Mit dir im Palazzo des Glücks

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Ein Palazzo in der Toskana: Ihr überraschendes Erbe kommt der schönen Amerikanerin Louisa gerade recht. Umgeben von malerischen Weinbergen, kann sie nach ihrer anstrengenden öffentlichen Scheidung endlich zur Ruhe kommen! Nur wie soll sie entspannen, wenn ständig der aufregend attraktive Weingutbesitzer Nico Amatucci auftaucht und ihren Frieden stört? Als er sie auch noch mit einem leidenschaftlichen Kuss überrascht, schlägt ihr Herz gegen ihren Willen schneller. Dabei ist ein neuer Mann im Moment bestimmt nicht das Richtige für sie, oder doch?


  • Erscheinungstag 11.04.2017
  • Bandnummer 0008
  • ISBN / Artikelnummer 9783733708306
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Louisa Harrison biss genüsslich in das frische cornetto und seufzte hingerissen, als das süße Hörnchen auf ihrer Zunge zerging. „Ernsthaft, Dani, wie schaffst du es, mit diesem Mann zu leben und keine hundert Kilo zu wiegen?“ Wäre sie mit einem so großartigen Sterne-Koch wie Rafe Mancini verheiratet, hätte sie inzwischen sicher die Ausmaße ihres Palazzos.

Ihre beste Freundin lachte. „Einfach ist es nicht. Aber den ganzen Tag im Restaurant auf den Beinen zu sein, hält mich glücklicherweise in Form. Nach der königlichen Hochzeit sind die Reservierungen sprunghaft angestiegen. Jeder will in dem Restaurant essen, das das Hochzeitsmahl für Prinz Antonio und seine Braut zusammengestellt hat.“

„Das sollten sie auch.“ Daniellas Mann Rafe kam aus der Küche. „Bei dir hört sich das an, als wäre das Mancini’s irgendein schlichter Caterer für königliche Hochzeiten.“ Vorwurfsvoll schwenkte er die Kanne mit dem frischen Kaffee, die er geholt hatte.

„Ich weiß nicht, ob so etwas wie ein ‚schlichter Caterer für königliche Hochzeiten‘ überhaupt existiert“, wandte Dani ein. „Aber du hast recht.“ Sie küsste ihren Mann auf die Wange. „Das Mancini’s ist alles andere als schlicht. Sobald die Leute Rafes Essen gekostet haben, wollen sie unbedingt wiederkommen.“

„Dafür müssen sie sich aber mindestens zwei Monate gedulden – bis zum Erntedankfest sind wir komplett ausgebucht“, sagte Rafe.

„Fantastisch.“ Louisa bediente sich an dem Kaffee. Nicht nur kochte Rafe Mancini wie ein Gott, er machte auch den besten amerikanischen Kaffee in der ganzen Toskana. Das war Danis Einfluss zu verdanken. Sie hatte dafür gesorgt, dass dank einiger kleiner Ergänzungen auf der typisch italienischen Speisekarte auch amerikanische Touristen vom Mancini’s schwärmten. Es hatte nicht lange gedauert, und sie hatte sich als gleichberechtigte Partnerin sowohl im Restaurant als auch in der Beziehung etabliert. Es gab also tatsächlich Männer, denen es gefiel, wenn ihre Frauen eigene Ideen und ein eigenes Leben hatten.

Nur hatte Louisa eben leider keinen von diesen Männern geheiratet.

„Nicht nur das Geschäft im Mancini’s brummt“, fuhr Dani fort. „Donatella hat mir erzählt, dass ihr Umsatz in der Boutique im Vergleich zum Vorjahr um vierzig Prozent gestiegen ist.“

Während der letzten neun Monate hatte Monte Calanetti sich von einem verschlafenen Nest in der Toskana zu einem begehrten Touristenziel gemausert. Nicht nur war das Städtchen als Austragungsort für die Hochzeit des Jahres ausgewählt worden, bei den Restaurierungsarbeiten in der örtlichen Kapelle war außerdem ein Renaissance-Fresko entdeckt worden. Das berückend schöne Bild zog nun Kunsthistoriker aus aller Welt an. Dass jeder Besucher hier dann ein toskanisches Bilderbuchstädtchen und ein preisgekröntes Restaurant, geführt von einem der besten Chefköche Europas, entdeckte, erhöhte natürlich den Reiz.

„Schon ein Unterschied zu dem, was wir hier vorgefunden haben, als wir ankamen, was?“, lächelte Louisa.

Im Frühjahr hatten sich die beiden Amerikanerinnen im Bus von Florenz nach Monte Calanetti getroffen. Für Dani sollte es das letzte Abenteuer sein, bevor sie über ihre Zukunft entschied, Louisa dagegen hoffte, dass sie in dem geerbten Palazzo endlich die Vergangenheit hinter sich lassen und wieder gesunden könnte.

„Ich wusste schon als ich aus dem Bus stieg, dass dieses Städtchen etwas Magisches hat“, sagte Dani. „Das war einfach zu spüren.“

Vermutlich hatte das eher an den Funken gelegen, die vom ersten Augenblick an zwischen Dani und Rafe geflogen waren. Aber Louisa würde sich hüten, das auszusprechen. „Der Hochzeitplanerin ging es genauso“, sagte sie stattdessen.

„Ewig werden wir nicht auf der Hochzeitswelle reiten können. Nach der Lese werden die Leute in die Ski-Resorts abziehen“, warf Rafe ein.

„Ins Mancini’s werden sie dennoch kommen.“

„Schon, aber bestimmt nicht mehr solche Ströme. Und die Einkaufsbummel durchs Städtchen werden auch abflauen.“

Davon war auszugehen. Monte Calanettis besonderer Reiz war es eben, bei schönem Wetter durch die Kopfsteinpflastergassen zu schlendern. Und es wäre auch schwierig, eine Münze in den Wunschbrunnen auf dem Marktplatz zu werfen, wenn alles mit Eis bedeckt wäre. Ein Teil von Louisa hatte nichts dagegen, wenn der Touristenstrom abebbte. Dann könnte sie endlich wieder durch das Städtchen gehen, ohne befürchten zu müssen, von einem Touristen erkannt zu werden. Der pragmatische Teil in ihr jedoch wusste, dass das Städtchen mehr brauchte als saisonale Einnahmen. Viele der kleinen Geschäfte hatten vor der Hochzeit gefährlich auf der Kippe gestanden.

Hinzu kam, dass auch sie eine regelmäßige Einnahmequelle brauchte. Bis jetzt hatte sie von dem Geld gelebt, das die Königsfamilie ihr gezahlt hatte, um ihren Besitz für die Hochzeit zu nutzen. Doch das war inzwischen fast aufgebraucht.

„Selbst wenn das Mancini’s das beste Restaurant der Welt ist …“, fuhr Rafe fort. „Was nützt das, wenn drumherum nur leere Geschäfte stehen? Wir brauchen etwas für unser Städtchen, damit die Leute das ganze Jahr über herkommen.“

Komisch, dass er das erwähne. Louisa nippte an ihrem Kaffee. Der pragmatische Teil von ihr spielte bereits seit Längerem mit einer Idee, auch wenn sie noch in den Anfängen steckte. „Es wäre schon schön, wenn das Städtchen aufblühen würde.“ Obwohl sie, genau wie Dani, relativ neu hier war, betrachtete sie Monte Calanetti doch bereits als ihr Zuhause. Und wünschte sich nicht jeder Wohlstand und Zufriedenheit für sein Zuhause? „Was schwebt dir denn vor?“

Rafe krempelte sich die Ärmel hoch. „Ich stelle mir so etwas wie ein Komitee vor, in dem sich die hiesigen Geschäftsleute regelmäßig zu einer Art Brainstorming zusammensetzen, genau wie sie es für die Planung des Erntedankfests tun.“

„Der Palazzo ist doch eine Attraktion im Städtchen, daher …“, kam Dani ihm zur Hilfe.

„Daher hättet ihr mich gern in dem Komitee, richtig?“ Das ergab Sinn, vor allem, wenn sie ihre Idee realisieren wollte. „Einverstanden, ich bin dabei. Was ist?“

Auf einmal schien das Frühstück die gesamte Aufmerksamkeit von Dani und Rafe zu beanspruchen. Beide konzentrierten sich ausschließlich auf ihre Teller.

„Es gibt da ein kleines Problem …“

„Was denn für ein Problem?“ Louisa umklammerte ihre Gabel fester. Sie wusste genau, welches Problem es gab. Die Frage war nur, wie hatten die beiden es herausgefunden?

„Nico Amatucci muss auch in dem Komitee sitzen“, erklärte Rafe offen heraus.

Oh. Louisas Panik löste sich in Luft auf, dafür rückte eine andere Art Anspannung an ihren Platz. Es flatterte in ihrem Magen. „Warum sollte das ein Problem sein?“

„Nun …“, hob Dani vorsichtig an, „… ihr beide steht ja nicht gerade auf gutem Fuß miteinander.“

Erinnerungen an nach Wein schmeckende Küsse flackerten auf. „Das ist längst beigelegt“, behauptete Louisa. „Wir haben doch auch beim Aufräumen der Parkanlage zusammengearbeitet.“

„Sicher, aber …“ Das Paar tauschte einen Blick. „Auf der Hochzeit habt ihr euch gestritten.“

Was da passiert war … Louisa würde es eher einen Anfall geistiger Umnachtung nennen. „Das war nichts Großes.“ Unter dem Tisch tippte sie sich jedoch nervös mit den Fingern auf die Schenkel. Ich habe das längst aus meinem Kopf verbannt, oder? Sie dachte schon gar nicht mehr daran.

„Eine Zusammenarbeit wird also nicht problematisch sein?“, fragte Rafe sicherheitshalber nach.

„Sei nicht albern, wir sind doch alle erwachsen. Ich bin sicher, Nico und ich können zusammen in einem Komitee sitzen.“

„Was für ein Komitee?“

Wie aufs Stichwort betrat Nico Amatucci das Restaurant. Wäre er ein anderer, würde Louisa glauben, er hätte den Moment abgepasst, um einen großen Auftritt hinzulegen. Aber große Auftritte kamen bei Nico völlig natürlich.

„Sorry, dass ich zu spät komme, aber seit der Hochzeit arbeiten wir rund um die Uhr. Alle scheinen plötzlich nicht genug vom ‚Amatucci Rot‘ bekommen zu können.“

Er sah zu Louisa, und sie gab sich alle Mühe, kühl und gelassen zu bleiben. Innerlich betete sie, dass er nicht erriet, wie ihr Puls raste.

Der Winzer sah umwerfend aus wie immer. Der feuchte Kragen seines T-Shirts und die Erde an seiner Jeans verrieten, dass er direkt aus den Weinbergen kam. Eines musste Louisa ihm auf jeden Fall zugestehen: Der Mann arbeitete genauso hart wie seine Leute, was er als Besitzer eines der besten Weingüter des Landes nicht nötig hätte. Wahrscheinlich wollte er damit nur übertünchen, wie arrogant und selbstverliebt er war.

Er runzelte die Stirn, als Rafe ihm die Kaffeekanne hinhielt. „Amerikanisch?“ Nico seufzte theatralisch.

Rafe verdrehte entnervt die Augen. „Kein Grund, gleich so dramatisch zu werden. Wenn du lieber Espresso hättest, musst du es nur sagen.“

„Mach einen doppelten draus“, rief Nico seinem Freund grinsend hinterher, der bereits aufgestanden war und in Richtung Küche verschwand.

Obwohl mehrere Stühle an dem Tisch frei waren, setzte Nico sich neben Louisa. „Ich hoffe, du hast nicht zu lange warten müssen.“ Sein schiefes Grinsen ließ die harmlose Bemerkung irgendwie verschwörerisch klingen. Aber das war typisch für Nico Amatucci – er setzte seinen Charme ein, damit die Leute genau das taten, was er wollte. Wenn das nicht funktionierte, trumpfte er mit Autorität auf. Letzteres hatte er aber nur selten nötig. Mit seinen dunklen Augen und dem sinnlichen Mund gelang es ihm meist, sich durch die Barrieren seines Gegenübers zu winden und jeden mit seinem Bann zu belegen.

Er griff nach einem cornetto, dabei streifte seine Schulter Louisas Arm. Er roch nach Erde, frischer Luft und Schweiß, ein ursprünglich männlicher Duft. Sosehr Louisa sich auch beherrschte, ihr verräterischer Körper reagierte instinktiv darauf.

Nico biss in das Hörnchen. „Und? Hat jeder den Stress der Hochzeit schon verdaut?“ Er leckte sich die Krümel vom Daumen. Louisa hätte geschworen, dass er es darauf anlegte, die Geste so erotisch wie nur möglich wirken zu lassen, vor allem, als er hinzufügte: „Also, ich spüre die Nachwirkungen immer noch“. Dabei sah er ihr direkt in die Augen.

Louisa hob das Kinn. „Ich nicht.“ Sie war stolz auf sich, wie kühl das klang.

Leider wohl nicht kühl genug, denn Nico hob nur eine Augenbraue. „Tatsächlich?“

Dani stand abrupt auf. „Ich seh mal nach, ob Rafe Hilfe in der Küche braucht. Marcello hat gestern die Vorratskammer aufgestockt, und ihr wisst ja, wie Rafe ist, wenn er etwas nicht findet.“

Wem wollte sie hier was vormachen? Rafe würde niemals zulassen, dass jemand seine Vorratskammer einräumte, ohne dass er danebenstand.

„Sehr geschickt“, bemerkte Nico dann auch, als Dani durch die Schwingtür ging. „Man könnte glatt meinen, sie will uns Zeit allein geben, was?“

„Könnte man, ja“, murmelte Louisa. „Nur … wozu?“

„Vielleicht findet sie, dass wir uns unterhalten müssen.“

„Nun, dann würde sie sich irren. Ich wüsste nicht, worüber wir reden sollten.“

„Ich verstehe. Gehst du mir deshalb aus dem Weg, bella mia?“

Meine Schöne. Von wegen. Sie gehörte niemandem. Nicht mehr. Und schon gar nicht jemandem wie Nico. Schlimm genug, dass sie es zugelassen hatte und auf der Hochzeit seinem Charme erlegen war. „Ich gehe dir nicht aus dem Weg, sondern bin einfach sehr beschäftigt. Du bist nicht der Einzige, der zu arbeiten hat.“

„Entschuldige, natürlich.“ Er nahm das letzte cornetto von der Platte, drehte sich mit seinem Stuhl, sodass er ihr gegenübersaß, teilte das Hörnchen in der Mitte und legte eine Hälfte auf ihren Teller. „Was hast du denn alles zu erledigen, dass du permanent beschäftigt bist?“

Wütend starrte sie auf die lockende Hörnchenhälfte auf ihrem Teller. „Dies und das.“

„Dies und das? Eine eher vage Beschreibung.“

„Ich bin eben eine vage Person.“

„Ah, bella mia, als vage würde ich dich nun wirklich nicht bezeichnen.“ Nico hob die Hand, und Louisa zuckte unwillkürlich zurück. Sie fürchtete, er wolle ihr den Pony aus der Stirn streichen. Aber er griff nur nach seiner Hörnchenhälfte, woraufhin ihr das Blut in die Wangen schoss.

„Ich möchte gern über das reden, was auf der Hochzeit passiert ist.“

„Wie ich schon sagte, da gibt es nichts zu reden. Eine kleine Schwäche, mehr nicht. Vergessen wir es.“

Langsam hob er den Blick und sah ihr in die Augen. „Und wenn ich es nicht vergessen will?“

Die Schwingtür flog auf. Rafe erschien, eine Kaffeetasse in der Hand. Dani folgte ihm. „Ein doppelter Espresso, wie gewünscht!“

Louisa spürte die Spannung zwischen dem Paar. Waren sie geteilter Meinung, ob sie uns stören sollen oder nicht? Still dankte Louisa dem, der entschieden hatte, ins Restaurant zurückzukommen.

Dani suchte Blickkontakt mit Louisa, die jedoch beharrlich auf das Tischtuch starrte und hoffte, der Boden würde sich unter ihr auftun. Sie hasste es, so angesehen zu werden, hasste es, wenn andere versuchten, sie zu ergründen, und sich einbildeten, sie wüssten, was in ihrem Kopf vorging. Der Kragen ihrer Bluse wurde plötzlich zu eng.

„Sonst noch ein Wunsch, Hoheit?“ Mit einer Verbeugung stellte Rafe die Tasse vor Nico.

Zum Glück galt die Aufmerksamkeit des Winzers jetzt seinem Espresso.

„Im Moment wäre das alles, danke“, erwiderte er.

„Dir ist schon klar, dass das ‚Hoheit‘ sarkastisch gemeint war, oder?“

„Sicher. Aber du bedienst mich, da kann ich mich auch bedanken.“ Nico prostete dem Freund mit dem Espresso zu. „So …“, meinte er, nachdem er genüsslich einen Schluck getrunken hatte, „ihr spracht von einem Komitee?“

„Du hast zur Abwechslung mal zugehört“, spöttelte Rafe. „Genau, ich möchte ein Komitee gründen, das sich um den Tourismus kümmert.“

„Das macht Vincenzo Alberti doch schon.“

„Du scherzt, oder? Jeder hier weiß, dass Vincenzo keinen Finger dafür rührt. Wäre dein Bruder nicht zufällig gerade in der Stadt gewesen, um sich um die Bewerbung zu kümmern, hätte die königliche Hochzeit wahrscheinlich Gott weiß wo stattgefunden.“

„Du hast recht. Sonderlich aktiv ist Vincenzo nicht.“

„Außerdem rede ich über eine unabhängige Organisation ansässiger Geschäftsleute. Ich bin sicher, wenn wir alle die Köpfe zusammenstecken, kommt dabei eine ganze Wagenladung interessanter Ideen heraus.“

„Nun, ich werde mich ganz bestimmt nicht über mehr Absatz beschweren.“ Nico lehnte sich in den Stuhl zurück. „Wen habt ihr denn noch im Auge? Ich meine, außer uns vieren, da wir ja schon hier sitzen.“

Die beiden Männer nannten abwechselnd Namen. Manche davon kannte Louisa, andere nicht. Im Lauf der angeregten Debatte verlagerte sich die Dynamik, und Nico nahm immer mehr das Heft in die Hand. Das war noch etwas, das Nico Amatucci gern tat – den Anführer spielen. Ganz gleich, wie fähig andere auch waren – und Rafe hatte sicher mehr als genügend Führungsqualitäten –, irgendwie endete Nico Amatucci stets an der Spitze.

Ihr Ex war der gleiche Typ gewesen, allerdings ohne diese ursprüngliche Sinnlichkeit. Steven war der makellos elegante Typ gewesen, der treu die Ratschläge der Männermagazine befolgte. Nico war eher erdig. Der Typ Mann mit Schwielen an den Händen, weil er mit anpackte – und sich nicht aus der Firmenkasse bediente.

Louisa erinnerte sich gut an Nicos raue Daumenkuppen, als er ihr über die Wange gestreichelt hatte. Und wie mühelos es ihm gelungen war, sie in eine dunkle ruhige Ecke zu tanzen. Immer der Anführer. Genau wie Steven.

„Nur dürfen wir nicht zu kommerziell werden“, drang seine Stimme in ihre Gedanken, „dann würde Monte Calanetti ja genau das verlieren, was es so besonders macht.“

„Genau“, stimmte Rafe zu. „Wir wollen unsere Traditionen herausstellen, den Charme der Alten Welt. Vielleicht können wir etwas um die ‚Madonna mit Kind‘ in der Kapelle aufbauen, etwas Historisches. Aus Santo Majorca machen sie jetzt einen Kurort, nachdem sie die unterirdischen Quellen gefunden haben. Zu schade, dass wir so etwas nicht haben.“

„Autsch!“ Louisa zuckte zusammen. Verdammt, Danis Schuhe waren wirklich spitz! Dieser Tritt unter dem Tisch würde einen blauen Fleck hinterlassen.

Beide Männer drehten die Köpfe zu ihr. „Alles in Ordnung?“

„Ja, sicher.“ Sie rieb sich das Schienbein, aber Dani auf der anderen Seite des Tisches besaß nicht einmal den Anstand, schuldbewusst auszusehen. Stattdessen wackelte sie mit den Augenbrauen und mit dem Kopf, um Louisa aufzufordern, von ihrer Idee zu erzählen. Louisa jedoch schüttelte den Kopf. Sie war noch nicht so weit.

„Hab ich irgendwas verpasst?“

Natürlich hatte Nico es bemerkt. Nun, sie verhielten ja auch nicht gerade unauffällig.

„Louisa hat eine brillante Idee“, platzte Dani heraus. „Sie möchte den Palazzo in eine Art Luxushotel umwandeln.“ Dani war nun in Fahrt und ließ sich auch nicht von Louisas finsterem Blick aufhalten. „Die Leute lieben es, in historischen Gebäuden zu übernachten. Erinnerst du dich an das Pärchen letzten Monat, das davon geschwärmt hat, im Palazzo St. Rosa zu wohnen?“, wandte sie sich an ihren Mann. „Sie haben uns Fotos gezeigt. Ich sage euch, das Gebäude kann Louisas Palazzo nicht das Wasser reichen.“

„Weil der Palazzo di Comparino etwas ganz Besonderes ist.“

Nicos Kommentar war sowohl Kompliment als auch Warnung. Louisa stellten sich die Nackenhärchen auf. Vor neun Monaten hatte sie ihr Erbe angetreten und war eingezogen, aber der Mann glaubte noch immer, der Palazzo falle unter seine Verantwortung!

„Etwas Besonderes, richtig“, erwiderte sie. „Und außerdem riesengroß und extrem kostspielig zu unterhalten. Vor allem für eine alleinstehende Person, die keine anderen Einnahmequellen hat. Den Palazzo der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wäre eine Möglichkeit, einen Teil der Kosten zu decken.“ Und es würde ihr die Chance bieten, unabhängig zu sein und wieder die Kontrolle über ihr Leben zu erhalten. Vielleicht konnte sie dann endgültig mit der Vergangenheit abschließen.

Doch sofort gesellte sich ihre alte Begleiterin Unsicherheit dazu. „Natürlich muss noch viel getan werden, um den entsprechenden Standard zu erreichen. Und erst einmal muss ich die Finanzierung sichern. Wer weiß, ob und wann ich überhaupt anfangen kann.“

„Also, ich halte es mit Dani, ich finde die Idee großartig. Ein erstklassiges Hotel ist genau das, was Monte Calanetti braucht.“ Rafe schenkte Kaffee und Espresso nach. „Wenn du irgendetwas brauchst … Nico und ich helfen gern. Nicht wahr, Nico?“

„Sicher.“ Nico hob seine Espressotasse an. Ein herausforderndes Funkeln lag in seinem Blick, als er Louisa anlächelte. „Wir haben doch schon bewiesen, dass wir ein gutes Team sind, richtig?“

Louisas Gedanken wanderten zurück in die jüngere Vergangenheit …

Die königliche Hochzeit

„Bittet, und so wird euch gegeben werden. Dein Kuchen, signorina.“

Nicos übertrieben tiefe Verbeugung brachte Louisa zum Lachen. Die Hochzeit hatte Fröhlichkeit mitgebracht, selbst für sie. Schon so lange gab sie vor, glücklich zu sein, sie fürchtete verlernt zu haben, wie man sich wirklich amüsierte.

„Grazie“, bedankte sie sich würdevoll, bevor ihr auffiel, dass er nur einen Teller mitgebracht hatte. „Was denn, ist etwa nicht genug da?“ Sie sah zu der Hochzeitstorte. Sie war so groß, man hätte eine ganze Armee damit füttern können.

„Teilen macht mehr Spaß.“ Aus seiner Hemdtasche zog er zwei Gabeln und reichte ihr eine. „Wir sind ein gutes Team, findest du nicht auch?“

„Erstaunlich, aber … ja.“ Hätte ihr jemand gesagt, dass der Winzer und sie eines Tages zivilisiert miteinander umgehen und sogar zusammenarbeiten würden, hätte sie ihn für verrückt erklärt. Doch sie hatten erst kürzlich eine massive Aufräumaktion für die heutige Hochzeit zusammen mit den Einwohnern organisiert. Die Anlage um den Palazzo und das Städtchen selbst hatten nie hübscher ausgesehen – ein kleines Wunder, wenn man bedachte, dass alles hier so oder so das schönste Postkartenmotiv bot.

Und jetzt, auf der Hochzeitsfeier, hatten sie sogar Spaß miteinander. Das Eis zwischen ihnen begann definitiv zu tauen – nachdem Nico gleich bei ihrer Ankunft von ihr verlangt hatte, die Besitzurkunde für den Palazzo zu sehen.

Oder bin ich es, von der die Eisschicht langsam abfällt?

Nico rückte seinen Stuhl näher, sodass ihre Ellbogen sich berührten, teilte einen Bissen Torte ab und hob die Gabel dann wie zum Toast. „Auf Teamwork.“

„Auf Teamwork.“ Louisa wollte sich ebenfalls ein Stück Kuchen nehmen, um den Toast zu erwidern, doch da hielt er ihr die Gabel schon an den Mund.

„Die Dame sollte immer den ersten Bissen von der Torte bekommen.“

Wärme durchströmte sie, als er sie mit dem Tortenstückchen fütterte. Schokoladen- und Himbeergeschmack explodierte auf ihrer Zunge.

„Gut?“, fragte er.

„Himmlisch.“ Sie leckte sich über die Lippen. „Probier selbst.“

Mit einem herausfordernden Grinsen schob er sich einen Bissen in den Mund. Das Flattern in ihrem Magen wurde stärker. Sie spürte, dass noch ein Krümel in ihrem Mundwinkel hing, doch statt ihn abzulecken, tupfte sie ihn lieber mit der Serviette weg. Das war sicherer.

Der laue Sommerabend schien plötzlich drückend und stickig. Natürlich würde sie ihm das niemals sagen, aber Nico war der attraktivste Mann hier von allen. Er war sogar noch attraktiver als der Kronprinz. Und warum, um alles in der Welt, sitzt er hier mit mir zusammen und füttert mich mit Kuchen? Attraktiv, vermögend … Louisa hätte angenommen, dass Nico ein kleines schwarzes Adressbuch mit den Telefonnummern der schönsten Models hatte, die sich alle gern mit ihm auf einem solchen Anlass gezeigt hätten. Bevor sie sich zurückhalten konnte, sprach sie ihren Gedanken aus. „Dein Vorschlag, dass wir zusammen auf der Hochzeit erscheinen, hat mich schon erstaunt.“

„Schien mir logisch, wenn wir beide geschäftlich mit der Hochzeit zu tun haben, oder?“ Da war es wieder, dieses Grinsen. „Warum? Hättest du eine andere Eskorte vorgezogen?“

„Naja, der Trauzeuge ist recht attraktiv.“

„Der Trauzeuge hat nur Augen für die Hochzeitsplanerin.“ Nico legte den Arm auf ihre Stuhllehne. „Du musst gestehen, dass ich deine beste Option bin.“

Das Lachen kam völlig natürlich. Sie musste wohl zu viel von dem Wein getrunken haben, denn seine Arroganz kam ihr im Moment tatsächlich sexy vor.

Die Hochzeitsplanerin kündigte den letzten Tanz, bevor das Brautpaar sich zurückziehen würde.

„Was denn, so schnell ist die Zeit vergangen?“, entfuhr es ihr.

„Wahrscheinlich liegt das an meiner anregenden Gesellschaft.“

Sie aß noch einen Bissen Torte. „Übertreib’s nicht.“

„Gib’s zu.“ Er stieß ihr leicht den Ellbogen in die Seite. „Du hast dich gut amüsiert.“

„Stimmt.“ Und das meinte sie ernst. Dies war die erste förmliche Feier seit ihrer Scheidung. Sie hatte befürchtet, das könnte alte Erinnerungen aufwühlen. Doch Nico war ein wunderbarer Gesellschafter, und Louisa bedauerte, dass der Abend schon zu Ende ging.

„Wir sollten tanzen.“ Nico legte seine Gabel ab. „Man schlägt eine Einladung des zukünftigen Königs nicht aus.“

Offenbar nicht. Alle Paare strömten zur Tanzfläche. Dani und Rafe standen bereits dort, genau wie Nicos Bruder Angelo mit seiner Verlobten. Sogar Nicos hochschwangere Schwester Marianna wiegte sich zum Takt der Musik. Louisa sah auf die Hand, die Nico ihr hinhielt. Eine starke, fähige Hand … Ein kleines Zittern durchlief sie.

„Ich habe seit Ewigkeiten nicht mehr getanzt. Deine Füße werden leiden …“

„Betrachte meine Füße als vorgewarnt.“

Sie hätte sich keine Sorgen machen müssen. Sobald Nico den Arm um ihre Taille legte, vergaß sie, dass sie aus der Übung war. Ihre beiden Körper bewegten sich so synchron, als wären sie eine Einheit.

„Ich wollte dir schon die ganze Zeit sagen, dass du bezaubernd aussiehst.“ Sein Blick glitt anerkennend über sie. „Du stichst sogar die Prinzessin aus.“

„Vorsicht, in Halencia könnte das als Hochverrat angesehen werden.“

Schon vor Langem hatten Komplimente jede Bedeutung für Louisa verloren. Gut auszusehen hatte zu den Pflichten in ihrer Ehe gehört, genau wie gutes Benehmen, Anweisungen befolgen … lauter obligatorische Punkte in der Arbeitsplatzbeschreibung.

„Das Risiko gehe ich ein.“ Er zog sie enger an sich.

Seine Augen schienen dunkler denn je. Steven hatte immer ein perfektes Äußeres von ihr erwartet, aber sie nie mit solch offenkundiger Bewunderung angesehen.

Himmel, wie lange war es her, dass sie sich wie eine Frau und nicht wie ein Besitz gefühlt hatte?

Die Musik wurde plötzlich ausgeblendet durch das leise Geräusch ihrer Atemzüge, das Rascheln ihrer mit Pailletten bestickten Korsage, die sich mit jeder Bewegung an seinem Jackett rieb. Louisa hätte nicht sagen können, wer zuerst den Kopf bewegte. Doch das war auch nicht mehr wichtig, sobald sein Mund auf ihren Lippen lag. Nico küsste sie mit einem Hunger, auf den sie mit der gleichen Gier reagierte. Zu viele leidenschaftslose Jahre lagen hinter ihr. Ein heißer, fiebriger Kuss, den sie nur unterbrachen, weil sie beide Luft holen mussten.

Nur mühsam erinnerte Louisa sich daran, wer und wo sie waren. „Ich …“

„Schh…“ Er setzte einen Kuss auf ihren Mundwinkel. „Keine Sorge, bella mia.“

Bella mia. Meine Schöne. Mein. Louisa versteifte sich.

Nico missverstand ihre Reaktion. „Niemand sieht uns.“

Es stimmte. Sie standen in einer dunklen, abgeschiedenen Ecke. Nico hatte sie von neugierigen Augen wegdirigiert, während sie unter seinem Bann gestanden hatte. Wie aufmerksam von ihm. Aber Männer wie er taten nichts ohne Hintergedanken. Männer wie er übernahmen immer die Kontrolle, und bevor man wusste, wie einem geschah, saß man in einem goldenen Käfig fest.

Das hatte Louisa bereits hinter sich. Noch einmal würde sie nicht darauf hereinfallen.

Sie war einen Schritt zurückgetreten. „Das Brautpaar geht. Ich sorge besser dafür, dass alles bereit für sie ist.“ Und damit hatte sie ihn stehen lassen.

Autor

Barbara Wallace
<p>Babara Wallace entdeckte ihre Liebe zum Schreiben, als eines Tages ihre beste Freundin Kim ihr einen Roman lieh, der von Katzen handelte. Einmal gelesen und sie war gefesselt. Sie ging nach Hause und schrieb ihre eigene Geschichte. Sinnlos zu erwähnen, dass es der Roman „Ginger the Cat“ (ihre eigene Katze)...
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