Rebeccas Geheimnis

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Rebecca ist schwanger! Ungläubig steht Seth der Frau gegenüber, die nach ihrem spontanen Liebeswochenende vor acht Monaten plötzlich den Kontakt zu ihm abbrach. Warum wollte sie ihm vorenthalten, dass er Vater wird? Beharrlich versucht er die Mauer um Rebeccas Herz zu überwinden …


  • Erscheinungstag 17.11.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751520713
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Irgendwo spielten Kinder. Er konnte die hellen, fröhlichen Stimmen hören. Ein paar Häuser weiter brummte ein Rasenmäher. Eine Brise trug Blumenduft und den Geruch von Grillkohle und Hamburgern zu ihm her. Hin und wieder fuhr ein Auto vorbei. Das Laub der Bäume raschelte, und die Vögel sangen. Mit anderen Worten, es war ein ganz normaler Frühlingstag.

Normal, dachte Captain Seth Foster. Die meisten Leute wissen gar nicht, wie wunderbar das ist. Zivilisten, wenigstens. Darüber hatte er während seines Einsatzes in Afghanistan sehr viel nachgedacht.

Vor ein paar Tagen war er in die USA zurückgekehrt. Heute war er zu seinen Eltern nach Portland in Oregon gefahren. Vier Wochen Urlaub und Entspannung lagen vor ihm. Und er hatte sich fest vorgenommen, jeden einzelnen Tag dieser vier Wochen ausschließlich auf ganz normale Art und Weise zu genießen. Wie zum Beispiel mit einem guten Essen im Familienkreis. Oder bei einem Bier auf der Veranda vor seinem Elternhaus, zusammen mit seinen beiden älteren Brüdern. Genau auf diesen Moment hatte er sich gefreut. Auf den Zeitpunkt, an dem sein Leben wieder normal sein würde. Wenigstens für kurze Zeit.

Natürlich hatte er nicht damit gerechnet, dass sein dämlicher Bruder Jace monatelang etwas vor ihm geheimgehalten hatte. Oder dass Jace ausgerechnet jetzt das Geheimnis lüften würde und damit jede Aussicht auf einen ganz normalen Heimaturlaub zerstören würde.

Seth nahm einen tiefen Schluck Bier, bevor er den Blick auf Jace richtete. Jace war der mittlere der drei Brüder. Grady, der Älteste, wirkte genauso schockiert wie Seth.

Himmel, Seth konnte immer noch nicht glauben, was Jace gerade erzählt hatte. „Bist du dir wirklich hundertprozentig sicher?“, fragte er. „Es besteht kein Zweifel daran, dass Rebecca schwanger ist?“

„Absolut.“ Jace fuhr sich mit der Hand durchs zerzauste schwarze Haar. „Zuerst war ich mir nicht ganz sicher. Das war mit ein Grund, warum ich dir nichts gesagt habe.“

Bevor Seth Rebecca Carmichael vor ein paar Monaten persönlich kennengelernt hatte, waren sie fast ein Jahr lang Brief- und E-Mail-Freunde gewesen. Im Oktober hatte er kurz Urlaub bekommen, um sich zu Hause von einer gescheiterten Mission zu erholen. Bei dieser Gelegenheit hatte er Rebecca überredet, mit ihm Kaffee trinken zu gehen.

Einen Moment lang schloss Seth die Augen und konzentrierte sich auf das eiskalte Bier. Aus dem Kaffeetrinken war damals ein Abendessen geworden und schließlich ein gemeinsames Wochenende. Als er wieder in den Einsatz musste, hatten sich die Ziele geändert, die er sich für sein Leben gesteckt hatte. Er hatte auf eine Zukunft mit Rebecca gehofft. Aber dann hatte Rebecca aufgehört, ihm zu schreiben. Besorgt hatte er versucht, sie anzurufen. Nur um herauszufinden, dass sie unter dieser Nummer nicht mehr zu erreichen war.

Bis Januar hatte diese Funkstille gedauert. Dann bat Seth Jace, nach Rebecca zu sehen. Nur um sicherzugehen, dass alles in Ordnung war. Jace antwortete, dass es Rebecca gut ging. Sie hätte nur viel zu tun und würde sich sicher bei Gelegenheit melden. Das beruhigte Seth. Als dann noch ein Monat ohne eine Nachricht verging, kam Seth zu dem Schluss, dass Rebecca ihm zu verstehen geben wollte, dass es aus war.

Also hatte er ihr noch ein letztes Mal geschrieben, ihr alles Gute für die Zukunft gewünscht und sich dann auf seinen Alltag konzentriert. Hin und wieder hatte er noch an Rebecca gedacht und an eine Zukunft mit ihr. Mehr oder weniger hatte Seth es jedoch geschafft, sich Rebecca aus dem Kopf zu schlagen.

Bis jetzt. Bis er sich damit auseinandersetzen musste, dass sie möglicherweise mit seinem Kind schwanger war.

„Woher weißt du das?“, fragte Seth. „Hast du noch mal mit ihr gesprochen? Sie wiedergesehen?“

„Das nicht, aber … ein Freund hat sie im Auge behalten“, sagte Jace hastig, als ob er Angst hatte, dass Seth ihn unterbrechen würde. „Ich weiß, dass sie schwanger ist. Wer der Vater ist, weiß ich allerdings nicht.“

„Was für ein Freund? Du hast da doch nicht etwa Olivia oder Melanie mit hineingezogen?“, fragte Grady. Olivia war seine Frau, Melanie die Verlobte von Jace.

„Dann hätte ich dir auch gleich alles selbst erzählen können“, erwiderte Jace. „Melanie habe ich auch nichts gesagt. Die hält nicht viel davon, wenn ich … wie nennt sie das doch gleich? … so tue, als ob ich alles zu bestimmen hätte.“

Grady lachte leise. „Da lacht der Richtige.“ Jace warf Grady einen finsteren Blick zu. „Als ob du dich nicht ganz ähnlich vorgegangen wärst, als du Olivia überredet hast, noch ein paarmal mit dir auszugehen, bevor du in die Scheidung einwilligst.“

Grady zuckte mit den Schultern. „Wir haben uns nicht scheiden lassen. Also würde ich sagen, meine Methode hat funktioniert …“

Die beiden gingen Seth ungeheuer auf die Nerven. An jedem anderen Tag hätte er gerne haarklein geschildert bekommen, wie sein Bruder und seine Schwägerin wieder zueinandergefunden hatten. Die beiden hatten sich getrennt, nachdem ihr fünfjähriger Sohn Cody bei einem tragischen Autounfall ums Leben gekommen war.

Seth hatte nicht geglaubt, dass Grady und Olivia darüber hinwegkommen würden. Aber irgendwie hatten sie es geschafft. Er freute sich für die beiden. Darüber, dass Olivia im August wieder ein Kind bekommen würde, freute er sich noch viel mehr.

Jetzt wollte er aber mehr über Rebecca und ihre Schwangerschaft erfahren.

„Wie hat dieser Freund sie im Auge behalten, Jace?“, fragte Seth, um wieder zum Thema zurückzukommen.

„Es ist so … ich kenne da diesen Privatdetektiv und …“

„Du hast einen Schnüffler auf Rebecca angesetzt?“ Seth war kurz davor, seinen Bruder zu erwürgen.

„Er hat nur Rebeccas Dienste als Steuerberaterin in Anspruch genommen und sich einmal im Monat mit ihr getroffen. Er hat sie nicht ausspioniert.“ Jace holte tief Luft. „Hör zu, ich wollte nur wissen, ob sie Hilfe braucht. Niemand hat sie verfolgt oder heimlich Fotos von ihr gemacht.“

Seth nickte kurz. „Dir ist aber schon klar, dass du dir den ganzen Aufstand hättest sparen können, wenn du mir gleich davon erzählt hättest? Verdammt, Jace! Wenn sie mit meinem Baby schwanger ist, dann hatte ich das Recht, sofort davon zu erfahren!“

„Warum?“, entgegnete Jace. „Sie hat auf deine E-Mails und auf deine Briefe nicht reagiert. Du hast sie auch telefonisch nicht erreicht. Es gab nichts, was du hättest tun können.“

„Ich hätte zumindest gerne die Gelegenheit gehabt, es zu versuchen.“ Seth fluchte. „Ich bemühe mich gerade wirklich, nicht auszurasten. Aber du machst es mir verdammt schwer. Wir sind Brüder. Wir sollten aufeinander aufpassen. Daher verstehe ich beim besten Willen nicht …“

„Was glaubst du denn, was ich getan habe?“ Müde schüttelte Jace den Kopf. „Ich wollte dich nur beschützen.“

„Mich beschützen?“, fragte Seth gefährlich leise, als ihm aufging, was Jace damit meinte. „Du bildest dir ernsthaft ein, dass ich meinen Job nicht machen könnte, wenn ich gewusst hätte, dass Rebecca vielleicht von mir schwanger ist?“

Seth war Pilot bei der Air Force. Normalerweise war das kein allzu riskanter Job. Sein Einsatz in Afghanistan, wo er an der Einsatzplanung beteiligt gewesen war, hatte ihn allerdings schon ein paarmal in brenzlige Situationen gebracht. Aber meistens war seine Tätigkeit selbst dort nicht besonders gefährlich gewesen.

„Ich wollte, dass du heil und gesund nach Hause kommst.“ Stur reckte Jace das Kinn. „Also habe ich beschlossen zu warten, bis du wieder da bist, um dir alles zu erzählen. Was ist daran so verkehrt?“

„Verkehrt? Es ist absoluter Schwachsinn“, sagte Grady gelassen. „Stell dir mal vor, ich wüsste etwas über Melanie, das dich angeht, und würde es dir nicht sagen?“

„Das ist ein blödsinniger Vergleich“, erwiderte Jace. „Ich bin hier. Ich kann mich selbst um Melanie kümmern. Seth war in Afghanistan.“ Er warf Seth einen eindringlichen Blick zu. „Ich habe mir ununterbrochen Sorgen um dich gemacht.“

Das ging ja schon mehr in Richtung Entschuldigung, als Seth erwartet hatte. Er war zwar immer noch sauer auf Jace, aber vor allem war er einfach nur fassungslos. Wie konnte Rebecca so etwas vor ihm geheimhalten?

Natürlich bestand die Möglichkeit, dass das Baby nicht von ihm war und dass Rebecca deswegen den Kontakt abgebrochen hatte. Objektiv betrachtet war das am wahrscheinlichsten. Aber sein Instinkt sagte ihm, dass es eine andere Erklärung gab.

„Na schön“, sagte er schließlich beherrscht. „Ich werde über deine Verfehlungen hinwegsehen, weil du mein Bruder bist. Und weil ich glaube, dass du es nur gut gemeint hast.“ Seth trank sein Bier aus. Dann befahl er: „Erzähl mir alles, was du weißt.“

Das Zimmer sah aus, als ob ein paar Dutzend Eimer rosa Farbe darin explodiert waren. Es gab rosa Girlanden, rosa Luftballons, rosa Teller, rosa Gläser, rosa Servietten und rosa Blumen. Nicht zu vergessen jede Menge rosa Kuchen und rosa Gebäck, sowie rosa Punsch, mit dem die Gäste die Süßigkeiten hinunterspülen konnten.

Mit anderen Worten: Alles war viel zu rosa.

Rebecca Carmichael rieb sich den Babybauch und unterdrückte ein Stöhnen. Ihre ungeborene Tochter reagierte mit einer Reihe von Kung-Fu-Tritten, als ob sie ihrer Mutter zustimmen wollte.

Rebecca stemmte die Hände in die Hüften und drehte sich langsam im Kreis, um einen Überblick über die Katastrophe zu gewinnen. Vielleicht könnte sie ein paar von den Transparenten abnehmen. Vielleicht auch noch ein paar Girlanden.

Allerdings wollte sie ihre Schwester nicht verletzen. Jocelyn hatte sich so viel Mühe damit gegeben, die Babyparty zu planen.

„Was meinst du, Kleine?“, fragte Rebecca ihren Bauch. „Fällt deiner Tante auf, wenn ein bisschen von der Deko verschwindet?“

Doch dann hörte Rebecca die Stimmen ihrer Mutter und ihrer Schwester aus der Küche, die sich anscheinend in die Haare geraten waren. Wenn ihre Mutter und Jocelyn erst mal in Fahrt waren, konnten sie stundenlang weitermachen.

Da musste sie wohl oder übel den Streit schlichten. Rebecca setzte sich langsam Richtung Küche in Bewegung. Jocelyn war erst zweiundzwanzig, sieben Jahre jünger als Rebecca. Sie hatte noch nicht gelernt, sich nur mit ihrer Mutter zu streiten, wenn sie eine Chance hatte zu gewinnen. Rebecca liebte ihre Mutter wirklich. Aber Allison Carmichael war eine Mutter wie aus dem Bilderbuch, wenn es darum ging, als Mutter immer alles besser zu wissen.

Einen Augenblick verharrte Rebecca auf der Türschwelle. Ihre Mutter und ihre Schwester hielten je ein Ende einer großen Platte mit winzigen Sandwiches fest, die Gott sei Dank nicht rosa waren.

Das platinblond gefärbte Haar ihrer Mutter war zerzaust, ihre Wangen waren gerötet, und ihre grünen Augen blitzten. Sie war offensichtlich auf dem Kriegspfad. Jetzt zerrte sie an der Servierplatte. „Lass los, Jocelyn! Ich bin noch nicht fertig.“

Rebeccas Schwester war eine kleinere und jüngere Version ihrer Mutter. Ihr blondes Haar hatte noch lange nicht die Hilfe eines Friseurs nötig. Sie zog an ihrem Ende der Platte. „Doch, das bist du, Mutter! Die Sandwiches reichen völlig.“

„Junge Dame, heute kommen mindestens zwölf Gäste. Da musst du …“

„Aufhören! Alle beide!“ Wenn Rebecca sich jetzt nicht einmischte, würden hier bald die Sandwiches fliegen. „Mom, lass los. Jocelyn hat recht. Sie hat die Party geplant. Also machen wir das, wie sie will.“

„Happy Babyparty!“, sagte Jocelyn fröhlich, ohne loszulassen. „Hast du das Wohnzimmer gesehen?“

„Das ist ganz toll geworden“, sagte Rebecca, um die Gefühle ihrer Schwester nicht zu verletzen. „Mom, eigentlich wollte ich dich um Hilfe bitten. Aber wenn du zu beschäftigt bist …“

„Nein, nein.“ Ihre Mutter gab auf. „Mach, was du willst, Jocelyn. Aber ich sage dir, die reichen nicht.“

Jocelyn stellte die Sandwiches ab. „Das klappt schon. Jetzt hilf lieber Rebecca, Mom. Ich habe hier alles unter Kontrolle.“

„Das werden wir ja sehen. Kommst du, Rebecca?“

„Geh schon mal hoch. Ich bin gleich da.“ Ihre Mutter nickte und verließ den Raum. Rebecca wartete, bis ihre Mutter die Treppe hinaufging, bevor sie sich an ihre Schwester wandte. „Kannst du bitte versuchen, heute ausnahmsweise mal mit ihr auszukommen?“

Genau wie ihre Mutter kniff Jocelyn die Augen zusammen. „Mache ich doch. Aber sie ist echt albern.“

„Sie meint es doch nur gut.“ Rebecca umarmte ihre Schwester. Soweit das mit ihrem Babybauch möglich war. „Ich bekomme ein Baby. Im Herbst gehst du auf die Uni. Zum ersten Mal seit langer Zeit werden Mom und Dad ganz allein zu Hause sein. Sei nicht so hart zu ihr.“

Jocelyn stieß einen Seufzer aus. „Na schön. Ich mache noch ein paar Sandwiches. Wahrscheinlich hat sie ja sogar recht.“ Dann räusperte sie sich. „Aber verrate ihr ja nicht, dass ich das gesagt habe.“

„Mach ich nicht.“ Rebecca lachte leise und machte sich auf den Weg nach oben.

Ihre Familie war ihr Rettungsanker. Als Rebecca eröffnet hatte, dass sie schwanger war, hatten alle sie von Anfang an unterstützt. Sogar die Geschichte, dass sie die Dienste einer Samenbank in Anspruch genommen hatte, hatten sie ihr abgenommen. Natürlich waren sie besorgt. Aber das war nur normal. Ein Leben als alleinerziehende Mutter wünschten nun mal die wenigsten Eltern ihrer Tochter.

Als Rebecca ins Kinderzimmer kam, saß ihrer Mutter auf dem alten Schaukelstuhl. Sie hatte feuchte Augen. „Alles okay?“

„Ach, Liebling. Mir geht’s gut. Ich weiß gar nicht, was mit mir los ist.“ Ihre Mutter schüttelte den Kopf. „Deine Schwester ist erwachsen. Das muss ich vermutlich allmählich akzeptieren.“

„Das musst du. Aber ich kann mir vorstellen, dass das nicht so einfach ist.“ Rebecca lehnte sich an die Wand, um ihren schmerzenden Rücken zu entlasten. „Und ich werde dich dringend brauchen, wenn die Kleine da ist. Noch sechs Wochen. Ich kann gar nicht glauben, wie schnell so eine Schwangerschaft vorbeigeht.“

„Ich werde immer für dich da sein“, versprach ihre Mutter. „Ich wünschte nur …“

„Was denn?“

„Ich mache mir einfach Sorgen. Das ist alles.“

„Es ist alles vorbereitet“, sagte Rebecca und sah sich in dem vollständig eingerichteten Kinderzimmer um. „Du musst dir keine Sorgen machen.“

„Das darfst du mir erklären, wenn deine eigene Tochter mal neunundzwanzig Jahre alt und schwanger ist und keinen Partner hat, der sie unterstützt.“ Ihre Mutter holte mühsam Luft. „Ich weiß, dass du glaubst, du wirst nie wieder einen anderen Mann so lieben wie Jesse. Aber Süße, das wirst du.“

Jesse. Die Erinnerung an ihre erste große Liebe brach Rebecca immer noch das Herz. Er war zur Army gegangen. Bei einem Einsatz war er durch Eigenbeschuss umgekommen. Jesse zu verlieren war eine Tragödie für sie gewesen. Dieser Verlust war auch der Grund, warum sie sich bei dem Brieffreundschaftsverein engagierte und regelmäßig Männern und Frauen im Auslandseinsatz schrieb.

„Meine Entscheidung, dieses Baby zu bekommen, hat nichts mit Jesse zu tun“, sagte Rebecca leise. Noch eine Lüge. „Ich vermisse ihn, aber er ist jetzt schon lange tot.“

„Du trauerst noch immer um ihn.“ Ihre Mutter schaute weg. „Ich freue mich sehr auf meine Enkelin. Aber ich wünschte, du hättest versucht, wieder jemanden kennenzulernen. Bevor du dich dafür entschieden hast, alleine Mutter zu werden.“

Rebecca holte tief Luft. Einerseits sehnte sie sich danach, die ganze Geschichte zu beichten. Wie sie Seth Foster, einen Captain bei der Air Force, mit dem sie monatelang eine Brief- und Internetfreundschaft gepflegt hatte, bei einem unverhofften Heimaturlaub hier in Portland persönlich kennengelernt hatte. Wie es zwischen ihnen gefunkt hatte.

Das Wochenende mit Seth und ein geplatztes Kondom hatten zu einem positiven Schwangerschaftstest geführt. Mit einem Mann zu schlafen, den sie kaum kannte, war für Rebecca mehr als ungewöhnlich. Sie hatte es einfach nicht über sich gebracht, ihrer Familie dieses Verhalten zu erklären. Vor allem, weil sie nicht vorhatte, Seth wiederzusehen. Darum hatte sie sich die Geschichte mit der Samenbank ausgedacht.

Seither hatte sie keinen Kontakt mehr mit Seth gehabt. Sie hatte sogar den Handyvertrag gewechselt und sich eine neue Nummer geben lassen, damit er sie telefonisch nicht erreichen konnte.

„Ich bin so gut vorbereitet, wie ich nur sein kann. Mir geht es wirklich prächtig.“ Meistens stimmte das auch. Sogar wenn sie sich wegen all der Lügen schrecklich fühlte. Sogar wenn sie sich immer wieder fragte, ob es richtig war, ihre Schwangerschaft vor Seth geheimzuhalten. „Ehrlich, Mom. Ich schaffe das.“

„Du schaffst alles, was du dir in den Kopf setzt. Aber deswegen mache ich mir trotzdem Sorgen.“ Ihre Mutter sah sich um. „Womit brauchst du meine Hilfe? Hier sieht alles perfekt aus.“

Rebecca traten die Tränen in die Augen. Diese verdammten Schwangerschaftshormone. „Ganz ehrlich? Ich wollte nur ein paar Minuten mit dir allein sein.“

„Ich bin doch da.“ Ihre Mutter stand auf und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Ich weiß, dass du dich nur wegen deiner Schwester auf diese Party eingelassen hast. Aber versuch einfach, Spaß zu haben. Du hast es verdient, das Leben deines Kindes zu feiern.“

„Da hast du recht.“ Rebecca musste lächeln. „Lass uns feiern.“

Fast zwei Stunden später hatte Rebecca tatsächlich richtig Spaß. Eine bunt gemischte Gesellschaft aus Freunden und Familienmitgliedern hatte sich in ihrem Wohnzimmer versammelt. Alle amüsierten sich königlich. Das lag zum großen Teil an Jocelyns kreativen Partyspielen.

Sie fingen an mit einer Runde „Wer saugt am schnellsten?“. Bei diesem Spiel bekam jeder ein Babyfläschchen mit Punsch. Wer zuerst ausgetrunken hatte, hatte gewonnen.

Das nächste Spiel hieß „Eier befruchten“. Rebecca beschloss, eine Pause einzulegen. Schließlich hatte sie vor siebeneinhalb Monaten erfolgreich Spermium und Ei vereint. Ihrer Meinung nach stand sie daher von vornherein als Siegerin fest.

„Also los“, befahl Jocelyn im Feldwebelton. „Wer dran ist, bekommt von mir die Augen verbunden und so ein Teil in die Hand.“ Sie deutete auf die Pappspermien, die sie gebastelt hatte. „Dann drehe ich euch im Kreis. Wer dann mit seinem Spermium das Ei hier am besten trifft, hat gewonnen.“

Als ihre Mutter an der Reihe war, schaffte Rebecca es nicht, ernst zu bleiben. Vielleicht war das kindisch. Aber sie konnte einfach nicht anders.

Es klingelte, und ihre Mutter erstarrte. Rebecca kämpfte sich auf die Füße. „Mach mal jemand ein Foto“, bat sie. „Das muss ins Babybuch.“

Jocelyn kicherte. „Dein Wunsch ist mir Befehl.“

„Nein! Stopp!“, quietschte ihre Mutter. „Meine Enkelin soll mich nie so sehen …“

Die empörte Stimme ihrer Mutter noch im Ohr, ging Rebecca zur Tür. Natürlich nahm sie an, dass es sich um einen verspäteten Partygast handelte, und öffnete schwungvoll die Tür.

Zuerst starrte sie die breiten Schultern an. Dann das markant geschnittene, glatt rasierte Gesicht. Sie riss die Augen auf. Ein Schock durchfuhr sie, dass ihr beinahe die Knie nachgaben.

Nein. Oh Gott. Nein!

Fast unhörbar stöhnte sie auf. Das war gar nicht gut. Das war überhaupt nicht gut. Das war ein Riesenproblem.

Seth Foster. Hier. Und sie konnte sich nirgends verstecken.

2. KAPITEL

„Hallo, Rebecca.“ Seth musterte sie von oben bis unten. „Ich hätte ja angerufen, aber du hast es mir ja unmöglich gemacht, so höflich zu sein.“

Mühsam klammerte Rebecca sich am Türrahmen fest. In der vagen Hoffnung, es vielleicht mit einer merkwürdigen, hormonbedingten Sinnestäuschung zu tun zu haben, blinzelte sie.

Wenn er eine Halluzination war, dann eine verdammt gut aussehende. Er war groß und kräftig mit schwarzem Haar. Der kurze Militärhaarschnitt betonte seine scharf geschnittenen Gesichtszüge, die schon fast exotisch wirkten. Und diese Augen. Sie waren zu dunkel, um noch als braun durchzugehen, aber nicht ganz schwarz. Die Farbe erinnerte sie an starken, aromatischen Kaffee mit einem winzigen Tropfen Sahne.

„W-was machst du denn hier?“, flüsterte sie. „Warum bist du hier?“

Er betrachtete ihren Bauch. „Ich würde sagen, ich bin hier derjenige, der die Fragen stellen sollte.“

„Ich kann jetzt keinen Besuch brauchen.“

„Ich werde jetzt nicht gehen, Rebecca.“ Er verzog die Lippen zu einem Lächeln, das seine Augen kalt ließ. Trotzdem wurden ihre Knie noch weicher. Genau wie beim ersten Mal, als er sie angelächelt hatte. „Du schuldest mir eine Erklärung.“

„Das … das ist jetzt gerade ungünstig“, brachte sie heraus. „Ich äh … ich habe gerade Gäste. Du musst jetzt wirklich gehen.“

Seth kniff die Augen zusammen. „Lass mich eines ganz klarstellen“, sagte er langsam. „Ich rühre mich nicht von der Stelle, bis wir uns unterhalten haben.“

„Du kannst nicht einfach hier auftauchen und erwarten, dass ich deinetwegen alles stehen und liegen lasse.“ Das sollte entschieden klingen. Bedauerlicherweise zitterte ihre Stimme so sehr, dass sie sich eher ängstlich als energisch anhörte.

„Oh, aber genau das erwarte ich. So wie du reagierst, habe ich Rechte, was diese Situation angeht. Rechte, die du ignoriert hast.“

Er wusste alles. Zehn Sekunden lang ließ sie die Panik zu. Dann reckte sie das Kinn. Das konnte er gar nicht wissen. Okay, ihr Zustand war offensichtlich. Daran konnte sie nichts ändern. Aber wenn sie bei ihrer Geschichte blieb, konnte sie sich vielleicht aus der Affäre ziehen. Sie wollte gerade etwas erwidern, als ihre Mutter und ihre Schwester auftauchten.

„Was ist los?“, fragte Jocelyn. „Wer ist das?“

Autor

Tracy Madison

Die preisgekrönte Schriftstellerin Tracy Madison ist in Ohio zu Hause, und ihre Tage sind gut gefüllt mit Liebe, Lachen und zahlreichen Tassen Kaffee ... Die Nächte verbringt sie oft schreibend am Computer, um ihren Figuren Leben einzuhauchen und ihnen ihr wohlverdientes Happy End zu bescheren. Übrigens bekommt Tracy Madison...

Mehr erfahren

Entdecken Sie weitere Bände der Serie

Die Foster-Brüder