Lust aufs Heiraten?

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Verlobt mit dem Falschen! Das wird der zauberhaften Malerin Emma klar, als sie Burke, den attraktiven Bruder ihres zukünftigen Mannes Clay, kennen lernt. Auch Burke verzehrt sich nach ihr. Aber das wagt er ihr nicht zu zeigen. Emma ist total verunsichert. Kann sie Clay überhaupt noch heiraten?


  • Erscheinungstag 28.03.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733756192
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Es war ein kraftvolles Bild, schlicht und ohne jeden Schnörkel: ein Mann im Licht der untergehenden Sonne, auf einem braunweißen Hengst, ohne Sattel und Steigbügel, eine Faust triumphierend in die Luft gereckt. Er trug nur Jeans, sonst nichts. Weit griffen die kräftigen Beine des Hengstes aus, und seine Hufe schienen förmlich über die Steppe zu fliegen.

Burke Buchanan lehnte sich in seinem bequemen Lederstuhl zurück, ein Whiskeyglas in der Hand. Mit schmalen dunkelbraunen Augen betrachtete er das ausladende Ölgemälde, das er gerade erst in seinem Büro aufgehängt hatte.

Auf einer kleinen Messingplakette stand der Titel, so unverblümt und direkt wie die Szene selbst: „Ungezähmt“.

Burke lächelte ein wenig. Typisch Clay. Sein älterer Bruder hatte nicht nur – wenn auch etwas verspätet – wieder einmal das richtige Geburtstagsgeschenk getroffen, sondern ihm damit gleichzeitig auch ein Rätsel aufgegeben.

Vom ersten Augenblick an hatte er sich zu diesem Bild hingezogen gefühlt, hatte etwas gespürt, das er mit keinem anderen Menschen teilen konnte. Der Mann auf dem Bild ähnelte ihm auf fast beängstigende Weise, und doch war er es nicht. Konnte es gar nicht sein.

Burke stand auf und trat vor das Gemälde. Ihm war, als hätte der Maler einen geheimen Zugang zu seinem Inneren, zu seiner Seele gefunden. Eine verborgene Stärke wurde darin sichtbar, die Achtung, die Reiter und Pferd voreinander empfanden, war umgesetzt in ein Bild urtümlicher Schönheit.

Emma Cantrell, las Burke zu seiner Überraschung unter dem Bildtitel. Eine Frau hatte das Bild gemalt.

Emma ging in ihrem Atelier auf und ab. Sonnenlicht strömte durch die hohen Fenster auf die Leinwand. Sie blieb davor stehen, die Arme in die Seiten gestemmt, den Kopf ein wenig zur Seite gelegt. Irgendetwas fehlte noch, aber sie kam nicht darauf, was es war.

Den beiden großen Bildern, die weiter hinten an der Wand lehnten, schenkte sie keinen Blick. Sie waren fertig und warteten nur noch darauf, abgeholt zu werden. Ende des Monats sollten sie in einer Galerie in Houston ausgestellt werden.

Das Bild auf der Staffelei war als Illustration für einen historischen Roman gedacht, den ihre Freundin Kate geschrieben hatte. Emma hatte alle Taschenbuchcover für Kate gestaltet, aber jetzt sollte zum ersten Mal ein Roman als Hardcover herauskommen, und deshalb sollte der Titel besonders schön werden.

Im Grunde war es gar nicht diese Illustration, die sie so unzufrieden machte und ärgerte, es war etwas ganz anderes: Sie hatte ein Bild verkauft, das sie eigentlich nie hatte verkaufen wollen. Warum sie es trotzdem getan hatte, konnte sie nicht sagen, vielleicht aus einem Moment der Schwäche heraus. Oder aus Furcht?

Aber was hatte sie von einem Bild zu befürchten? Sei nicht albern, dachte sie.

Diese ganze Brüterei hatte sowieso keinen Sinn, also zog sie kurzerhand ihren Malerkittel aus und ging durch den Garten zu ihrem Haus hinüber, entschlossen, keinen Gedanken mehr an das verkaufte Bild zu verschwenden. Aber das war leichter gesagt als getan.

Zu Hause schenkte sie sich erst einmal ein Glas Eistee ein und spazierte damit ins Wohnzimmer. Durch die hohen Fenster hatte sie eine überwältigende Aussicht auf die Berge, aber dafür hatte sie jetzt keinen Blick. Sie ließ sich auf das bequeme Sofa gegenüber dem Kamin fallen und zog die Beine hoch. Dabei fiel ihr Blick auf das kleine Bild an der Wand gegenüber. Normalerweise skizzierte sie ihre Ideen zuerst mit Bleistift auf einen Block und führte sie später aus. Aber für dieses Bild hatte sie keine Skizzen als Gedächtnishilfe gebraucht. Viel zu viele Nächte waren der Mann und sein Pferd durch ihre Träume gegeistert, bis sie diesen Traum schließlich auf Leinwand gebannt hatte, zuerst als kleines, dann als großes Format. Es hatte nichts geändert.

Emma stand auf und nahm das kleine Bild von der Wand. Das Gesicht des Cowboys spiegelte Stolz wider, aber auch Sinnlichkeit. Es war unglaublich, welche Macht dieser Mann über sie hatte. Sie hatte ihn selbst geschaffen, und doch kam sie sich wie seine Gefangene vor. Und das Gefängnis hatte sie gebaut. Wie Pygmalion hatte sie sich in ihr eigenes Geschöpf verliebt.

Und jetzt hatte sie das große Bild verkauft. Aber die Faszination war geblieben – wenn nicht noch gewachsen.

1. KAPITEL

„Was bringt dich nach Houston?“, wollte Clay Buchanan von Burke wissen. Er stand auf, umrundete seinen massiven Holzschreibtisch und umarmte seinen jüngeren Bruder. „Wie lang bleibst du?“

Clays Büro war in englischem Stil eingerichtet, an den Wänden hingen Stiche von Jagdszenen. Größer hätte der Kontrast zu Burkes Arbeitsraum auf der Ranch gar nicht sein können. Aber zu Clay passte der Raum.

„Bis heute Abend. Ich wollte nur ein Geburtstagsgeschenk für Jessie besorgen.“

„Schade.“ Clay nahm wieder hinter seinem Schreibtisch Platz. „Sonst hätten wir zusammen essen können. Ich wollte dich mit jemandem bekannt machen.“

Burke hob eine Augenbraue. „Aha. Und ist dieser Jemand zufällig eine Frau?“

Clay lächelte. „Erraten.“

„Aha“, wiederholte Burke.

„Es ist die Frau, die ich heiraten möchte.“

„Musst du denn unbedingt gleich heiraten? Vielleicht sind es ja nur die Hormone.“ Das klang zynisch.

„Du liebe Güte, Burke!“, sagte Clay vorwurfsvoll. „Das hat doch nichts mit Sex zu tun.“

„Willst du vielleicht behaupten, dass du dich verliebt hast?“

„Es sieht ganz danach aus.“

„Es sieht danach aus? Was soll das denn heißen? Bist du sicher, dass sie es nicht darauf angelegt hat, dich in die Falle zu locken?“

Clay seufzte. „Nicht alle Frauen sind so berechnend wie Celia.“

„Wahrscheinlich nicht“, gab Burke zu. „Aber die meisten. Fast alle Frauen denken zuerst an Geld, wenn sie den Namen Buchanan hören.“

„Emma nicht.“

„Und woher willst du das wissen?“

„Weil ich sie kenne. Sie macht sich nichts aus meinem Geld und meiner Stellung. Das hat sie gar nicht nötig. Sie ist nämlich eine beruflich sehr erfolgreiche Frau.“

Burke stand auf und schenkte sich einen Bourbon ein. „Seit wann triffst du dich mit ihr?“

Clay verwünschte die Frau, die vor all diesen Jahren mit ihren falschen Versprechungen und verlogenen Liebesschwüren seinen Bruder so unglücklich und zynisch gemacht hatte. Burke war noch so jung gewesen, gerade siebzehn Jahre alt, die ideale Beute für eine Mitgiftjägerin wie Celia.

„Seit ungefähr einem halben Jahr.“

„Warum hast du es so eilig?“ Burke setzte sein leeres Glas ab und ging zum Fenster. Die Menschen unten in den engen Straßen erschienen ihm wie winzige Gefangene in einem Käfig aus Hochhäusern. Wie wohltuend war dagegen die Weite von Encantadora. Die Ranch war sein Leben, so wie die Großstadt das Leben seines Bruders war.

Als ihm ein böser Verdacht kam, drehte er sich um. „Sie ist doch wohl nicht schwanger?“

Clay schüttelte den Kopf. „Nein. Ehrlich gesagt, ich habe noch gar nicht mit ihr geschlafen“, gestand er.

Burke war so verblüfft, dass es ihm die Sprache verschlug. Schließlich war sein Bruder, was die holde Weiblichkeit anging, nicht gerade als Kostverächter bekannt.

„Schau mich nicht so ungläubig an.“ Clay lächelte. „Emma ist eben anders. Sie hüpft nicht gleich mit jedem Mann ins Bett.“

Burke war nicht so leicht zu überzeugen. Diese Emma war vielleicht noch schlauer, als er ihr zugetraut hatte. „Vielleicht tut sie nur so prüde, um dich herumzukriegen.“

„Nein.“ Das kam aus voller Überzeugung. „Das wäre nicht Emmas Stil. Sie ist eine der ehrlichsten Frauen, die mir je über den Weg gelaufen sind. Das wirst du auch noch merken, wenn du sie näher kennst.“

„Wir werden sehen.“ Burke war noch nicht überzeugt.

„Ich habe sie zum Erntedankwochenende auf die Ranch eingeladen.“

„Und was sagt Mama dazu?“

„Du kennst sie doch.“ Clay lachte. „Sie ist natürlich schon sehr gespannt auf ihre zukünftige Schwiegertochter. Ich hoffe nur, dass sich Emma nicht überrollt fühlt von unserer Familie. Schließlich feiern wir auch noch Jessies Geburtstag.“

„Es wird schon gut gehen.“ Burke sah auf die Uhr. „Ich muss weiter.“ Er gab seinem Bruder die Hand. „Ich freue mich auf deine bessere Hälfte.“

Clay lachte. „Lass das Emma nicht hören. Sie legt sehr viel Wert auf Eigenständigkeit.“

Burke war nicht wirklich neugierig auf die Frau, die das Herz seines Bruders so schnell erobert hatte. Vermutlich gehörte sie zur so genannten besseren Gesellschaft, war Mitglied in irgendeinem elitären Golfclub, verbrachte Stunden in Fitness-Clubs und trug nur die edelsten Kleider. Sie war aller Voraussicht nach kühl, elegant und makellos frisiert. Und natürlich war sie blond.

Clay hatte gesagt, dass sie erfolgreich war. Aber ein gutes Einkommen war eine, das Buchanan-Vermögen eine andere Sache. Sie wäre nicht die Erste, die darauf aus war. Wenn jemand das auf schmerzliche Weise am eigenen Leib erfahren hatte, dann er.

Burke nahm den Fuß vom Gaspedal, als er merkte, dass er zu schnell fuhr, und legte eine CD mit klassischer Gitarrenmusik ein. Langsam entspannte er sich. Er hoffte aus ganzem Herzen, dass sein Bruder keinen schweren Fehler machte.

„Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll.“ Emma betrachtete den mit Diamanten besetzten Ring in dem kleinen Schmucketui.

„Du könntest Ja sagen“, schlug Clay vor und schenkte Champagner nach.

Emma klappte das Etui zu und schob es über den Tisch. „Ich kann den Ring nicht annehmen, Clay.“

„Warum nicht?“

Sie antwortete, so ehrlich sie konnte. „Das heißt nicht, dass ich nicht in Versuchung wäre.“

„Aber die Versuchung ist nicht groß genug. Habe ich recht?“

Emma lächelte ihn an. Clay war charmant, intelligent und unterhaltsam, genau der Mann, den Mütter sich für ihre Töchter wünschten. Sie hatte ihn gern, sehr gern sogar, aber wie wusste nicht, ob diese Zuneigung für eine Ehe reichte. Sie wollte nicht heiraten, nur um verheiratet zu sein oder weil ihr nichts Besseres einfiel oder es „endlich an der Zeit“ war. Sie wollte eine Beziehung, die ein Leben lang hielt, wollte vorbehaltloses Vertrauen. Sie wollte … was? Unsterbliche Leidenschaft? Das Versprechen ewiger Liebe?

Ja. Die Antwort war ganz einfach. Genau das wollte sie, nicht mehr und nicht weniger.

„Du willst doch nicht, dass ich Ja sage, nur um dein Ego zu befriedigen, oder?“

Clay lächelte. „Na ja …“

Emma schüttelte lachend den Kopf. „Nein, das willst du nicht. Dazu kenne ich dich zu gut.“

Clay schob das kleine Etui wieder in die Jackentasche. „Ich gebe noch nicht auf.“

„Das will ich hoffen. Ich empfinde deinen Antrag als großes Kompliment.“

„Habe ich einen Konkurrenten?“

Emma schüttelte den Kopf. „Nein.“ Jedenfalls keinen aus Fleisch und Blut. Von dem Mann, der nur in ihrer Fantasie existierte, konnte sie ihm nichts sagen. Er würde sie nur auslachen. „Ich habe keinen großen Bekanntenkreis.“

„Das liegt nur an dir. Die Männer stehen vermutlich Schlange vor deiner Tür.“

„Schmeichler.“

„Gar nicht.“ Clay nahm ihre Hand. „Ich habe gestern bei deiner Vernissage beobachtet, wie die Männer dich anschauen. Du bist eine sehr schöne Frau, Emma.“ Ihre Wangen färbten sich rosa, und er strich mit der Fingerspitze an ihrem Wangenknochen entlang. Ihre hellen blaugrünen Augen funkelten wie Aquamarine. Sie bildeten zu ihrem kastanienroten Haar einen sehr reizvollen Gegensatz. „Viele Männer wären gern an meiner Stelle.“

Emma gab das Kompliment zurück. „Und viele Frauen würden mich mit Vergnügen vom Stuhl schubsen.“ Sie nippte an ihrem Champagner. „Im Augenblick möchte ich mit niemandem lieber zusammen sein als mit dir.“

„Damit muss ich mich wohl erst einmal zufriedengeben. Darf ich dich etwas fragen?“ Clay wartete ihre Antwort nicht ab. „Findest du mich attraktiv?“

Emma lachte. „Ja, natürlich. Ich bin Künstlerin und weiß Schönheit zu schätzen.“

„Das klingt ein bisschen so, als wolltest du mir ausweichen“, beklagte er sich.

Emma gönnte sich noch einen Schluck Champagner. Er war köstlich, aber mit Bier wäre sie genauso zufrieden gewesen, wenn sie ehrlich war. Sie musste lächeln. Der Ober würde einen mittleren Anfall bekommen, wenn sie in einem Viersternerestaurant um ein kleines Helles vom Fass bitten würde. „Du bist ein sehr attraktiver und gut aussehender Mann, und das weißt du ganz genau.“ Sie zwinkerte ihm zu. „Haben sie dich nicht vor Kurzem im Lone Star Monthly zum Junggesellen des Jahres gewählt?“

„Ich wusste gar nicht, dass du den Star liest.“

„Das tue ich normalerweise auch nicht. Aber meine Freundin hat mir den Artikel gezeigt. Kate Reeves.“

„Die Schriftstellerin?“

Emma lächelte. „Ich bin beeindruckt. Seit wann liest du Liebesromane?“

„Nie“, beteuerte er mit allen Anzeichen des Entsetzens. „Ich habe sowieso kaum Zeit zum Lesen, und wenn, dann suche ich mir sicher keine Liebesromane aus. Aber meine Mutter ist geradezu süchtig danach.“ Er trank sein Glas aus. „Da wir gerade dabei sind: Meine Mutter kann es kaum erwarten, dich kennenzulernen. Genau wie der Rest der Familie.“

„Was hast du ihr erzählt?“

„Dass ich ihr ihre zukünftige Schwiegertochter vorstellen möchte.“

„Das ist nicht wahr!“

„Doch“, gestand er. „Warum nicht? Die anderen sollen ruhig wissen, dass es mir ernst ist.“

„Wie viele andere sind das, wenn ich fragen darf?“

„Ziemlich viele. Tanten, Onkel, Cousinen, Cousins, meine zwei Brüder, meine Nichte …“

„Und die leben alle auf der Ranch?!“

„Nein, keine Angst. Nur meine Eltern, mein Bruder Burke mit seiner Tochter Jessie und Drew, mein anderer Bruder. Aber der ist im Augenblick in England.“

„Und Burkes Frau?“

„Die gibt es nicht. Burke ist geschieden.“ Das klang nicht gerade nach großer Sympathie.

„Wie alt ist seine Tochter?“

„Sie wird zwölf. Sie wird dir gefallen, sie ist einfach süß.“

„Findet ihr Onkel.“

„Ja, natürlich.“

„Und wie ist dein Bruder?“

Clay machte eine kleine Pause, während der Ober eine Flasche Wasser brachte. „Burke ist eben Burke.“

„Und was soll das heißen?“

„Dass er ziemlich kompliziert ist.“

„Das klingt ja fast wie eine Warnung.“

Clay zögerte. „Burke ist sehr, sagen wir, zurückhaltend gegenüber Außenstehenden. Die Familie geht ihm über alles.“

Emma hob die Schultern. „Damit habe ich keine Probleme.“

„Ich fände es schön, wenn ihr beide euch gut verstehen würdet. Burke leitet die Ranch, seit mein Vater aufgehört hat zu arbeiten. Aber ich wollte mich mit dir eigentlich nicht über meinen Bruder unterhalten.“ Er sah sie an. „Sag mir lieber, wann ich dir den nächsten Heiratsantrag machen darf.“

Emma musste einfach lachen. Clay Buchanan ging immer sehr direkt auf sein Ziel los, und sie hatte den Verdacht, dass er normalerweise bei Frauen viel schneller ans Ziel kam. Sie mochte seine Küsse, aber irgendetwas fehlte ihr dabei. Hätten sie ihr nicht halb den Verstand rauben müssen, wenn sie ihn wirklich liebte?

„Emma?“

„Entschuldige, ich war gerade mit den Gedanken woanders. Was hast du gesagt?“

„Ich wollte nur wissen, wann du dich entscheiden willst.“

„Frag mich Silvester noch einmal.“

Später saß Emma in ihrer gemütlichen Hotelsuite, wohlig müde von Essen, Champagner und Wein. Aber sie hatte noch keine Lust, ins Bett zu gehen. Stattdessen nahm sie ihren Skizzenblock und fing mit schnellen Strichen an zu zeichnen – ihren Traummann. Er stand da, hoch aufgerichtet, und sah über das weite Land – sein Land – hinaus. Im Hintergrund weideten Pferde. Sie machte ein paar Anmerkungen zu den Farben, die sie später in ihrem Ölgemälde verwenden wollte. Der Titel stand schon fest: Der Texaner.

Eigentlich wäre sie viel lieber zu Hause als in diesem voll klimatisierten Hotelzimmer mit den hermetisch verriegelten Fenstern. Daheim könnte sie jetzt die Terrassentüren weit aufmachen, sich im nächtlichen Sternenhimmel verlieren und die kühle Nachtluft auf der Haut fühlen. Sie könnte die Dämmerung heraufziehen und die Sonne aufgehen sehen.

Sie vermisste ihre gewohnte Umgebung, ihr eigenes Bett, ihre Bücher, ihre Musik. Drei Wochen hatte sie wegen ihrer Ausstellung in New York verbracht und Interviews gegeben, dann hatte sie in Seattle einen Fernsehauftritt absolviert und war weiter nach Houston geflogen, um Clay zu treffen. Wenn sie ihn heiratete, würde sie einen Teil ihres Lebens aufgeben müssen. Und wenn es Liebe war, würde sie das auch ohne Zögern tun.

Wenn es Liebe war.

Und war es das? In gewisser Weise schon. Aber woher kamen dann die Zweifel? Emma seufzte. Sie wurde einfach den Verdacht nicht los, dass sie Clay nicht so liebte, wie sie eigentlich sollte. Aber gab es heutzutage überhaupt noch so etwas wie „wahre Liebe“? War sie mit ihrer Sehnsucht danach nicht hoffnungslos altmodisch? Verlangte sie vielleicht zu viel?

Sie war fünfunddreißig Jahre alt, und ihr Leben bestand größtenteils aus Arbeit. Aber sie hatte es sich selbst so ausgesucht und nie bereut. Erst in letzter Zeit machte sie sich manchmal Gedanken darüber, ob es nicht schön wäre, ihr Leben mit einem Mann zu teilen, Kinder mit ihm zu haben. Aber nur, wenn die Liebe zu diesem Mann sie ebenso erfüllte wie ihre Kunst.

Emma betrachtete die weißen Rosen auf dem Schreibtisch. Clay schickte ihr jeden Morgen einen frischen Strauß. Er hatte zweifellos Klasse und Stil. Das war nicht zu leugnen.

Als sie später einschlief, träumte sie von Rosen – von dunkelroten, samtigen, verführerisch duftenden Rosen in einem geheimen Garten, zu dem sie allein den Schlüssel besaß.

Burke legte den Telefonhörer auf. Er hatte seinen Bruder angerufen, um zu erfahren, ob er sich nun verlobt hatte oder nicht. Offenbar brauchte seine Freundin noch Bedenkzeit. Aber das schien Clay keine großen Sorgen zu machen. Er hatte keine Zweifel daran, wie ihre Entscheidung am Ende ausfallen würde.

Bedenkzeit wofür? fragte Burke sich. Wenn diese Frau es nur auf Clays Geld abgesehen hatte, würde er es herausfinden. Und dann hatte sie nichts zu lachen, dafür würde er persönlich sorgen.

2. KAPITEL

„Ich bin total neugierig auf Onkel Clays Freundin“, verkündete Jessie Buchanan und suchte den Himmel nach Clays Privatflugzeug ab. Sie zappelte vor Aufregung, und ihre braunen Zöpfe wippten auf und ab. Sogar der Hund ließ sich anstecken und fing an zu bellen.

Burke war genauso neugierig, wenn auch aus anderen Gründen als seine Tochter. Er hatte beschlossen, Clays Freundin reserviert gegenüberzutreten, bis er sich ein Bild von ihr gemacht hatte. Der Rest der Familie erwartete sie mit offenen Armen.

„Meinst du, sie mag uns?“, wollte Jessie wissen.

Burke lächelte über ihre Nervosität. „Bestimmt. So nett, wie wir sind – du vor allem.“

Jessie strahlte ihn an. Burke war sehr wohl bewusst, dass er sie in seinem Wunsch, ihr die Mutter zu ersetzen, zu sehr verwöhnte. Aber seine Tochter war seine ganze Welt.

„Da sind sie!“, schrie Jessie, und der Hund hüpfte schwanzwedelnd und begeistert bellend um sie herum.

„Fuß, Renegade“, befahl Burke, und der Hund gehorchte sofort.

„Burke und Jessie holen uns ab“, sagte Clay, als der Pilot den kleinen Jet aufsetzte.

Emma konnte sich an der weiten herbwilden Landschaft gar nicht sattsehen. Und wenn da nicht das kleine Flughafengebäude gewesen wäre, hätte sie sich hundert Jahre zurückversetzt gefühlt, in die Zeit, die sie nur aus alten Westernfilmen kannte.

Das bevorstehende Familientreffen machte sie ein wenig nervös. Clay drückte ihr beruhigend die Hand. „Keine Angst. Sie fressen dich schon nicht.“

Emma schaute wieder aus dem Fenster. „Ist das ein Wolf?“, wollte sie leicht entsetzt wissen, als sie den Hund neben dem wartenden Mann entdeckte.

Clay lachte. „Nur zu einem Viertel. Der Rest ist reiner Husky. Burke hat Renegade schon als Welpen bekommen. Mein Fall wäre er zwar nicht, aber ich muss ihn ja auch nicht haben. Und zu Burke passt er. Aber er ist sehr friedlich, du brauchst dich also nicht vor ihm zu fürchten.“

Kurz darauf stand der Jet, und Clay half Emma beim Aussteigen. Er hatte sich noch kaum umgedreht, als ein Mädchen mit fliegenden Zöpfen angerannt kam und sich in seine Arme warf. Er schwenkte sie ein paar Mal im Kreis herum, und sie gluckste begeistert.

Als der Hund bellte, drehte Emma sich um. Und erstarrte. Ihre Augen weiteten sich, und einen Moment lang stockte ihr der Atem. Da war er, der Mann, der sie in ihren Träumen verfolgte und ihre Bilder beherrschte. Sie hatte ihn immer für ein Produkt ihrer Fantasie gehalten, und jetzt war er auf einmal da, aus Fleisch und Blut, groß und schlank, in Jeans und Cowboystiefeln. Clays Bruder.

Emma kannte jede Einzelheit in seinem Gesicht: die hohen Wangenknochen, den breiten Mund mit der vollen Unterlippe, das kräftige Kinn, die schmale Nase … Er trug keinen Hut auf dem dunkelbraunen, sehr kurz geschnittenen Haar.

„Emma …“ Sie löste nur widerstrebend den Blick von Burke. „Darf ich dir meine Lieblingsnichte Jessica vorstellen?“, frage Clay.

Jessie kicherte. „Du hast ja gar keine andere Nichte, Onkel Clay!“

Clay lachte. „Ach, tatsächlich?“

Emma streckte die Hand aus. „Ich freue mich, dich kennenzulernen, Jessica.“

„Sie können ruhig Jessie zu mir sagen. Das tun alle.“ Jessie drehte sich um. „Und das ist mein Dad“, erklärte sie stolz und wies auf Burke, der jetzt näherkam.

Emmas Herz schlug schneller. Die beiden Männer umarmten sich liebevoll.

„Mein kleiner Bruder Burke“, stellte Clay vor.

„Klein ist vielleicht nicht ganz das richtige Wort“, meinte Emma und gab Burke die Hand.

„Und das ist Emma. Emma Cantrell“, vervollständigte Clay die Vorstellrunde.

Autor

Gail Link
Mehr erfahren