Maskenspiel der Liebe

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Spielerisch verbirgt die Schöne auf dem Kostümball ihr Gesicht hinter einer Maske - Reginald Westmoreland ist so fasziniert, dass er sie für eine heiße Nacht ins Hotel einlädt. Bald darauf erfährt er: Sie ist die Tochter seines Feindes!


  • Erscheinungstag 09.11.2015
  • Bandnummer 15
  • ISBN / Artikelnummer 9783733743833
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Gelangweilt sah Olivia Jeffries sich auf der Veranstaltung um. Der jährliche Maskenball der Feuerwehr in Atlanta wurde vor allem veranstaltet, um Spenden zu sammeln – Olivias Vorstellung von einem vergnüglichen Abend sah allerdings anders aus.

Wahrscheinlich hätte ich bessere Laune, wenn ich nicht gestern erst aus Paris gekommen wäre, dachte sie. Ihr Vater hatte sie gebeten, nach Hause zurückzukehren, und sie hatte alles stehen und liegen lassen. Ihre ursprüngliche Planung war damit hinfällig geworden. Eigentlich hatte sie gemütlich durch das ländliche Seine-Tal fahren wollen, um das Gemälde fertigzustellen, mit dem sie schon Monate zuvor begonnen hatte.

Um nach Atlanta zurückkehren zu können, hatte sie sich sogar von ihrem Job als Kuratorin im Louvre beurlauben lassen. Aber als sie den Anruf von Orin Jeffries erhalten hatte, hatte sie keine Sekunde gezögert. Er war schließlich der beste Vater der Welt.

Nachdem er sich entschlossen hatte, für das Amt des Senators zu kandidieren, benötigte er nun ihre Unterstützung. Nicht nur für die ersten Aktionen, um Wahlkampfspenden zu sammeln, sondern für die gesamte Zeit der Kandidatur. Er würde häufig öffentlich auftreten müssen, und bei festlichen Anlässen, bei denen weibliche Begleitung erwünscht war, wollte er sich nicht ständig mit immer derselben Frau aus seinem Bekanntenkreis zeigen. Die dafür auserwählte Person würde sich sonst falschen Hoffnungen hingeben.

Olivia schüttelte lächelnd den Kopf. Ihr Vater war geschieden und zeigte kein Interesse daran, noch einmal zu heiraten. Zwar ging er gelegentlich mal mit einer Frau aus, aber von einer neuen festen Beziehung schien er nichts zu halten, was Olivia schade fand. Mit seinen sechsundfünfzig Jahren war er noch eine durchaus stattliche Erscheinung. Seine Exfrau, die nur in biologischer Hinsicht Olivias Mutter war, hatte ihm jegliche Lust aufs Eheleben genommen. Dieser Zustand hielt nun schon seit vierundzwanzig Jahren an.

Ihre beiden älteren Brüder Duan und Terrence, sechsunddreißig und vierunddreißig Jahre alt, kamen nach ihrem Vater, was das gute Aussehen anging. Und genau wie er verschwendeten sie keinen Gedanken an eine mögliche Heirat. Wenn Olivia so darüber nachdachte, war sie selbst allerdings auch nicht anders. Einen Ehemann zu finden war nicht Teil ihrer Lebensplanung.

Ja, so waren sie, die Jeffries – ein Clan von lebenslustigen Singles. Wobei ich im Moment nicht gerade besonders viel Spaß habe, ging es Olivia durch den Kopf. Ein paar wenige Gäste auf dem Maskenball schienen sich zu amüsieren, aber die meisten blickten wie sie in unregelmäßigen Abständen verschämt zur Uhr und fragten sich, wann sie wohl gehen konnten, ohne unangenehm aufzufallen.

Das Fest als Maskenball zu veranstalten ist eine selten blöde Idee gewesen, fand Olivia. So etwas war gar nicht ihr Fall, es kam ihr lächerlich und kindisch vor. Und weil die gesammelten Spendengelder dem Kinderkrankenhaus zugutekommen sollten, musste obendrein jeder Gast ein Schildchen tragen, auf dem der Name einer Märchen-, Comic- oder Zeichentrickfigur stand. Wie originell!

Immerhin schien das Essen gut zu sein. Tags zuvor hatte ihr Vater sie am Flughafen mit den Worten „Du bist zu dünn“ begrüßt. Na schön, dann würde sie jetzt zum Buffet hinüberschlendern und ordentlich Kalorien zu sich nehmen. Dann würde sie noch ein bisschen ausharren und nach einer Anstandsfrist das Fest verlassen.

Reginald Westmoreland beobachtete die Frau, die gerade zum Buffet hinüberging. Schon seit über zwanzig Minuten hatte er sie im Blick und zermarterte sich das Hirn darüber, wer sie wohl sein mochte. Trotz der Maskierung hatte er fast alle Frauen auf dem Ball erkannt, weil er sich seit Jahren mit der von ihm kreierten Wissenschaft der „Lipptologie“ beschäftigte. Mit anderen Worten: Das, was er als Allererstes an einer Frau registrierte, waren deren Lippen.

Er brauchte nicht das ganze Gesicht einer Frau zu sehen, er erkannte sie schon an ihren Lippen. Die meisten Menschen mochten anderer Meinung sein, aber er war fest davon überzeugt, dass kein Mund dem anderen glich. Seine Brüder und seine Cousins hatten das für Unfug gehalten und ihn getestet – und er hatte ihnen bewiesen, dass seine Behauptung zutraf. Ob das nun Fluch oder Segen war, konnte er nicht sagen. Fest stand allerdings, dass er diese Gabe besaß.

Neben ihren Lippen fielen ihm aber auch noch andere Dinge an Olivia auf, zum Beispiel ihre Größe. Sie musste annähernd einen Meter achtzig groß sein. In ihrem perlenbesetzten Designerkleid sah sie überaus anziehend aus und stach aus der Masse heraus. An diesem noch jungen Abend hatten sich schon mehrfach Männer an sie herangemacht, aber sie hatte noch mit keinem von ihnen getanzt. Ja, sie schien sie regelrecht abzuwimmeln. Sie stellte eine Herausforderung dar, und Reggie liebte Herausforderungen.

„Na, wie läuft der Wahlkampf, Reggie?“

Alle in seiner Familie nannten Reginald Reggie. Er wandte sich zu seinem älteren Bruder um, dem renommierten Scheidungsanwalt Jared Westmoreland. Gerade erst in der vergangenen Woche war Jared in den Schlagzeilen gewesen, weil er für einen bekannten Hollywood-Schauspieler eine vorteilhafte Scheidungsvereinbarung durchgeboxt hatte.

„Offiziell geht es erst am Montag los. Aber jetzt, wo Jeffries ebenfalls kandidiert, wird das Ganze mächtig interessant. Mit Brent habe ich zwar einen hervorragenden Wahlkampfmanager, trotzdem könnte es eng werden. Jeffries ist sehr bekannt, und alle mögen ihn.“

„Wenn du Hilfe brauchst, sag mir Bescheid. Allerdings weiß ich nicht genau, wie viel Zeit ich haben werde, jetzt, wo Dana schwanger ist …“

Reggie verdrehte die Augen. Jared hatte erst im vergangenen Monat erfahren, dass er Vater werden würde. „Mensch, Jared. Dana trägt das Baby aus – nicht du.“

„Ich weiß, aber komischerweise bin ich derjenige, dem morgens schlecht wird, und jetzt bekomme ich auch noch diese merkwürdigen Gelüste. Früher mochte ich Gewürzgurken überhaupt nicht, und jetzt bin ich verrückt danach.“

Reggie musste lächeln. „Du bist schon ein komischer Typ.“ Er konnte sich kaum auf das Gespräch mit Jared konzentrieren, weil er immer noch die Frau am anderen Ende des Saales betrachtete. Jetzt setzte sie sich an einen Tisch. Die ganze Zeit über hatte er keinen Mann an ihrer Seite sehen können, was bedeutete, dass sie allein zum Maskenball gekommen war.

„Hast du eine Ahnung, wer das ist?“, fragte er.

Jared folgte Reggies Blick. „Was ist los mit dir, Mann?! Erkennst du sie nicht an ihren Lippen?“, erwiderte sein Bruder amüsiert.

Schnell wandte Reggie seinen Blick von der Frau ab, sah seinen Bruder an und runzelte die Stirn. „Nein, sie muss neu hier sein. Ich bin mir ganz sicher, dass ich sie noch nie gesehen habe. Deswegen sagen mir ihre Lippen natürlich nichts.“

„Tja, dann bleibt dir wohl nichts anderes übrig, als zu ihr rüberzugehen und dich vorzustellen.“

Reggie lächelte. „Sehr scharfsinnig. Kein Wunder, dass du der intelligenteste Anwalt von ganz Atlanta bist.“

„Sie wissen hoffentlich, dass es ganz und gar nicht gesund ist, allein auf einer Party herumzusitzen?“

Die Stimme war tief, kehlig und sehr tief. Olivia wandte sich um und sah den hochgewachsenen Mann neben sich stehen. Wie alle anderen trug er eine Maske, aber obwohl dadurch die Hälfte seines Gesichts bedeckt war, wusste sie, dass er außergewöhnlich gut aussehen musste. Das verriet ihr – selbst in der schummrigen Beleuchtung – ihr Künstlerauge.

Er hatte ein markantes Kinn und sexy Lippen. Als er diese Lippen plötzlich zu einem Lächeln verzog, wurde ihr bewusst, dass er bemerkt hatte, wie sie ihn taxierte.

„Wenn das so ist, müssen Sie mir wohl Gesellschaft leisten“, erwiderte sie. Wann war sie eigentlich das letzte Mal so direkt und offen zu einem Mann gewesen? Noch nie, wurde ihr klar. Aber wenn die Party sonst schon nichts zu bieten hatte, musste sie eben selbst für ein bisschen Zerstreuung sorgen. Am besten sofort. Wahrscheinlich dürstete es sie nach etwas Spannendem, Abenteuerlichem, gerade weil der Abend bisher so trostlos verlaufen war. Alle anderen Männer, die sie bisher angesprochen hatten, hatte sie als gähnend langweilig empfunden; sie hatte kein Interesse verspürt, sie näher kennenzulernen. Bei diesem Mann jedoch war das etwas ganz anderes.

„Das mache ich doch gern“, erwiderte er und setzte sich auf den Stuhl neben ihr, ohne den Blick von ihr zu wenden. Er duftete angenehm, keinesfalls aufdringlich – nach einem herben Aftershave. Sie konnte den Duft keiner ihr bekannten Marke zuordnen, aber es musste sehr teuer sein. Mit einem Blick auf seine linke Hand stellte sie fest, dass er keinen Ring trug. Dann wandte sie sich wieder seinem Gesicht zu. Wunderschön. Wieder lächelte er und ließ seine strahlend weißen Zähne aufblitzen.

„Sie wirken so belustigt“, stellte sie fest und nippte an ihrer Bowle. Etwas Hochprozentiges wäre jetzt besser, dachte sie insgeheim.

Wer auch immer er sein mochte, es wäre bestimmt interessant, ihn näher kennenzulernen, auch wenn sie in ein paar Monaten nach Paris zurückkehren würde. Sie hatte Jahre gebraucht, den begehrten Fulltimejob als Kuratorin im Louvre zu bekommen, und er würde sie sehr viel Zeit und Energie kosten. Wenn sie nach Paris zurückkehrte, würde sie lange Arbeitstage haben; zum Malen würde ihr da nicht viel Gelegenheit bleiben. Deshalb hatte sie ihre Farben auch mit nach Atlanta genommen. Während ihres Aufenthalts hier wollte sie unbedingt etwas Schönes auf die Leinwand bannen. Wie zum Beispiel den Mann neben ihr. Er wäre ein ideales Modell.

„Belustigt?“, fragte er, und seine vollklingende Stimme berührte sie tief. „Ich fühle mich eher geschmeichelt.“ Sie nahm seine Worte kaum wahr, weil sie so damit beschäftigt war, den Bewegungen seiner sinnlichen Lippen zu folgen. Ja, dieser Mann hatte etwas. Etwas ganz Besonderes, wenn auch schwer Definierbares.

Wer er wohl sein mochte? Sie war lange aus Atlanta fort gewesen und kannte ihn nicht. Nach der Highschool hatte sie am Pratt Institute in New York studiert, um dann ihren Abschluss am Art Institute in Boston zu machen. Anschließend war sie nach Paris gezogen, um dort zunächst als „kunsthistorische Betreuerin“ zu arbeiten, was nur eine überkandidelte Bezeichnung für Museumsführerin war.

Er musste ungefähr so alt wie ihr Bruder Terrence sein, vielleicht ein paar Monate jünger. Ob er ihr seinen wahren Namen verraten würde? Oder würde er sich an die Regeln halten und das alberne Spielchen mitspielen, das die Organisatoren des Maskenballs sich ausgedacht hatten? Auf seinem Namensschild stand „Jack Sprat“, die Figur aus einem uralten englischen Kinderreim. Selbst durch seinen Frack konnte sie erkennen, wie breitschultrig und gut gebaut er war. Nur Muskeln, kein Gramm Fett.

„Na dann, Jack“, begann sie und erwiderte sein Lächeln, „was macht ein netter Typ wie Sie auf einer so langweiligen Party?“

Bei seinem Lachen bekam sie eine Gänsehaut, was ihr jedoch alles andere als unangenehm war.

„Ich habe nur darauf gewartet, Sie kennenzulernen, damit wir uns ein bisschen amüsieren können.“ Neugierig blickte er auf ihr Namensschild. „Aha, Wonder Woman.“ Die Wunderfrau, die berühmte Superheldin aus den Comicheften, die dem Geschlecht der Amazonen entstammte.

Olivia mochte diesen Mann schon jetzt. „Das erste Wunder ist schon mal, dass ich überhaupt hier bin. Mal ganz ehrlich, ich wäre lieber anderswo, aber der eigentliche Käufer der Eintrittskarte war verhindert, und ich habe ihm versprochen, an seiner Stelle zu erscheinen. Und weil die ganze Veranstaltung für einen guten Zweck ist, habe ich mich entschlossen, wenigstens vorbeizuschauen.“

„Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie froh ich darüber bin.“

Das meinte Reggie wirklich ernst. Schon von Weitem hatten ihm ihre Lippen gefallen, aber jetzt, wo er sie aus der Nähe mustern konnte, war ihm klar, dass er sie niemals würde vergessen können. Sie waren voll und sinnlich, nur ein Hauch von Lipgloss lag darauf.

„Jetzt, wo wir uns vorgestellt haben – es freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Jack.“ Sie reichte ihm die Hand.

„Mich ebenso, Wonder Woman“, erwiderte er lächelnd.

Als ihre Hände sich berührten, spürte er es – und er wusste, dass sie es auch fühlte. Ihre Finger zitterten leicht, und aus irgendeinem Grund konnte er ihre Hand nicht loslassen. Das verunsicherte ihn. Er war jetzt zweiunddreißig Jahre alt, aber so eine Wirkung hatte bisher noch keine Frau auf ihn gehabt.

„Kommen Sie aus Atlanta?“ Ihre Stimme war sanft und hatte einen leichten Südstaatenakzent.

„Ja, ich bin hier geboren und aufgewachsen“, antwortete er und zog nur widerwillig seine Hand zurück. „Und Sie?“

„Ich auch“, sagte sie und blickte ihn an, als könnte sie durch seine Maske schauen. „Warum sind wir uns vorher noch nie begegnet?“

„Woher wollen Sie denn wissen, dass wir uns noch nie getroffen haben?“, fragte er lächelnd.

„Oh, glauben Sie mir, das wüsste ich“, gab sie amüsiert zurück. „Einen Mann wie Sie würde eine Frau nicht so schnell vergessen.“

„He, das ist mein Spruch. Sie haben ihn mir geklaut.“

„Sie können ihn zurückhaben, wenn Sie mich aus dieser Langweilerhölle rausholen.“

Einen Augenblick lang musterte er sie schweigend. Dann fragte er: „Sind Sie sicher, dass Sie das so meinen? Dass Sie mit mir kommen wollen?“

„Sind Sie sicher, dass Sie mich mitnehmen möchten?“, erwiderte sie herausfordernd.

Reggie musste lachen, so laut, dass sogar sein Bruder Jared es hörte, der einige Meter entfernt stand. Jared blickte ihn an und zog die Augenbrauen hoch. Insgesamt hatte Reggie fünf Brüder, aber nur er und Jared wohnten noch in Atlanta. Außerdem hatte er noch etliche Cousins, die in der Stadt lebten. Insgesamt gab es jede Menge Westmorelands, aber von der ganzen Familie waren nur er und Jared an diesem Abend auf dem Maskenball. Die übrigen hatten andere gesellschaftliche Verpflichtungen oder waren auf Reisen.

In gewisser Weise war Reggie dafür dankbar. Er war der jüngste der in Atlanta wohnenden Westmorelands, und seine Brüder und Cousins sahen in ihm immer noch gern das Nesthäkchen der Familie, obwohl er mit seinen zwei Metern Körpergröße all seine Verwandten überragte.

„Oh ja, ich würde Sie sofort und auf der Stelle mitnehmen. Wohin auch immer Sie möchten.“

Das meinte er ganz ernst.

Sie nickte höflich, aber er konnte ihre Gedanken erahnen. Sie dachte angestrengt darüber nach, wie sie das Fest mit ihm verlassen konnte, ohne sich in Gefahr zu begeben. Heutzutage durfte man als Frau nicht zu vertrauensselig sein, das konnte riskant werden. Und schließlich kannte sie ihn nicht, wusste nichts von ihm. Diese Vorsicht verstand er nur zu gut.

„Ich habe eine Idee“, sagte er schließlich, als sie nach einiger Zeit immer noch nicht geantwortet hatte.

„Und zwar?“

Schnell griff er in seine Jackentasche und zog sein Handy hervor. „Schreiben Sie jemandem, den Sie kennen und dem Sie vertrauen, eine SMS, und teilen Sie ihm mit, er soll meine Nummer speichern. Schreiben Sie ihm, dass Sie ihn morgen früh anrufen werden. Sobald er Ihren Anruf erhalten hat, kann er die Nummer wieder löschen.“

Olivia dachte kurz über seinen Vorschlag nach, überlegte dann, wem sie die SMS schicken könnte. Die Freundinnen, die sie früher hier gehabt hatte, waren alle fortgezogen. Ihren Vater konnte sie in einer so heiklen Angelegenheit natürlich nicht kontaktieren, das verstand sich von selbst. Blieben noch ihre Brüder. Duan hielt sich derzeit nicht in der Stadt auf; wegen seines Berufs als Privatdetektiv war er ständig im ganzen Land unterwegs. Terrence lebte auf den Florida Keys, der Inselkette südlich des Festlands. Sie verstand sich mit beiden Brüdern gut, aber Terrence war meist der großzügigere, nachgiebigere, während Duan gerne den älteren Bruder heraushängen ließ. Er würde unangenehme Fragen stellen. Nun ja, Terrence würde sicher auch Fragen stellen, aber er sah alles etwas lockerer.

Duan ging gern allen Dingen auf den Grund und hielt sich an sämtliche Regeln. Das lag sicher daran, dass er jahrelang erst als Streifenpolizist, dann als Kriminalbeamter für die Polizei von Atlanta gearbeitet hatte. Terrence hingegen, ein ehemaliger Profifootballspieler für die Miami Dolphins, wusste das Leben zu genießen. Ein Single, der gern Spaß hatte. Er besaß einen beliebten Nachtclub auf den Florida Keys.

Ja, es war sicher das Beste, sich an Terrence zu halten.

„Okay“, sagte sie und griff nach dem Handy. Schnell schickte sie ihm eine SMS, in der sie ihn ausdrücklich darum bat, er solle die Sendernummer wieder löschen, nachdem er am Morgen ihren Anruf erhalten hatte. Dann gab sie das Handy zurück.

„Fühlen Sie sich jetzt sicherer?“, fragte Reggie.

„Ja.“

„Gut. Wo möchten Sie denn gern hin?“

Am sichersten würde ich mich zu Hause fühlen, dachte Olivia, aber das verbietet sich von selbst. Ihr Vater war nämlich da und arbeitete an einer Wahlkampfrede, die er am Montag bei einem offiziellen Mittagessen vor wichtigen Gästen halten musste. „Ich bin schon lange nicht mehr in Stone Mountain gewesen.“ Das war ein Vorort von Atlanta, der wegen eines großen freiliegenden Granitfelsens gleichen Namens bekannt war.

„Alles klar. Dann ab nach Stone Mountain.“

„Wir fahren besser jeder in seinem Auto hin“, fügte sie schnell hinzu. Allmählich wurde sie nervös und unsicher. So etwas hatte sie nämlich noch nie gemacht – sich mit einem wildfremden Mann zu verabreden. Was war nur in sie gefahren? Doch ein Blick in seine Augen genügte, um sie sämtliche Zweifel sofort wieder vergessen zu lassen. Sie stellte sich vor, wie es sich anfühlen würde, in seinen Armen zu liegen, über sein Kinn zu streichen, seine Lippen zu spüren.

„In Ordnung“, gab er verschwörerisch zurück. „Sie fahren vor, und ich folge Ihnen.“

„Außerdem schlage ich vor, dass wir unsere Masken aufbehalten und unsere Maskenball-Namen benutzen“, merkte sie an und deutete auf ihr Namensschild.

Einen Augenblick lang musterte er sie nachdenklich, dann nickte er zustimmend. „Geht in Ordnung.“

Insgeheim atmete sie auf. Ihr Vater war in der Stadt sehr bekannt, und weil in ein paar Monaten die Wahlen stattfanden, wollte sie nichts tun, was seine Chancen auf den Sieg schmälern konnte. Ein Skandal, der ihren Namen in die Zeitung brachte, war das Letzte, was er brauchen konnte. Über so etwas wuchs nicht so leicht Gras.

„Gut, dann los“, sagte sie und stand auf. Inständig hoffte sie, dass sie keinen Fehler beging, aber als Reggie sie auf dem Weg zum Ausgang zufällig berührte, bekam sie das Gefühl, dass alles, was in dieser Nacht geschehen würde, nur richtig und in Ordnung sein konnte.

Normalerweise war Reggie für One-Night-Stands nicht zu haben. Dieser Abend jedoch stellte die große Ausnahme von der Regel dar, weil diese Frau etwas ganz Besonderes war. Das Auto, dem er nun hinterherfuhr, war ein Mietwagen – es gab also nichts über ihre Identität preis. Alles, was er über die Unbekannte wusste, war, dass sie in dieser Nacht Spaß haben wollte. Und er würde dafür sorgen, dass sie ihn auch bekam.

Sie fuhren in Richtung Stone Mountain, und er fragte sich, ob sie direkt auf ein Plätzchen zusteuerte, wo sie allein sein konnten. Oder wollte sie vielleicht zuerst noch auf ein paar Drinks in einen Nachtclub mit ihm gehen, um sich in Stimmung zu bringen? Clubs gab es in der Gegend zwar genug, aber dafür würden sie ihre Masken abnehmen müssen, und er hatte das Gefühl, dass sie das nicht wollte. Warum eigentlich? War sie in der Stadt ebenso bekannt wie er? Das heißt – noch war er eigentlich gar nicht so bekannt. Das würde erst am Montag kommen. Brent Fairgate, sein Wahlkampfmanager und der Mann, der ihn überhaupt erst überredet hatte, für den Senat zu kandidieren, startete dann nämlich die große Kampagne. In ganz Atlanta würden dann Wahlplakate mit Reggies Gesicht hängen.

Als sie vor einer roten Ampel halten musste, trat auch er auf die Bremse. Genau in diesem Moment klingelte sein Handy, und er zog es aus der Tasche. „Hallo …?“

„Wo steckst du denn?“

Er lachte kurz auf. „Mach dir um mich keine Sorgen, Jared. Tut mir leid, dass ich dir nicht Bescheid gesagt habe, bevor ich abgehauen bin.“

„Die Frau, mit der du dich vorhin unterhalten hast, ist auch nicht mehr zu sehen. Ist das ein Zufall?“

Reggie lächelte. „Keine Ahnung. Verrat du’s mir.“

Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen. Schließlich fragte Jared: „Reggie, ich hoffe, du weißt, was du tust?“

„Ja. Das weiß ich ganz genau. Und, Jared – bitte keine Moralpredigten.“

„Mach doch, was du willst“, gab sein Bruder barsch zurück. Dann legte er auf.

Die Ampel sprang auf Grün, und während Reggie wieder anfuhr, musste er daran denken, wie sich sein Leben mit dem Beginn des Wahlkampfs ändern würde. Er würde Reden halten müssen, Interviews geben, im Fernsehen auftreten, Babys küssen und so weiter und so fort. Von allen Westmorelands war er der erste, der in die Politik ging, und die Entscheidung war ihm nicht leichtgefallen. Aber in Atlanta tat sich enorm viel, und er wollte der Stadt, die ihm so viel ermöglicht hatte, etwas zurückgeben.

Seine Brüder hatten in anderen Städten studiert, er jedoch in Atlanta, und er hatte es nie bereut. Ja, das waren schöne Zeiten gewesen, und ein paar Jahre später hatte er dann sein Wirtschaftsprüfungsunternehmen aufgemacht. Damals war seine Cousine Delaney sein bester Kumpel gewesen. Altersmäßig waren sie nur wenige Monate auseinander und hatten sich immer nahegestanden. Er hatte Delaney damals auch geholfen, ihre fünf überfürsorglichen Brüder zu überlisten, als sie nach Abschluss ihres Medizinstudiums etwas Zeit für sich und ihr Privatleben brauchte. Heimlich hatte er ihr seine Berghütte zur Verfügung gestellt, ohne Dare, Thorn, Stone, Chase und Storm zu verraten, wo sie war. Er konnte von Glück sagen, dass seine Cousins ihm nicht alle Knochen gebrochen hatten, nachdem sie von seiner heimlichen Hilfe erfahren hatten. Eigentlich hatten sie ihm das angedroht, dann aber doch Gnade vor Recht ergehen lassen. Das Gute an der Sache war, dass Delaney ihren Märchenprinzen, einen Scheich, kennengelernt und sich in der Berghütte in ihn verliebt hatte.

Jetzt musste Reggie sich wieder aufs Fahren konzentrieren – Wonder Woman hatte den Blinker betätigt und bog auf den Parkplatz des luxuriösen Saxon-Hotels ein. Sie scheint einen guten Geschmack zu haben, dachte er lächelnd. Aber wir tragen ja immer noch unsere Masken – wie soll das funktionieren? Da kam ihm eine Idee. Er zog sein Handy hervor und wählte eine Nummer.

„Hallo?“

Im Hintergrund hörte man Babys juchzen und schreien. „Hier ist Reggie. Was stellst du denn da mit meinem Neffen und meinen Nichten an?“

Sein Bruder Quade lachte. „Nichts Schlimmes, keine Sorge. Es ist Badezeit, und die Kleinen sträuben sich ein bisschen. Was gibt’s denn …? Ach übrigens, ich muss dir ja noch gratulieren. Mom hat mir erzählt, dass du dich entschlossen hast, für den Senat zu kandidieren. Viel Glück.“

„Danke. Du musst mir einen Gefallen tun, Quade.“

„Was darf’s denn sein?“

„Ich brauche im Saxon-Hotel hier in Atlanta heute noch ein Zimmer, und Dominic Saxon ist doch dein Schwager.“

„Ja, und?“

„Organisier das bitte für mich, am besten sofort. Die Sache soll aber geheim bleiben, und die Rechnung geht an mich.“

Zunächst herrschte Schweigen am anderen Ende, dann fragte Quade zögernd: „Ich hoffe, du weißt, was du da tust, Reggie?“

Reggie schüttelte den Kopf. Genau die gleiche Frage hatte ihm vor wenigen Augenblicken Jared gestellt. „Ja, Quade, das weiß ich sehr gut. Und gerade von dir möchte ich keine Moralpredigten hören, wenn ich bedenke, wann und unter welchen Umständen mein Neffe und meine Nichten gezeugt wurden.“

„Ach, fahr zur Hölle, Reggie.“

Er musste lächeln. „Solche Ausdrücke gebraucht man doch nicht vor den Kindern, Quade … auch wenn es noch Babys sind. Und was die Hölle angeht, na ja, mal sehen, aber vorher erwartet mich noch eine Nacht im Himmel. Also tu mir den Gefallen, Quade. Dafür bin ich dir dann auch was schuldig. Wenn’s sein muss, fliege ich irgendwann sogar mal zu dir rüber und spiele den Babysitter für die Kleinen.“

„Wenn du das auf dich nehmen würdest, muss es wirklich eine heiße Braut sein.“

„Das kann man wohl sagen.“

Autor

Brenda Jackson

Brenda ist eine eingefleischte Romantikerin, die vor 30 Jahren ihre Sandkastenliebe geheiratet hat und immer noch stolz den Ring trägt, den ihr Freund ihr ansteckte, als sie 15 Jahre alt war. Weil sie sehr früh begann, an die Kraft von Liebe und Romantik zu glauben, verwendet sie ihre ganze Energie...

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