt sah sie ihn an.

Nigel ging vor ihr auf die Knie, legte die Hände um ihre Taille und beugte sich vor, um mit den Lippen über den Ansatz ihrer Brüste über dem Ausschnitt ihres Kleides zu streichen.

„Vertrau mir“, murmelte er an ihrer erhitzten Haut. „Ich möchte, dass du dich gut fühlst.“

„Ich fühle mich schon ziemlich gut“, seufzte sie und sank tiefer ins Sofa.

Die Bewegung ihrer Hüften veranlasste ihn, seine Hände tiefer wandern zu lassen und den Rock ihres roten Kleides über ihre wohlgeformten Beine hochzuschieben. Sein Blick glitt von ihren Augen immer wieder zu ihrer Haut, die er Zentimeter für Zentimeter entblößte.

Roslyn starrte auf seine Hände, ihr Mund war leicht geöffnet, ihre Lider halb geschlossen. Begierde stand ihr, und er wollte dafür sorgen, dass sie merkte, wie begehrenswert sie wirklich war.

Vorfreude durchströmte ihn. Kein Mann hatte sie jemals so berührt. Jede seiner Empfindungen schien verstärkt, so intensiv, wie er es noch nie erlebt hatte. Er war erregt, und ihrem Atem und ihren Seufzern nach zu urteilen, war sie es auch. Offensichtlich wollte sie es genauso sehr wie er.

Nigel warf einen Blick auf ihren schwarzen Spitzenslip, der durch den Schlitz des Rockes zu sehen war. Mit dem Daumen fuhr er über den zarten Stoff – bis zu der Stelle, wo das Verlangen, wie er wusste, am größten war.

Er musste lächeln, als Roslyn nach Luft schnappte. Sie war so gefühlvoll, so leidenschaftlich. Sie war absolut perfekt, und er hatte sie noch nicht einmal befriedigt.

Als sich das eng anliegende Kleid nicht weiter nach oben schieben ließ, legte Nigel die Hände an ihre Hüften und zog sie in eine liegende Position. So war es besser. Jetzt lag sie ganz verführerisch vor ihm, und er konnte das Kleid höher schieben und sie verwöhnen.

Er stieß einen langen Seufzer aus, als er sie endlich von der Hüfte abwärts bewundern konnte. Er hatte nie etwas Verlockenderes gesehen, und es verlangte ihn, sie zu berühren und zu schmecken.

Roslyn streichelte sein Haar, während sie ihn unverwandt anblickte. Als er das tiefe Verlangen in ihren Augen sah, wollte er ihr alles geben, was sie haben wollte … und mehr.

Unfähig, noch einen Moment länger zu warten, beugte er sich vor und streifte mit den Lippen die Stelle, wo der Spitzenstoff auf ihre nackte Haut traf. Roslyn erbebte unter seiner Berührung. Nigel ließ die Hände an ihren Hüften liegen und liebkoste sie weiter mit dem Mund.

Langsam zog er ihr das Höschen über die Beine. Sie trug immer noch ihre High Heels, und er wollte definitiv, dass sie sie anbehielt. Er liebte Frauen in High Heels.

„Nigel“, flüsterte sie.

Er hielt inne und ließ seinen Blick über ihren Körper wandern, bis er ihr in die Augen sah. „Vertraust du mir?“

Sie biss sich auf die Unterlippe und nickte. Nigel glitt mit der Fingerspitze über ihre erhitzte Haut, was Roslyn mit einem leisen Stöhnen belohnte.

Er rutschte tiefer zwischen ihre gespreizten Beine. Er war so verdammt erregt und angetörnt, doch in dieser Nacht ging es allein um sie. Er hatte nie zu den Männern gehört, die im Bett nur an ihren eigenen Spaß dachten, und daran würde sich jetzt ganz sicher nichts ändern.

Obwohl er nichts lieber täte, als seinen Anzug abzulegen und Roslyn zu zeigen, wie sehr er sie begehrte, wäre das für sie noch zu früh. Ihr erstes Mal sollte perfekt sein.

Kein Druck, oder?

Seine Lippen streiften kaum ihre Mitte, da hob sie ihm schon ihre Hüften entgegen. Er spürte ihr Verlangen nach mehr und drang deshalb mit einem Finger sanft in sie ein.

Roslyn schrie auf, und er mochte die Laute, die sie von sich gab … er genoss es, dass er derjenige war, der ihr einen Orgasmus schenken würde.

Wieder legte er seine Lippen auf ihre Mitte. Sie schmeckte so süß, und er wusste, dass er gerade den erotischsten Moment seines Lebens erlebte. Roslyn stöhnte und drängte sich ihm entgegen.

Hingebungsvoll leckte Nigel sie, bis sie seinen Namen schrie. Sie legte ihre Beine auf seine Schultern und kreuzte sie hinter seinem Rücken, sodass sich der spitze Absatz ihres Schuhs in seine Haut bohrte, doch es war ihm egal.

Das hier war Wahnsinn.

Roslyn war leidenschaftlicher als jede andere Frau, die er kannte. Sie ließ ihren Gefühlen freien Lauf und zeigte ihm, dass sie sich ihrer lustvollen Seite nicht schämte.

Nigel wartete, bis ihr Beben aufhörte, dann küsste er die Innenseite ihres Oberschenkels und richtete sich auf. Er sah sie an und nahm ein Bild in sich auf, das er nie vergessen wollte. Ihr Haar hatte sich gelöst, sie hatte die Augen geschlossen. Ihr Mund war leicht offen, kleine Schweißperlen glitzerten auf ihrer Brust, ihr Atem ging keuchend.

Roslyn sah aus wie das, was sie war – eine Frau, die gerade die höchste Ekstase erlebt hatte.

Aber er hatte keine Ahnung, was er jetzt tun sollte. Nigel war noch nie in dieser Situation gewesen, denn er hatte sich noch nie so stark zu einer Frau hingezogen gefühlt. Und sie war immer noch Jungfrau.

Verdammt. Er war skandalöser als die Stars seiner Show. Wenn jemand herausfand, dass er mit seiner neuen Mitarbeiterin ins Bett gegangen war, wäre sein Ruf ruiniert.

Doch wie könnte er dieser Frau widerstehen, die ihm dieses wunderbare Geschenk gemacht hatte? Außerdem zeigte sie ihm gegenüber so viel Vertrauen – sicher könnte er im Gegenzug darauf vertrauen, dass alles gutgehen würde.

Nigel schob alle Gedanken beiseite, die sich nicht um Roslyn drehten. Denn im Moment wollte er dieser Frau nur weiter zeigen, wie begehrenswert sie war.

8. KAPITEL

Sophie atmete tief ein und versuchte, sich aufzusetzen und ihr Kleid zurechtzuziehen.

Sie hatten gerade alle Regeln gebrochen. Das könnte dem Geschäft schaden, das Nigel so sehr liebte, und es könnte ihren Plan gefährden, das Erbe ihrer Familie zu retten. Trotzdem tat es ihr nicht leid, dass es passiert war. Wie könnte es auch? Nigel hatte sie gerade auf intimste Weise befriedigt, und er hatte sie noch nicht einmal vollständig ausgezogen.

Er strich über ihre Beine bis zu ihrer Taille und zog Sophie an sich.

„Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, murmelte sie und spürte, dass die Realität sie wieder einholte.

„Du musst nichts sagen“, erwiderte er mit einem frechen Grinsen. „Glaube mir, es hat mir Spaß gemacht.“

Apropos. „Willst du nicht …?“

„Oh, mehr, als du ahnst.“ Er lachte leise, was mehr nach Frust als Belustigung klang. „Aber es ging um dich. Seit du einen Fuß in mein Büro gesetzt hast, will ich dich. Ich kann dir nicht widerstehen, Roslyn.“

Da war er. Der Grund, weshalb sie ihre erste sexuelle Erfahrung nicht voll genießen konnte. Nigel kannte nicht einmal ihren richtigen Namen. Schuldgefühle und Enttäuschung durchströmten sie. Sie hatte endlich entschieden, sich einem Mann hinzugeben, und jetzt wurde ihr das Vergnügen durch ihre Lügen genommen. Es war ihre eigene Schuld.

Wie konnte sie jetzt weitermachen? Sie war Nigel irgendwie wichtig. Er hatte sich Zeit gelassen, er hatte sie mit dem Mund verwöhnt, und jetzt schien es, als wäre er damit für den Moment zufrieden.

Warum hatte sie ihn nicht früher kennengelernt? Warum konnte sie ihm nicht einfach sagen, wer sie war und warum sie hier war?

Weil ihre Brüder auf sie zählten. Sie durfte sie nicht im Stich lassen. Miranda hatte kein Recht, sich das Erbe der Familie, das ihr sowieso nichts bedeutete, unter den Nagel zu reißen.

„Ich mag unerfahren sein“, sagte sie. „Aber ich bin weder naiv noch blöd. Du musst doch frustriert sein.“

Wieder lachte er heiser. „Ich gestehe, ich fühle mich etwas unruhig.“

Sein Lächeln verblasste langsam, sein Blick ruhte weiter auf ihr. Erneut loderte Erregung in ihr auf, gepaart mit Angst vor all dem Unbekannten, das diese Beziehung ausmachte.

Irgendwann würde ihr das alles um die Ohren fliegen, und sie beide würden am Ende verletzt werden. Je länger sie blieb, je weiter sie sich aufeinander einließen, desto sicherer war, dass es kein gutes Ende nehmen würde.

Nigel seufzte und stand auf. Er fuhr sich durch das zerzauste Haar und schaute auf sie herab. Dann lächelte er.

„Du machst dich gut auf meiner Couch“, sagte er. „Ich habe mir das oft vorgestellt – du auf meinem Bett, unter meiner Dusche, auf meinem Schreibtisch.“

Sophie zog ihr Kleid zurecht und stand auf. „Du warst fleißig“, scherzte sie, obwohl sie jetzt angespannter war als vorher.

„Ich habe dir gesagt, ich habe noch nie eine Frau wie dich getroffen.“ Er schob ihr eine Haarsträhne hinters Ohr und fuhr mit dem Daumen über ihr Kinn. „Keine war bisher in der Lage, mich von meiner Arbeit abzulenken. Du hast mich mit einem Zauber belegt.“

Sophie schluckte, unfähig, etwas zu sagen. Das zwischen ihnen ging zu tief, war zu intim … Aber sie wusste, dass der heutige Abend nur der Anfang war. Sie war nicht so naiv zu glauben, sie könnten jederzeit aufhören.

„Ich könnte dasselbe sagen“, erwiderte sie, während sie sich noch von seiner Berührung erholte. „Ich habe einfach nichts von alldem erwartet.“

Sie musste ihm, soweit es ging, die Wahrheit sagen. Vielleicht hätte er sogar Verständnis für ihre Situation. Dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte, hatte nichts mit ihrem Plan zu tun, Miranda als die geldgierige Frau zu entlarven, für die Sophie sie hielt. Das musste er doch verstehen.

Was aber, wenn er kein Verständnis dafür hatte? Was, wenn er sie hinauswarf und dann womöglich Miranda alles erzählte? Das konnte Sophie nicht riskieren.

„Dass ich dir diese neuen Zuständigkeiten übertragen habe, hat nichts damit zu tun, dass ich mich zu dir hingezogen fühle“, sagte er. „Ich möchte, dass du das weißt. In sehr kurzer Zeit hast du dich als wertvolle Mitarbeiterin erwiesen.“

Sophie lächelte. „Das habe ich auch nicht gedacht. Aber es freut mich zu hören, dass du meine Arbeit wertvoll findest.“

Zumindest konnte sie stolz sein, dass sich die Mühe lohnte, die sie in diesen Job investierte. Wenn sie etwas von ihrem Vater gelernt hatte, dann, wie man hart arbeitete, egal in welchem Job.

Sie wünschte, ihr Vater hätte mehr von ihr und ihren Brüdern gehalten und sie wirklich geliebt … zu Lebzeiten und nach seinem Tod. Sie konnte nicht nachvollziehen, warum er ihnen nicht zumindest einen Teil seines Erbes hinterlassen hatte.

„Ich bin froh, dass du heute Abend mit mir zu der Feier gegangen bist“, sagte Nigel und riss sie aus ihren Gedanken. Er griff nach ihrer Hand und verschränkte seine Finger mit ihren. „Du glaubst mir vielleicht nicht, aber normalerweise gehe ich allein zu solchen Veranstaltungen.“

„Es fällt mir tatsächlich schwer, das zu glauben.“

Er schlang die Arme um sie und zog sie an seinen festen, kräftigen Körper. „Und mir fällt es schwer zu glauben, dass noch kein Mann dein Herz erobert hat.“

„Ist es das, was du willst? Mein Herz erobern?“

Er streichelte ihren Rücken. „Ich will mich nicht verlieben. Dazu bin ich viel zu beschäftigt damit, ein Imperium aufzubauen und mir einen Namen zu machen. Aber ich hätte nichts gegen etwas Gesellschaft, solange du in der Stadt bist.“

„Eine Affäre?“

„Mir gefällt der Ausdruck nicht.“ Zärtlich streifte er ihre Lippen mit seinen.

Sophie wich zurück und sah ihn an. „Was meinst du dann?“

„Es gibt keinen Grund, warum wir nicht die Gesellschaft des anderen genießen könnten“, sagte er. „Ich bin gern mit jemandem zusammen, der nicht nur einen attraktiven Körper hat. Du hast den gleichen Sinn fürs Geschäftliche wie ich, und das ist erfrischend in dieser Branche. Du forderst mich heraus, besser zu sein, und das ist ein bewundernswerter Charakterzug.“

Wieder fühlte sie sich geschmeichelt.

„Ist das alles, wofür du meine Gesellschaft willst?“, fragte sie.

„Um Gottes willen, nein.“ Er ließ seine Hände über ihre Hüften bis zu ihrer Taille wandern. „Ich möchte der Mann sein, der dir zeigt, wie schön Sex sein kann. Ich bin ein eifersüchtiger Kerl, und der Gedanke, dass ein anderer Mann das tun könnte, gefällt mir überhaupt nicht.“

Sophie erschauerte bei seinem herrischen Tonfall. Sie hatte heute Abend etwas Wesentliches über Nigel gelernt. Er war ein großartiger Liebhaber, und er war eine Kraft, mit der man rechnen musste. So sehr sie sich ihrer Unabhängigkeit auch rühmte, sie konnte seinen Annäherungsversuchen nicht widerstehen.

Und weshalb sollte sie Nigels Gesellschaft nicht genießen, solange sie hier war? Sie war eine erwachsene Frau, sie musste sich nicht dafür entschuldigen, dass sie sich nahm, was sie wollte. Sie würde ihm oder Green Room Media nicht schaden. Sobald sie gefunden hatte, was sie suchte, wäre sie wieder weg.

Aber sie musste den Knüller, nach dem sie suchte, endlich finden. Die Zeit, die sie sich gegeben hatte, war fast um, und sie hatte bisher nichts vorzuweisen außer einer wunderbaren sexuellen Erfahrung. Sie war noch nicht bereit zu gehen, bei dem Gedanken wurde ihr flau im Magen.

„Du scheinst immer noch darüber nachzudenken.“

Nigels Worte rissen sie aus ihren Gedanken, und sie lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihn.

„Vielleicht war ich nicht überzeugend genug“, fügte er hinzu und strich mit seinen Lippen über ihren Hals.

Sophie legte den Kopf in den Nacken und krallte die Finger in seine Schultern. Hatte irgendjemand mal Nein zu diesem Mann gesagt?

„Ich gehöre dir“, murmelte sie. „Solange ich hier bin.“

„Wir haben noch keine Bestätigung deiner Begleitung erhalten.“

Nigel kniff seinen Nasenrücken zusammen und schloss die Augen. „Ich habe noch keine genannt“, erwiderte er und seufzte.

„Deshalb rufe ich an.“

Claire Worthington wählte stets klare Worte, und es gab niemanden in der Familie oder sonst wo in Cumbria, der es wagte, sie zu verärgern. So streng und fordernd in ihrer Art, war sie aber auch liebevoll, loyal und angesehen. Und deshalb hasste er es, sie zu enttäuschen.

Nigels Blick fiel auf das Ledersofa, das Sofa, auf dem Roslyn am vergangenen Abend gelegen hatte. Er hatte sich eingeredet, dass er das Büro verlassen und hierhergekommen war, um nachzudenken, aber vielleicht wollte er auch nur dorthin zurückkehren, wo er die beste Nacht seines Lebens gehabt hatte.

Er hatte keine Ahnung, was mit seiner neuen Mitarbeiterin da ablief, aber er wusste, dass er mehr von ihr wollte – beruflich und privat. Warum könnte er nicht beides haben? Ihm gehörte das Unternehmen, er stellte die Regeln auf. Er wollte, dass sie dauerhaft bei ihm blieb. Nicht nur, weil er sie begehrte, sondern auch weil sie Green Room Media schon so viel gebracht hatte. Romanzen am Arbeitsplatz gab es immer wieder – es musste eine Art Protokoll geben, dem sie folgen konnten, damit es keinen Skandal gab.

„Nigel.“

„Ja, ja.“ Er lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf seine Großmutter. „Ich weiß. Eine Begleiterin.“

„Bis heute sollte die Antwort hier sein. Ich bin sicher, du hast es vergessen, weil dich das Stadtleben zu sehr in Anspruch nimmt. Deshalb rufe ich an. Sag mir einfach, dass du jemanden zur Hochzeit deiner Schwester mitbringst, und ich kann dem Caterer die genaue Zahl der Gäste mitteilen.“

Als wenn eine Person mehr oder weniger das oscarreife Menü durcheinanderbringen würde. Seine Großmutter machte kein Geheimnis daraus, dass es ihr nicht gefiel, dass er noch nicht verheiratet war und für die nächste Generation Townshends sorgte.

Seine Großmutter war Britin und vom alten Schlag. Sie ließ nicht mit sich diskutieren, und das wusste er verdammt gut. Trotzdem war sie nicht die Tee trinkende ältere Dame mit Perlenkette. Sie hatte ihr ganzes Leben hart gearbeitet, hatte ihre Kinder ohne Nanny großgezogen und zusammen mit ihrem Mann eine Pferdefarm betrieben. Sie verstand seine Gründe, warum er ein eigenes Imperium aufbauen wollte und nach New York umgezogen war, aber was die Gründung einer Familie anging, da ließ sie nicht locker.

„Du bist knapp dran“, fügte sie hinzu. „Die Hochzeit ist nächste Woche.“

„Ich weiß.“

Seine Schwester heiratete die Liebe ihres Lebens – so sagte sie zumindest. Sie hatten sich den Valentinstag als Tag der Hochzeit ausgesucht, was Nigel etwas kitschig fand, aber sie hatte nicht nach seiner Meinung gefragt.

Nigel hatte seinen zukünftigen Schwager einige Male getroffen, als er zu Hause war. Der Mann passte perfekt in die Familie. Aber Nigel hatte es nicht eilig, selbst eine Frau mit nach Hause zu bringen. Es müsste schon eine ganz besondere sein, dass er bereit war, sie dem Rest des Clans vorzustellen.

Ein Bild von Roslyn schoss ihm durch den Kopf.

Nein. Verdammt, nein. Wenn er jemanden mitbrachte, dann erwartete man erstens nicht, dass es eine Mitarbeiterin war. Zweitens konnte er Roslyn nicht mitnehmen, weil … nun …

Warum eigentlich nicht? Sie wäre die perfekte Kandidatin. Sie war selbstsicher, konnte sich behaupten, und es gab niemanden, den er sonst an seiner Seite haben wollte.

Nigel musste lächeln. Seine Familie musste nicht wissen, dass Roslyn bei ihm arbeitete. Wenn sie ihn begleitete, dann wäre es für ihn eine weitere Gelegenheit, sie besser kennenzulernen. Eine vorgetäuschte Beziehung konnte nicht schaden, oder?

Später könnte er seiner Familie erklären, sie hätten sich getrennt.

Das heißt, falls Roslyn seinem verrückten Plan überhaupt zustimmte.

„Und trag um Himmels willen eine Krawatte“, schimpfte Lady Claire. „Ich weiß, dass du deinen eigenen Stil hast, aber dies ist eine elegante Angelegenheit. Abendgarderobe ist angesagt.“

„Ja, okay.“ Ideen schossen ihm durch den Kopf, wie er Roslyn seinen Vorschlag unterbreiten könnte. „Ich verspreche, ich werde nichts tun, was dich oder die Familie in Verlegenheit bringt.“

„Ich bitte dich“, tadelte sie. „Nichts kann mich in Verlegenheit bringen, aber ich habe gewisse Ansprüche. Ich erwartete, dass du mit deiner Begleiterin spätestens am Mittwoch hier bist. Die Hochzeit ist am Samstag.“

„Ich werde da sein“, schwor er.

„Ihr beide werdet hier sein“, korrigierte sie.

Nigel lachte. Natürlich rechnete sie damit, dass er jemanden mitbrachte, allein, weil sie das sagte. Er bat sie, alle zu grüßen, dann legte er auf.

Er starrte noch einen Moment auf das Telefon und verfasste dann eine Nachricht, bevor er es sich anders überlegen konnte.

Komm ins Penthouse überm Büro.

Er drückte auf Senden, dann schickte er schnell eine zweite Nachricht hinterher.

Du musst mir einen Gefallen tun.

Es war Samstagabend, vielleicht war sie also gar nicht in der Stadt, aber das glaubte er nicht. Roslyn arbeitete hart und stellte die Karriere über ihr Privatleben. Er wollte sein Familiendrama und das Problem mit der Hochzeit lieber persönlich besprechen. Außerdem wollte er sie sehen … die Hochzeit war die perfekte Ausrede.

Roslyn sollte nicht meinen, er wäre nur darauf aus, sie in sein Bett zu bekommen. Er hatte es ehrlich gemeint, als er sagte, er respektiere sie und wolle sich Zeit lassen.

Zeit würde sich als das ultimative Vorspiel erweisen, zumal sie seinen Annäherungsversuchen bereits zugestimmt hatte. Und eine Reise in seine Heimat? Er konnte es nicht erwarten, sie dorthin zu bringen, wo er aufgewachsen war. Er würde sie mit dem großen Anwesen Shrewsbury Hall weiter verzaubern. Das Haus selbst konkurrierte mit dem Buckingham-Palast mit all den Zimmern, Fenstern, der kunstvollen Architektur und Einrichtung.

Roslyn würde sein Zuhause lieben. Er konnte sich keine Innenarchitektin vorstellen, die sich nicht in die Geschichte des Hauses verliebte.

Doch zuerst musste er sie überreden, ihn zu begleiten. Er hoffte, dass das Schicksal ihm wohlgesinnt war.

9. KAPITEL

„Deine Familie kennenlernen?“

Sophie wusste, dass eine körperliche Beziehung mit Nigel riskant war, für ihr Herz und für ihren Verstand, aber nach Cumbria, England, fliegen, um ihn zu der Hochzeit seiner Schwester zu begleiten? Am Valentinstag?

Das war mehr als nur ein Schritt in eine gefährliche Richtung – es war praktisch Bungee-Jumping von einer Klippe. Die Familie treffen, an einer Hochzeit teilnehmen, die einer königlichen Hochzeit gleichkam, vorgeben, seine Freundin zu sein?

Das wären weitere Lügen, und sie fürchtete, das alles durcheinanderzubringen.

„Ich weiß, das kommt etwas plötzlich“, sagte Nigel und fuhr sich sichtlich gestresst durchs Haar.

Sie kannte ihn erst seit kurzem, aber sie hatte ihn noch nie so nervös gesehen.

„Meine Großmutter ist ziemlich beharrlich“, fügte er hinzu. Aus seinen dunklen Augen sah er sie flehend an.

„Aber was ist mit meinem Job hier?“, fragte sie, immer noch ganz benommen von der Bitte. „Ich meine, was werden die anderen denken? Zuerst werde ich als Beraterin angestellt, kurz darauf werde ich mit der Leitung des Marketings für die Hochzeitsepisode beauftragt, die es vielleicht, vielleicht aber auch nicht geben wird, dann gehe ich mit dir zu einer Preisverleihung und jetzt auf die Hochzeit deiner Schwester bei dir zu Hause?“

Ihre Gedanken überschlugen sich, als sie all das laut aussprach. Das größte Problem war aber etwas, das sie nicht laut zu sagen wagte – bei ihrer Begeisterung für Nigel und seinem Charme und Sexappeal und ihrer Unfähigkeit, ihm etwas zu verwehren, lief ihr die Zeit davon, Informationen über Miranda aufzudecken. Alles, was sie bisher versucht hatte, endete in einer Sackgasse. Egal, mit wem sie sprach, alle liebten die Frau.

„Ich weiß, es klingt verrückt … Es ist verrückt“, ergänzte er und nahm ihre Hände. „Niemand hier muss wissen, wohin wir tatsächlich reisen. Ich kann sagen, dass du für mich mögliche Drehorte für die Serie auskundschaftest.“

Noch mehr Lügen. Für jemanden, der sich damit brüstete, stets ehrlich zu sein, verstrickte sie sich gerade in ein ziemliches Lügennetz, aus dem sie so schnell nicht wieder herauskommen würde.

Wenn sie mit ihm reiste, dann würden sie, das war Sophie klar, dort weitermachen, wo sie letzte Nacht aufgehört hatten. Der Gedanke begeisterte und ängstigte sie zugleich. Sie hatte noch nie einen Mann so sehr begehrt wie Nigel, und das machte ihr am meisten Angst. Wie könnte sie ihn jemals gehen lassen?

Nigel hielt immer noch ihre Hände, während er sie weiter mit seinen Blicken anflehte.

„Wie lange wären wir weg?“, fragte sie.

Ein unwiderstehliches Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Fünf Tage.“

Fünf Tage auf einem englischen Landgut mit einem Mann, für den sie gerade Gefühle entwickelte, während sie sich als seine Freundin ausgeben musste, damit seine Familie ihn in Ruhe ließ. Im Ernst, was konnte schon schiefgehen?

Sophie hatte gelogen, um bis an diesen Punkt zu gelangen, und nun nahm sie diese schauspielerische Fähigkeit mit auf eine Auslandsreise. Was würden ihre Brüder denken, wenn sie ihnen von diesem Vorhaben erzählte?

Vielleicht sollte sie es für sich behalten. Sie mochte in ihrem Job hier lügen, aber sie log nicht, was ihre wachsenden Gefühle betraf oder die Anziehungskraft, die er auf sie ausübte. Sie war keine so gute Schauspielerin. Aber all diese Emotionen kamen völlig unerwartet und verursachten Probleme, die sie nicht eingeplant hatte.

„Ich will dich nicht unter Druck setzen“, sagte er. „Ich wollte nur niemanden sonst fragen.“

Die Tatsache, dass er sie mit zu seiner Familie nehmen wollte, erhöhte ihr schlechtes Gewissen. Er war – soweit sie wusste – so ehrlich zu ihr, was sein Leben betraf, und sie so unehrlich.

Trotzdem konnte sie nicht ablehnen. Sie wollte mehr Zeit mit dem Mann verbringen, der den Wunsch in ihr weckte, dies alles wäre real. Er ließ sie von einer echten Beziehung träumen, einer wirklichen Anziehungskraft. Einer echten Affäre statt einer, die auf Lügen basierte.

„Ich mache es“, sagte sie. „Ich komme mit nach England.“

Nigel entspannte sich merklich. Er trat näher zu ihr und zog ihre Hände an seine Brust. „Du wirst mein Zuhause und meine Familie lieben. Meine Großmutter, Lady Claire, kann manchmal etwas überwältigend sein, aber sie tut alles aus Liebe.“

Sophie war sich nicht sicher, wie sie mit einer großen, liebevollen Familie und einer solchen Großmutter umgehen sollte – besonders mit einer, die von der Queen zur Lady ernannt worden war. Sicher, sie und ihre Brüder standen sich nahe, und sie hatte ihre Mutter geliebt, doch die Beziehung zu ihrem Vater hatte sie bitter gestimmt.

Wie würde ihr Leben aussehen, wenn sie eine enge Beziehung zu ihrem Vater gehabt hätte? Vielleicht hätte er ein anderes Testament aufgesetzt, und Sophie und ihre Brüder hätten alles geerbt.

Sie hatte nur noch ihre Brüder, und sie verließen sich auf sie. Obwohl Kellan gesagt hatte, sie könnte nach Hause kommen, wollte sie sie nicht enttäuschen. Sie wollte diejenige sein, die alles in Ordnung brachte. Sie wollte ihnen zurückbringen, was ihnen weggenommen worden war.

„Was soll ich für die Hochzeit einpacken?“, fragte Sophie und ignorierte das Schrillen der Alarmglocken in ihrem Kopf.

„Ich kümmere mich um alles. Mein Jet wird am Mittwochmorgen abflugbereit sein, und Kleider und Schmuck werden an Bord sein.“

Und Sophie stürzte ein wenig tiefer in das Pretty-Woman-Szenario.

Der Central Park war im Winter einfach wunderbar. Eiskalt, aber atemberaubend schön und so malerisch.

Sophie kuschelte sich tiefer in ihren Mantel, als sie durch den Park schlenderte. Sie hatte versucht, Vaughn anzurufen, doch es hatte sich nur der Anrufbeantworter gemeldet. An einer Parkbank blieb sie stehen, setzte sich und nahm ihr Handy, um Kellan anzurufen.

Sie musste ihnen sagen, was sie vorhatte. Sie konnte nicht einfach das Land verlassen, ohne dass ihre Brüder es wussten. Sie respektierte und liebte sie zu sehr, um sie anzulügen. Sie hatte schon genug gelogen.

Sie wählte. Kellan antwortete beim ersten Klingeln.

„Da ist ja meine Lieblingsspionin.“

Sophie stöhnte innerlich. Sie mochte es nicht, wenn er sie so nannte, auch wenn es ihre Idee gewesen war. „Schön, deine Stimme zu hören.“

„Hast du etwas herausgefunden?“

„Ich komme der Sache näher“, erklärte sie, was teilweise stimmte. Sie würde sich später mit zwei Mitgliedern des Kamerateams treffen. Wenn jemand wusste, was sich hinter den Kulissen abspielte, dann sie.

„Ich hoffe, in den nächsten Tagen einige Informationen zu erhalten“, fügte sie hinzu. „Aber ich rufe an, um dir zu sagen, dass ich verreisen muss. Ich werde mich zwischendurch melden und meine Augen und Ohren offen halten, aber … ich werde das Land verlassen.“

„Das Land verlassen?“, wiederholte er. „Wie passt das in den Plan, wenn doch Miranda zu Dreharbeiten in New York sein wird?“

Ja, genau das versuchte sie gerade selbst herauszufinden. Wenn ihr ursprünglicher Plan aufgegangen wäre, dann hätte sie New York jetzt bereits mit den gesuchten Beweisen in der Tasche verlassen. Nun aber lief sie Gefahr, Miranda zu begegnen, falls diese im Büro vorbeischaute.

„Ich darf nichts tun, was Verdacht erregen könnte“, verteidigte sie sich. „Ich wurde gebeten, beruflich zu reisen, also tue ich es.“

Schneeflocken wirbelten um sie herum. Sophie, die an Hitze gewöhnt war, genoss die Zeit in New York während des Winters. Vielleicht sollte sie häufiger hierherkommen. Sobald sie wieder Sophie Blackwood war, angesagte Innenarchitektin, und nicht Roslyn Andrews, zeitweilige Beraterin und Möchtegerngeliebte von Nigel Townshend.

„Und die Reise ist direkt vom Boss angeordnet?“, scherzte Kellan.

„Genau“, murmelte sie. „Hör zu, es ist nur für fünf Tage, und ich verspreche dir, ich habe nicht aus den Augen verloren, weshalb ich hier bin.“

„Da bin ich sicher. Übrigens, Darius hat gesagt, dass Miranda ihn nach Blackwood Hollow eingeladen hat. Ich weiß nicht, was sie im Schilde führt.“

„Er kommt dorthin?“

Darius Taylor-Pratt war ihr Halbbruder – erst nach dem Tod ihres Vaters hatten sie von ihm erfahren.

„Offensichtlich“, erwiderte Kellan. „Sie wird vielleicht versuchen, ihn gegen uns auszuspielen, aber ich werde die Dinge hier im Auge behalten. Mach dir keine Sorgen.“

„Was zum Teufel hat sie vor?“, murmelte Sophie.

Frust und Verwirrung gesellten sich zu ihren Schuldgefühlen, und sie fragte sich, ob einer von ihnen aus dieser ganzen Situation unbeschadet herauskommen würde. Und alles nur, weil ihr Vater egoistisch oder von seiner jungen Ex-Frau so geblendet gewesen war und entschieden hatte, dass keines seiner Kinder sein Erbe verdiente.

Miranda hatte es ganz sicher auch nicht verdient. Buckley war sechsundzwanzig Jahre älter gewesen als seine Braut. Warum sonst sollte eine schöne junge Dame der Gesellschaft einen wohlhabenden älteren Mann heiraten, wenn nicht wegen des Geldes? Miranda machte keinen Hehl daraus, dass sie schöne Dinge liebte, und Sophie wusste, dass die Frau nur einen Notgroschen für ihr Luxusleben zurücklegen wollte. Und jetzt zog sie Darius mit in die Geschichte.

„Weiß Vaughn, dass Darius kommt?“

„Ja, wir haben heute Morgen zusammen gesprochen. Du weißt, er mag dieses ganze Familiendrama nicht, aber er will wissen, was vor sich geht.“

Sophie stand auf und seufzte. „Halt mich auf dem Laufenden.“

„Ich verspreche, dich anzurufen, sobald ich mehr weiß“, schwor er. „Und jetzt erzähl, wohin dich deine Geschäftsreise führt.“

Sophie wollte nicht mehr lügen. Sie war es leid. Auch wenn sie wusste, dass sie von Kellan und Vaughn Gegenwind bekommen würde, musste sie ehrlich sein, denn Ehrlichkeit erwartete sie auch von ihnen.

„Nach Cumbria.“

„Wozu, zum Teufel?“

Sophie räusperte sich. „Nigel nimmt mich mit auf die Hochzeit seiner Schwester.“

„Wie bitte?“

„Du hast mich genau verstanden.“

„Verdammt, Sophie. Du gerätst da zu tief rein. Komm nach Hause, und wir überlegen uns etwas anderes. Mit Nigel Townshend in seine Heimat zu reisen, ist eine ganz schlechte Idee.“

Sophie biss sich auf die Innenseite ihre Wangen, suchte schnell nach der richtigen Antwort, doch Kellan war schneller.

„Oh, nein. Sag mir nicht, dass du mit ihm schläfst.“

„Ich schlafe nicht mit ihm.“ Noch nicht. „Seine Großmutter sitzt ihm im Nacken, weil er noch nicht verheiratet ist. Und er glaubt, dass die Familie ihn wenigstens ein paar Tage in Ruhe lässt, wenn ich mitkomme. So könnte er die Hochzeit seiner Schwester genießen, ohne ständig bedrängt zu werden.“

„Hm. Und du willst mir sagen, dass er nicht an dir interessiert ist.“

Oh, er war mehr als interessiert. Sie konnte immer noch nachspüren, wie interessiert Nigel Townshend war. Aber sie würde ihre Gefühle für Nigel nicht mit ihren wohlmeinenden Brüdern teilen.

„Hör zu, ich weiß, was ich tue. Ich bin schon groß. Du kümmerst dich um unseren Halbbruder, und ich versuche weiter, etwas über Miranda herauszufinden.“

„Miranda ist mir im Moment verdammt egal“, knurrte Kellan. „Du darfst dich nicht auf eine Affäre mit Nigel einlassen. Du wirst verletzt werden, Soph. Außerdem weiß Miranda sofort, was du vorhast, wenn sie dich in seiner Nähe erwischt.“

„Hör auf, dir Sorgen zu machen. Es geht mir gut“, versicherte sie ihm, obwohl sie selbst besorgt war. „Und niemand wird mich erwischen. Ich erkenne mich mit dem blonden Haar und der Brille selbst kaum wieder.“

Es stimmte. Sie vermisste ihr dunkles Haar. Das Blond passte überhaupt nicht zu ihrem Teint, aber das Färben war das Opfer wert.

Sie mochte im Fernsehen als mütterlicher Typ herüberkommen, als eine Frau, die sich um die anderen Darstellerinnen kümmerte, aber niemand war so sauber. Es musste einen Beweis geben, dass Miranda etwas Hinterhältiges getan hatte, um an das Blackwood-Geld zu kommen – etwas, das eine Anfechtung des Testaments rechtfertigte.

„Ich muss zurück an die Arbeit“, sagte sie zu ihrem Bruder. „Melde dich bei mir, und lass mich nicht um Informationen betteln.“

Sie trennte die Verbindung und ging zurück zu Green Room Media. Sie musste zu einem Meeting, eine Reise vorbereiten und eine Stiefmutter zu Fall bringen.

Alles an einem Arbeitstag.

10. KAPITEL

Nigel machte es sich auf seinem Sitz bequem, als der Jet die Startbahn entlangrollte. Er sah zu Roslyn und versuchte herauszufinden, warum sie schon auf dem Weg zum Flughafen so ruhig und distanziert gewesen war.

Vielleicht hatte er sie mit seiner Bitte überrumpelt, ihn zu begleiten. Vielleicht hatte sie sich unter Druck gesetzt gefühlt, als stünde ihr Job auf dem Spiel, wenn sie ablehnte. So ein Typ Mann war er nicht, aber er war auch nicht der Typ Mann, den sie verdient hatte. Sie sollte wissen, dass sie wichtig für ihn war, dass er sie schätzte. Nicht jemand, den er entlassen würde, wenn sie seinen Wünschen nicht nachkam. Und ganz sicher nicht jemand, der käuflich war.

Verdammt. Seit wann bemühte er sich so sehr, eine Frau zu beeindrucken? Ihm war es tatsächlich wichtig, was Roslyn von ihm hielt. Keine Frau hatte je so eine Wirkung auf ihn gehabt wie sie.

Er bewunderte ihre Talente, ihre Klugheit, und er konnte auch nicht die sexuelle Anziehungskraft ignorieren, das Verlangen und die Leidenschaft, die er mit ihr erlebt hatte. Die Kombination aus alldem brachte ihn immer wieder dazu, sich zu fragen, ob da noch etwas anderes unter der Oberfläche schwelte. Und er konnte es kaum erwarten, das zu erforschen.

Es war riskant, Roslyn auf das Anwesen seiner Familie zu bringen, aber verdammt, er war sein ganzes Leben Risiken eingegangen. Warum sollte er jetzt damit aufhören, wenn die Belohnung so unvergesslich und aufregend sein könnte?

Als der Flieger abhob, krallte sie die Finger in die Armlehne des weißen Ledersofas, auf dem sie saß, und schloss die Augen. Eine kaum merkbare Bewegung, aber eine, die ausdrückte, warum sie so still war, seit sie an Bord gegangen waren. Nun, er hatte endlich ihren Schwachpunkt gefunden. Er sich tatsächlich gefragt, ob sie zu gut war, um wahr zu sein … Aber wenn Flugangst ihr einziges Manko war, dann war er in echten Schwierigkeiten.

Nigel wollte keine langfristige Bindung oder Liebe oder so etwas Verrücktes, aber er genoss die Zeit mit Roslyn und wollte sehen, wohin all dies führte.

Er nahm ihre Hand und drückte sie kurz, was ihm einen flüchtigen Blick eintrug.

„Wofür war das?“, fragte sie.

„Du siehst aus, als könntest du es gebrauchen. Warum hast du mir nicht gesagt, dass du Flugangst hast?“

Roslyn zuckte die Schultern und blickte auf ihre Hände. „Vielleicht aus Stolz? Es ist albern, wirklich. Ich meine, Fliegen ist die sicherste Form des Reisens, heißt es doch so schön.“

„Entspann dich“, sagte er. „Ich habe bisher keinen Absturz erlebt.“

Roslyn verdrehte die Augen und grinste schief.

„So ist es schon besser“, murmelte er mit einem Lächeln. „Aber ernsthaft, Angst zu haben, ist nichts, wofür man sich schämen müsste. Warum hast du mich nicht einfach gebeten, deine Hand zu halten?“

„Ich habe noch nie jemanden gebeten, meine Hand zu halten, wenn ich Angst habe“, entgegnete sie. „Das ist demütigend.“

„Jeder hat Angst vor irgendetwas.“

„Sag mir, wovor du Angst hast. Außer vor deiner Großmutter.“

Nigel lachte, aber sie hatte fast ins Schwarze getroffen. Er hatte noch nie mit jemandem über seine wahren Ängste oder Unsicherheiten gesprochen.

„Ich habe Angst, meine Familie zu enttäuschen“, gab er schließlich zu. „Sie waren alle fassungslos, als ich nach New York ziehen, mein eigenes Unternehmen gründen und in der TV-Branche arbeiten wollte. Es ist nicht nur wichtig für mich, dass die Serie weiter erfolgreich läuft, sondern auch für sie. Und dann ist da noch mein Privatleben. Es wird von mir erwartet, dass ich heirate und für die nächste Generation kleiner Townshends sorge. Ich weiß, dass meine Familie enttäuscht ist, weil ich so lange damit warte. Ich hätte längst eine Frau finden und eine Familie gründen können, aber ich bin noch nicht dazu bereit. Meine Eltern waren lange glücklich verheiratet, bevor meine Mutter nach einem Schlaganfall starb. Ich will Liebe. Ich weiß nur nicht, wann sie mich finden wird. Ich arbeite so viel.“

Nigel hielt inne, bevor er zu viel sagte. Er klang bereits wie ein Idiot, weil er an die wahre Liebe glaubte. Roslyn hatte mal gesagt, dass sie sich nicht sicher war, ob diese Emotion tatsächlich existierte, und er war sich nicht sicher, ob es da draußen wirklich jemanden für ihn gab.

An welchem Punkt sollte er aufgeben und einfach eine Frau finden, die er als Mutter seiner Kinder haben wollte? Musste er sie wirklich so lieben, wie es in den alten Liebesromanen beschrieben wurde? Was war heutzutage überhaupt noch normal?

„Die Familie bedeutet dir wirklich so viel.“

Roslyns Worte rissen ihn aus seinen Gedanken.

„Familie ist alles. Deshalb mache ich mir all die Mühe, ein Date mitzubringen.“

Ihr breites Lächeln ließ ihre Augen strahlen. „Und ich dachte, es wäre, weil du es nicht ertragen kannst, von mir getrennt zu sein.“

Nigel rückte näher an sie heran. „Das auch“, sagte er, bevor er sie küsste.

Sie seufzte an seinen Lippen, ließ ihre Finger über seine Schultern gleiten und schob sie in sein Haar. Allein diese einfache Berührung fachte seine Erregung an. Er musste sich in Erinnerung rufen, dass sie immer noch Jungfrau war, aber er konnte auch nicht ignorieren, wie leidenschaftlich sie war.

Als Roslyn ihren kurvigen Körper gegen seinen drückte, schob Nigel die Hände unter ihre Seidenbluse und fand ihre warme, samtweiche Haut.

Roslyn nahm ihren Mund von seinem und legte den Kopf zurück, wobei sein Name leise über ihre Lippen kam.

„Sag mir, was du willst“, bat er.

Er würde nichts tun, womit sie sich nicht wohlfühlte, aber er brauchte sie mehr als den nächsten Atemzug – und er hatte auf diesem Flug sicherlich genügend Zeit, um ihr zu zeigen, wie sehr er sie brauchte.

„Sag es mir“, wiederholte er. Er suchte in ihrem Gesicht nach einem Zögern, das darauf hinweisen könnte, dass sie noch nicht bereit für mehr war.

Ihre Blicke trafen sich, sie lächelte … und sein Körper reagierte. In ihren Augen sah er nichts außer Begierde und gespannte Erwartung.

Seine Hände bebten, als er ihr die Bluse über den Kopf zog. Er legte sie zur Seite und griff nach den Trägern ihres schwarzen Spitzen-BHs. Roslyn legte die Hände an sein Gesicht.

„Du bist nervös“, bemerkte sie mit einem zärtlichen Lächeln. „Das ist entzückend.“

Entzückend. Dieses Wort hatte sicherlich niemand mehr im Zusammenhang mit ihm gebraucht, seit er ein Kleinkind gewesen war.

Und nervös? Nigel würde es nie zugeben, egal wie wahr es war. Sie brauchten beide, was jetzt kommen würde. Seit sie in diesen engen Jeans und scharfen High Heels in sein Büro stolziert war und ihn mit ihrer Schönheit geblendet und mit ihrem Wissen und ihrer Klugheit beeindruckt hatte, bewegten sie sich auf diesen Moment zu.

Statt zu antworten, senkte er den Kopf und küsste den Ansatz ihrer Brüste über ihrem sexy BH.

Roslyn rutschte tiefer, als er nach hinten griff und ihren BH aufhakte. Sie ließ die Träger über ihre Arme gleiten und lehnte sich zurück. Sie schaute ihn an, und ihre Augen flehten ihn stumm an, sie zu lieben.

Diese Frau wusste, was sie wollte, wusste, wen sie wollte. Nigel konnte nicht verstehen, warum sie so lange damit gewartet hatte, sich einem Mann hinzugeben, aber er war verdammt glücklich, dass sie sich für ihn entschieden hatte.

Er wusste nicht, was das über ihre wahren Gefühle aussagte, aber er konnte es im Moment nicht analysieren. Er wollte sie, und sie wollte ihn.

Er zögerte nicht, ihr auch noch den Rest der Kleidung auszuziehen, einschließlich ihrer Schuhe. Als sie nackt auf dem Sofa lag, legte er schnell seine eigenen Sachen ab.

Es hatte seine Vorteile, einen eigenen Jet zu besitzen. Privatsphäre war das Schlüsselwort.

Als Nigel sah, wie begierig ihr Blick über seinen Körper glitt, beeilte er sich. Er holte ein Kondom aus der Brieftasche und rollte es über seine Erektion, bevor er sich zu Roslyn legte.

Ihre Hände zitterten, als sie mit den Fingerspitzen über seine Arme und Schultern strich.

„Sieht aus, als wären wir beide nervös“, sagte sie lächelnd.

Es kam ihm beinahe wie sein eigenes erstes Mal vor, denn er wollte es nicht vermasseln. Er wollte, dass es für Roslyn ein wunderbares Erlebnis wurde. Ihre Befriedigung hing von jeder einzelnen Berührung, jeder seiner Bewegungen ab. Alles, was hier passierte, würde für immer in ihrer Erinnerung bleiben – und er wusste, dass diese Erfahrung auch für ihn von Dauer sein würde.

Vertrauen war das Schlüsselwort in seinem Leben, und er wusste, dass er ihr Vertrauen gewonnen hatte, da sie ihm ihre Jungfräulichkeit schenken wollte. Der Gedanke machte ihn demütig und stärkte sein Vertrauen in sie.

Nigel wollte sie gerade noch einmal fragen, ob sie sich ganz sicher war, da schlang sie schon ihre Beine um seine Taille. Er legte sich auf sie, bedeckte ihren Körper mit seinem, ihren Mund mit seinen Lippen, drang aber noch nicht in sie ein.

Eigentlich hätte er sich Zeit lassen sollen, aber er wollte nur noch eins mit ihr sein, wollten endlich ihre Hitze spüren, ihre Leidenschaft, und alles nehmen, was sie zu geben bereit war.

Später konnten sie sich gegenseitig erforschen. Ihr Stöhnen und ihre Bewegungen zeigten ihm, dass sie genauso heiß auf die Vereinigung war wie er.

Er hob leicht den Kopf, weil er ihr Gesicht sehen wollte, als er in sie eindrang.

Roslyn enttäuschte ihn nicht.

Sie öffnete kurz den Mund, dann biss sie sich auf die Unterlippe, schloss die Augen und legte den Kopf zurück, presste ihre Brüste an seinen Oberkörper.

Sie war einfach perfekt.

Nigel bewegte sich zuerst vorsichtig, nahm jeden ihrer Laute, jeden Gesichtsausdruck wahr. Mühelos fielen sie in einen Rhythmus, als würden sie nicht zum ersten Mal miteinander schlafen – oder als wären sie füreinander bestimmt.

Der Gedanke war kitschig, aber es gab keine andere Beschreibung dafür, wie wunderbar sie zueinander passten und sich bewegten.

Sie flüsterte seinen Namen, als sich der Rhythmus ihrer Hüften beschleunigte. Nigel folgte ihrer Führung. Sie mochte unter ihm liegen, aber die Kontrolle lag bei ihr.

Roslyn krallte ihre Fingernägel in seinen Rücken, als die Wellen des Höhepunkts sie mitrissen. Sie bog den Rücken durch, presste ihre Knie gegen seine Hüften und stieß einen Lustschrei aus. Nie zuvor hatte er etwas so Erotisches und zugleich Verletzliches gesehen.

Wenig später folgte er ihr. Und während sein Körper noch von dem Orgasmus bebte, küsste er sie innig auf den Mund.

Als die Wogen der Lust verebbt waren, richtete er sich auf und sah auf Roslyn hinab, die ihn strahlend anlächelte.

„Wenn das ein Versuch war, mich vom Fliegen abzulenken, dann ist dir das ganz wunderbar gelungen.“

Nigel lachte, rollte sich von ihr herunter und zog sie an sich.

„Nun, da wir noch ein paar Stunden vor uns haben, würde ich sagen, wir machen im Schlafbereich im hinteren Teil des Jets weiter, damit ich sicher sein kann, dass du wirklich völlig entspannt bist.“

Roslyn stand auf und streckte die Hand aus. „Zeig mir den Weg.“

11. KAPITEL

Cumbria in England war genau so, wie Sophie es sich vorgestellt hatte. Schneebedeckte sanfte Hügel und kleine Cottages längs der kurvigen Straße. Die gesamte Fahrt von der Landebahn zum Anwesen der Townshends war malerisch, und sie konnte den Blick nicht von der Landschaft wenden. Es war, als wäre sie in ein anderes Zeitalter versetzt worden. Eins, in dem das Leben einfach und sorglos war. Ähnlich dem Leben, das sie in Royal genoss.

Vielleicht waren sie und Nigel doch nicht so unterschiedlich. Er hatte zugegeben, wie wichtig ihm die Familie war, und er gab sich große Mühe, sie zufriedenzustellen … etwas, was sie gut nachempfinden konnte.

Sie erkannte immer mehr, wie gut sie zusammenpassten.

Nach dem unvergesslichen Flug war es ein Wunder, dass sie sich auf etwas anderes konzentrieren konnte als das Kribbeln in ihrem Körper. Ständig wiederholte sich jede einzige erregende Berührung in ihrem Kopf. Diese Stunden zogen sie noch tiefer in seine Welt hinein und steigerten ihr Verlangen nach mehr. Mehr denn je wünschte sie, die Situation wäre anders.

Nigel griff nach ihrer Hand und drückte sie sanft. „Du musst nicht nervös sein. Meine Familie wird dich lieben. Wir müssen nur so tun, als wären wir verliebt.“

Nervös? Sie war mehr als nervös, weil sie seine Familie treffen sollte. Seine Großmutter war immerhin mit einem Adelstitel ausgezeichnet worden.

Und so tun als ob? Ja, das hatte sie gut hinbekommen und für ihre Leistung einen Oscar verdient.

Liebe? Nein, Liebe war nicht im Spiel. Nur eine gesunde Dosis Lust und Erotik, aber keine Liebe. Sie konnte es sich nicht erlauben, in diese Richtung zu denken, weil sie bereits dabei war, sich zu verlieben … Irgendwann würde sie aufpassen müssen, dass sie ihr Herz nicht ganz verlor. Sie wusste nur nicht, wo sie die Grenze ziehen sollte.

„Möchtest du darüber sprechen, was im Flieger passiert ist?“, fragte sie und drehte sich zu ihm.

Er lenkte den Wagen um eine weitere scharfe Kurve, bevor er ihr ein breites Grinsen schenkte. „Worüber willst du reden? Es war toll. Der beste Flug meines Lebens.“

Sie fragte sich, wie oft er den Schlafbereich schon mit anderen Frauen benutzt hatte, mit denen er um die Welt geflogen war. Doch für Eifersucht war hier kein Platz, schließlich log sie ihn an, und sie hatten sich gegenseitig nichts versprochen. Doch sie konnte nichts dagegen tun, dass ihre Gedanken in diese Richtung wanderten.

„Vielleicht hätte ich dir schon früher mein Flugzeug zeigen sollen“, scherzte er.

Sophie wurde flau im Magen. „Verführst du viele Frauen in deinem Privatjet?“

„Fang nicht damit an“, knurrte er. „Ich bin nicht so ein Playboy, wie die Klatschpresse die Menschen glauben machen will. Und ich verführe ganz sicher keine Frauen in meinem Jet.“

„Du hattest mich schon ausgezogen, bevor wir überhaupt die Flughöhe erreicht hatten“, entgegnete sie. „Du scheinst mir ziemlich erfahren zu sein.“

„Ich bin kein Mönch gewesen, aber ich schwöre, dass ich keine andere Frau in dem Flieger mit ins Bett genommen habe.“

Er klang so aufrichtig, und Sophie hatte wirklich keinen Grund, ihm nicht zu glauben. Aber das Wann und Wo seiner früheren Affären war hier nicht wirklich das Thema. Natürlich hatte er vor ihr Frauen und Beziehungen gehabt. Er war ein mächtiger Mann und obendrein sehr sexy. Meine Güte, sie hatten nicht einmal eine Beziehung, und sie legte schon diese unmögliche Freundinnen-Mentalität an den Tag. Sie hatten Sex gehabt, und sie war für den Rest der Woche seine angebliche Freundin. Das war doch ganz einfach, oder?

Aber nichts an ihren Gefühlen oder dem Sex war einfach. Wenn sie schon vorher das Gefühl gehabt hatte, sich in ihn zu verlieben, dann hatte die Intimität im Flugzeug dieses Gefühl noch verstärkt. Und jetzt wusste sie nicht, ob ihre Gefühle auf den Mann zurückzuführen waren, dem sie sich schließlich hingegeben hatte, oder ob sie der Tatsache geschuldet waren, dass er wirklich ein netter Kerl war und nicht der Playboy, als den die Medien ihn darstellten.

Alle weiteren Gedanken oder Worte blieben ihr in der Kehle stecken, als Nigel in eine lange Einfahrt einbog, die von hohen immergrünen, schneebedeckten Bäumen gesäumt war.

Sie fuhren um die letzte Kurve, und ihr Blick fiel auf ein riesiges, zweistöckiges Herrenhaus. Das Anwesen passte genau zu ihrem ersten Eindruck von der Stadt – alles hier war so, als wäre sie in eine frühere Zeit gereist. Sie konnte es nicht erwarten, das Innere des Hauses zu erkunden, sich für zukünftige Einrichtungen inspirieren zu lassen und von der Geschichte hinter solch einem Herrenhaus zu erfahren.

Vor dem Haus befand sich ein großer Teich, und sie konnte nur ahnen, wie es hier im Sommer war, wenn überall bunte Blumen blühten. Aber selbst jetzt im Winter war das Anwesen atemberaubend schön.

„Willkommen auf Shrewsbury Hall“, sagte Nigel, als er vor dem Hauptportal vorfuhr.

Und sie hatte gedacht, ihre Familie hätte Geld. Dieses Haus war dreimal so groß wie ihr eigenes. Das Herrenhaus ließ sogar das Landgut ihres Vaters klein erscheinen.

Ein Mann in Wollmantel und mit Hut kam heraus und öffnete ihr die Tür. Sophie dankte ihm.

Nigel kam um den Wagen herum und schüttelte dem Mann die Hand. „Danke, William.“

„Schön, dass Sie wieder zu Hause sind, Sir Nigel.“

Sir. Natürlich würde er als solcher angesprochen werden.“

„Es tut gut, wieder hier zu sein.“ Nigel nickte in Richtung Haus. „Sind alle drinnen?“

„Lady Claire erwartet Sie mit einem Bourbon und einigen Snacks. Sie vermutete, dass Sie nach dem Flug hungrig sein würden und einen Drink gebrauchen könnten.“

„Sie wollen damit sagen, dass sie bereit ist, meine Freundin und mich in die Mangel zu nehmen?“, fragte Nigel.

„Das auch, Sir.“

Sophie war noch benommen davon, als Freundin eingeführt zu werden, als Nigel ihre Hand nahm und sie die Steintreppe hinauf zur Haustür führte. Allein die Architektur war schon wahnsinnig, und Sophie konnte es nicht erwarten, das Innere zu sehen. Was für Videos sie hier drehen könnte – wenn sie sie selbst wäre und die Gelegenheit hätte, dies zu tun.

Sie vermisste die Shootings, und Shrewsbury Hall wäre die absolut perfekte Kulisse für neue Aufnahmen.

Schade, dass sie nicht als die Innenarchitektin Sophie Blackwood hier war.

Verdammt, sie war nicht einmal als die Beraterin Roslyn Andrews hier. Sie war als doppelte Schwindlerin hier. Meine Güte, es wäre ein Wunder, wenn sie nach diesem Martyrium keine Therapie bräuchte.

Und nach diesem Angriff auf ihren Geisteszustand – und ihr Herz – sollte sie, sobald sie nach New York zurückkehrte, besser ganz schnell die Leiche finden, die Miranda hoffentlich im Keller hatte.

„Nach allem, was du mir erzählt hast, hätte ich deine Großmutter nicht als Bourbon trinkende Lady eingeschätzt“, murmelte Sophie, als sie die Tür erreichten. „Ich dachte eher an Tee und Kekse.“

Nigel lachte. „Versuch nicht, sie in ein Klischee zu zwängen. Du wirst keins finden, das zu der Persönlichkeit von Lady Claire Worthington passt.“

Sophie wusste nicht, ob sie Angst haben oder amüsiert sein sollte, aber bevor sie sich entscheiden konnte, öffnete Nigel schon die Doppeltür und schob sie hinein.

Sophie stockte der Atem, als sie in das prächtige Foyer trat, das sich bis in den zweiten Stock erstreckte. Geradeaus befand sich ein Brunnen mit einer geschwungenen Treppe zu beiden Seiten.

Von einem funkelnden Kronleuchter fiel helles Licht auf den Marmorboden, die frischen Blumenarrangements in großen Marmorvasen waren perfekt am Fuß jeder Treppe platziert. Der Eingang hatte etwas Herrschaftliches, und die winterlichen Blumengestecke dufteten einladend.

Eine Kulisse wie aus dem Märchen, und Roslyn wünschte sich mehr als alles andere, sie könnte sich in dieses Fantasieleben fallen lassen.

„Da ist ja mein Stadtjunge.“

Sophie richtete ihre Aufmerksamkeit auf eine große, auffallende Frau mit einem stylischen Bubikopf. Die Lady mit dem silbergrauen Haar trug Jeans und einen leuchtend grünen Pullover, dazu silberne Sneaker. Absolut nicht das Bild, das Sophie von der Lady im Kopf gehabt hatte. Doch sie fühlte sich gleich viel entspannter.

Nigels Großmutter trat zu ihm und schlang die Arme um ihn, bevor sie ihre Aufmerksamkeit auf Sophie richtete und auch diese liebevoll umarmte. Über die Schulter von Lady Claire hinweg sah Sophie, wie Nigel grinste.

„Herzlich willkommen“, begrüßte sie die beiden und trat zurück. „Ich bin Claire.“

„Es freut mich, Sie kennenzulernen, Lady Claire. Ich bin Roslyn Andrews.“

Nigels Großmutter winkte mit der Hand und schüttelte den Kopf. „Lassen wir diesen Lady-Unsinn. Diese Titel sind so archaisch. Nennen Sie mich Claire. Und erzählen Sie mir, wie Sie es geschafft haben, die Aufmerksamkeit meines Workaholic-Enkels zu erregen und ihn dazu zu bewegen, Sie mit hierherzubringen.“

„Können wir wenigstens unsere Mäntel ausziehen, bevor du sie mit Fragen bombardierst?“, fragte Nigel. „Und du hast mir befohlen, ein Date mitzubringen, also tu nicht so, als wärst du überrascht.“

„Als ob du jemals auf mich hören würdest“, murmelte Claire. „Du hast noch nie eine Frau mitgebracht, deshalb bin ich bereits jetzt von dieser hier beeindruckt.“

Sophie zog ihren Mantel aus und reichte ihn einem Mann, der wie aus dem Nichts auftauchte.

Nigel hatte noch nie eine Frau mit nach Hause gebracht? Das war interessant. Wollte er sie wirklich nur als Scheinfreundin hier haben, oder wollte er tatsächlich Zeit mit ihr allein verbringen und sie seiner Familie vorstellen?

Sophie kannte die Antworten auf all die Fragen nicht, und sie konnte sich auch jetzt nicht damit beschäftigen. Wenn es eine Chance gab, dass Nigel mehr Facetten seines Lebens mit ihr teilen wollte, dann fürchtete sie, würden die Schuldgefühle sie umbringen. Sie wünschte, sie könnte ihm alles erzählen, wünschte, sie könnte neu anfangen. Vielleicht könnte dann das, was sie verband, tatsächlich real sein.

„William sagte, dass du einen Bourbon hast.“

„Deine Lieblingssorte“, erwiderte Claire mit einem Augenzwinkern.

„Oh, bitte. Du hast mir die Marke empfohlen, als ich achtzehn wurde, und du hast mir gesagt, dass ich mich mit weniger nicht zufriedengeben soll.“

Claire lachte. „Ich bekenne mich schuldig. Und jetzt kommt und lasst uns ein wenig plaudern.“

Sie schob sich zwischen Nigel und Sophie, hakte sich bei beiden ein und führte sie in einen weiteren riesigen Raum mit hohen Decken. Im Kamin knisterte ein Feuer, und ein Tablett mit Früchten, Käse, Keksen und diversem Fingerfood stand auf dem Tisch zwischen den großen Ledersofas.

„Ist Ellen da?“, fragte Nigel.

„Sie kommt später vorbei. Deine Schwester ist sehr gespannt, wen du mit nach Hause gebracht hast.“

Sophie setzte sich auf das Sofa neben Nigel und gegenüber von Claire. Ihr war nicht bewusst gewesen, dass es sie so nervös machen würde, seine Familie zu treffen, aber nach dem Sex im Flugzeug war sie ein Bündel verwirrender Gefühle.

„Jetzt erzählt, wie ihr euch kennengelernt habt“, sagte Claire und klatschte in die Hände wie eine stolze Großmutter.

„Im Büro“, sagte Nigel. „Du weißt, dass ich mir zur Regel gemacht habe, nicht mit Angestellten auszugehen, aber Roslyn hat alles geändert.“

Sie hatten ihre Geschichte besprochen und beschlossen, so nah wie möglich an der Wahrheit zu bleiben.

Claires Blick huschte von ihm zu ihr und landete dann wieder auf Nigel. „Arbeitest du immer nur? Warte, du musst mir nicht antworten. Ich weiß, dass du es tust. Gehst du mit dem armen Mädchen wenigstens abends mal essen?“

„Natürlich“, erwiderte Nigel und griff nach einem Stück Zitrone. „Wir hatten schon mehrere Arbeitsessen.“

„Nigel Phillip Townshend“, schimpfte sie.

Er lachte. „Das war ein Witz. Entspann dich.“

Claire wandte sich an Sophie. „Man muss eine Heilige sein, um ihn zu ertragen. Seinetwegen habe ich graues Haar, das sage ich Ihnen.“

Sophie legte die Hand auf Nigels Knie. „Als ich anfing, bei ihm zu arbeiten, hat er mich als Erstes nach meinem Lieblingsessen gefragt.“

„Für Arbeitsessen?“, fragte Claire und zog eine perfekt gezupfte Augenbraue hoch.

„Für ein richtiges Date“, warf Nigel ein. „In dem Moment, als ich sie das erste Mal sah, wusste ich, dass ich sie nicht nur als meine Beraterin haben möchte.“

„Eine Büroromanze. Wie romantisch.“

Sophie lachte und warf Nigel einen Blick zu. „Deine Großmutter gefällt mir. Und du hast mir Angst gemacht.“

Nigel zuckte zusammen, und Claire lachte laut. „Hat er das? Ich wüsste gern, welches Bild er von mir gezeichnet hat.“

„Und ich wüsste gern, was er über mich erzählt hat.“

Sophie drehte sich zum Eingang des Wohnbereichs um, als eine schöne, kurvenreiche Frau hereingeschlendert kam. Ihr langes dunkles Haar fiel in Wellen über ihre Schultern. In ihrer engen schwarzen Hose, den hohen braunen Stiefeln und der knallroten, taillierten Jacke sah sie aus, als käme sie gerade vom Reiten.

„Ellen, du kommst genau richtig.“ Claire stand auf und küsste die Frau, die ihre Enkelin sein musste, auf die Wange. „Nigels Freundin war gerade dabei, über ihre Büroromanze zu sprechen und darüber, was er wirklich von seiner Familie hält.“

Nigel fluchte leise und stand auf, um seine Schwester zu begrüßen. Sophie erhob sich ebenfalls, nervös, weil sie ein weiteres Familienmitglied kennenlernen würde.

„Eine Romanze am Arbeitsplatz?“, fragte sie Nigel. „So richtig mit Zuckerherzen und Blumensträußen?“

„Roslyn mag keine Sträuße“, sagte er. „Sie hält sie für klischeehaft.“

„Daran erinnerst du dich?“

Sein Blick wanderte von ihren Augen zu ihrem Mund und wieder zurück. „Ich erinnere mich an alles, was du jemals zu mir gesagt hast.“

Sophies Herzschlag beschleunigte sich, und sie wusste in dem Moment, dass Nigel die Verbindung zwischen ihnen nicht nur vortäuschte. Er meinte, was er gesagt hatte. Und sie wusste in dem Moment, dass er genauso tief drinsteckte wie sie … Aber wusste er es? War ihm bewusst, dass man ihm die Gefühle an den Augen ablesen konnte, wenn er sie ansah?

Ihr wurde flau bei dem Gedanken, dass Nigel am Ende verletzt würde. Das hatte sie nie gewollt. Sie war nur nach New York gekommen, um etwas über Miranda herauszufinden. Sie hatte nach einer Woche wieder weg sein wollen.

Und doch war sie hier und würde die nächsten fünf Tage in England verbringen und sich als Nigels Freundin ausgeben. Dabei wäre sie es gern in Wirklichkeit.

„Einen Moment“, sagte Ellen und starrte Sophie an. „Ich glaube, ich kenne dich von irgendwoher.“

12. KAPITEL

Da Nigel außer Landes war, sollte Lulu Fee dazu zu bringen, dem Spin-off zuzustimmen – oder zumindest der Hochzeitsepisode.

„Wenn es wirklich das ist, was du tun willst, dann stehe ich hinter dir“, sagte Lulu zu Fee.

Die Kameras bewegten sich umher, aber Lulu ignorierte sie. Sie war mehr als gewöhnt daran, dass ihr ganzes Leben gefilmt wurde. Heute hatte sie sich mit Seraphina zum Lunch getroffen, und sie plauderten über Fees bevorstehenden Umzug nach Texas. Obwohl Lulu traurig war, ihre beste Freundin zu verlieren, verstand sie, wie sehr Fee Royal und die Menschen dort liebte – nicht nur Clint, obwohl die Liebe zwischen Fee und ihrem Verlobten sicherlich etwas ganz Besonderes war.

Als in der Weihnachtszeit auf Mirandas Anwesen gedreht worden war, hatten sie sich alle in die charmante Stadt verliebt. Und Lulu verstand, dass Fee mit dem Mann, den sie liebte, in dessen Heimatstadt leben wollte.

Hatten sie sich nicht alle einen Cowboy an Land ziehen wollen?

Leider war der der einzige Mann, der ihr ins Auge gefallen war, Kace LeBlanc, der arrogante, nervige Anwalt … Der Anwalt, der einige Tage zuvor in ihrem Penthouse aufgetaucht war. Nur um zu reden. Als ob sie jemals nur geredet hätten. Sie konnten keine zwei Minuten allein sein, ohne dass sie die Hüllen fallen ließen. Wahnsinn, was der Mann mit seinen Händen anstellen konnte.

„Alles okay?“, fragte Fee und griff nach ihrem Wasserglas.

„Was? Oh ja, entschuldige.“ Lulu lächelte und schob den Gedanken an Kace beiseite. „Ich habe nur nachgedacht.“

„Über jemanden, den ich kenne?“

Fees Augen funkelten, ihr Lächeln war vielsagend. Lulu hatte keine Geheimnisse vor ihrer besten Freundin, aber sie würde vor laufender Kamera nicht über Kace sprechen. Sicher, ihr Eingeständnis, dass sie sich zu dem süßen Südstaatenanwalt hingezogen fühlte, würde die Einschaltquote in die Höhe treiben, aber sie war nicht bereit, ihre Gefühle mit der Welt oder mit Kace zu teilen. Es gab genug Filmmaterial von ihnen, wie sie während der Aufräumarbeiten nach dem Brand letzten Monat zankten. Wer weiß, wie sie zu ihm stand, wenn die Episode ausgestrahlt wurde, die sie heute drehten. Würde sie ihm ihre Gefühle gestehen? Würde er seine zugeben?

„Konzentrieren wir uns auf dich und deine neue Liebe“, sagte Lulu und zwinkerte ihrer Freundin zu. „Ich würde sagen, wir schmeißen eine große Abschiedsparty. Auf meiner Dachterrasse.“

Fee hob ihr Glas. „Du weißt, für eine Party bin ich immer zu haben.“

„Perfekt. Ich kümmere mich um alles.“

Die pflichtbewusste Gastgeberin zu spielen, würde ihr die Ablenkung von Kace LeBlanc verschaffen, die sie brauchte.

Lulu wartete, bis die Kameras ausgeschaltet waren, erst dann kam sie auf die Hochzeitsepisode und die Idee eines Spin-offs zu sprechen. Sie liebte Fee und wollte sie nicht vor den Augen aller in Verlegenheit bringen.

Sie drückte die Daumen, dass Fee mit beidem einverstanden sein würde. Nigel zählte darauf, dass Lulu es schaffte, und sie wollte ihn nicht enttäuschen.

„Das war seltsam, wie meine Schwester darauf beharrte, sie hätte dich schon mal gesehen“, sagte Nigel, als sie ihre Suite betraten.

Sophies Herzschlag hatte sich nach dieser kurzen Szene immer noch nicht beruhigt. Ellen hatte sie immer wieder gemustert, und Sophie wäre am liebsten sofort in Nigels Jet gestiegen und zurück nach New York geflogen.

„Ja, komisch“, stimmte sie zu, da sie nicht wusste, was sie sonst sagen sollte.

Sophie durchquerte den Raum und trat an die Terrassentüren, die auf einen Privatbalkon führten. Der Blick von hier übers Land war atemberaubend.

„Es ist kalt draußen“, sagte Nigel, als sie eine der Türen öffnete.

„Ich möchte einen Moment lang den Ausblick genießen. Ich stelle mir gerade vor, wie schön es im Sommer hier sein muss.“

Sie atmete die frische Luft ein. Eine strahlend weiße Schneedecke überzog das Land so weit das Auge reichte. Sie bedauerte es, diesen Ort nicht zur Weihnachtszeit gesehen zu haben. Sie stellte sich perfekt geschmückte Weihnachtsbäume vor, gold-weiße Strümpfe, die an den Kaminen hingen, Dinnerpartys mit glamourösen Kleidern und Champagnerbrunnen.

Sie kehrte in die Suite zurück und schloss die Tür wieder.

„Hier bist du aufgewachsen?“, fragte sie.

„Ich habe immer hier gelebt, abgesehen von der Schulzeit, bis ich nach New York gezogen bin.“ Nigel steckte die Hände in die Hosentaschen und blickte sich um. „Dies ist eigentlich mein Zimmer, keine Gästesuite.“

Natürlich, sie waren in seinem Zimmer untergebracht. Die Schuldgefühle in ihr vergrößerten sich weiter. Sie wollte mit ihm ins Reine kommen, wollte ihm alles beichten. Aber wie könnte sie das tun und ihren Brüdern gegenüber trotzdem loyal bleiben?

Es hatte alles so einfach sein können. Ein paar Tage bei Green Room Media, nach exklusivem Filmmaterial Ausschau halten, mit ein paar Kameraleuten reden. In der Theorie war der Plan perfekt … Aber irgendwie war sie bei der Durchführung vom Weg abgekommen und riskierte jetzt, dass es ihr das Herz brach und dass sie den Mann verletzte, der in ihr den Wunsch weckte, den ganzen Rachefeldzug zu vergessen.

„Ganz der kleine Prinz“, scherzte sie. „Ich stelle mir vor, wie du als Kind auf dem Balkon gestanden und deine Fantasie hast spielen lassen. Ich weiß, ich hätte es getan.“

Er lächelte und ging auf sie zu. „Und was hätte sich die kleine Roslyn vorgestellt?“

Die kleine Sophie hätte diesen Raum geliebt. „Sie hätte sich vorgestellt, eine Königin zu sein, die über ihr Land blickt und ihr Schloss und ihre Familie beschützt.“

Nicht so weit weg von der erwachsenen Sophie.

„Wirklich?“ Er schloss die Lücke zwischen ihnen und legte die Hände auf ihre Schultern. „Dieses kleine Mädchen hätte davon geträumt, dass ein Ritter kommt, um sie aus dem Turm zu retten?“

„Ich musste nie gerettet werden“, entgegnete sie. „Ich bin diejenige, die alles und jeden rettet. Immer.“

War es nicht das, was sie gerade tat? Sich opfern, um das Erbe ihrer Familie zu retten?

Und wer wusste schon, was passieren würde, jetzt, da Darius nach Royal kam und Miranda sich mit ihm in Verbindung setzen wollte?

Sophie wusste nur eines. Sie würde die Besitztümer der Blackwoods, Anwesen und Vermögen, nicht in den Händen einer geldgierigen Frau lassen, die vermutlich bereits den nächsten ahnungslosen Milliardär im Visier hatte.

„Du beschützt deine Familie sehr“, bemerkte er und fuhr mit dem Daumen über ihren Hals und ihr Kinn. „Das bewundere ich.“

Er hatte keine Ahnung, wie weit sie gehen würde.

„Du und deine Schwester, ihr müsst eine besondere Bindung haben“, erwiderte sie. Ein Kribbeln schoss durch ihren Körper bei seiner Berührung, und es fiel ihr schwer, sich auf das Gespräch zu konzentrieren.

„Wir standen uns immer sehr nahe. Sie ist älter als ich, deshalb hat meine Großmutter auf sie noch mehr Druck ausgeübt, zu heiraten und Kinder zu bekommen.“ Nigel lachte. „Seit sie bei Ellen ihr Ziel erreicht hat, richtet sie ihre Aufmerksamkeit ganz auf mich. Ich habe dich gewarnt.“

Sophie griff nach seinen Handgelenken und erwiderte sein Grinsen. „Ich komme ein paar Tage damit zurecht. Außerdem macht es mir nichts aus, deine Freundin zu spielen. Du bist nicht gerade ein Scheusal.“

„Das nehme ich als Kompliment. Du bist auch ganz schön sexy.“

So wie er ihren Körper auf dem Flug hierher verwöhnt und angebetet hatte, brauchte sie diese Bestätigung gar nicht. Sie wusste sehr wohl, dass sie ihm gefiel. Während des Fluges hatte Sophie alle Probleme beiseitegeschoben, alle Lügen und Täuschungen. Sie hatte sich auf sich und ihn konzentriert, auf die Begierde und körperliche Freuden.

Aber die Realität holte sie hier wieder ein, und sie musste die Fassade aufrechterhalten. Sophie hoffte nur, dass sie die fünf Tage überstand, ohne dass Ellen darauf zurückkam, wie bekannt ihr Sophie vorkam.

„Bis zum Dinner haben wir noch Zeit“, sagte Nigel und schob Sophie in Richtung Bett.

„Wenn wir die Zeit vergessen und das Abendessen verpassen, bekommen wir Ärger mit deiner Großmutter.“

Nigel schüttelte den Kopf. „Wenn sie glaubt, dass es eine Chance gibt, dass du bei der Produktion der nächsten Generation Townshends hilfst, dann schließt sie uns hier ein. Zum Teufel dann mit allen Abendessen.“

Die Vorstellung hatte ihre Reize … aber sie wusste, dass es nichts weiter als eine Fantasie war. Auch ohne die Täuschung, die zwischen ihnen stand, war Sophie sicher, dass diese Welt nichts für sie war. Die Townshends waren fast so mächtig und wohlhabend wie das Königshaus. Und obwohl die Blackwoods selbst auch wohlhabend waren, waren die Unterschiede enorm. Stadt- und Landleben unterschieden sich deutlich voneinander.

Nigel mochte in diesem wunderschönen Ort auf dem Land aufgewachsen sein, aber er war ein Stadtmensch. Er brauchte diese Hektik und die harte Arbeit. Royal, Texas, war nichts für jemanden, der den Rausch brauchte, von einem Projekt zum nächsten zu ziehen.

Sophie dagegen mochte ihren entspannten Lebensstil zu Hause. Sie mochte die Leichtigkeit ihrer Arbeit, den Kick, für andere in ihrem eigenen Tempo etwas zu entwerfen.

Nigel küsste ihren Nacken, und ihr wurde klar, wie dumm sie war, auch nur daran zu denken, zwischen ihnen könnte jemals mehr sein. Statt die Grundlage für eine echte Beziehung zu schaffen, hatten sie eine Affäre, eine Farce für die nächsten Tage und ihre Lügen. Nicht gerade eine gute Basis für eine gemeinsame Zukunft.

„Ich dachte, wir täuschen diese Beziehung vor“, murmelte sie und fuhr ihm mit den Fingern durchs Haar.

„Nur einige Teile.“ Seine Lippen strichen über ihre erhitzte Haut. „Ich will dich. Das ist nicht vorgetäuscht.“

Sie konnte nichts dagegen sagen, sie begehrte ihn genauso heftig.

Innerhalb weniger Sekunden landete ihre Kleidung auf dem Boden. Sophie fiel rückwärts aufs Bett, und Nigel folgte ihr und drückte sie mit seinem Gewicht in die weichen Decken.

Erst seit sie ihn kannte, wusste sie, wie viel Leidenschaft in ihr steckte. Nie zuvor hatte sie ihre beruflichen Ziele vergessen und alles, einschließlich ihres Körpers, einem Mann geben wollen.

„Ich bin gleich zurück.“

Er verließ das Bett, und sie sah ihm nach, als er das Zimmer durchquerte. Das helle Tageslicht, das durch die Glastüren schien, setzte seinen Körper sehr vorteilhaft in Szene.

Nigel durchsuchte sein Gepäck, bis er eine Schachtel Kondome fand. Sophie lachte.

„Wow. Ziemlich optimistisch, nicht wahr?“

Er zuckte mit den Schultern. „Hoffnungsvoll. Außerdem sind wir fünf Tage hier.“

„Hast du vor, dieses Zimmer auch mal zu verlassen?“, fragte sie, als er zu ihr zurückkam. „Du musst auf eine Hochzeit.“

„Oh, ich würde nie die Hochzeit meiner Schwester verpassen.“ Er stellte die Schachtel auf den Nachttisch und stieg wieder ins Bett. „Aber ich möchte auch nicht die Gelegenheit verpassen, deinen wunderbaren Körper weiter zu erforschen. Ich glaube, ich war im Flugzeug nicht aufmerksam genug.“

„Oh, ich würde sagen, du warst mehr als aufmerksam.“ Sie lachte. „Vielleicht bin ich jetzt mal an der Reihe.“

Mit einem Selbstbewusstsein, das sie nie zuvor verspürt hatte, ging sie auf die Knie und legte ihre Hände auf seine nackte Brust. Sie drückte ihn zurück aufs Bett und setzte sich rittlings auf ihn.

Nigel lächelte. „Ich werde einer schönen Frau doch nicht widersprechen.“

Sophie griff nach einem Kondom aus der Schachtel auf dem Nachttisch. Mit zittrigen Händen riss sie die Verpackung auf und rollte das Kondom über Nigels erigierten Penis.

Nigel sah ihr dabei zu.

Sein intensiver Blick steigerte ihre Nervosität … und ihre Erregung. Dieser Mann konnte so viel ausdrücken, ohne ein Wort zu sagen oder sie zu berühren. Die Art, wie er sie ansah, als wäre sie das Wichtigste in seinem Leben, war ihr so fremd. Sie spürte, dass er dabei war, sich in sie zu verlieben, auch wenn er es nicht sagte. Vielleicht war es ihm selbst gar nicht bewusst.

Aber sie würde sich jetzt nicht mit Gefühlen aufhalten. Nigel hatte die Begierde in ihr geweckt, und sie wollte sich in der Zeit mit ihm keine Gedanken über die Probleme zu Hause machen. Für die Dauer ihres Aufenthalts hier würde sie die pflichtbewusste Freundin und sinnliche Geliebte spielen.

Das wären die einfachsten Lügen, die sie je erzählt hatte.

Sie stützte sich mit den Händen auf seiner Brust ab und ließ sich auf ihn sinken. In dem Moment, als sie eins wurden, stieß sie einen Schrei aus. Es war so anders als das, was sie zuvor erlebt hatte. Sie schloss die Augen, als eine Welle der Erregung nach der anderen ihren Körper durchströmte.

Nigel legte die Hände an ihre Hüften, und sie sah ihn an. Ja, da war dieser Blick, etwas Stärkeres als Lust – etwas, von dem sie befürchtete, dass es sie beide am Ende verletzen würde.

Doch sie verscheuchte den Gedanken, stützte sich rechts und links neben Nigels Kopf ab, beugte sich zu ihm hinunter und küsste ihn. Sie wollte alles, was er zu geben hatte, und mehr. Sie wollte in jeder Hinsicht mit ihm vereint sein. Die Sehnsucht in ihrem Körper wuchs, als sie ihre Hüften gegen seine presste. Unaufhaltsam schraubte ihre Lust sich höher, bis Sophie ihre Lippen von seinen löste und einen Lustschrei ausstieß.

Nigel umfasste ihren Po, als auch er aufstöhnte und zitterte. Sophie beobachtete, wie der Höhepunkt ihn mitriss, und sie fragte sich, ob es irgendetwas Vergleichbares gab.

Sie glaubte es nicht. Die nächsten Tage würde sie vollends auskosten, denn wenn sie nach New York zurückkamen, würde sie ihren Plan zu Ende führen und so schnell wie möglich nach Hause zurückkehren. Je mehr Zeit sie mit Nigel verbracht, desto mehr fürchtete sie, er könnte derjenige sein, von dem sie nicht gewusst hatte, dass sie ihn suchte.

13. KAPITEL

Nigel wusste nicht, warum er so verdammt nervös war, aber er stand vor der Tür seiner Suite und zog seine Fliege zurecht. Er hasste die verdammten Dinger, aber als Trauzeuge musste er eine tragen.

Er hatte Roslyn allein gelassen, damit sie sich in Ruhe ankleiden konnte, während er nachsah, ob jemand Hilfe bei der Vorbereitung der Zeremonie brauchte. Ellen hatte beschlossen, im großen Ballsaal des Anwesens zu heiraten, und überall im Ostflügel wimmelte es von Hochzeitsplanern, Floristen, Caterern und wer weiß noch wem.

Nigel war schließlich im Arbeitszimmer gelandet und las eine Nachricht von Seraphina, in der sie schrieb, dass es ihr leidtäte, doch dass sie und Clint sich gegen ein Spin-off entschieden hätten. Weiter schrieb sie, dass sie wüsste, dass Nigel eine andere Antwort erhofft hatte, und versicherte ihm, dass sie ein langes Gespräch mit Lulu geführt hatte, dass das Angebot jedoch nichts für sie sei. Sobald er wieder in New York war, wollte sie mit ihm über eine Vertragsauflösung sprechen.

Nigel neigte den Kopf von einer Seite zur anderen und versuchte so, das unangenehme Engegefühl am Hals etwas zu mindern. Er hatte keine Ahnung, was er mit Fees Vertrag machen sollte, aber das war etwas, was er zurückstellen musste – zumindest für heute.

Seine Schwester würde heiraten, und Roslyn würde zweifellos atemberaubend aussehen. Er hatte ihr fünf Kleider zur Auswahl bestellt. Seine Stylistin hatte ihm versichert, dass jede Frau jedes einzelne der Kleider lieben würde.

Er klopfte an die Tür und griff nach dem Knauf. In dem Moment, als er die Tür öffnete und Roslyn vor dem großen Spiegel stehen sah, verschwanden alle Gedanken.

Ihre Blicke trafen sich im Spiegel, als sie gerade einen Ohrring befestigte. Ihr honigblondes Haar fiel in Wellen über eine Schulter, und das rubinrote trägerlose Kleid saß, als hätte der Designer jede einzelne ihrer wunderbaren Kurven vor Augen gehabt.

„Ich hoffe, es gefällt dir“, sagte sie und drehte sich zu ihm. „Ich weiß, es ist etwas auffällig für eine Hochzeit, aber irgendjemand hat mir gesagt, dass Rot deine Lieblingsfarbe ist.“

Auffällig? Eher eine Mischung aus elegant und verführerisch. Das Kleid, die Frau … alles war absolut perfekt.

Nigel ging weiter in den Raum und lächelte. „Du hast mit meiner Großmutter gesprochen.“

„Möglich.“

Nigel blieb auf Abstand, aus Angst, sie könnten diesen Raum nie mehr verlassen, wenn er zu nah zu ihr trat. Ihr Anblick ließ ihn alle Probleme mit „Das geheime Leben“ und den Geschäften in New York vergessen.

„Eigentlich ist es unüblich, die Braut in den Schatten zu stellen.“

Roslyn lachte. „Das tue ich ganz gewiss nicht. Ich habe zwar Ellens Brautkleid noch nicht gesehen, aber ich bin sicher, sie wird umwerfend aussehen.“

„Und ich bin sicher, dass ich den Blick nicht von dir wenden kann. Vielleicht könnten wir die Zeremonie ausfallen lassen und erst zum Empfang hingehen.“

Als er die Hände nach ihr ausstreckte, ging sie lachend um ihn herum.

„Du bist Trauzeuge“, erinnerte sie ihn. „Deine Familie würde es merken, wenn du nicht da bist.“

„So wie du aussiehst, ist es mir eigentlich egal, was meine Familie denkt.“ Er machte einen Schritt auf sie zu und ließ seinen Blick noch einmal über ihren Körper wandern, bevor er ihr in die Augen sah. „Ich kann mir nicht vorstellen, ohne dich hier zu sein.“

Roslyns Lächeln verblasste, und sie blickte auf ihre Hände.

Nigel legte die Hände auf ihre Arme. „Alles in Ordnung?“

Sie blickte zu ihm auf. „Ich muss dir etwas sagen.“

Gute Gespräche begannen nie so. Er strich mit dem Daumen über ihre zarte Haut.

„Was auch immer es ist, du kannst es mir sagen. Ich vertraue dir.“

Sie öffnete den Mund, dann schloss sie ihn wieder. Einen Moment später setzte sie ein Lächeln auf, von dem er wusste, dass es erzwungen war.

„Ich …“

Sie sah so besorgt aus, dass Nigel sich vorbeugte und sie flüchtig küsste.

Roslyn leckte sich die Lippen und seufzte. „Ich glaube, ich bin gerade dabei, mich in dich zu verlieben.“

Nun, das war nicht das, womit er gerechnet hatte, aber er musste zugeben, dass er nicht überrascht war. Erschrocken vielleicht, dass sie die Worte ausgesprochen hatte, aber nicht überrascht. Er hatte gemerkt, wie sie ihn angesehen und berührt hatte.

„Ich weiß, dass es falsch ist“, fuhr sie eilig fort. „Wir wollten das eigentlich nur vortäuschen, solange wir hier sind, aber …“

„Roslyn“, unterbrach er sie. „Du bist faszinierend, du forderst mich heraus, du bist verdammt sexy, und ich bin gern mit dir zusammen. Ich … ich kann dir nur keine Liebe geben. Ich bin mit meinem Job verheiratet. Eine Beziehung mit Liebe und Verpflichtung … ich weiß nicht, wann ich dazu bereit bin. Du hast mehr verdient als das, was ich dir geben kann.“

Roslyn schloss die Augen und schüttelte den Kopf. „Ich hätte meine Gefühle für mich behalten sollen“, murmelte sie.

„Nein“, entgegnete er. „Ich bin froh, dass du es mir gesagt hast. Ich … ich kann nur nicht dasselbe sagen. Ich mag dich, du bist mir wichtig, aber ich kann dir keine Liebe versprechen.“

Er küsste sie auf die Stirn. Er wünschte, er könnte ihr alles geben, was sie verdiente, alles, was sie haben wollte. Aber Liebe war etwas so Gewaltiges, und er konnte sich gerade jetzt nicht dauerhaft binden. Nicht, wenn in der Schwebe war, ob die Sendung, an der er so hart gearbeitet hatte, ein Erfolg oder ein Flop werden würde.

„Außerdem gibt es vieles über mich, was du nicht weißt“, sagte er. „Lass uns heute einfach den Tag genießen. Alles Weitere sehen wir, wenn wir zurück in New York sind. Wir gehen es langsam an.“

„Ich glaube nicht, dass New York und langsam in den gleichen Satz gehören“, meinte sie. „Aber ich stimme dir zu. Lass uns den heutigen Tag genießen. Reden können wir später.“

Nigel zog sie in die Arme, und er fragte sich, ob sie vielleicht die Richtige für ihn war. Seine Großmutter hatte sich bereits in Roslyn verliebt, aber Nigel machte sich Gedanken, ob all dies nicht zu schön war, um wahr zu sein.

Waren sie füreinander bestimmt? Er kannte sie erst so kurz, aber er konnte die starke Anziehungskraft nicht ignorieren, die sie aufeinander ausübten, und auch nicht die tiefe Bindung, die sie jetzt bereits aufgebaut hatten.

Doch er musste auch daran denken, dass seine Sendung im Moment Priorität hatte. Es war zu viel los, zu viele Menschen hingen von ihm und dem Erfolg seiner Sendung ab. Sein Liebesleben stand nicht an oberster Stelle.

Sophie wiegte sich in Nigels Armen im Ballsaal. So sehr sie es auch versuchte, sie konnte die überwältigenden Schuldgefühle nicht vergessen, die sie verspürt hatte, als er ihr sagte, dass er sie besser kennenlernen wollte. Sie hatte den Mund aufgemacht, ihre Gedanken und ihre Gefühle waren hinausgesprudelt, und jetzt konnte sie das Gesagte nicht mehr zurücknehmen.

Sie hatte ins Reine kommen wollen. Sie hasste es, diesen fantastischen Mann anzulügen, aber statt ihm die Wahrheit über ihre Herkunft zu sagen, hatte sie ihm ihre ehrlichen Gefühle gestanden.

Aber wie konnte sie ihn lieben? Wie konnte sie dies behaupten, wenn er sie nicht einmal bei ihrem wirklichen Namen nannte?

Sie hatte etwas so Schönes, so Umwerfendes genommen und es in etwas Hässliches und Falsches verwandelt. Was würde er sagen, wenn er herausfand, dass sie in sein Unternehmen eingedrungen war, um eine Frau auszuspionieren, die er vermutlich als Freundin betrachtete?

Sophie hielt sich an seinen Schultern fest und schloss die Augen. Er würde sie hassen, wenn er herausfand, wer sie wirklich war. Und sie hatte nichts anderes verdient.

Aber sie würde diesen traumhaften Moment so lange wie möglich genießen. Sie wollte die Hochzeit seiner Schwester nicht ruinieren. Doch sobald sie vorbei war, musste sie es ihm sagen. Wenn er sie besser kennenlernen wollte, wenn es auch nur den Hauch einer Chance für sie gab, dann musste er die Wahrheit erfahren, bevor sich ihre Beziehung vertiefte.

Zuerst würde sie mit ihren Brüdern sprechen, denn alles hatte damit begonnen, dass sie geschworen hatte, Dreck in Mirandas Leben zu finden. Allerdings wurde immer offensichtlicher, dass die Frau keine Leiche im Keller hatte. Vielleicht war sie gar nicht das Monster, für das sie alle hielten. Eine Möglichkeit, die sie in Betracht ziehen mussten. Aber was sollten sie dann tun? Sophie wollte immer noch, dass das Anwesen ihrer Eltern an ihre Brüder zurückging. Das Haus musste in der Familie bleiben … es musste einfach so sein. Aber wenn sie Miranda nicht vor Gericht bringen konnten, welche Möglichkeit hatten sie dann?

Sie würde sich überlegen müssen, wie der nächste Schritt aussehen könnte, bevor sie mit Vaughn und Kellan sprach.

Ganz abgesehen von Miranda, Sophie konnte Nigel nicht länger anlügen. Ihre Gefühle übertrafen alles, was sie erwartet hatte. Sie gingen mittlerweile so tief, dass sie ihn nicht weiter täuschen konnte. Sobald er herausfand, wer sie war, musste Sophie einfach jede seiner Reaktionen akzeptieren, die sie erhielt.

Das Lied ging zu Ende, und Sophie wich zurück. „Ich hole mir ein Glas Champagner.“

Nigel zog die Augenbrauen zusammen. „Alles in Ordnung? Du scheinst gar nicht richtig hier zu sein.“

Sie war nicht richtig da, seit die ganze Farce begonnen hatte, doch sie nickte.

„Tanz doch mit deiner Großmutter, während ich eine Verschnaufpause einlege.“

Er sah sie noch einen Moment an, dann nickte er und ließ sie los. Sophie hob den Rock ihres Kleides mit einer Hand etwas an und verließ die Tanzfläche. Irgendwo im Hinterkopf hatte sie die Schönheit dieses erlesenen Empfangs mit den geschmackvollen Tischarrangements, wunderschönen Kronleuchtern, die von den hohen Decken herabhingen und ein Kaleidoskop an Farben über den Marmorboden warfen, gespeichert.

Überall waren gutaussehende Menschen in atemberaubenden Abendkleidern und eleganten Anzügen zu sehen. Und Sophie fühlte sich wie eine Schwindlerin. Wahrscheinlich, weil sie tatsächlich eine war.

Sie hatte die Tanzfläche kaum verlassen, da kam ein Kellner mit einem Tablett mit Champagner zu ihr. Sophie lächelte und nahm ein Glas, sie brauchte etwas, woran sich ihre zittrigen Hände festhalten konnten.

„Danke, dass du gekommen bist.“

Sophie wirbelte herum und sah eine lächelnde Ellen. Auch sie hielt ein Glas in der Hand.

„Natürlich“, erwiderte Sophie. „Das ist die schönste Hochzeit, die ich je erlebt habe.“

„Ich meine, danke, dass du mit meinem Bruder nach Hause gekommen bist“, stellte Ellen klar. „Ich habe ihn noch nie so glücklich gesehen, und ich bin mir ziemlich sicher, dass es dir zu verdanken ist.“

„Oh, nun, er macht mich auch sehr glücklich.“

„Du tust ihm gut“, sagte Ellen und trank einen Schluck. „Ich hoffe, er kommt in Zukunft häufiger nach Hause – und bringt dich mit. Ich habe immer überlegt, wie es wohl wäre, eine Schwester zu haben.“

„Ich weiß, was du meinst. Ich habe selbst zwei Brüder“, erwiderte Sophie lachend.

Aber ihre Schuldgefühle nahmen weiter zu. Ihre Lügen waren so weit von dem einfachen Plan abgewichen, den sie ursprünglich ausgeheckt hatte. Jetzt belog sie nette, unschuldige Menschen und nahm an dieser Familienfeier teil, obwohl sie nicht hierhergehörte. Sie würde auf Fotos von diesem Tag zu sehen sein, und wenn Nigel oder Ellen die Fotos ansahen, müssten sie alles noch einmal durchleben. Den Verrat und die Täuschung.

Ellen griff nach ihrer Hand. „Dann hoffe ich, dass wir uns besser kennenlernen können. Ich habe immer noch das Gefühl, dich von irgendwoher zu kennen, aber vermutlich liegt es einfach daran, dass wir einen guten Draht zueinander haben. Bei manchen Menschen macht es einfach Klick.“

Ja, das musste es sein.

„Jedenfalls bin froh, dass mein Bruder eine Frau gefunden hat, die er tatsächlich mit nach Hause bringen wollte“, fuhr Ellen fort. „Er arbeitet so viel, vielleicht kannst du ihn überreden, sich mehr Zeit für seine Familie zu nehmen.“

„Ich werde sehen, was ich machen kann“, versprach Sophie mit einem Lächeln.

Ellen umarmte sie kurz, bevor sie sich wieder ihren Gästen widmete und Sophie allein mit dem Champagner und ihren Gedanken ließ. Obwohl alles auf Lügen basierte, hatte Sophie gute Absichten. Doch es war fraglich, ob außer ihren Brüdern das noch jemand so sehen würde.

Nicht einmal ein Glas Champagner half Sophie, sich besser zu fühlen oder ihre Probleme zu vergessen. Sobald dieser zauberhafte Tag vorbei war und sie und Nigel auf dem Rückweg nach New York waren, würde sie mit ihm sprechen. Das Ganze mochte als Rachefeldzug gegen Miranda gestartet sein, aber der Plan war in die Hose gegangen, und was das Wunderbarste in Sophies Leben hätte werden können, war nun vermutlich für immer ruiniert.

Nigel wirbelte seine Großmutter über die Tanzfläche. Sein Blick fiel auf Sophie, und als er ihr zuzwinkerte, wurde ihr heiß, und ein Prickeln schoss durch ihren Körper.

Sie liebte ihn wirklich. Sie konnte die Wahrheit nicht verleugnen, jetzt, da sie ihr buchstäblich ins Gesicht schaute.

Jetzt musste sie herausfinden, ob sie das Chaos bereinigen konnte, das sie angerichtet hatte, ob sie ihr rechtmäßiges Erbe zurückfordern und an dem Mann festhalten konnte, von dem sie nicht gewusst hatte, dass sie nach ihm suchte. Oh, und abwarten, ob er sich in sie verlieben konnte, denn dessen war er sich ja nicht sicher.

14. KAPITEL

Sophie schlug den Mantelkragen hoch, als sie sich auf den Weg vom Auto zu Nigels Jet machte. Nach der Hochzeit hatten sie einen weiteren Tag auf Shrewsbury Hall verbracht, aber jetzt mussten sie zurück an die Arbeit.

Und sie musste in die Realität zurückkehren – was bedeutete, dass sie Nigel die Wahrheit sagen musste.

Sobald der Flieger in der Luft war, wäre der perfekte Zeitpunkt. Er könnte nicht hinausstürmen, und sie könnte ihn vielleicht dazu bringen zu erkennen, wie ihr das alles außer Kontrolle geraten war.

Nicht, dass sie Ausreden erfinden würde. Es gab keine. Sie hatte ihn angelogen, und jedes Mal, wenn er sie Roslyn nannte, fühlte sie sich mies.

Am vergangenen Abend hatte sie mit ihren Brüdern gesprochen, und diese hatten ihre Entscheidung unterstützt, mit Nigel zu sprechen. Sie waren sich einig, dass Miranda anscheinend keine Leiche im Keller hatte. Sie würden einen anderen Weg finden müssen, an ihr Eigentum zu gelangen.

Sophie setzte sich auf eines der weißen Ledersofas und schnallte den Sicherheitsgurt an, während sie auf Nigel wartete, der noch mit dem Piloten sprach. Sie war nervös, aber nicht annähernd so nervös wie auf dem Hinflug, vielleicht, weil ihr zu viel durch den Kopf ging. Egal, wie oft sie ihre Rede im Geiste geprobt hatte, sie hatte schreckliche Angst, die Worte laut auszusprechen.

Nigel betrat die Kabine, und ihre Blicke trafen sich sofort. Der Moment war gekommen.

„Geht es los?“, fragte sie.

Nigel seufzte und setzte sich. „Ja, alles klar.“

„Was ist mit dir? Du klingst nicht gut.“

Er zuckte mit den Achseln und verflocht seine Finger mit ihren. „Ich hasse es, mich von meiner Familie verabschieden zu müssen. Es fällt mir immer schwerer. Das ist der wahre Grund, weshalb ich sie so selten besuche. Meine Großmutter meint, es liegt daran, dass ich zu viel arbeite, aber das ist es nicht. Ich könnte genug Zeit erübrigen, aber es fällt mir einfach schwer, hierherzukommen und dann wieder zu gehen.“

Sophie verstand dieses Bedürfnis, nah bei der Familie zu sein. Sie liebte ihre Brüder von ganzem Herzen und konnte sich nicht vorstellen, in einem anderen Land zu leben und sie nicht jederzeit sehen zu können.

„Hast du je daran gedacht, wieder nach England zu ziehen?“, fragte sie.

„Nicht ernsthaft“, gestand er. „Ich meine, ich bin gern hier, aber mein Leben ist in New York. Ich sollte allerdings häufiger zu Besuch kommen.“

„Deine Großmutter und deine Schwester würden sich freuen. Die Familie ist das Wichtigste.“

„Ich stimme dir zu. Deshalb hoffe ich auch, dass du mich bei meinem Besuch nächsten Monat begleiten wirst.“

„Was?“ Sophie wurde still. Ihn wieder begleiten? Das konnte er nicht ernst meinen. Er konnte nicht wirklich wollen, dass sie wieder mit ihm hierherkam. Erstens hatten sie alles nur vorgetäuscht, und zweitens würden sie in einem Monat vermutlich nicht mehr miteinander sprechen.

Ihr wurde schwer ums Herz, als er sie so hoffnungsvoll ansah, während er auf ihre Antwort wartete.

„Meine Familie hat dich als eine der ihren aufgenommen, und wenn wir uns noch näher kennengelernt haben, dann ist es nur richtig, wenn du wieder mitkommst.“ Er zuckte mit den Achseln. „Ich meine, wenn du es möchtest.“

Roslyn schloss die Augen, als das Flugzeug von der Startbahn abhob. Der Atem blieb ihr in der Kehle stecken, doch ihre Flugangst war nichts, verglichen mit der Angst, Nigel das Herz zu brechen.

Sie konnte es einfach nicht tun. Nicht jetzt. Nicht in einem Moment, wo er ihr seine ehrlichen Gefühle offenbarte. Er mochte das Wort Liebe nicht benutzt haben, aber er lud sie bereits wieder ins Haus seiner Familie ein, und das sprach Bände.

Er schenkte ihr gerade so viel, und mit der Wahrheit würde sie ihm dieses Geschenk buchstäblich vor die Füße werfen. Er würde sie hassen.

Es musste einen besseren Weg geben.

„Ich halte dich“, murmelte er und drückte ihre Hand, als das Flugzeug abhob. „Einfach weiteratmen.“

Er glaubte, sie wäre so schweigsam, weil sie Angst hatte … wenn er nur wüsste.

Wenn er ihren richtigen Namen kennen würde, ihre Geschichte, würde er dann noch etwas mit ihr zu tun haben wollen?

Sophie öffnete die Augen und drehte sich zu ihm. „Ich komme gern mit dir wieder hierher, aber zuerst möchte ich, dass du meine Familie kennenlernst. Meine Brüder. Und dann sehen wir, ob du immer noch möchtest, dass ich dich begleite.“

Nigel lächelte breit. „Du denkst, deine Brüder könnten mich abschrecken? Sind sie so schrecklich?“

„Sie sind wundervoll.“ Aber die Wahrheit war brutal. „Ich möchte nur, dass du alles über mich weißt, bevor wir weitermachen.“

Er starrte sie an, und Sophie wünschte, sie würde den Mut aufbringen, ihm jetzt die Wahrheit zu sagen, doch sie schaffte es nicht.

„Ich möchte deine Brüder gern kennenlernen“, sagte Nigel und strich über ihr Haar und ihre Wange. „Ich möchte alles über dich wissen, Roslyn Andrews.“

Sophie Blackwood.

Es lag ihr auf der Zunge, doch sie war zu feige, etwas zu sagen.

Wie könnte sie Miranda jemals etwas vorwerfen? Sophie betrog Nigel Tag für Tag, und sie hatte den Nerv gehabt, es Liebe zu nennen. Aber sie liebte ihn wirklich. Sie hatte einen Fehler gemacht, den sie nicht mehr rückgängig machen konnte. Nie zuvor in ihrem Leben, hatte sie bewusst jemanden verletzt, jemandem so unverhohlen ins Gesicht gelogen. Als sie sich auf dieses Lügenspiel einließ, hatte sie nicht damit gerechnet, dass es am Ende für so viele so schmerzhaft sein würde.

Sie empfand Scham und Schuldgefühle, als Nigel sie zärtlich und gleichzeitig leidenschaftlich küsste. Sie hoffte nur, dass er ihr verzeihen konnte.

„Hast du eine Sekunde?“

Nigel drehte sich von seinem Bürofenster zur Tür, wo Miranda stand.

„Für meinen größten Star? Natürlich.“

Miranda lachte, als sie eintrat und die Tür hinter sich schloss. „Ich weiß, dass ich immer darauf zählen kann, dass du mein Ego stärkst.“

Nigel mochte jede seiner Darstellerinnen auf unterschiedliche Art und Weise. Miranda war aufrichtig und liebevoll. Immer darauf aus, anderen zu helfen. Er konnte sich nicht vorstellen, dass irgendjemand sie nicht mochte, obwohl er von ihrer schwierigen Beziehung zu ihren Ex-Stiefkindern gehört hatte.

Er wusste, dass Miranda und die Blackwood-Geschwister einander nicht mochten, aber er hatte nie verstanden, warum. Allerdings kannte er die Blackwoods auch nicht.

Er hatte nie ein Problem mit Miranda gehabt. Er respektierte sie als Geschäftsfrau, und sie war ein Gewinn für seine Sendung.

„Was machst du in New York?“, fragte er. „Wenn du mir gesagt hättest, dass du kommst, dann hätte ich ein Mittagessen arrangiert.“

„Oh, mach dir deswegen keine Gedanken.“ Sie strich eine Strähne ihres roten Haars hinters Ohr. „Ich war für ein paar Treffen mit potenziellen Investoren für Goddess Inc. in der Stadt.“

Goddess Inc. war Mirandas Baby. Sie hatte aus einem Fitnessstudio das am schnellsten wachsende Fitnessimperium des Landes gemacht. Die Frau hatte Macht und bereits einen großen Einfluss in der Branche.

„Wollen wir heute Abend zusammen essen? Ich habe eine neue Beraterin, die ich dir gern vorstellen würde. Sie hat ein paar tolle Ideen für die Sendung und wie wir die Einschaltquote steigern können.“

„Ich würde sie gern kennenlernen.“

Nigel steckte die Hände in die Hosentaschen und lehnte sich gegen die Fensterbank. „Also, was führt dich hierher? Ich weiß, dass du nicht nur gekommen bist, um Hallo zu sagen.“

Miranda schüttelte den Kopf. „Ich mache mir Sorgen wegen Fee. Dass sie die Show verlässt und so.“

Nigel holte tief Luft. „Auch wenn keiner von uns sie verlieren will, eine Veränderung birgt auch Chancen.“

„Sie hat mir erzählt, dass du sie gebeten hast, über ein Spin-off nachzudenken.“

„Das habe ich, aber sie hat sich für ein Leben ohne Kameras entschieden.“ Nigel zuckte mit den Schultern. „Ich kann es ihr nicht verübeln. Es gefällt mir zwar nicht, und ich wünschte, sie würde ihre Meinung ändern, aber ich verstehe, dass sie ihre neue Ehe einfach nur genießen will. Ohne zusätzlichen Stress.“

Miranda schürzte die Lippen. „Suchst du nach einem Ersatz?“

Er hatte darüber nachgedacht. Tatsächlich wollte er darüber mit Roslyn sprechen, doch seit sie gestern aus England zurückgekehrt waren, war er zu beschäftigt damit gewesen, alles aufzuarbeiten, was er nicht per E-Mail oder Telefon hatte erledigen können, sodass er keine Gelegenheit gefunden hatte.

„Ich habe noch keine Entscheidung getroffen“, antwortete er ehrlich. „Vielleicht sehen wir erst mal, wie es ohne geht. Ich hoffe, ich kann Seraphina zu einem gelegentlichen Gastauftritt überreden.“

Vielleicht könnten sie den Aufhebungsvertrag entsprechend ausarbeiten. „Ich reserviere uns einen Tisch für heute Abend, und dann können wir weiterreden“, sagte er und griff nach dem Telefon.

„Nein.“ Miranda winkte ab. „Ich muss zurück nach Texas. Es gibt nach Bucks Tod noch ein paar Dinge zu klären.“

„Wenn du das nächste Mal in die Stadt kommst, sag mir vorher Bescheid.“

„Das werde ich“, versprach sie.

Miranda durchquerte den Raum und küsste ihn auf die Wange. „Ich werde sehen, ob ich mit Fee über diese Gastauftritte sprechen kann. Es ist vielleicht besser, wenn das eine Freundin macht und nicht der Mann, der ihr Gehalt zahlt und mit ihr über Verträge spricht.“

Nigel nickte. „Dafür wäre ich dir sehr dankbar.“

Miranda verließ das Büro fast so schnell, wie sie gekommen war. Er wusste wirklich noch nicht, was er wegen Fees Weggang machen sollte. Vor ein paar Wochen hätte ihn diese Nachricht gestresst und ihm den Schlaf geraubt. Aber seit er Roslyn kannte und hauptsächlich sie seine Gedanken beschäftigte, war die Arbeit nicht mehr so stressig.

Ein Teil von ihm fühlte sich wie ein verknallter Teenager. Was albern war, da er weit über dreißig war. Er wollte nicht, dass die Geschichte mit Roslyn zu schön war, um wahr zu sein. Die Tatsache, dass er für sie der Erste gewesen war, sprach Bände über ihren Charakter und ihre Gefühle für ihn. Er wusste, dass sie nicht mit ihm hätte intim werden können, wenn sie nicht so starke Gefühle für ihn hätte.

Er würde bald ihre Brüder kennenlernen. Roslyn hatte versprochen, sie nach New York kommen zu lassen, und sie würden sich in ihrem Penthouse zum Dinner treffen. Er freute sich, alle Facetten ihres Lebens kennenzulernen, aber er konnte sich nicht erklären, warum sie so besorgt wirkte. Ihre Brüder konnten keine Monster sein. Außerdem wollte er gern herausfinden, ob sich zwischen ihnen mehr entwickeln konnte. Er hatte ihr gesagt, dass er sie nicht lieben könnte, aber das war aus Angst geschehen. Er hätte sie nicht mit nach Hause genommen, wenn er nicht etwas Stärkeres für sie empfinden würde.

Nigel wollte sehen, wohin die Reise mit Roslyn gehen konnte, und es gab nichts, was seine Meinung ändern würde.

15. KAPITEL

Sophie wollte gerade ihr Büro verlassen, als ihr leuchtend rotes Haar ins Auge stach.

Sie schnappte nach Luft, wich zurück und schloss schnell die Tür hinter sich.

Miranda war hier? Warum? Wusste sie, was Sophie gerade tat? War sie gekommen, um sie zu verraten?

Sophie lehnte sich gegen die Tür, versuchte zu lauschen, hörte aber nichts. Sie hielt den Atem an, schloss die Augen und versuchte, ganz ruhig zu bleiben. Wenn Miranda ihr Geheimnis gelüftet hatte und Nigel die Wahrheit kannte, dann wäre er jeden Moment hier.

Craigs gedämpfte Stimme hallte durch den Gang, gefolgt von Mirandas Lachen. Gut, sie entfernte sich von Sophies und Nigels Büroräumen.

Geh weiter. Steig in den Fahrstuhl und verschwinde von hier.

Sophie war sich bewusst gewesen, dass Miranda ins Büro geschneit kommen könnte, da sie aber eigentlich geplant hatte, innerhalb einer Woche wieder weg zu sein, hatte sie sich keine allzu großen Sorgen gemacht.

Jetzt war sie allerdings schon einige Wochen hier, und ihr war klar, dass sie mit jedem Tag, den sie noch blieb, das Schicksal weiter herausforderte.

Sophie hatte ihre Brüder gefragt, wie schnell sie nach New York kommen könnten. Sie hatte ihnen alles erzählt und sie angefleht, ihr mit Nigel zu helfen. Vielleicht war das feige, aber sie wollte unbedingt das Beste, was ihr je passiert war, festhalten.

Sophie hoffte, dass Vaughn und Kellan morgen hier sein konnten und sie all ihre Lügen gestehen und Nigel sagen konnte, wer sie war und warum sie ihn getäuscht hatte. Sie musste ihm verständlich machen, dass alles, was zwischen ihnen passiert war, echt war – vor allem, dass sie sich in ihn verliebt hatte.

Bis dieses ganze Durcheinander vorüber war, würde Sophie sich nicht entspannen können. Und jetzt musste sie sich auch noch vor Miranda in Acht nehmen. Vielleicht sollte sie in ihrem Büro bleiben, oder noch besser, Krankheit vortäuschen und sich in ihrem Penthouse verstecken, bis sie Nigel gegenübertreten konnte.

Wie auch immer, Sophie bewegte sich auf dünnem Eis und konnte jeden Moment einbrechen.

Nigel hatte sich gerade auf den Rücksitz seiner Limousine gesetzt, als sein Handy klingelte. Er hatte heute zwölf Stunden im Büro verbracht und versucht, ein Konzept für Seraphinas großen Abgang auszuarbeiten. Natürlich würde das Ereignis ausgestrahlt werden, aber die Sendung musste die großartigste von allen werden. Eine Black-and-White-Cocktailparty im Waldorf? Ein Luau auf Hawaii? Er konnte nicht entscheiden, was das Beste war, aber er plante, Roslyns Meinung zu den verschiedenen Ideen zu erfragen.

Als sein Fahrer losfuhr, nahm Nigel den Anruf entgegen, ohne auf das Display zu sehen.

„Nigel Townshend.“

„Immer so geschäftlich.“

Er lächelte. „Solltest du nicht in den Flitterwochen sein?“

„Ich bin in Marokko“, erwiderte sie. „Wir waren zuerst ein paar Tage in Spanien und sind jetzt gerade hier angekommen. Es ist übrigens wunderschön, danke der Nachfrage.“

Nigel lachte und lehnte sich zurück. „Warum rufst du deinen Bruder an, wenn du doch eigentlich die Zeit mit deinem Mann genießen solltest?“

„Bist du allein?“, fragte sie.

„Ich habe gerade mein Büro verlassen und sitze im Auto, mit meinem Fahrer.“ Alarmglocken schrillten in seinem Kopf. „Was ist los? Geht es dir gut?“

„Mir geht es gut, aber ich mache mir Sorgen um dich.“

„Um mich? Warum?“

Ellen seufzte. „Erinnerst du dich, dass ich immer wieder gesagt habe, dass Roslyn mir bekannt vorkommt?“

„Ja.“

„Ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll“, murmelte sie.

Nigel richtete sich auf. „Sag es einfach“, verlangte er.

„Ihr richtiger Name ist Sophie Blackwood.“

Blackwood. So wie … Mirandas verstorbener Ex-Mann?

„Sie ist eigentlich eine bekannte Innenarchitektin“, fuhr Ellen fort. „Ich habe mir im Flugzeug einen meiner Lieblingskanäle auf YouTube angesehen, und da wurde es mir schlagartig klar. Sie hat eine riesige Fangemeinde auf ihrem Kanal ‚Dream It, Live It‘. Ich habe mir so viele ihrer Videos angesehen, dass ich sie eigentlich sofort hätte erkennen müssen, aber sie hat ihr Äußeres verändert. Sie ist von Natur aus nicht blond, und sie trägt normalerweise keine Brille.“

Nigel rieb sich die Stirn. „Bist du sicher?“, fragte er und hoffte, dass sie es nicht war. Reines Wunschdenken. Wenn Ellen nicht sicher wäre, hätte sie nicht angerufen.

„Ja. Tut mir leid.“

Nigel verspürte ein Engegefühl in der Brust. Sein Fahrer fuhr weiter zu Roslyns Penthouse. Nein, Sophie Blackwoods Penthouse.

Warum die Täuschung? Wegen Miranda? Um es ihr aus irgendeinem Grund heimzuzahlen? Er kannte die Antworten nicht, aber er hatte sie verdammt noch mal verdient; angefangen damit, warum sie ihn benutzt hatte und sogar so weit gegangen war, ihm zu sagen, dass sie sich in ihn verliebt hatte.

So weit, immer wieder mit ihm zu schlafen.

Nigel biss die Zähne zusammen und versuchte, ruhig zu bleiben. Er musste mit Roslyn sprechen – oder wie auch immer sie sich nennen wollte. Er musste ihre Seite anhören, obwohl er sich nicht vorstellen konnte, dass sie etwas zu ihrer Verteidigung vorbringen konnte, das stark genug war, ihn vergessen zu lassen, was sie getan hatte. Oder ihr zu verzeihen.

„Nigel“, sagte Ellen. „Bist du noch da?“

„Ja. Ich bin gerade auf dem Weg zu ihrem Penthouse.“

„Es tut mir so leid“, wiederholte sie. „Ich möchte nicht, dass du verletzt wirst.“

Verletzt? Ja, das war er zwar auch, aber verdammt wütend entsprach eher seiner momentanen Stimmung.

„Schickst du mir nachher eine Nachricht oder rufst mich an?“, bat sie. „Ich mache mir wirklich Sorgen um dich.“

„Ich komme schon klar“, log er. „Danke, dass du es mir gesagt hast. Das war richtig. Und jetzt genieß deine Flitterwochen. Wir reden, wenn du zurück bist.“

Nigel unterbrach die Verbindung und gab „Dream It, Live It“ in den Browser seines Handys ein. Es traf ihn mitten ins Herz, als das Bild einer lächelnden Brünetten aufpoppte. Sie stand lässig an ein hellgelbes Sofa gelehnt. Sie trug ein hübsches Blümchenkleid, war kaum geschminkt und tatsächlich barfuß. In der Hand hielt sie ein Glas Wein. Den Kopf hatte sie leicht geneigt und lächelte charmant in die Kamera.

Das war seine Roslyn.

Nein. Das war Sophie Blackwood mit Millionen von Followern. Sie war eindeutig sehr erfolgreich … und brauchte gar keinen Job. Und doch war sie zu Green Room Media gekommen, hatte sich als Beraterin eingeschleust und war sogar so weit gegangen, mit ihrem Boss zu schlafen. Und für was? Es musste etwas mit Miranda zu tun haben, aber Nigel hatte keine Ahnung, warum er in dieses Familiendrama hingezogen worden war.

Er klickte sich durch die Fotos. Sie sah mit dem dunklen Haar wirklich anders aus.

Verdammt. Sie sah unglaublich sexy aus, natürlicher.

Und er war sofort wieder erregt, als er das Lächeln und ihren kurvigen Körper sah. Kein noch so großer Verrat konnte das verhindern.

„Sir, soll ich warten?“

Nigel merkte, dass der Wagen angehalten hatte. Er steckte sein Handy wieder ein und legte die Hand an den Türgriff.

„Ich weiß nicht, wie lange es dauern wird“, erwiderte er. „Bleiben Sie einfach in der Nähe.“

„Ja, Sir.“

Nigel hatte keine Ahnung, was passieren würde, wenn er erst einmal Miss Blackwood gegenüberstand. Im Moment fühlte sie sich wie eine Fremde an. Er hatte ihr gesagt, dass er sie besser kennenlernen wollte, aber er hatte nicht geahnt, dass er sie überhaupt nicht kannte. Er hatte nicht einmal ihren verdammten Namen gekannt.

Alles in den letzten Wochen war eine Lüge gewesen, und Nigel würde erst von hier weggehen, wenn er die Antworten bekommen hatte, die er verdiente.

Autor

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