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"Ist dir kalt?" fragte Rory zärtlich. Lächelnd schüttelte Macy den Kopf, fand es jedoch äußerst prickelnd, als er etwas näher rückte. Dieses Picknick versprach ausgesprochen aufregend zu werden! Der warme Wind zerzauste Rorys schwarzes Haar, seine blauen Augen blitzten in der Sonne. Er sah einfach umwerfend gut aus. Ahnte er, dass sie zu allem bereit war? Seine sinnlichen Berührungen zeigten ihr, wie sehr auch er sich nur noch eins wünschte: die Erfüllung seines heißen Verlangens! Verführerisch erwiderte sie seine heißen Küsse, streichelte sanft über seinen Rücken, bis Rory vor Lust aufstöhnte ...


  • Erscheinungstag 13.04.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733746278
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Auf dem Marktplatz von Tanner’s Crossing herrschte reges Treiben. Zahlreiche Lieferwagen parkten am Straßenrand. Transporter und Pick-ups verschiedener Baufirmen besetzten die wenigen Stellplätze auf dem angrenzenden Parkplatz, die nicht reserviert waren. Die Arbeiter, die ihren jeweiligen Jobs nachgingen, schwitzten in der heißen Mittagssonne.

Rory Tanner stand vor dem fast fertigen Gebäude, musterte die verglaste Front und erklärte gerade, wie er sich die Gestaltung des Schaufensters vorstellte. „Ich will ein Gehege mit Zaunpfählen. Aber nur eine Ecke davon, als Andeutung, verstehen Sie? Ein paar Kakteen hier und da und vielleicht den Totenschädel einer Kuh im Hintergrund. Und keine Schaufensterpuppen.“ Ihm schauderte bei der Vorstellung. „Ich bekomme immer Gänsehaut, wenn ich diese Kleiderständer sehe.“ Er deutete auf das Fenster. „Hängen Sie die Kleidungsstücke, die ausgestellt werden sollen, einfach an der Decke auf und benutzen Sie dafür Angelschnüre oder etwas in der Art. Vielleicht könnten Sie sogar ein paar Kleider an die Wände tackern. Und die Cowboystiefel stellen Sie auf Heuballen, einen großen Stein oder direkt auf den Boden. Und nehmen Sie richtigen Sand dafür. Alles soll ganz echt und farbenfroh aussehen. Ich will, dass dieses Schaufenster die Leute packt und in den Laden lockt.“ Er schaute die Frau an, die sich eifrig Notizen machte. „Verstehen Sie, was ich meine?“

„Ja, ich denke schon“, antwortete sie. „Obwohl es mir ein Rätsel ist, wie Sie darauf kommen, dass ich das so kurzfristig hinbekomme.“

Er grinste, legte den Arm um ihre Schultern und drückte sie kurz an sich. „Weil Sie die beste Schaufensterdekorateurin in ganz Texas sind. Da dieses Geschäft in meiner Heimatstadt eröffnet wird, soll es der beste Westernstore meiner ganzen Ladenkette werden. Niemand soll behaupten können, Rory Tanner würde etwas halbherzig tun. Ich muss den Familiennamen hochhalten.“ Doch in Gedanken beschäftigte er sich schon mit dem nächsten Problem, drückte sie schnell noch einmal und ging weiter.

„He, Jim“, rief er dem Tischler zu, der auf einer großen Leiter stand. „Sorg dafür, dass das Schild auch wirklich gerade hängt. Ich möchte nicht, dass die Leute sich den Hals verrenken müssen, wenn sie es entziffern wollen.“

Jim lachte leise, nickte kurz und machte sich daran, das Ladenschild mit der Aufschrift Tanner’s Cowboy Outfitters zu befestigen.

„Kann ich dir helfen, Don?“, fragte Rory einen Mann, der Rohre zusammenschweißte.

Don nahm seinen Schutzhelm ab. „Ich könnte etwas Hilfe gut brauchen“, meinte er erschöpft. „Gus ist heute nicht erschienen, wahrscheinlich hat er gestern zu viel getrunken. Auf der Ladefläche meines Transporters liegt noch ein Helm. Und bring bitte gleich noch ein paar Rohre mit.“

Rory, der wie ein Profi mit einem Schweißgerät umgehen konnte, holte Helm und Rohre, zog außer dem Helm noch dicke Lederhandschuhe an und half Don bei der Konstruktion eines Eisengeländers, das den Gehweg vom angrenzenden Parkplatz trennen sollte. Die beiden arbeiteten Hand in Hand und kamen gut voran, bis Don die Gasflasche an seinem Schweißgerät auswechseln musste.

Völlig durchgeschwitzt nahm Rory seinen Helm ab und wischte sich mit dem Unterarm den Schweiß von der Stirn. Stolz sah er sich um. Diese Edelboutique mit Westernmode in seiner Heimatstadt würde das Flaggschiff seiner Einzelhandelskette und die Krönung seiner erfolgreichen Karriere als Geschäftsmann werden. Es hatten sich schon eine Menge Leute in Tanner’s Crossing gewundert, dass er hier noch keinen seiner Westernstores aufgemacht hatte. Doch bis vor Kurzem war Tanner’s Crossing der letzte Ort gewesen, an dem Rory hätte expandieren wollen. Aber seit sein alter Herr gestorben war, waren die Tanner-Brüder nach und nach wieder nach Hause zurückgekehrt. Als Erster war Adam, der Älteste, auf die Ranch der Familie, der Bar-T-Ranch, gekommen, um den Nachlass ihres Vaters zu regeln. Dort hatte er dann auch die Verantwortung für das Baby übernommen, das den ratlosen Tanner-Brüdern als weitere Hinterlassenschaft des alten Mannes buchstäblich vor die Tür gelegt worden war. Doch zur großen Erleichterung aller hatte Adam bald darauf Maggie geheiratet, und die beiden hatten das Baby adoptiert.

Ry war der Letzte der Brüder gewesen, der heimgekehrt war, geheiratet hatte und nun als Chirurg im Krankenhaus der Stadt arbeitete. Die Entscheidung, sich in Tanner’s Crossing niederzulassen und wieder im Operationssaal einer Klinik zu stehen, war ihm nicht leicht gefallen. Aber jetzt war Ry glücklich. Rory hatte seinen Bruder schon seit vielen Jahren nicht mehr so glücklich gesehen, was wohl vor allem an Kayla lag, Rys neuer Frau. Zwischen Adams und Rys Heimkehr hatte Woodrow geheiratet. Elizabeth, eine Kinderärztin, war die ideale Ehefrau für Woodrow. Ihren Status als Junggesellen hatten sich von den Tanner-Brüdern somit nur Whit und Rory erhalten. Rory wusste nicht, wie Whit es halten wollte, er jedenfalls hatte vor, auch noch für sehr lange Zeit Junggeselle zu bleiben. Er mochte Frauen zu gern, um sich nur auf eine einzige festlegen zu wollen. Und ganz besonders gern mochte er sehr weibliche, anschmiegsame und sanfte Frauen.

Wenn die Frau, die gerade auf den Parkplatz gefahren war und aus dem Cherokee-Jeep ausstieg, auch nur einen Funken Weiblichkeit im Leib hatte, verbarg sie es ausgesprochen gut. Die Jeans-Latzhose – vermutlich eine Männerhose – verhüllte ihre Figur bis zur Unkenntlichkeit. Und ihre blonden, sonnengebleichten Haare sahen aus, als hätte der Friseur mittendrin mit dem Schneiden aufgehört. Ein paar Strähnen umrahmten das Gesicht bis zum Kinn, andere waren sehr viel länger. Mit einer ungeduldigen Handbewegung strich sie die langen Strähnen zurück, als sie auf das Ladenschild schaute, das Jim befestigt hatte. Die Augen waren hinter einer dunklen Sonnenbrille verborgen. Aber der nicht verdeckte Teil ihres Gesichts gab zumindest Anlass zur Hoffnung. Rory registrierte hohe Wangenknochen, eine kleine Nase und volle, feucht schimmernde Lippen in einem satten Pfirsichton. Es war dieser Mund, auf den er sich konzentrierte, als er zu ihr ging, um gegebenenfalls den Gastgeber zu spielen. „Hallo“, rief er und lächelte sie freundlich an. „Unser Westernstore ist noch nicht eröffnet, aber wenn Sie sich schon mal im Laden umsehen wollen, führe ich Sie gerne herum.“

Sie nahm ihn durch ihre Sonnenbrille ins Visier und drehte sich dann weg. „Nein, vielen Dank. Ich hatte das Schild gesehen und hoffte, hier einen Tanner zu finden.“

Der Unterton in ihrer Stimme ließ Rory aufhorchen. „Es gibt mehrere Tanners in Tanner’s Crossing. Welchen suchen Sie denn?“

„Buck.“ Sie sah ihn fragend an. „Kennen Sie ihn?“

Als er den Namen seines Vaters hörte, wurde ihm vor Schreck ganz flau im Magen. Aber er ließ sich nichts anmerken. „Ja, Ma’am. Zufällig kenne ich ihn.“

Sie sah sich um, als würde sie erwarten, dass Buck jeden Moment auf der Bildfläche erscheinen würde. „Ist er hier?“

„Nein, Ma’am.“ Er musterte sie argwöhnisch. „Was wollen Sie denn von Buck?“

Die Frau nahm ihre Sonnenbrille ab und sah ihn durchdringend an. „Das geht Sie nichts an.“

Rory schluckte seinen Ärger hinunter. „Nun ja, es tut mir leid, dass ich Ihnen das sagen muss, aber der alte Buck ist tot.“

Sie wurde ganz blass. „Tot? Aber … Wann?“

„Letzten Herbst. Eine Herzattacke.“ Er schnipste mit den Fingern. „Von einer Sekunde auf die andere.“

„Er kann nicht tot sein. Ich …“ Sie presste die Lippen zusammen und schaute weg.

Rory hätte schwören können, Tränen in ihren Augen gesehen zu haben, bevor sie die Sonnenbrille wieder aufsetzte. Er schwieg, weil er nicht wusste, was er sagen sollte.

„Familie“, meinte sie, als würde sie laut nachdenken. „Sie sagten, dass es hier in der Stadt noch andere Tanners gibt. Sind das Verwandte von Buck?“

„Ja, Ma’am. Das sind sie. Er hat vier Söhne und einen Stiefsohn hinterlassen – und eine kleine Tochter, die er nie gesehen hat. Sie ist noch ein Baby.“

„Ich muss mit ihnen reden. Wo kann ich sie finden?“

„Auf Bar-T, der Ranch der Familie, sechzehn Kilometer außerhalb der Stadt.“

„Können Sie mir den Weg beschreiben?“

„Ja“, meinte er und schüttelte dann den Kopf. „Aber das würde Ihnen nichts nützen. Das Anwesen ist besser geschützt als Fort Knox.“

Entschieden presste sie die Lippen zusammen. „Nun, es muss doch einen Weg geben, Kontakt mit ihnen aufzunehmen. Sie haben doch Telefon, oder?“

„Ihre Nummern stehen nicht im Telefonbuch.“ Er wartete einen Moment und fügte dann hinzu: „Aber wenn Sie so versessen darauf sind, mit den Tanners zu reden, könnte ich versuchen, für Sie ein Treffen mit ihnen zu arrangieren.“

„Wie lange würde das dauern?“

„Schwer zu sagen. Da kommen einige Leute zusammen, und es wird nicht leicht sein, sie alle an einem Ort zu versammeln. Wenn Sie sich ein Hotelzimmer in der Stadt nehmen, werde ich sehen, was ich tun kann, und Sie dann anrufen.“

Sie machte die Tür ihres Jeeps auf und holte einen Notizblock und einen Stift aus dem Auto. „Ich gehe nicht ins Hotel“, sagte sie, als sie ihre Telefonnummer aufschrieb. „Ich bin mit meinem Wohnwagen hier.“ Sie riss das Blatt ab und reichte es ihm. „Das ist die Nummer meines Handys.“

Rory nahm das Blatt, sah sie an und versuchte, sich seine Verwirrung nicht anmerken zu lassen. „Gibt es auch einen Namen zu dieser Nummer?“

„Macy.“ Sie stieg in ihren Jeep ein. „Macy Keller.“

Rory nahm umgehend Kontakt zu seinen Brüdern auf. Sobald die Frau losgefahren war, ging er zu seinem Transporter und nahm das Handy von der Konsole. Zuerst rief er Adam an, der offiziell als Oberhaupt der Familie galt und von allen Brüdern am weitesten weg wohnte. „Wir könnten ein paar Probleme bekommen“, erklärte Rory, sobald er die Stimme seines Bruders hörte.

„Probleme?“, fragte Adam.

„Ja. Hier vor dem Geschäft war gerade eine Frau. Sie hat angehalten, weil sie den Namen Tanner auf dem Schild gesehen hatte. Sie sagte, sie sei auf der Suche nach Buck.“

„Buck? Hat sie gesagt, warum?“

„Sie meinte, das ginge mich nichts an“, erklärte Rory empört. Ich habe ihr erzählt, dass Buck letzten Herbst gestorben ist. Jetzt will sie mit seiner Familie reden. Ich habe ihr nicht gesagt, dass ich ein Tanner bin, weil ich ihr Auftreten nicht mochte und außerdem dachte, dass wir ihr besser als Gruppe gegenübertreten. Ganz unabhängig davon, was sie überhaupt mit Buck zu tun hatte.“

„Verdammt“, fluchte Adam.

„Ja. Ich sagte ihr, dass ich versuchen werde, ein Treffen mit den Tanners zu arrangieren. Ich weiß, es ist sehr kurzfristig. Aber wäre es möglich, dass du heute Abend auf die Ranch kommst? Ich glaube, je eher wir herausfinden, was sie will, desto besser.“

„Da hast du recht. Hast du schon mit den anderen gesprochen?“

„Nein.“

„Ruf den Rest der Familie an und sag ihnen, dass sie um acht Uhr auf der Ranch sein sollen. Bis dahin werde ich es schaffen, wenn ich gleich losfahre.“

„So gut wie erledigt“, erwiderte Rory und schaltete das Handy ab. Er schnappte sich das Papier und wollte schon Macy Keller anrufen, überlegte es sich dann aber anders. Er hatte ihr gesagt, dass es nicht leicht sein würde, eine Zusammenkunft zu arrangieren, also würde er besser noch ein paar Stunden mit dem Anruf warten. Sonst würde sie womöglich misstrauisch werden und anfangen, Fragen zu stellen. Und am Telefon wollte er seinen Namen nicht preisgeben. Er lachte leise und steckte den Zettel mit ihrer Nummer wieder ein. Er wollte ihr Gesicht sehen können, wenn sie erfahren würde, dass Rory Tanner, Bucks jüngster Sohn, dieses Treffen für sie arrangiert hatte.

Als Rory durch das Eingangstor der Ranch fuhr, versicherte er sich durch einen kurzen Blick in den Rückspiegel, dass Macy Keller immer noch hinter ihm herfuhr. Doch er wusste nicht, ob er deswegen erleichtert oder irritiert sein sollte. „Darauf zu bestehen, mir in ihrem eigenen Auto zu folgen“, knurrte er leise. Für wen hielt sie ihn denn? Für einen Sittenstrolch? Er schnaubte empört. Er würde ganz bestimmt keine Annäherungsversuche machen. Sie gehörte ganz sicher nicht zu seinem bevorzugten Frauentyp. Trotzdem musste er zugeben, dass sie jetzt erheblich besser aussah als am Nachmittag. Statt ihrer Latzhose trug sie nun eine beige Leinenhose und eine ärmellose Leinenbluse in der gleichen Farbe. Ihre Figur war trotzdem nicht auszumachen, überlegte er. Bis auf die Tatsache, dass sie ganz offensichtlich kleine Brüste hatte.

Als Rory auf das Haus zufuhr, zählte er schnell die Autos, die in der Einfahrt parkten. Erleichtert, dass all seine Brüder gekommen waren, stellte er seinen Transporter neben den anderen Autos ab und stieg aus. Er wartete kurz auf Macy und wies dann mit einer einladenden Handbewegung auf den Gehweg zur Haustür. An der Tür angekommen, machte er ohne anzuklopfen einfach auf. „Es ist okay. Sie erwarten uns“, sagte er zu Macy, die ihm überrascht zugesehen hatte. Im Haus steuerte er direkt auf das Arbeitszimmer zu, wo seine Brüder bereits warteten. Als Macy den Raum betrat, verstummte augenblicklich jedes Gespräch.

„Macy Keller …“, begann Rory mit der gegenseitigen Vorstellung, „… und das sind die Tanners. Adam, dort hinter dem Schreibtisch, ist der Älteste. Die hübsche Frau neben ihm ist seine Ehefrau, Maggie. Sie hält Laura, ihre kleine Tochter, auf dem Arm, die zufällig auch Bucks Tochter ist.“ Als Macy ihn verwirrt ansah, zuckte er die Achseln. „Das ist eine lange Geschichte. Um es kurz zu machen: Adam und Maggie haben Laura adoptiert, nachdem Buck gestorben ist.“ Er zeigte auf das Sofa. „Der große, hässliche Typ dort ist Woodrow. Neben ihm sitzt seine Frau, Dr. Elizabeth Tanner. Neben ihr sitzt Kayla, das neueste Mitglied der Familie Tanner, mit ihrem Mann, Dr. Ry Tanner, dem Zweitältesten.“ Rory drehte sich um und deutete auf einen Mann, der auf der entgegengesetzten Seite an der Wand lehnte. „Und der einsame Wolf dort drüben ist Whit. Er ist unser Stiefbruder und bildet sich gern ein, dass er deswegen anders ist als wir. Aber das stimmt nicht. Er ist ein Tanner genau wie wir.“

„Wir?“, wiederholte Macy unsicher.

Das war der Moment, auf den Rory gewartet hatte und den er auskosten wollte. Er lächelte sie an und streckte ihr die Hand hin. „Rory Tanner, Ma’am. Buck Tanners jüngster Sohn.“

Sie verschränkte die Arme vor der Brust und weigerte sich, ihm die Hand zu geben. „Sie hätten mir sagen können, dass Sie ein Tanner sind“, meinte sie in scharfem Ton.

„Hätte ich“, stimmte er zu, und sein Lächeln vertiefte sich. „Aber Sie haben mich ja nicht gefragt, nicht wahr?“ Er deutete auf einen Stuhl. „Nehmen Sie Platz.“

Macy reckte das Kinn. „Nein, danke. Es wird nicht lange dauern.“ Sie nahm einen Umschlag aus ihrer Handtasche und legte ihn vor Adam auf den Schreibtisch. „Ich hatte eigentlich vor, den hier bei Buck abzuliefern. Aber ich nehme an, dass Sie als sein ältester Sohn den Nachlass verwalten und wissen, was damit zu tun ist.“

Adam griff nach dem Umschlag und hielt ihn gegen das Licht. „Sieht nach einem Scheck aus.“

„Ja. In dem Umschlag ist ein Barscheck über 75 000 Dollar“, bestätigte sie.

Verwundert lehnte Adam sich in seinem Stuhl zurück. „Gibt es zu diesem Scheck auch eine Erklärung?“

„Ich gebe nur zurück, was ihm gehört.“

„Sorry, da müssen Sie schon ein bisschen ausführlicher werden“, erwiderte Adam.

Gebannt von der unerwarteten Wendung der Dinge, ließ sich Rory auf einem Stuhl nieder und beobachtete Macy, die ihm den Rücken zuwandte. Die Frau schien eine schwere Last auf den Schultern zu tragen. Bis aufs Äußerste angespannt, ballte sie ihre Hände zu Fäusten.

„Buck hatte einen Treuhänderfonds für mich eingerichtet.“ Sie zeigte auf den Umschlag. „Und ich gebe das Geld hiermit zurück.“

„Ich denke, wir sollten die ganze Geschichte hören.“

„Was genau wollen Sie denn wissen?“, fragte sie gereizt.

Adam ließ den Umschlag auf den Schreibtisch fallen. „Alles. Fangen Sie doch damit an, warum Buck sich veranlasst gefühlt haben könnte, einen Fonds für Sie einzurichten.“

„Weil er dachte, dass er mein Vater wäre.“

„Er dachte es?“

Angespannt nickte sie.

„Und warum dachte Buck das, wenn es nicht den Tatsachen entsprochen hat?“

„Weil meine Mutter ihm erzählt hatte, dass er der Vater des Babys wäre, das sie erwartete.“

„Ihre Mutter hat ihn angelogen?“

Macy biss die Zähne zusammen. „Ja.“

„Wussten Sie, dass es eine Lüge war?“

„Nein. Ich glaubte die ganze Zeit, Buck wäre mein Vater.“

„Und wann wurde Ihnen klar, dass er es nicht war?“

„Vor ein paar Monaten hat es mir meine Mutter gesagt. Ich nehme an, sie wollte ihr Gewissen erleichtern.“ Macy senkte den Kopf. „Sie lag im Sterben.“

„Dieser Fonds, den Buck eingerichtet hat“, fuhr Adam fort. „Haben Sie das Geld ausgegeben, bevor Sie erfahren haben, dass er nicht Ihr Vater ist?“

Sie funkelte ihn wütend an. „Was spielt das denn für eine Rolle? Ich gebe das Geld doch zurück, oder?“

„Falls wir uns entschließen, es anzunehmen“, informierte er sie.

„Warum sollten Sie das nicht tun? Es ist Bucks Geld. Ich bin sicher, dass er es mir nur gegeben hat, weil meine Mutter ihn unter Druck gesetzt hat. Und ich gebe das Geld zurück, um die Sache wieder in Ordnung bringen.“

„Was auch immer seine Gründe waren …“, sagte Adam dickköpfig. „Buck hat sich offenbar verpflichtet gefühlt, für Sie einen Fonds einzurichten.“ Er schob den Umschlag zu ihr hinüber. „Das Geld gehört Ihnen. Das Ganze hat nichts mit mir oder meinen Brüdern zu tun.“

Macy wich einen Schritt zurück. „Nein. Ich bin hergekommen, um es zurückzugeben. Und das habe ich getan. Für mich ist die Sache damit erledigt.“

„Aber …“

Sie hob abwehrend die Hand. „Das ist nicht mein Geld. Es gehört Ihnen allen“, unterbrach sie ihn. „Sie sind Tanners, und ich bin es nicht.“ Bevor sie jemand aufhalten konnte, drehte sie sich um und rannte aus dem Zimmer. Kurz darauf fiel die Haustür mit einem Knall ins Schloss.

Einen Moment lang war es ganz still im Arbeitszimmer.

Adam schnappte sich den Umschlag und stand auf. „Und, was machen wir jetzt damit?“

Woodrow atmete tief aus und sah die anderen an. „Es sieht ganz so aus, als wären wir gerade noch einmal mit heiler Haut davongekommen.“

„Ich weiß nicht, ob wir jetzt schon gut aus dieser Sache heraus sind“, meinte Adam besorgt.

„Was meinst du?“, fragte Woodrow verwirrt. „Die Lady hat zugegeben, dass Buck nicht ihr Vater ist. Sie hat das für sie angelegte Geld zurückgebracht und ist aus dem Haus gestürmt, ohne irgendetwas zu verlangen. Wir sollten unserem guten Stern danken, dass sie nicht ihren vollen Anteil am Vermögen verlangt hat. Auch das hätte sie tun können, das weißt du.“

„Ja.“ Adam nickte und warf den Umschlag auf den Schreibtisch. „Und das ist es, was mich beunruhigt“, fügte er hinzu. „Warum hat sie das nicht getan?“

Rory sah in die Runde und entdeckte in den Gesichtern der anderen dieselben Zweifel. „Weil sie ehrlich ist?“, schlug er vor. „Weil sie versucht, die Lüge wieder gutzumachen?“

Adam schüttelte nachdenklich den Kopf. „Vielleicht. Aber was ist, wenn das nicht der Grund ist und sie etwas anderes vorhat? Vielleicht war das angebliche Geständnis ihrer sterbenden Mutter eine Lüge. Vielleicht hat sie das Geld zurückgegeben, weil sie Anspruch auf das Vermögen unseres alten Herrn erheben will.“

„Wir sollten keine Probleme herbeireden“, meinte Ry.

„Es ist aber in jedem Fall besser, auf etwaige Probleme vorbereitet zu sein“, beharrte Adam.

Maggie legte ihrem Ehemann die Hand auf die Schulter. „Ich denke, Adam hat recht. Denkt darüber nach. Welche Frau, die bei Verstand ist, würde 75 000 Dollar zurückgeben, von denen niemand außer ihr etwas wusste?“

„Eine ehrliche Frau?“, schlug Rory wieder vor.

„Woher weißt du, dass die Frau ehrlich ist?“, fragte Adam.

Rory wurde in seinem Stuhl kleiner. „Du weißt sehr gut, dass ich das nicht weiß. Sie ist heute Nachmittag aus heiterem Himmel vor dem Geschäft aufgetaucht. Ich habe sie noch nie zuvor gesehen.“

„Sie schien zu weinen, als sie das Zimmer verlassen hat“, bemerkte Elizabeth.

„Macy hat geweint?“ Rory drehte sich zu ihr.

Elizabeth nickte. „Ich könnte schwören, dass ich Tränen in ihren Augen gesehen habe, als sie an mir vorbeilief.“

Blitzschnell war Rory an der Tür und rannte nach draußen. Doch er sah nur noch die Staubwolke, die Macys Jeep aufgewirbelt hatte. „Zu spät“, erklärte er, als er ins Arbeitszimmer zurückkehrte. „Sie ist weg.“

„Hat sie erzählt, woher sie kommt?“, fragte Adam.

Rory zuckte die Schultern, als er sich wieder setzte. „Sie redet nicht viel. Ich weiß nur, dass sie mit einem Wohnwagen hier ist.“

„Das klingt, als wollte sie eine Weile hier bleiben“, meinte Adam nachdenklich. „Ich denke, wir sollten sie im Auge behalten, um zu wissen, was sie hier treibt.“

„Wie sollen wir das denn anstellen?“, fragte Rory frustriert.

„Einer von uns muss sich mit ihr anfreunden und herausfinden, ob und aus welchem Grund sie einen längeren Aufenthalt plant“, sagte Adam.

„Und wer von uns soll deiner Ansicht nach den Wachhund spielen?“, fragte Rory trocken. Doch als Adam nur ihn ansah, sprang er von seinem Stuhl auf. „Nein. Auf keinen Fall. Ich werde diese Frau nicht ausspionieren.“

„Niemand bittet dich, sie auszuspionieren“, erklärte Adam. „Du sollst dich nur mit ihr anfreunden und herausfinden, was sie vorhat.“

„Warum ausgerechnet ich?“, rief Rory entrüstet.

„Weil du jeden Tag in der Stadt bist.“

„Ry auch“, erinnerte Rory seinen älteren Bruder.

„Ry ist ein verheirateter Mann. Wenn er sich mit einer Frau anfreundet, werden die Leute anfangen zu reden.“

„Was ist mit Whit?“, meinte Rory verzweifelt. „Er ist nicht verheiratet.“

Whit wurde ganz blass. „Oh nein, Adam, bitte. Du weißt, wie schlecht ich mit Frauen kann. Sie würde mich nach ein paar Minuten stehen lassen.“

Frustriert musste sich Rory eingestehen, dass Whit recht hatte. „Mann, das ist so unfair“, beschwerte er sich.

Woodrow grinste ihn breit an. „Seit wann ist es für dich denn so schlimm, ein Weib zu bezirzen, Rory?“

Weib ist das richtige Wort“, knurrte Rory. „Macy Keller mag eine Frau sein, aber sie hat absolut nichts Weibliches an sich.“ Wütend setzte er seinen Cowboyhut auf. „Ich weiß nicht, warum immer ich die miesen Jobs aufgehalst bekomme.“ Er ging zur Tür, drehte sich dann aber noch einmal zu seinen Brüdern um. „Aber dafür werdet ihr euch noch erkenntlich zeigen müssen, das sage ich euch.“

Adam verbiss sich ein Lächeln und brachte ihm den Scheck. „Den musst du ihr zurückgeben“, meinte er und gab ihm einen Klaps auf die Schulter. „Ich habe vollstes Vertrauen zu dir. Du wirst das regeln.“

„Ja, ja“, grummelte Rory, als er den Scheck einsteckte. „Das sagst du nur, weil du genau weißt, dass ich immer die Jobs aufgebrummt bekomme, die sonst keiner machen will.“

Macy trat das Gaspedal durch, um die Ranch der Tanners so schnell wie möglich weit hinter sich zu lassen. Sie konnte nicht glauben, dass die Tanners versucht hatten, sie dazu zu bewegen, das Geld zu behalten. War diese Familie verrückt? Aber vielleicht genossen sie es ja auch nur, einen Menschen leiden zu sehen. Es war schon schlimm genug gewesen, wie eine Verbrecherin vor ihnen zu stehen und zuzugeben, dass ihre Mutter Buck Tanner angelogen hatte. Doch die Tanners hatten obendrein von ihr verlangt, die ganze peinliche Geschichte zu erzählen. Sie umklammerte das Lenkrad, als die Demütigung erneut in ihr hochstieg. Und dann hatten die Brüder sich auch noch geweigert, das Geld anzunehmen. Obwohl die Rückgabe des Geldes der einzige Weg für sie war, das Unrecht wieder gutzumachen und wieder ein reines Gewissen zu bekommen.

Autor

Peggy Moreland

Peggy Moreland hat die Stephen F. Austin State Universität in Nacogdoches, Texas, mit einem BBA (Bachelor of Business Administration) abgeschlossen. Sie veröffentlichte 1989 ihren ersten Roman bei Silhouette Books. Sie war Gewinnerin des „National Readers‘ Choice Award“, war für den „Romantic Times Reviewers Choice Award“ nominiert und zweimal Finalistin beim...

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