Die Westmorelands - Romane 7-12

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SEXY, SÜß - ZUM ANBEIßEN!

"Küssen Sie mich!" Jessica tut, was ihr sexy Nachbar Chase Westmoreland will. Natürlich nur, um zu beweisen, dass sie sich nicht zu ihm hingezogen fühlt. Doch kaum spürt sie seine Lippen auf ihren, erwacht nie gekannte Leidenschaft in ihr …

WENN ZWEI SICH BEGEHREN ...

Eine einzige heiße Liebesnacht mit Durango Westmoreland - und schon steht Savannahs Singleleben Kopf. Denn als sie kurz darauf entdeckt, dass sie schwanger ist, macht Durango ihr einen Antrag! Allerdings nicht aus Liebe, oder?

SETZ ALLES AUF LEIDENSCHAFT

Brooke spürt sofort die ungebrochene Leidenschaft, als sie ihren Ex Ian in seinem Kasino wiedertrifft. Und sie gerät in Bedrängnis, denn zwischen heißen Küssen muss Brooke als Agentin undercover ermitteln - gegen den Mann, den sie liebt ...

BRENNEND HEIßES VERLANGEN

Eines Nachts wird alles anders zwischen Casey und ihrem Boss ... Sie ist überglücklich, dass McKinnon ihre Gefühle offenbar erwidert. Doch am nächsten Morgen tut er, als wäre nichts gewesen - was steckt dahinter?

GEKAUFTE KÜSSE

Glaubt Spencer wirklich, er könne ihre Liebe kaufen? Und das Weingut ihrer Familie gleich dazu? Nein, da hat er die Rechnung ohne mich gemacht!, denkt Chardonnay Niemals könnte sie sich in einen so berechnenden Mann verlieben - doch warum weckt er solches Verlangen in ihr?

HEIßKALTE WINTERNACHT

So hatte sich Patrina das nicht vorgestellt, als sie Cole aus dem Schneesturm rettete: Von seinen leidenschaftlichen Küssen erregt, gibt sie sich ihm hin. Obwohl sie weiß, dass ihre Liebe nur eine heiße Affäre in einer kalten Winternacht sein kann…


  • Erscheinungstag 21.10.2015
  • ISBN / Artikelnummer 9783733772796
  • Seitenanzahl 864
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Brenda Jackson

Die Westmorelands - Romane 7-12

IMPRESSUM

SEXY, SÜSS – ZUM ANBEISSEN! erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© 2005 by Brenda Streater Jackson
Originaltitel: „The Chase Is On“
erschienen bei: Silhouette Books, Toronto
in der Reihe: DESIRE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe COLLECTION BACCARA
Band 346 - 2014 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg
Übersetzung: Heike Warth

Abbildungen: CURAphotography/Thinkstock

Veröffentlicht im ePub Format in 09/2015 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733743253

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

 

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PROLOG

Vor achtzehn Jahren

„Einem Graham kann man nicht trauen.“

Chase Westmoreland war ins Restaurant seines Großvaters gekommen und setzte sich jetzt auf einen Barhocker an der Theke. Der alte Mann drehte sich zu seinem sechzehnjährigen Enkel um und stellte ein Glas Milch und einen Teller Gebäck vor ihn hin.

„Warum nicht? Was haben sie dir denn getan, Grampa?“, wollte Chase wissen und widmete sich unverzüglich seinem Gebäck.

„Was sie mir getan haben? Das kann ich dir sagen! Carlton Graham hat einen Teil unserer Rezepte gestohlen und sie an Donald Schuster verkauft.“

Die Rezepte waren seit Generationen im Besitz der Familie und Scott Westmoreland heilig.

„Aber ich dachte, Mr Graham ist dein Freund“, erwiderte Chase und hörte auf zu essen.

„Nicht mehr“, gab sein Großvater düster zurück. „Damit ist seit zwei Wochen Schluss, genauso wie mit unserer Partnerschaft.“

Chase trank einen großen Schluck Milch. „Weißt du denn sicher, dass er das war?“

Scott Westmoreland nickte. Die Enttäuschung und auch der Schmerz über den Verrat standen ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. „Ja, hundertprozentig. Neuerdings hat Schuster nämlich ein paar Gerichte auf seiner Karte, die ebenso wie meine schmecken. Ich habe mich selbst davon überzeugt.“

„Echt?“, fragte Chase.

„Ja, ohne jeden Zweifel. Schuster rückt zwar nicht damit heraus, woher er die Rezepte hat, aber das ändert nichts daran, dass sie mir gehören.“

Chase hatte Mr Graham immer gemocht. Außerdem waren seine Schokoladenplätzchen eindeutig besser als die von Grampa. Irgendetwas war darin, was einen süchtig machen konnte. „Hast du denn schon mit Mr Graham geredet?“

„Ja, natürlich. Aber er streitet alles ab. Dabei weiß ich genau, dass er lügt. Außer ihm kennt niemand die genauen Zutaten. Wahrscheinlich hat er jetzt ein schlechtes Gewissen. Und das ist sicher auch der Grund dafür, dass er mit seiner Familie wegzieht.“

Chases Augen wurden groß. „Die Grahams ziehen weg?“

„Ja, und unter den Umständen ist das wohl auch das Beste. Ich weine keinem von ihnen eine Träne nach. Merk dir das: Traue niemals einem Graham.“

1. KAPITEL

Die Gegenwart

Irgendetwas musste sich ändern.

Chase Westmoreland bog auf den Parkplatz hinter dem Restaurant ein. Die sechs Monate sexueller Abstinenz waren vermutlich der Grund dafür, dass es mit seiner Laune in jüngster Zeit nicht gerade zum Besten stand.

Es hatte nichts damit zu tun, dass seine vier Brüder und seine kleine Schwester in den letzten drei Jahren geheiratet hatten. Selbst sein Cousin Jared, eigentlich ein eingefleischter Junggeselle und Scheidungsanwalt, war vor einer Weile schwach geworden. Allmählich war er das wissende, etwas mitleidige Lächeln leid, mit dem seine Familienmitglieder ihn bedachten. Als wüssten sie genau, dass es auch bei ihm nicht mehr lange dauern würde, bis er in den Hafen der Ehe einlief. Aber darauf konnten sie lange warten!

Seine Brüder erklärten ihm regelmäßig, dass er es sich schon noch anders überlegen würde, wenn er erst die richtige Frau träfe. Aber diese „Richtige“ gab es nicht.

„Was, zum Kuckuck …“ Chase bremste ruckartig. Er hatte ganz vergessen, dass eines der Nachbargebäude verkauft worden war, und offenbar zogen heute die neuen Mieter ein.

Atlanta war eine moderne Stadt, die sich trotz enormer Betriebsamkeit ihren Südstaatencharme bewahrt hatte. Chases Restaurant lag im Stadtkern in einer fast idyllischen Umgebung, in der die Leute gerne einkaufen gingen und Geschäfte machten. Jetzt erinnerte Chase sich daran, dass sein neuer Nachbar einen Laden für Süßwaren oder Ähnliches eröffnen wollte. Das gefiel ihm nicht zuletzt deshalb, weil er selbst eine Schwäche für Schokolade hatte. Allerdings wurde seine Vorfreude durch die Hektik und den Lärm, die sich schon ab sechs Uhr morgens entfalteten, deutlich gedämpft.

Überall kurvten Lastwagen herum und blockierten die Parkplätze, die er dringend für seine Gäste benötigte. Schon zur Frühstückszeit war sein Restaurant immer brechend voll, und das emsige, laute Durcheinander auf seinem Parkplatz missfiel ihm gewaltig. Ein Glück, dass er selbst über einen reservierten Stellplatz verfügte, sonst hätte er nicht gewusst, wo er seinen Wagen lassen sollte.

Als ein Lieferwagen seinen Weg blockierte, versuchte er sich zur Ruhe zu zwingen – allerdings mit mäßigem Erfolg. Heute war Montag, eindeutig kein guter Tag, um seine Geduld auf die Probe zu stellen. Und so wollte er gerade hupen, als eine Frau aus dem Haus kam und ihn ablenkte. Einen Moment lang vergaß er bei ihrem Anblick sogar seinen Ärger, und für ein paar Sekunden blieb ihm die Luft weg.

Während die Frau mit dem Fahrer des störenden Lieferwagens sprach, hatte Chase Zeit, sie ausführlich zu betrachten. Sie trug einen kurzen Bäckerkittel, und er konnte nur hoffen, dass sie darunter Shorts anhatte. Andernfalls würde ein plötzlicher Windstoß enthüllen, was sie wahrscheinlich nicht zur Schau stellen wollte. Langsam breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. Trotz dieses Kittels konnte er erkennen, dass sie eine fantastische Figur hatte.

Er ließ den Blick zu ihrem Gesicht wandern. Es war so schön, dass er einen regelrechten Schock erlitt. Die Augen waren von einem hellen, honigfarbenen Braun, die Lippen erdbeerrot. Am liebsten wäre er auf der Stelle ausgestiegen und hätte die Frau mitten auf den Mund geküsst. Die Haare fielen ihr in wilden dunkelbraunen Locken bis auf die Schultern. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte Chase sich körperlich von einer Frau angezogen. Aber sie war wirklich eine herausragende Vertreterin ihres Geschlechts.

Er holte tief Luft und zwang sich, ruhig zu bleiben. Er war vierunddreißig Jahre alt und heißblütig, und da war es ganz normal, dass er so reagierte. Trotzdem … Er konnte es sich nicht leisten, sich von einem Paar hinreißender Beine und einem wunderschönen Gesicht ablenken und aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen. Dazu war die Erinnerung an sein letztes Jahr in der Duke University und an Iris Nelson noch zu lebhaft. Alarmglocken schrillten plötzlich in seinem Inneren, und sofort kam er wieder zur Vernunft.

Seufzend gönnte er sich einen abschließenden Blick auf die fast überirdische Erscheinung, dann setzte er seinen Wagen wieder in Bewegung und fuhr vorsichtig an dem Hindernis vorbei. Jetzt brauchte er erst einmal einen starken Kaffee.

Dumm war nur, dass er die leere Stelle an ihrem linken Ringfinger bemerkt hatte und dass diese Tatsache seine Laune mehr hob, als gut für ihn war.

Jessica Claiborne sah sich zufrieden in ihrem Laden um. Morgen sollte die große Eröffnung steigen. Alles Nötige war erledigt, die Bestellungen waren gemacht und würden rechtzeitig eintreffen. Sie hatte zwei Studentinnen angeheuert, die Flugblätter auf der Straße verteilen sollten. Da sie ihre Pralinen und Süßwaren täglich frisch zubereitete, hatte sie dem hiesigen Kinderkrankenhaus versprochen, dass sie alles, was sich bis zum Abend nicht verkaufen ließ, dorthin spenden würde. Außerdem hatte sie mit zwei Hotels in der Stadt vereinbart, dass sie deren Restaurants und Cafés beliefern würde. Am Morgen hatten die Maler den Namen ihres Ladens endlich auf das Schaufenster gepinselt: Delicious Cravings, „Süße Köstlichkeiten“.

Für diese Chance würde sie ihrer Großmutter ein Leben lang dankbar sein. Die alte Dame, die im vergangenen Jahr am 25. Geburtstag ihrer Enkelin gestorben war, hatte ihr so viel Geld hinterlassen, dass sie sich ihren Traum vom eigenen Süßwarengeschäft erfüllen konnte. Der Stelle als Anwältin bei einer großen Firma in Sacramento weinte sie keine Träne hinterher. Als sie an ihre geliebte Großmutter dachte, blickte sie aus dem Fenster. Trotz des wunderschönen Tages spürte sie eine leise Wehmut.

Der Duft von Schokolade durchzog ihren Laden. Sie hatte heute schon eine Auswahl an Eclairs und Tartes gebacken. Sie dienten als Einstandsgruß für ihre Nachbarn und waren ein Dankeschön dafür, dass sie alle Umbauarbeiten und den damit verbundenen Lärm und Staub so geduldig ertragen hatten.

Mrs Morrison, die Besitzerin der Schneiderei nebenan, hatte sich über die Geste sehr gefreut, war gegen Schokolade aber leider allergisch. Dafür hatten sich die Brüder Criswell, die die benachbarte Karateschule betrieben, umso begeisterter gezeigt und versprochen, Werbung für das neue Geschäft zu machen. Jetzt fehlte lediglich der Besitzer des Restaurants Chase’s Place im übernächsten Gebäude. Jessica konnte nur hoffen, dass er sich ebenso verständnisvoll zeigte wie Mrs Morrison und die Criswells und ihr Antrittsgeschenk zu würdigen wusste.

Sie nahm die letzte Schachtel ihrer süßen Köstlichkeiten und machte sich auf den Weg zu ihm. Es war früher Nachmittag, und das Restaurant schien bis auf den letzten Platz besetzt zu sein. Wenn sie Glück hatte, fiel etwas von dem offenbar blühenden Geschäft auch für sie ab. Schon vor dem Restaurant roch es verführerisch nach Essen, und sie merkte plötzlich, dass sie seit dem Frühstück nichts mehr zu sich genommen hatte.

Das Restaurant gefiel ihr auf den ersten Blick. Trotz der offensichtlich gehobenen Ansprüche wirkte es gemütlich. Auf jedem Tisch stand eine Lampe, und die Tischtücher passten zu den Vorhängen. Beherrscht wurde der Raum von einer langen Theke mit Barhockern, aus den Lautsprechern drang leise Jazzmusik.

Eine junge Frau kam auf sie zu. „Willkommen in Chase’s Place. Wie kann ich Ihnen helfen?“

Jessica lächelte sie an. „Mir gehört der neue Süßwarenladen nebenan. Ich wollte nur ein paar Kostproben vorbeibringen und mich für die Unannehmlichkeiten entschuldigen, die ich Ihnen verursacht habe.“

„Kommen Sie, ich bringe Sie ins Büro zu Chase.“

Jessica folgte der Bedienung zur anderen Seite des Restaurants und einen Korridor entlang, bis sie vor einer Tür stehen blieb.

„Ja, bitte?“ Die Stimme von drinnen klang tief und ein wenig heiser.

„Sie haben Besuch.“

„Ein Wunder, dass überhaupt noch jemand durch dieses Parkplatzchaos den Weg hierher gefunden hat. Am liebsten würde ich dieser rücksichtslosen Person so richtig Bescheid sagen. Es ist wirklich nicht zu fassen, wie sie …“

Chase verstummte. Vor ihm stand genau die Frau, auf die er so wütend war.

„Sieht so aus, als hätte ich Ihnen den Weg erspart“, erwiderte Jessica kühl. „Eigentlich hatte ich erwartet, dass Sie etwas mehr Verständnis aufbringen würden, so wie die anderen Nachbarn auch.“

Was sie noch sagte, nahm Chase nicht mehr wahr. Er starrte die Erscheinung vor sich wie hypnotisiert an. Seine neue Nachbarin war eindeutig verärgert – und dabei unglaublich sexy. Sie trug Shorts und dazu nichts als ein knappes, trägerloses Oberteil. Und ihre Beine waren genauso aufregend wie heute Morgen. Je näher sie kam, desto schöner erschien sie ihm. Vor allem ihre erdbeerroten, schimmernden Lippen hatten es ihm angetan. Dazu kamen die honigbraunen Augen und die wilden dunklen Locken. Ihr Gesicht war perfekt geschnitten, die Nase frech und vorwitzig. Und dieser Mund lud eindeutig zum Küssen ein.

„Und ich hoffe, dass Sie daran ersticken!“

Chase wurde aus seinen lustvollen Gedanken gerissen, als sie ihm eine Schachtel an die Brust knallte. In der nächsten Sekunde war sie weg. Er blickte seine Bedienung an. „Was war das denn, Donna?“

Donna gab sich vergeblich Mühe, ihre Heiterkeit zu verbergen. „Ich glaube, sie hat es Ihnen gezeigt, Boss. Haben Sie nicht zugehört?“

Nein, genau genommen hatte er nicht zugehört. Jetzt betrachtete er die Schachtel vor sich.

„Das war so eine Art Friedenspfeife“, erklärte Donna. „Sie wollte sich für die Unannehmlichkeiten der vergangenen Tage entschuldigen. Ich finde das sehr nett und nachbarschaftlich. Sie hatte wohl ein bisschen mehr Verständnis von Ihnen erwartet.“

Chase nickte nur. Er bereute seine Rüpelhaftigkeit ja auch schon. Aber er hatte die ganze letzte Woche schlechte Laune gehabt und jemanden gebraucht, an dem er seinen Ärger auslassen konnte. Und sie war schließlich eine Frau, und Frauen – oder eher ihr Nichtvorhandensein – waren die Wurzel des ganzen Übels.

Zugegeben, er war nicht so ein Frauenschwarm wie sein Zwillingsbruder Storm in früheren Jahren. Doch für gewöhnlich fanden sich in seinem Adressbuch genügend Telefonnummern von Frauen, die sich gern mit ihm trafen und Lust auf Sex hatten, ohne dass sie gleich geheiratet werden wollten. Aber aus irgendeinem Grund war ihm die Lust an nichtssagenden Affären vergangen. Die letzte Frau, mit der er öfter ausgegangen war, hatte mehr in das Ganze hineininterpretiert, als es seine Absicht gewesen war, und er hatte größte Mühe gehabt, sie wieder loszuwerden. Er hatte kein Interesse an einer ernsthaften Beziehung, und das hatte er ihr auch gleich zu Anfang gesagt. Offenbar hatte sie das dann irgendwann vergessen oder einfach nicht ernst genommen.

Müde fuhr er sich mit der Hand übers Gesicht. Es gab Frauen, die in jedem alleinstehenden Westmoreland eine Herausforderung sahen. Sein Bruder Storm hatte nach der Philosophie gelebt, dass Frauen ihm zu sehr gefielen, um sich auf eine zu beschränken. Dann war er jedoch seiner geliebten Jayla begegnet und zum treusorgenden Ehemann geworden. Chase wiederum lernte aus seinen Fehlern, und sein größter Fehler war eine Frau namens Iris Nelson gewesen – eine Frau, die er sehr geliebt hatte.

In seiner Zeit auf dem College hatte er vor einer hoffnungsvollen Karriere als Basketballprofi gestanden. Als ein Unfall diesen Traum platzen ließ, war er für Iris auf einmal nicht mehr so anziehend. Da seine Profikarriere beendet war, bevor sie begonnen hatte, war auch eine Ehe mit ihm nicht mehr so verlockend.

Über die Jahre hatte er viele Frauen kennengelernt, die lediglich daran interessiert waren, was bei einer Beziehung für sie heraussprang. Und wenn ihnen das nicht reichte, waren sie ganz schnell wieder verschwunden. Um Liebeskummer und immer neue Enttäuschungen in Zukunft zu vermeiden, gestand er Frauen in seinem Leben nur noch eine zweitrangige Bedeutung zu.

„Und?“, hakte Donna nach. „Was wollen Sie jetzt tun?“

Chase hatte keine Ahnung. Er wusste aber, dass eine Entschuldigung fällig war. „Kevin soll mir die Spezialität des Tages einpacken.“

Donna lachte. „Sie glauben, das besänftigt sie?“

Wieder blickte er auf seine Schachtel hinunter. Delicious Cravings stand darauf. „Warum nicht? Ich schlage sie einfach mit ihren eigenen Waffen.“

„Aha.“ Donna sah ihn eine Weile an und ließ ihn dann allein.

Süße Köstlichkeiten. Ja, der Name passte zu seiner neuen Nachbarin.

Chase öffnete die Schachtel und verliebte sich auf der Stelle in den Inhalt. Die Urheberin dieser Kreationen hatte eindeutig eine Entschuldigung verdient, und zwar noch heute, bevor der Abend zu Ende war.

Was für ein Rüpel!

Jessica holte tief Luft, um sich wieder zu beruhigen. Wie kam dieser unverschämte Mensch dazu, sie rücksichtslos zu nennen? Ausgerechnet sie! Sie gehörte zu den rücksichtsvollsten Menschen, die man sich überhaupt vorstellen konnte. Das war ja einer der Gründe gewesen, warum sie ihre hoch bezahlte Stelle als Firmenanwältin gekündigt hatte. Sie hatte nämlich einfach keine Lust mehr gehabt, für Dinge zu kämpfen, hinter denen sie nicht stand, und Policen zu verkaufen, mit denen ihre Kunden sich ruinierten. Den Profit der Firma über die Interessen der Kunden zu stellen hatte sie mit ihrem Gewissen nicht mehr vereinbaren können.

Außerdem war die Rücksicht auf die Wünsche ihrer Familie sowieso der einzige Grund, warum sie sich mit den Westmorelands abgab. Damit wollte sie ein Unrecht, das an ihrer Familie begangen worden war, wiedergutmachen. Wie konnten diese Leute behaupten, ihr Großvater habe unehrenhaft gehandelt? Sie hatte keinen aufrechteren Menschen als ihn gekannt, und am liebsten hätte sie den Westmorelands einmal gründlich die Meinung gesagt. Aber ihre Großmutter hatte ihr noch auf dem Totenbett das Versprechen abgenommen, den Familiennamen reinzuwaschen, ohne gleich in den Krieg zu ziehen. Eigentlich hatte sie Atlanta nur einen Besuch abstatten wollen, aber dann hatte sie sich entschlossen, gleich hierherzuziehen. Die Stadt gefiel ihr.

Sie dachte wieder an den Besitzer des Restaurants. Wenn sie ehrlich war, dann hatte sie ihn eigentlich aus purer Notwehr so angefahren – damit sie ihm nicht auf der Stelle verfiel. Denn sie musste einfach zugeben, dass er sündhaft sexy war. Er war groß, hatte einen perfekten Körper und ein atemberaubend schönes Gesicht. Und er hatte sie daran erinnert, dass sie eine Frau war.

Das Letzte, was sie brauchen konnte, war einen Mann wie ihn. Denn Männer waren untreu und immer auf ihren Vorteil bedacht, das durfte sie nie vergessen. Im Gegensatz zu ihrer Mutter hatte sie ihre Lektion gelernt. Jeff Claiborne war vielleicht der Mann, der sie gezeugt hatte und dessen Namen sie trug. Aber er war auch der Mann, der ihre Mutter mit seinen Heiratsversprechen fünfzehn Jahre lang hingehalten und schließlich ins Unglück getrieben hatte.

Um dem Drama ein Ende zu machen, hatte ihr Großvater eines Tages einen Detektiv engagiert, der bald herausfand, dass Jeff Claiborne schon verheiratet war und eine Familie in Philadelphia hatte. Von diesem herben Schlag hatte Janice Graham sich nie mehr erholt und sich lieber das Leben genommen, als mit diesem Schmerz und dieser Enttäuschung weiterzuleben.

Jessica war fünfzehn Jahre alt gewesen, als ihre Mutter starb, und sie hatte sich geschworen, ihr Herz niemals einem Mann zu schenken. Auf Typen, die die Liebe mit Füßen traten, würde sie nicht hereinfallen.

Ihr Großvater hatte Jeff Claibornes Betrug nicht einfach so hingenommen, sondern dessen Ehefrau einen Besuch abgestattet und sie mit den Beweisen für das Doppelleben ihres Mannes konfrontiert. Daraufhin hatte Jennifer Claiborne sofort die Scheidung eingereicht und ihren Mann nach achtzehn Jahren Ehe verlassen. Aber sie hatte Jessica mit offenen Armen aufgenommen und dafür gesorgt, dass sie ihre Halbgeschwister Savannah und Rico kennenlernte. Und vor allem hatte sie durchgesetzt, dass Jeff Claiborne seiner Tochter Unterhalt bezahlte. Den College-Besuch hatte sie selbst finanziert.

Ihre neue Schwester und ihr Bruder standen Jessica so nahe, wie es Geschwister nur konnten. Und Jennifer war ihr fast eine zweite Mutter geworden. Sie war in der Familie jederzeit willkommen, und das war ein schönes Gefühl.

Es klopfte. Die Dämmerung war hereingebrochen, doch Jessica konnte den Besucher durch die Schaufensterscheibe deutlich erkennen: Es war ihr unhöflicher Nachbar. Sie hätte ihn am liebsten draußen stehen lassen, wollte sich aber auch nicht vor ihm verstecken. Schließlich gehörte sie nicht zu den Menschen, die vor Problemen davonliefen – und in diesem Fall war er ihr Problem. Da sie ihm vermutlich öfter über den Weg laufen würde, war es besser, sie schloss eine Art Waffenstillstand mit ihm. Auch wenn sie selbst nicht immer im Laden stand, so lebte sie doch in der Wohnung darüber.

Er klopfte wieder, und sie fand, dass sie ihn lange genug hatte warten lassen. Bevor sie die Tür öffnete, atmete sie tief durch. „Was wollen Sie?“, fragte sie ohne Einleitung.

Er hatte ihr den Rücken zugekehrt und betrachtete den Himmel. Es war ein wunderschöner Tag gewesen, doch jetzt sah es nach Regen aus. Langsam drehte er sich um. Ihre Blicke trafen sich, und Jessica wurde heiß. Sie musste an köstliche Schokolade mit Rum denken, und unwillkürlich lief ihr das Wasser im Munde zusammen. Plötzlich bemerkte sie, dass eine winzige Unebenheit auf dem Nasenrücken die Vollkommenheit seiner Züge störte. Vielleicht war die Nase einmal gebrochen gewesen. Ader das spielte keine Rolle, denn der kleine Makel ließ den Rest umso attraktiver erscheinen.

Das war kein gutes Zeichen.

Aber es kam noch schlimmer. Die Art und Weise, wie er sie anlächelte, ließ ihre Knie weich werden, und sie hielt sich unwillkürlich an der Tür fest. Es ärgerte sie, dass er diese Wirkung auf sie hatte. „Also“, fuhr sie ihn an. „Was wollen Sie?“

Sein Lächeln wurde breiter. Entweder fiel ihm ihre Unfreundlichkeit nicht auf, oder er setzte sich absichtlich darüber hinweg. „Ich wollte mich bei Ihnen entschuldigen und Ihnen ein Friedensangebot machen.“ Er hielt eine kleine Tüte in der Hand, aus der verführerischer Essensduft stieg. „Ich war eben irgendwie neben der Spur“, meinte er. „Tut mir leid. Ich weiß, wie viel Stress so ein Einzug verursacht, und kann mich nur damit herausreden, dass ich eine ziemlich anstrengende Woche hinter mir habe. Aber für meine Probleme können Sie ja nichts.“

Sein Auftritt überraschte Jessica. Doch ihr Misstrauen war noch nicht geschwunden. Sie hatte schon vor langer Zeit gelernt, dass man vor redegewandten Männern auf der Hut sein musste.

„Und?“, fragte er jetzt nach. „Nehmen Sie meine Entschuldigung an?“

Sie schob das Kinn vor. „Und welchen Grund sollte ich dafür haben?“

„Sie könnten beweisen, dass Sie sehr viel netter sind als ich und den Großmut besitzen, mir meine Sünden zu verzeihen.“

Jessica lehnte sich an den Türrahmen. Das war natürlich richtig. Sie war eindeutig sehr viel netter als er, aber das mit dem Verzeihen … Sie atmete tief durch und kam zu dem Schluss, dass sie keine Lust hatte, seine Entschuldigung zu akzeptieren. Außerdem missfiel ihr die Chemie zwischen ihnen, und das war Grund genug, ihn nicht leiden zu können. Dass das alles wenig vernünftig war, wusste sie selbst am besten, aber es kümmerte sie im Moment nicht. „Es gibt vieles, was ich übersehen kann. Unhöflichkeit gehört nicht dazu.“

Chase hob eine Augenbraue. „Das heißt, Sie nehmen meine Entschuldigung nicht an?“

Jessica sah ihn böse an. „Nein.“

Seine Stirn legte sich in Falten. „Warum nicht?“

„Weil ich nicht in der Stimmung bin. Wenn Sie mich also entschuldigen wollen. Ich muss …“

Er unterbrach sie mit einer Handbewegung. „Weil Sie nicht in der Stimmung sind?“, wiederholte er.

„So ist es.“

Er hatte ja schon mit vielen zickigen Menschen zu tun gehabt, aber diese Frau gab dem Wort eine neue Bedeutung. Gut, er war unhöflich gewesen, aber schließlich hatte er sich dafür entschuldigt.

„Jetzt hören Sie mir einmal zu“, begann er. „Ich weiß, dass unsere Bekanntschaft nicht gerade ideal angefangen hat, und dafür bitte ich um Entschuldigung. Sie haben recht, ich war unhöflich. Doch jetzt sind Sie es, die sich völlig unvernünftig benimmt.“

Jessica stieß einen tiefen Seufzer aus. Ihr Gegenüber sah sie forschend an. Seine dunkelbraunen Augen waren wirklich zum Sterben schön, aber trotzdem …

Nichts trotzdem, Jessica Lynn, hörte sie ihre Großmutter sagen, du kannst nicht in jedem Mann deinen Vater sehen! Du kannst dich nicht dein Leben lang gegen jeden Mann abschotten, der dir ein bisschen zu nahe kommt.

Sie seufzte wieder und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Natürlich hatte ihre Großmutter recht gehabt, aber es war einfach lebenswichtig für sie, sich zu schützen. Und irgendetwas sagte ihr, dass sie den Mann, der da vor ihr stand, um jeden Preis meiden musste.

„Lassen Sie uns Frieden schließen“, bat Chase jetzt und holte sie aus ihren Gedanken in die Gegenwart zurück. „Ihre Süßigkeiten waren übrigens köstlich, vor allem die Kekse mit den Schokoladenstückchen. Ich habe seit Ewigkeiten keine Plätzchen mehr gegessen, die auch nur annähernd so gut schmeckten.“ Er wagte ein Lächeln. „Und ich habe Ihnen auch nicht den Gefallen getan, daran zu ersticken.“

„Ein Jammer“, gab Jessica trocken zurück. Ihre Blicke versanken kurz ineinander, und sie wusste, dass er versuchte, sie zu verstehen. Bestimmt war er nicht daran gewöhnt, dass Frauen ihm so viel Ärger machten. Er musste im Normalfall sicher nur lächeln, um zu bekommen, was er wollte. So wie ihr Vater.

Jessica schlang die Arme um ihren Oberkörper. Er würde ja doch nicht verschwinden, bevor sie seine Entschuldigung akzeptierte. „Okay. Ich verzeihe Ihnen. Auf Wiedersehen.“

Er konnte gerade noch verhindern, dass sie ihm die Tür vor der Nase zuschlug. Lächelnd hob er seine Tüte hoch: „Wollen Sie mein Friedensangebot nicht annehmen?“

Resigniert streckte sie die Hand danach aus. „Ja, okay. Danke.“

Chase lachte. „Na also.“ Aber statt ihr die Tüte zu geben, reichte er ihr seine Hand. „Wir haben uns noch gar nicht richtig miteinander bekannt gemacht. Chase Westmoreland.“

Jessica wurde blass. „Westmoreland?“, wiederholte sie wie betäubt.

„Genau. Wahrscheinlich ist Ihnen der Namen schon vertraut. Unsere Familie ist ziemlich zahlreich in Atlanta vertreten.“

Wie vertraut ihr der Name tatsächlich war, sagte sie ihm lieber nicht. Stattdessen schüttelte Jessica den Kopf. „Ich bin gerade erst aus Kalifornien hergezogen und kenne mich in der Stadt noch gar nicht aus.“

„Und darf ich wissen, wie Sie heißen?“

„Jessica Claiborne.“

Er lächelte breiter. „Willkommen in Atlanta, Jessica. Haben Sie auch Familie hier?“

„Nein“, antwortete sie ehrlich. Sie war wie vor den Kopf geschlagen. Ein Westmoreland! Ausgerechnet.

Ein längeres Schweigen entstand zwischen ihnen. Dann erinnerte Chase sich wieder an seine Tragetasche. „Die hätte ich fast vergessen. Guten Appetit. Das ist unser heutiges Tagesgericht.“

„Danke.“

Er zögerte noch einen Moment. „Ich muss mich auf die Socken machen, bevor die ersten Gäste eintrudeln. Wohnen Sie auch im Haus?“

„Ja“, sagte Jessica. Sie hielt die Tüte mit beiden Händen fest. Jetzt musste sie erst einmal dringend nachdenken.

„Wenn es spät wird, schlafe ich auch manchmal hier. Falls Sie irgendetwas brauchen, lassen Sie es mich wissen.“

Jessica merkte, dass sie fast vergessen hätte zu atmen, und schloss die Tür vor der Versuchung.

2. KAPITEL

Jessica lehnte sich zufrieden zurück. So gut hatte sie schon sehr lange nicht mehr gegessen. Die überbackenen Schweinekoteletts mit dem selbst gemachten Kartoffelpüree hätten nicht besser schmecken können. Und der Karottenkuchen zum Dessert war die Krönung gewesen. Es war kein Wunder, dass das Restaurant so gut lief. Und wenn sich jemand mit Nachtisch auskannte, dann war sie das. Schon ihre Großmutter war eine begnadete Bäckerin gewesen und hatte die wunderbarsten Köstlichkeiten gezaubert. Und sie hatte diese Begeisterung geerbt.

Für kurze Zeit hatte sie sogar mit dem Gedanken gespielt, eine Ausbildung als Dessertköchin zu machen, anstatt Jura zu studieren. Ihr Großvater war jedoch der Ansicht, dass es schon genügend Köche bei den Grahams gebe. Und damit hatte er recht.

Beim Abwaschen sah Jessica sich in ihrer neuen Umgebung um. Die Wohnung hatte große Fenster und einen Holzfußboden. Mit dem geräumigen Wohnzimmer sowie Bad und Küche und einem Schlafzimmer war sie ideal auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten. Ihr gehörte nicht nur die Wohnung, sie hatte auch das ganze Haus einschließlich des Ladens, der Dessertküche und des kleinen Büros im hinteren Teil gekauft.

Sie ging ans Fenster und blickte zu Chase’s Place hinüber.

Gerade trat der Eigentümer in Begleitung eines zweiten Mannes auf die Straße, und sie hielt unwillkürlich den Atem an. Die beiden Männer sahen sich so ähnlich, dass sie verwandt sein mussten. Das konnte sie sogar von hier oben erkennen. Der andere Mann sah ebenfalls gut aus, aber es war Chase, den sie wie gebannt beobachtete. Die Sonne war untergegangen, doch ein letzter Strahl fiel noch auf ihn. In den Jeans und dem schwarzen Baumwollpulli sah er einfach unverschämt gut aus.

Jessica stieß einen Seufzer aus, und als hätte Chase sie gehört, sah er zu ihr herauf. Ihre Blicke trafen sich, und sie spürte die Wirkung fast körperlich. Ihr wurde warm, und ein leichtes Kribbeln breitete sich entlang ihrer Wirbelsäule aus. Und plötzlich spürte sie etwas, das sie vor langer Zeit, in ihrem ersten Collegejahr gefühlt hatte – damals, als sie das erste und auch letzte Mal in ihrem Leben Sex gehabt hatte. Es war eine schreckliche Erfahrung gewesen, und sie hatte nie auch nur das geringste Bedürfnis verspürt, sie zu wiederholen.

Aber jetzt, als sie zu Chase hinunterschaute, empfand sie mehr als nur Neugier. Eine Sekunde lang fragte sie sich, ob es mit ihm wohl anders wäre. Sie trat schnell vom Fenster zurück, als hätte er sie bei etwas Verbotenem ertappt. Wie hatte sie nur einen Augenblick vergessen können, wer Chase war? Sie hatte nicht die geringste Absicht, sich ausgerechnet wegen eines Westmoreland zur Närrin zu machen, wegen des Mitglieds einer verlogenen Familie, die ihren Großvater des Diebstahls bezichtigt hatte. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass Chase äußerst attraktiv war. Er war nun mal ein Westmoreland und damit verbotenes Terrain.

„Wer ist das?“

Chase wandte sich wieder seinem Bruder Storm zu. „Ich darf dich daran erinnern, dass du verheiratet bist“, erklärte er trocken.

Storm lachte und schüttelte den Kopf. „Daran brauchst du mich nicht zu erinnern. Andere Frauen als Jayla interessieren mich nicht. Und seit wir die Mädchen haben, ist unser Leben sowieso vollkommen.“ Damit meinte er seine drei Monate alten Zwillingstöchter. „Aber ich habe das Gefühl, dass du dich für die Dame interessierst.“

„Dann täuscht dich dein Gefühl. Sie ist meine neue Nachbarin und heißt Jessica Claiborne. Allerdings hat unsere Bekanntschaft ziemlich unglücklich angefangen. Ich habe nicht gerade den besten Eindruck bei ihr hinterlassen.“

„Aha. Und was bedeutet das?“

Chase lehnte sich an die Wand. „Ich glaube, sie mag mich nicht.“

„Dann streng dich an. Der erste Eindruck lässt sich doch ändern“ Storm entging nicht, dass sein Bruder unwillkürlich wieder zu dem Fenster hinaufsah, an dem die Frau gestanden hatte. Dann blickte er auf seine Uhr. „Ich muss los. Vergiss nicht die Taufe am Sonntag.“

„Wie könnte ich. Und anschließend essen wir alle bei mir.“

„Sicher?“, fragte Storm. „Ich möchte dir keine Umstände machen.“

„Tust du nicht. Außerdem würde ich für meine Nichten alle Umstände in Kauf nehmen. Dann ist es also abgemacht. Ich rufe Jayla morgen wegen des Menüs an.“

„Okay.“

Damit stieg Storm in sein Auto. Chase zögerte, als sein Zwillingsbruder weggefahren war, und sah zu Jessicas Laden hinüber. Ob ihr das Essen geschmeckt hatte? Um das herauszufinden, gab es eigentlich nur einen Weg.

Und so schob er die Hände in die Taschen seiner Jeans, marschierte an Mrs Morrisons Schneiderei vorbei und blieb schließlich vor Jessicas Schaufenster stehen. An der Tür hing zwar ein Schild mit der Aufschrift „Geschlossen“, aber er klopfte trotzdem mehrmals. Als ihn das nicht weiterbrachte, klingelte er.

„Wer ist da?“ Ihre Stimme klang sehr angenehm.

„Chase.“

Jessica öffnete die Tür und sah ihn unfreundlich an. „Was wollen Sie denn jetzt schon wieder?“

Es überraschte ihn, dass sie immer noch böse auf ihn war. Eigentlich hatte er erwartet, dass er sie mit seiner Entschuldigung besänftigt hatte – zumindest mit seinem Essen. Aber offenbar hatte er sich geirrt.

Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt, und er wünschte, sie würde das lassen. Zwar gefielen ihm eher schöne Beine, aber gegen einen ebensolchen Busen hatte er auch nichts einzuwenden. Und der wurde durch ihre Armhaltung auf das Vorteilhafteste betont. Sie hatte einen festen und vollen Busen. Er räusperte sich. „Ich habe Sie am Fenster stehen sehen.“

Ihr Blick wurde noch unfreundlicher. „Ach?“

Chase rieb sich die Stirn. Vielleicht waren die Leute dort, wo sie herkam, alle so kühl. Aber hier im Süden ging man wärmer und herzlicher miteinander um. „Darf ich annehmen, dass Ihnen das Essen geschmeckt hat?“

Mit dieser Frage schien er sie überrascht zu haben. „Ja, natürlich. Es war vorzüglich. Wie kommen Sie darauf, dass es mir nicht geschmeckt hat?“

„Weil Sie so abweisend sind.“

Okay, wieder einmal hatte sie sich eher unvorteilhaft präsentiert. Aber schließlich gab es dafür einen Grund: Er war ein Westmoreland, und sie war eine Graham.

Mit einem Seufzer ließ sie die Arme sinken. „Nehmen Sie es nicht persönlich, aber ich kann Sie nicht leiden.“

Chase lehnte sich an den Türrahmen. „Und warum nicht?“, fragte er interessiert.

Sie machte eine ungeduldige Handbewegung. „Ich dachte, das wäre offensichtlich.“

Er hob eine Augenbraue. „Sie meinen, wir sind zu verschieden?“

Ihr Ärger wuchs. „Ich kenne Sie zwar nicht sehr gut, doch ich würde annehmen, dass wir so verschieden wie Tag und Nacht sind.“

Chase lachte. „Das erklärt es.“

Jessica blickte ihn aus schmalen Augen an. „Das erklärt was?“

„Dass wir uns zueinander hingezogen fühlen. Gegensätze ziehen sich an, wussten Sie das nicht?“

Jessica schnaubte. „Ich fühle mich alles andere als zu Ihnen hingezogen.“

„Doch, tun Sie“, gab Chase zurück und lächelte breiter. Seine Körperhaltung drückte sehr viel Selbstvertrauen aus.

„Glauben Sie, was Sie wollen.“

„Natürlich könnten Sie versuchen, mir das Gegenteil zu beweisen.“

„Und wie soll das gehen?“

Chase hob nachlässig die Schultern. „Vergessen Sie es. Das ist nicht der richtige Zeitpunkt, um …“

„Stopp! Wenn es eine Möglichkeit gibt, das Gegenteil zu beweisen, dann will ich wissen, was das ist“, fuhr Jessica ihn an.

Chase sah ihr in die Augen. „Gut. Aber ich bin nicht sicher, ob Sie das auch wirklich wollen.“

Jessica bebte vor Ärger. „Ich will jetzt sofort wissen, wie ich Ihnen beweisen kann, dass ich mich nicht zu Ihnen hingezogen fühle.“

„Küssen Sie mich.“

Jessica verschlug es die Sprache. Typisch Mann, etwas anderes fiel ihm nicht ein. Aber gut, das konnte er haben. Es würde der kürzeste Kuss aller Zeiten werden.

Mit einem Lächeln sah sie ihm in die Augen. „Gut. Wenn Sie meinen, dass es hilft.“

Die Art und Weise, wie Chase ihr Lächeln erwiderte, verhieß nichts Gutes, und ihr schwante, dass sie vielleicht einen Fehler machte. Als er an ihr vorbei in den Laden ging, wurde ihr mulmig, und sie wusste, dass ihre Ahnung sie nicht trog.

Chase betrachtete Jessicas Mund, ihre erdbeerroten Lippen und wusste, dass er jede Sekunde genießen würde, dass dieser Kuss so köstlich schmecken würde wie die Süßigkeiten in ihrem Laden. Lust erfasste seinen Körper, wilde, gierige Lust. Ihm wurde heiß, und er spürte, wie seine Lenden reagierten.

Mit einem schnellen Schritt war er bei ihr. Er umfasste ihren Hinterkopf und zog sie näher zu sich. Ihre Lippen waren nur noch Zentimeter von seinen entfernt. „Ich werde Sie küssen, bis Sie den Verstand verlieren“, flüsterte er heiser.

Jessica schob trotzig das Kinn vor und kniff die Augen zusammen. „Das werden wir ja sehen. Aber Sie können es gerne mal versuchen.“

Es gefiel ihm, dass sie so kampflustig war, und er hoffte, davon auch etwas in ihren Küssen zu spüren. „Entspannen Sie sich“, befahl er. Seine Stimme klang rau und tief.

Sie gab einen frustrierten Laut von sich und wollte ihm eine entsprechende Antwort erteilen, aber da ergriff er bereits die Gelegenheit und nahm ihren Mund in Besitz.

Er stöhnte auf, als er seine Zunge zwischen ihre Lippen gleiten ließ und ein sinnliches Spiel begann. Noch nie war Jessica auf diese Weise geküsst worden, und nie, in ihren wildesten Fantasien nicht, hatte sie sich vorgestellt, dass ihr so etwas einmal passieren würde.

Chase schien sie verschlingen zu wollen und küsste sie voller provozierender Leidenschaft. Er stellte Dinge mit ihr an, die sie nicht für möglich gehalten hatte. Dieser Mann wusste genau, wie man einer Frau die schnurrenden Töne entlockte, die sich gegen ihren Willen auch aus ihrer Kehle lösten.

Es war ganz und gar unglaublich. Mit diesem sinnlichen, intensiven Kuss, diesen drängenden Vorstößen attackierte er ihr ganzes Sein, und er schien zu erwarten, dass sie auf ihn, auf seinen Körper genauso leidenschaftlich reagierte. Sie konnte nur froh sein, dass er sie so fest hielt, sonst hätte sie längst das Gleichgewicht verloren, so schwach fühlten ihre Knie sich plötzlich an. Ihr war, als brenne sie in ihrem Inneren lichterloh, und schon bald hatte sie einen Punkt erreicht, an dem sie ganz und gar willenlos war.

Zwischen ihren Schenkeln spürte sie, wie groß und hart er war. Ihr wurde schwindlig, und ein Schauer lief ihr über den Rücken. Und mit einem Mal wurde ihr klar, dass sie seinen Kuss erwiderte. So etwas sah ihr ganz und gar nicht ähnlich. Schließlich hatten sie sich heute erst kennengelernt. Obendrein war er ein Westmoreland und allein dadurch ihr erklärter Feind. Aber sie hätte ihn auch sonst nicht gemocht, und außerdem machte sie sich grundsätzlich nichts aus Küssen und … Sie brauchte Luft.

Als hätte Chase ihre Gedanken gelesen, gab er ihren Mund langsam, fast widerstrebend frei. Jessica starrte ihn an. Sie konnte einfach nicht glauben, dass sie gerade einen so intimen, überwältigenden Augenblick geteilt hatten. Was sagte man wohl nach einem derartigen Kuss? Das war eine müßige Frage, denn sie brachte ohnehin kein Wort heraus. Sie konnte nur daran denken, wie sein Mund sich angefühlt und wie sehr sie diesen Kuss genossen hatte.

„Damit das klar ist“, flüsterte Chase. „Ich habe nur aufgehört, damit wir Atem schöpfen können.“ Er ließ seine Hände durch ihre Haare gleiten. „Wir mögen uns sehr voneinander unterscheiden, aber wie schon gesagt: Gegensätze ziehen sich an.“

Ein leichtes Zittern erfasste ihren Körper, und Gänsehaut bildete sich auf ihren Armen. Trotzdem war ihr heiß. Chase trat einen Schritt zurück. Er lächelte leicht.

„Alles Gute für die Eröffnung morgen“, wünschte er ihr leise.

Jessica sah ihm nach, als er ging und sachte die Tür hinter sich zuzog.

„Ich freue mich schon sehr darauf, für Sie zu arbeiten, Ms Claiborne.“

Der Eröffnungstag war turbulent verlaufen. Die Kunden hatten den neuen Laden förmlich gestürmt. Jetzt war etwas Ruhe eingekehrt, und Jessica und ihre Angestellte konnten endlich durchatmen. Jessica lächelte sie an. „Ich freue mich auch auf die Zusammenarbeit. Ich bin Ihnen ja so dankbar, dass Sie mir aushelfen konnten. Und nennen Sie mich doch bitte Jessica, das ist persönlicher.“

Heute Morgen um acht Uhr hatte Delicious Cravings geöffnet, gegen elf Uhr war dann Ellen Stewart gekommen, um während der „Stoßzeit“ auszuhelfen. Aber trotz des Trubels hatte Jessica keinen Moment lang den unglaublichen Kuss von Chase vergessen.

Jetzt sah sie Mrs Stewart zu, wie sie die Theke abwischte. Ein Glück, dass sie jemanden wie sie gefunden hatte. Mrs Stewart hätte ihre Großmutter sein können. Sie hatte nicht nur ein offenes, freundliches Wesen, sondern war auch erfahren im Verkauf. Außerdem kannte sie offenbar wirklich jeden hier. Sie war einfach unbezahlbar.

Aber auch Chase Westmoreland hatte mitgeholfen, dass die Eröffnung ein Erfolg wurde. Sehr viele Kunden berichteten, dass er Werbung für sie gemacht hatte. Ausgerechnet einem Westmoreland zu Dank verpflichtet zu sein überschritt eindeutig Jessicas Schmerzgrenze.

„Es war doch wirklich sehr nett, dass Chase so viele Kunden zu Ihnen geschickt hat. Er ist so ein Schatz“, sagte Mrs Stewart.

Jessica drehte sich zu ihr um. „Sie kennen Chase?“

„Ja, natürlich. Ich kenne alle Westmorelands. Die meisten Leute, die hier wohnen, sind zwar zugezogen, aber es gibt in Atlanta immer noch ein paar, die hier geboren wurden. Ich war Lehrerin und hatte fast alle Westmorelands in der Klasse. Natürlich hatten sie wie die meisten Jungs nur Unsinn im Kopf, aber sie waren nie respektlos.“ Mrs Stewart sah Jessica an. „Wussten Sie, dass Chases Bruder Dare Sheriff von College Park ist?“

„Nein, das wusste ich nicht.“

„Und er ist ein guter Sheriff. Thorn baut Motorräder und fährt Rennen, Stone schreibt Bestseller. Und dann gibt es noch ein paar Cousins und vor allem Storm, Chases Zwillingsbruder. Allerdings sind sie nicht eineiig.“

„Dann kennen Sie ja sicher auch die Eltern der beiden.“

„Ja.“ Mrs Stewart lächelte. „Und die Großeltern auch. Alles wunderbare Menschen.“

Jessica lehnte sich auf die Theke. „Soviel ich weiß, besaß Chases Großvater auch einmal ein Restaurant hier.“

„Das stimmt. Man konnte vorzüglich dort essen, genau wie jetzt bei Chase, und die Gäste kamen von weit her. Es gab einheimische Küche nach Rezepten, die seit Generationen in der Familie vererbt wurden. Auch Chase kocht zum Teil danach und hütet sie wie seinen Augapfel. Das ist auch kein Wunder nach dem, was seinem Großvater passiert ist. Scott hat eines Tages entdeckt, dass jemand die Rezepte für sein Chili, den Rindfleischeintopf und den Brokkoli-Auflauf an einen Konkurrenten verraten hatte.“

Jessica räusperte sich. „Wie konnte das denn passieren?“, fragte sie betont unschuldig.

„Das weiß ich nicht genau, aber Scott gab damals seinem Partner, einem Carlton Graham, die Schuld und …“

„Das ist nicht wahr. Das hätte er nie getan.“

Mrs Stewart blickte sie neugierig an. „Ich erinnere mich noch, dass Carlton und Helen darauf nach Kalifornien gingen, um in der Nähe ihrer Tochter und Enkelin zu sein.“ Sie machte eine kleine Pause. „Ist Carlton Graham vielleicht ein Verwandter von Ihnen?“

Jessica konnte Mrs Stewart einfach nicht anlügen und nickte. „Ja, er war mein Großvater.“

„Weiß Chase das?“, fragte Mrs Stewart vorsichtig.

Jessica schüttelte den Kopf. „Nein. Ich habe auch nicht vor, es ihm zu erzählen, bis ich beweisen kann, dass mein Großvater unschuldig war.“

„Und wie wollen Sie das beweisen? Das dürfte nach der langen Zeit nicht einfach sein.“

„Das weiß ich noch nicht. Ich höre mich erst einmal um. Irgendjemand hat die Rezepte gestohlen und es dann meinem Großvater angehängt. Als meine Großmutter starb, musste ich ihr versprechen, den Namen Graham reinzuwaschen.“

„Vielleicht sollten Sie einmal mit Donald Schuster sprechen“, schlug Mrs Stewart vor. „Schließlich sind die Rezepte in seinem Restaurant gelandet.“

Jessica sah sie überrascht an. „Existiert das denn noch?“

„Und ob. Es läuft sehr gut. Mittlerweile gibt es über hundert Ableger in ganz Amerika, auch in Kalifornien. Angeblich bekommt man in Schusters Restaurants das beste Chili, und einem Gerücht zufolge stammt das Rezept ursprünglich von den Westmorelands.“

Die Restaurantkette war Jessica bekannt, sie hatte sogar schon einmal dort gegessen. „Und was ist mit Chase? Was wissen Sie über ihn?“

„Vor allem, dass er ein hochanständiger Mann ist. Allerdings hat ihm vor Jahren eine Frau das Herz gebrochen. Als er wegen eines Unfalls nicht Basketballprofi werden konnte, hat sie ihn fallen lassen wie eine heiße Kartoffel. Seitdem hat er keine tiefere Beziehung mehr zu Frauen gehabt.“ Mrs Stewart machte eine kleine Pause. „Wenn ich Ihnen vielleicht einen Rat geben darf …“

Jessica nickte. „Bitte.“

„Sagen Sie ihm möglichst schnell die Wahrheit, bevor ihm jemand anders erzählt, wer Sie sind. Und wenn Sie hier in der Gegend die Leute ausfragen, wird es todsicher irgendwann he­rauskommen.“ Wieder schwieg sie ein paar Sekunden, als müsse sie nach den richtigen Worten suchen. „Scott Westmoreland war damals sehr verletzt. Für ihn war es Betrug. Kurz danach erlitt er einen Herzanfall.“

Das hatte Jessica nicht gewusst. „Wirklich?“

„Ja. Wahrscheinlich hing das nicht nur mit den gestohlenen Rezepten zusammen. Er war auch ein ziemlich starker Raucher und starb schließlich an Lungenkrebs.“ Mrs Stewart seufzte. „Ich behaupte nicht, dass Ihr Großvater der Dieb war, aber die Westmorelands sind davon überzeugt. Chase stand seinem Großvater sehr nahe und fühlte sich persönlich getroffen. Er hat ja auch versucht, Schuster zu einem Geständnis zu überreden. Der dachte natürlich nicht daran. Und da es keine Beweise gab, ließ Chase es dann irgendwann sein. Aber ich glaube nicht, dass er es vergessen hat.“

Kurze Zeit später, zehn Minuten bevor sie zumachte, war Jessica allein im Geschäft. Der erste Tag war unerwartet gut gelaufen, und jetzt packte sie für das Kinderkrankenhaus zusammen, was übrig geblieben war.

Immer wieder dachte sie an das, was Mrs Stewart ihr über Chase erzählt hatte. Obwohl ihr nichts ferner lag, als ihn zu bedauern, konnte sie nicht anders. Chase musste durch seinen Unfall ohnehin am Boden zerstört gewesen sein. Dass seine damalige Freundin ihm einen weiteren Schlag versetzt hatte, musste ihn sehr getroffen haben. Andererseits wünschte sie sich, ihre Mutter hätte auch irgendwann gemerkt, dass sie ohne Jeff Claiborne besser dran war.

Als die Tür aufging, hob Jessica den Kopf. Das war vermutlich jemand vom Krankenhaus, der die Süßigkeiten abholen sollte.

Unwillkürlich stockte ihr der Atem. Es war Chase.

3. KAPITEL

„Hallo, Jessica.“

Schon den ganzen Tag spukte sie durch Chases Gedanken, und er hatte das dringende Bedürfnis, sie zu sehen. Er musste wissen, ob das, was am Vortag passiert war, reines Wunschdenken oder Wirklichkeit war. Doch als sie jetzt vor ihm stand, war ihm ohne Zweifel klar, dass seine Erinnerung ihn nicht trog. Sie war tatsächlich so schön und so sexy.

Als Jessica ihn einfach nur stumm ansah, ergriff er die Initiative: „Da Sie vermutlich den ganzen Tag nicht zum Essen gekommen sind, habe ich Ihnen etwas mitgebracht.“

Sie knabberte nervös an ihrer Unterlippe. „Danke, aber das war nicht nötig“, brachte sie schließlich heraus. „Ich wollte mir später einen Hamburger kaufen.“

Chase runzelte die Stirn. „Bei uns ist das Essen erstens viel besser und zweitens gesünder.“ Er kam mit seiner Tüte näher. „Sie sollten es essen, solange es noch warm ist.“

Zurzeit war Chase der Letzte, mit dem Jessica sich beschäftigen wollte. Und so stellte sie die Tüte kommentarlos auf die Theke. Allein sein Anblick ließ die Erinnerung an seinen Kuss erneut aufflammen. Eigentlich wollte sie wütend auf ihn sein, weil er solche Gefühle in ihr geweckt hatte. Aber das war bei einem Mann, der sich solche Mühe gab, nett zu ihr zu sein, nicht ganz einfach. Und er war ja auch nett …

Wieder ging die Tür auf, und diesmal war es wirklich die erwartete Botin. „Gloria Miller“, stellte die Frau sich vor. „Ich wollte die Sachen fürs Kinderkrankenhaus abholen.“ Sie sah mit einem Lächeln zu Chase hinüber. „Hallo, Chase.“

„Wie geht es dir, Gloria?“

„Ich kann nicht klagen, danke.“

Jessica gab ihr das Päckchen mit dem Gebäck und den Süßigkeiten. „Ich hoffe, den Kindern schmeckt es.“

Gloria lachte. „Da habe ich keine Befürchtungen. Vielen Dank jedenfalls.“ Damit wandte sie sich zum Gehen.

„Das war sehr nett von Ihnen“, sagte Chase.

Jessica hob die Schultern. „Die übrig gebliebenen Sachen von heute kann ich morgen sowieso nicht mehr verkaufen. Deshalb bin ich auf die Idee mit dem Kinderkrankenhaus gekommen.“

„Und was ist morgen?“

„Morgen mache ich es genauso, wenn ich etwas übrig habe. Und da wir gerade dabei sind: Ich wollte mich noch bei Ihnen bedanken.“

„Das haben Sie schon.“ Chase lachte.

„Ich meine nicht das Essen, sondern die Werbung, die Sie für mich gemacht haben. Viele Kunden haben mir erzählt, dass Sie sie zu mir geschickt haben.“

Chase stützte sich auf der Theke ab. „Da war ich bestimmt nicht der Einzige. Die Criswells haben ebenfalls die Werbetrommel gerührt. Ihr Dank gebührt also auch ihnen.“

„Ich denke daran, wenn ich sie sehe.“ Jessica ging zur Tür. „Es ist Zeit, den Laden zu schließen.“

Chase sah auf die Uhr. „Ja, tatsächlich.“ Aber er machte keine Anstalten, das Geschäft zu verlassen.

Jessica hängte das Schild „Geschlossen“ an die Tür und ließ das Rollo hinunter. Der Raum war dämmrig und viel zu intim für ihren Geschmack. „Würden Sie netterweise das Licht anmachen?“

„Gleich.“ Er kam zu ihr. „Wissen Sie, woran ich heute den ganzen Tag gedacht habe?“

Sie weigerte sich, ihn anzusehen. „Nein“, sagte sie dann. „Woran?“

Er streckte die Hand aus und hob ihr Kinn an, damit sie ihn anschauen musste. „An unseren Kuss.“

Sie wollte nicht, dass er sie daran erinnerte. Und vor allem wollte sie nicht, dass er an diesen Kuss dachte. Aber wie konnte sie etwas von ihm erwarten, das sie selbst kaum fertigbrachte? „Wir haben uns gestern erst kennengelernt und wissen kaum etwas voneinander, Chase. Das geht mir alles zu schnell.“

„Sie haben recht“, sagte er fast sanft. „Deshalb wollte ich Ihnen einen Vorschlag machen.“

Jessica hob eine Augenbraue. „Und zwar?“

„Dass wir uns die Zeit nehmen, uns besser kennenzulernen.“

„Warum?“, fragte sie. „Was für einen Grund sollte es dafür geben?“ Wenn sie etwas ganz bestimmt nicht wollte, dann war das irgendeine romantische Affäre – mit ihm nicht und mit niemandem sonst. Im Augenblick hatte sie außerdem etwas anderes im Kopf. An erster Stelle stand natürlich der Laden, aber dann kamen gleich ihre geplanten Nachforschungen. Zunächst würde sie mit Donald Schuster reden. Vielleicht konnte er ihr ja helfen, die Unschuld ihres Großvaters zu beweisen.

Chase unterbrach ihre Gedanken. „Ganz einfach: Sie mögen mich nicht, und das macht mir zu schaffen, weil ich es nicht verstehe. Wenn ich nur in Ihre Nähe komme, dann fahren Sie die Krallen aus und gehen ganz auf Abwehr. Außerdem fühle ich mich sehr zu Ihnen hingezogen, obwohl ich Sie kaum kenne, und das gefällt mir auch nicht. Ich bin kaum zum Arbeiten gekommen, weil ich dauernd an Sie denken musste.“

„Dann schlage ich vor, dass Sie sich einem anderen Thema widmen.“

„Ich bezweifle, dass das funktioniert. Ich will Sie.“

Jessica war sprachlos. Noch nie hatte ein Mann so unverblümt sein Interesse an ihr geäußert.

„Hoffentlich habe ich Sie jetzt nicht allzu sehr schockiert.“

Doch, das hatte er. Jessica sah zu ihm hoch. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, und ihr Magen zog sich zusammen. „Chase, Sie sind ein attraktiver Mann, und ich bin davon überzeugt, dass viele Frauen nur zu gern mit Ihnen ausgehen würden.“

Er lächelte. „Ich gehe nicht viel aus, das letzte halbe Jahr eigentlich so gut wie gar nicht.“ Als Jessica etwas sagen wollte, legte er ihr einen Finger auf den Mund. „Keine Angst. Ich wollte Ihnen keinen Heiratsantrag machen, sondern Sie einfach besser kennenlernen. Sie sind neu hier, und ich könnte Ihnen die Stadt zeigen, Sie mit Leuten bekannt machen, einfach Zeit mit Ihnen verbringen.“

„Sie sind ein Mann, und irgendwann werden Sie mehr wollen.“

„Meinen Sie?“

„Ja.“ Panik erfasste sie. Noch nie hatte ein Mann sie so irritiert, dass sie jeden Sinn für Logik verlor. Chase Westmoreland war sehr selbstbewusst und überaus männlich. Das war eine gefährliche Kombination, die ihr Angst machte.

Chase wollte Jessica nicht anlügen. Natürlich würde er irgendwann mehr wollen. Er blickte auf die Tüte mit dem Essen. „Lassen Sie es sich schmecken“, sagte er und fragte dann übergangslos: „Wie wäre es mit Kino morgen Abend?“

Jessica blinzelte. „Kino?“

„Ja, Kino.“ Seine Stimme klang tief und sinnlich und vibrierte leicht. „Ich hole Sie um sieben Uhr ab.“

Natürlich wusste sie, dass es in ihrer Lage völlig unlogisch war, mit einem Westmoreland auszugehen, aber vielleicht konnte er ihr ja einige Antworten geben. Diese Gelegenheit musste sie nutzen. „Ich würde gern mit Ihnen ins Kino gehen“, sagte sie und griff nach dem Türknopf. „Wenn Sie sonst nichts auf dem Herzen haben, können Sie gerne jetzt gehen.“

Sie schob sich eine Locke aus dem Gesicht und wartete. Ihre Augen trafen sich, und sie spürte, wie ihre Brustspitzen hart wurden. Ob er merkte, wie nervös er sie machte? Der leichte Duft, der von ihm ausging, weckte den Wunsch in ihr, das Gesicht in seine Halsbeuge zu schmiegen und …

Nein! Sie schloss die Augen, und als sie sie wieder öffnete, stand er unmittelbar vor ihr, seine Lippen nur wenige Zentimeter von ihren entfernt. Scharf sog sie die Luft ein, als ihr Verlangen sie zu überwältigen drohte.

„Sie spüren es genauso wie ich“, flüsterte Chase. „Fragen Sie mich nicht, was da passiert, ich weiß es nicht. Aber wenn es uns bestimmt war, an diesem Ort, zu dieser Zeit, dann sind wir machtlos dagegen.“

Jessica legte den Kopf zurück. Er irrte sich, bestimmt. Es konnte gar nicht anders sein. Aber als er mit der Fingerspitze über ihre Lippen strich, öffnete sie sie, als hätte sie keinen eigenen Willen mehr. Er hatte recht. Sie waren machtlos dagegen, beide. Romantische Verwicklungen wollte sie so wenig wie er, aber sie spürte dieses unbedingte Bedürfnis, ihn zu küssen. Allein der Gedanke daran versetzte sie in Erregung. An der Art, wie er sie ansah, merkte sie, dass er genau wusste, was in ihr vorging.

Diese leidenschaftliche Ader hatte sie noch nie an sich wahrgenommen, und sie wehrte sich mit aller Macht dagegen. Als Anwältin war sie jedem Gegner gewachsen, gab sie nie klein bei, aber diesen Gefühlen, die ganz tief in ihr brodelten, war sie hilflos ausgeliefert.

„Bitte, Jessica. Ich möchte Sie küssen.“

Dieser Stimme, so tief, so heiser, so sexy, konnte sie nichts abschlagen. Sie blickte zu ihm hoch und öffnete leicht den Mund. Im nächsten Augenblick berührten sich ihre Lippen, und Jessica stöhnte auf und gewährte seiner Zunge freien Zugang. Eine Gänsehaut bildete sich auf ihrem ganzen Körper, und ihr Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Dieser Kuss war mehr als körperliche Anziehung und das Stillen purer Lust. Chase war ein Meister des Küssens, und sie wusste, dass er ein ganz wunderbarer Liebhaber wäre … Aber sie hatte nicht vor, je mit ihm zu schlafen. Auf keinen Fall.

Wenn sie sich nur selbst hätte glauben können.

Sie löste sich von ihm. Er musste gehen, und zwar sofort. „Auf Wiedersehen, Chase.“

Er lächelte. „Dann bis morgen Abend.“ Damit war er verschwunden.

Am nächsten Abend, pünktlich um sieben Uhr, öffnete Jessica die Tür. Ihr Puls ging schneller, als Chase vor ihr stand, groß, dunkelhaarig, attraktiv. Er hatte ja keine Ahnung, wie schlecht sie letzte Nacht seinetwegen geschlafen hatte.

„Hallo, Jessica.“

„Möchten Sie noch etwas trinken, bevor wir aufbrechen?“

Sein Blick war an ihrem Mund hängen geblieben, und ein kleiner Schauer durchlief ihren Körper. Warum konnte sie nicht einfach immun gegen seine überwältigende männliche Ausstrahlung sein?

„Nein, danke. Aber vielleicht hätten Sie einen Ihrer köstlichen Schokoladenkekse für mich übrig?“

Jessica musste lächeln. Er erinnerte sie an einen kleinen Jungen, der in die Spielzeugabteilung eines Kaufhauses geraten war. „Ja, natürlich. Ich habe Ihnen ohnehin schon welche eingepackt.“

Das freute ihn ganz offensichtlich. „Wirklich?“

Jessica lachte. „Ja, wirklich. Wollen wir gehen?“

„Wie sieht es aus? Haben Sie noch Hunger? Wollen wir noch etwas essen gehen?“

Jessica sah zu Chase auf, als sie das Kino verließen. „Soll das ein Scherz sein? Ich habe den größten Teil des Popcorns und mindestens zwei Hot Dogs gegessen, ganz zu schweigen von dem riesigen Drink und den Gummibärchen.“

Chase nahm ihre Hand. „Sie brauchen kein schlechtes Gewissen zu haben. Ich mache mir nicht viel aus diesem Zeug.“

„Das kann ich mir lebhaft vorstellen. Wer kümmert sich eigentlich um die Speisekarte von Chase’s Place?“

„Meistens ich. Aber Kevin redet natürlich auch ein Wörtchen mit.“

„Und wer ist Kevin?

„Mein Koch. Wenn er frei hat oder in Urlaub ist, koche ich selbst. Außer uns beiden kennt keiner die alten Familienrezepte. Und er hat sich vertraglich verpflichten müssen, sie niemandem zu verraten. Das ist meinem Großvater vor vielen Jahren nämlich passiert. Er hatte seinem Partner zu sehr vertraut, und der hat ihn dann übel hintergangen.“

Jessica schluckte. Sie kannte die Geschichte von der anderen Seite. Jetzt wollte sie Chases Version hören. „Was ist denn passiert?“

„Mein Großvater und Carlton Graham waren Partner. Graham hat gekocht, und mein Großvater hat sich um die geschäftlichen Dinge gekümmert. Sie haben jahrelang wunderbar zusammengearbeitet, aber dann gab es irgendeinen Streit, und sie trennten sich. Ein paar Wochen später fand mein Großvater heraus, dass sein Partner einige seiner besten Rezepte an einen Konkurrenten verkauft hatte. Mein Großvater hat das nie verwunden. Die Rezepte werden seit Generationen in unserer Familie weitergereicht und sind praktisch ein Staatsgeheimnis.“

Jessica musste an sich halten, um sich nicht zu verraten. „Aber woher wusste Ihr Großvater, dass dieser Mr Graham der Dieb war?“, wollte sie wissen.

„Sonst kannte niemand die Rezepte“, erwiderte Chase und öffnete ihr die Autotür. „Das Rezeptbuch wurde im Safe aufbewahrt, und außer Graham hatte niemand Zugang dazu.“

Natürlich gab er unter diesen Umständen ihrem Großvater die Schuld. Jessica setzte sich in seinen Sportwagen. „Und was ist mit den anderen Mitarbeitern?“

Chase hob die Schultern. „Soweit ich mich erinnere, gab es nur noch zwei Mitarbeiterinnen, Miss Paula und Miss Darcy. Sie haben im Lokal bedient. Keine von ihnen kannte die Rezepte. Sie hatten ja nichts mit der Küche zu tun.“

Jessica beschloss, es für heute gut sein zu lassen, damit Chase nicht noch misstrauisch wurde. Am liebsten hätte sie ihm gestanden, dass sie Carlton Grahams Enkelin war, aber das wäre bestimmt ein Fehler gewesen. Zuerst musste sie beweisen können, dass ihr Großvater unschuldig war.

Chase ging ums Auto herum und setzte sich neben sie. „Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Haben Sie jetzt eigentlich Hunger oder nicht?“, wollte er wissen.

„Nein.“ Jessica schüttelte den Kopf. „Aber wenn Sie wollen, können wir gern unterwegs anhalten, damit Sie sich etwas zu essen kaufen können.“

„Da habe ich eine viel bessere Idee“, meinte Chase lächelnd. „Was halten Sie davon, wenn wir zu Ihnen fahren? Schokoladenkekse und ein Glas kalte Milch wären jetzt genau das Richtige für mich.“

Jessica bezweifelte, ob das wirklich eine gute Idee war. Andererseits hatten sie sich ja vorgenommen, einander besser kennenzulernen. Einiges hatte sie heute auch schon über ihn erfahren. Am Montag würde sie dann Mrs Stewart auf die zwei Frauen ansprechen, die damals als Bedienungen im Restaurant gearbeitet hatten. Vielleicht wussten die beiden ja auch etwas, das ihr weiterhalf.

„Nach diesem schönen Abend bin ich es Ihnen wohl schuldig, Sie mit etwas Süßem zu verwöhnen“, meinte sie.

Chase lächelte breiter, als er den Motor anließ. „Ja, so könnte man es sehen.“

4. KAPITEL

„Sie selbst können wahrscheinlich gar nicht beurteilen, wie köstlich diese Plätzchen schmecken.“

„Das sagen Sie bestimmt häufiger.“ Jessica freute sich trotzdem über das Kompliment.

„Im Gegenteil. Die meisten Frauen, mit denen ich bisher ausgegangen bin, hatten keine Ahnung vom Kochen oder Backen. Das hat wahrscheinlich ihr Interesse an mir gesteigert. Wenn ich sonst nichts zu bieten hatte, konnte ich sie wenigstens anständig satt machen. Das ist nicht zu unterschätzen.“

Jessica lachte. Wenn Chases Lächeln nur nicht diese Wirkung auf sie hätte. Seit einer Stunde war er jetzt schon bei ihr, und während dieser Zeit hatte er ihr viel von seiner Familie erzählt. Es war mehr als deutlich geworden, wie sehr er an seinen Brüdern hing, auch wenn er ihr einreden wollte, dass sie ihm im Grunde lästig waren. Neben den Brüdern gab es noch seine jüngere Schwester Delaney, von der er durchweg liebevoll sprach. Morgen kam sie mit ihrem Mann und dem kleinen Sohn aus dem Mittleren Osten zurück, um bei der Taufe von Storms Zwillingsmädchen dabei zu sein. Anschließend wollte die komplette Gesellschaft in Chases Restaurant feiern.

„Die ganze Zeit habe immer nur ich geredet“, meinte Chase irgendwann. „Jetzt sind Sie an der Reihe. Erzählen Sie mir etwas von sich, Jessica.“

Für einen Augenblick presste sie die Lippen zusammen. Sie musste aufpassen und alles vermeiden, was auf eine Verbindung zwischen ihr und Carlton Graham hinwies. Dann brauchte Chase nur zwei und zwei zusammenzuzählen, um hinter ihr Geheimnis zu kommen.

Sie wollte ihn ja eigentlich nicht anlügen, aber je weniger er wusste, desto besser war es.

„Ich wurde in Kalifornien geboren, genauer gesagt in Sacramento, habe dann ich in Los Angeles die Uni besucht und Rechtswissenschaften studiert.“

„Sie sind Rechtsanwältin?“, fragte Chase überrascht.

„Ja.“ Jessica lächelte. „Ich habe gleich nach dem Examen in einem großen Unternehmen als Firmenanwältin angefangen. Aber über die Jahre stellte sich immer mehr heraus, dass dieser Job nicht das Richtige für mich war. Ich musste Dinge vertreten, die in meinen Augen einfach nicht in Ordnung waren.“

Sie trank einen Schluck Kaffee. „Wenn meine Großmutter nicht gewesen wäre, würde ich wahrscheinlich immer noch als Anwältin arbeiten. Aber sie hat mir so viel Geld hinterlassen, dass ich das Delicious Cravings eröffnen konnte.“

„Und Ihre Eltern?“ Chase biss genüsslich in einen Keks.

„Meine Mutter war alleinerziehend, denn mein Vater hat sie vierzehn Jahre lang mit einem Heiratsversprechen hingehalten. Dann fand sie heraus, dass er bereits eine Familie in Philadelphia hatte.“

„Wie hat er das denn angestellt?“, wollte Chase wissen.

„Das war wohl gar nicht so schwierig.“ Jessica seufzte. „Er war Vertreter und viel unterwegs. Eigentlich lebte er in Philadelphia, aber wenn er in Sacramento war, kam er immer zu uns. Vierzehn Jahre lang hat er dieses Doppelleben geführt, und meine Mutter hat ihm immer geglaubt.“ Sie holte tief Luft. „Ich mochte es nicht, wenn er unerwartet auftauchte. Meine Mutter war dann wie verwandelt, so schwach und verletzlich. Manchmal glaube ich, dass sie ihm hörig war. Sie tat immer alles, was er sagte und schnurrte dazu wie ein Kätzchen. Es war so entwürdigend.“

Chase nickte. Er kannte Jessica zwar erst seit einigen Tagen, aber sie war eindeutig ganz anders als ihre Mutter. Nie würde sie sich von einem Mann in dieser Weise dominieren lassen. Sie hatte aus der Geschichte gelernt. „Wie hat Ihre Mutter schließlich die Wahrheit erfahren?“

Jessica wusste selbst nicht so genau, warum sie ihm das alles erzählte. Aber sie fühlte sich in seiner Gegenwart seltsam wohl. „Mein Großvater hat es herausbekommen. Er hatte sich immer darüber geärgert, dass mein Vater meine Mutter nicht heiratete, und schließlich fand er, vierzehn Jahre seien genug. Außerdem war er misstrauisch geworden. Deshalb heuerte er einen Privatdetektiv an.“

„Wie hat Ihre Mutter reagiert?“

„Sie war natürlich am Boden zerstört und schämte sich unendlich. Als sie es nicht mehr aushielt, schluckte sie Schlaftabletten.“

„Das tut mir leid.“ Chase griff über den Tisch und nahm Jessicas Hand. „Es muss schlimm für Sie gewesen sein.“

Jessicas Herz schlug wie wild, als seine Finger ihre umschlossen. Sie sah eine Weile auf seine Hände hinunter. Sie waren stark und kräftig, und sie fühlte sich seltsam getröstet. „Ja“, erwiderte sie schlicht. „Ich war fünfzehn und hatte nur noch meine Großeltern. Bei ihnen lebte ich dann. Die zwei haben mir sehr geholfen, genau wie Jennifer.“

„Wer ist Jennifer?“

„Jennifer Claiborne, die Frau meines Vaters. Sie ließ sich sofort scheiden, als sie von seiner zweiten Familie erfuhr. Seitdem habe ich jeden Sommer bei ihr und ihren Kindern verbracht. Sie ist eine sehr warmherzige, liebevolle Frau und hat mich mit offenen Armen aufgenommen. Außerdem sorgte sie dafür, dass mein Vater mir Unterhalt bezahlte. Sie wurde wie eine zweite Mutter für mich. Und ich hatte plötzlich einen Bruder und eine Schwester.“

„Klingt gut“, meinte Chase.

„Sie ist einfach wunderbar, und wenn ich irgendetwas brauche, ist sie immer für mich da und hilft mir. Nicht viele Frauen hätten sich nach dieser Vorgeschichte so fair verhalten.“

„Was ist aus Ihrem Vater geworden?“ Chase neigte sich vor, und Jessica roch sein Rasierwasser, gemischt mit seinem männlichen Duft. Ihr Puls raste.

„Keine Ahnung. Zuletzt habe ich gehört, dass er wohl in New York lebt.“

„Es ist mir ein Rätsel, wie man so etwas tun kann“, sagte Chase, und Abscheu klang aus seiner Stimme. „Und wie hat es Sie dann nach Atlanta verschlagen?“

Jessica machte eine kleine Pause. Die Wahrheit konnte sie ihm nicht sagen. „Hauptsächlich aus finanziellen Gründen. Das Leben in Atlanta ist einfach billiger als in vergleichbaren Städten. Und als mir der Makler dann von diesem Haus erzählte, habe ich sofort zugegriffen.“

Sie entzog Chase ihre Hand und lehnte sich zurück. „Ich finde, für einen Abend haben Sie genug Süßigkeiten gegessen, Mr Westmoreland.“ Demonstrativ blickte sie auf ihre Armbanduhr. „Außerdem kann ich ausschlafen und Sie nicht.“

Chase lachte. „Stimmt. Aber etwas essen müssen Sie auch. Lassen Sie uns zusammen frühstücken. Kevin macht erstklassige Eier.“

Jessica sah ihn eine Weile an. „Ist das eine Einladung?“

„Erraten. Und wenn Sie mittags nicht zu viel zu tun haben, können Sie mir bei einem Spiel Gesellschaft leisten.“

„Bei was für einem Spiel?“

„Ich trainiere eine Basketballmannschaft von Jugendlichen im Gemeindezentrum College Park. Morgen haben wir ein Spiel: Chase’s Cruisaders gegen Willie’s Warriors.“

„Ist jetzt nicht eher Fußballsaison?“

„Schon. Aber wenn Eltern aus ihrem Kind einen Basketballstar machen wollen, ist immer die richtige Saison. Kommen Sie mit?“

Eigentlich wäre es am vernünftigsten gewesen, sofort abzulehnen. Trotzdem … „Wie könnte ich da widerstehen. Und wer ist Willie?“

„Er trainiert die andere Mannschaft. Ihm gehört ein Videoverleih ein paar Blocks weiter. Bis vor einigen Jahren hat er als Profi für die Pistols gespielt. Wir waren zusammen in der Highschool und sind seitdem gute Freunde.“ Chase stand auf. „Begleiten Sie mich noch zur Tür?“

„Ja, natürlich.“

Auf dem Weg dorthin betrachtete er die Töpfe und Gießformen, die sie für Zubereitung ihrer Pralinen benötigte. „Sie müssen mir irgendwann zeigen, wie Sie diese traumhaften Süßigkeiten machen.“

„Ja, irgendwann.“ Jessica durfte sich nicht von seinem Anblick ablenken lassen, aber diese breiten Schultern, die muskulösen Arme in dem schwarzen Baumwollpulli … überwältigend. Dazu kamen noch die engen Jeans, die sich aufreizend um seine festen Oberschenkel spannten. Der Mann war so sexy, dass es kaum auszuhalten war.

Sie gingen durch die Küche zur Hintertür. Jessica versuchte, das flaue Gefühl in ihrem Magen zu ignorieren. Da sie jedoch wusste, dass die Aussichten auf einen Gutenachtkuss gut – wirklich gut – standen, gelang ihr das nicht so richtig. So ungern sie es zugab: Sie freute sich darauf.

„Frühstück morgen früh?“, fragte Chase nach, als sie die Tür erreicht hatten.

Jessica hob betont unbestimmt die Schultern. „Vielleicht, ich weiß es noch nicht. Aber zu dem Spiel komme ich gern mit.“

„Na, gut. Ich hole Sie dann um elf Uhr ab.“

Chase beugte sich vor. Ihre Lippen waren nur Zentimeter voneinander entfernt. „Nächsten Mittwoch ist ein ganz besonderer Tag“, sagte er dann, den Blick auf ihren Mund gerichtet.

„Warum?“

„Weil wir uns dann genau eine Woche kennen.“ Chase schmunzelte leicht. „Es sieht so aus, als würden Sie mich inzwischen ein bisschen mögen“, sagte er dann. „Eine Weile habe ich mir wirklich Sorgen gemacht.“

Sie standen so nah beieinander, dass Jessica seinen warmen Atem auf ihrem Gesicht spürte. „Wollen Sie denn, dass ich Sie mag?“, fragte sie ein wenig kokett und rückte noch etwas näher, als er seine Hände auf ihre Taille legte.

„Ja, das will ich. Ich bin an sich ein netter Kerl, aber ich habe auch meine schlechten Tage. Wie jeder.“

„Ich werde versuchen, daran zu denken.“

„Ja, bitte.“

Und dann senkte er den Kopf. Sie hatte einen unglaublich aufregenden Mund. Er würde nie die Lust verlieren, sie zu küssen. Sie schmeckte einfach unerhört gut. Viel Schlaf würde er heute nicht bekommen, das war ihm jetzt schon klar. Deshalb musste er sich an jede kleine Einzelheit, an jeden winzigen Moment erinnern, damit er durch die Nacht kam.

Es gefiel ihm, wie sie stöhnte, wie ihre Zunge sich um seine wand, wie sie die Hände über seine Arme zu den Schultern gleiten ließ. Aber mehr als alles andere gefiel ihm, wie sexy sie schmeckte. Und er wusste, wenn er jetzt nicht aufhörte, dann würde die Versuchung übermächtig, sie ins Schlafzimmer zu entführen.

Nur Sekunden später brach er den Kuss ab. „Sie sind eine unglaubliche Frau, Jessica.“ Damit öffnete er die Tür und war in der Dunkelheit verschwunden.

Jessica machte hinter ihm zu. Sie holte tief Luft. Chase Westmoreland war mehr als eine als süße Versuchung, aber sie durfte ihrem Verlangen nach ihm nicht nachgeben.

„Ich habe Sie beim Frühstück vermisst.“

Jessica ging einen Schritt zurück, damit Chase eintreten konnte. Sonnenlicht fiel auf sein Gesicht und ließ ihn noch attraktiver aussehen. Er hatte eine Tasse Kaffee in der Hand. Ganz unvermittelt überkam sie eine ungewohnte lustvolle Sehnsucht.

„Ich habe es nicht geschafft, weil ich den ganzen Vormittag gebacken habe“, erwiderte sie. „Ich dachte mir, Ihre Cruisaders hätten vielleicht Appetit auf etwas Süßes.“

„Sie haben eigens für die Jungs gebacken? Im Ernst?“, fragte Chase verblüfft.

Jessica lachte. „Ja, im Ernst. Ich finde, das ist das Geringste, womit ich die Cruisaders unterstützen kann. Wenn Sie schon so viel Zeit für die Jungs opfern …“

„Na ja, so wild ist das auch nicht“, erwiderte Chase abwehrend. „Die Kids sind einfach großartig, und davon abgesehen liebe ich Basketball. Wenn ich den Unfall nicht gehabt hätte, würde ich immer noch spielen. Ich wollte schließlich einmal Profi werden.“

„Und dann beschlossen Sie nach dem College, stattdessen das Restaurant zu eröffnen?“

Chase lehnte sich lässig an den Verkaufstresen. „Nein, das hat noch drei Jahre gedauert. Zuerst habe ich als Finanzberater für eine große Firma gearbeitet, aber davon hatte ich schnell genug. Tatsächlich waren es meine Brüder, die mich auf die Idee mit dem Restaurant brachten. Ich habe bereits früher dauernd bei meinem Großvater rumgehangen und nach der Schule und am Wochenende bei ihm gejobbt. Mir hat er damals auch sämtliche Familienrezepte verraten. Gekocht habe ich schon immer gern, und meine Brüder, die zu der Zeit noch nicht verheiratet waren, kamen ständig zum Essen zu mir. Und so ergab sich das dann irgendwann.“ Er trank einen Schluck von seinem Kaffee. „Ich hatte einige Ersparnisse, die Familie steuerte einen Teil bei, und dann fanden wir genau den richtigen Ort dafür. Und dort bin ich immer noch. Zuerst haben alle Familienmitglieder im Restaurant geholfen, sogar meine Eltern. Doch bald lief das Geschäft so gut, dass ich Personal einstellen konnte.“

„Und jetzt haben Sie ein Restaurant mit einem hervorragenden Ruf“, sagte Jessica.

„Ja, und darauf bin ich auch stolz.“

„Mit Recht. Haben Sie schon mal daran gedacht, sich zu vergrößern?“

„Ja, in letzter Zeit spiele ich mit dem Gedanken an eine Art Filiale. Es müsste allerdings sichergestellt sein, dass dort dieselbe familiäre Atmosphäre herrscht.“ Chase sah auf die Uhr. „Sind Sie so weit?“

„Ja. Sie müssten mir nur helfen, die Kekse zum Auto zu tragen.“

Jessica machte sich auf den Weg zur Küche. Ihre Alarmglocken schrillten, als Chase seine Tasse abstellte und ihr den Weg versperrte. Das ging ihr einfach viel zu schnell. Sie durfte sich nicht auf ihn einlassen, denn er war ein Westmoreland, und das bedeutete: Er war ihr Feind. Aber wenn er sie so ansah wie jetzt, dann wünschte sie sich, alles wäre anders und es herrschte kein böses Blut zwischen ihren beiden Familien.

„Lassen Sie uns die nächste Woche planen“, schlug er vor. „Was halten Sie davon, wenn wir am Mittwochabend zusammen bei mir essen? So gegen acht?“ Er lächelte jungenhaft.

Jessica hob eine Augenbraue. „Ich dachte, mittwochs machen Sie schon um sechs Uhr zu?“

Sein Lächeln vertiefte sich. „Stimmt. Doch ich kenne zufällig den Besitzer von Chase’s Place, und er sagt, es sei in Ordnung, wenn Sie als mein Ehrengast kommen.“

Jessica lachte. „Ach, ja?“

„Ach, ja.“

Wieder schrillten ihre Alarmglocken, aber sie kümmerte sich nicht darum. „Dann komme ich sehr gern.“

„Ich freue mich darauf.“

Und schon beugte er sich vor und küsste sie.

„Wir konnten es gar nicht glauben, als Chase erzählt hat, dass er Sie zu dem Spiel mitbringt“, meinte Tara Westmoreland, die mit Chases Bruder Thorn verheiratet war. Sie lächelte. „Aber es ist schön.“

„Was ist denn daran so außergewöhnlich?“, fragte Jessica etwas verwirrt.

Tara war nicht als einzige Vertreterin aus Chases Familie gekommen. Außer ihr waren noch Shelly und Madison da sowie Dana, die Frau von Chases Cousin Jared.

„Chase ist ein schrecklicher Geheimniskrämer“, klärte Shelly, Dares Frau, Jessica auf. „Er hat noch nie eine Freundin mitgebracht.“

Jessica lehnte sich auf ihrem Sitz zurück. In ein paar Minuten sollte das Spiel beginnen. „Ich bin nicht seine Freundin“, stellte sie richtig. „Wir kennen uns ja erst seit einer Woche. Mir gehört der neue Süßwarenladen neben seinem Restaurant. Eigentlich komme ich aus Kalifornien. Ich bin noch ganz neu hier und kenne auch noch niemanden. Es ist wirklich sehr nett von Chase, dass er mich heute eingeladen hat.“

Stones Frau Madison tätschelte Jessicas Hand und lachte. „Glauben Sie mir, er bringt nie jemanden ‚nur so‘ mit.“ Die anderen Frauen nickten vielsagend.

Jessica wusste nicht, was sie davon halten sollte. Sie wollte aber keinesfalls als Chases Freundin gelten. Er stand auf dem Spielfeld und unterhielt sich mit seinen Brüdern und Cousins. Die Familienähnlichkeit bei den Männern war nicht zu übersehen. Außerdem schienen sie alle sehr nett und sympathisch zu sein, das musste sie ganz gegen ihren Willen zugeben.

Auf der Fahrt hierher hatte Chase sie zu ihrer Überraschung dann auch noch zur morgigen Taufe seiner kleinen Nichten und dem anschließenden Festessen in seinem Restaurant eingeladen. Allerdings hatte sie die Einladung abgelehnt. So viel Nähe hätte sie dann doch überfordert. Außerdem war der Anlass für eine Außenstehende ohnehin etwas zu privat. Abgesehen davon hatte sie bereits einen Besuch bei Donald Schuster geplant. Sie hatte ihn gestern angerufen und einen Termin mit ihm vereinbart.

„Chase schaut zu uns herüber“, warnte Tara mit einem kleinen Augenzwinkern. „Lächeln Sie, Jessica, sonst glaubt er noch, Sie fühlten sich in unserer Gesellschaft nicht wohl.“

Jessica konnte gar nicht anders, als ihren Wunsch zu erfüllen. Die Frauen der Westmorelands waren wirklich nett, und es war kaum möglich, ihnen zu widerstehen. Also lächelte sie, und Chase erwiderte ihr Lächeln, bevor er sich ein paar Jungen aus seiner Mannschaft zuwandte.

„Achtung“, verkündete Dana kurz darauf, „die Männer kommen. Sie platzen wahrscheinlich vor Neugier auf Sie.“

Jessica spürte, wie nervös sie wurde. Sie fühlte sich fast wie vor einer Prüfung.

„Dare wird Ihnen wahrscheinlich ein Loch in den Bauch fragen“, kündigte Shelly fröhlich an. „Nehmen Sie es nicht persönlich. Er ist ein Cop, das liegt ihm im Blut. Außerdem ist er der Älteste und empfindet eine Art Beschützerinstinkt gegenüber seinen jüngeren Brüdern, auch wenn er das nie zugeben würde.“ Sie lehnte sich zurück. „Und nachdem Chase so großes Interesse an Ihnen zeigt ist, ist er natürlich doppelt neugierig.“

Jessica schluckte. Das war das Letzte, was sie jetzt brauchen konnte: jemanden, der in ihrer Vergangenheit wühlte.

„Wo kommen Sie her, Jessica?“, wollte Dare dann auch ohne Umschweife wissen.

Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Aus Sacramento.“

„Während eines Kongresses vor einigen Jahren war ich einmal da. Schöne Gegend“, erwiderte er.

„Ja, das finde ich auch.“

„Und warum sind Sie dann da weggegangen?“

Auch die anderen warteten auf ihre Antwort. Normalerweise ließ sie sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen, aber vor Dare Westmoreland musste sie auf der Hut sein. Das spürte sie. Es lag nicht daran, dass er unhöflich gewesen wäre. Aber sie mochte es nicht, wenn sie sich für etwas rechtfertigen musste, das im Grunde niemanden etwas anging. Nur blieb ihr in diesem Fall wohl nichts anderes übrig.

„Stress in der Arbeit“, sagte sie schließlich und schob sich eine Haarsträhne hinters Ohr. „Ich habe als Rechtsanwältin in einer …“

Jared ließ sie nicht aussprechen. „Sie sind Rechtsanwältin?“

Jessica sah ihn an. Ja, natürlich, Chase hatte ihr erzählt, dass Jared Anwalt war. Sie lächelte. „Ja. Ich habe an der Universität von Los Angeles studiert und dann für ein großes Unternehmen gearbeitet. Dort gefiel es mir anfangs auch sehr gut, aber dann stellte ich fest, dass es hauptsächlich um die Interessen der Firma ging und die Methoden nicht immer integer waren. Ich musste plötzlich für etwas stehen, was ich moralisch nicht vertreten konnte.“

„Also haben Sie gekündigt.“

Ein Ausdruck von Bewunderung schlich sich in Taras Blick.

„Ja. Doch da wusste ich schon, was ich wirklich wollte. Meine Großmutter hat mir genügend Geld hinterlassen, damit ich mir meinen Traum erfüllen konnte. Ich habe schon immer eine große Schwäche für Schokolade gehabt und gern gebacken. Und jetzt hatte ich auf einmal die Möglichkeit, einen Beruf daraus zu machen.“

„Und warum haben Sie sich ausgerechnet Atlanta ausgesucht?“

Für einen Moment hielt Jessica den Atem an und sah von Tara zu Dare. Etwas in seinem Blick weckte den Verdacht in ihr, dass er sich mit ihrer Erklärung nicht so leicht zufriedengab. „Eine Bekannte von mir hat einmal in Atlanta gelebt und mir von der Stadt vorgeschwärmt. Sie sagte, dass man hier für neue Ideen offen sei.“

Dare war mit seinen Fragen eigentlich noch längst nicht am Ende, aber da wurde das Spiel angepfiffen, und die allgemeine Aufmerksamkeit wandte sich dem Geschehen auf dem Platz zu. Jessica stieß einen geräuschlosen Seufzer der Erleichterung aus und entspannte sich wieder etwas. Doch dann stellte sie fest, dass Dare sie immer noch neugierig musterte. Sie wusste, dass sie sich vor ihm in Acht nehmen musste.

„Sie sind bestimmt sehr stolz auf Ihre Mannschaft“, sagte Jessica ein paar Stunden später, als sie mit Chase zum Auto zurückging. Nach dem Spiel hatte er ihre Kekse an die Cruisaders verteilt und war damit auf enorme Begeisterung gestoßen.

„Ja, sehr sogar. Ich finde, die Jungs waren echt gut. Vor allem das Zusammenspiel hat hervorragend geklappt. Niemand hat sich groß als Star produziert. Das ist immer die Gefahr.“ Chase sah auf die Uhr. „Haben Sie Lust, noch mit zu meinen Eltern zu fahren? Inzwischen ist sicher auch Delaney mit ihrer Familie eingetroffen.“

Jessica holte tief Luft. Sie hatte die Gesellschaft der Westmorelands genossen, aber ganz sicher wollte sie nicht weiter den Eindruck erwecken, sie und Chase seien ein Paar.

„Danke für die Einladung, doch ich mache mir lieber einen ruhigen Abend. Ich habe eine ziemlich anstrengende Woche hinter mir und kann ein bisschen Erholung brauchen.“

„Das verstehe ich.“ Chase legte ihr den Arm um die Schultern. Jessica gelangte immer mehr zu der Überzeugung, dass er wirklich sehr nett war. Sie fürchtete sich vor dem Augenblick, in dem er herausfand, dass sie ihm nicht alles erzählt hatte. Aber das konnte sie nicht, noch nicht. Zuerst musste sie die Unschuld ihres Großvaters beweisen, und bis dahin war es besser, wenn er so wenig wie möglich über sie wusste.

5. KAPITEL

Jessica war froh, dass Donald Schuster sich bereit erklärt hatte, mit ihr zu reden. Er erinnerte sich noch gut an ihren Großvater und war bestimmt ziemlich neugierig darauf, was dessen Enkelin von ihm wollte. Sie passierte das Tor, das die Auffahrt zu einer riesigen ranchartigen Villa freigab. Wenn sie Glück hatte, würde Mr Schuster ihr verraten, wie er an die geheimen Rezepte der Westmorelands gekommen war. Dann konnte sie der Familie ihre Beweise vorlegen und sich endlich ganz auf ihre Zukunft konzentrieren. Immerhin hatte sie schon herausgefunden, dass sie mit ihrer Geschäftsidee ins Schwarze getroffen hatte. Die Anfragen von benachbarten Läden und Lokalen nahmen zu.

Sie stellte ihren Wagen ab und klopfte an die Tür. Ein Butler öffnete. „Kann ich Ihnen helfen, Miss?“

„Jessica Claiborne. Ich habe eine Verabredung mit Mr Schuster.“

Der Butler nickte. „Mr Schuster erwartet Sie.“

Jessica folgte ihm ins Haus. Alles hier sah nach viel Geld aus, aber die Einrichtung erinnerte sie eher an ein Museum als ein Heim. Der Butler führte sie auf eine verglaste Veranda. Dort saß ein älterer Mann in einem Rollstuhl und blickte auf einen großen See hinaus.

„Mr Schuster, Ihr Gast ist eingetroffen“, sagte der Butler. „Ms Claiborne.“

Der Mann drehte sich zu Jessica um und lächelte. Er musste ungefähr in dem Alter sein, in dem ihr Großvater jetzt wäre. „Kommen Sie zu mir“, lud er sie ein. „Setzen Sie sich. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann geht es bei Ihrem Besuch um Ihren Großvater und die Rezepte der Familie Westmoreland.“

Jessica nickte. „Ja. Es heißt, Sie hätten die Rezepte zumindest teilweise von meinem Großvater erhalten.“

Mr Schuster machte eine wegwerfende Handbewegung. „Niemand hat mir irgendwelche Rezepte gegeben. Es mag sein, dass einige Vorspeisen in meinen Restaurants denen der Westmorelands ähnelten, aber das ist reiner Zufall. Ich habe damals mit Engelszungen auf Scott eingeredet, um ihn davon zu überzeugen, aber er blieb stur und wollte mir nicht einmal zuhören. Wahrscheinlich hat er es auch in den falschen Hals bekommen, dass ich Ihren Großvater überreden wollte, mein Partner zu werden. Aber der ließ ja nichts zwischen sich und Scott kommen.“

„Irgendetwas muss aber passiert sein, weil Grampa nicht mehr für Scott Westmoreland gearbeitet hat.“

„Ja, doch das hätte sich bestimmt wieder eingerenkt. Die beiden gerieten sich ständig in die Haare und vertrugen sich dann wieder. Sie waren ein fantastisches Team. Ihr Großvater war ein exzellenter Koch, und Scott war ein hervorragender Unternehmer. Soviel ich gehört habe, schlägt sein Enkel Chase nach ihm. Sein Restaurant scheint gut zu laufen.“

Jessica lächelte. „Ja. Und Sie sagen, dass in Ihrem Lokal niemals nach einem Rezept der Westmorelands gekocht wurde?“

Donald Schuster lachte. „In meinem Alter würde ich zwar auf nichts mehr wetten, aber mein damaliger Koch hat hoch und heilig geschworen, es seien alles seine eigenen Rezepte. Ich hatte keinen Grund, ihm nicht zu glauben.“

„Würden Sie mir verraten, wie Ihr Koch hieß?“

„Theodore Henry, kurz Teddy.“

„Arbeitet er noch für Sie?“

„Du liebe Güte, nein. Schon seit Jahren nicht mehr. Meines Wissens unterhält er ein Catering-Unternehmen in der Stadt.“

Jessica trank ihren Tee aus. „Mr Schuster, Sie haben mir sehr geholfen. Ich danke Ihnen für Ihre Zeit.“

„Chase, du brauchst nicht ständig aus dem Fenster zu schauen. Jessica ist noch nicht wieder zu Hause. Man könnte ja fast denken, du wärst in sie verknallt.“

Chase drehte sich zu Thorn um und sah ihn vorwurfsvoll an. „Blödsinn. Ich kenne sie gerade mal ein paar Tage.“

„Ja, und? Bei Tara hat es nur ein paar Sekunden gedauert, bis es um mich geschehen war.“

Chase konnte sich noch sehr gut an den Abend erinnern, als die beiden sich kennengelernt hatten. Tara war so wütend auf Thorn gewesen, dass sie sich beinah wie eine Wildkatze auf ihn gestürzt hätte. „Bei mir ist das anders“, behauptete er.

„Wenn du das sagst.“

Chase atmete tief durch. Manchmal wünschte er sich, er wäre ein Einzelkind gewesen.

„Dare behauptet, dass mit Jessica etwas nicht stimmt.“

Chase verdrehte die Augen. „Das hat nichts zu sagen. Dare ist Polizist. Er verdächtigt grundsätzlich jeden.“

Darüber lachte Thorn. „Ja, das ist wahr. Wahrscheinlich hat es ihm nicht gepasst, dass sie so wenig von ihrer Familie erzählt hat.“

„Sie will halt nicht jedem gleich ihre ganze Lebensgeschichte auf die Nase binden. Akzeptier das einfach, Thorn.“

Thorn lächelte. „Kein Problem. Es ist mir egal, ob deine Freundin irgendwelche Geheimnisse hat oder nicht.“

„Sie ist nicht meine Freundin.“

„Wer ist nicht seine Freundin?“, erkundigte sich Delaney, die gerade dazukam.

„Die Frau mit den Schokokeksen“, erklärte Thorn ihr mit einem breiten Lachen. „Sie macht mit Abstand die besten in der Stadt.“

Chases Augen wurden schmal. „Sie hat sie eigentlich für die Jungs gebacken, aber ich habe genau gesehen, dass ihr euch alle daran gütlich getan habt.“

Thorn hob die Schultern. „Sie sahen einfach zu verlockend aus. Und sie haben mich an die Kekse erinnert, die Grampas Koch immer gebacken hat. Abgesehen davon ist es nicht gut, wenn Kinder und Jugendliche zu viele Süßigkeiten essen. Damit verderben sie sich nur die Zähne. Genau genommen haben wir ihnen einen Gefallen getan.“

Bevor Chase eine passende Antwort geben konnte, sah er Jessicas Wagen auf den Parkplatz einbiegen.

„Sieht so aus, als wäre deine Freundin wieder zu Hause“, sagte Thorn mit einem süffisanten Lächeln.

Chase gab sich unbeeindruckt. „Ja, und?“

Sein Bruder rieb sich das Kinn. „Ja, das frage ich mich auch.“ Damit verließ er das Zimmer.

Es war kurz vor fünf Uhr, als Chase seine Arbeit beendet hatte. Seine Brüder hatten ihm zwar beim Aufräumen und Putzen geholfen, aber darauf hätte er gern verzichtet. Für ein Wochenende hatten sie ihn schon genug mit ihren spöttischen Bemerkungen aufgezogen.

Er sperrte die Tür zu und blieb unschlüssig stehen. Was mochte Jessica wohl gerade tun? Sie hatte ja gesagt, dass sie einen ruhigen Abend plane, und dabei wollte er sie nicht stören. Andererseits hatte er das Bedürfnis, sie zu sehen.

Es stimmte, er kannte sie erst seit wenigen Tagen. Aber in der kurzen Zeit hatte er mehr über sie erfahren als über andere Frauen in einem ganzen Monat. Er unterhielt sich gern mit ihr und hatte ihr auch schon ziemlich viel von sich erzählt – nur Iris hatte er nicht erwähnt und dass sie ihm das Herz gebrochen hatte.

Als er daran dachte, wie begeistert seine Jungs und deren Eltern von Jessicas Keksen gewesen waren, musste er plötzlich lächeln. Aber nicht nur ihr Gebäck, sondern auch sie selbst war sofort akzeptiert worden, was vor allem an ihrer Freundlichkeit lag. Und seine Familie war von ihr ebenfalls angetan.

Er mochte es, wie sie lächelte, wenn sie sich über etwas amüsierte. Doch er fand sie auch absolut hinreißend, wenn sie die Stirn runzelte. In der kurzen Zeit ihrer Bekanntschaft hatte er ihr mehr von sich erzählt als jemals einer anderen Frau.

Die Frage war nur: Konnte er ihr – oder einer anderen Frau – jemals vertrauen? Nach der Sache mit Iris fiel ihm das schwer. Er war eher ein zurückhaltender Mensch und sprach nicht viel über sich. Natürlich hatte er eine enge Beziehung zu seinen Brüdern und Cousins, und gelegentlich redete er mit ihnen auch über persönliche Dinge, die ihm wichtig waren. Nur über Frauen sprach er nie. Und seit Iris hatte er auch keine Frau mehr so nahe an sich herangelassen, dass sie ihm wehtun konnte. Frauen kamen und gingen, sie berührten ihn nicht. So wollte er es, und so würde er es auch weiter halten.

Warum also plötzlich das Interesse an Jessica Claiborne?

Er ging zu seinem Wagen, aber als er die Tür aufschloss, hielt er noch einmal inne. Dann atmete er tief durch, drehte sich um und schlug die Richtung zu Jessicas Laden ein. Bei jedem Schritt versuchte er sich einzureden, dass er einfach nur einen nachbarlichen Besuch machen wollte, dass er einfach nur nachsehen wollte, ob alles in Ordnung war. Auf keinen Falls hatte er vor hineinzugehen. Er würde lediglich Hallo sagen und sich dann wieder verabschieden.

Doch als sie ihm dann die Tür öffnete, waren alle guten Vorsätze vergessen. Sie hatte offenbar gerade erst geduscht und trug keinen BH unter ihrem engen T-Shirt. Er blinzelte und musste sich zwingen, sie nicht anzustarren. Sie hatte traumhaft schöne Brüste. Voll und fest zeichneten sie sich unter dem dünnen Stoff ab. Eigentlich wollte er etwas anderes mit ihnen anstellen als sie nur anschauen. Zum Beispiel mit seinen Lippen … Er atmete tief durch. Er sollte das lassen!

Mit Mühe riss er sich von diesem Anblick los und sah langsam an ihrem Körper hinab. Sie trug knappe Shorts, die ihre fantastischen Beine noch betonten, und er spürte, wie die Lust in ihm wuchs.

Wenn er klug wäre, würde er Jessica meiden wie die Pest, auch wenn es natürlich Unsinn war, was seine Brüder ihm da unterstellten. Aber trotzdem musste er zugeben, dass da etwas war, was ihn fast unwiderstehlich zu ihr hinzog und wogegen er machtlos war. Warum tat er sich das überhaupt an? Am besten verschwand er gleich wieder. Und dann roch er sie. Es war ein Duft nach Zimt, Gewürzen, nach Sinnlichkeit und …

„Chase?“

Jetzt erst fiel ihm auf, dass er nur vor ihr stand und nichts gesagt hatte. „Kann ich reinkommen?“, fragte er schließlich.

Jessica blickte ihn an. Die Knie drohten unter ihr nachzugeben. Es wäre ganz einfach, ihn loszuwerden. Sie musste lediglich Nein sagen. Doch aus irgendeinem Grund wollte sie das nicht. Dabei bräuchte sie ihm nur zu gestehen, dass sie Carlton Grahams Enkelin war, um ihn ein für alle Mal zu vertreiben. Aber noch fühlte sie sich einem so drastischen Schritt nicht gewachsen. Die Wahrheit musste warten.

Sie seufzte resigniert und trat einen Schritt zurück, um ihm Platz zu machen. Als sie die Tür hinter ihm schloss und zu ihm hochsah, entdeckte sie das Verlangen in seinen Augen. Ihr erster Impuls war davonzulaufen, vor ihm zu fliehen. Doch sie hatte den Verdacht, dass er ihr dann folgen würde. Also konnte sie genauso gut bleiben und sich holen, was sie schließlich beide wollten. Für jemanden, der sich nichts aus Küssen machte, waren ihre Wünsche absolut widersprüchlich.

Sie ging einen Schritt auf ihn zu, wie von einem Magneten angezogen. Chase trat gleichzeitig näher an sie heran. „Das ist völlig verrückt“, flüsterte sie heiser, als er seine Arme um sie schloss.

„Völlig“, stimmte er ihr zu und zog sie noch fester an sich.

Sie legte ihren Kopf in den Nacken, und er tat, was er inzwischen als so natürlich empfand wie zu atmen: Er begann, sie voller Gier und Leidenschaft zu küssen. Er gab dem drängenden Bedürfnis, sie zu schmecken und zu fühlen, uneingeschränkt nach.

Seine Küsse wurden jedes Mal verführerischer. Er hatte die Angewohnheit, mit seiner Zungenspitze zuerst an ihren Mundwinkeln entlangzustreichen, als koste er süßen Wein, und dann den Kuss immer weiter zu vertiefen, als wolle er sie nie wieder loslassen. Danach ließ er seine Zunge sinnlich um ihre gleiten und machte sie damit fast wahnsinnig vor Lust. Nur Chase öffnete sie sich so ungehemmt, das hatte sie noch bei keinem anderen Mann getan. Er hatte die Macht, Gefühle in ihr zu wecken, die sie lieber nicht näher erforschen wollte. Und so war sie unfähig, irgendetwas dagegen zu tun. Sie stand einfach nur da und klammerte sich an ihn.

Kurze Zeit später löste er sich von ihr. Er legte die Hände um ihr Gesicht und streifte ihre Stirn mit seinen Lippen. „Ich wollte nur nachsehen, ob alles in Ordnung ist.“ Das klang selbst in seinen Ohren merkwürdig, und so fügte er hinzu: „Und ich wollte wissen, wie Sie schmecken – mehr als alles andere.“

Und dann beugte er sich, fast gegen seinen Willen, noch einmal vor, um sie zu küssen. Das hätte er bis in alle Ewigkeit tun können. Endlich hob er den Kopf, und ihre Blicke trafen sich. Und er wusste, dass sie recht gehabt hatte: Es war verrückt. Aber das hielt ihn nicht davon ab, sich noch einen Kuss zu holen, bevor er schließlich ging.

Schafe zählen war noch nie ihre größte Begabung gewesen. Jessica lag im Bett und betrachtete die Zimmerdecke. Abgesehen davon: Wie sollte sie Schafe im Geiste an sich vorüberziehen lassen, wenn sie nur an Chase Westmoreland denken konnte?

Dabei wollte sie das gar nicht. Sie wollte sich nicht vorstellen, wie er geschmeckt, wie er sich angefühlt hatte. Wenn sie bloß an seine Erektion dachte, die sie so deutlich zwischen ihren Schenkeln gespürt hatte, ging ihr Atem schon schneller. Natürlich hätte sie das alles nicht zulassen dürfen, aber sie wollte einfach nicht, dass er damit aufhörte. Erst langsam war ihr gedämmert, dass sie in kürzester Zeit auf dem Fußboden landen würden, wenn das so weiterging. Zum Glück hatte Chase dann von selbst aufgehört. Nachdem er sie noch einmal halb bewusstlos geküsst hatte, war er endlich gegangen.

Nein, Schafe zählen half ihr nicht weiter, und so öffnete sie wieder die Augen. Aber auch da sah sie Chase vor sich, kurz bevor er gegangen war, und mit diesem Blick, in dem all seine Lust und Sehnsucht lagen.

Als das Telefon klingelte, fuhr sie unwillkürlich zusammen, als wäre sie bei etwas Verbotenem ertappt worden. Aber natürlich, diesen Anruf bekam sie ja jeden Sonntagabend.

„Hallo, Jess. Wie war deine Eröffnung?“

Jessica lächelte, als sie Jennifers Stimme hörte. „Großartig. Es hätte nicht besser laufen können.“

„Schade, dass ich den großen Tag verpasst habe. Ich wäre gern dabei gewesen.“

„Ich hätte mich auch sehr gefreut, wenn du gekommen wärst. Aber das ging ja leider nicht.“ Jennifer Claiborne war kürzlich zur Direktorin einer Schule in Philadelphia ernannt worden. Weil das Schuljahr erst vor vier Wochen begonnen hatte, war es ihr einfach nicht möglich gewesen, einige Tage freizumachen.

„Hast du in letzter Zeit etwas von Savannah gehört?“, erkundigte sich Jessica. Ihre ein Jahr ältere Schwester war Fotografin und meistens für irgendwelche Aufträge unterwegs.

„Ja, sie hat heute angerufen. Eigentlich wollte sie sich auch bei dir melden. Aber offenbar warst du den ganzen Tag nicht zu Hause, und auf dem Handy hat sie dich ebenfalls nicht erreicht. Natürlich hat sie auch keine Nachricht hinterlassen, du kennst sie ja, sie hasst Anrufbeantworter. Mit Rico habe ich außerdem gesprochen, er hat nächste Woche in der Gegend zu tun und will bei dir vorbeischauen.“

Jessica lachte erfreut. „Wie schön.“ Ihr großer Bruder war vier Jahre älter als sie, arbeitete als Privatdetektiv, und sie betete ihn geradezu an.

Sie unterhielt sich gut eine Stunde mit Jennifer und erzählte ihr auch von ihrem Besuch bei Donald Schuster.

„Bist du wirklich sicher, dass dieser Chase Westmoreland nicht ahnt, wer du bist?“, fragte Jennifer schon zum zweiten Mal.

„Ja, ganz sicher. Er kennt mich ja nur als Jessica Claiborne, da gibt es keine Verbindung zu dem Namen Graham.“

„Ich hoffe nur, du machst keinen Fehler. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, wenn du ihm von Anfang an reinen Wein eingeschenkt hättest.“

Jessica schüttelte den Kopf. „Nein. Er würde mir so wenig vertrauen wie sein Großvater meinem.“

„Na ja, er scheint jedenfalls ein netter Kerl zu sein, nach allem, was du mir erzählt hast. Vielleicht könnte mehr draus werden.“

Nur allzu leicht, dachte Jessica. „Du weißt doch, was ich von Beziehungen halte, Jennifer.“

„Ja, weiß ich. Ich verstehe das ja auch bis zu einem gewissen Grad, aber jeder Mensch hat das Bedürfnis nach Liebe.“

Jessica seufzte. Bevor sie Chase kannte, hätte sie das abgestritten, aber jetzt …

„Ich lasse dich jetzt lieber schlafen. Du hast bestimmt eine anstrengende Woche vor dir.“

Jessica bewegte sich unruhig in ihrem Bett. Ein fremdes, unbestimmtes Bedürfnis, das ihr Denken und Fühlen zu beherrschen drohte, quälte sie. Es war ein Bedürfnis, das lediglich Chase mit seinen Küssen weckte und stillen konnte. Es war das Bedürfnis nach mehr, nach einer wilden Leidenschaft, die nichts mit Liebe, sondern nur mit Lust zu tun hatte. Solche Gedanken waren ihr immer fern gewesen, und sie hatte keine Ahnung, ob sie damit umgehen konnte – aber wenn sie es wollte, dann musste sie Chase in Zukunft ganz aus dem Weg gehen.

6. KAPITEL

„Sie erinnern sich also noch an die beiden Bedienungen, die für Chases Großvater gearbeitet haben?“, fragte Jessica, während sie und Mrs Stewart das Schaufenster mit den weichen Karamellstücken dekorierten.

„Ja, natürlich. Paula Meyers und Darcy Evans.“ Mrs Stewart nickte. „Paula wohnt immer noch in Atlanta, aber Darcy ist vor ein paar Jahren nach Macon gezogen, um näher bei ihrer Familie zu sein.“

„Und was ist mit Theodore Henry, dem früheren Koch bei Mr Schuster? Kennen Sie den auch?“

„Ja. Er ist alleinstehend, sah ganz nett aus und war eher ein Eigenbrötler. In der Kirche ließ er sich so gut wie nie blicken, aber er tat auch niemandem etwas. Er erledigte seine Arbeit und ging ansonsten seinen eigenen Interessen nach.“

Jessica hatte vor, am Ende der Woche mit Paula Meyers und Theodore Henry zu sprechen. Der Besuch bei Darcy Evans musste noch warten. Sie zog es vor, sich mit allen persönlich zu unterhalten, denn das war meist sehr viel ergiebiger als ein Telefongespräch.

Ein paar Stunden später war sie allein im Laden, und wie immer, wenn sie nicht beschäftigt war, dachte sie an Chase. Die Erinnerung an seine Küsse wollte sie einfach nicht loslassen. Mit seinen Lippen weckte er all ihre Sinne, und sie schwelgte in den Gedanken daran, wie seine Zunge sich in ihrem Mund angefühlt hatte. In seiner Gegenwart bröckelte die Schutzmauer, die sie um sich errichtet hatte.

Und das war nicht gut. Das war gar nicht gut.

Sie blickte auf die Uhr. Noch eine Stunde, dann würde sie schließen. Donna, die bei Chase bediente, war heute in ihrem Laden gewesen. Sie hatte zufällig erwähnt, dass ihr Chef wegen einer verzögerten Lieferung nach Knoxville fahren musste und erst am Mittwoch zurückkommen würde.

Jessica hatte versucht, sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Aber er fehlte ihr jetzt schon, und wenn sie daran dachte, dass sie ihn erst in zwei oder drei Tagen wiedersehen würde …

Sie hatten verabredet, zur Feier ihrer einwöchigen Bekanntschaft miteinander zu essen. Er hatte sehr deutlich gemacht, dass er Frauen lediglich als angenehmen Zeitvertreib betrachtete, dass mit ihnen allenfalls eine oberflächliche Freundschaft infrage kam. Gut, wenn da auch mal ein Kuss dabei war … Aber das änderte nichts Grundsätzliches. Sie waren Freunde, mehr steckte nicht dahinter. Damit konnte es allerdings ein schnelles Ende haben, wenn er herausfand, wer sie wirklich war.

Sie seufzte.

Da klingelte das Telefon. „Hier spricht Paula Meyers.“

„Ms Meyers! Schön, dass Sie zurückrufen.“

„Sicher, dass das alles ist, Chase?“

Chase sah von der Rechnung auf. Er hatte es eilig, Knoxville wieder zu verlassen und nach Hause zu fahren, zumal es schien, als wäre Sam Nesbitts Tochter Cyndi wieder auf Beutejagd. Storm war früher gelegentlich mit ihr ausgegangen, aber da er jetzt verheiratet war, hatte sie es offenbar auf seinen einzigen noch alleinstehenden Bruder abgesehen.

„Ja“, meinte Chase. „Sieht so aus, als wäre alles in Ordnung.“

„Das ist schön.“ Cyndi betrachtete ihn von oben bis unten und ließ dabei ihre Zungenspitze über die Lippen gleiten.

Aber so leicht konnte sie Chase nicht beeindrucken. Cyndi war nicht Jessica, so einfach war das.

„Ich kenne da einen netten kleinen Ort, wo wir uns näherkommen könnten. Nachdem ich ohnehin gerade zumachen wollte …“

Chase hob die Augenbrauen. Storm hatte ihn schon vor Cyndi gewarnt. Sie steuerte ihr Ziel offenbar ohne Umschweife an und sagte immer sehr direkt, was sie wollte. Aber er war einfach nicht interessiert. Die einzige Frau, auf die er Lust verspürte, war zu Hause in Atlanta.

Er lächelte mit höflichem Bedauern. „Danke für das Angebot. Aber ich habe noch ziemlich viel zu erledigen. Morgen muss ich wieder in Atlanta sein. Es tut mir leid, dass ich Ihren Vater nicht getroffen habe. Richten Sie ihm Grüße von mir aus.“

„Ja, mache ich.“ Cyndi konnte ihre Enttäuschung nicht verbergen.

Als Chase später auf seinem Hotelbett lag, dachte er an Jessica, und ihm wurde warm. Noch nie hatte er eine Frau wie sie kennengelernt. Obwohl er wusste, dass er nicht so viel an sie denken sollte, konnte er nicht anders. Er tröstete sich damit, dass es ihm nur um Sex ging. Schließlich hatte er sechs Monate lang nichts mit einer Frau gehabt. Aber das war es nicht allein. Sex konnte er sich auch woanders holen. Doch er wollte niemand anderen als sie.

Er nahm die Visitenkarte, die Jessica ihm gegeben hatte, vom Nachttischchen.

Dann hob er den Telefonhörer ab und wählte ihre Nummer. Es war kurz vor acht, und er hoffte, dass er sie nicht störte.

„Ja, hallo?“

Allein ihre Stimme tat ihm gut. Er setzte sich auf.

„Hi, Jessica. Hier ist Chase.“

Jessica spürte ein Ziehen im Bauch, als sie Chases Stimme hörte. Dann holte sie tief Atem. „Hallo, Chase. Wie geht es Ihnen?“

„Wenn ich mit Ihnen spreche, gleich viel besser.“

Ihr Herz schlug schneller. Zweifellos wusste er mit Frauen umzugehen.

„Ich musste heute Morgen unerwartet nach Knoxville fahren“, sagte er. „Es gab Probleme mit einem Lieferanten.“

„Knoxville soll eine sehr schöne Stadt sein. Ich war aber noch nie da.“

„Dann müssen Sie mich beim nächsten Mal unbedingt hierher begleiten.“

Seine Stimme war tief und rau, und ein Kribbeln breitete sich entlang ihrer Wirbelsäule aus. „Ja, gern“, sagte sie. Die bereits bekannten Warnzeichen in ihrem Inneren ignorierte sie. Das ging zwar alles ein bisschen zu schnell, aber sie wusste nicht, was sie dagegen hätte tun können.

„Und wie war Ihr Tag?“, wollte er wissen.

Jessica wollte jetzt nicht an ihr Treffen mit Paula Meyers denken. Die ehemalige Bedienung hatte ihr nichts sagen können, was ihr weitergeholfen hätte. Deshalb hatte sie für morgen die Fahrt nach Macon zu Darcy Evans geplant, die sich allerdings wenig begeistert von dem angekündigten Besuch gezeigt hatte.

„Großartig“, sagte sie. „Das Geschäft ist gut gelaufen, und ich habe einen neuen Vertrag mit einem Hotel unterschrieben.“

„Klingt gut. Aber ich habe ja auch nie an Ihnen gezweifelt.“

„Danke.“ Sie unterhielten sich noch ein bisschen, dann fragte Jessica: „Und wann kommen Sie nach Atlanta zurück?“

„Irgendwann am Mittwoch. Sie haben doch unsere Verabredung zum Essen hoffentlich nicht vergessen?“

Jessica atmete tief durch. Sie konnte ihm unmöglich gestehen, dass sie praktisch an nichts anderes gedacht hatte. Nicht einmal der enttäuschende Besuch bei Paula Meyers hatte ihre Vorfreude dämpfen können. „Nein, natürlich nicht. Ich freue mich schon sehr darauf“, gestand sie ehrlich.

„Ich auch.“ Er machte eine kleine Pause. „Sie hatten einen anstrengenden Tag, darum lasse ich Sie jetzt in Ruhe. Gute Nacht, Jessica.“

Sie hätte noch endlos mit ihm reden können. „Gute Nacht, Chase. Danke für den Anruf.“

Nachdem sie den Hörer aufgelegt hatte, strich sie mit der Fingerspitze über ihre Lippen. Genau dort hatte sie Chases Zunge gespürt. Ein kleiner Schauer durchlief sie, und sie streckte sich aus. Regentropfen trommelten aufs Dach.

Sie knüllte ihr Kopfkissen zusammen und suchte eine bequeme Position. Kaum hatte sie die Augen geschlossen, als alle ihre Gedanken von Chase erfüllt waren, selbst später noch, als sie längst schlief.

Darcy Evans verbarg etwas.

Davon war Jessica felsenfest überzeugt. Die ehemalige Bedienung war etwa Mitte dreißig und hatte sich auf das Gespräch nur aus Achtung vor Jessicas Großvater eingelassen. Das behauptete sie jedenfalls. Damals war sie siebzehn Jahre alt gewesen, unverheiratet mit Kind, und hatte unbedingt Arbeit gebraucht. Carlton Graham hatte Scott Westmoreland überredet, sie als Bedienung einzustellen. Aber auch nachdem die beiden Männer in Unfrieden auseinandergegangen waren, hatte sie noch weiter in dem Restaurant gearbeitet.

„Sie haben also keine Ahnung, wie die Rezepte in Schusters Hände gefallen sein könnten?“

Jessica beobachtete ihr Gegenüber forschend.

„Woher sollte ich das wissen?“, gab Darcy Evans herausfordernd zurück. „Ich war ja nur Bedienung. Mit der Kocherei hatte ich nichts zu tun.“

Tja, woher, fragte Jessica sich. „Sie waren damals seit zwei Monaten dort?“

„Seit vier, genau genommen.“

„Und in der Zeit haben Sie nie in der Küche gearbeitet?“

Darcy Evans’ Augen blitzten auf. „Was werfen Sie mir eigentlich vor?“

„Gar nichts“, sagte Jessica mit einem Seufzer. „Ich will einfach nur etwas herausfinden.“

„Wozu denn noch nach all der Zeit? Mr Westmoreland und Mr Graham sind tot, was spielt es da für eine Rolle, was mit diesen Rezepten passiert ist?“

Jessica nahm ihre Tasche und stand auf. „Die beiden haben Nachkommen, und die haben ein Recht auf die Wahrheit. Und bis sie ans Tageslicht kommt, gilt mein Großvater als Dieb. Das ist nicht gerecht. Deshalb will ich beweisen, dass er sich nichts hat zuschulden kommen lassen.“

Einen Moment lang verspannte Darcy Evans sich. Sie mied Jessicas Blick. „Ihr Großvater war ein guter Mann.“

Jessica lächelte. „Ja, das finde ich auch. Aber es hat ihn bis zu seinem Tod belastet, dass man ihm den Diebstahl zutraute. Falls Ihnen also noch etwas dazu einfällt, lassen Sie es mich bitte wissen.“

„Ich glaube kaum, dass mir noch etwas einfallen wird“, erwiderte Darcy viel zu schnell.

Im nächsten Augenblick stand Jessica wieder auf der Straße.

Chase drehte sich einmal um die eigene Achse. Er erkannte sein Arbeitszimmer kaum wieder. Donna sollte in seinem Auftrag alles für das Abendessen mit Jessica vorbereiten. Dabei war sie wohl etwas übers Ziel hinausgeschossen. Den Tisch hatte sie wirklich schön und zu seiner Zufriedenheit gedeckt, aber was sollten das Kaminfeuer, die Blumen und die Kerzen? Das alles schrie förmlich nach Verführung, und dem würde er sich nicht entziehen können. Natürlich würde er Jessica küssen wollen, sie dann in sein kleines Apartment bringen, sie dort ausziehen und … Er würde seine Hände über ihre Brüste, ihren Bauch, die Oberschenkel wandern lassen – und vor allem zwischen ihre Schenkel. Seine Lenden verspannten sich, wenn er nur daran dachte. Aber er wollte noch viel mehr als sie nur berühren. Er wollte sie schmecken, sie förmlich verschlingen. Er wollte erleben, wie die Lust in ihr wuchs, wie sie danach fieberte, ihn zu spüren, wie sie die Beine für ihn öffnete und er mit der Zunge …

„Alles in Ordnung, Boss?“

Chase drehte sich um und sah in Donnas erwartungsvolle Miene. Er seufzte. „Meinen Sie nicht, dass Sie es ein bisschen übertrieben haben?“

Aber Donna lachte nur. „Na ja, wenn ich daran denke, wie es mit Ihnen und Jessica angefangen hat … Ich dachte, Sie könnten etwas Unterstützung brauchen. Und mein Gefühl sagt mir, dass sie genauso gern verwöhnt wird wie alle Frauen.“

Chase betrachtete Donna eine Weile. Seit sechs Monaten arbeitete sie jetzt für ihn, und er konnte sich voll und ganz auf sie verlassen. Trotzdem wusste er nicht viel von ihr. Ihren Unterlagen zufolge war sie dreiundzwanzig Jahre alt. Außerdem hatte sie ihm erzählt, dass sie Wirtschaft auf der Abendschule studierte.

Seit Montag hatte er Jessica nicht mehr gesehen. Bis auf das eine Mal hatte er sie auch nicht mehr angerufen, selbst wenn ihm das ziemlich schwergefallen war. Dabei hatte er sich einzureden versucht, dass die Freude auf das Wiedersehen ganz normal war, dass er die brennende Sehnsucht einfach nur unterdrücken musste, die ihn immer in ihrer Nähe überfiel. Heute würden sie lediglich ihr einwöchiges Jubiläum feiern – wenngleich er zugeben musste, dass ihm so ein Anlass bisher bei keiner anderen Frau als wichtig erschienen war.

Er seufzte ein weiteres Mal. Was war nur mit ihm los? Er konnte es kaum erwarten, sie wiederzusehen und sie zu küssen. Das war eine ganz neue Erfahrung für ihn. Das Klopfen an der Tür schreckte ihn aus seinen Gedanken.

Chase riss die Tür auf, und einen Augenblick lang konnte er Jessica nur anstarren. Sie trug einen Rock und eine Bluse, die in ihrer Schlichtheit an jeder anderen Frau langweilig ausgesehen hätten. Aber bei ihr betonte gerade der einfache Schnitt ihre vollen, festen Brüste, die schmale Taille und die wohl gerundeten Hüften. Das alles wurde noch durch die hochhackigen Sandaletten unterstrichen. Diese Frau war die reinste Versuchung. Auch ihr dezenter und doch verführerischer Duft löste etwas in ihm aus – als wäre ihm nicht schon heiß genug.

Kurze Zeit sagte er gar nichts. Er beobachtete nur, wie Jessica nervös mit der Zungenspitze über ihre Unterlippe fuhr – und diese kleine Bewegung steigerte seine Lust in Unermessliche.

„Ich hoffe, ich komme nicht zu früh“, sagte sie schließlich und sah zu ihm hoch.

Sein Blick wanderte zu ihren Augen. „Nein, Sie kommen genau richtig.“

Er ging einen Schritt zurück, um sie eintreten zu lassen, und schloss dann die Tür hinter ihr. Die Luft schien zu vibrieren. Am liebsten hätte er sie auf der Stelle in die Arme gezogen und bis zur Bewusstlosigkeit geküsst.

„Ich dachte, ich sorge wenigstens für das Dessert“, erklärte sie und hielt ihm eine Schachtel hin. „Schokoladenkäsekuchen.“

„Danke.“ Die Kontrolle drohte ihm zu entgleiten, und er wusste, dass er sich schleunigst wieder in den Griff bekommen musste. Aber zum Teufel damit! Er stellte den Kuchen ab und nahm sie in seine Arme. Und sobald ihre Lippen sich fanden, wusste er, dass er süchtig danach war, sie zu küssen. Es sollte verboten werden, dass der Mund einer Frau so süß, so köstlich, so erotisch schmeckte.

Bis zu diesem Moment hatte er nicht gewusst, wie sehr er sie brauchte, wie sehr er ihren Mund brauchte. Das Gefühl, wenn sie ihren Busen an ihn presste, ihr leises Stöhnen, wenn er sie küsste. Und wie sie sich an ihn schmiegte, an seine Lenden, wie seine Erektion genau zwischen den Ansatz ihrer Oberschenkel passte …

Wenn er diesem Wahnsinn nicht augenblicklich ein Ende bereitete, würde er sich noch hier, an Ort und Stelle auf sie stürzen. Widerstrebend hob er den Kopf und wäre bei dem Ausdruck in ihren Augen fast wieder schwach geworden.

„Ich dachte, wir essen am besten in meinem Arbeitszimmer“, flüsterte er an ihrem Mundwinkel. „Dann kommt erst keiner auf die Idee, dass das Restaurant geöffnet sein könnte.“ Das hieß, er wollte nicht gestört werden.

„Gut.“

Er atmete tief durch und versuchte, nicht auf ihren Mund zu schauen. Dann gab er sich einen Ruck, nahm den Kuchen und führte sie den Gang hinunter. Sie schwiegen beide, bis sie das Arbeitszimmer erreicht hatten. Als er die Tür aufschob, beobachtete er Jessicas Reaktion.

Einen paar Sekunden lang sagte sie gar nichts, während sie den gedeckten Tisch mit den Blumen und Kerzen sowie den brennenden Kamin auf sich wirken ließ. Dann drehte sie sich langsam zu ihm um. Ihr Blick schien ihm wie eine Liebkosung.

„Sie hätten sich nicht so viele Umstände machen müssen, Chase.“

Doch, dachte er, doch. Dann stellte er den Kuchen auf seinem Schreibtisch ab und ballte unwillkürlich die Fäuste, um sich daran zu hindern, sie wieder zu berühren und in die Arme zu nehmen.

Die Haare fielen ihr in wilden Locken auf die Schultern, und sie sah so sexy aus wie nie zuvor. In dem geschlossenen Raum machte ihr zarter Duft ihn beinah schwindlig. Dass er sie eben geküsst hatte, war auch nicht gerade hilfreich gewesen.

„Ich hoffe, es schmeckt Ihnen. Ich habe natürlich nach einem Familienrezept gekocht.“

„Bestimmt“, entgegnete sie. Das Letzte, was sie jetzt hören wollte, war irgendetwas über Geheimrezepte.

Chase schob ihr einen Stuhl zurecht. „Setzen Sie sich, und lassen Sie sich bedienen.“

Jessica gehorchte und bewunderte dann, wie geschickt er sich beim Servieren anstellte. Sie hatte größte Mühe, ihn nicht ununterbrochen anzustarren. Er hatte etwas Wildes, Ungezähmtes an sich, etwas sehr Aufregendes. Bis jetzt hatte sie sich noch gar nicht eingestanden, wie sehr er ihr in den letzten drei Tagen gefehlt hatte und wie sehr sie sich nach seinen Küssen sehnte.

Er setzte sich zu ihr an den Tisch. „Guten Appetit.“

Während des Essens unterhielten sie sich über Gott und die Welt, und Chase gab ihr unter anderem Tipps für ihren geplanten Internetauftritt. Am Schluss ließen sie sich noch Jessicas Käsekuchen schmecken.

„Und?“, fragte Chase nach einer Weile, als sie mit einem Glas Wein vor dem Kamin standen. „Hat es Ihnen geschmeckt?“

Jessica lächelte. „Wunderbar. Das Hühnchen und die Klöße waren köstlich.“ Sie sah sich um. „Alles war perfekt. Ich frage mich nur …“ Sie zögerte.

Als sie nicht weitersprach, hakte er nach: „Was fragen Sie sich?“

Sie knabberte nervös an ihrer Unterlippe. „Ich frage mich, ob das nicht vielleicht ein bisschen zu viel Aufwand für ein rein freundschaftliches Essen war.“

Chase kauerte gerade vor dem Kamin, um Holz nachzulegen. Jetzt blickte er zu Jessica hoch. „Wann haben wir uns denn auf eine Freundschaft geeinigt? Ich dachte, wir wollten es nur ein bisschen langsamer angehen lassen und uns erst einmal besser kennenlernen. Aber ich erinnere mich nicht daran, dass von reiner Freundschaft die Rede gewesen wäre. Genau genommen hoffe ich auf das Gegenteil. Ich will nicht nur Ihr Freund sein.“

Langsam begriff sie, was er da gesagt hatte. „Wie meinen Sie das?“ Ihr Flüstern war fast nicht zu hören.

Chase wurde klar, dass er ihr die Wahrheit schuldete, kein dummes Gerede, keine Ausflüchte und keine Spielchen. Er wollte ihr Liebhaber sein, nicht ihr Freund. Eigentlich ging das bei ihm normalerweise nicht so schnell, aber mit Jessica war alles anders. „Wir haben doch schon festgestellt, dass wir uns zueinander hingezogen fühlen. Aber es scheint da noch etwas zu geben.“

Jessica runzelte die Stirn. „Ja?“ Sie versuchte, das Ziehen in ihrem Bauch zu ignorieren. Seine dunklen Augen lösten Gefühle in ihr aus, die sie nicht verstand, und die sie auch nicht haben wollte.

„Ich will dich, Jessica“, sagte Chase. Er war jetzt ganz ernst. „Und ich glaube, du willst mich auch. Egal, was wir sagen, ob wir so tun, als wäre nichts, oder es von uns schieben: Das Ergebnis wird dasselbe sein.“

Jessica zog die Augenbrauen hoch. „Und das wäre?“

„Wir werden miteinander ins Bett gehen – wenn nicht heute, dann ein anderes Mal. Die Anziehungskraft zwischen uns ist so stark, wir werden uns auf Dauer nicht dagegen wehren können. Ich würde nie versuchen, dich zu etwas zu überreden, was du nicht willst, oder dich mit Tricks herumzukriegen. Aber ich werde alles tun, um dich zu verführen.“

Verführen … Der Klang dieses Wortes breitete sich in ihr aus, nistete sich in ihrem Bewusstsein ein, löste eine sinnliche Sehnsucht in ihr aus – und nicht nur das. Es ging tiefer, es ging um elementare Lust. Jessica betrachtete die Flammen im Kamin. Aber im Vergleich zu dem Feuer, das in ihrem Inneren loderte, waren sie nichts als harmlose Flämmchen.

Zwei Tage lang hatte sie versucht, sich nur darauf zu konzentrieren, wie Donald Schuster an die Rezepte gekommen war. Aber die ganze Zeit über hatte Chase ihr Denken und Fühlen beherrscht, auch wenn sie es sich nicht hatte eingestehen wollen.

Jetzt trat er hinter sie. Und als sie seinen Duft wahrnahm, wusste sie, dass er recht hatte. Zwar hatte sie sich vor dem Hintergrund ihrer Familiengeschichte alles andere als das gewünscht, aber sie war machtlos dagegen. Er hatte nur ausgesprochen, was sie fühlte. Früher oder später würden sie miteinander schlafen, so viel stand fest. Dass sie sich nie etwas aus Sex gemacht hatte, änderte auch nichts daran. Sie wusste genau, dass es mit Chase anders sein würde. Sie hatte es schon bei seinen Küssen gemerkt.

„Jessica?“

Er flüsterte ihren Namen und drehte sie sanft zu sich herum. Seine Augen waren dunkel, fast schwarz, und er sah sie forschend an. Ihr wurde heiß unter seinem Blick, und ihr Widerstand fiel in sich zusammen. All die Zeit war sie selbstständig gewesen, unabhängig von irgendeinem Mann. Aber sie hatte auch nie einen Mann wie Chase Westmoreland getroffen.

Wenn sie ehrlich war, dann wollte sie seine Arme um sich spüren. Sie wollte, dass er sie berührte, und zwar überall, dass er ihr die Lust schenkte, von der sie heute Nacht geträumt hatte. Die Erinnerung daran ließ ihren Puls rasen und ihr Herz beinah Purzelbäume schlagen. Sie atmete stockend, und ihr wurde heiß zwischen den Beinen. Zitternd sog sie die Luft ein. In ihrem tiefsten Inneren wusste sie, dass das alles mehr als reine Lust war, aber darüber wollte sie jetzt nicht nachdenken.

Sie kämpfte gegen die Versuchung, kämpfte gegen die Vernunft. Dann streckte sie ihre Arme aus, schlang sie um Chases Hals und schmiegte sich an ihn. Sie spürte seine Erregung deutlich durch den Stoff hindurch. Sie gab die Kontrolle über ihren Körper auf, gab all ihren so lange aufgestauten und verschütteten Bedürfnissen nach und schlug jede Vorsicht in den Wind. Zum ersten Mal in ihrem Leben würde sie sich einfach nehmen, was sie wollte.

„Chase“, murmelte sie

„Ja?“

„Verführ mich. Bitte.“

7. KAPITEL

Verführ mich …

Eine unbändige Lust erfasste Chase von einem Augenblick zum anderen. Er sah Jessica an. Verführen war nicht genug, er würde sie zur Ekstase treiben. „Noch ein Glas Wein?“, flüsterte er direkt an ihrem Ohr.

Sie nickte nur. Gänsehaut hatte sich auf ihrem Körper ausgebreitet, und eine Mischung aus Unsicherheit und Erregung bemächtigte sich ihrer. Was immer Chase mit ihr vorhatte, sie würde sich nicht dagegen wehren. Jetzt blickte sie zu ihm hoch. „Ja“, sagte sie.

Ihre Gefühle überschlugen sich fast, als sie ihn dabei beobachtete, wie er ihr Glas nachfüllte, und ihr war, als würde sie am ganzen Körper brennen.

Chase hob sein Glas. Seine Augen waren fast schwarz vor Verlangen. „Auf die Verführung und die Leidenschaft.“ Seine Stimme klang heiser.

Es war nicht das erste Mal, dass Jessica seine Hände betrachtete und sich dabei vorzustellen versuchte, wie sie sich wohl auf ihrer Haut anfühlen würden. Aber noch nie war ihr so heiß bei dem Gedanken geworden. Sie stieß ihr Glas leicht gegen seines und nippte an ihrem Wein. Nach einer Weile nahm Chase ihr das Glas sanft aus der Hand und stellte es auf den Tisch. Dann machte er den CD-Spieler an, und weicher Jazz füllte den Raum.

„Lass uns tanzen“, sagte er leise und zog sie in die Arme.

Sein Körper war hart, und wie er sich an sie presste, hatte etwas unendlich Intimes. Jessica begann zu zittern und schloss die Augen. Dann gab sie sich ganz der verführerischen Musik hin. Nie hatte sie sich so sehr als Frau, so weiblich gefühlt wie in diesem Moment. Sie barg ihr Gesicht an Chases Hals und atmete seinen männlichen, aufreizenden Duft ein. Chase ließ seine Hände über ihren Körper gleiten, immer tiefer, über ihre Hüfte, zu ihrem Po, zog sie noch enger an sich, bis sie vor Lust fast den Verstand verlor. Er weckte Wünsche in ihr, von denen sie bisher nicht einmal etwas geahnt hatte. Ihr war so heiß, dass sie von innen zu verglühen glaubte.

Sie rieb sich an ihm, spürte seine harte Erektion, das Begehren und die Lust, die sie in ihm auslöste. Ihr Atem kam flach, und sie wurde feucht zwischen den Beinen.

Viel zu schnell endete die Musik. Jessica sah zu Chase hoch und entdeckte die brennende Leidenschaft in seinen Augen, die Begierde in seinen Zügen. Und dann küsste er sie. Er umfasste mit beiden Händen ihren Kopf und schob seine Finger in ihre Haare. Seine Lippen bewegten sich aufreizend langsam auf ihrem Mund.

Dann küsste er sie fordernder. Er ließ seine Zunge zwischen ihre Lippen gleiten und zeigte ihr, wie sehr er sie begehrte. Sie hatte keinen eigenen Willen mehr. Für sie zählte nur noch sein Körper und die Art, wie er sich anfühlte. Sie stöhnte auf, als sein Kuss immer leidenschaftlicher, immer lustvoller wurde, und hatte nur noch einen einzigen Gedanken: Sie wollte ihn. Jetzt. Und hier.

Er streifte mit seinen Fingern über ihre Beine und ertastete den Weg zwischen ihre Oberschenkel, bis er gefunden hatte, was er suchte. Jessica atmete scharf ein. Er unterbrach seinen Kuss und löste sich von ihr. Der Ausdruck in seinen Augen war so unglaublich sexy, dass ein Zittern durch ihren Körper lief.

„Du hast viel zu viel an“, flüsterte er und machte sich daran, ihre Bluse aufzuknöpfen. „Ich will dich nackt sehen.“ Ihre Blicke verfingen sich ineinander. „Oder ist das schwierig für dich?“, erkundigte er sich, während er weiter einen Knopf nach dem anderen öffnete.

Jessica streckte die Hand aus – nicht um ihn zu bremsen, sondern weil es ihr nicht schnell genug ging. „Nein“, sagte sie leise.

Endlich war er fertig. Dann atmete er tief durch und öffnete mit einer schnellen Bewegung ihren BH, bis er ihre nackten Brüste endlich vor sich sah.

Er stieß einen lustvollen Laut aus und blickte sie hungrig an. Jessica stockte der Atem, als er den BH auf den Boden zu ihrer Bluse warf.

„Ich wollte dich von dem Moment an, als ich dich auf dem Parkplatz sah“, gestand er. „Das Erste, was mir an dir auffiel, waren deine traumhaft schönen Beine.“ Er schmunzelte ein wenig und wurde dann wieder ernst. „Aber ich wollte mich nicht auf dich einlassen, Beine hin oder her. Und dann merkte ich, dass ich es einfach nicht verhindern konnte.“

Er atmete tief durch. „Ich will dich so sehr“, sagte er stöhnend und senkte im nächsten Augenblick den Kopf, um eine ihrer Brustwarzen mit den Lippen zu umschließen.

Zitternd sog Jessica die Luft ein, als er an der Spitze saugte und leckte, seine Zunge um sie kreisen ließ. Sie stöhnte auf und schnurrte genussvoll, bis die Beine unter ihr nachgaben.

Chase zog sie enger an sich und hielt sie fest, während er von einer Brust zur anderen wechselte und auch diese aufreizend mit Lippen und Zunge reizte, bis Jessica es nicht mehr aushielt.

„Chase“, sagte sie stöhnend und seufzend zugleich, während sie seinen Kopf noch fester an sich drückte. Er durfte damit nicht aufhören, es fühlte sich so wunderbar an, und sie spürte, wie eine Leidenschaft sie erfasste, die sie nie für möglich gehalten hätte.

Unvermittelt löste er sich ein wenig von ihr. „Ich will mehr“, flüsterte er rau. „Ich muss dich überall schmecken.“ Dabei sah er ihr in die Augen, und ihre Lust wurde noch größer.

Jessica atmete tief durch. „Bitte …“ Mehr brachte sie nicht heraus.

Sein Lächeln ließ ihre Knie weich werden und alle Vorbehalte, die sie vielleicht noch gehabt hatte, verschwinden. Er öffnete den Verschluss ihres Rockes, streifte ihn über ihre Hüften und Beine. Bis auf einen cremefarbenen Minislip aus Spitze stand sie nun nackt vor ihm.

„Du bist so unglaublich sexy“, stöhnte er heiser und kniete sich vor sie, um sie auch noch von dem letzten Stück Stoff zu befreien. Er sah zu ihr hoch, ließ seinen Blick genießerisch über ihren Körper wandern, dann zwischen ihren Oberschenkeln verweilen. Unbewusst fuhr er sich mit der Zungenspitze über seine Lippen, als wollte er damit zeigen, was er vorhatte. Jessica hatte davon gehört und auch gelesen, aber selbst erlebt hatte sie es noch nicht. Es waren nur noch Sekunden …

Er kam näher, küsste ihren Nabel und umkreiste ihn mit der Zunge. Sie spürte seinen warmen feuchten Atem, und die Hitze zwischen ihren Beinen stieg um einige Grade. Fasziniert beobachtete sie ihn, während ein nie gekanntes Verlangen ihren Körper erfasste.

Langsam ließ er seinen Mund über ihren Bauch nach unten wandern, und bevor sie den Atem anhalten konnte, küsste er ihre intimste Stelle mit derselben Leidenschaft, mit der er zuvor ihren Mund geküsst hatte. Und als wollte er sie daran hindern wegzulaufen, umfasste er ihren Po, während er ihren ganzen Körper zum Glühen brachte.

Jessica hörte seine kehligen Laute und presste seinen Kopf noch fester an sich. Sein Kuss wurde noch intensiver, noch intimer.

Laut aufstöhnend drängte sie sich ungeduldig an ihn, als könnte sie nicht genug von ihm bekommen. Ihr Inneres pochte und war in Aufruhr. Sie sehnte sich nach Erlösung. Aber Chase wollte sich Zeit nehmen, wollte den Genuss auskosten, bis sein Hunger gestillt war.

Doch plötzlich ging ein heftiges Zucken durch ihren Körper, und sie schrie seinen Namen. Sie wollte ihn von sich stoßen, aber er drückte sie nur noch mehr an sich und ließ seine Lippen und Zunge einen wilden, ungezügelten Tanz aufführen. Dabei streichelte er sie zugleich, bis ein letztes heftiges Zucken sie erlöste. Und auch dann hörte er nicht auf, küsste und liebkoste sie weiter.

Endlich hob er den Kopf. Er setzte sich auf die Fersen zurück und blickte ihr tief in die Augen. Jessica stockte der Atem. Sie sah ihm an, dass er noch mehr wollte. Viel mehr. Und auch ihr Verlangen wuchs aufs Neue. „Liebe mich, Chase“, flüsterte sie.

Da stand er auf und hob sie hoch.

Chase blickte auf die Frau in seinen Armen hinunter. Eigentlich wartete er, bis er eine Frau besser kannte, bevor er sie so intim streichelte und küsste. Aber bei Jessica war alles anders. Sie besaß diese sinnliche, zutiefst weibliche Zartheit, und er hatte einfach nicht widerstehen können. Und jetzt, da er wusste, wie köstlich sie schmeckte, war seine Begierde noch gewachsen. Sie war einfach hinreißend, unwiderstehlich.

Sie schmiegte sich an ihn, während er sie die Treppe hinauftrug, und rieb das Gesicht an seiner Brust. Sein Atem ging schneller, und seine Lust stieg ins Unermessliche. Lange würde er sich nicht mehr beherrschen können.

In seinem Schlafzimmer holte er noch einmal tief Luft, dann legte er Jessica aufs Bett. Schon als sie vorhin ins Restaurant gekommen war, hatte er gespürt, dass heute etwas passieren würde, dass sie bereit für ihn war. Und als er sie jetzt nackt und voller Erwartung vor sich liegen sah, konnte er keinen klaren Gedanken mehr fassen. Es war schön gewesen, sie so intim zu küssen, aber das war ihm nicht genug, er wollte in ihr sein, ganz tief.

Jessica sah ihm zu, wie er sein Hemd aufknöpfte. Mondlicht fiel durch die Fenster und ließ ihre Haut fast unwirklich leuchten. „Sag etwas“, bat er leise. Plötzlich schien ihm die Stille unerträglich. Er wusste, dass sie ihn beobachtete.

Sie streckte sich genüsslich, und ein kleines Lächeln spielte um ihren Mund. Er warf sein Hemd achtlos auf den Boden. Es gefiel ihm, dass sie sich nicht genierte oder versuchte, ihren nackten Körper vor ihm zu verstecken. Jetzt lachte sie.

„Was soll ich denn sagen?“

Er fühlte sich fiebrig, als sie die Zungenspitze über ihre Lippen gleiten ließ und machte sich an seinem Gürtel zu schaffen. „Was du willst.“

Sie schwieg, als müsste sie erst darüber nachdenken. Und als sie wieder ihre Lippen befeuchtete, sog er scharf die Luft ein. Da setzte sie sich auf und rutschte an die Bettkante. Ihr Gesicht war jetzt in Höhe seiner Lenden. Sie streckte die Hand aus und presste sie auf die eindrucksvolle Erektion, die unter dem Stoff deutlich zu erkennen war. Dann begann sie ihn zu massieren. „Hm … Im Augenblick fällt mir eigentlich nur eines ein“, meinte sie ein wenig heiser. Ihre Stimme klang ungeheuer sexy.

„Ja?“ Er bekam kaum einen Ton heraus, während sie ihn weiter berührte und streichelte.

Sie sah zu ihm hoch. „Beeil dich.“

Lächelnd trat er einen Schritt zurück. Er öffnete den Gürtel und stand im nächsten Augenblick nackt vor ihr. Sie betrachtete ihn ausgiebig.

„Was denkst du?“, wollte er wissen.

„Dasselbe wie bei unserem ersten Treffen. Dass du genauso verführerisch bist wie Schokolade und ich unbedingt davon probieren möchte.“

Chase lachte und kam näher. „Baby, du bekommst alles, was du willst.“

Er verlor keine Zeit mehr, sondern schob sie aufs Bett zurück und legte sich auf sie.

„Doch vorher“, sagte er und senkte den Kopf, „muss ich dich noch einmal küssen.“

Jessica lächelte. Seit sie Chase das erste Mal gesehen hatte, war das Verlangen in ihr gewachsen, diese Lust auf Sex, die sie jahrelang verdrängt hatte. Aber noch bevor sie darüber nachdenken konnte, spürte sie seinen Mund auf ihrem. Kleine lustvolle Schauer liefen durch ihren Körper, und ihre Gefühle schienen sich zu überschlagen. Sie glaubte, ihre Haut würde brennen.

Endlich gab er ihren Mund frei. „Lass mich zu dir kommen, Jessica“, flüsterte er mit seiner rauen, unglaublich erotischen Stimme.

Instinktiv öffnete sie ihm die Beine, während er wieder mit seiner Zunge ihren Mund liebkoste. Dann ließ er sich ganz langsam auf sie sinken, und sie hob sich ihm entgegen.

„Lass mich zu dir“, wiederholte er. Und als er in ihre Augen sah, wusste er mit einem Mal, dass er sie um etwas bat, was sie noch nie getan hatte: einen Mann zu führen, ihm zu zeigen, wo und wie sie es wollte.

Als sie auf dem College mit diesem Mann geschlafen hatte, war alles so schnell vorbei gewesen. Sie hatte gar nicht richtig mitbekommen, was gerade zwischen ihnen abgelaufen war. Danach hatte sie sich enttäuscht gefühlt und missbraucht. Mit Lust hatte das nichts zu tun gehabt.

Bei Chase war es anders. Für ihn war sie nicht nur Mittel zum Zweck. Er wollte eine gleichberechtigte Partnerin, die selbst aktiv war und nicht einfach alles über sich ergehen ließ. Sie spürte die rauen Härchen auf seinem Bauch unter ihren Fingerspitzen und hielt für einen kurzen Moment in der Bewegung inne. Dann ließ sie die Finger auf seiner Haut kreisen.

„Jessica …“, stieß er mit einem gequälten Laut hervor.

Sie lächelte ein wenig und wanderte mit den Fingern weiter nach unten, bis sie ihn gefunden hatte – hart und fest, kaum zu umfassen. Würde er ihr denn nicht wehtun?

Unwillkürlich sah sie zu ihm hoch. Er lächelte und als könnte er ihre Gedanken lesen, sagte er: „Es wird wunderbar …“

Jessica atmete tief durch und beschloss, ihm zu vertrauen. Allein das Gefühl, ihn auf diese Weise zu berühren, beraubte sie jedes logischen Gedankens. Das Einzige, was sie noch registrierte, war der harte Schaft, der bald in ihr sein würde, sich in ihr bewegen würde und …

Auf einmal hielt sie inne. „Und was ist mit Verhütung?“, wollte sie wissen. Sie sah ihm an, dass er genauso wenig daran gedacht hatte wie sie.

„Mist. Eigentlich bin ich nicht so unbesonnen. Entschuldige.“ Er setzte sich auf und kramte ein Kondom aus der Nachttischschublade. Innerhalb von Sekunden hatte er es von seiner Hülle befreit und übergestreift.

„Ich habe ja auch nicht daran gedacht“, erwiderte sie und fügte dann hinzu: „Normalerweise nehme ich die Pille, um meine Periode zu regeln, aber ich habe über acht Jahre nicht mehr mit einem Mann geschlafen und …“

„Acht Jahre?“, wiederholte er verblüfft.

Sie nickte. „Ja, nicht seit meinem ersten Jahr auf dem College. Es war wenig berauschend und ziemlich schnell vorbei.“ Sie konnte kaum glauben, dass sie darüber so locker mit Chase sprach, als unterhielten sie sich über das Wetter.

„Und seitdem war nichts mehr?“

Sie schluckte. „Nein. Seit damals ist es das erste Mal.“

Er beugte sich wieder über sie und küsste sie so zärtlich, dass sie es kaum aushielt. Sein Kuss wurde intensiver, und die Leidenschaft flammte erneut auf.

„Zeig mir den Weg, Jessica“, flüsterte er.

Er atmete stoßweise, als sie ihn nahm und dorthin führte, wo sie auf ihn wartete. Ihre Blicke trafen sich, und diese Lust in seinen Augen, diese brennende Leidenschaft ließen ihr Blut schneller und schneller durch die Adern fließen. Sie spürte, dass sich die Muskeln tief in ihr zusammenzogen. Und sie wusste, dass ihr Körper bereit für ihn war.

Dann übernahm er die Führung. Langsam und vorsichtig drang er in sie ein, und als er sich ganz auf sie senkte, hob sie ihm ihre Hüften entgegen, um ihm das Eindringen zu erleichtern. Doch plötzlich hielt er inne, und eine kleine Erschütterung durchlief seinen Körper, als er den Widerstand spürte.

„Du bist noch … Er hat nicht …“ Chase brachte kein vernünftiges Wort hervor. Sein Gesicht war nur Zentimeter von ihrem entfernt.

Noch ehe Jessica verstand, was er ihr sagen wollte, stieß er mit einem Ruck weiter vor. Ihren Schmerzenslaut erstickte er mit seinem Kuss. Sie war noch Jungfrau gewesen. Jessica konnte sich nichts Süßeres, nichts Wunderbareres vorstellen. Ein nie gekanntes Glücksgefühl überflutete sie.

Instinktiv schlang sie die Beine um seine Taille, bis er sich ein kleines Stückchen zurückzog und den Kuss unterbrach. „Liebe mich, Sweetheart“, flüsterte er.

Jessica verstärkte den Druck ihrer Oberschenkel. Sie war am ganzen Körper angespannt, konnte kaum erwarten, was jetzt kam. Er drang tief in sie ein, und sie hob die Hüften noch weiter an, bis ihre Körper vollständig miteinander zu verschmelzen schienen.

Er begann, sich zu bewegen, ganz langsam, und Jessica wurde halb wahnsinnig vor Ungeduld. Und dann, plötzlich, wurden seine Stöße schneller, rhythmischer, irgendwie müheloser, und seine Hüften pressten sich an ihre, in einer Art Wellenbewegung. Und als wäre ihm das noch nicht eng genug, hob er sie mit einem Arm noch ein Stück höher. Ihr war, als wäre ihr ganzes Inneres von ihm ausgefüllt.

„Chase!“ Sie rief seinen Namen, flehte um Erlösung, weil sie glaubte, diese Intensität nicht mehr aushalten zu können. Es war anders als unten im Büro, aber mindestens ebenso heftig. Seine Zunge in ihr war schon überwältigend gewesen, doch das hier, so hart und fest, war noch besser. Es schien, als bräuchte er keine Pause. Er bewegte sich immer schneller und brachte sie fast bis zum Ende ihrer Kräfte. Sie wollte schreien, um diese unerträgliche Spannung loszuwerden, aber …

Und dann schrie sie.

Während sie die Arme um seinen Hals geschlungen hatte, schrie sie immer wieder seinen Namen. Sein Körper war genauso schweißgebadet wie ihrer, aber er gab sich immer noch nicht zufrieden. Sie schrie so lange, bis ihr Körper plötzlich zu explodieren schien. Er kam im selben Moment.

Kurz bevor sie fühlte, wie warm und feucht es in ihr wurde, stieß er einen erstickten Laut aus, in dem sich alle seine Emotionen bündelten. Er hielt sich nicht zurück, war entschlossen, sie bis ins Innerste zu erschüttern, sie zur höchsten Ekstase zu führen. Und er bewegte sich weiter, ohne Rücksicht, mit aller Energie, die er aufbrachte, hart und schnell, während sie beide gleichzeitig der Erlösung entgegentaumelten. Und dann kam er ein zweites Mal, so heftig und intensiv wie zuvor. Er warf den Kopf zurück und schrie ihren Namen, während sich seine Spannung krampfartig entlud.

In diesem Moment wusste Jessica, dass sie sich, so unglaublich es schien, in Chase Westmoreland verliebt hatte.

Ein Zucken durchlief Chase, als er sich von Jessica löste. Sie hatten sich ein weiteres Mal geliebt, und er hatte immer noch nicht genug von ihr. Er konnte sich nicht vorstellen, dass er ihrer jemals überdrüssig werden würde.

Noch nie hatte er eine Frau gekannt, die ihm so begehrenswert erschienen war. Er hatte sie bis an den Rand der Erschöpfung getrieben, und sie konnte kaum die Augen aufhalten. Nach dem ersten Mal war er aufgestanden und hatte eine Schüssel mit Wasser und einen Waschlappen aus dem Bad geholt. Als er damit am Bettende stand, hatte sie ihn angesehen, als habe er den Verstand verloren. Keinen Moment hatte sie sich vorstellen können, dass er wirklich so etwas Intimes mit ihr tun wollte. Sie hatte versucht, sich dagegen zu wehren, aber am Ende hatte sie unter seinen Küssen nachgegeben. Noch nie hatte er mit einer Jungfrau geschlafen, denn auch Iris hatte schon Erfahrungen gehabt.

Die Erinnerung an die Frau, die seinen Stolz verwundet und sein Herz gebrochen hatte, versetzte ihm noch immer einen Stich. Damals, als er kurz davorstand, für die NBA nominiert zu werden, war sie bei ihm gewesen, hatte sie nur zu gern in seinem Bett gelegen. Doch als nach seiner Verletzung klar wurde, dass seine Profikarriere vorbei war, bevor sie begonnen hatte, sah sie sich schnell nach etwas Besserem um. Das meine sie nicht persönlich, hatte sie ihm noch erklärt, aber er müsse verstehen, dass sie mehr vom Leben erwarte, als an einen „Krüppel“ gebunden zu sein. Das war jetzt fast zehn Jahre her, und dank einer erfolgreichen Therapie, seines eisernen Willens und der Unterstützung seiner Familie hinkte er längst nicht mehr. Doch die nötige Fitness für einen Profispieler besaß er auch nicht.

Jessica hatte sich eng an ihn geschmiegt und war eingeschlafen. Sie schien von ihm zu träumen, denn sie sagte leise seinen Namen. Als sie sich neben ihm bewegte, reagierte sein Körper sofort. Er legte die Hand auf ihre Taille und drückte sie noch ein wenig fester an sich.

Ihm war ein wenig mulmig zumute. Das Letzte, was er jetzt brauchte und wollte, war eine Frau, die ihm so unter die Haut ging wie Jessica. Er war ein gebranntes Kind und scheute sich davor, noch einmal verletzt zu werden. Es waren viele Jahre vergangen seit er den Entschluss gefasst hatte, sich nicht mehr zu verlieben, denn damit war der Schmerz schon vorprogrammiert. Aber jetzt war ihm diese Lust auf Jessica dazwischengekommen, und das bereitete ihm Sorgen. Noch bevor sie heute miteinander geschlafen hatten, war er von ihr sehr angetan gewesen. Doch jetzt … Das war alles andere als gut. Er wollte keine Beziehung mehr. Das ging ja doch nicht gut.

Er sah auf die Uhr. Kurz nach Mitternacht. Er musste sie vor vier Uhr wecken, damit sie Zeit hatte, sich anzuziehen und nach Hause zu gehen. Ein Teil seiner Angestellten fing gegen fünf Uhr an zu arbeiten, und er wollte nicht, dass jemand seine Affäre mit Jessica bemerkte. Im Moment war ihm die Sache einfach zu kostbar. Er wollte weder sie noch sich selbst neugierigen Blicken und anzüglichen Kommentaren aussetzen. Irgendwann würde es bekannt werden, aber lieber später als jetzt.

Chase stieß eine leise Verwünschung aus, als er an seine Brüder und Cousins dachte. Sie würden einen Riesenzirkus veranstalten und aus einer Mücke einen Elefanten machen, sobald sie Wind von dieser Affäre bekämen.

Jessica bewegte sich wieder neben ihm, und jeder Gedanke an seine Familie löste sich in nichts auf.

Jessica schlug langsam die Augen auf und fühlte die Wärme eines anderen Körpers. Da erst wurde ihr klar, dass sie nackt war, genau wie der Mann neben ihr, in dessen Armen sie lag. Dämmriges Licht erhellte den Raum, und sie sah vorsichtig auf die Uhr. Drei Uhr morgens. Ihr Puls begann zu rasen, als die Erinnerung an das, was sie und Chase heute Nacht geteilt hatten, immer deutlicher in ihr Bewusstsein drang. Was Chase mit seinem Mund getan hatte … Sie schloss wieder die Augen, als ihr siedend heiß wurde.

Dann fiel ihr plötzlich noch etwas ein. Sie war doch tatsächlich Jungfrau gewesen! Chase war in so vielerlei Hinsicht der erste Mann für sie: der erste Mann, mit dem sie einen Orgasmus gehabt hatte, der erste Mann, der sie in vollem Sinne des Wortes geliebt hatte. Es war kein hastiger, liebloser Sex gewesen, und sie fühlte sich auch nicht benutzt.

Die Schamesröte stieg ihr ins Gesicht, als sie daran dachte, was er mit ihr angestellt hatte, nachdem sie sich das erste Mal geliebt hatten, wie sanft er mit ihr umgegangen war. Sie hatte es vorher nicht für möglich gehalten, dass Männer so fürsorglich einer Frau gegenüber waren, mit der sie gerade geschlafen hatten. Und als sie sich das zweite Mal geliebt hatten, war er so zärtlich, dass sie vor Rührung fast geweint hätte.

Ihr Herz krampfte sich zusammen, als sie daran dachte, wie er wohl reagieren würde, wenn er erfuhr, dass sie Carlton Grahams Enkelin war. Mrs Stewart und Jennifer hatten recht. Sie sollte ihm die Wahrheit sagen und dann weiter alles daransetzen, die Unschuld ihres Großvaters zu beweisen. In der kurzen Zeit, in der sie Chase jetzt kannte, war ihr bereits klar geworden, wie wichtig ihm Ehrlichkeit und Vertrauen waren.

Jessica hielt den Atem an, als er seine Hand auf ihren Bauch legte und langsam nach unten gleiten ließ.

„Tut es dir da weh?“, erkundigte er sich. Seine Stimme klang warm und weich, und er strich mit den Lippen über die kleine Stelle hinter ihrem Ohr.

Jessica wollte antworten, aber sie brachte nur ein wohliges Schnurren zustande, als er begann, ihre weiblichste Stelle zu streicheln. Sie schluckte und nahm einen neuen Anlauf.

„Nicht sehr“, brachte sie schließlich hervor. „Danke.“ Er ließ die Zungenspitze über ihren Hals wandern, und sie schnappte nach Luft.

„Du musst mir nicht danken.“ Mit einer schnellen Bewegung drehte er sie auf den Rücken und legte sich auf sie. Er sah sie in einer Art und Weise an, die sie ganz schwindelig machte. Sein Blick war purer Sex. Sie spürte, dass ihre Leidenschaft erneut zu lodern begann. Später würde sie sich vielleicht Vorwürfe machen, weil sie so unvorsichtig gewesen war, sich in ihn zu verlieben, aber das konnte warten.

Jessica schlang die Arme um seinen Hals und zog seinen Kopf näher zu sich heran. Sie blickte ihm tief in die Augen. „Liebe mich“, flüsterte sie. „Einmal noch. Bitte.“

Aber sie wusste auch, dass sie ihn nicht bitten musste, dass er sie ebenso begehrte wie sie ihn. Sie spürte es an seinem Körper, an dem harten Beweis seiner Männlichkeit so nahe an ihren Oberschenkeln. Doch sie wusste auch, dass er Rücksicht auf sie nahm, dass er auf ein Zeichen wartete.

Dann wagte er sich langsam vor und schob sich sanft in sie. Seine dunklen Augen waren fast schwarz. Und als er immer tiefer eindrang, fühlte sie sich willenlos vor Begierde.

„Ich bin so gern in dir“, gestand er heiser. Sie schlang die Beine um ihn und presste ihn noch ein Stückchen tiefer in sich, als wollte sie ihn nie wieder loslassen. Er küsste sie und begann gleichzeitig, die Hüften zu bewegen und ganz tief in sie einzudringen – immer und immer wieder.

Und dann, als sie den Höhepunkt erreichte, schlug die Leidenschaft über ihr zusammen und drohte sie zu verzehren. Dieses Mal erschütterte der Orgasmus ihren Körper fast krampfartig, und sie wölbte sich ihm beinah verzweifelt entgegen, bis sie das Gefühl hatte, in tausend Stücke zu zerspringen. Chase warf den Kopf in den Nacken und stieß einen lauten Schrei aus, als er selbst Erlösung fand. Und dann umfasste er ihren Po und drückte sie noch einmal mit ganzer Kraft an sich.

Während die Lust in Wellen durch ihre Körper ging, küssten sie sich wieder, und es fühlte sich an wie ein Versprechen. Dann konnten sie an gar nichts mehr denken, sondern schienen nur noch zu schweben.

Autor

Brenda Jackson
Brenda ist eine eingefleischte Romantikerin, die vor 30 Jahren ihre Sandkastenliebe geheiratet hat und immer noch stolz den Ring trägt, den ihr Freund ihr ansteckte, als sie 15 Jahre alt war. Weil sie sehr früh begann, an die Kraft von Liebe und Romantik zu glauben, verwendet sie ihre ganze Energie...
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