Plötzlich verheiratet - mit einem Griechen (2 Miniserien)

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HALT MICH IN DEINEN ARMEN FÜR IMMER! von CLARE CONNELLY
Nur eine Nacht will Hannah mit dem faszinierenden Leonidas Stathakis verbringen – eine Nacht voll Verlangen und Leidenschaft, um ihr gebrochenes Herz zu heilen. Nachdem ihr Verlobter sie betrogen hat, fühlt sie sich in Leos starken Armen begehrt und sinnlich. Doch die Nacht bleibt nicht ohne Folgen. Sofort bietet der vermögende Grieche an, sie zu heiraten. Allerdings nicht aus Liebe, sondern, um seinem Kind eine Familie zu geben. Denn Leo ist gebunden – an ein Versprechen, das er einer anderen gab. Und Hannahs Herz droht erneut zu zerbrechen …

DIE BRAUT DES GRIECHISCHEN PLAYBOYS von CLARE CONNELLY
"Ich werde heiraten." Bei Thanos Stathakis‘ Worten muss Alice laut lachen. Als seine Assistentin weiß sie genau, wie dieser milliardenschwere Playboy die schönsten Frauen in sein Bett lockt – und sie dann kurz darauf hinauskomplimentiert. Denn an Liebe glaubt der attraktive Grieche bestimmt nicht! Und nun will er einfach so Ja sagen, damit sein Ruf für einen wichtigen Geschäftsdeal wiederhergestellt wird? Aber das Lachen vergeht Alice gründlich, als Thanos erklärt, wer seine Auserwählte ist: sie!

FÜR JETZT UND IMMER? von KATE HEWITT
Amüsieren will sich der vermögende Grieche Demos Atrikes mit dem sexy Partygirl Althea – hier und jetzt! Doch als er sie in seine luxuriöse Villa am Meer entführt, erkennt er: Die Schöne umgibt ein Geheimnis, das mehr von ihm verlangt, als er zu geben bereit ist …

WEHRLOS VOR VERLANGEN von CHANTELLE SHAW
Eiskalt überläuft es Tahlia: Eine unbestimmte Gefahr geht von dem attraktiven Milliardär Thanos Savakis aus. … und ihr siebter Sinn behält recht! Schon am nächsten Tag droht der mächtige Unternehmer, die Firma ihrer Eltern zu ruinieren. Nur unter einer Bedingung ist Thanos bereit, die Katastrophe abzuwenden: Einen Monat lang soll Tahlia ihm auf Mykonos Gesellschaft leisten – als seine Geliebte! Was hat sie bloß getan, um den Hass und zugleich das Begehren des stolzen Griechen wecken? Und warum macht sein skandalöser Vorschlag sie zugleich wehrlos vor Verlangen?


  • Erscheinungstag 30.11.2023
  • ISBN / Artikelnummer 9783751528207
  • Seitenanzahl 495
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

IMPRESSUM

JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
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Geschäftsführung: Katja Berger, Jürgen Welte
Leitung: Miran Bilic (v. i. S. d. P.)
Produktion: Jennifer Galka
Grafik: Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn,
Marina Grothues (Foto)

© 2019 by Clare Connelly
Originaltitel: „The Greek’s Billion-Dollar Baby“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: MODERN ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA
Band 2426 - 2020 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
Übersetzung: Nicole Lacher

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 02/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck

ISBN 9783733713928

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
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PROLOG

Viele Leute mochten Leonidas Stathakis um seinen zweiten Platz auf der Liste der vermögendsten Menschen dieser Welt beneiden, doch er wusste aus eigener Erfahrung, dass Geld ein schwacher Ersatz war für das, was wirklich im Leben zählte.

Milliarden auf dem Konto füllten nicht die Lücke und vertrieben auch nicht das schmerzhafte Ziehen, das zum ständigen Begleiter wurde, wenn man seine Liebsten hatte beerdigen müssen.

Reichtum vertrieb weder die Trauer noch die Schuldgefühle, die Qual oder das Gefühl der Ohnmacht, weil man die geliebten Menschen in Gefahr gebracht, bei der Aufgabe, sie zu beschützen, versagt hatte.

Dies war der vierte Silvesterabend ohne seine Familie. Das vierte Jahr, das lediglich mit Erinnerungen an seine Ehefrau, Amy, und seinen zweijährigen Sohn, Brax, endete.

Wie eine Ewigkeit fühlte es sich an.

Wenn er die Augen schloss, sah er Amy so deutlich vor sich, als stünde sie ihm gegenüber. Nie würde er ihr Lächeln vergessen … Als hätte sie in sich ein Streichholz entzündet, und das Glück würde förmlich aus ihr herausbersten.

Wie konnte jemand derart voller Leben und Vitalität einfach aufhören zu existieren? Trotz ihrer Stärke war sie am Ende so schwach gewesen, so zerbrechlich. Niedergemäht hatte man sie und Brax auf dem Weg zum Spielplatz. Welche Chance hatten ihre Körper gehabt gegen all das Blech mit einem Verrückten auf dem Fahrersitz?

Schimmernde rotbraune Haare und Augen mit dem Farbton des Meeres hinter diesem Hotel. Leonidas sah die lebendige Amy vor sich – und gleich darauf die tote.

Er würde Amy Stathakis niemals vergessen. Auch nicht das grausame Schicksal, das sie erlitten hatte – ermordet wegen der kriminellen Machenschaften seines Vaters. Dion Stathakis hatte Leonidas’ Familie und dessen Leben zerstört.

Unbändiger Zorn flammte in ihm auf. Er schloss die Finger fester um das Whiskyglas und fragte sich, wie viel Scotch er schon getrunken hatte. Nicht genug, um den Schmerz zu betäuben. Er brauchte mehr als ein paar schnelle Drinks in einer Bar, um sich dem ersehnten Zustand des vorübergehenden Vergessens auch nur anzunähern. Vor allem in Momenten wie diesen, wenn seine Erinnerungen am klarsten waren.

Um ihn herum wimmelte es von glücklichen, ausgelassenen, lauten Menschen. Anscheinend gefiel es den Leuten, das Ende eines Jahres und die Ankunft eines neuen zu feiern. Er konnte es nachvollziehen. Einst hatte er genauso empfunden – zusammen mit Amy das Leben gefeiert.

Heute hingegen glich jeder Tag einer Prüfung, die er bewältigen musste. Jedes Jahr war einfach etwas, das er überlebte – ohne Amy und Brax. Seine Existenz glich einem Verrat. Wie oft hatte er sein Leben opfern wollen, um seine Frau und seinen Sohn zurückzuholen? Er war der Sohn des Verbrechers. Er, Leonidas, hätte für Dions Schandtaten zahlen sollen. Nicht seine unschuldige Frau und sein wunderschöner Sohn.

Bitterkeit stieg in ihm hoch, so intensiv, dass sie ihn zu versengen drohte.

Er kippte den Scotch hinunter, und eine Kellnerin brachte ihm ein weiteres Glas zum Tisch, ohne dass er es bestellt hätte. Genau wie verlangt. Einer der Pluspunkte, die ihm als Besitzer dieser Bar vergönnt waren.

Als er den Kopf hob, um sich mit einem knappen Nicken zu bedanken, registrierte er leidenschaftslos, wie attraktiv die Kellnerin war. Blonde Haare, braune Augen, goldener Teint und blassrosa Lippen, mit denen sie ihn anlächelte. Eine gute Figur hatte sie auch. Früher hätte er eine Frau wie sie unwiderstehlich gefunden.

Heute tat er es nicht mehr.

Ja, er hätte den Anflug von Verlangen zulassen können, der in ihm aufkeimte. Er senkte den Blick auf ihre Brüste, erspähte die Andeutung von Spitze unter ihrer Baumwollbluse, und Begehren breitete sich in seinem Körper aus wie eine Feuersbrunst. Fast hätte er hier und jetzt in der Bar seines Fünfsternehotels auf Chrysá Vráchia eine Erektion bekommen.

Doch er erstickte den Impuls und wandte seine Aufmerksamkeit dem Scotch zu. Es verschaffte ihm Genugtuung, seinem Körper jegliche Befriedigung in dieser Hinsicht vorzuenthalten. Vier Jahre war es nun her. Vier Jahre ohne Amy, ohne mit einer Frau sexuelle Erfüllung zu finden. Und er hatte nicht vor, mit dieser Gewohnheit zu brechen …

1. KAPITEL

Hannah war nicht mit der Absicht nach Chrysá Vráchia gekommen, ihre Jungfräulichkeit zu verlieren.

Sie befand sich auf dieser traumhaften griechischen Insel, weil sie unter Schock gestanden und aus Australien hatte fliehen müssen – vor ihrer kontrollsüchtigen Tante, ihrem Onkel und der Cousine, die für sie wie eine Schwester gewesen war. Bevor sie mit Hannahs Verlobtem geschlafen hatte.

Zwei Stunden, nachdem sie die beiden zusammen im Bett ertappt hatte, war sie am Flughafen angekommen und in das erstbeste Flugzeug gestiegen.

Damit war sie in diesem Paradies gelandet, von dem sie bereits so viel gehört hatte und das sie schon lange mit eigenen Augen sehen wollte. Goldfarbene Klippen, weiße Sandstrände, türkisfarbenes Wasser, üppige grüne Wälder … Der ideale Ort, um ihre Ersparnisse für die Flitterwochen durchzubringen und sich wieder zu fangen.

Offenbar gab es sogar hinter den dunkelsten Wolken einen Silberstreif am Horizont.

Nein, Hannah war nicht nach Griechenland gekommen, um ihre Jungfräulichkeit zu verlieren. Doch als ihr Blick immer wieder zu dem Mann auf der anderen Seite der Hotelbar glitt, spürte sie ein begehrliches Ziehen tief in der Brust – und noch etwas.

Rachedurst? Wut? Weder noch. Es war weniger primitiv, weniger berechnend.

Faszination.

Der Fremde hielt sein Glas in beiden Händen und schien zu grübeln. Er besaß eine dermaßen intensive Ausstrahlung, dass sich Hannahs Magen zusammenzog und ein ebenso neues wie reizvolles Verlangen durch ihren Körper flutete.

Angus hatte bis zur Hochzeit mit Sex warten wollen, und ihr war es recht gewesen. Sie hatte Angus geliebt. Es gemocht, wie er sie küsste und fest in den Armen hielt. Aber sie hatte sich nie wirklich nach ihm gesehnt. War nie bei seiner Berührung lustvoll erschauert oder hatte sich kurz vor dem Einschlafen seine Zärtlichkeiten ausgemalt.

Unbekümmert mit einem Mann zu schlafen, den sie nicht kannte – diese Vorstellung kam ihr vor wie die perfekte Reaktion auf die Tatsache, dass ihr Verlobter sie mit ihrer Cousine betrogen hatte.

Hannahs Magen krampfte sich zusammen, als Bilder von jenem Moment aufblitzten. Die Erinnerung war noch zu frisch.

Unabhängig davon machte der Mann den Eindruck, dass er in Ruhe gelassen werden wollte. Hannah beobachtete, wie eine Kellnerin an seinen Tisch trat und leise etwas sagte. Er schaute ihr nicht einmal in die Augen, als er antwortete. Stattdessen heftete er den Blick auf den tiefschwarzen Nachthimmel, den bald ein Feuerwerk erleuchten würde.

Mitternacht rückte näher, während Hannah gedankenverloren an ihrem Champagner nippte.

Noch nie hatte sie einen Mann angesprochen. Was sollte sie sagen? Dumme Idee. Hannah war dreiundzwanzig, und es gab einen Grund dafür, weshalb sie jämmerlich wenig Erfahrung mit dem anderen Geschlecht besaß.

Sie hatte nicht den Hauch einer Ahnung.

Und sie konnte nicht einfach mit den Fingern schnippen, um ihre Persönlichkeit zu ändern, selbst wenn sie es gewollt hätte.

Also unterdrückte sie einen Seufzer. Wenn sie schon nicht richtig aus der Rolle fallen und einen One-Night-Stand mit einem Fremden haben würde, dann konnte sie es wenigstens ein bisschen tun und sich einen Schwips antrinken.

Sie hielt vergeblich nach einem Kellner Ausschau und stand auf, um sich am Tresen einen Drink zu holen. Als sie sich umdrehte, prallte sie gegen etwas unglaublich Hartes und Breites.

Fest wie Beton fühlte es sich an. Und es schien von so viel mühsam gezügelter Kraft erfüllt zu sein, dass Hannah fast in hohem Bogen nach hinten gefallen wäre.

Eine Hand schloss sich um ihren Arm und half ihr, das Gleichgewicht wiederzufinden. Hannah sah hoch, direkt in die schwarz glänzenden Augen jenes Mannes, von dem sie in der vergangenen Stunde nicht den Blick hatte losreißen können. Er zog seine Hand zurück und rieb sich die rechte Schulter. Jetzt erst nahm sie wahr, dass auch ihre Schulter ein wenig schmerzte. Sie mussten zusammengeprallt sein – heftig.

„Sie sind es“, hauchte sie mit zittriger Stimme und versuchte zu schlucken, obwohl ihr Mund wie ausgetrocknet war.

„Ich bin es“, bestätigte er, ohne mit der Wimper zu zucken.

„Sie sind wie eine Steinmauer“, entschlüpfte es ihr.

Der Fremde zog die Stirn kraus. So distanziert sah er sogar noch heißer aus. „Sind Sie verletzt?“

Mein Stolz ist verletzt. Mein Herz ist verletzt. Aber das wollte er ja gar nicht wissen. „Nein, alles in Ordnung.“ Hannah hatte keinen Schimmer, woher sie auf einmal den Mut nahm, der sie fortfahren ließ: „Aber ich sollte Ihnen wenigstens einen Drink spendieren. Weil ich Ihnen in die Quere gekommen bin.“

Streng blickte er sie an, während sie beklommen darauf wartete, dass er ablehnte, weil sie sich zum Narren gemacht hatte.

Sie biss sich auf die Unterlippe und wünschte, sie könnte ihre Worte zurücknehmen. Schweigend betrachtete der Mann sie. Mit jeder Sekunde, die verrann, schlug ihr Herz schneller. Sie fühlte sich, als müsste sie ertrinken.

„Nicht nötig“, erwiderte er schließlich, machte allerdings keine Anstalten, weiterzugehen.

Ein gutes Zeichen, hoffte Hannah. Ihre Finger bebten leicht, als sie sich die rotbraunen Haare hinter das linke Ohr steckte. Nachdenklich folgte der Fremde ihrer Geste mit dem Blick.

„Ich habe nicht geschaut, wohin ich gehe“, sagte sie.

„Ich auch nicht. In dem Fall sollte ich Ihnen einen Drink spendieren.“

Hannahs Herz vollführte einen Purzelbaum. Begehren packte sie wie eine hohe Woge und riss sie mit sich. „Wie wäre es, wenn ich diese Runde ausgebe und Sie die nächste?“ Sie zog eine Braue hoch. So etwas Draufgängerisches hatte sie noch nie zuvor gesagt, aber seit dem Anblick von Angus mit Michelle im Bett konnte sie nichts mehr in Verlegenheit bringen.

Er runzelte die Stirn noch etwas stärker. Dann nickte er kaum merklich. „Abgemacht, Miss …“

„Hannah.“ Ihre Stimme klang rauchig. Sie leckte sich mit der Zungenspitze über die Unterlippe und registrierte, dass seine fast schwarzen Augen plötzlich heller glänzten.

„Hannah“, wiederholte er. Mit seinem griechischen Akzent hörten sich die beiden Silben ganz fremd an, so verheißungsvoll, dass es ihr durch und durch ging.

„Und Sie heißen …?“

Einen Moment lang schien er überrascht zu sein. „Leonidas.“

Genau so einen Namen hatte sie erwartet. Maskulin, aufregend und sexy. Er passte vollkommen zu diesem Mann.

„Sie haben einen Tisch?“ Hannah blickte zu dem, an dem er vorhin gesessen – und den sich inzwischen ein Paar geschnappt hatte. Sie fuhr herum und stellte fest, dass auch ihr eigener Tisch besetzt war.

„Ich war gerade auf dem Weg in mein Zimmer“, antwortete er langsam, noch immer mit einer senkrechten Falte zwischen den Brauen, als würde er es nur widerwillig sagen.

Sein fragender Unterton entging Hannah ebenso wenig wie die Tatsache, dass ihre Libido mittlerweile hellwach war. Verlangen pochte tief in ihrem Unterleib. Jäh wurde ihr ganz heiß. „So?“ Ob sie nun mit der Idee gespielt hatte, diesen Fremden zu verführen, oder nicht: Sie befand sich auf Neuland und lehnte sich extrem weit aus dem Fenster.

„Von dort aus hat man einen schönen Blick auf Athen. Vielleicht nehmen wir unsere Drinks auf meinem Balkon?“

Wollte er ihr tatsächlich die Aussicht zeigen, oder bot er ihr viel mehr an? Letzteres, hoffte sie und war fest entschlossen, es herauszufinden.

Es war verrückt. Absolut verrückt und unüblich für sie, aber sie konnte jetzt nicht vernünftig sein. Angus hatte ihr das Herz gebrochen, ihr Vertrauen zerstört. Sie war verletzt und brauchte die Bestätigung, dass sie begehrenswert war. Außerdem wollte sie erfahren, worum es beim Sex eigentlich ging.

Dieser Fremde mit seinem finsteren forschenden Blick und der geheimnisvollen grüblerischen Miene war alles, was sie wollte – für eine Nacht jedenfalls.

„Ich …“ Hier war er: ihr Moment der Wahrheit. Konnte sie es durchziehen?

Eine Frau zwängte sich hinter ihnen vorbei und stieß sie dabei gegen Leonidas. Zum zweiten Mal berührten sich ihre Körper. Wieder streckte er eine Hand aus, damit sie nicht das Gleichgewicht verlor. Doch diesmal zog er sie nicht gleich wieder zurück, sondern schob sie ihr auf den Rücken und ließ sie dort. Hannah sah ihm in die Augen. Prompt kamen ihr Zweifel, denn auch er wirkte durcheinander und verunsichert.

„Ich will, dass du mit mir nach oben kommst.“ Er hörte sich an, als hätte dieses heftige Verlangen ihn überrumpelt.

Hannahs Puls raste. Auf einmal schien ihr das Blut wie Lava durch die Adern zu strömen, genauso glühend und unaufhaltsam. Sie wollte es auch. Mehr als alles andere.

„Ich komme gerade aus einer Beziehung“, hörte sie sich sagen, ohne zu ahnen, dass ihre grünen Augen ein wenig traurig dreinblickten. „Genau genommen war ich bis vor Kurzem verlobt. Ich bin nicht auf der Suche nach irgendetwas, du weißt schon, irgendetwas mehr als …“ Scheu wandte sie den Blick ab.

„Ich habe mit Beziehungen nichts am Hut“, erwiderte er leise. „Normalerweise auch nicht mit One-Night-Stands.“

Normalerweise.

Das Wort hing über ihnen wie eine Axt, deren Schneide jede Sekunde heruntersausen konnte. Hannah sah Leonidas wieder in die faszinierenden Augen. Er ließ die Hand, mit der er sie an sich presste, auf ihrer Wirbelsäule ein Stückchen emporwandern. In der Berührung lag etwas Besitzergreifendes, Fragendes, das ihre Erregung schürte.

„Ich auch nicht.“

Theos , dafür bin ich wirklich nicht hergekommen“, murmelte er.

In seiner Stimme schwang eine Machtlosigkeit mit, die Hannah berührte. Wäre sie nicht in diesem überwältigenden Verlangen versunken, hätte sie vielleicht nachgehakt. Darauf bestanden, dass er ihr erklärte, was er meinte. Doch ihr Begehren hatte die Oberhand gewonnen, deshalb legte sie einen Arm auf ihren Rücken und schlang die Finger um seine. „Ich ebenso wenig.“

Seine Augen glitzerten, als könnte er ihr geradewegs in die Seele schauen. „Eine einzige Nacht“, sagte er und zog sie mit sich. Geschickt bahnte er ihnen einen Weg durch die Gästeschar zu den Glastüren, die in das Hotelfoyer führten. Die Leute wichen zurück, um diesem Mann Platz zu machen, der so viel Stärke ausstrahlte.

Du machst eine Riesendummheit, und du wirst sie bereuen, warnte eine Stimme in Hannahs Kopf. Gleichzeitig kam es ihr vor, als würden ihr Herz und ihre Libido applaudieren.

Das Hotel verdiente die fünf Sterne wahrlich mit seinem Boden aus weißem Marmor, den goldfarbenen Säulen, die drei Stockwerke in die Höhe ragten, und den riesigen Kristallleuchtern. In einer Ecke des Foyers spielte ein renommierter Pianist auf einem polierten Konzertflügel.

Als sie sich den Fahrstühlen näherten, neigte ein Hotelpage in Livree respektvoll den Kopf. „Guten Abend, Sir. Madam.“ Mit seiner behandschuhten Rechten drückte er den Knopf, um einen Fahrstuhl zu holen, während Hannah schweigend neben dem Mann wartete, dem sie eben erst begegnet war. Wenige Sekunden später glitten die Aufzugtüren auseinander, und Leonidas ließ sie vorgehen.

Unwillkürlich hielt sie die Luft an. Was sie vorhatte, war so unerhört, dass ihr der Kopf schwirrte. Als sich leise Zweifel meldeten, schloss sie die Augen und rief sich Angus’ Gesicht in Erinnerung, gerötet vom Sex mit Michelle. Prompt war sie wild entschlossen.

Nicht, dass sie diese zusätzliche Motivation gebraucht hätte – ihr Verlangen reichte vollauf, doch auch Zorn war ein guter Antrieb.

„Du bist nicht mehr verlobt?“, vergewisserte Leonidas sich.

Der Aufzug begann mit der Fahrt nach oben, doch das war nicht der Grund, weshalb ihr Magen nach unten zu sacken schien. „Nein. Ich habe meinen Ex-Verlobten – alle Verwandten und Freunde – zurückgelassen. Weit weg.“

„Bist du wütend?“

„Nein.“ Sie war es, und gleichzeitig war sie es nicht. In erster Linie war sie verletzt. Erschüttert. Und falls Wut mit hineinspielte, dann richtete die sich vor allem gegen sie selbst. Weil sie so dämlich gewesen war, Angus zu glauben. Ihn zu mögen. So sehr dem Ideal einer perfekten Zukunft nachzuhängen, dass sie die Gegenwart außer Acht gelassen und sich nicht gefragt hatte, ob ihr Verlobter sie glücklich machte.

Geräuschlos öffneten sich die Fahrstuhltüren. Vor Hannah lag ein riesiges Wohnzimmer. Sie brauchte einen Moment, bis ihr klar wurde, dass dieser luxuriöse Ort die Penthouse-Suite sein musste.

„Wow“, stieß sie hervor. Hier sah es ebenso edel aus wie im Foyer – und noch dekadenter, weil man sich beim Einrichten nur am Geschmack eines einzigen Bewohners orientiert hatte. Blasse Farben dominierten – skandinavische Möbel in Cremetönen, Glas, Spiegel, Ausnahmen bildeten lediglich ein buntes Gemälde von Picasso und hohe Geigenfeigen mit dunkelgrünen Blättern in Kübeln.

Gläserne Schiebetüren führten zu einem Balkon, der einen spektakulären Fernblick auf Athen bot. Die antike Stadt schimmerte goldfarben und warm.

„Wunderschön“, murmelte Hannah.

Er nickte knapp, ging in die Küche und nahm eine Flasche Champagner aus dem Kühlschrank. Routiniert entkorkte er sie und füllte zwei Kristallflöten zur Hälfte. „Was führt dich nach Chrysá Vráchia, Hannah?“

Da war er wieder, der Klang ihres Namens aus seinem Munde. Als würde sein Akzent die beiden Silben küssen. Ihre Knie fühlten sich zittrig an. „Der Wunsch nach Veränderung. Und dich?“

Er verzog den Mund kaum wahrnehmbar, und in seine dunklen Augen trat ein merkwürdiger Ausdruck – einer, der tausend Fragen aufkommen ließ. „Routine. Ich komme jedes Jahr hierher.“

„Weshalb?“

Ohne zu antworten, trug er die Champagnerflöten durch den Wohnbereich und reichte Hannah eine.

Sie hatte den Eindruck, dass er mit sich selbst rang. Mit dieser Situation.

Und sie konnte es nicht nachvollziehen.

Wäre ihr eigenes Verlangen nicht übermächtig gewesen, hätte sie möglicherweise innegehalten und ihn gefragt, warum er sie dermaßen eindringlich ansah. Sie anstarrte, als könnte er ihre Seele entblößen.

„Gewohnheit“, meinte er nur und schluckte, sodass sich der Adamsapfel in seiner Kehle bewegte.

Hannah biss sich auf die Unterlippe. Als er den Blick auf ihren Mund senkte, wurde ihre Sehnsucht noch drängender, noch verzweifelter. Es war der helle Wahnsinn. Und absolut unausweichlich.

Draußen zuckte etwas Hellrotes am Himmel – leuchtend und prachtvoll, doch die beiden Menschen im Penthouse schauten nicht hin.

„Frohes neues Jahr“, sagte Hannah leise, unfähig, den Blick von Leonidas loszureißen.

Frohes neues Jahr? Er starrte die Frau an, die er in sein Penthouse gebracht hatte. Was zum Teufel war bloß in ihn gefahren? Seit vier Jahren machte er diese Pilgerreise. Um Amy seine Ehre zu erweisen. Um die Erinnerung an sie wachzuhalten.

Vier Jahre lang hatte er jeder begehrenswerten Frau widerstanden und den sexuellen Hunger seines Körpers ignoriert. Nur das, was er seiner Meinung nach Amy schuldete, war ihm wichtig gewesen.

Andererseits war keine andere Frau je mit ihm zusammengeprallt. Aus heiterem Himmel hatte sie ihn gerammt. Und in der Sekunde, in der er eine Hand um ihren Arm geschlossen hatte, damit sie nicht das Gleichgewicht verlor, hatte sich sein Körper verkrampft vor lauter Bedürfnissen, die er nicht länger verdrängen wollte.

Er hatte geschworen, den Rest seines Lebens allein zu verbringen. Enthaltsam.

Für immer Amys Ehemann.

Doch während bunte Farben am Sternenhimmel jenseits der Fenster seines Penthouse explodierten, veränderte sich etwas in ihm. Als würde ihn eine uralte unsichtbare Macht antreiben. Ihm in Erinnerung rufen, dass Trauer und Manneskraft koexistieren konnten. Dass er Sex mit einer Frau haben durfte, ohne Amy zu betrügen.

Er hatte sie geliebt, auch wenn die Ehe problematisch und keiner von ihnen besonders glücklich gewesen war. Sie war seine Ehefrau, und er hatte ihr versprochen, sein Leben lang nur sie in seinem Herzen zu tragen. Lag der Verrat also nicht vielmehr darin, einer anderen Frau so tiefe Gefühle entgegenzubringen?

Was hatte Sex damit zu tun?

Nein, er schuldete es Amy nicht, sich seine Libido zu versagen. Das war eine Strafe.

Die Strafe dafür, der Sohn eines Kriminellen zu sein. Leichtsinnig gewesen zu sein. Er hatte gedacht, er könnte Dion Stathakis den Rücken kehren und sein Leben führen, ohne dass die Sünden seines Vaters auf ihn zurückfielen und zerstörten, was er besaß.

Leonidas hatte sich selbst bestraft, weil er es verdiente, diesen beißenden Schmerz zu spüren, der sich einstellte, wenn er sich erotische Freuden verbot. Dieses ständige pochende Verlangen.

Und eigentlich sollte er sich auch weiterhin bestrafen.

Aber Hannah hatte etwas an sich, das seinen Vorsatz ins Schwanken brachte, sogar elementar bedrohte. Er glaubte nicht an Engel und Gespenster, an Märchen oder Mythen. Trotzdem kam es ihm in diesem Moment fast so vor, als wäre sie ihm geschickt worden, wie ein winziges Teilchen seiner Seele. Wie die Verheißung, dass er eine Nacht schwach sein durfte und morgen dann dazu zurückkehren konnte, sich selbst zu hassen.

Im Tageslicht, wenn wieder ein Jahreswechsel vorbei war, konnte er sein qualvolles Leben fortführen.

Doch in dieser Nacht – oder was von ihr noch übrig war – durfte er vergessen. Entschlossen nahm er Hannah die Champagnerflöte ab und stellte sie mit seiner eigenen auf den Tisch. Er wusste, dass es kein Zurück gab. Was in den kommenden Stunden passieren würde, konnte er nicht ändern.

„Frohes neues Jahr“, erwiderte er und beugte den Kopf. Offenbar überraschte er sie damit völlig, denn sie schnappte leicht nach Luft und öffnete die Lippen, sodass er mit der Zunge tief in ihren Mund eindringen konnte. Er spürte, wie ihr Körper reagierte, schmeckte ihr Verlangen und hieß es mit seinem eigenen willkommen.

Nur diese Nacht würde er ein Sklave dieser einzigartigen Anziehungskraft sein. Danach konnte alles wieder seinen gewohnten Gang gehen …

2. KAPITEL

Vielleicht hatte Hannah erwartet, dass Leonidas sie zärtlich küssen, ihren Mund langsam erforschen würde. Dies hier war jedoch kein bisschen zärtlich oder langsam. Es war ein leidenschaftlicher Kuss, der mit seiner Intensität den gesamten Raum zum Vibrieren zu bringen schien.

Sie stöhnte auf, die Lippen an seinen, während Lust in ihrem Körper emporloderte und das Kommando übernahm.

Dieser Kuss stellte alles in ihrem Leben auf den Kopf, rüttelte an seinen Grundfesten und verschob Grenzen. Sie klammerte sich an das Hemd des Mannes, dem sie eben erst begegnet war. Prompt küsste er sie noch ungestümer, verlangte mehr von ihr, ließ seine Zunge mit ihrer spielen und presste seine Gefährtin eng an sich.

Es war ein Kuss, der sie beide beherrschte – und dem Hannah sich vollständig hingab.

„Nur diese eine Nacht“, stellte er klar, ohne den Mund von ihrem zu lösen. In der nächsten Sekunde schlang er beide Arme fest um ihre Taille, hob Hannah hoch, setzte sich auf das Sofa und zog sie auf seinen Schoß. Ungeduldig schob er ihr Kleid höher und stöhnte frustriert, als er mit den Fingerspitzen auf ihren Baumwollslip stieß.

Dies war alles, was sie wollte – die Unverbindlichkeit, die perfekte Art und Weise, in der Leonidas sie verführte. Sie wollte keine Jungfrau mehr sein. Dreiundzwanzig Jahre alt zu sein und keine Ahnung von Sex zu haben … Das kam ihr lächerlich vor. Gleichzeitig sträubte sich alles in ihr gegen die Vorstellung, eine Beziehung einzugehen.

Sie würde nie wieder einem Mann vertrauen, nie Liebe wollen oder glauben, dass sie verliebt war. Und sie würde auch nie so töricht sein, sich selbst für liebenswert zu halten.

Aber Sex?

Das hier?

Das war Balsam für ihre Seele.

Sie ließ den Kopf in den Nacken sinken, während Leonidas ihr das Kleid auszog und zur Seite warf. Jetzt trug sie nur noch ihre Unterwäsche aus dünner Baumwolle, und es kümmerte sie nicht die Spur, dass dieser Mann, dem sie vor weniger als einer Stunde begegnet war, sie so sah.

Im Gegenteil: Sie fand es befreiend, sich dieser Stimmung – ihm – hinzugeben.

Bewusst war ihr das allerdings nicht, als er ihren BH aufhakte und achtlos zu Boden fallen ließ. Gleich darauf liebkoste er eine Brust mit der Zunge. Zunächst koste er sanft die pfirsichfarbene Haut um die Brustknospe herum, bis Hannah erregt bebte und die Oberschenkel um seine Hüften anspannte.

Jetzt schloss er die Lippen um die Brustspitze und begann an der zarten Haut zu saugen. Hannah glaubte, vor ihren Augen würden Sterne explodieren.

Sie fluchte, was sie sonst nie tat. Er reagierte darauf, indem er etwas auf Griechisch hervorstieß, ihr eine Hand zwischen die Beine schob und an der Hose seines Designeranzugs nestelte. Hastig öffnete er den Reißverschluss, machte den Knopf auf und zog die Hose aus, sodass sie spüren konnte, wie erregt er war.

Nun widmete Leonidas seine Aufmerksamkeit ihrer anderen Brust. Für die andere, überempfindlich durch seine Zärtlichkeiten, war die klimatisierte Luft wie ein Schock. Unwillkürlich bäumte Hannah sich auf.

Es war das Überwältigendste, was sie je erlebt hatte.

Dachte sie zumindest – bis er eine Hand unter das Bündchen ihres Slips schob und sie vorsichtig mit einer Fingerspitze erkundete. Erregt rief sie seinen Namen.

Er hielt inne, nur ganz kurz. Dann tastete er sich zu der empfindsamen Stelle vor, die er gesucht hatte, und reizte sie. Als Hannah vor Lust stöhnte, zog er den Finger zurück und blickte sie verwundert an. „Du bist so feucht.“

Das war sie, außerdem bebte sie am ganzen Leib. Verlangen überwältigte sie wie ein Stromschlag und drohte sie zu verzehren.

„Ich weiß“, keuchte sie, während er beide Hände auf das Bündchen ihres Slips legte und es fordernd nach unten schob. Sie richtete sich auf, damit er ihr auch das letzte Kleidungsstück ausziehen konnte, musste nackt sein, brauchte ihn direkt auf ihrer Haut.

Erfahrung besaß sie zwar keine, aber ihr Instinkt funktionierte einwandfrei, und der trieb sie schier in den Wahnsinn. Er befahl ihr, nicht passiv zu sein, sondern etwas zu tun, um diesen Mann zu fühlen. Sie stöhnte erneut auf, erhob sich zittrig von seinem Schoß und zeigte sich ihm nackt, wollte unbedingt alles erleben, was diese Nacht ihr bieten konnte. Es kam ihr vor, als wäre sie drauf und dran, den Verstand zu verlieren.

Sie streckte ihm eine Hand entgegen. Sofort stand er auf, schlang beide Arme um sie und zog sie eng an sich.

„Wer bist du?“, fragte er mit dem Mund an ihrem, obwohl die Frage gar keinen Sinn ergab.

„Hannah“, hauchte sie.

Er lachte und erwiderte mit rauer Stimme: „Ja. Aber was für eine Art Meerjungfrau, Engel oder Fee bist du, dass du herkommst und so etwas mit mir machst?“

Leidenschaftlich küsste sie ihn und forderte seine Zunge mit ihrer heraus, bis nur noch ihre und seine erregten Atemzüge die nächtliche Stille erfüllten.

„Leonidas“, stöhnte sie, als er ihr beide Hände unter den Po schob. In der nächsten Sekunde hob er sie hoch, schlang sich ihre Beine um die Hüfte und trug sie in sein riesiges Schlafzimmer mit Blick auf Athen. Das Licht knipste er nicht an; nur die bunten Farben des Silvesterfeuerwerks zuckten durch den Raum.

Sie zog so ungestüm an seinem Hemd, dass ein Knopf abriss und durch das Zimmer flog. Hannah fluchte leise und sah Leonidas entschuldigend an.

„Egal“, meinte er kopfschüttelnd und übernahm die Aufgabe, sich das Hemd auszuziehen.

Ihr Puls raste noch ein bisschen schneller, als sein breiter athletischer Oberkörper zum Vorschein kam. Sie wusste nicht, wie sie das überbordende Verlangen in ihrem Inneren noch länger aushalten sollte. „Wow“, entschlüpfte es ihr angesichts der Kraft, die dieser Mann ausstrahlte. Sie ertappte sich dabei, wie sie beide Hände hob und seine festen Bauchmuskeln mit den Fingerspitzen nachfuhr. „Du trainierst wohl viel?“

Da sie auf seinen Oberkörper starrte, entging ihr sein leichtes Lächeln. Und selbst wenn es ihr aufgefallen wäre, hätte sie nicht gewusst, wie selten es war. Sie strich mit den Handflächen über seine Brust und abwärts bis zu seinen Boxershorts. Mutig schob sie das Bündchen ein wenig nach unten, sah Leonidas in die Augen und zog die Unterlippe zwischen die Zähne, als er den Rest seiner Kleidung auszog.

Trotz ihrer nicht vorhandenen Erfahrung war Hannah weder ängstlich noch nervös. Nichts als Verlangen spürte sie, und dieses Verlangen breitete sich in ihrem Körper aus wie ein Lauffeuer, das sich von niemandem eindämmen ließ.

„Ich will dich“, sagte sie. In den drei kurzen Worten lagen so viel Wahrheit und Offenheit, dass es sie mit Ehrfurcht erfüllte. Was sie empfand, ging weit über das Bedürfnis hinaus, sich an Angus zu rächen. Mit ihrem Ex-Verlobten hatte es überhaupt nichts zu tun. Hannah dachte weder an ihn noch an irgendwen oder irgendetwas, als sie sich auf die Zehenspitzen stellte, um Leonidas auf den Mund zu küssen – erst neugierig und fragend, dann regelrecht verzweifelt.

Er erwiderte den Kuss und presste sie noch enger an sich. Lust flammte in ihnen auf, viel zu hoch, als dass sie sich jetzt noch hätten beherrschen können.

„Ich will das hier langsam angehen“, stöhnte er, vergrub beide Hände in ihren langen Haaren und schob sie ihr auf den Hinterkopf. Er machte einen Schritt nach vorn, sodass Hannah einen nach hinten machen musste und das Bett an den Rückseiten ihrer Unterschenkel spürte. Sie ließ sich auf die Matratze sinken und zog ihn mit sich. Sein starker Körper auf ihrem fühlte sich herrlich und verheißungsvoll an.

„Ich will es“, sagte sie. „Lass es nicht langsam angehen.“

Leonidas stützte sich auf die Ellenbogen, um ihr in die Augen zu schauen. In seinem Blick las sie Emotionen, die sie nicht einordnen konnte. Vielleicht lag es auch daran, dass ihre Auffassungsgabe von der Wucht ihrer Gefühle überrollt wurde. Verstand, Logik und Vernunft spielten jetzt keine Rolle mehr.

„Du weißt nicht, …“, begann er.

Hannah erstickte den Rest des Satzes mit einem leidenschaftlichen Kuss. Sie hatte es satt, geduldig zu sein. Ein Begehren wie dieses hatte sie nie zuvor erlebt, aber das hieß nicht, dass es sie einschüchterte. Im Gegenteil, sie wollte ihm unbedingt nachgeben. „Bitte“, wisperte sie mit den Lippen an seinen. „Schlaf mit mir.“

Ihre Worte brachten etwas in ihm zum Bersten, ähnlich wie das Feuerwerk jenseits der Fenster den Nachthimmel zerriss. Raketen explodierten, hell, glitzernd, heiß. Leonidas spreizte Hannahs Beine. Sie spürte die Spitze seiner Erektion am Zentrum ihrer Weiblichkeit und hielt die Luft an.

Sollte sie ihm gestehen, dass sie dies hier noch nie getan hatte? Doch dafür blieb keine Zeit. Er stieß in sie hinein, sie schnappte nach Luft, und er stockte. Im dunklen Zimmer wirkten seine Gesichtszüge harsch.

Theos , Hannah, war das … warst du …?“

„Hör nicht auf.“ Sie schüttelte den Kopf, doch Leonidas zog sich bereits zurück. Sein Körper war angespannt, und er blickte sie eindringlich an. „Bitte hör nicht auf“, wiederholte sie mit sinkendem Herzen. Erst jetzt merkte sie, wie viel ihr an der Bestätigung lag, begehrenswert zu sein. An der Gewissheit, dass jemand sich nicht mehr beherrschen konnte, weil er sie so sehr wollte.

Leise fluchend drehte er sich zum Nachttisch um und zog ein flaches viereckiges Päckchen aus der Schublade. „Nie, kein einziges Mal habe ich Verhütungsmittel vergessen“, sagte er mit einer Stimme, die vor lauter Lust belegt klang und Hoffnung in Hannah aufkeimen ließ.

Sie beobachtete, wie er das Kondom über seine Erektion streifte und sich ihr wieder zuwandte. Als sie seinen Körper erneut an ihrem spürte, machte die Vorfreude sie regelrecht benommen.

„Du hättest es mir sagen sollen.“ Er sagte es nicht vorwurfsvoll, sondern sanft. Fragend. Als wollte er sich vergewissern, dass sie okay war.

„Ich wusste nicht, wie.“

„Vielleicht so: Ich bin Jungfrau.“

Trotz des Verlangens, das sich kaum noch bändigen ließ, musste sie lachen. „Ich war Jungfrau.“

„Du bist sicher, dass du dies hier willst?“

Sie nickte und legte ihm beide Hände an die Wangen. „Bitte.“

Ein harter Zug erschien um seinen Mund, als würde er mit den Zähnen knirschen. „Was ich gesagt habe, meine ich ernst, Hannah. Eine Nacht. Mehr nicht.“

„Ich weiß.“ Wieder nickte sie. Die Situation, vor der sie geflohen war, ihr desolates Privatleben … Das Letzte, was sie wollte, waren Komplikationen durch mehr als eine Nacht.

Damit hatte sie ihm die Freiheit gegeben, die er brauchte. Das bekräftigt, was er unbedingt wissen musste. Wieder drang er in sie ein, behutsam diesmal, langsam, um ihr Zeit zu lassen, sich an ihn zu gewöhnen. Ihrem unerfahrenen Körper die Chance zu geben, mit dieser erotischen Invasion umzugehen. Sie sollte ihn spüren und erregt sein, bevor er mehr von ihr nahm – so viel, dass sie schließlich wieder und wieder seinen Namen rief, ihm einen ganz eigenen Klang verlieh, während sie vor Ekstase kaum noch Luft bekam.

Leonidas küsste sie auf den Mund, auf die Wangen und die empfindliche Haut in ihrer Nackenbeuge. Mit der Zungenspitze streifte er eine pulsierende Ader, ließ die Hände über Hannahs Körper gleiten, erforschte jeden Zentimeter von ihr und verweilte dort, wo sie am lautesten auf seine Zärtlichkeiten reagierte. Geschickt verwöhnte er ihre Brüste und unterzog ihre Knospen mit den Fingern einer exquisiten Folter.

Es war himmlisch.

Lust baute sich in Hannah auf wie eine Spirale, die man enger und immer enger zog. Sie krallte ihre Fingernägel in seinen Rücken und stöhnte leise, als die Spannung so gewaltig wurde, dass sie jeden Moment explodieren musste. Sie bäumte sich auf und drehte den Kopf zur Seite. Während draußen das Silvesterfeuerwerk seinen Höhepunkt erreichte, rauschte ihr eigener heran. Instinktiv schob sie das Becken vor, eine stumme Aufforderung an Leonidas. Er hielt sie mit beiden Händen fest, verlieh ihr Sicherheit, damit sie sich ganz dem unausweichlichen, unbeschreiblichen Vergnügen ihres Orgasmus hingeben konnte.

Der rauschte ebenso intensiv wie schnell heran, verschlug ihr den Atem und raubte ihr jegliche Selbstbeherrschung. Vor ihren Augen schienen Lichter zu funkeln, und sie hatte einen metallenen Geschmack im Mund. Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als sie sich wie berauscht von dem, was sie eben erlebt hatte, auf die Ellenbogen stützte und Leonidas anstarrte.

Dabei war es noch nicht einmal annähernd vorbei.

Er stemmte sich auf die Handflächen und beobachtete, wie Hannahs Miene sich veränderte. Erneut begann er, sich zu bewegen. Mit seinem Körper weckte er lustvolle Empfindungen in ihr, die sie sich in dieser Intensität nie ausgemalt hatte. Am liebsten hätte sie geweint.

Allerdings ahnte sie, dass es eine schlechte Idee gewesen wäre, die Tränen zuzulassen. Obwohl Leonidas sie vor Lust beinahe verrückt machte, wollte sie ihm nicht zeigen, wie sehr er sie verändert hatte und wie viel ihr das hier bedeutete.

Auf einmal fühlte sie sich mächtig, auf eine Weise, die sie nicht in Worte hätte fassen können. Was in ihr vorging, brauchte sie auch gar nicht auszusprechen. Sie spürte es, und das reichte vollauf.

Angus hatte ihr das Gefühl gegeben, kostbar zu sein. Wie ein Kunstobjekt. Das war nett gewesen. Besser, als sich wie eine unerwünschte Last vorzukommen – so hatte sie nach dem Tod ihrer Eltern einen Großteil der Kindheit verbracht. Aber Angus hatte sie nie angeschaut, als müsste er sterben, wenn er sie nicht küssen dürfte. Oder als würde ihm die Anziehungskraft zwischen ihnen den Verstand rauben.

Leonidas tat genau das.

Er bewegte sich in ihr und schaute ihr eindringlich in die Augen. Ihr kam es vor, als würde ein Strom der Empfindungen von ihm zu ihr fließen. Doch es lohnte sich nicht, diese zu analysieren, schließlich ging es hier nur um eine einzige Nacht. Eine vergängliche, flüchtige, kurze Nacht – eine winzige Auszeit.

Leonidas saß auf der Bettkante, den Kopf in die Hände gestützt, und starrte auf den Boden zwischen seinen Füßen. Der Morgen dämmerte. Er hörte Hannahs regelmäßige Atemzüge, leise und irgendwie süß. Obwohl: süß? Wie bitte schön konnten Atemzüge süß sein? Grimmig drehte er sich zu der Frau um, mit der er die letzten Stunden verbracht hatte.

Er wusste nicht, wie sie das Kunststück fertigbrachte, aber ihre Atemzüge waren in der Tat süß.

Sie war süß.

Und sie war unschuldig gewesen.

Er fluchte stumm, stand auf und zog seine Boxershorts an. Fassungslos betrachtete er Hannah. Was zur Hölle war in ihn gefahren? Vier Jahre Enthaltsamkeit, und dann war plötzlich alles anders, weil dieser schöne Rotschopf mit ihm zusammengeprallt war?

Dabei ging es weder um die roten Haare noch um die flüchtige Ähnlichkeit mit Amy. Die wären eher ein Grund für ihn gewesen, auf Abstand zu bleiben. Nein, etwas anderes hatte den Ausschlag gegeben: Er war sexuell ausgehungert gewesen. Nachvollziehbar, fand er, schließlich hatte er sich dieses körperliche Vergnügen so lange vorenthalten. Aber, theos , eine Jungfrau?

Das hatte er nicht gewollt! Bedeutungslosen Sex ohne Komplikationen hatte er gewollt. Ein schnelles Schäferstündchen, um seine Trauer auszulöschen. Um sich in Erinnerung zu rufen, dass er lebendig war, ein Mann aus Fleisch und Blut.

Stattdessen hatte er einer jungen Frau die Unschuld genommen. Er war ihr erster Mann gewesen.

Ungläubig schaute er die schlafende Hannah an. Ihre sanften Atemzüge, die Lippen, die sogar jetzt lächelten …

Er würde immer ihr erster Mann bleiben. Egal, was geschah und mit wem sie in Zukunft noch Sex hatte.

Es war nicht bedeutungslos, konnte es niemals sein. Gott sei Dank hatte er daran gedacht, zu verhüten. Jede Wette, sie benutzte kein Verhütungsmittel – warum sollte sie auch? Er konnte sich nichts Schlimmeres vorstellen als die Konsequenz, die eine Nacht der ungeplanten sexuellen Freuden haben konnte.

Und es war eine Nacht der Freuden, dachte er, während erneut heißes Verlangen in ihm erwachte. Trotz ihrer Unerfahrenheit hatte Hannah sich perfekt auf ihn eingestellt und jeden Impuls seines Körpers mit ihrem eigenen beantwortet. Ihre ungehemmte Neugierde war zum Verrücktwerden. Mit Lippen und Zunge hatte sie seine Haut erkundet. Ihn schmecken wollen. Herausfinden wollen, was ihm gefiel. Und dann hatte sie ihn gebeten, ihr zu sagen, was er brauchte …

Leonidas stöhnte, leise zwar, doch sie rührte sich leicht. Das Laken rutschte tiefer und entblößte ihre festen Brüste.

Prompt drängte seine pochende Erektion massiver gegen die Boxershorts. Er wich einen Schritt vom Bett zurück.

Eine einzige Nacht. Jetzt war der Tag angebrochen. Dies ist nicht mein Leben, erkannte Leonidas.

Hannah war ein Ausrutscher. Ein Fehler.

Er musste gehen. Vergessen, was geschehen war. Und er konnte nur hoffen, dass sie es auch tat.

Langsam wachte Hannah auf. Ihr Körper fühlte sich herrlich an. Muskeln, die sie nie zuvor wahrgenommen hatte, machten sich bemerkbar, als sie sich auf die Seite rollte.

Ein Meisterwerk des Malers Di Cavalcanti hing an der gegenüberliegenden Wand. Das Morgenlicht tauchte die Farben in ein sanftes Gold, von dem Hannah wusste, dass die Klippen dieser traumhaften Insel es widerspiegeln würden.

Doch weder Gemälde noch Klippen wollte sie jetzt sehen.

Sie drehte sich um und hielt nach Leonidas Ausschau. Er war fort.

Als sie den Arm ausstreckte, stellte sie fest, dass die Laken kühl waren. Ihr Magen knurrte. Sie setzte sich auf und hielt sich den Handrücken vor den Mund, weil sie gähnen musste. Wann waren sie eigentlich eingeschlafen? Sie wusste es nicht.

Lächelnd stand sie auf, wickelte das Bettlaken wie eine Toga um sich und ging durch das Penthouse.

„Leonidas?“ Die gläsernen Balkontüren standen offen. Hannah trat hinaus. Der Blick war zauberhaft.

Keine Spur von ihrem sexy Griechen.

Sie machte auf dem Absatz kehrt und ging wieder in den Wohnbereich. Da sah sie es.

Eine Nachricht.

Mit einem Schlag erhielt sie zahllose Informationen, dass es ihr schwerfiel, einen klaren Gedanken zu fassen.

Dieses Blatt stammte nicht von einem gewöhnlichen Hotel-Notizblock. Oben prangte zwar das Emblem des Hotels, doch unten stand in Prägedruck der Name Leonidas Stathakis.

Ihr Herz schlug schneller. Sie wusste wenig über die Gebrüder Stathakis, war nicht vertraut mit Menschen aus deren Kreisen, aber zweifellos hatte jeder schon mal von den beiden gehört. Zwei der reichsten Männer der Welt. Und dann gab es da noch etwas – Bruchstücke, die Hannah gehört oder gelesen, aber nicht weiter beachtet hatte, weil ihr alles so weit weg erschien. Verbrechen? Mafia? Mord? Waren die Gebrüder Stathakis darin verwickelt?

Sie schluckte, fuhr mit einer Fingerkuppe über den geprägten Namenszug, schloss die Augen und sah Leonidas vor sich. Wie er am Vorabend so dicht vor ihr gestanden hatte und es ihr vorgekommen war, als könnten sie einander in die Seelen schauen.

Jetzt raste ihr Puls. Sie schlug die grünen Augen wieder auf und schaute sich den Zettel genauer an. Eigentlich rechnete sie mit der kurzen Erklärung, Leonidas hole gerade Frühstück oder sei im Fitnessstudio – solche Muskeln bildeten sich nicht von selbst.

Was sie nicht erwartet hatte, war die Förmlichkeit und Endgültigkeit der wenigen Zeilen.

Hannah

Es hätte nicht passieren dürfen. Bitte vergiss es. Bleibe so lange im Penthouse, wie du möchtest.

Leonidas

Sie las die Nachricht mindestens ein Dutzend Mal. Als sie die Kaffeemaschine einschaltete, zitterten ihre Finger. Empörung oder Wut – sie wusste nicht, was stärker war.

Es hätte nicht passieren dürfen.

Weil sie seinen Erwartungen nicht gerecht geworden war? Sich als untauglich erwiesen hatte?

War das Verlangen, das sie empfunden hatte, womöglich nur einseitig gewesen? Angus, ihr Ex-Verlobter, hatte problemlos auf Sex mit ihr verzichten können, aber hinter ihrem Rücken mit einer anderen Frau geschlafen.

War ich eine Enttäuschung?

Sie fühlte sich zutiefst gekränkt. Gleichzeitig weigerte sich ihr Herz, es zu glauben.

Fast ihr ganzes Leben hatte sie nach Chrysá Vráchia reisen wollen, und jetzt konnte sie das Eiland gar nicht schnell genug verlassen.

3. KAPITEL

Eine Woche nach seiner Abreise von der Insel wachte Leonidas schweißgebadet auf. Desorientiert sah er sich um, während ihm das Herz gegen die Rippen hämmerte.

Hannah.

Er hatte von jener Frau geträumt, der er auf Chrysá Vráchia begegnet war. Davon, mit ihr zu schlafen. Sein Körper war völlig verkrampft. Ächzend senkte er den Kopf auf das Kissen, schloss die Augen und zwang sich, langsam zu atmen. An Amy zu denken.

Übelkeit stieg in ihm hoch. Er würde seine Ehefrau nie vergessen. Doch in den wenigen Momenten, als er sich in Hannah verloren, sie entjungfert, ganz und gar in Besitz genommen hatte, da hatte er sich …

Wie er selbst hatte er sich gefühlt.

Zum ersten Mal seit vielen Jahren frei von diesem Fluch, dieser Schuld, diesem ständigen Kummer.

Für eine kurze Weile hatte er seine Trauer überwunden.

Er fluchte, weil sich sein Herzschlag nicht verlangsamte, schlug das Laken zurück und ging in die Küche seines Penthouse in Hongkong. Dort schaltete er die Kaffeemaschine ein und schaute von dunklen Vorahnungen gequält zu, wie die Flüssigkeit in die Tasse rann.

„Soll ich mit ihm reden?“ Leonidas bemühte sich um einen sachlichen Ton. In dem Monat seit seinem Abflug aus Chrysá Vráchia war er immer angespannter geworden, und nichts schien das ändern zu können. Es sind Schuldgefühle, wusste er. Weil er sein Versprechen gegenüber Amy – und auch gegenüber sich selbst – gebrochen hatte. Dass er nach ihrem Tod nie wieder mit einer Frau intim sein würde.

Die Limousine glitt durch die beleuchteten Straßen Roms.

„Ja, klar“, antwortete sein jüngerer Bruder, Thanos, sarkastisch. „Kosta Carinedes wird einen Blick auf dich werfen und Dad sehen. Sorry.“

Leonidas verzog das Gesicht. Er wusste, dass er äußerlich seinem Vater ähnelte. „Wie wirst du ihn denn dazu bringen, dass er verkauft?“

„Er will verkaufen.“ Thanos beobachtete ein paar hübsche Frauen in knappen Shorts und Trägertops, als die Limousine an einer Ecke stoppen musste. „Bloß nicht an uns.“

„Wegen Dion?“

„Wegen unseres Nachnamens. Und weil ich – Zitat – ein ‚sexbesessener Junggeselle‘ bin.“

Trotz seiner schlechten Laune musste Leonidas lachen. „Damit hat er den Nagel auf den Kopf getroffen.“

Thanos grinste. „Hey, ich finde es nicht verkehrt, sexbesessen zu sein. Nicht jeder kann wie du das Leben eines Heiligen führen.“

Leonidas verzog angewidert das Gesicht. Er war viel eher Sünder als Heiliger, hatte aber nicht die Absicht, Thanos von seinem Ausrutscher zu erzählen. „Biete ihm mehr Geld“, schlug er vor.

„Um Geld geht es nicht. Sein Unternehmen ist das Vermächtnis seiner Großeltern. Sie haben es auf ‚Liebe‘ gegründet“, spöttelte Thanos. „Und er wird es nicht an jemanden verkaufen, der ständig in den Schlagzeilen der Klatschzeitungen steht.“

Leonidas zuckte die Schultern. „Dann lass es.“

„Du machst Witze, oder? Habe ich dir etwa nicht gesagt, wie viel mir dieser Deal bedeutet? Wer der andere potenzielle Käufer ist?“

„Doch. Luca Monato. Ich weiß, dass ihr euch hasst, aber es ist doch bloß eine Firma. Überlass sie ihm, kauf das Konkurrenzunternehmen und richte ihn zugrunde. Das wäre viel befriedigender.“

„Vielleicht passiert genau das, aber im Moment ist es zu früh dafür.“

„Was kannst du denn noch tun? Ich wiederhole mich ungern, aber Kosta hat recht: Du bist ein Schürzenjäger.“

Thanos lachte. „Und ich bin stolz darauf. Du könntest dir ein Beispiel an mir nehmen. Warum machst du das eigentlich nicht? Ich kenne etliche Frauen, die dir gefallen würden. Warum rufst du nicht eine von ihnen an? Geh mit ihr essen und danach in deine Wohnung …“

Leonidas blickte aus dem Fenster auf das abendliche Rom. Er dachte an Hannah. Sofort spannte sich sein Körper an, und in seiner Brust schien sich Säure auszubreiten. „Nein.“

„Du kannst nicht den Rest deiner Tage so leben“, beharrte sein jüngerer Bruder, auf einmal ernst. Nur wenige Menschen durften mit Leonidas Klartext reden. Thanos gehörte dazu. Gemeinsam hatten sie den finanziellen Ruin durchgestanden, den Dion verursacht hatte, den Verlust des guten Namens der Familie. Seite an Seite hatten sie ein neues, noch größeres Vermögen erarbeitet.

Sie waren Halbbrüder und wie Zwillinge aufgewachsen, seit Thanos’ Mutter ihren damals achtjährigen Sohn vor Dions Haustür zurückgelassen hatte. Die beiden Männer verstanden sich blind. Leonidas war nur drei Monate älter.

„Was würdest du machen?“ Er klang verzweifelt.

„Ich weiß nicht. Amy fehlt dir, das verstehe ich. Was ihr und Brax zugestoßen ist – am liebsten würde ich Dion in seiner Zelle erwürgen, weil er dir das angetan hat. Aber du kannst Amy nicht helfen, indem du dich ständig kasteist. Denkst du, sie hätte sich das für dich gewünscht?“

Sein Bruder schloss die dunklen Augen. Er verabscheute sich selbst so sehr, dass er es kaum ertrug. „Nicht. Erzähl mir nichts von Amys Wünschen.“

„Sie hat dich geliebt. Sie würde wollen, dass du dein Leben so lebst, wie du es früher getan hast. Glücklich. Erfüllt.“

„Glaubst du, ich verdiene das?“

„Es waren die Verbrechen unseres Vaters, die sie umgebracht haben. Nicht deine.“

„Aber wäre sie mir nicht begegnet …“

„Es ist vier Jahre her“, erwiderte Thanos leise. „Du hast getrauert und beide in Ehren gehalten. Jetzt ist es Zeit, nach vorn zu blicken.“

Leonidas schüttelte den Kopf. Sein Aufenthalt auf Chrysá Vráchia hatte ihn eines gelehrt: Diese Zeit würde nie kommen. Er hatte Amy während der Ehe in vielerlei Hinsicht enttäuscht. Das würde er nie mehr tun.

„Ein Sandwich mit Thunfisch, bitte“, sagte Hannah zum Verkäufer hinter dem Tresen. Die appetitlich dekorierten Speisen lösten eine seltsame Abneigung in ihr aus. Seit vier Monaten arbeitete sie nun als Schwangerschaftsvertretung im Sekretariat eines Londoner Anwalts, und ihren Lunch kaufte sie fast täglich in diesem Laden.

Sie bezahlte ihren Kaffee, ihr Sandwich, eins mit Hähnchen für ihren Chef, und hastete zur Kanzlei zurück. Vor dem Aufzug musste sie warten, unterdrückte ein Gähnen und nippte am Kaffee. Kaum hatte sie geschluckt, drehte sich ihr der Magen um.

„Toll“, seufzte sie und warf den Becher in einen Mülleimer. Saure Milch. Auch das noch.

Als sie am Schreibtisch saß und ihr Sandwich auspackte, wurde ihr speiübel. Sie wartete kurz, biss vorsichtig ein Stückchen ab – und erreichte die Toilette gerade noch rechtzeitig.

Infekt? Lebensmittelvergiftung? Über die Toilettenschüssel gebeugt, dachte sie nach. Jäh schossen ihr Daten durch den Kopf. Daten aus mehreren Monaten, in denen ihre Periode ausgeblieben war.

Als sie sich aufrichtete, war ihre Haut klamm. Geschockt starrte sie auf die gekachelte Wand.

Ausgeschlossen.

Schwanger konnte sie unmöglich sein. Sie fuhr sich mit einer Hand über den nach wie vor flachen Bauch. Am Wochenende hatten sich die Jeans enger als sonst angefühlt, aber das hatte sie auf ihre sitzende Tätigkeit geschoben.

Was, wenn ihr Bauch dicker wurde, weil sie das Baby von Leonidas Stathakis erwartete?

Hannah schnappte nach Luft, stieß die Kabinentür auf und stellte sich vor das Waschbecken. Eisiges Wasser lief ihr über die Finger, während sie ihr Spiegelbild anstarrte.

Das konnte doch nicht sein? Bestimmt waren es nur Zufälle. Sie hatte sich den Magen verdorben, und zugenommen hatte sie, weil sie zwölf Stunden täglich an einem Schreibtisch verbrachte. Deshalb fühlte sie sich in letzter Zeit auch so erschöpft.

Genau.

Als sie deutlich später das Büro verließ und sich noch immer elend fühlte, schlüpfte sie in eine Apotheke um die Ecke von der Wohnung in Earl’s Court, in der sie ein Zimmer gemietet hatte.

Sie würde einen Schwangerschaftstest machen – eine reine Vorsichtsmaßnahme.

Zu Hause schloss sie sich im Bad ein, las den Beipackzettel durch und folgte den Anweisungen Wort für Wort. Dann stellte sie den Wecker auf ihrem Handy, damit sie wusste, wann zwei Minuten um waren.

Den Wecker brauchte sie allerdings nicht.

Nach gerade mal zwanzig Sekunden erschien eine zweite Linie.

Eine kräftige pinkfarbene Linie, die bewies, dass sie schwanger war.

Sie erwartete ein Baby von Leonidas.

„Du liebe Güte.“ Hannah sank auf den Toilettendeckel, legte sich eine Hand auf den Bauch und schloss die Augen. Ebenso ungebeten wie unwillkommen stieg das Bild des verwegenen Griechen vor ihr auf. Genau wie in ihren Träumen war er nackt. Sein starker Körper mit dem schönen Gesicht ganz dicht vor ihrem …

Es hätte nicht passieren dürfen. Obwohl sie seinen Zettel in tausend Stücke gerissen und diese in seinem Penthouse zurückgelassen hatte, war der Satz in ihr Gedächtnis eingebrannt.

Tja, ungeachtet seines Bedauerns und der Kränkung, dass er sie nicht genügend respektiert hatte, um es ihr ins Gesicht zu sagen, würde sie ihn wiedersehen müssen.

Ihr blieb keine Wahl. Sie musste sich dieser Tatsache stellen und ihn informieren.

Und sie würde es auch tun – wenn sie dazu bereit war.

Hannah blickte auf den Zettel in ihrer Hand und schaute sich mit gerunzelter Stirn im Jachthafen um.

Hier fand gerade die Capri Sailing Week statt. Es wimmelte von Menschen. Superjachten reihten sich aneinander wie Schwäne, anmutig und prachtvoll in der Abendsonne.

Dank ihrer Internetrecherche wusste sie, dass Stathakis Corp sich mit einem Boot an diesem Event beteiligte. Auch, dass Leonidas und sein Bruder jedes Jahr auf ihrer eigenen Superjacht herkamen. Fotos hatten ihr einen sonnengebräunten Leonidas gezeigt, der entspannt an Deck lag.

Diese Bilder hatte sie zügig weggeklickt.

Sie riss sich nicht darum, ihn zu sehen. Nicht so.

Was sie vorhatte, sollte zügig über die Bühne gehen. So, als wenn man ein Pflaster abriss. Sie würde ihm sagen, dass sie schwanger war. Wobei sie nicht wirklich Worte brauchte, denn inzwischen war sie gut fünf Monate – und nun auch ziemlich offensichtlich – schwanger.

Die Versuchung war groß gewesen, ihn telefonisch zu informieren und es dabei zu belassen. Immerhin hatte er für sie nur einen Zettel hinterlegt, statt mutig zu sein und ihr am Morgen danach in die Augen zu sehen.

Aber ein Telefonat wäre feige gewesen, und sie war nicht feige. Leonidas und sie bekamen ein Baby. Sie konnte die Folgen der gemeinsamen Nacht ebenso wenig ignorieren wie er.

Er hatte jene Nacht bereut. Sich gewünscht, sie wäre nie passiert. Hannah verächtlich und respektlos behandelt. Hinausgeschlichen war er, mitten in der Nacht! Dabei hätte sie ihn gar nicht um mehr angebettelt. Sie hatten schließlich vereinbart, dass es bei einer einzigen Nacht bleiben sollte. Das war das Salz in ihrer Wunde: Er war verschwunden, ohne sich auch nur die Mühe zu machen, sich zu verabschieden.

Autor

Clare Connelly
<p>Clare Connelly liebt Liebesromane – von Jane Austen bis E L James. Nachdem sie lange erfolgreich Selfpublisherin war, ging 2017 ihr Traum in Erfüllung, als ihr erstes Buch bei einem Verlag erschien. Seitdem ist sie nicht mehr zu stoppen. Clare liest und schreibt leidenschaftlich gerne, und lebt in einem kleinen...
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