Prinzessin nur für eine Nacht?

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Dante Andretti steht vor der Tür ihres Hotels, und auf einmal glaubt Natasha an Märchen: Er sieht unglaublich gut aus, und seine Küsse schmecken süßer als wilder Honig. Sie träumt von einem Leben an seiner Seite, doch plötzlich zeigt ihr der Prinz nur noch die kalte Schulter!


  • Erscheinungstag 10.12.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751521109
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Ich will einen Kasten Mineralwasser, eine Riesenportion scharfer Pommes und eine dreifache Portion Schoko-Bananeneis. Und ein bisschen plötzlich, wenn ich bitten darf!“

Verärgert blickte Natasha Telford Australiens jüngstem Popstar nach, der ihr die Bestellung auf dem Weg zum Fahrstuhl zugerufen hatte. Unauffällig drückte sie einige Male den Antistressball unter dem Empfangstresen und wünschte, sie könnte das modisch zerrissene T-Shirt des Nachwuchstalents mit weiteren Rissen versehen.

Es war ihr ein Rätsel, wie es dem alten Harvey gelang, stets gelassen zu bleiben.

Sie war praktisch im Telford Towers aufgewachsen und hatte den Posten des Empfangschefs für den glamourösesten Job überhaupt gehalten. Doch das hatte sich schlagartig geändert, denn seit einigen Tagen vertrat sie Harvey, der sich einer Hüftoperation unterziehen musste. Natürlich war es kein Problem, höflichen Touristen zu erklären, wie sie am besten zu Melbournes Sehenswürdigkeiten gelangten. Aber die rüden, anspruchsvollen Promis, insbesondere junge Punks, die noch grün hinter den Ohren waren, hätte sie am liebsten durchgeschüttelt – selbstverständlich höflich lächelnd!

Zu den Prominenten gehörte auch der Fürst von Calida, der jede Minute eintreffen musste. Prüfend ließ Natascha den Blick über die Lobby gleiten, um sich zu vergewissern, dass alles in Ordnung war. Der eingebildete kleine Schnösel, der sich für einen Popstar hielt, konnte auf sein Eis warten. Dante Andretti hatte absoluten Vorrang. Seine Krönung zum Herrscher über ein kleines Fürstentum vor der Westküste Italiens stand unmittelbar bevor, wenn man den Informationen Glauben schenken konnte, die sie im Internet über ihn gefunden hatte.

Die Hotelhalle machte einen makellosen Eindruck. Der Marmorboden glänzte mit den Messingbeschlägen des Empfangstresens um die Wette. Die schokobraunen Sofas wirkten einladend, und die antiken Lampen und geschmackvollen Blumenarrangements verliehen der Lobby einen Hauch unaufdringlicher Eleganz.

Natasha lächelte zufrieden. Sie war stolz auf Telford Towers, und sie war entschlossen, alles dafür zu tun, dass das Hotel im Familienbesitz bliebe.

„Wann wird Seine Hochwohlgeboren denn erwartet?“

Lachend wandte Natasha sich um, als sie Ellas Stimme hinter sich hörte. Ella Worchester war ihre beste Freundin.

„Nun mach dich doch nicht über ihn lustig, bevor er überhaupt hier ist. Wahrscheinlich ist er sogar ganz nett.“ Nervös ordnete sie einen Stapel Stadtpläne, Theatertickets und Broschüren für Touristen – mindestens zum hundertsten Mal.

Ella verdrehte die Augen und schob ihre mit Tinte befleckten Hände in die Taschen ihrer Jeans. „Klar, er ist ja ein waschechter Fürst.“

Natasha überhörte den sarkastischen Kommentar ihrer Freundin. Ella meinte es nicht so. Der Fürst kam ihr wie gerufen, besser gesagt, wie gerufen für das Hotel.

„Hast du viel über ihn in Erfahrung bringen können?“

Leider nicht, und das beunruhigte sie. Normalerweise wusste sie alles über die Prominenten, die im Telford Towers abstiegen. Schließlich gehörte das zu ihrem Job. In diesem Fall war es sogar noch wichtiger, alle verfügbaren Informationen einzuholen.

„Mir stand nur das Internet zur Verfügung. Viel habe ich nicht über ihn gefunden. Hauptsächlich standen da geografische Angaben zu Calida. Über die Fürstenfamilie habe ich kaum etwas erfahren.“

„Sieht er gut aus?“ Ella stellte sich aufreizend in Positur.

Natasha lachte amüsiert. „Keine Ahnung. Das Foto auf der Website war zu klein und unscharf.“

„Na, ob ich dir das glauben soll?“, fragte Ella neckend, was bei Natasha einen weiteren Heiterkeitsausbruch auslöste.

„Ach, Ella, du bist wirklich zu komisch. Das Foto zeigte einen ernsten Mann in irgendeiner Galauniform. Sehr humorvoll wirkte er jedenfalls nicht. Bist du nun zufrieden?“

Eins war ihr auf dem Bild allerdings doch aufgefallen: Der Fürst hatte wunderschöne blaue Augen. Und die Augen waren doch der Spiegel der Seele, oder?

Zu dumm, dass sie bei Clay nicht so genau darauf geachtet hatte. Ihrer Familie und ihr wäre einiges erspart geblieben. Durch ihren raffgierigen Ex-Freund hätten sie fast alles verloren, was ihnen wichtig war.

„Lass dich bloß nicht von ihm herumscheuchen, Natasha. Schließlich machst du nur Vertretung für Harvey und brauchst dir nichts gefallen zu lassen. Auch nicht von einem Fürsten.“

Beruhigend drückte sie Ellas Hand. „Der Fürst ist ein wichtiger Gast für unser Hotel und wird mit Respekt und Diskretion behandelt, so wie jeder andere Hotelgast auch.“

„Das brauchst du mir nicht zu erklären. Ich habe es schon tausendmal gehört.“ Lächelnd stoppte Ella den Redefluss ihrer Freundin. „Jetzt musst du mich leider entschuldigen. Ich muss vor der Mittagspause noch eine Kolumne für meine Gartenrubrik schreiben und einige botanische Zeichnungen anfertigen.“

„Aber wir treffen uns doch auf einen Kaffee im Trevi, oder?“

„Klar. Heute Nachmittag um fünf, wie immer.“ Ella winkte fröhlich und eilte davon.

Natasha sah ihrer schlanken, großen, ganz in Jeans gekleideten Freundin nach. Ihr kastanienbrauner Bob hüpfte bei jedem Schritt. Sie bewunderte ihre schier grenzenlose Energie. Denn sie selbst fühlte sich in letzter Zeit leider sehr gestresst.

Nach einem Blick auf die gold- und silberfarbene Armbanduhr, die sie von ihrem Vater zum einundzwanzigsten Geburtstag geschenkt bekommen hatte – bevor die Familie in finanzielle Schwierigkeiten geraten war –, überlegte sie, wieso der Fürst sich wohl verspätete. Normalerweise wurde der Zeitplan bei VIP-Besuchen bis auf die Minute eingehalten. Und Adelige achteten sogar ganz besonders auf Pünktlichkeit.

Insbesondere ein Fürst, der keinen Spaß verstand, wenn man dem unscharfen Bild im Internet Glauben schenken wollte.

In diesem Moment knatterte eine blitzblank polierte schwarze Harley-Davidson heran und hielt direkt vor dem Hoteleingang. Hoffentlich ließ Alan, der Türsteher, die Maschine so schnell wie möglich in der Tiefgarage verschwinden. Womöglich gewann der Fürst, der ja nun wirklich jede Minute eintreffen musste, sonst einen völlig falschen Eindruck von dem Hotel.

Nervös schob Natasha erneut die Hotelprospekte hin und her. Als sie aufsah, betrat der Motorradfahrer die Lobby.

Gebannt beobachtete sie ihn.

Der Mann wirkte verwegen – groß, breitschultrig, lange Beine, welliges schwarzes Haar, das vom Helm verwuselt war. Sein Körperbau schien perfekt. Unauffällig ließ Natasha den Blick über das graue Baumwollhemd und die engen Jeans gleiten, atmete tief durch, schloss kurz die Augen und versuchte, sich zusammenzureißen.

Es sah ihr gar nicht ähnlich, Hotelgäste anzustarren, selbst wenn sie so unverschämt attraktiv aussahen wie dieser Traummann. Als sie sich wieder gefasst hatte, schlug sie die Augen auf und fragte sich erneut, wo, um alles in der Welt, der Fürst blieb. Bis zu seiner Ankunft musste sie sich wohl tatsächlich um diesen verwegenen Kerl kümmern. Gerade wollte sie ihn mit ihrem verführerischsten Tonfall fragen, ob sie ihm irgendwie behilflich sein könnte, als er ihr zuvorkam.

„Ich benötige Ihre Hilfe.“

Natasha zog die Manschette über ihre Armbanduhr. Es ging schließlich wirklich nicht, dass sie alle fünf Sekunden auf die Uhr sah! Dann setzte sie ein geschäftsmäßiges Lächeln auf. Doch es gefror ihr auf den Lippen, als sie in die strahlend blauen Augen des Motorradfahrers blickte.

Sie hatten die aquamarinblaue Farbe des Great Barrier Reef an einem Sonnentag.

So ein Blau hatte sie bisher nur auf dem unscharfen Foto des Fürsten gesehen.

„Miss Telford?“

Er hatte das Namensschild an ihrem Revers entdeckt. Jetzt sah er ihr wieder in die Augen.

War sie jetzt völlig verrückt geworden? Dieser Mann mit dem verwuselten Haar konnte doch unmöglich der Fürst von Calida sein! Offensichtlich brauchte sie dringend Urlaub. Sie sah ja schon Gespenster! Verzweifelt riss sie sich zusammen.

„Ja. Was kann ich für Sie tun?“ Verschwinde ganz schnell, ich begrüße gleich den wichtigsten Hotelgast meines Lebens!

„Eine ganze Menge – hoffentlich.“ Er stützte sich auf den Empfangstresen, und sie betrachtete fasziniert das Muskelspiel seiner Oberarme.

Offensichtlich litt sie unter Entzugserscheinungen. Schließlich hatte sie seit dem Desaster mit Clayton vor anderthalb Jahren kein einziges Date mehr gehabt. Vielmehr hatte sie sich darauf konzentriert, die Probleme zu lösen, in die Clayton sie und ihre Familie gestürzt hatte.

„Haben Sie eine Zimmerreservierung? Wenn nicht, können Sie sich von einem meiner Kollegen ein Zimmer geben lassen. Den Rest besprechen wir dann später.“

„Nein, ich möchte das sofort erledigen. Und Sie sind genau die Richtige.“

Beim Klang seiner tiefen, rauen Stimme lief Natasha ein Schauer über den Rücken. Ihr verging das Lächeln. Diese Augen, diese Farbe … nein, das konnte doch nicht sein!

Er beugte sich weiter zu ihr hinüber. Ihre Gesichter berührten sich fast. Sie atmete seinen betörenden Duft mit leichter Zimtnote ein, und die Knie wurden ihr schwach.

Im Flüsterton sagte er: „Sie haben mich wahrscheinlich schon erwartet. Ich bin Dante Andretti.“

Natasha musste sich am Tresen festhalten. Nein! Das konnte unmöglich der Fürst sein.

„Fürst von Calida“, fügte er hinzu und lächelte so sexy, dass Natasha meinte, in ihrem Bauch würden Schmetterlinge flattern.

Sie hatte tatsächlich den Fürsten vor sich.

Dieser … dieser Rocker war der Mann, in den sie all ihre Hoffnungen gesetzt hatte, das Unternehmen ihres Vaters zu retten! Ihr wurde schwindlig.

„Gibt es ein Problem, Miss Telford?“

Allerdings, hätte sie fast gesagt, biss sich aber gerade noch rechtzeitig auf die Zunge. „Nein, es ist alles in Ordnung, Hoheit.“

„Pst! Das muss ja nicht jeder hören.“

„Warum nicht?“ Sie atmete einige Male tief durch und sah sich unauffällig um. Hatten ihr Vater und Ella sich einen Scherz mit ihr erlaubt? Sie kam sich vor wie bei der ‚Versteckten Kamera‘. Gleich würde Ella lachend angelaufen kommen und „reingefallen“ rufen.

Sie hatte erwartet, dass der Fürst in einer Stretchlimousine vorfuhr, doch dieser Typ war auf einem Motorrad herangeknattert. Der Fürst wäre sicher nicht ohne seine Leibwächter aufgetaucht. Wo steckten die? Außerdem war dieser Mann hier viel zu sexy. Der konnte nicht von Adel sein.

„Vielleicht ist es Ihnen entgangen, aber ich möchte gern unerkannt bleiben.“

Jetzt verstand sie gar nichts mehr. „Sie haben unter Ihrem richtigen Namen reserviert, aber Sie möchten nicht, dass jemand weiß, dass Sie hier sind?“

Er schnippte mit den Fingern und nickte lächelnd. „Genau.“

Nein, nein, nein!

Sie hatte sich doch alles so schön ausgedacht. Die ganze Welt sollte erfahren, dass der Fürst ausgerechnet in ihrem Hotel abgestiegen war. Eine bessere Werbung gab es nicht. Und nun wollte er ein großes Geheimnis aus seiner Anwesenheit machen? Unwillig fragte sie: „Warum wollen Sie unerkannt bleiben? Gibt es ein Sicherheitsproblem, von dem ich wissen sollte?“

„Nein. Aber ich möchte alles Weitere in Ruhe mit Ihnen besprechen. Ich melde mich jetzt an, und dann treffen wir uns, wenn Ihre Schicht beendet ist. Einverstanden?“

„Nein.“

Zufrieden bemerkte Natasha seinen erstaunten Gesichtsausdruck. Sehr gut. Es geschah ihm ganz recht, dass auch seine Pläne durchkreuzt wurden.

„Nein?“

Mit undurchdringlicher Miene erklärte sie: „Ich habe noch einige Stunden hier zu tun.“

„Das macht nichts. Ich kann warten. Übrigens können Sie mich unter dem Namen Dan Anders einchecken.“

Natasha musste nun doch lachen. „Tolles Pseudonym.“

Als er nur wortlos die Schultern zuckte, beobachtete sie erneut fasziniert das Muskelspiel. Ob die Oberarme sich auch so gut anfühlten, wie sie aussahen?

„Ein zumindest sehr nahe liegendes. Dante Andretti, Dan Anders. Das kann sogar ich mir merken.“

Er lächelte ironisch. Dabei blitzten seine ebenmäßigen weißen Zähne im sonnengebräunten Gesicht.

Nur selten wurden Fotos den abgebildeten Personen gerecht. Das Bild des Fürsten im Internet war dafür das beste Beispiel. An seiner Stelle hätte sie den Hoffotografen auf der Stelle entlassen.

In natura war der Mann einfach unwiderstehlich und unglaublich beeindruckend. Das musste selbst sie zugeben. Dabei hatte sie nach der Katastrophe mit Clayton der Männerwelt eigentlich abgeschworen.

„Also gut“, sagte sie schließlich. „Wir können uns um halb fünf in der Lobby-Bar treffen. Um fünf habe ich etwas vor.“

Auf gar keinen Fall würde sie zu ihm aufs Zimmer gehen – Fürst hin oder her. Schließlich musste sie an ihren guten Ruf denken. Und sie traute ihren Gefühlen nicht. Diese blauen Augen könnten ihr durchaus gefährlich werden.

„Einverstanden. Es hätte mich gewundert, wenn eine so hübsche junge Dame nichts vorhätte.“

Charmant war er also auch noch!

„Gut.“ Als er sie weiterhin anstrahlte, tastete sie nervös nach dem Antistressball. „Wir besprechen dann später alles. Eins würde ich Ihnen aber gern jetzt schon sagen: Es gefällt mir nicht, dass Sie hier inkognito absteigen. Ich hasse Lügen und Versteckspiel. Außerdem ist Ihr Besuch bei uns von großer Bedeutung für das Hotel.“

Sie erzählte und erzählte und wurde immer unruhiger, als sie seinen amüsierten Blick auf sich gerichtet sah.

Schließlich unterbrach der Fürst ihren Redefluss. „Wir besprechen das später, Miss Telford.“

„Ich heiße Natasha“, erwiderte sie und errötete verlegen.

„Okay, und ich bin Dante. Wir sehen uns dann um halb fünf.“ Er nickte höflich und wandte sich ab.

Sie rang sich ein Lächeln ab. Irgendwie wurde sie das Gefühl nicht los, dass sie noch große Probleme mit Dante bekommen würde.

Dabei hatte sie schon genug am Hals.

2. KAPITEL

Unauffällig beobachtete Dante Natasha, während eine junge Kollegin sein Einchecken übernahm.

Sie faszinierte ihn. Für gewöhnlich reagierten die Menschen mit Unterwürfigkeit und Ehrfurcht auf seinen Namen, doch diese brünette Schönheit hatte nicht einmal mit der Wimper gezuckt. Ihr Verhalten ihm gegenüber war fast ein wenig unwirsch gewesen. Offensichtlich war er ihr unsympathisch. Aber wieso? Vielleicht hatte sie etwas gegen reiche Adelige.

Es spielte keine Rolle. Irgendwie würde er sie schon auf seine Seite ziehen, denn ohne die Hilfe des Concierge konnte er seinen Plan nicht umsetzen. Und wahrscheinlich würde er mit dieser langbeinigen Brünetten mit den hellbraunen Augen leichtes Spiel haben.

Bisher hatte sein Charme auf jede Frau gewirkt. Allerdings erschien ihm Natasha Telford etwas unnahbar. Eigentlich machte sie das sogar noch interessanter …

„Hier ist Ihre Informationsmappe, Mr. Anders. Die Schlüsselkarte für Ihr Zimmer befindet sich in der Mappe. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt im Telford Towers.“

Mit einem freundlichen Lächeln bedankte er sich bei der jungen Frau, griff nach der Mappe und strebte dem Aufzug zu.

Dabei kam er direkt am Empfangstresen vorbei und fing Natashas Blick auf, den er mit seinem strahlendsten Lächeln erwiderte. Erfreut stellte er fest, dass ihre Wangen sich gerötet hatten. Sie war also doch nicht immun gegen seinen Charme. Das freute ihn, denn davon könnte sein Plan abhängen, zunächst inkognito zu bleiben.

Nervös inspizierte Natasha ihren Kleiderschrank. Abendkleider, Strandkleider, Röcke und Freizeithosen schob sie beiseite. Schließlich hielt sie ihre Lieblingsjeans hoch, streifte sie vom Bügel und zog sie an. Ein Gutes hatte ihre unglückliche Beziehung zu Clay gehabt: Durch den Stress hatte sie erheblich an Gewicht verloren. So schlank wie jetzt war sie noch nie gewesen.

Sie zog sich ein ärmelloses rosa Top über, band ihr Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen, befestigte silberne Kreolen an den Ohren und schlüpfte in schwarze Schuhe mit Keilabsatz. Zufrieden betrachtete sie ihr Spiegelbild.

In diesem Outfit fühlte sie sich wohl und selbstbewusst. Trotzdem hätte sie es am liebsten wieder ausgezogen und gegen ein strenges schwarzes Kleid getauscht. Und warum?

Weil sie sich etwas vormachte. Zwar fühlte sie sich gut in der Kleidung, aber das half ihr auch nicht weiter. Sie steckte in der Klemme. Der Umgang mit Dante Andretti fiel ihr schwer genug, ohne dass dieser jetzt auch noch darauf bestand, inkognito aufzutreten. Dabei hatte sie sich so viel von seiner Anwesenheit in seiner Rolle als Fürst erhofft. Gab es eine bessere Werbung für das Hotel? Ein Hotel, in dem ein Fürst abstieg, zog auch andere Gäste magisch an. Und das Hotel konnte nur gerettet werden, wenn es möglichst oft ausgebucht war.

„Verflixt“, sagte sie leise vor sich hin, legte Lipgloss auf und tuschte sich die Wimpern. Vielleicht war aber doch noch nicht alles verloren, denn offensichtlich benötigte der Fürst ihre Hilfe. Eine Hand wäscht die andere, dachte Natasha entschlossen und überlegte, warum er in die Rolle eines sexy Rebellen geschlüpft war statt standesgemäß aufzutreten. Das wird er mir hoffentlich gleich erzählen, dachte sie, griff nach Schlüsselbund und Handtasche und machte sich auf den Weg zu ihrem Rendezvous mit dem Fürsten.

Dante sah sich in der kleinen Lobby-Bar um. Sie machte einen überraschend gemütlichen Eindruck. Er kannte sich in den besten Hotels der Welt aus und konnte sich jeden Luxus leisten, aber diese Bar schien etwas ganz Besonderes zu sein.

Vielleicht lag es an den warmen Farben, den Mahagonitischen, dem Tresen, der die gesamte hintere Wand einnahm, den gemütlichen weinroten Sesseln, der gedämpften Beleuchtung der Messinglampen und den Antiquitäten. Die ganze Atmosphäre erinnerte ihn an seine behaglichen Privaträume im Schloss.

Ja, das war es! Jemand hatte sich die Mühe gemacht, das Hotel und eben auch diese Bar so zu gestalten, dass man sich wie zu Hause fühlte.

Diese Person zeichnete sich durch guten Geschmack und Geschäftssinn aus.

In diesem Moment betrat Natasha die Bar, und Dante wurde abgelenkt. Lächelnd winkte er sie heran. Bewundernd betrachtete er ihre schlanke Figur. Sie war lässig und doch elegant gekleidet. Natasha Telford war einfach atemberaubend!

Hoffentlich hatte sie Verständnis für seinen Plan. „Ich freue mich, dass Sie es einrichten konnten“, sagte er zur Begrüßung, erhob sich und rückte ihr einen Sessel zurecht.

„Gern geschehen.“ Sie nickte ihm zu, nahm Platz und winkte den Barkeeper heran. „Was möchten Sie trinken?“

„Ich hätte gern einen Espresso.“ Und Ihre Hilfe.

„Zwei Espressi“, sagte sie zu dem Barkeeper mit einem Lächeln, das Dante erneut den Atem nahm.

Warum schenkte sie ihm nicht so ein Lächeln? Ob sie wohl mit dem jungen Mann zusammen war? Unauffällig musterte er sie, fand jedoch keinen Hinweis darauf, dass die beiden eine Beziehung hatten. Allerdings bemerkte er jetzt, dass auch sie ihn intensiv betrachtete.

„Worüber wollten Sie mit mir sprechen?“ Stocksteif saß sie im Sessel, die Hände im Schoß gefaltet und sah ihn entschlossen an. Dante sah schon alle Felle davonschwimmen.

„Ich benötige Ihre Hilfe“, hob er vorsichtig an.

„Das sagten Sie bereits“, entgegnete Natasha knapp.

Ihr bissiger Tonfall hob sein Selbstbewusstsein auch nicht gerade. Er wählte seine Worte sehr umsichtig.

„Mein Besuch in Australien hat verschiedene Gründe. Ich habe einige offizielle Verpflichtungen vor mir und will die Beziehungen zwischen unseren Ländern fördern. Allerdings bin ich auch als Privatmann auf Familienbesuch hier. Es ist allgemein bekannt, dass ich in Ihrem Hotel absteige und wie lange ich bleibe. Allerdings weiß die Öffentlichkeit nicht, dass ich termingerecht hier eingetroffen bin, aber inkognito. In der amtlichen Verlautbarung wird es heißen, mein Besuch verspäte sich um eine Woche. Während dieser Woche wünsche ich, unerkannt zu bleiben.“

„Warum haben Sie uns das nicht schon bei der Buchung mitgeteilt?“

Gute Frage – nächste Frage. Wie sollte er dieser Frau, die er kaum kannte, erklären, dass er den Entschluss spontan gefasst hatte. Einerseits, weil er sozusagen auf der Flucht war, andererseits, weil er gern ungestört Zeit mit seinem Neffen verbringen wollte, den er bisher erst sehr selten gesehen hatte.

„Ich brauche einfach eine Woche ohne offizielle Verpflichtungen“, erklärte er vage.

Als sie nur schweigend eine Augenbraue hochzog, lächelte er. Natasha Telford, die auf den ersten Blick so lieblich und wie die verkörperte Weiblichkeit wirkte, schien ziemlich unnachgiebig zu sein.

„Ich verstehe.“

Das wagte er zu bezweifeln.

„Hat das familiäre Gründe?“, fragte sie weiter.

„Auch.“

Natasha lehnte sich zurück und betrachtet ihr Gegenüber misstrauisch. Wollte er sie für dumm verkaufen?

Typen wie er reisten nicht in der Weltgeschichte herum und versuchten „aus familiären Gründen“ ihre wahre Identität zu verbergen. Mit Sicherheit steckte eine Frau hinter dieser Scharade.

Offensichtlich hatte der Fürst eine heimliche Geliebte, von der die Medien nichts wissen sollten.

Und wenn schon? Das war ganz allein seine Sache. Sollte er doch Versteck spielen, solange er nach Ablauf der Woche in seiner Eigenschaft als Fürst von Calida Werbung für das Telford Towers machte.

„Sie sehen skeptisch aus.“

Ihre Mimik war einfach zu ausdrucksvoll. Darüber hatte Natasha sich schon manches Mal geärgert. „Es geht mich nichts an, was Sie diese Woche tun oder lassen.“

„Sie irren sich“, erwiderte der Fürst höflich.

Ihre Fragen mussten warten, bis der Barkeeper, der ihnen in diesem Moment die Getränke servierte, sich wieder zurückgezogen hatte.

„Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz“, sagte Natasha schließlich.

„Sie sind die Einzige, die hier weiß, wer ich wirklich bin. Und das muss unter allen Umständen so bleiben. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?“

Schockiert musterte sie ihn. Was bildete er sich eigentlich ein, in diesem Ton mit ihr zu reden? Na ja, immerhin war er ein Fürst. Offensichtlich war er es gewohnt, seine Mitmenschen herumzukommandieren. Außerdem war sie auf ihn angewiesen, wenn sie das Hotel ihrer Familie retten wollte. Von daher musste sie sich seinen Ton wohl oder übel gefallen lassen.

„Selbstverständlich“, erwiderte sie daher, trank einen Schluck Kaffee und fühlte sich ein wenig besser. Nachdenklich betrachtete sie die wohlgeformte Hand des Fürsten. Sie schien wie geschaffen für zärtliche Streicheleinheiten …

„Dann ist es ja gut“, antwortete er.

Sein Blick, mit dem er sie über den Tassenrand hinweg aus diesen unglaublich blauen Augen bedachte, hielt ihren fest.

„Wie lange arbeiten Sie schon am Empfang?“

Diese Frage traf sie unerwartet. Sie hatte damit gerechnet, etwas Persönlicheres gefragt zu werden.

Autor

Nicola Marsh
Als Mädchen hat Nicola Marsh davon geträumt Journalistin zu werden und um die Welt zu reisen, immer auf der Suche nach der nächsten großen Story. Stattdessen hat sie sich für eine Karriere in der Gesundheitsindustrie entschieden und arbeitete dreizehn Jahre als Physiotherapeutin

Doch der Wunsch zu schreiben ließ sie nicht los...
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