Lord Finnegans süßeste Versuchung

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Wie erstarrt bleibt Lord Finnegan Matlock in der Tür stehen: Vor dem Kamin in seinem Salon steht eine Fremde in einem zarten Nachthemd. Der Feuerschein enthüllt ihre höchst verführerischen Kurven! Heftiges Verlangen überkommt ihn, und dafür verflucht er sich. Denn sein Herz gehört noch immer seiner verstorbenen Frau Olivia. Seit drei Jahren hat er keine andere angeschaut, geschweige denn begehrt. Doch als er erfährt, wer diese Fremde ist, beginnt Finn zu fürchten, dass die lange Zeit der Enthaltsamkeit ein jähes Ende finden könnte …


  • Erscheinungstag 08.01.2019
  • Bandnummer 591
  • ISBN / Artikelnummer 9783733736804
  • Seitenanzahl 256
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Mai 1816

Es ließ sich nicht leugnen: Der Marquis of Stanford war betrunken. Obwohl er durchaus dafür bekannt war, dass er sich gerne berauschte – sogar schon am helllichten Tag –, so überraschte es die versammelten Gäste dennoch, dass er sich ausgerechnet zu diesem Anlass in einen derart umnachteten Zustand gebracht hatte. Obwohl die Angehörigen der älteren Generation etwas von flegelhaftem Verhalten vor sich hin murmelten und seine neue Verlobte Evie Bradshaw mit unverhohlenem Mitleid ansahen, wusste doch jeder der Anwesenden, dass der gut aussehende, wenn auch etwas verlebt wirkende Marquis sie vor allem deshalb heiratete, weil er dringend ihr Geld brauchte.

Einige der jüngeren Gäste – darunter auch die beiden Stiefschwestern der Braut – empfanden das Spektakel als höchst unterhaltsam. Dass er sie nur ihrer Mitgift wegen ehelichen wollte, fanden sie kaum überraschend, schließlich war Evie ein so unscheinbares Mädchen und darüber hinaus auch noch langweilig.

Der arme Mann würde all seinen angetrunkenen Mut zusammennehmen müssen, um sie zu küssen. Wenn er sie denn überhaupt erst einmal fand, denn sie neigte dazu, mit dem Hintergrund zu verschmelzen und unsichtbar zu werden.

Allerdings wusste keiner der versammelten Gäste, auch ihre grässliche Stieffamilie nicht, dass sie selbst ganz begeistert von der Tatsache war, dass Fergus Matlock, der dritte Marquis of Stanford, so vollkommen benebelt zu ihrer unerwarteten und improvisierten Verlobungsfeier erschienen war. Um den Schein zu wahren, tat Evie natürlich so, als wäre sie beschämt über ihren lallenden und schwankenden Verlobten. Das Beste dabei war, dass sie ihn nicht einmal darum hatte bitten müssen, betrunken hier aufzutauchen, was – in Ermangelung eines besseren Wortes – einfach perfekt war. Evie musste ihre Gefühle gut hinter ihrer unauffälligen Fassade verbergen, damit niemand ihr ansah, dass sie vor Freude hätte tanzen und laut jubeln können.

Ihr spontaner Plan, mit dessen Hilfe sie ihrem belanglosen, unsichtbaren Leben entkommen wollte, ging auf. In ein paar Stunden würde sie Mayfair endlich verlassen, vorgeblich, um den verlotterten Landsitz des Marquis für die bevorstehende Hochzeit herzurichten. Doch in Wahrheit würde sie sich stattdessen ein eigenes Haus kaufen. Sie würde unabhängig sein. Frei von jeder Kritik und allen Schuldgefühlen.

Die Zeiger der kunstvoll verzierten Kaminuhr konnten gar nicht schnell genug über das Zifferblatt wandern.

Ihre kalte, geldgierige Stiefmutter – die Ursache ihrer kummervollen Lage – kam auf sie zu, und ihre Lippen waren sogar noch missbilligender geschürzt als üblich. Sie packte sie am Arm und zog sie in einen Alkoven. „Evelyn, es ist höchste Zeit, dass du dieser armseligen Farce einer Verlobung ein Ende machst, und zwar sofort. Alle würden das verstehen. Dein armer Vater, Gott hab ihn selig, hätte das hier niemals gebilligt. Sieh dir diesen Mann doch nur einmal an: Er ist eine Schande. Ich kann beim besten Willen nicht zulassen, dass du ihn heiratest.“

„Fergus leidet wahrscheinlich einfach nur unter schwachen Nerven wegen der Hochzeit. Er ist ja auch nur ein kleines bisschen beschwipst.“ Nein, das war er nicht. Er war volltrunken. „Bei der Hochzeit wird er nicht in diesem Zustand sein. Das hat er mir versprochen.“ Nicht dass es überhaupt eine Hochzeit geben würde. Dies hier war ein Geschäft. Schlicht und einfach. Die fünftausend Pfund, die es sie kostete, waren jedoch ein kleiner Preis für ihre Freiheit.

Hyacinth Bradshaws Mund wurde so schmal, dass ihre Lippen kaum noch zu sehen waren. Evie wusste, diese Frau konnte es nicht leiden, wenn man ihre Pläne durchkreuzte, besonders dann nicht, wenn es durch ihre enttäuschende Stieftochter geschah. Normalerweise wäre Hyacinth ihrem stillen Trotz mit kalter, entschiedener Verachtung begegnet. Doch die überraschende Verlobung hatte ihr den Boden unter den Füßen weggezogen. Da Hyacinth sich ihrer heiklen finanziellen Lage nur allzu bewusst war, musste sie ihrer üblichen Rachsucht widerstehen und sich bemühen, wie eine besorgte Mutter zu erscheinen. Diese Fassade stand ihr nicht gut. Vor zehn Jahren wäre ich vielleicht darauf hereingefallen, dachte Evie – hätte verzweifelt darauf hereinfallen wollen, aber seither war zu viel Wasser diesen ganz bestimmten Strom hinabgeflossen.

„Dein Vater, Gott sei seiner Seele gnädig, hätte nicht gewollt, dass du so einen Wüstling heiratest. Du weißt doch sicherlich, dass Stanford dich nur heiratet, um an dein Vermögen heranzukommen?“ Eben jenes Vermögen, dass Hyacinth keinesfalls zu verlieren gedachte. Geld, das nach der festen Überzeugung der zweiten Ehefrau ihres Vaters rechtmäßig ihr gehören sollte. Geld, das sie mit vollen Händen ausgab, während sie ihre Stieftochter unablässig beschimpfte, wegen allem, angefangen von ihrer Erscheinung bis hin zu der eintönigen Art, mit der sie Unterhaltungen bestritt.

„Fergus hat mich sehr gern.“

„Unsinn! Du warst immer schon ein so dummes Mädchen, Evelyn. Warum um alles in der Welt sollte ein gut aussehender Marquis …?“ Als sie ihren Fehler bemerkte, verbiss sie sich die übliche schneidende Kritik an den zahlreichen Unzulänglichkeiten ihrer Stieftochter. Mehrere Augenblicke lang bebten ihre fleischigen Wangen, bevor es ihr gelang, so etwas wie ein Lächeln auf ihr Gesicht zu zwingen, das jedoch nicht sonderlich überzeugend wirkte. „Warum um alles in der Welt sollte ein gut aussehender Marquis, der sich mit eindeutiger Genusssucht den Freuden des Glückspiels und der Bordelle hingibt, irgendjemanden heiraten wollen, es sei denn, er hätte ernste Schulden? Ich bin sicher, dass du mit etwas Zeit einen passenderen Mann finden kannst, wenn du dein Netz etwas weiter auswirfst. Das alles hier ist so überstürzt. Vielleicht könnte ich dir helfen, einen Ehemann zu finden? Das wäre es, was dein Vater gewollt hätte.“

Bis zu diesem Moment war Hyacinth stets äußerst verletzend, erinnerte sich Evie, wenn es um meine Chancen ging, irgendjemanden zu finden, der verzweifelt genug war, um mich zu heiraten. Sie war zu dick. Zu unscheinbar. Zu langweilig und inzwischen auch viel zu alt, als dass sich irgendein Mann mit ihr belasten wollen würde. Sie sollte mit dem Leben zufrieden sein, dass sie führte, hatte Hyacinth ihr vor Augen gehalten, und sie würde bei ihr immer ein Zuhause haben. Wenn ihre Stiefmutter ehrlich gewesen wäre, hätte sie allerdings eher gesagt: Du kannst nicht gehen, weil irgendjemand die Rechnungen bezahlen muss.

Nun wandte sie ein: „Außerdem ist es äußerst unpassend, Evie. Diese dumme Idee, dass du schon vor der Hochzeit auf sein Anwesen ziehen musst, gefällt mir gar nicht.“

„Unpassend ist es wohl kaum. Großtante Winifred kommt mit mir, ich befinde mich also in angemessener Begleitung, und es gibt eine ganze Menge Arbeit zu tun, um den Landsitz des armen Fergus’ für die Hochzeit in einen präsentablen Zustand zu bringen. Um den Anstand zu wahren, wird er bis dahin in einem Gasthaus wohnen. Es gibt also nichts, weswegen du dir Sorgen machen müsstest. Außerdem wird er vermutlich beinahe sofort nach London zurückkehren müssen, sodass Tante Winnie und ich alleine sein werden. In einigen Wochen bin ich …“

„Winifred ist keine angemessene Begleitung!“

Eine teuflische kleine Stimme veranlasste Evie, Hyacinth noch ein wenig weiter zu reizen, um zu sehen, ob sie ihre Stiefmutter nicht doch noch aus der Fassung bringen konnte. „Ich habe dich mehrmals gefragt, ob du und meine Schwestern mich begleiten wollt. Es wäre so schön, wenn ihr das tun würdet. Wäre Papa noch am Leben, würde er darauf bestehen, dass wir alle als Familie reisen.“ Als ob sie jemals eine Familie gewesen wären.

Ihre Stiefmutter schnaubte und wand sich unbehaglich. „Ich kann die Mädchen jetzt nicht aus London fortzerren. Nicht, während gerade so viel passiert. Es ist Roses erste Saison, und es gibt einige geeignete Gentlemen, die Iris den Hof machen. Es wäre schlichtweg grausam, sie nun von all den Vergnügungen der Stadt fortzureißen. Zur Hochzeit werden wir aber natürlich kommen oder im Sommer, wenn sich alle auf ihre Landsitze zurückziehen. Dennoch ist es mein aufrichtiger Wunsch, dass du vorher wieder zur Vernunft kommst und die Hochzeit absagst. Es ist schlichtweg selbstsüchtig von dir, uns einfach so zu verlassen, und das auch noch nur drei Tage nach der Bekanntmachung! Von einer so eiligen Verlobung habe ich noch nie gehört. Dein armer Vater muss sich im Grabe umdrehen.“

Da Evie niemals Widerworte gab, für den Fall, dass sich ihr Vater tatsächlich im Grab umdrehen würde, wechselte sie das Thema. „Dies ist ein wirklich schönes Fest.“ Der Raum war voller Bekannter ihrer Stiefmutter. Abgesehen von ihrer Großtante Winifred konnte Evie keinen einzigen der Anwesenden als Freund bezeichnen. All ihre Freundinnen aus Kindertagen waren mittlerweile verheiratet und hatten London schon vor Jahren verlassen. Nicht dass es jemals viele von ihnen gegeben hätte, nachdem ihre Mutter krank geworden war und Evie ihr eigenes Leben hatte aufgeben müssen, um sie zu pflegen. Kurz darauf war sie dann auch noch zur Pflegerin ihres Vaters geworden. Das Schicksal hatte sie eindeutig dazu bestimmt, auf dem Regalbrett Staub anzusetzen.

„Es ist das Beste, was ich in so kurzer Zeit und mit so knappen Geldmitteln auf die Beine stellen konnte.“ Hyacinth verabscheute schon allein den Gedanken, ihre Ausgaben mäßigen zu müssen. Bis zum Tod ihres Ehemannes hatte sie sein Vermögen ungestraft ausgegeben, und es ärgerte sie maßlos, dass Evie nun die Kontrolle über die Finanzen der Familie hatte. „Ich verstehe einfach nicht, wie du bei deiner eigenen Verlobungsfeier so geizen kannst.“

„Ich habe wohl kaum gegeizt, Mutter. Von allem ist reichlich da, und unsere Gäste sehen nicht aus, als würde es ihnen an etwas fehlen.“ Evie hatte es einfach nicht über sich gebracht, gutes Geld für diese Scharade zu verschwenden. Nicht, da sie doch so viele Pläne mit ihrem Erbe hatte.

„Wo wir gerade über Geld reden“, begann Hyacinth ein wenig zu beiläufig. „Ich bin ein kleines bisschen verwirrt darüber, wie all das hier funktionieren soll, Evelyn. Einen Haushalt in London zu führen ist teuer.“

Wie oft haben wir diese Unterhaltung in abgewandelter Form während der vergangenen Tage schon geführt, fragte sich Evie. Ihrer Stieffamilie würde es niemals reichen, dass sie mietfrei in dem Haus in Mayfair leben konnten, das nun ihr gehörte. Ihr Vater hatte darauf bestanden, dass Hyacinth alles behalten sollte, was ihr erster Ehemann ihr hinterlassen hatte, und darüber hinaus hatte er selbst ihr mehrere tausend Pfund pro Jahr vermacht, sodass sie wohl kaum am Hungertuch nagen würde. Soweit sich Evie jedoch erinnern konnte, hatte Hyacinth nie auch nur einen Penny von ihrem eigenen Vermögen ausgegeben. „Ich werde die Bediensteten während meiner Abwesenheit weiter bezahlen, ich bezweifle also, dass du dein eigenes …“

„Um mich selbst mache ich mir keine Sorgen. Aber meine lieben Mädchen, deine lieben Schwestern, sind an einen gewissen Lebensstandard gewöhnt und erwarten daher auch eine ganz bestimmte Art von Zukunft für sich. Ich hoffe nur, dass ich ihnen das mit meinen bescheidenen Mitteln ermöglichen kann. Es wäre furchtbar für mich, wenn ich mit ansehen müsste, wie ihre Chancen auf eine passende Verbindung vernichtet würden, nur weil wir es uns nicht leisten können, die richtigen gesellschaftlichen Veranstaltungen zu besuchen.“

Hyacinths Verständnis von bescheidenen Mitteln ließ einiges zu wünschen übrig. „Gewiss darf auch ich eine Zukunft haben?“ Evie brachte es bei diesen Worten sogar fertig, eine artige Miene aufzusetzen. Wieder schürzte ihre Stiefmutter die Lippen, und es dauerte einen Moment, bis sie eine Antwort herausbrachte.

„Natürlich, Liebes. Du weißt doch, dass ich dir alles Glück der Welt wünsche.“ Ja, ja, dachte Evie, das sagt sie nur, damit ich meine Meinung nicht ändere und sie aus meinem Stadthaus in Mayfair werfe. „Aber ich vernachlässige schon unsere Gäste.“

Hyacinth ging davon und ließ sie allein in dem Alkoven zurück. Dort verborgen, beobachtete Evie die Feiernden wie üblich vom Rand aus. Die Beziehung zwischen ihr und ihrer Stiefmutter war bestenfalls zurückhaltend. Obwohl sie seit zehn Jahren unter einem Dach wohnten, war eine Unterhaltung zwischen ihnen, die länger als fünf Minuten dauerte, unerträglich für Hyacinth. Ihre Stieftochter war für sie nur Mittel zum Zweck, das wusste Evie. Wäre da nicht ihr Vermögen, hätte Hyacinth mit Freuden jeden Kontakt zu ihr abgebrochen, sobald sie ihren zweiten Ehemann begraben hatte, da war sie sich sicher.

‚Ihre‘ Gäste waren entweder Freunde von Hyacinth oder aber Personen, die Hyacinth gerne zu ihren Freunden gezählt hätte. Ihre Stiefmutter war wild entschlossen, in die höheren Ränge der Gesellschaft aufzusteigen, koste es, was es wolle. Leider schienen die höheren Ränge der Gesellschaft jedoch keineswegs versessen darauf zu sein, sie, eine Kaufmannswitwe, in ihren Reihen willkommen zu heißen. Doch Hyacinth war beharrlich. Und unermüdlich.

Evie hatte kein Interesse an den höheren Rängen, oder auch an denen darunter. Für diese Menschen war sie ebenso unsichtbar wie für praktisch alle anderen. Deswegen hatte sie sich auch nicht die Mühe gemacht, für ihren letzten Auftritt in der Londoner Gesellschaft ein neues Kleid anfertigen zu lassen. Wozu auch? Hyacinths Schneiderin hatte die farblose und plumpe Stieftochter ihrer Auftraggeberin längst aufgegeben.

Daraus konnte Evie ihr keinen Vorwurf machen. Es war schier unmöglich, ihre üppige Figur nach der neuesten Mode auszustaffieren. In edle Stoffe gehüllt, ähnelte sie einem mit Zwiebeln vollgestopften Sack, und dicke Wolle ließ ihre breiten Formen nur noch breiter wirken. So sehr es ihr missfiel, in irgendeinem Punkt einer Meinung mit Hyacinth zu sein, so musste sie deren häufig vorgetragener Beurteilung ihrer unvorteilhaften Erscheinung doch zustimmen. Aus einem hässlichen Entlein konnte man nun mal keinen schönen Schwan machen, ganz gleich, wie viel man der Schneiderin bezahlte.

Als ihr grässlicher Verlobter sie so allein in der Zimmerecke stehen sah, hob er das Glas und prostete ihr schweigend zu, machte jedoch keine Anstalten, zu ihr herüberzukommen. Um den Schein zu wahren, winkte sie höflich und tat ihr Bestes, nicht auf die in ihrer Kehle aufsteigende Galle zu achten.

Es war schwer, an Fergus irgendetwas zu finden, das man mögen konnte. Er war ein selbstsüchtiger, verschwenderischer Nichtsnutz und alles andere als vertrauenswürdig: Charaktereigenschaften also, die ihn zu einer perfekten Wahl für sie gemacht hatten. Er brauchte dringend Geld, und sie sehnte sich verzweifelt danach, sich von Hyacinth zu befreien, hatte jedoch nicht den Mut, das ihrer Stiefmutter zu sagen. Sobald sie gehört hatte, dass er ein kleines Anwesen im Norden besaß, fast eine Woche Fahrt von London entfernt und in einem Teil des Landes, den Hyacinth niemals besuchen würde, hatte sie ihm zaghaft einen Handel vorgeschlagen. Am Rande der Zahlungsunfähigkeit, während die Schuldeneintreiber an seine Tür klopften, war der Marquis of Stanford begeistert darauf eingegangen.

Das Haus, ein Ort, an dem sie leben konnte, bis sie sich ihr eigenes Heim kaufen würde, weit, weit entfernt von all den grässlichen Erinnerungen in Mayfair, war der wichtigste Teil dieses Geschäfts. Ein Haus. Für sie allein. In dem sie tun und lassen konnte, was immer sie wollte. Sie würde nicht länger die Pflegerin oder die bemitleidete alte Jungfer oder die Geldquelle sein. Und auch nicht die pflichtbewusste Tochter, die ihrem Vater versprochen hatte, seine zweite Frau wie ihre eigene Mutter zu behandeln. Dieses Haus war eine schmerzhafte Erinnerung an jenes Versprechen, das Hyacinth ihr bei jeder sich bietenden Gelegenheit in Erinnerung rief. Im Norden, so hoffte Evie, würde sie sich selbst neu erfinden können. Sie würde glücklich sein und endlich aus ihrem Kokon schlüpfen können.

Sie erwartete nicht, dass sie als Schmetterling wiederauferstehen würde – Schmetterlinge waren viel zu schön, als dass sie ein ernst zu nehmendes Ziel für ihre Bestrebungen abgegeben hätten –, aber sie war ziemlich zuversichtlich, dass sie immerhin vielleicht eine Motte sein konnte. Im Dunkeln, wenn niemand sie sah, dann konnten auch Motten fliegen. Im Norden, ohne all die Verantwortung und Erinnerungen an London gab es Hunderte von Dingen, die sie unbedingt tun wollte. Ja, sie hatte tatsächlich große Zukunftspläne. Und sie beinhalteten eindeutig nicht den Marquis of Stanford. Was sie betraf, konnte sich Fergus gerne weiterhin in London mit Hochprozentigem vollschütten, nachdem sie sich sicher im Norden niedergelassen hatte. Es kümmerte sie nicht einmal, ob sie diesen scheußlichen Kerl jemals wiedersah.

So würde sie endlich diesem Haus in Mayfair und seinen Geistern entfliehen und ein neues Kapitel in ihrem Leben beginnen. Es war an der Zeit, sich von Miss Evelyn Bradshaw, der ewigen alten Jungfer, dem Mauerblümchen und der übertrieben großzügigen Gönnerin und Fußmatte, zu verabschieden. Evie hatte keine Ahnung, was ihr die Zukunft bringen würde, aber in einem Punkt war sie sich sicher: Wenn sie Mayfair verließ, dann würde sie niemals wieder zurückkommen.

Die Reise nach Norden war langwierig und beschwerlich gewesen. Evie hatte Reisen stets gehasst und die lange Fahrt entweder krank oder beinahe krank verbracht. Glücklicherweise hatte Tante Winnie, mit deren Entschlusskraft man immer rechnen musste, darauf bestanden, dass die Fahrt von erholsamen Übernachtaufenthalten in strategisch günstig gelegenen, komfortablen Gasthöfen unterbrochen wurde, wo sie wieder etwas zu Kräften kommen konnten. Winnie und sie zogen sich jeden Abend nach dem Essen früh in ihr Zimmer zurück, wohingegen Fergus bis in die frühen Morgenstunden die Vorzüge der Schankräume genoss. Angesichts seines erbärmlichen Zustands bei der Weiterfahrt am Morgen wünschte Evie, sie hätte die Voraussicht bewiesen, ihn mit seiner eigenen Kutsche auszustatten.

Als sie Fergus’ Anwesen in Yorkshire endlich erreichten, war es dunkel, und obwohl Evie vor Erschöpfung wankte, war sie doch angenehm überrascht. Sie hatte Verfall und Vernachlässigung erwartet, aber das Herrenhaus im palladianischen Stil war alles andere als verfallen und vernachlässigt. Sie wurden umgehend von einem betagten Butler in Empfang genommen, der vollkommen überrascht schien, sie zu sehen. Fergus dirigierte Evie und ihre Tante in einen gut ausgestatteten Salon, um allein mit dem Butler und der Haushälterin sprechen zu können. Schon bald wurde ein Tablett mit stärkendem Tee gebracht, an dem sie nippten, während das Personal ihre Zimmer herrichtete und ihr Gepäck hereintrug. Zu müde, um das Haus weiter zu erkunden oder sich mit irgendjemandem zu unterhalten, zog Evie sich so bald wie möglich zurück, wohingegen sich ihr widerwärtiger falscher Verlobter mit der Kutsche in das nächstgelegene Gasthaus bringen ließ.

Einige Stunden später lag Evie hellwach da und starrte vollkommen überwältigt zu der fremden Decke hinauf. Sie hatte es getan! Die stille, schlichte, unsichtbare Evelyn hatte das Unvorstellbare gewagt und war entkommen. Nun trennten sie fast dreihundert Meilen unwegsamer Straße von ihrer grässlichen Stieffamilie und dem Leben, das sie einmal geführt hatte. Es war, als hätte man ihr die Last der Welt von den Schultern genommen. Es war alles, was sie sich jemals erträumt hatte, sodass sie sich trotz der späten Stunde und der fremden Umgebung geradezu berauscht von ihrem Erfolg fühlte. Sie würde unmöglich schlafen können, jedoch war es immer noch viel zu früh oder aber viel zu spät, je nachdem, um die Bediensteten zu wecken. Allerdings hielt sie nichts und niemand davon ab, das Haus zu erkunden. Wenn dies hier ihr vorübergehendes Zuhause werden sollte, konnte sie sich ebenso gut damit vertraut machen.

Müde striegelte Finn sein Pferd und führte es dann in die Box. Er war nicht verärgert darüber, dass im Stall kein Knecht gewartet hatte, um Horatio zu versorgen, denn schließlich hatte niemand gewusst, dass er noch so spät an diesem Abend eintreffen würde. Die Bediensteten glaubten, er würde über Nacht in York blieben und am Morgen zurückreiten. Er hatte sich erst in letzter Minute dazu entschlossen, an diesem Abend nach Hause zurückzukehren. Der Lärm im Gasthaus und das Gedränge der berauschten Gäste waren beklemmend geworden, und er hatte dem entfliehen müssen. Mehr als zwei anstrengende Stunden waren seither vergangen, aber er bereute seine Entscheidung dennoch nicht. Es mochte zwar inzwischen zwei Uhr morgens sein, doch immerhin konnte er in seinem eigenen Bett schlafen, so weit wie möglich entfernt von anderen Menschen.

Vor der Tür zur Küche zog er die Stiefel aus. Sein Butler Stowers war zu alt, um in den frühen Morgenstunden noch aus dem Bett geholt zu werden, und Finn wusste, dass der treue Bedienstete darauf bestehen würde, ihm sofort aufzuwarten, sobald er am nächsten Morgen von seiner verfrühten Rückkehr erfuhr. Wie erwartet, war es stockdunkel im Haus. Nicht eine einzige Lampe brannte, die ihm den Weg hätte erleuchten können, doch er machte sich nicht die Mühe, selbst eine zu entzünden. Der Grundriss des Hauses war ihm so vertraut, dass er es wohl auch im Schlaf ohne Probleme hätte durchwandern können. Am Fuß der Treppe erregte etwas seine Aufmerksamkeit, und er spähte in den dunklen Gang. Unter der geschlossenen Tür zu der kleinen Bibliothek sickerte ein schwacher Lichtstreifen hervor. Merkwürdig. Vielleicht hatten die Dienstboten vergessen, dort das Licht zu löschen.

Er beschloss, nachzuschauen. Leise schwang die Tür in ihren gut geölten Angeln auf, und der Anblick, der sich ihm bot, machte ihn vorübergehend sprachlos. Vor dem prasselnden Kaminfeuer stand eine fremde Frau, die lächelnd in die Flammen starrte. Das allein wäre ja schon schockierend genug gewesen, aber noch dazu machte der Feuerschein ihr Nachtgewand beinahe durchsichtig und bescherte ihm einen vollkommen unerwarteten, aber nicht vollkommen unwillkommenen Blick auf ihre üppige Figur darunter. Beinahe eine perfekte Sanduhrform. Verführerisch gerundete Hüften, eine schmale Taille und – wenn er sich von diesem Blickwinkel aus nicht täuschte –, prachtvolle Brüste. Ein Körper, der ihr als Schankhausdirne ein kleines Vermögen eingebracht hätte. Wie um ihn noch ein wenig weiter zu reizen, beugte sie sich in diesem Moment vor, um mehr Holz ins Feuer zu werfen, und der dünne Stoff ihres Nachtgewands schmiegte sich wie eine zweite Haut an ihren Rücken, wodurch ihre Rundungen betont wurden. Ohne Zweifel war diese unerwartete Fremde eine Augenweide. Dennoch hatte sie hier nichts verloren.

„Wer sind Sie?“

2. KAPITEL

Sie riss den Kopf herum, und ihr dichtes kastanienbraunes Haar schwang über ihre Schulter und fiel fast bis hinab zu ihren Hüften. Unwillkürlich hob sie vor Schreck eine Hand ans Herz, was seinen Blick auf die tatsächlich prachtvollen Brüste lenkte. Dann wurde ihre Miene ärgerlich.

„Oh, Fergus! Du hast mich erschreckt.“

„Fergus?“ Wenn sein Bruder hier war, dann musste seine erste Annahme zutreffen. Sie war eine Schankhausdirne. „Ich bin nicht Fergus.“

Die Frau hatte ein herzförmiges Gesicht, das zwar nicht im klassischen Sinn schön, aber fraglos eindrucksvoll war. Ihr Mund war ein bisschen zu groß, ihre Nase etwas zu kräftig, aber ihre Augen! Ihre Augen waren wirklich hübsch.

„Bist du betrunken, Fergus?“

„Ich bin nicht Fergus.“

„Natürlich bist du das, und dieses Spielchen ist nicht lustig.“

Noch während Evie diese Worte aussprach, begann sie, sich unbehaglich zu fühlen. Je genauer sie den Mann betrachtete, der in der Tür stand und sie anstarrte, desto überzeugter wurde sie, dass er vielleicht tatsächlich nicht Fergus war.

Allerdings sah er Fergus zum Verwechseln ähnlich.

Nur waren seine Züge nicht so weich. Er hatte das gleiche dunkle Haar, trug es jedoch anders. Fergus’ Locken waren stets gnadenlos mit Pomade verklebt, damit sie den modischen Brutus-Stil zeigten, der von der Mehrheit der Londoner Gentlemen bevorzugt wurde. Doch dieser Mann hatte keine Pomade im Haar, und nun, da sie darauf achtete, schien es auch etwas länger zu sein. Es war so windzerzaust, wie Fergus es niemals getragen hätte. Dunkle Stoppeln bedeckten sein Kinn. Ebenfalls etwas, das Fergus nur über seine Leiche zugelassen hätte. Selbst in volltrunkenem Zustand brachte er es immer noch fertig, sich zu rasieren. Auch die Kleidung stimmte nicht. Ihr Verlobter war ein ziemlicher Dandy und hatte eine Schwäche für Spitze und kunstvoll geknotete Krawatten. Die Kleidung dieses Mannes war schlicht und entschieden schnörkellos. Außerdem waren seine Augen etwas dunkler, er war breiter in den Schultern, und seine Haltung wirkte gebieterischer. Aber sein Blick war ebenso kalt. Wie er dort in seinem Reitmantel in der Tür stand und den Rahmen beinahe ausfüllte, wirkte er durchaus furchteinflößend.

„Wenn Sie nicht Fergus sind, wer sind Sie dann?“ Nun klang sie erbärmlich kleinlaut und unsicher.

„Ich bin sein Bruder. Sein Zwillingsbruder. Finnegan.“

Fergus hatte zwar einmal beiläufig erwähnt, dass er einen verheirateten Bruder hatte, aber er hatte ihr nicht erzählt, dass sie Zwillinge waren. Außerdem hatte er seinen Bruder anscheinend auch nicht über ihren Besuch in Kenntnis gesetzt, daher sein unerwartetes Erscheinen mitten in der Nacht. „Auch wenn dies alles ziemlich ungewöhnlich ist, freut es mich doch, Ihre Bekanntschaft zu machen, Lord Finnegan. Ich bin Miss Evelyn Bradshaw, Fergus’ Verlobte.“

Er hob die Brauen und ließ den Blick unverschämt langsam von ihrem Gesicht über ihren Körper wandern. Für einen Moment verharrte er unverhohlen bei ihren Brüsten, bevor er ihr wieder in die Augen sah. „Sie sind nicht sein Typ.“

Soweit Evie es einschätzen konnte, war sie niemandes Typ, aber das war nebensächlich, und sie würde sich mit einem Fremden auf keine derartige Unterhaltung einlassen. „Ich versichere Ihnen, wir sind verlobt und werden heiraten, Lord Finnegan. Daher hat sich Fergus zur Wahrung des Anstands während meines Aufenthalts hier in das nächstgelegene Gasthaus zurückgezogen.“

Seine Miene blieb reglos, doch er verschränkte die Arme vor der Brust. „Ach, tatsächlich?“

Evie lächelte. Es war ein sinnloser Versuch, ihre nächsten Worte etwas abzumildern. Es fiel ihr nicht leicht, so bestimmt aufzutreten, aber in diesem Fall musste sie es tun. „Es tut mir sehr leid, dass ich Ihnen nach Ihrer späten Anreise solche Umstände machen muss, doch um den Anstand zu wahren, muss ich darauf bestehen, dass Sie sich ebenfalls umgehend ins Gasthaus begeben. Meine Großtante und ich werden hier in Stanford Hall wohnen.“

Vor Nervosität zitterte ihre Stimme, und sie verspürte den überwältigenden Drang, sich zu entfernen, aber sie rief sich ins Gedächtnis, dass sie fest entschlossen war, nie wieder als die unsichtbare Evelyn aufzutreten. Also straffte sie die Schultern und zwang sich dazu, ihm in die Augen zu sehen. Mehrere angespannte Momente vergingen.

„Er hat es Ihnen nicht erzählt, nicht wahr?“

„Mir was nicht erzählt?“ Fergus’ Doppelgänger schien nun amüsiert zu sein. Er schüttelte den Kopf und hob den Blick zur Decke, als bäte er den Herrn um Stärke.

„Dies hier ist nicht Stanford Hall. Dies ist Matlock Hall. Mein Haus.“

Sprachlos starrte Evie ihn an. Als sie ihre Stimme endlich wiedergefunden hatte, klang es eher wie ein Quietschen. „Ich wurde in dem Glauben gelassen, dass dies hier der Landsitz meines Verlobten ist! Er hat mich am Abend hierhergebracht und mit keinem Wort erwähnt, dass es Ihr Haus ist.“

„Ja. Nun, meiner Erfahrung nach hatte Fergus es noch nie sehr mit der Wahrheit. Wahrscheinlich hat er Sie hierhergebracht, weil Stanford Hall in keinem bewohnbaren Zustand ist. Zweifellos wird er mir eine vollkommen vernünftig klingende Erklärung vortragen, wenn ich ihn am Morgen mit all dem hier konfrontiere. Wie auch immer, ich gehe jetzt zu Bett.“

Er wandte sich ab und steuerte zu ihrem Verdruss auf geradem Weg auf die Treppe zu, wobei er seine Stiefel in der Hand hielt. „Sie können doch nicht ernsthaft hierbleiben wollen!“ Nun klang das Quietschen schrill.

Er ließ die Stiefel mit einem vernehmlichen Poltern fallen, wandte sich langsam zu ihr um und kehrte in die Bibliothek zurück, offenbar halb verwirrt, halb verärgert. „Dies hier ist mein Haus, Madam.“

„Aber aus Gründen des Anstandes dürfen Sie nicht unter demselben Dach wohnen wie ich!“

Er stemmte die Hände in die Hüften und legte den Kopf schief. Diese unverschämte, kampflustige Haltung ließ ihn noch größer wirken. „Und warum nicht?“

Unsicher, wie sie ihm erklären sollte, weshalb seine Anwesenheit hier ungeheuerlich war, stotterte sie irgendwelche unzusammenhängenden Worte vor sich hin, während er sie anstarrte, als wäre sie verrückt. Letztendlich brachte sie nur ein einziges Wort heraus.

„Deswegen!“

„Weswegen? Haben Sie Angst, dass mich im Laufe der Nacht meine männlichen Triebe übermannen? Befürchten Sie, ich könnte Ihre Tür einschlagen und über Sie herfallen, Miss Bradshaw?“ Evie nickte schwach, und ihr war schmerzlich bewusst, dass nun eine heftige Röte ihr Gesicht und ihren Hals überzog. Um sie vollends zu demütigen, lachte er angesichts seiner Andeutungen auch noch auf. „Wenn ich ein Mann wäre, der seine Triebe nicht unter Kontrolle hat, dann würde ich wohl kaum bis später warten, um ihnen nachzugeben, Madam. Besonders, weil der Feuerschein Ihr Nachthemd vollkommen durchsichtig macht und mir damit einen ungehinderten Blick auf Ihren nackten Körper darunter gewährt.“ Unwillkürlich hob sie die Arme, um sich zu bedecken. Vor Schreck klappte ihr der Mund auf. Er dagegen betrachtete sie mit höflicher Gleichgültigkeit.

„Ich bin todmüde, und ich habe keineswegs die Absicht, mein Haus jetzt oder in naher Zukunft wieder zu verlassen. Gute Nacht, Miss Bradshaw. Machen Sie sich nicht die Mühe, Ihre Tür abzuschließen. Ihre kostbare Unschuld ist bei mir vollkommen sicher.“

„Da er nicht dein Verlobter und schon verheiratet ist und weil sich außerdem neben mir noch viele Bedienstete im Haus aufhalten, glaube ich nicht, dass dein Aufenthalt hier als unschicklich missdeutet werden kann.“ Tante Winnie knabberte an dem winzigen dreieckigen Toaststück, das sie sich von dem reichhaltigen Frühstücksbuffet ausgesucht hatte. Traurig starrte Evie auf ihr identisches Stück hinab und versuchte, den verführerischen Duft des gebratenen Schinkens zu ignorieren, der ihr in die Nase stieg.

„Das ist schon möglich, aber jetzt bin ich ernsthaft besorgt, Fergus könnte mich belogen haben. Sein Bruder behauptet, dass Stanford Hall unbewohnbar ist, und ich habe nicht die Absicht, die ganze Zeit hier zu bleiben.“ Das Haus war zwar wirklich hübsch, doch sie hatte gehofft, allein sein zu können. Stattdessen nur ein Gast zu sein, dämpfte ihre Freude, besonders da ihr unvorhergesehener Gastgeber äußerst unfreundlich zu sein schien. Sie hatte nicht geplant, so schnell eine andere Unterkunft finden zu müssen. Im Grunde hatte sie überhaupt keinen richtigen Plan.

„Wir werden das Beste daraus machen, Liebes. Und sieh es einmal so: Wenn er wirklich geflunkert hat, dann liefert dir das einen weiteren glaubwürdigen Grund, eure Verlobung zu lösen, wenn es so weit ist.“

Da hat Tante Winnie wohl recht, dachte Evie. Ihr falsches Verlöbnis mit Fergus war nur ein vorübergehendes Mittel zum Zweck. Sie bekam ihre Freiheit, und er erhielt fünftausend Pfund für das Jahr, das sie ihre Scharade, wie Evie fand, aufrechterhalten mussten. Wichtig war nur, dass Fergus diesen Bedingungen zugestimmt hatte. Im Großen und Ganzen hätte sie diesen Handel wohl trotzdem getätigt, auch wenn sie gewusst hätte, dass sein Haus unbewohnbar war – nur hätte sie ihrem Anwalt dann aufgetragen, ein passendes Cottage für sie selbst und Tante Winnie zu suchen, bevor sie Hyacinth über ihre Verlobung informiert hätte. Wenn Stanford Hall tatsächlich eine Ruine war, dann war es nur glaubwürdig, dass es ewig dauern würde, bis dort eine Hochzeit gefeiert werden konnte. So werde ich es jahrelang aufschieben können, Hyacinth die Wahrheit zu sagen … Was war sie doch für ein erbärmlicher Feigling.

Weißt du, Stiefmutter, ich verabscheue das Leben unter einem Dach mit dir beinahe so sehr, wie ich dich verabscheue. Du bist eine gemeine, geldgierige Tyrannin, und ich bin es leid, dein Opfer zu spielen und die unsichtbare Evelyn zu sein. Die bemitleidenswerte, unförmige, unscheinbare und langweilige unsichtbare Evelyn. Ich fühle mich, als würde ich innerlich absterben.

Ganz gleich, wie oft sie diese Worte gedacht hatte, sie waren ihr nie über die Lippen gekommen. Hyacinth war die zweite Ehefrau ihres Vaters. Vielleicht hatte er sie sogar geliebt, und er hatte Evie das Versprechen abgenommen, dass sie Hyacinth eine gute Tochter sein würde. Doch falls ihre Stiefmutter ihm etwas Ähnliches versprochen hatte, dann fühlte sie sich offenbar nicht sehr an dieses Versprechen gebunden. Die räumliche Trennung wird mir den Abstand bringen, den ich brauche, um genug Mut zu sammeln und die Dinge endlich auszusprechen, überlegte Evie. Wahrscheinlich in einem Brief. Ganz bestimmt in einem Brief. Irgendwann …

Vom Gang drang die Stimme eines Mannes herein, und Evie machte sich bereit, den groben Zwillingsbruder ihres falschen Verlobten zu begrüßen. Unter den Umständen hatte sie kaum eine andere Wahl, als sich auf seine Gastfreundschaft zu verlassen, bis sie Ordnung in das Durcheinander gebracht hatte. Falls besagter Gentleman denn bereit war, ihr diese Gastfreundschaft zu gewähren. In der vergangenen Nacht war es ihr vorgekommen, als bringe er Fergus ebenso wenig Gefühle entgegen, wie sie selbst es tat, und das war besorgniserregend und machte ihre veränderte Lage unsicher.

Als er hereinkam, sah er ebenso düster und unheilverkündend aus wie in der vergangenen Nacht, und er betrachtete seine ungeladenen Gäste mit so etwas wie angewiderter Resignation. „Guten Morgen, Madam. Miss Bradshaw.“

Sein Blick wanderte schamlos von ihrem Gesicht über ihr schlichtes grünes Kleid und wieder zurück. Er versuchte nicht einmal, seine Enttäuschung über das, was er da sah, zu verbergen. Evie spürte, wie die Röte ihren Hals hinaufkroch und ihr Gesicht erfasste, als sie sich an seine lächerliche Behauptung erinnerte, dass er durch ihr Nachthemd hindurchsehen könne. Sie fragte sich, ob seine Enttäuschung nur daher rührte, dass sie in seine Privatsphäre eingedrungen waren, oder ob er tatsächlich wusste, was sich unter den Stoffschichten ihres Morgenkleids befand. Er neigte den Kopf in Richtung ihrer Tante und nahm die ihm dargebotene Hand. „Ich bin Fergus’ Bruder Finnegan Matlock. Ich hatte bisher noch nicht die Ehre, Ihre Bekanntschaft zu machen.“

„Das ist meine Großtante Winifred. Sie begleitet mich als meine Anstandsdame.“ Noch während Evie das sagte, bemerkte sie den ungläubigen Ausdruck in seinen dunklen Augen. Wahrscheinlich fragte er sich, von welchem Nutzen eine alte Frau mit Gehstock als Anstandsdame wohl sein konnte. Da sie aber höchstwahrscheinlich nie die Dienste einer echten Anstandsdame benötigen würde, um ihre Jungfräulichkeit zu schützen, versuchte Evie, nicht beleidigt zu sein. Tante Winnie war ihre einzige noch lebende Blutsverwandte, und trotz der Schwierigkeiten, die es mit sich brachte, wenn man eine über Achtzigjährige mit Rheuma quer durch das ganze Land verfrachten musste, hätte Evie die arme Winnie wohl kaum mit Hyacinth allein lassen können. Auch wenn Winnie ebenso gut austeilen wie einstecken konnte.

„Willkommen in Matlock Hall, Madam.“

„Sie sehen besser aus als Ihr Bruder, Sir.“

Er hob eine Braue, und Evie nahm an, dass ihn Winnies unverblümte Bemerkung amüsierte, auch wenn er nicht lächelte. „Da wir Zwillinge sind, halte ich das für sehr unwahrscheinlich, Madam.“

Aber Tante Winnie ließ sich nicht davon abbringen. „Doch, doch. Ich sehe die Ähnlichkeit durchaus, junger Mann. Ich bin alt, nicht blind. Dennoch gibt es durchaus Unterschiede. Ich habe schon immer gefunden, dass Ihr Bruder nicht sehr vertrauenswürdig wirkt. Sein Blick wandert zu viel umher, während er spricht. Ihr Blick ist fest. Außerdem stehen Ihnen die Breeches besser. Reiten Sie gerne, Lord Finnegan?“

Evie fühlte sich noch unbehaglicher, und sie warf Fergus’ Bruder ein entschuldigendes Lächeln zu. „Tante Winnie nimmt kein Blatt vor den Mund.“ Wahrscheinlich war ihr Gesicht mittlerweile leuchtend rot, und diese Farbe hatte ihr noch nie sonderlich gut gestanden. Wie die meisten Menschen achtete er gar nicht auf sie.

„Ja, ich reite gerne. Tante Winifred, hätten Sie Lust auf einen flotten Galopp über die Wiesen?“

Seine Miene blieb unbewegt, aber seine Augen schienen zu lächeln. Er hatte ganz eindeutig attraktivere Augen als Fergus. Klarer. Nicht blutunterlaufen. Irgendwie fesselnd. Tante Winnie kicherte und machte eine scheuchende Handbewegung.

„Und Sie sind auch charmanter als Ihr Bruder. Wo wir gerade von ihm sprechen, wo ist Fergus?“

„Da es noch immer recht früh am Morgen ist und ich zu behaupten wage, dass er den Abend im Gasthaus genossen hat – es sei denn, er hat seine Gewohnheiten im Laufe der vergangenen drei Jahre, seit ich ihn zuletzt gesehen habe, geändert –, dann würde ich einmal annehmen, dass er noch schläft. Tageslicht mochte er noch nie sonderlich.“

Drei Jahre? Das schien eine ziemlich lange Zeit der Trennung für Geschwister zu sein, von Zwillingen ganz zu schweigen. „Ich vermute also, dass Sie einander nicht nahestehen, Lord Finnegan?“, sagte Evie.

Er antwortete ihr, während er ihr den Rücken zuwandte, anscheinend mehr daran interessiert, seinen Teller mit dem köstlich duftenden gebackenen Schinken zu beladen als daran, höflich zu ihr zu sein. „Um ehrlich zu sein, Miss Bradshaw, sind wir praktisch Fremde. Schon als Kinder waren wir sehr verschieden. Das Einzige, was wir gemeinsam haben, sind die Gesichtszüge und die Tatsache, dass wir uns denselben Mutterleib geteilt haben.“ Er balancierte ein Stück Toast auf seinem Frühstücksberg und trug alles zum Tisch. „Unsere Eltern haben oft gesagt, dass wir so unterschiedlich sind wie Kalk und Käse.“

Was vermutlich erklärte, warum Fergus niemals erwähnt hatte, dass er einen Zwillingsbruder hatte. Finn ließ sich ein Stück Schinken schmecken, hielt dann jedoch mit der Gabel auf halbem Weg zum Mund inne, als er ihr Stück Toast sah. „Essen Sie denn nichts?“

Die vertraute Lüge sprudelte hervor. „Ich habe keinen großen Hunger.“ In Wahrheit verhungerte sie fast. In diesem Zustand verbrachte sie einen Großteil ihres Lebens, ein lächerlicher Versuch, dünner und so auf wundersame Weise anziehender zu werden. Ihr Übergewicht zählte zu den vielen Dingen, bei denen Hyacinth keine Gnade kannte. Doch selbst wenn es Evie einmal schaffte, ihre Figur ein kleines bisschen zu verschmälern, war alles wieder zunichte, sobald sie der Versuchung nachgab und ein Stück Kuchen aß. Und sie liebte Kuchen.

„Warum starren Sie dann meinen Schinken so an? Sie sehen nicht aus wie eine Frau, die von einem Stück Toast leben kann.“

Gleichermaßen entsetzt und beschämt, sah Evie auf ihren Toast hinab und versuchte, sich eine schlagfertige Antwort einfallen zu lassen. Wie immer gelang es ihr jedoch nicht, und so saß sie einfach schweigend da, wand sich unter seinem durchdringenden Blick und wünschte sich, tatsächlich unsichtbar zu sein.

„Erklären Sie mir, warum Sie mit meinem nichtswürdigen Bruder verlobt sind.“

Evie konzentrierte sich voll und ganz auf den inzwischen kalten und immer unappetitlicheren Toast auf ihrem Teller und trug ihren auswendig gelernten Text vor: „Wir sind uns im vergangenen Jahr mehrmals über den Weg gelaufen, haben herausgefunden, dass wir uns gut verstehen, und dann, nach ein paar Monaten, hat er mir einen Antrag gemacht.“ Sie hatte die Geschichte absichtlich kurz und langweilig gehalten, weil es so leichter war. Außerdem erwartete schließlich jeder von ihr, dass sie langweilig war, also fragte niemand nach. Lord Finnegan legte den Kopf schief und sah sie einfach nur an.

„Sind Sie sich da sicher?“

Noch nie zuvor hatte jemand ihre Erzählung in Zweifel gezogen, und es brachte sie durcheinander. „Aber natürlich bin ich sicher. Glauben Sie etwa, ich würde so etwas erfinden?“ Ihre Handflächen waren bereits schweißnass, und ihr Herz raste. Zweifellos breiteten sich gerade sehr unschöne rote Flecken auf ihrem Hals aus. Sie war noch nie eine überzeugende Lügnerin gewesen.

„Um ganz ehrlich zu sein, Miss Bradshaw, ich habe keine Ahnung. Ich weiß einfach nicht, was ich von Ihnen halten soll. Sie sind eindeutig nicht die Art von Frau, die Fergus bevorzugt, und der Bruder, den ich kenne, wird ebenso wahrscheinlich in den Hafen der Ehe einlaufen, wie mir plötzlich Flügel wachsen, damit ich majestätisch durch die Wolken segeln kann.“

„Sie haben doch gerade selbst gesagt, dass Sie Ihren Bruder drei Jahre nicht gesehen haben. In drei Jahren können sich Menschen sehr verändern.“

Er schnaubte ungläubig. „Die Veränderung, von der Sie da reden, käme einem Wunder gleich. Fergus trinkt, spielt und hurt gerne. Sie kommen mir nicht wie eine Frau vor, die in irgendeinen dieser Bereiche passt. Was mich zu der Schlussfolgerung bringt, dass der einzige Grund, warum er Sie heiratet, Geld sein muss. Sind Sie stinkreich, Miss Bradshaw?“

Ihr klappte der Mund auf. Hatte er gerade das Wort „huren“ vor einer Dame gebraucht? Schlimmer noch, er hatte sie auf die abscheulichste Art und Weise beleidigt. So hatte, abgesehen von Hyacinth, noch nie jemand mit ihr gesprochen. Ihr Blick huschte zu der Gabel, die auf dem Tisch zu ihrer Linken lag, und ganz kurz zog sie in Erwägung, sie zu ergreifen und als Waffe zu schwingen. Vielleicht würden sich Lord Finnegans Manieren ja bessern, wenn ihm ein Besteckteil in der Hand steckte. Oder in der Stirn.

„Das geht Sie nichts an, Sir!“

„Dann sind Sie also stinkreich.“ Seelenruhig schob er sich ein weiteres Stück Schinken in den Mund und kaute nachdenklich. „Sie müssen ja wirklich am Bodensatz der Heiratswilligen angekommen sein, wenn Sie seinen Antrag angenommen haben.“

Der Mann war unerträglich. Glücklicherweise war Tante Winnie nie um Worte verlegen.

„Sie sind ein sehr unfreundlicher Mann, Lord Finnegan.“

„Da stimme ich zu.“

War das wirklich die beste Rüge, die Tante Winnie zustande brachte? Evie hatte sich selbst versprochen, dass sie sich nie wieder wie ein Fußabtreter behandeln lassen würde, und dieser Mann war unfassbar grob. Es konnte also kaum schaden, wenn sie die neue Evie an ihm ausprobierte. „Ich muss nicht hier sitzen und mir Ihre Beleidigungen anhören.“ Das hatte wenigstens etwas entschiedener geklungen, auch wenn es ihr einen furchtbaren Schrecken einjagte, dass sie diese Worte tatsächlich laut ausgesprochen hatte.

Er zuckte mit den Schultern und aß weiter. „Da haben Sie recht, Miss Bradshaw. Sollten Sie dieses Haus auf der Stelle verlassen wollen, dann würde ich das vollkommen verstehen.“

Wieder klappte ihr der üppige Mund auf, und Finn fühlte einen schuldbewussten Stich, weil er so widerlich zu ihr war. Es war wohl kaum die Schuld dieses armen Mädchens, dass sein Bruder ein Schuft und er selbst ein armseliger Griesgram und lieber allein war, als irgendjemandes Gesellschaft zu ertragen. Resigniert seufzend legte er die Gabel weg.

„Es tut mir leid, Miss Bradshaw, ich war unberechtigterweise grob. Es ist eine ganze Weile her, seit ich Gäste hatte, und ich bin etwas aus der Übung.“ Er bot ihr seine beste Nachahmung eines Lächelns als eine Art Entschuldigung dar. Allerdings bezweifelte er, dass es besonders echt aussah. Er hatte in seinem Leben nicht mehr häufig Grund zu lächeln. Abgesehen davon, würde es sich viel besser anfühlen, seinen Ärger an seinem Bruder auszulassen. Und er würde sich nicht zurückhalten. „Wann wird Fergus zurückkehren?“

Sie rieb sich über die Unterlippe, was seine Aufmerksamkeit wieder auf ihren Mund lenkte. Er konnte einen ziemlich ablenken, dieser Mund. „Ich bin mir nicht sicher. Wir haben keine feste Abmachung getroffen.“

Nun, das war merkwürdig. Allerdings kam ihm alles an Fergus’ Verlobung merkwürdig vor. Das Merkwürdigste war seine unerwartete Wahl der Verlobten. Er mochte zwar nicht viel mit seinem Bruder zu schaffen haben, aber er kannte ihn dennoch in- und auswendig. Falls sich Fergus eine Braut aussuchen würde – woran er in Anbetracht der Lebensweise seines Bruders immer noch nicht richtig glauben konnte –, dann würde er sich für eine Dame entscheiden, die mehr Schmuckstück als Frau war. Fergus war stets nach der neuesten Mode gekleidet, und er würde dieses triste, formlose Kleid, das Miss Bradshaw trug, niemals billigen. Er selbst war zwar kein Fachmann, was die weibliche Mode betraf, aber dieses Kleid war vom Kragen bis zum Saum eine Katastrophe. Es war ihm ein Rätsel, warum eine Frau eine so verführerische kurvenreiche Figur verbergen wollte. Die vielen Bahnen unnötigen Stoffes formten einen soliden, formlosen Klotz, der ihr ganz und gar nicht schmeichelte. Dasselbe galt für die strenge Frisur. Ihr schönes, dichtes kastanienrotes Haar, das er im Feuerschein hatte schimmern sehen, war so unbarmherzig hochgesteckt worden, dass es all seinen Glanz verloren hatte. Wenn er jemals jemanden gesehen hatte, der sein Licht unter den Scheffel stellte, dann war es Miss Bradshaw.

„Wie auch immer. Wenn er nicht bald hier auftaucht, werde ich mich selbst zum Gasthaus begeben und mit ihm sprechen.“ Im Laufe der drei Jahre hatte sich so einiges angesammelt, das er ihm sagen wollte. Nichts davon war freundlich.

Diese Ankündigung schien sie in Aufruhr zu versetzen. „Da ich annehme, dass es noch mehrere Stunden dauern wird, bis er hier auftaucht, nachdem er mich gestern Abend belogen hat, würde ich Sie gerne begleiten, Sir.“ Finn hörte die Veränderung in ihrer Stimme, aber sie hob stolz das Kinn, auch wenn ihre Miene verriet, dass sie wahrscheinlich am liebsten davongelaufen wäre, hätte man ihr nur die Chance dazu gegeben.

Es lag ihm auf der Zunge, ihr zu sagen, dass sie sich daran würde gewöhnen müssen. Fergus war ein vollendeter Lügner. Das war eines der wenigen Dinge, in denen niemand seinen Zwillingsbruder übertraf. Aber er beherrschte sich. Wenn sie sich dessen nicht bereits bewusst war, dann würde sie es schon bald auch ohne seine Hilfe herausfinden. Stattdessen nickte er nur und trank einen Schluck Kaffee.

„Bevor wir aufbrechen, ist es aber nur recht und billig, dass ich mich Ihrer Gattin vorstelle.“

Finn verschluckte sich beinahe. Allein bei der Erwähnung von Olivia brach alles wieder über ihm herein.

„Wo kann ich sie finden?“

„Dort, wo sie immer ist.“ Finn erhob sich und drückte all die unwillkommenen Gefühle, die in ihm aufstiegen, erbarmungslos nieder. „Auf dem Friedhof.“

3. KAPITEL

Am späten Nachmittag wurde offensichtlich, dass Fergus nicht die Absicht hatte, ihr in naher Zukunft einen Besuch abzustatten. Evie konnte es kaum erwarten, ihn im Gasthaus aufzusuchen, um ihn zu fragen, was er sich eigentlich dabei gedacht hatte und was er angesichts der peinlichen Lage, in die er sie gebracht hatte, zu tun gedachte. Nachdem sie bei seinem Bruder jedoch so spektakulär ins Fettnäpfchen getreten war, hatte sie Skrupel, ihn aufzusuchen, um mit ihm gemeinsam ins Gasthaus zu gehen. Sie hatte seit dem Frühstück keine Spur mehr von Lord Finnegan Matlock gesehen, seit er mit sturmumwölkter Miene den Raum verlassen und die Tür hinter sich zugeworfen hatte.

Autor

Virginia Heath
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