Playboy-Milliardäre küssen besser

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Ein feuriger Blick aus tiefschwarzen Augen und alle Sorgen sind verflogen! Als der atemberaubend souveräne Santiago Tevez sie auf Bali in einer noblen Cocktailbar anspricht, erlebt Kindermädchen Kitty zum ersten Mal, wie erregend es ist, begehrt zu werden! Aber dem Playboy-Milliardär ihre Unschuld zu schenken ist eine Sache, seinen Heiratsantrag anzunehmen, nur weil sie seinen Erben erwartet, dafür ist auch Kitty zu stolz. Doch in seinem luxuriösen Tropenresort zeigt sich der erfolgsverwöhnte Hotelier plötzlich von einer völlig neuen Seite …


  • Erscheinungstag 12.07.2022
  • Bandnummer 2553
  • ISBN / Artikelnummer 9783751509817
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Es war wie in einem dieser Albträume, in denen alle anderen angezogen sind, nur man selbst nicht.

Kitty fühlte sich bloßgestellt. Nackt.

Als wüsste jeder, dass sie eine Betrügerin war, die sich in die geheiligten Gefilde der Superreichen eingeschlichen hatte. Ihr Herz klopfte, als sie sich in der Bar umsah. Die anderen Frauen trugen enge Seidenkleider und hochhackige Schuhe, die ihre durchtrainierten Beine zur Geltung brachten.

Was in aller Welt hatte sie dazu bewogen, ein weites Baumwollkleid und ein Paar billige Espadrilles anzuziehen?

Weil es das einzige Kleid ist, das du hast. Das einzige Outfit, das auch nur entfernt dazu geeignet ist, um darin in einem der exklusivsten Nachtclubs in Bali teure Cocktails zu trinken.

Wenigstens hatte sie ausnahmsweise ihr krauses Haar glatt geföhnt, sodass sie nicht aussah, als hätte sie einen Finger in die Lampenfassung gesteckt. Trotzdem sammelten sich vor Nervosität kleine Schweißperlen auf ihrer Stirn.

Kitty war kein Mensch, der alleine in eine Bar ging. Vor allem nicht in eine so exklusive wie diese. Doch Sophie, die in der Nachbarvilla als Kindermädchen arbeitete, hatte Kitty zu einem Drink mit einigen Freunden eingeladen.

Kitty war spät dran, und während sie sich jetzt nach Sophie und den anderen umsah, klammerte sie sich an ihre kleine Basttasche.

Wo waren die anderen bloß, sie war doch gar nicht viel zu spät …

Vielleicht würden die anderen ja noch kommen. Sie beschloss, noch etwas zu warten. Und wenn sie schon einmal hier war, konnte sie auch das Beste daraus machen.

Sie nahm ihren Mut zusammen und bestellte sich einen lächerlich teuren Cocktail. Dann verbrachte sie eine Ewigkeit damit, daran zu nippen.

Plötzlich war ihr, als würde sie jemand beobachten.

Es war seltsam. Als würde sie von einer unwiderstehlichen Kraft gezwungen, wandte sie sich um. Auf der anderen Seite der Bar saß ein Mann mit einer Zeitung vor sich auf dem Tresen. Seine dunklen Augen hatte er fest auf sie gerichtet, und der Ausdruck auf seinem Gesicht war mehr als kühl.

Sie musste an Winter denken. An Dunkelheit. Sie wusste nicht, was sie dazu brachte, seinen Blick zu erwidern.

Irgendetwas an seinem Anblick machte es ihr fast unmöglich, wegzusehen. Vielleicht lag es an seinen breiten Schultern oder der kühlen Schönheit seiner gleichmäßigen Züge, dass ihre Haut zu prickeln begann. Ihr war, als würde sie ihn wiedererkennen. Doch wie konnte das sein, wenn sie ihn noch nie zuvor gesehen hatte?

Verwirrt über ihre eigene Reaktion, wandte Kitty sich hastig wieder ab. Sie konnte sich die Hitze in ihrem Inneren nicht erklären. Warum zum Teufel starrte sie einen fremden Mann in einer Bar an?

Sie würde Sophie eine SMS schreiben und herausfinden, wohin sie gegangen waren. Sie mussten doch irgendwo hier in der Nähe sein – schließlich war das Langit Biru eines der größten Resorts in ganz Bali und bestimmt das exklusivste.

In diesem Moment begann ihr Handy zu vibrieren. Sie wollte es gerade aus ihrer Handtasche ziehen, als eine weibliche Stimme ihre Gedanken unterbrach.

„Entschuldigen Sie?“

Die Frau schien aus dem Nichts aufgetaucht zu sein. Ihr glänzendes Haar war ordentlich im Nacken aufgesteckt, und ein dezenter goldener Anstecker an ihrem schlichten schwarzen Kleid wies sie als Managerin aus.

Ihr Gesichtsausdruck war freundlich, aber Kitty besaß ein feines Gespür für Situationen wie diese. Sie war aufgewachsen mit Menschen, die sie immer wieder hatten wissen lassen, dass sie nicht dazugehörte. Nicht willkommen war – unerwünscht.

„Sie wissen, dass diese Bar nur für Gäste des Resorts ist?“

Die Stimme der Frau klang freundlich, aber ihr weltgewandtes Auftreten steigerte Kittys Unsicherheit. Es fühlte sich an wie der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Das unrühmliche Ende eines Tages, der angefüllt gewesen war mit unangenehmen Zwischenfällen und Irritationen.

Camillas abfällige Bemerkungen. Ruperts Schlamperei. Zerquetschte Banane in ihrem Haar. All diese Dinge, die einem niemand erzählte, wenn man sich für die Stelle als Kindermädchen bei einem reichen Ehepaar bewarb.

Plötzlich wusste Kitty, dass sie auf der Stelle gehen musste. Ein Rausschmiss war das Letzte, was sie jetzt verkraften konnte. Ihre SMS würde sie eben draußen schreiben.

„Nein, das wusste ich nicht“, sagte sie mit der einstudierten Ruhe, die sie sich durch die Arbeit mit kleinen Kindern angeeignet hatte. „Aber machen Sie sich keine Sorgen. Ich gehe.“

Ihr Herz hämmerte, als sie sich an den niedrigen Tischen vorbeischlängelte. Am Ausgang warf sie einen Blick zurück zur Bar. Als sie bemerkte, dass der Mann mit den breiten Schultern verschwunden war, verspürte sie ein albernes Gefühl der Enttäuschung.

Hatte sie auf einen letzten Blick gehofft, etwas, das sie während der kommenden dunklen Wochen an ihre letzte Nacht auf Bali erinnern würde?

Kitty tat so, als wüsste sie, wohin sie wollte, und ging zielstrebig an zwei riesigen Steindrachen vorbei. Plötzlich fand sie sich in einem langen, schattigen Korridor wieder, der offensichtlich zum Resort gehörte. Zum Glück war er verlassen. Sie stand einen Moment da, um wieder zu Atem zu kommen, dann zog sie ihr Handy aus der Tasche.

Sophies Nachricht war kurz:

Habe das Warten aufgegeben. Getränke viel zu teuer und das Personal unverschämt! Nach Kuta gegangen. Nimm dir ein Taxi und komm JETZT!

Kitty starrte auf den Bildschirm. Was sollte sie antworten? Sollte sie wirklich auf die andere Seite der Insel fahren und sich den drei Frauen anschließen, die schon ein paar Cocktails hinter sich hatten? Oder sollte sie nicht besser auf Nummer sicher gehen und früh nach Hause fahren?

Sie biss sich auf die Lippen. Was war, wenn sie später Schwierigkeiten hatte, ein Taxi zu bekommen, und Camilla und Rupert störte? War dieses Treffen heute Abend wirklich diesen Ärger wert, vor allem, wenn die Stimmung zwischen ihnen sowieso schon angespannt war?

Sie zuckte zusammen, als sie ein leises Geräusch hörte. Ihr Herz raste, als sie erkannte, wer auf sie zukam. Es war der Mann aus der Bar.

Sie sollte nicht hier sein. Das wusste sie, und er wusste es zweifellos auch.

Aber sie starrte ihn nicht nur aus Angst an. Sie konnte einfach nichts außer ihm wahrnehmen. Als er näher kam, beherrschte er den Korridor genauso, wie er die Bar beherrscht hatte. Allein schon seine Größe und sein muskulöser Körperbau hoben ihn von jedem Mann ab, den sie je gesehen hatte.

Kitty konnte den Blick nicht von seinem markanten Kinn und den hohen Wangenknochen abwenden. Sein zerzaustes Haar war rabenschwarz, genau wie seine Augen – sie sahen aus, als wären sie aus Obsidian gehauen. Dicht unter seiner nahezu perfekten Oberfläche lag etwas Hartes, Undurchdringliches.

Sie wusste, sie sollte etwas sagen – irgendetwas –, aber die Worte blieben ihr im Hals stecken. Stattdessen überließ sie es ihm, das Gespräch zu eröffnen.

„Dieser Bereich ist privat“, sagte er nicht weiter überraschend. Seine Stimme klang arrogant. „Kann ich Ihnen helfen?“

In gewisser Weise war Kitty für seine unfreundliche Bemerkung fast dankbar, das machte es ihr leichter, genauso cool zu antworten, anstatt mit etwas Verrücktem herauszuplatzen – zum Beispiel, wie gerne sie mit ihren Fingern die Linien seiner Lippen nachzeichnen würde, oder wie es sich anfühlen mochte, sie zu küssen.

Aber Kitty war immer höflich. Sie hatte die letzten zwei Wochen damit verbracht, selbst dann höflich zu bleiben, wenn sie wie ein Stück Dreck behandelt wurde.

„Ich kann sehr gut lesen“, antwortete sie. „Ich wollte nur an einem ruhigen Ort eine SMS senden, nachdem ich aus der Bar geworfen wurde.“

„Wirklich? Sie wurden rausgeworfen?“ Seine dunkle Stimme klang ungläubig. „Die Managerin ist für ihre Diplomatie bekannt.“

Kitty seufzte. „Nun, diplomatisch war sie allerdings“, räumte sie ein. „Ich weiß nur nicht, warum diese Bars nicht für alle geöffnet sind. Warum gibt es so lächerliche Richtlinien?“

Er musterte sie aus zusammengekniffenen Augen, als würde er überlegen, ob sie das ernst meinte. Als würde er sonst keine Menschen kennen, die diese Regeln nicht verstanden.

„Weil die meisten unserer Hotelgäste nicht von neugierigen Besuchern belästigt werden wollen, die all ihre Rupien gespart haben, hier einen ganzen Abend zu sitzen und einen einzigen Cocktail zu trinken“, antwortete er zynisch. „Unter unseren Gästen sind Konzernchefs und europäische Royals. Sie schätzen es, dass sie sich bei uns ungestört entspannen können, ohne dass jemand mit seinem Handy heimlich Fotos macht und sie an die Medien verkauft.“

Kitty fragte sich, in welche Kategorie er sie einordnete. Auf keinen Fall hätten sie oder ihre Freundinnen heimlich Fotos von berühmten Gästen gemacht!

Oder doch? Ihr fiel wieder ein, dass Sophie die Bar gewählt hatte, weil ein Formel-Eins-Weltmeister im Hotel wohnte. Hatte sie gehofft, ein Selfie mit ihm zu machen und es als Profilbild in sozialen Netzwerken zu verwenden?

Kitty überlegte, wer der Fremde vor ihr war. In der Bar hatte sie angenommen, er wäre ein Gast. Doch er sprach, als gehörte er zum Resort. Sein Seidenhemd und die dunkle Hose, die seine schmalen Hüften umspannte, sahen teuer aus, und an der Bar hatte er die Sicherheit der Reichen und Privilegierten ausgestrahlt.

Aber vielleicht hatte sie das falsch verstanden. Vielleicht gehörte er zum Sicherheitsdienst und trug die teure Kleidung, um wie ein wohlhabender Gast auszusehen und nicht aufzufallen.

„Sie wissen eine Menge über das Resort“, sagte sie misstrauisch. „Arbeiten Sie hier?“

Santiago zögerte den Bruchteil einer Sekunde, bevor er ihre Frage beantwortete. „Ja, das tue ich“, antwortete er ohne Schuldgefühle.

War es nicht schließlich Auslegungssache? Ja, er war der Besitzer dieses Resorts – und einiger anderer auch. Aber er steckte mehr Arbeitsstunden in das Unternehmen als jeder auf seiner Gehaltsliste. Also ja, natürlich arbeitete er hier!

Santiago gab nicht gerne etwas von sich preis. Das war schon immer so gewesen. Zuerst aus Notwendigkeit und dann aus Gewohnheit. Er redete nie über sich selbst, es sei denn, es gab keinen anderen Weg.

In seinem Leben hatte man ihm schon eine Menge vorgeworfen. Über nichts aber beschwerten sich Menschen, die ihn kennenlernten, mehr als über seine Gleichgültigkeit. Sein angeblich kaltes Herz. Sein mangelndes Interesse an einer tiefen Bindung. Natürlich hatte er das vor allem seine Geliebten sagen hören.

Doch er wollte damit nicht nur heiratswütige Frauen in Schach halten. Sein tiefes Bedürfnis nach Einsamkeit war echt, war Teil seines Wesens. Er gab, wozu er fähig war, und nicht mehr. Und wenn das jemandem wehtat – nun ja, daran trug er keine Schuld.

Er spürte, wie sich sein Herz schmerzhaft zusammenzog.

Schuld. Hatte er sich davon nicht genug für ein ganzes Leben aufgeladen?

Er begegnete dem Blick der Rothaarigen. „Wussten Sie wirklich nicht, dass Sie die falsche Bar gewählt haben?“, fragte er leise.

Er sah, wie sich ihre Schultern anspannten, und als die Bewegung seine Aufmerksamkeit auf ihre Brüste lenkte, spürte er einen seltsamen Stich im Brustkorb. Denselben Stich, den er in der Bar gespürt hatte, als sich ihre Blicke durch den großen Raum getroffen hatten. Dasselbe Gefühl hatte ihn dazu gebracht, aufzustehen und ihr zu folgen, als hätte sie einen Zauber über ihn gelegt. Was ebenso verrückt wie unerklärlich war.

„Normalerweise gehe ich nie alleine in eine Bar“, erwiderte sie. „Obwohl es absolut keinen Grund gibt, warum eine Frau nicht alleine in eine Bar gehen sollte“, ergänzte sie schnell.

Er hielt die Handflächen in gespielter Verteidigung hoch. „Das wollte ich auf keinen Fall andeuten.“

„Ich wollte hier Freundinnen treffen, aber mein Chef hat mir zusätzliche Aufgaben gegeben, darum bin ich zu spät gekommen“, erklärte sie. „Und meine Freundinnen sind schon gegangen.“

„Warum?“

„Sie haben entschieden, dass die Getränke zu teuer sind und …“

„Und?“, fragte er neugierig nach, als ihre Worte verklangen.

Sie schüttelte den Kopf, ihr leuchtendes Haar fiel weich um ihre Schultern. „Ich denke, es ist nicht ihre Art von Bar. Etwas zu gehoben. Also sind sie auf die andere Seite der Insel gefahren, und ich überlege gerade, ob ich sie noch treffe.“

Santiago nickte. Er wusste genau, wen sie hätte treffen sollen. Es war eine Gruppe langbeiniger Blondinen in kurzen Kleidchen gewesen, die vorhin laut kichernd in die Bar gestolpert waren.

Das war kein ungewöhnlicher Anblick auf Bali: schöne junge Touristinnen, die einen Blick darauf werfen wollten, wie die Privilegierten ihre Freizeit genossen. Aus den Augenwinkeln hatte Santiago beobachtet, wie sie sich suchend umschauten, als hielten sie Ausschau nach jemandem. Vielleicht nach jemanden, der ihre Rechnung zahlte?

Aber die Rothaarige mit den großen Augen schien nicht zu dieser Gruppe zu passen. Sie wirkte so … er runzelte die Stirn, als er nach dem passenden Wort suchte.

Natürlich. Si. Das war es. Sie sah natürlich aus.

Sie besaß keine Ähnlichkeit mit den weiblichen Gästen, die normalerweise dieses teure Resort besuchten. Sie war nicht sein Typ, nein – er bevorzugte durchtrainierte Brünette, langbeinige Schönheiten, deren im Fitnessstudio trainierte Körper zwischen den Laken erstaunlich akrobatisch sein konnten und die Sex wie eine weitere angenehme Sportart betrachteten – genauso wie er selbst.

Aber diese Fremde war … ungewöhnlich. Blasse Haut. Kurviger, üppiger Körper. Ein schlichtes Baumwollkleid, einfache Schuhe. Doch trotz ihrer unpassenden Kleidung bewegte sie sich mit unbestreitbarer Anmut. Sie besaß einen natürlich geschmeidigen Gang, der seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, wie es an diesem Abend niemandem sonst gelungen war.

Nicht nur an diesem Abend. Er presste die Lippen zusammen. Vielleicht fühlte er sich zu ihr hingezogen, weil sie so offensichtlich eine Außenseiterin war und er sich ebenso fühlte.

Sich immer so gefühlt hatte.

Sein Blick wanderte über ihr aufsehenerregendes Haar. Seidige rote Wellen fielen wie flüssiges Feuer über ihre blassen Schultern. Sie erinnerte ihn an das berühmte Gemälde der Venus, die aus dem Meer stieg.

Er hatte es einmal als Teenager in einer Galerie in Italien gesehen. Damals hatte er es gehasst, nicht, weil er sich nicht für Kunst interessierte, sondern weil er die Europareise mit seinen Eltern kaum ertragen konnte. Seine Mutter hatte sich mit der luxuriösen Reise dafür bezahlen lassen, dass sie zu ihrem Mann zurückgekehrt war.

Sein Vater war abstoßend dankbar gewesen. Seine Art, wie ein Hündchen um sie herumzuspringen und alles für sie zu tun, hatte Santiago den Magen umgedreht. Vor allem, weil er genau wusste, was hinter den Kulissen vor sich ging.

Aber derartige Gedanken hatten noch nie etwas Gutes gebracht, erinnerte er sich grimmig. Er schüttelte die Gedanken an die hässliche Vergangenheit ab und betrachtete den Rotschopf nachdenklich.

„Und werden Sie Ihre Freunde noch treffen?“, fragte er.

Warum interessierte ihn das? Und warum wünschte er, sie würde noch nicht gehen?

Weil sie etwas Neues für ihn war und … bezaubernd? Oder weil ihn ein Verlangen erfüllte, das er schon sehr lange nicht mehr gespürt hatte?

„Ich denke nicht.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich glaube, ich fahre einfach zurück nach Hause.“

„Das klingt nicht gerade nach dem aufregendsten Plan der Welt“, bemerkte er.

„Das könnte man so sagen“, stimmte sie zu und zuckte mit den Schultern. „Aber ich reise morgen ab und habe noch viel zu tun.“

Zu seiner Überraschung ertappte Santiago sich dabei, dass er gerne diesen unglücklichen Ausdruck von ihrem sommersprossigen Gesicht gewischt hätte. Wie mochte sie aussehen, wenn sie lächelte?

Er sagte sich, dass er einfach Mitleid mit ihr hatte, weil man sie versetzt hatte und weil sie so deprimiert über den ruinierten Abend wirkte. Aber was ging ihn das an? Den Mann, dem man mehr als einmal den Vorwurf gemacht hatte, er hätte keine Seele und würde kein Mitgefühl kennen?

Tief in seinem Inneren wusste er, dass mehr dahintersteckte. Ihre ungewöhnliche Schönheit faszinierte ihn. Und was war daran falsch? Durfte er sich nicht auch mal eine Auszeit nehmen, vor allem nach den anstrengenden letzten Tagen?

Er hatte gerade die Erlaubnis erhalten, in Westaustralien einen der größten Solarparks der Welt zu bauen. Sein Projekt wurde weltweit von Politikern und Umweltschützern gelobt. Er müsste über seinen Erfolg begeistert sein. Aber er fühlte nichts.

Er dachte an die Überraschung seiner Anwälte, als er den Sitzungssaal abrupt verlassen hatte, sein Glas Champagner nur halb ausgetrunken. Aber wie konnte man Leuten, die vor Begeisterung sprudelten, sagen, dass ihm dieses Projekt genauso wenig Befriedigung einbrachte wie alle anderen Projekte oder Errungenschaften vorher?

Sein Mund wurde schmal.

Nur sehr wenige Dinge brachten ihm Befriedigung.

„Wie heißen Sie?“, fragte er plötzlich.

Sie blinzelte. „Kitty. Kitty O’Hanlon.“

„Sind Sie Irin?“

„Das einzig Irische an mir ist mein Name“, sagte sie mit einem bitteren Unterton in der Stimme, den er nicht verstand, aber er machte sich nicht die Mühe, nachzufragen.

„Santiago Tevez“, sagte er mit einer kurzen Pause, damit sie seinen Namen einordnen konnte. Vielleicht sagen, dass sie über ihn gelesen oder von ihm gehört hatte. Ihm einige der langweiligen und vorhersehbaren Fragen stellte, die die Leute ihm immer stellten, wenn ihnen klar wurde, dass er der berühmte Milliardär war.

Als sie nicht auf seinen Namen reagierte, stieg ein seltsames Gefühl in ihm auf. Vorfreude, wie er sie schon lange nicht mehr gefühlt hatte. „Warum bleiben Sie nicht noch ein bisschen und leisten mir bei einem Drink Gesellschaft?“

„Einem Drink?“, wiederholte sie.

„Ist das so ein seltsamer Vorschlag? Ich habe meine Arbeit beendet und könnte ein wenig Gesellschaft gebrauchen. Und da Ihre Freunde Sie versetzt haben, geht es Ihnen wahrscheinlich ähnlich. Die Bar im Obergeschoss hat die beste Aussicht auf der ganzen Insel.“ Die Andeutung eines Lächelns umspielte seine Lippen.

Während Santiago Tevez sie aus seinen dunklen Augen kühl anschaute und auf ihre Antwort wartete, verspürte Kitty einen Ansturm unbekannter Gefühle.

So etwas passierte Leuten wie ihr nicht. Normalerweise wurde sie nicht angesprochen. Sie war diejenige, die die Handtaschen bewachte, wenn sie mit ihren Freundinnen tanzen ging. Die Tee kochte und für tröstliche Gespräche bereitstand, wenn einer von ihnen das Herz gebrochen wurde.

Die wenigen Male, wenn sie auf ein Date gegangen war, hatten zu nichts geführt. Sie wusste, dass die Leute sie für prüde hielten, und sie wusste auch, dass es wahrscheinlich stimmte – aber sie konnte ihre Erziehung nun mal nicht ändern.

Sie konnte nicht über Nacht ein anderer Mensch werden. Beim Flirten war sie hoffnungslos, und ganz bestimmt hatte sie keine Erfahrung darin, mit einem Mann zu plaudern, der eher wie ein griechischer Gott als ein Sterblicher aussah.

Kitty fühlte sich ernsthaft überfordert und wusste, dass sie schleunigst gehen sollte.

Aber etwas hielt sie davon ab.

Sie fühlte sich, als stünde sie an einem Scheideweg. Nicht nur, weil sie den Gedanken nicht ertragen konnte, so früh in die Villa zurückzukehren und noch mehr gehässige Kommentare von Camilla zu hören oder ihrem unangenehmen Ehemann zu begegnen.

Es war eher so, dass sie es einfach satthatte, Kitty O’Hanlon zu sein – die arme kleine Waise, der man ihr Leben lang eingetrichtert hatte, sie müsse ihren Platz kennen und für alles dankbar sein, was passierte.

Ihr ganzes Leben hatte sich um Nachgiebigkeit und Gehorsam gedreht, und ausnahmsweise wollte sie einmal etwas Ungewöhnliches tun. Die Zwänge abschütteln, die sie ihr Leben lang gefesselt hatten und …

Warum sollte sie nicht mit diesem attraktiven Fremden etwas trinken? So eine Gelegenheit würde sich so schnell nicht noch einmal ergeben. Sie hätte sogar darauf gewettet, dass ihr so etwas in ihrem ganzen Leben nicht noch einmal passieren würde.

Sie hatte ein paar schöne Stunden verdient. Hatte sie nicht gerade zwei quälend lange Wochen auf einer angeblich paradiesischen Insel verbracht? Vor lauter Arbeit hatte sie von Bali kaum etwas gesehen.

„Also gut.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Warum nicht?“

„Später sorge ich dafür, dass Sie mit einem Wagen zu Ihrem Haus zurückgebracht werden.“ Er hob die dunklen Augenbrauen und sah Kitty fragend an.

Sie nickte, obwohl seine Worte ihr zeigten, dass er nicht mit ihr flirtete. Er war nett, das war alles. Wahrscheinlich tat sie ihm leid. Den meisten Leuten tat sie leid.

Aber das war besser als gar nichts. Sie hatte in letzter Zeit nicht viel Freundlichkeit erlebt, warum also nicht einfach die Gelegenheit genießen? Einen Moment lang fühlte sie sich wie eine wichtige Persönlichkeit.

Dann fiel ihr ein, wie gut gefüllt die Bar gewesen war. „Bekommen wir denn noch einen Tisch?“

Er lächelte, und Kitty wünschte sich fast, er hätte es nicht getan. Für einen winzigen Augenblick verwandelte sich sein hartes Gesicht, und sofort spürte sie einen schmerzhaften Stich der Sehnsucht.

Sein Lächeln war wie die ersten bunten Frühlingsblumen nach einem trostlosen Winter. Wie ein bequemes Bett, wenn man den ganzen Tag lang hart gearbeitet hatte.

Hör auf zu fantasieren, sagte sie sich ärgerlich.

„Ja“, erwiderte er immer noch lächelnd. „Sagen wir einfach, das ist einer der Vorteile meines Jobs. Kommen Sie, Kitty O’Hanlon. Ich zeige Ihnen den Weg.“

2. KAPITEL

Die Aussicht war ein Traum.

Santiago hatte nicht übertrieben, als er sagte, es sei die beste auf der Insel. Aber auch der Rest der Bar verschlug Kitty den Atem. Mit so viel Luxus hatte sie nicht gerechnet.

Sie versuchte, alles in sich aufzunehmen. An dies hier wollte sie sich erinnern, wenn sie wieder in London war. Sie konnte den Gedanken an den Lärm und Verkehr der Großstadt und die endlosen Forderungen ihrer Arbeitgeber kaum ertragen.

Sie schaute hinaus auf das dunkle, glitzernde Meer. Die Luft duftete nach Weihrauch und süßem Jasmin. Einige Paare saßen an den Tischen, aber der Bereich, zu dem Santiago sie führte, war völlig verlassen. Fast so, schoss es Kitty plötzlich durch den Kopf, als wäre dieser ganz besondere Platz reserviert gewesen und wartete nur auf sie.

Aus versteckten Lautsprechern erklang leiser Jazz. Am liebsten hätte Kitty ihre Schuhe abgestreift und getanzt, wie sie es seit ihrem sechsten Lebensjahr nicht mehr getan hatte.

Doch der atemberaubende Ausblick und die Schönheit des nächtlichen Bali verblassten im Vergleich zu dem Mann, der neben ihr stand und aufs Meer blickte. Heute Nacht leuchtete der Vollmond über der Landschaft und den Weiten des Ozeans. Er tauchte auch Santiago Tevez’ markante Züge in silbernes Licht, sodass es aussah, als wäre sein Profil aus Metall gegossen.

Wie ein Kaiser auf der Vorderseite einer alten Münze, dachte Kitty verträumt, bevor sie sich energisch befahl, sofort mit diesen albernen Gedanken aufzuhören.

Aber sie konnte einen glücklichen Seufzer nicht zurückhalten. Drehte Santiago darum den Kopf und sah sie fragend an? Wie eine fleißige Schülerin auf einem Schulausflug richtete Kitty ihren Blick aufmerksam auf den fernen Horizont. Dies war kein romantisches Date, das durfte sie nicht vergessen.

Santiago hatte sie hierher eingeladen, um wiedergutzumachen, dass sie vorhin aus der Bar geworfen worden war. Wahrscheinlich tat er das nur, damit sie keine schlechte Bewertung im Internet hinterließ.

„Beeindruckend, nicht wahr?“, sagte er. „Ich erinnere mich, wie überwältigt ich war, als ich das erste Mal hier gestanden habe.“

Seine Worte beruhigten sie. Auch er war nur hier, um zu arbeiten, genau wie sie selbst – auch wenn er eine einflussreiche Position im Resort zu haben schien.

„Es ist wundervoll“, sagte sie. „So etwas Schönes habe ich tatsächlich noch nie gesehen.“

„Das höre ich gern“, erwiderte er. Seine Stimme klang, als freute er sich ehrlich über ihre Worte. Er deutete auf ein Bambussofa. „Sollen wir uns setzen und etwas trinken?“

„Warum nicht?“, stimmte Kitty zu, obwohl das normalerweise nicht ihre Art war.

Vielleicht hatte sie die Worte in einer Fernsehsendung gehört oder in einem Buch gelesen. Irgendwie fühlte es sich für jemanden wie sie viel zu erwachsen und weltgewandt an.

Aber es fühlte sich auch sehr erwachsen an, zu einem Tisch zu gehen, auf dem eine mit Blumenkränzen geschmückte Kellnerin gerade zwei Gläser mit geeisten Cocktails abgestellt hatte.

Obwohl sie weder ein Seidenkleid noch teure Schuhe trug, fühlte Kitty sich wie in einem Werbespot, als sie zum Sofa ging. Als würde dies jemand anderem passieren.

Und war es nicht das, worum es ging? Sich einmal nicht wie Kitty O’Hanlon zu fühlen, sondern wie ein ganz anderer Mensch?

Sie sank in die weichen Kissen – und ihre Augen waren damit genau auf Hüfthöhe von Santiago, als er auf sie zukam. Normalerweise würde sie um keinen Preis auf einen bestimmten Bereich der Anatomie eines Mannes starren, aber sie konnte ihren Blick nicht abwenden.

Seine Beine waren lang und muskulös und stark. Wieder einmal war Kitty überrascht von ihrer Reaktion auf ihn. Ihre Brüste pochten, und es kam ihr vor, als wären sie plötzlich sehr groß und prall – als wäre das Mieder ihres neuen Kleides zu eng. Ihre Haut fühlte sich empfindlich an, und tief in ihrem Innern entzündete sich eine Glut, die sie unruhig machte.

Unangenehm unruhig.

Sie wusste, dieses Gefühl musste Verlangen sein. Sie hatte darüber gelesen und oft genug von Freundinnen davon gehört. Sie wusste, dass man es nicht genau beschreiben konnte und dass sie es noch nie erlebt hatte.

Als Santiago sich neben sie setzte, schlug sie ein Bein über das andere, was ihr Unbehagen nicht linderte. Santiago deutete auf den niedrigen Tisch vor ihnen. Im Flackern goldener Teelichter standen zwei flache Gläser, gefüllt mit einer milchig-rosafarbenen Flüssigkeit, auf der ein Zweig dunkelroter Beeren schwamm.

„Cranberry Martini“, sagte er und reichte ihr ein Glas. „Spezialität des Hauses.“

Kitty nahm einen Schluck. Der Drink war süß, die Beeren herb und saftig, aber sie hatte keine große Lust zu trinken. Sie bemerkte, dass er seinen Martini nicht anrührte. Er streckte nur seine langen Beine aus, dann sah er sie an.

„So. Ihre letzte Nacht auf Bali“, sagte er. „Traurig?“

Hätten sie sich vor vierzehn Tagen über Bali unterhalten, hätte Kitty möglicherweise anders geantwortet. Damals hatte sie sich noch auf die Reise gefreut. Natürlich wusste sie, dass sie vor allem arbeiten musste, aber sie würde doch wohl auch hin und wieder die Gelegenheit haben, im Meer zu schwimmen und einige der schönsten Seiten Balis zu sehen?

Aber so war es nicht gewesen. Und weil sie diesen Mann nach heute Nacht nie wieder sehen würde, gab es keinen Grund, ihm nicht die Wahrheit zu sagen.

„Nicht wirklich, nein.“

Autor

Sharon Kendrick
Fast ihr ganzes Leben lang hat sich Sharon Kendrick Geschichten ausgedacht. Ihr erstes Buch, das von eineiigen Zwillingen handelte, die böse Mächte in ihrem Internat bekämpften, schrieb sie mit elf Jahren! Allerdings wurde der Roman nie veröffentlicht, und das Manuskript existiert leider nicht mehr. Sharon träumte davon, Journalistin zu werden,...
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