Romana Exklusiv Band 187

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ENTFÜHRT INS LAND DER LIEBE von DONALD, ROBYN
Der smarte Anwalt Leo bekommt immer, was er will. Nur bei der hübschen Tansy beißt er auf Granit: Sie verrät ihm einfach nicht, was er wissen will! Doch Leo hat einen Plan: Er wird die widerspenstige junge Dame mit einem romantischen Wochenende aus der Reserve locken.

ENTSCHEIDUNG AUF DEN BAHAMAS von TAYLOR, JENNIFER
In den Flitterwochen lernt Helen ihren Mann Jacob von einer völlig neuen Seite kennen. Einst hat er ihren Vater skrupellos in den Ruin getrieben - das zumindest glaubt Helen. Wie kann es sein, dass sich der eiskalte Geschäftsmann plötzlich als zärtlicher Liebhaber zeigt?

IM ZAUBER INDIENS von BAULING, JAYNE
Zauberhaftes Indien: Bridget fühlt sich im Palast ihres Arbeitgebers wie im Märchen! Zumindest bis der arrogante Jordan Stirling in Neu Delhi auftaucht. Ständig gerät sie mit ihm aneinander. Würde Bridget sich doch bloß nicht so sehr zu diesem Mann hingezogen fühlen …


  • Erscheinungstag 10.06.2009
  • Bandnummer 187
  • ISBN / Artikelnummer 9783862956043
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Jayne Bauling, Jennifer Taylor, Robyn Donald

ROMANA EXKLUSIV, BAND 187

JAYNE BAULING

Im Zauber Indiens

Wie eine Prinzessin fühlt sich Bridget im Palast ihres Arbeitgebers in Neu Delhi. Bis Jordan Stirling auftaucht, der Boss des Imperiums. Der arrogante Unternehmer glaubt allen Ernstes, dass er nur mit den Fingern schnippen muss, damit sie ihm zu Füßen liegt! Dumm nur, dass Bridget diesen Mann tief im Innern tatsächlich heiß begehrt …

JENNIFER TAYLOR

Entscheidung auf den Bahamas

Zuerst hat er ihren Vater in den Ruin getrieben, und jetzt zwingt Jacob die schöne Helen auch noch, ihn zu heiraten! Dass sie seinen Antrag annimmt, hat nur einen Grund: Jacob soll für die Pein bezahlen, die ihre Familie erlitten hat. Doch während der Hochzeitsreise auf die Bahamas zeigt sich Jacob plötzlich von einer ganz anderen, zärtlichen Seite …

ROBYN DONALD

Entführt ins Land der Liebe

Sagen Sie mir endlich, wo mein Bruder ist! Der gutaussehende Anwalt Leo Dacre kann nicht fassen, dass Tansy ihm die wichtige Information einfach verweigert. Nicht mal sein berüchtigter Charme hilft hier weiter. Kurz entschlossen entführt er Tansy in sein herrliches Sommerhaus. Wäre doch gelacht, wenn er ihren Widerstand nicht brechen könnte!

1. KAPITEL

Bridget griff nach dem langen weißen T-Shirt, das sie soeben ausgezogen hatte, und streifte es wieder über. Sie fand sich damit ab, dass sie noch länger auf die ersehnte Dusche würde warten müssen. Obwohl sie bereits vor fast einer Woche von London nach Delhi geflogen war, hatte sie sich noch nicht an die Hitze in dieser mitunter beängstigenden, aber immer faszinierenden Stadt gewöhnt.

Die Geräusche, die aus dem vorderen Teil des Gebäudes drangen, waren unmissverständlich. Irgendjemand verschaffte sich mit Schlüsseln Zutritt – und das konnte nahezu jeder sein. Stirling Industries besaß Häuser in den Hauptstädten der meisten Länder, in denen die Firma tätig war. Neu eingetroffene Mitarbeiter brauchten sich nur beim Leiter der örtlichen Niederlassung zu melden, um ein Schlüsselbund zu erhalten.

Vielleicht handelte es sich ja auch um eine besonders bevorzugte Freundin des berüchtigten Frauenhelden Jordan Stirling, die über eigene Schlüssel verfügte. In diesem Fall würde die Dame eine ähnliche Enttäuschung erleben wie all die anderen, denen im Lauf der letzten Tage aufgefallen war, dass das Haus bewohnt war, und die in der Hoffnung vorbeigeschaut hatten, ihn hier vorzufinden.

Eine Stewardess, eine junge Engländerin, die für einen indischen Radiosender arbeitete, und ein elegantes Geschöpf, das in der britischen Botschaft beschäftigt war – sie alle hatten behauptet, rein zufällig in der Gegend gewesen zu sein, aber selbst Bridget, der jeglicher Zynismus eigentlich fremd war, vermutete, dass die Straße vor diesem Anwesen bei den Bewunderinnen von Jordan Stirling zu einer regelrechten Pilgerroute zählte.

„Hallo!“

„Wer sind Sie?“

In der prächtigen Eingangshalle standen zwei Personen, doch Bridget achtete kaum auf die Frau, die zuerst gesprochen hatte. Der Blick ihrer grünen Augen richtete sich sofort auf den Mann, der die herablassende Frage gestellt hatte. Er strahlte eine geradezu überwältigende Autorität aus, die sofort die Aufmerksamkeit auf ihn lenkte.

Obwohl sie ihn noch nie persönlich gesehen hatte, gab es keinen Zweifel, dass er Jordan Stirling war. Groß, schlank und muskulös, mit einem markanten Gesicht, zu dem die sinnlichen Lippen nicht recht passen wollten, und rabenschwarzem Haar. Bridget war noch nie einem so selbstsicheren Menschen begegnet. Sekundenlang blickte sie ihn stumm an, ganz so, als würde seine bloße Anwesenheit jeglichen klaren Gedanken verdrängen.

Erst nach einer Weile merkte sie, dass er noch immer auf eine Antwort wartete. „Ich bin Bridget …“ Als sie seine gereizte Miene sah, atmete sie tief durch. „Bridget Greer, Mr. Stirling. Ich arbeite für Ihre Schwester.“

„Ach ja? Und in welcher Funktion genau?“, erkundigte er sich skeptisch. „Wo ist Virginia überhaupt?“

Die Frage warf ein weiteres Problem auf. Virginia hatte ihr alle möglichen Anweisungen erteilt, wie sie sich zu verhalten hätte, falls ihr Bruder in Indien auftauchen sollte – ein höchst unwahrscheinliches Ereignis, wie sie Bridget beteuert hatte, aber nun stand er vor ihr, und Bridget war nicht sicher, wie viel Loyalität sie ihrer Chefin schuldete.

„Ich glaube, irgendwo in Amerika“, erwiderte sie ebenso wahrheitsgemäß wie ausweichend.

„Warum? Sie sollte hier sein und Stoffe für ‚Ginny’s‘ kaufen“, konterte Jordan Stirling.

„Ich erledige das für sie“, erklärte Bridget sanft, obwohl ihre Geduld allmählich erschöpft war.

„Unsinn – oder zumindest ziemlich abwegig.“

Er betrachtete geringschätzig die seidigen dunklen Strähnen, die sich aus dem lockeren Zopf gelöst hatten, der ihr über den Rücken baumelte. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit ihrem ungeschminkten Gesicht zu, bevor er den Blick über das weite T-Shirt gleiten ließ, das zwar ihre zierliche Gestalt verbarg, ihre langen, schlanken Beine jedoch nur notdürftig bedeckte.

Bridget spürte, wie ihr glühende Hitze in die Wangen stieg.

Niemand hatte sie je zuvor als Lügnerin bezeichnet, und nun fehlten ihr buchstäblich die Worte vor Empörung. Ein kurzer Blick auf Jordans blonde, blauäugige Begleiterin zeigte, dass von deren Seite keine Hilfe zu erwarten war.

„Warum sonst sollte ich wohl hier sein?“

„Das kann ich mir momentan beim besten Willen nicht vorstellen, aber es wird mir gewiss bald einfallen.“ Er hatte offenbar seine Irritation überwunden und klang nur noch gelangweilt, als er auf das Gepäck neben der Eingangstür deutete. „Wie Sie sehen, sind wir gerade erst gelandet, und ich bin wahrlich nicht in der Stimmung, irgendwelche Rätsel zu lösen. Falls Sie also auf ein Quiz aus sind, haben Sie hoffentlich nichts dagegen, wenn wir es auf morgen verschieben würden?“

„Gut! Fabelhaft! Das passt mir ausgezeichnet!“ Seine übertrieben höflich geäußerte Bitte machte sie umso wütender.

Sie drehte sich um und ließ die beiden stehen. Frustrierenderweise verursachten ihre bloßen Füße auf dem Marmorboden keinerlei Geräusch – dabei hätte sie so gern laut aufgestampft. Virginia hatte recht. Die Stirling-Männer waren alle gleich: arrogant und überheblich. Und sie neigten dazu, Menschen wie sie, Bridget, zu bevormunden.

Auf dem kurzen Weg zu der kleinen Suite, die sie für sich gewählt hatte, beruhigte Bridget sich wieder. Sie wurde so selten wütend, dass sie keinerlei Übung darin hatte, den Ärger zu schüren, und allmählich regte sich ihr Gewissen. Die meisten Menschen waren nach einem Flug gereizt und erschöpft – und mitunter hungrig. Und ausgerechnet heute Abend hatte sie Sita Menon gesagt, sie würde sie nicht mehr brauchen …

Nicht ganz so gut gelaunt wie sonst kehrte sie um. Inzwischen hatten Jordan Stirling und seine Freundin sich in den Raum begeben, den Bridget insgeheim als „Salon“ bezeichnete, da er für ein Wohnzimmer viel zu elegant und exotisch möbliert war.

Als sie die kultivierte Stimme der Frau vernahm, blieb Bridget unwillkürlich stehen.

„… einfach aufreizend. Mir gelingt es einfach nie, diesen zerzausten Look hinzubekommen, der so aussieht, als wäre man gerade erst aus dem Bett gestiegen. Eine überaus verführerische Aufmachung.“

„Wanda, ich glaube nicht, dass das Mädchen auch nur einen Tag älter ist als achtzehn – und das ist schon hoch geschätzt“, erwiderte Jordan Stirling. „Außerdem bezweifle ich, dass sie sich absichtlich so zurechtgemacht hat. Dieses Haar hat vermutlich nie Gel, Festiger, Spray oder einen Friseur gesehen. Vergiss sie. Mädchen langweilen mich. Ich mag echte Frauen.“

Diesmal flammte Bridgets Empörung zu brennender Wut auf, die all ihre guten Vorsätze in Rauch verwandelte. Genährt wurde ihr Zorn durch die Tatsache, dass Jordan Stirling zwar mit seiner Bemerkung über ihre mangelnde Erfahrung mit Friseuren völlig richtig lag, sich aber bei ihrem Alter um beinahe vier Jahre verschätzt hatte. Sollten sie doch verhungern!

Erneut wandte sie sich ab, um die Halle zu verlassen, aber irgendein Geräusch hatte sie verraten.

„Einen Moment.“ Der unverschämte Mann kam aus dem Wohnraum, schloss die Tür hinter sich und betrachtete Bridget ungeduldig, als sie sich zu ihm umdrehte. „Wollten Sie etwas Bestimmtes, oder haben Sie nur gelauscht?“

„Eigentlich bin ich hier, weil ich Ihnen anbieten wollte, eine Kleinigkeit für Sie zu kochen“, erklärte sie scharf. „Wo ist Mrs. Menon – die Haushälterin und Köchin?“, erkundigte er sich misstrauisch.

„Ich habe ihr gesagt, ich würde sie heute Abend nicht brauchen. Sie besucht einen Verwandten im Krankenhaus, und daher …“

„Sie gehören wohl zu den Teenagern, die nie etwas essen?“, unterbrach er sie vorwurfsvoll. „Ihrer Generation scheint eine zivilisierte Lebensweise fremd zu sein. Sie ernähren sich von Resten und belauschen Privatgespräche!“

Er klang gerade so, als lägen mindestens dreißig Jahre zwischen ihnen, doch Bridget wusste von Virginia, dass er erst vierunddreißig war.

„Nun, vielleicht ist Ihre Freundin bereit, ein paar Reste für Sie aufzuwärmen“, schlug sie kühl vor.

„Meine Freundin? Ach, Wanda. Sie meinen, bevor sie mich ‚aufwärmt‘?“

Er wollte sie aus der Fassung bringen. In letzter Sekunde fiel ihr ein, dass er sie für achtzehn hielt, und so rang sie sich ein strahlendes Lächeln ab.

„Soweit ich weiß, ist das der bevorzugte Zeitvertreib Ihrer Generation.“

Er presste kurz die Lippen zusammen, aber er war zu souverän, um seinen Ärger zu verraten. „Bridget Greer, sagten Sie? Ich schätze, Sie werden Biddy genannt, oder?“ Die unvermittelte Frage ließ so etwas wie Charme anklingen, doch Bridget fand den Tonfall eher beängstigend.

„Bridget“, korrigierte sie kurz angebunden. Sie war zu dem Schluss gelangt, dass diese Anrede besser zu ihrer neu erworbenen Unabhängigkeit passte, obwohl ihre Familie den Kosenamen noch immer benutzte. Schließlich hatte sie jetzt einen festen Job mit guten Aufstiegschancen und war bei ihren Eltern ausgezogen.

Er schien ihre Gedanken zu erraten. „Ah, ja, sehr erwachsen.“

Sein Lächeln war einfach unbeschreiblich und von einer überwältigenden Anziehungskraft. Bridget war fasziniert. Allmählich begriff sie, was er all den Frauen bedeutete, die in dieses Haus gekommen waren. Plötzlich taten sie ihr leid. Sie wusste, wie die Stirling-Männer wirklich waren.

„Sie sehen mich nicht gerade von meiner besten Seite“, räumte sie widerstrebend ein. Ihr war klar, wie ihr Äußeres auf ihn wirken musste.

„Dann verstehen Sie sicher, weshalb ich bezweifle, dass Sie für meine Schwester arbeiten.“

„Es ist die Wahrheit“, beharrte sie.

„In diesem Fall werde ich herausfinden, was dahintersteckt und was Ihre Anwesenheit hier zu bedeuten hat. Da ich mich jetzt jedoch um meinen Gast kümmern möchte, wird die Sache bis morgen Früh warten müssen.“ Nach einer kurzen Pause fügte er warnend hinzu: „Also machen Sie sich in der Nacht bitte nicht aus dem Staub, Bridget.“

„Warum sollte ich? Das käme einem Schuldeingeständnis gleich.“

„Und ich habe Sie bei nichts Verbotenem erwischt, oder?“

„Nein!“

„Abgesehen davon, dass Sie in einem Haus meiner Firma wohnen – anstelle meiner Schwester, die eigentlich hier sein sollte – und Sie entweder nicht bereit oder nicht in der Lage sind, mir zu verraten, wo sie sich aufhält. Ich schätze es gar nicht, wenn meine Familie ausgenutzt wird, aber darüber werden wir morgen reden. Würden Sie sich bis dahin bitte rar machen?“

Er wollte mit Wanda allein sein! Zum ersten Mal in ihrem Leben gelang Bridget ein durch und durch vernichtendes Lächeln. „Mit dem größten Vergnügen!“

Ihre Blicke trafen sich – ihrer verächtlich, seiner verwirrend eindringlich, so als könnte er bis ins Innerste ihrer Seele sehen. Dann, wie auf einen stummen Befehl hin, wandten sie sich gleichzeitig ab.

Als sie später unter der prasselnden kalten Dusche stand, fragte Bridget sich, was in sie gefahren war. Nie zuvor hatte sie sich so aggressiv benommen. Es lag natürlich daran, dass er ein Stirling war, und zwar ein noch schlimmerer als Loris. Virginia war offenbar die einzige lebende Stirling mit liebenswerten Eigenschaften.

Allem Anschein nach war Wanda nicht darum gebeten worden, zu kochen oder Reste aufzuwärmen, denn Bridget hörte einen Wagen vorfahren und gleich darauf erneut starten. Da es im Haus nun wieder still war, ging sie hinunter in die Küche.

Eigentlich hatte sie kochen und ein wenig mit den Einkäufen des heutigen Tages experimentieren wollen, doch die Lust und der Appetit waren ihr gründlich vergangen. Eingedenk Jordan Stirlings wütender Beschuldigungen naschte sie nur ein wenig von den Resten im Kühlschrank.

Bridget lag im Bett und hatte das Licht bereits gelöscht, als ihr ferne Geräusche verrieten, dass sie nicht länger allein in dem Haus war, das sie seit fast einer Woche bewohnte.

Zu ihrer eigenen Verwunderung hatten weder ihr Kummer noch die in Delhi herrschende drückende Oktoberhitze sie in den vergangenen Nächten am Einschlafen gehindert, aber nun war alles anders. Dieser Mann hatte den Kreislauf überflüssiger, demütigender Grübeleien erneut heraufbeschworen. Nur weil er Loris Stirlings Cousin war.

Da viele ihrer Altersgenossen um eine Festanstellung kämpfen mussten und sie selbst schon etliche anstrengende Aushilfsjobs innegehabt hatte, wusste Bridget, dass sie sich glücklich schätzen konnte, einen sicheren Arbeitsplatz bei „Ginny’s“ gefunden zu haben, einer kleinen erfolgreichen Firma, die sich auf exklusive, aber erschwingliche Damenmode spezialisiert hatte. Virginia Stirling entwarf und nähte nicht mehr selbst, sondern widmete sich ganz der Organisation – es sei denn, ihre Leidenschaft für Stoffe gewann Oberhand. Dann begab sie sich auf wochenlange Einkaufsreisen, doch sobald sie wieder in ihrem Londoner Büro war, kümmerte sie sich persönlich um das Personal. Auf diese Weise hatte Bridget in den meisten Abteilungen Erfahrungen sammeln können, bevor sie in das kleine Team berufen worden war, das Virginia als Assistenten ausbildete.

Und nun war sie in Delhi und erledigte Virginias Arbeit. Sie hätte diese Aufgabe nie so früh übernehmen können, wenn sie beide sich nicht zufällig mehr oder minder gleichzeitig in zwei unterschiedliche Männer verliebt hätten.

„Sie sind neu hier“, hatte eines Tages eine fröhliche Stimme von der Bürotür her verkündet, und Bridget hatte sich plötzlich dem attraktivsten jungen Mann gegenübergesehen, dem sie je begegnet war.

„Nein, Sie sind neu“, hatte sie schüchtern erwidert und versucht, ihr wie wild pochendes Herz zu ignorieren.

„Der Punkt geht an Sie. Mein Cousin hat mich eigentlich nach Seoul geschickt, damit ich dort die Verbesserung der Sicherheitsstandards in irgendeiner Fabrik überwache, die er kürzlich erworben hat – eine ziemlich ungewöhnliche Entscheidung für ihn, da er solche Aufgaben nur selten delegiert. Aber ich hatte Ärger mit einer Frau“, fügte er mit einem tapferen Lächeln hinzu, das ihr Herz berührte. „Ich habe nur vorbeigeschaut, um Virginia Guten Tag zu sagen. Übrigens, ich bin Loris Stirling, der jüngste der Familie. Und Sie sind …?“

Schließlich bat er sie, mit ihm auszugehen, und sie zögerte, bevor sie die Einladung annahm. Es folgten viele weitere Treffen, manchmal an mehreren Abenden hintereinander, dann wieder in langen Abständen. Er ließ sie im Ungewissen, aber seine Küsse, seine viel sagenden Anspielungen auf eine gemeinsame Zukunft und seine regelmäßigen Besuche bei ihr, wann immer er in Virginias Geschäft kam, ermutigten Bridget zum Träumen.

Nach einem seiner Besuche hing Bridget wieder einmal ihren Tagträumen nach, als Virginia sie zu sich rief. Natürlich beeilte sie sich, der Bitte Folge zu leisten, da sie damit rechnete, dass Loris noch immer bei seiner Cousine sein würde.

Leider drängte ihn Virginia gerade zum Gehen, als Bridget sich der geöffneten Tür näherte und sehnsüchtig seinen Rücken betrachtete.

„Erwartet Jordan denn nicht, dass du zumindest gelegentlich arbeitest? Verschwinde, Loris. Im Gegensatz zu dir habe ich zu tun. Bridget Greer ist auf dem Weg hierher, um eine Liste zu holen, die ich vorhin vergessen habe, ihr zu geben.“

„Ah, Bridget …“ Loris lachte, wie Bridget ihn nie zuvor hatte lachen hören. Es klang nachsichtig und verächtlich zugleich. „Ein süßes Ding. Ich halte sie mir warm, denn wenn es mit Pagan vorbei ist, könnte es mir durchaus gefallen, Bridget ein oder zwei Nächte lang in die Freuden des Sex einzuführen – darauf wird es vermutlich hinauslaufen. Es könnte sogar schon recht bald passieren. Pagan wird nämlich allmählich zu besitzergreifend. Ich schätze, Jordan wird mir einen neuen Auslandsauftrag geben müssen, wenn ich ihrer überdrüssig bin, so wie beim letzten Mal. Vielleicht überrede ich Bridget, mich zu begleiten.“

Bridget ließ die Hand sinken, die sie bereits erhoben hatte, um anzuklopfen. Die Bewegung lenkte Virginias Aufmerksamkeit auf sie. Die schönen grauen Augen ihrer Chefin spiegelten grenzenloses Bedauern, als sie Bridgets kummervollem Blick begegneten.

Betont heiter, allerdings mit einem sonderbar drängenden Unterton, sagte Virginia: „Pagan? Ist das nicht die Möchtegern-Schauspielerin? Oder ist sie Sängerin? Mir erscheint sie nicht gerade talentiert, aber sie hat eine gute Presse. Setz dich doch wieder, Loris. Ich muss dich unbedingt noch etwas fragen.“

Trotz des Schocks und der Demütigung begriff Bridget, dass Virginia ihr eine Möglichkeit geben wollte, sich unbemerkt zu entfernen, und sie nutzte die Chance.

Kein Wunder, dass ihr seine Küsse so beruhigend harmlos erschienen waren! Loris war nicht an ihr interessiert – und trotzdem wollte er sie sich „warmhalten“, bis er irgendwann von der anderen Frau genug hatte. Sie war für ihn lediglich ein Notbehelf!

Als Bridget eine halbe Stunde später ins Büro ihrer Chefin zurückkehrte, war sie kaum fähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Die Zeit war zu kurz gewesen, um den Schmerz zu überwinden.

„Sie brauchen sich nicht zu schämen, Bridget“, versicherte Virginia tröstend. „Sie sind nicht die Erste und werden auch ganz gewiss nicht die Letzte sein, die erkennen muss, welcher Charakter sich hinter den attraktiven Gesichtern der Stirling-Männer verbirgt. Ich habe Loris nicht gesagt, dass Sie das Gespräch zufällig mit angehört haben.“

„Ich war in ihn verliebt“, gestand Bridget leise.

„Ich weiß, aber weder mein Bruder noch meine Cousins sind fähig zu lieben, obwohl sie alle sich gern mit Frauen umgeben“, erwiderte Virginia resigniert. „Es tut mir leid, dass ich in letzter Zeit zu beschäftigt war, um zu merken, was los ist, ansonsten hätte ich Sie gewarnt. Doch die Dinge haben sich … Ich habe eine Idee! Nein, besser nicht. Es wäre zwar die Lösung meiner Probleme, aber für Sie ist es vermutlich nicht das Richtige. Andererseits müssen Sie eine Weile von hier fort, Bridget. Immerhin ist meine Unachtsamkeit – ganz zu schweigen von meinem Cousin – schuld an Ihrem Kummer … Sie sind fast so weit, selbstständig die Einkäufe im Ausland zu tätigen. Ich hatte allerdings vor, Sie zunächst nach Europa oder irgendeinen nicht ganz so exotischen Ort zu schicken. Wie fänden Sie es, an meiner Stelle nach Indien zu reisen? Ich werde Ihnen die Hintergründe genau erklären, aber zuvor müssen Sie schwören, niemandem auch nur ein Wort zu verraten, solange ich es Ihnen nicht erlaube.“

Ihre Chefin war eine nette Frau, doch Bridget hatte das ungute Gefühl, in eine Sache zu geraten, die weniger ihrem Vorteil als dem Virginias diente, zumal Virginia auch recht unbehaglich dreinblickte. Nichtsdestotrotz wäre ein Aufenthalt in Indien ein großer Schritt in Richtung der angestrebten Unabhängigkeit – ein Ziel, das sie wegen Loris vorübergehend aus den Augen verloren hatte.

„Natürlich werde ich schweigen“, versprach sie unsicher.

„Aber ich dachte, Ihre Reise nach Indien wäre bereits arrangiert.“

„Stimmt. Trotzdem kann ich nicht fliegen. Ich wünschte, ich wüsste, ob es richtig ist, Sie zu fragen.“Virginia klang verwirrt, ärgerlich und amüsiert zugleich. „Ich kann einfach nicht fassen, dass ausgerechnet mir das passiert ist. Dabei sollte ich wie alle anderen Stirlings sein. Wir verlieben uns nicht! Ich habe es jedenfalls nie getan, obwohl ich ein paar gute Beziehungen hatte. Nachdem ich einunddreißig geworden bin, ohne mein Herz zu verlieren, hätte man eigentlich meinen sollen, dass ich davor sicher bin, oder? Ich habe mich diesmal wirklich dagegen gewehrt, und deshalb muss ich nun meine Zuneigung beweisen.

Nach all meinem Widerstand und meinen Beteuerungen, dass für mich an erster Stelle die Arbeit käme, ist Mortimer meiner nicht mehr völlig sicher. Inzwischen habe ich jedoch vor meinen Gefühlen kapitulieren müssen und wünsche mir nichts mehr als sein Vertrauen, denn ich habe Angst, ihn zu verlieren. Er ist Reiseschriftsteller und muss zu einer Tagung in Amerika – genau zu dem Zeitpunkt, an dem ich mit dem Stoffeinkaufen in Indien beginnen soll. Ich möchte ihn begleiten, aber nach all der Arbeit, die die Leute investiert haben, wäre es den Mitarbeitern gegenüber unfair, wenn ich die Termine verschieben würde. Leider sind meine anderen Einkäufer bereits anderweitig beschäftigt … Ach Bridget, wir Frauen sind immer Opfer – nicht der Männer, sondern unseres Wesens. Und ich bin nicht sicher, ob mir das gefällt.“

Derartige Überlegungen waren Bridget fremd. In ihrer Verliebtheit wäre sie überglücklich gewesen, wenn Loris ihre Empfindungen erwidert hätte.

„Wollen Sie es deshalb geheim halten? Oder …?“ Ihr angeborenes Taktgefühl ließ sie verstummen, als ihr in den Sinn kam, dass der Mann vielleicht nicht frei war.

„Oder ist er verheiratet?“Virginia lachte.„Er und seine Frau haben sich vor vielen Jahren getrennt, bislang haben sie sich allerdings nie um eine Scheidung bemüht. Mortimer kümmert sich jetzt darum, aber ich will, dass unsere Hochzeit eine vollendete Tatsache ist, bevor ich irgendjemandem davon erzähle. Dann ist mein Bruder nämlich nicht in der Lage, sich einzumischen, und ich weiß, dass er das gern tun würde. Er ist so daran gewöhnt, über unser Leben zu bestimmen und sämtliche Entscheidungen für uns zu treffen. Wahrscheinlich würde er zu dem Schluss gelangen, dass ich einen Fehler begehe, insbesondere da Mortimer fünfzig ist. Ich habe gelernt, mich Jordan nicht anzuvertrauen, obwohl es eine Zeit gegeben hat, als ich ihm dankbar dafür war, dass er alles geregelt und uns aus Schwierigkeiten befreit hat. Er ist meinen allerersten Liebhaber losgeworden, als ich mit der Beziehung nicht mehr glücklich war, weil der Mann mich liebte und ich ihn nicht. Später fand ich heraus, dass mein nächster Freund, der nicht den Fehler gemacht hatte, sich in mich zu verlieben, von Jordan geschickt worden war, damit ich bei Laune bleibe. Ich war außer mir vor Wut, und danach finanzierte er mir ‚Ginny’s‘, um mich aus Ärger herauszuhalten und von Männern abzulenken. Er sagte, ich sei nie zufrieden.

Seither führe ich mein eigenes Leben und regele meine Affären ohne seine Hilfe. Und nun das! Ich erinnere mich, dass eine Frau, an der Jordan interessiert gewesen war, sich in den Kopf gesetzt hatte, in die Stirling-Familie einzuheiraten. Also provozierte sie ihren Ehemann so lange, bis er die Scheidung einreichte und sie frei war, ihren Plan in die Tat umzusetzen – das hat sie in einem Wutanfall selbst zugegeben, als Jordan sich von ihr trennte.

Nachdem er ihr unmissverständlich klargemacht hatte, dass er sie nicht ehelichen würde, wandte sie ihre Aufmerksamkeit sofort Loris’ älterem Bruder Adrian zu, ihr war jeder Stirling recht. Jordan kam ihr jedoch zuvor, indem er Adrian die Leitung der amerikanischen Niederlassung übertrug. Ich fürchte, er wird das Gleiche bei mir und Mortimer versuchen. Das kann ich nicht riskieren!“

Allmählich dämmerten Bridget die Zusammenhänge. Virginias Worten zufolge schien Jordan Stirling ein unbarmherziger Tyrann zu sein, wenn es um seine Familie ging.

Bridget mochte Virginia, und wenn sie schon selbst auf die Liebe verzichten musste, von der sie unsinnigerweise geträumt hatte, so konnte sie wenigstens Virginia helfen, ihre Zukunft zu retten. Also willigte sie in die Indienreise ein, voller Zuversicht, dass sie die Aufgabe bewältigen und sich als wertvolle Mitarbeiterin von „Ginny’s“ erweisen würde.

Nach ihrer Ankunft in Delhi hatte sie feststellen müssen, dass Virginia sich eigentlich noch immer auf ihren Bruder – oder vielmehr auf Stirling Industries – verließ. Abgesehen davon, dass sie das firmeneigene Haus nutzen konnte, hatte Mr. Bhandari, der Chef der indischen Unternehmensgruppe, darauf bestanden, persönlich sämtliche Reisearrangements für Bridget zu treffen. Ihre verlegenen Proteste hatte er mit der Bemerkung entkräftet, die gleichen Dienste würde er Virginia erweisen, wenn sie in seinem Land weilte.

In dieser Nacht waren die Erinnerungen an Loris besonders schmerzlich und hartnäckig. Sie quälten Bridget genauso heftig wie in den Tagen und Nächten vor ihrer Abreise. Glücklicherweise hatte er sich in diesem Zeitraum nicht bei ihr gemeldet – vermutlich aus Rücksicht auf die besitzergreifende Pagan. Seither hatten die fremde Umgebung und die Verantwortung für ihren neuen Job für Ablenkung gesorgt, aber nun begann der Kummer von neuem, ganz so, als hätte Jordan Stirlings Erscheinen alles aufgewühlt.

Zu ihrem eigenen Erstaunen war Bridget außerstande gewesen, um Loris zu weinen, doch selbst das hatte plötzlich ein Ende. Heiße Tränen stiegen ihr in die Augen und schnürten ihr die Kehle zu. Sosehr sie sich auch bemühte, Schmerz und Demütigung ließen sich nicht länger unterdrücken.

Das Haus lag am Stadtrand von Neu-Delhi, und wie schon oft hörte Bridget die Schakale auf den Hügeln heulen. Beim Klang der wahrhaft kummervollen Laute wurde sie auf einmal wütend auf sich selbst. Was war nur in sie gefahren, dass sie haltlos in die Kissen schluchzte – genau wie der einfältige Teenager, für den Jordan Stirling sie hielt?

Das Weinen hatte ihr jedoch Erleichterung verschafft und sie erschöpft, sodass sie gut schlief und am nächsten Morgen voller Tatendrang erwachte.

Natürlich war Jordan Stirlings Anwesenheit störend, aber vielleicht würden er und Wanda länger schlafen.

Wie üblich nahm Bridget ein Tablett mit einem Glas Mangosaft und einem Kaffeebecher hinaus auf die lange, überdachte Veranda hinter dem Haus. Der Garten war in strenge geometrische Muster aufgeteilt, gepflasterte Wege führten an dichten Rosenbüschen vorbei, die – wie man ihr gesagt hatte – fast das ganze Jahr über blühten. Trotz der frühen Stunde flirrte die Luft bereits vor Hitze.

Bridget hatte gerade das Glas abgestellt und griff nach dem Kaffeebecher, als Jordan Stirling auf der Veranda erschien. Er trug einen leichten Tropenanzug und eine Krawatte.

„Sie sind also immer noch hier.“ Achtlos warf er das Jackett über einen Stuhl und betrachtete Bridget herausfordernd. „Offenbar haben Sie Sita Menon eingeredet, dass sie auch am Vormittag nicht gebraucht würde. Ich schätze, Sie verzichten sogar aufs Frühstück.“

Empört sah sie ihn an, unfähig, den Blick von ihm zu wenden, obwohl ihre angeborene Schüchternheit sie normalerweise bewogen hätte, nach zwei Sekunden wegzuschauen. Er wirkte so stark und grimmig, aber sein energisches Auftreten stand in krassem Gegensatz zu dem erschöpften, zynischen Ausdruck in seinen grauen Augen – Augen, denen nichts entging und die nichts glaubten.

„Mir ist klar, dass ich Ihnen Ungelegenheiten bereitet habe“, räumte sie kühl ein. „Doch weder Sita noch ich wussten von Ihrer Ankunft. Mr. Bhandari hat nicht erwähnt, dass Sie kommen würden.“

„Er war nicht darüber informiert.“

„Hoffentlich erwarten Sie nicht, dass ich für Sie Frühstück mache“, spottete sie und fuhr versöhnlich fort: „Was ist mit Miss … Wanda? Liegt sie noch im Bett?“

„Keine Ahnung. Sie ist nicht hier“, erklärte er ruhig. „Sie hat es letztlich vorgezogen, in einem Hotel abzusteigen. Ihre Anwesenheit hat sie wohl gestört, oder vielleicht hatte sie einfach nur Angst, einen verderblichen Einfluss auf ein so junges Ding wie Sie auszuüben.“

„Haben Sie deshalb so schlechte Laune?“

Virginia hatte ihren Bruder als einen Mann geschildert, der es gewöhnt war, dass Frauen bereitwillig das Bett mit ihm teilten. Allerdings schien er seine Affären äußerst diskret zu handhaben, lediglich seine Liaison mit der Frau eines berühmten Rockstars hatte eine Zeit lang die Sensationspresse beschäftigt.

„Nein, das ist nicht Ihr Verdienst – offenbar kennen Sie den Begriff ‚Frustration‘ und spielen darauf an.“ Er schien sie plötzlich mit anderen Augen zu betrachten und zu glauben, sie wäre für seine männliche Ausstrahlung empfänglich. Seine Verachtung für ihre vermeintliche Schwäche war unübersehbar. „Ich bin jedoch nicht hier, um Ihre jugendliche Neugier zu befriedigen. Wenn ich das Haus verlasse, werde ich mir etwas zum Frühstück besorgen. Zuvor will ich aber mit Ihnen reden.“

Jordan hatte sich auf dem Stuhl ihr gegenüber niedergelassen und unterzog sie erneut einer eindringlichen Musterung. Erleichtert registrierte sie den abweisenden Zug um seinen Mund. Ihr war klar, dass sie auch an diesem Morgen wie eine Achtzehnjährige auf ihn wirken musste. Sie hatte das Haar zu einem lockeren Pferdeschwanz gebunden, aus dem sich bereits ein paar vorwitzige Strähnen gelöst hatten. Auf Make-up hatte sie gänzlich verzichtet, da sie festgestellt hatte, dass selbst ein leichtes Rouge binnen weniger Sekunden in der sengenden Hitze von Delhi schmolz. Sie trug ein weißes ärmelloses Baumwolltop zu einem kurzen, engen Rock in dunklem Pink. Die flachen Tennisschuhe in der gleichen Farbe betonten ihre zart gebräunten langen Beine. Als einzigen Schmuck hatte sie schlichte silberne Kreolen angelegt.

„Ich muss mich wohl oder übel damit abfinden, dass Sie tatsächlich für meine Schwester arbeiten“, begann er herablassend. „Ansonsten wären Sie nicht hier, denn Anand Bhandari hätte Ihnen nicht die Schlüssel ausgehändigt. Ich will daher wissen, wie Sie Virginia überlistet haben, Ihnen eines ihrer Lieblingsprojekte anzuvertrauen.“

„Ich habe nichts dergleichen getan“, protestierte Bridget empört. „Sie hat mich darum gebeten, weil sie etwas anderes vorhatte.“

„Und weshalb hatte sie etwas anderes vor?“

Diese Frage hatte Bridget gefürchtet. Sie war hin und her gerissen zwischen ihrer Abneigung gegen Lügen und ihrer Loyalität für Virginia.„Weil sie … sich verliebt hat.“ So viel durfte sie ihm gewiss verraten, oder?

Jordan Stirlings Lachen klang skeptisch. „Virginia verliebt sich genauso wenig wie ich. Dazu ist sie viel zu intelligent.“

„Was hat Intelligenz damit zu tun?“

„Eine ganze Menge, würde ich meinen.“ Er ließ seinen Blick sekundenlang auf ihrem Mund verweilen, dann presste er die Lippen zusammen. „Würden Sie jetzt bitte aufhören, meine Zeit zu verschwenden und mir wilde Geschichten aufzutischen? Heraus mit der Sprache! Warum hat Virginia ihre Pläne geändert?“

„Das erwähnte ich bereits. Es stimmt, dass …“ Angesichts seiner zweifelnden Miene atmete Bridget tief durch. „Mr. Stirling, ich habe so viel von der Wahrheit gesagt, wie ich konnte. Mehr darf ich nicht verraten, weil ich es Virginia versprochen habe.“

„Dann brechen Sie eben Ihr Versprechen“, verlangte er.

„Das kann ich nicht.“

„Warum nicht?“

„Ein Versprechen zu brechen …“

„Das macht doch jeder“, warf er ungeduldig ein.

„Ich jedenfalls nicht“, konterte sie. Sie war nicht wirklich schockiert, sondern vielmehr zutiefst verärgert über seine unglaubliche Skrupellosigkeit.

„Ich könnte Sie mühelos dazu bringen“, meinte er leise.

„Sie sind unmöglich“, rief sie. „Kein Wunder, dass alle Sie fürchten!“

„Was hat das damit zu tun?“, fragte er gereizt. Insgeheim musste Bridget zugeben, dass sie selbst nicht wusste, was sie zu dieser Äußerung bewogen hatte. „Und warum reagieren Sie plötzlich so emotional? Dachten Sie, ich wollte Ihnen drohen? Ich habe lediglich festgestellt, dass ich Sie durchaus dazu bringen könnte, mir die Wahrheit zu sagen – das ist allerdings eine Option, die ich mir für die Zukunft offenhalte. Noch leichter wäre es für mich herauszufinden, was Anand Bhandari darüber weiß.“

Falls Mr. Bhandari ihm die gewünschten Informationen geben könnte, würde das ihr Problem lösen, doch Bridget war nicht sicher, inwieweit Virginia sich dem Manager anvertraut hatte.

„Virginia sagte, sie würde vielleicht anrufen – bei dieser Gelegenheit könnten Sie selbst mit ihr sprechen“, schlug sie besänftigend vor.

„Können Sie sie nicht anrufen?“, drängte er, akzeptierte es jedoch kommentarlos, dass sie stumm den Kopf schüttelte. „Ist dies Ihr erster Besuch in Indien?“

„Ja.“

„Wer ist für Sie verantwortlich?“

„Verantwortlich?“, wiederholte sie verblüfft. „Wie meinen Sie das? Ich bin hier …“

„Haben Sie Familie in England? Eltern?“

„Natürlich.“ Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, was er mit diesen bohrenden Fragen bezweckte.

„So ‚natürlich‘ ist das gar nicht“, entgegnete er, und Bridget fiel ein, dass seine und Virginias Eltern zusammen mit Loris’ ums Leben gekommen waren. Jordan war damals achtzehn gewesen. „Was ist los mit ihnen, dass sie Sie allein durch die Welt reisen lassen?“

Trotzig hob sie das Kinn. „Sie wissen, dass ich auf mich aufpassen kann.“

„Ach wirklich? Haben Sie denn kein Heimweh?“, setzte er das unbarmherzige Verhör fort.

„Natürlich nicht.“

„Und warum haben Sie sich dann letzte Nacht die Augen ausgeweint? Für mich klang es nicht sonderlich zufrieden.“

Bridget errötete. „Sie hätten so tun können, als ob Sie es nicht gehört hätten“, beschwerte sie sich. „Jeder nette Mensch hätte sich so verhalten.“

„Ich bin nicht nett.“

„Damit erzählen Sie mir nichts Neues.“

„Also warum haben Sie geweint, wenn Sie doch so gut allein zurechtkommen?“

„Es ging um etwas Persönliches – etwas Privates“, erklärte sie.

„Vermutlich um ein gebrochenes Herz.“ Er verzog spöttisch die Lippen, und Bridget fragte sich, ob man das heiße Wutgefühl, das plötzlich in ihr aufwallte, wohl als Hass bezeichnen könne.

„Was wissen Sie denn schon von gebrochenen Herzen?“

„Nicht viel“, räumte er kühl ein. „Ich erinnere mich allerdings, ein paar von diesen Magazinen durchgeblättert zu haben, die meine Schwester als Teenager verschlungen hat. Auf der Ratgeberseite standen immer mehrere Zuschriften von Mädchen, die davon überzeugt waren, ihr Leben wäre zu Ende, weil der Junge ihrer Träume sie auf einer Party keines Blickes gewürdigt hätte.“

„Und daraufhin haben Sie begonnen, ihre Lektüre zu zensieren.“ Bridget verlor nur selten die Beherrschung, aber nun erkannte sie, wie prickelnd ein kleiner Temperamentsausbruch sein konnte. „Ich schätze, Sie haben einen dicken schwarzen Stift benutzt, um jede unliebsame Stelle zu tilgen. Sie hat mir erzählt, dass Sie sich überall eingemischt und über das Leben der anderen bestimmt haben.“

„Damals musste sich jemand um Virginias Leben kümmern“, teilte er ihr mit. „Zensur gehörte aber nicht dazu. Je mehr sie wusste, desto besser würde sie ihr eigenes Leben in den Griff bekommen – was sie inzwischen recht gut kann. Deshalb glaube ich auch kein Wort von Ihrer dramatischen Geschichte, dass sie sich verliebt habe. So dumm ist sie nicht. Wenn ich die Wahrheit also nicht von Bhandari erfahre, dann werden Sie Ihren Schwur brechen und mir alles berichten müssen. Bleiben Sie heute hier, oder gehen Sie aus?“

„Mir scheint, Sie versuchen noch immer, sie zu bevormunden, indem Sie in ihren Privatangelegenheiten herumschnüffeln“, erwiderte Bridget herausfordernd. „Ich habe einen Termin mit einem Mann, der am Connaught Place Stoff verkauft. Er will mich mit seinen Lieferanten bekannt machen. Virginia hat mir erzählt, dass sie sich gern umschaut und sich nicht jedes Mal auf die gleichen Leute verlässt. Später bin ich mit Mr. Bhandaris Frau verabredet.“

„Oh, Mirabai kümmert sich also um Sie“, sagte er ruhig. „Eines noch, Bridget: Ich möchte nicht, dass Sie in ein Hotel flüchten, weil ich jetzt hier bin und Fragen stelle. Bis ich die näheren Umstände von meiner Schwester erfahre, wünsche ich, dass Sie unter diesem Dach wohnen, wo ich ein Auge auf Sie haben kann – oder auf Virginias Interessen. Außerdem verlange ich detaillierte Berichte über Ihre Tätigkeit, da die indischen Modelle stets der Mittelpunkt ihrer Kollektionen waren und ich nicht dulde, dass Sie den Ruf meiner Schwester ruinieren.“

So viel Unverschämtheit verschlug ihr sekundenlang die Sprache. „Virginia hat mich persönlich ausgebildet!“

„Und nun sind Sie hier, um in ihrem Namen Geschäfte zu machen.“ Seine Stimmung wechselte unvermittelt. Er ließ den Blick auf Bridgets weißem Top verweilen, dann lächelte er so boshaft, dass ihr der Atem stockte.

Verwundert schaute sie an sich herab. „Oh!“

Sie war offenbar nach dem Aufstehen in Gedanken so mit ihren Plänen für den Tag beschäftigt gewesen, dass sie nicht darauf geachtet hatte, was sie anzog. Der rosa-weiß gestreifte BH schimmerte deutlich durch den dünnen Stoff des Tops.

„Wohin wollen Sie?“, erkundigte er sich unschuldig, als sie aufsprang.

„Ich will einen anderen BH anziehen, was sonst.“

„Ich habe doch gar nichts gesagt“, beteuerte er amüsiert. „Hautfarben wäre, glaube ich, am besten. Da zeichnet sich nichts ab.“

„Ich habe keinen.“ Weil sie ihr so praktisch und trist vorgekommen waren, hatte sie beim Einkaufen stets hautfarbene Dessous ignoriert und stattdessen frische, lebhaftere Farben bevorzugt. „Was verstehen Sie denn davon!“

Sein Lachen verfolgte sie, als sie hoch erhobenen Hauptes die Veranda verließ.Nie zuvor hatte sie einen so widerwärtigen Menschen getroffen.

2. KAPITEL

„Sie haben also die Nachricht erhalten.“ Jordan nickte Sita Menon zu, als er an diesem Abend ins Haus zurückkehrte und die Angestellte zusammen mit Bridget in der kühlen, geräumigen Küche vorfand.

„Ja, Sir.“ Die schlanke Frau um die dreißig lächelte ihn offen an. „Herzlich willkommen, Sie waren viel zu lange fort. Ihr Begrüßungsdinner wird übrigens unter Mitwirkung von Bridget zubereitet.“

„Welche Ehre!“

Trotz seines leicht spöttischen Tonfalls stockte Bridget angesichts seines Lächelns der Atem. Verärgert über ihre Reaktion, erwiderte sie trotzig: „Sie brauchen sich nicht geschmeichelt zu fühlen. Ich hätte Sita Menon auch geholfen, wenn Sie nicht hier wären.“

Ihr Angebot, bei der Zubereitung der Mahlzeit zu helfen, war keineswegs als Friedensangebot gemeint gewesen, doch nun kam es ihr in den Sinn, dass diese Geste vielleicht dazu beitragen könnte, eine angenehmere Atmosphäre zwischen ihr und dem Mann zu schaffen, mit dem sie vorübergehend unter einem Dach wohnen musste.

Bridget war von Natur aus friedfertig und fand normalerweise immer eine Entschuldigung für das schlechte Benehmen ihrer Mitmenschen. Jordans Verärgerung war nur zu verständlich – immerhin hatte er entdeckt, dass seine Schwester ein Geheimnis umgab und ihre Vertreterin sich weigerte, ihn darüber aufzuklären.

Er wandte seine Aufmerksamkeit Bridget zu. „Sie können kochen?“, fragte er gelangweilt.

„Und essen“, ergänzte sie eingedenk seiner Anspielungen auf ihre vermeintliche Magersucht. „Ich war ein paarmal mit Sita einkaufen, und sie hat mich einige indische Gerichte gelehrt – nur ganz einfache, versteht sich. Heute Abend gibt es Tandoori-Hühnchen. Sie sagte, Sie würden es mögen.“

„Ja.“ Versonnen betrachtete er ihr jugendliches Gesicht.

„Kann Sita den Rest des Abends freinehmen?“, fuhr sie rasch fort, um seinen Stimmungsumschwung auszunutzen. „Sie muss uns doch nicht bedienen, oder? Ich habe Ihnen erzählt, dass sie einen Verwandten im Krankenhaus hat, erinnern Sie sich? Mir würde es nichts ausmachen, das Dinner aufzutragen.“

„Sie essen mit mir?“, erkundigte er sich prompt.

Obwohl Bridget der Gedanke, mit Jordan allein zu sein, überhaupt nicht behagte, stand für sie Sitas Notlage im Vordergrund. „Wenn ich darf“, sagte sie bescheiden.

Er lachte. „Aber ja. Ich bin gleich wieder bei Ihnen. Vorher muss ich nur kurz duschen.“

Das ist zumindest ein Anfang, dachte sie erleichtert.

„Danke, Bridget“, meinte Sita lächelnd. „So kurz nach seiner Ankunft hätte ich ihn nicht gern darum gebeten, aber mein Neffe verlässt sich auf mich, nachdem der Arzt meiner Schwester für den Rest ihrer Schwangerschaft strenge Bettruhe verordnet hat und mein Schwager zu einem Manöver musste. Wenn ihn niemand besucht, langweilt der Junge sich zu Tode und versetzt mit seinen Streichen die ganze Station in Aufruhr.“

„Der arme Kleine.“ Bridget war über den Unfall des Neffen bestens informiert. „Vielleicht besuche ich ihn auch einmal.“

Sita hatte sich bereits verabschiedet, als Jordan zurückkam. Er trug eine lässig-elegante Hose und ein Hemd mit offenem Kragen.

„Haben wir noch Zeit für einen Drink?“, fragte er Bridget, die im Wohnraum auf ihn gewartet hatte. „Ich trinke hier keinen hochprozentigen Alkohol“, fuhr er auf ihr Nicken hin fort. „Der Scotch in der Küche dient nur dazu, Kratzer und Schnittwunden zu desinfizieren. Man hat Sie hoffentlich gewarnt, dass in dem heißen Klima jede Verletzung gefährlich sein kann. Haben Sie schon einmal indischen Wein probiert? Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob Sie überhaupt …“

„Für wie alt halten Sie mich eigentlich?“, unterbrach sie ihn empört.

Er blickte sie amüsiert an. „Ich hatte nicht auf Ihr Alter angespielt. Sie sind jedoch zum ersten Mal in Indien, und falls Sie sich noch nicht akklimatisiert haben, sollten Sie sich besser auf Softdrinks beschränken. Sie müssen viel trinken. Kämpfen Sie nicht gegen die Hitze an. Geben Sie ihr nach, lassen Sie es langsam angehen, vergessen Sie die Mode, und achten Sie auf Bequemlichkeit. Aber wie ich sehe, achten Sie ohnehin nicht auf modische Trends – obwohl es ein sehr hübsches Kleid ist und Ihnen steht. Sonderbar für jemanden, der bei ‚Ginny’s‘ arbeitet.“

Er würde alles verderben. Bridget hatte sich bei ihm entschuldigen wollen, weil sie voreilige Schlüsse gezogen hatte, doch die letzte Bemerkung machte alle guten Vorsätze zunichte.

„Vielleicht folgt man in Ihren altmodischen Kreisen einem anderen Trend. Sie sind der unhöflichste, überheblichste Mann, dem ich je begegnet bin“, erklärte sie wütend. „Wie kommen Sie überhaupt auf die Idee, dass ich Ihre Ratschläge brauche?“

„Weil nach meiner Erfahrung die meisten Menschen unfähig sind, in einer fremden Umgebung auf sich aufzupassen. Warum sollte ein so unschuldiges Ding wie Sie darin eine Ausnahme bilden?“

„Also glauben Sie, Sie müssten sich um sie kümmern. Die meisten Menschen würden es jedoch vorziehen, ihre eigenen Fehler zu begehen.“

„Das lasse ich sie normalerweise auch.“

„Aber nicht, wenn es Ihre Familie betrifft.“

„Das ist etwas anderes“, erwiderte er gereizt. „Wie wäre es mit einem Glas Wein, Bridget? Ich habe heute übrigens zufällig Anand Bhandari getroffen. Sie haben ihn zutiefst beeindruckt. Er sprach von Ihnen nur als von dem ‚hübschen jungen Mädchen‘.“

„Oh.“ Sie strahlte vor Freude. „Wie nett von ihm.“

„Ich finde, er war eher ehrlich als nett“, bemerkte Jordan. „Sie werden bestimmt einmal eine Schönheit, wenn Sie erst ausgeglichener und reifer geworden sind. Sie könnten viel aus sich machen.“

„Muss denn in jeder Ihrer Äußerungen eine Spitze verborgen sein?“, beschwerte sie sich und nahm das Weinglas entgegen, das er ihr reichte. „Konnte Mr. Bhandari Ihnen weiterhelfen, was Virginia betrifft?“

„Nein, nicht im Mindesten. Sie hat ihm lediglich mitgeteilt, dass sie ihre eigene Reise absagen müsse und stattdessen Sie schicken würde.“ Jordan runzelte die Stirn. „Ich kann einfach nicht fassen, dass sie so dumm ist, das, was ihr an ihrem Job am meisten gefällt, zu opfern, nur weil sie sich einbildet, verliebt zu sein. Sie weiß eindeutig nicht, was sie tut, sonst hätte sie kein Kind wie Sie als Einkäuferin hergeschickt.“

„Danke“, erwiderte Bridget trocken. „Ich habe tatsächlich eine Ausbildung als Einkäuferin absolviert, und Virginia hätte mich spätestens nächstes Jahr nach Übersee fliegen lassen.“

„Trotzdem hat sie sich stets selbst um den indischen Markt gekümmert – genau wie ich und meine Cousins es für Stirling Industries getan haben, sobald die Anwesenheit eines Firmenvertreters erforderlich war. Mein Großvater war vor der Unabhängigkeit Ingenieur in Indien, mein Vater und seine Brüder wurden hier geboren. Ich war zwar erst zwölf, als der alte Herr starb, aber selbst mein jüngster Cousin, der damals fünf Jahre alt war, erinnert sich an die Geschichten, die unser Großvater erzählte. Ich schätze, irgendetwas davon hat sich in uns festgesetzt und zieht uns immer wieder her, obwohl es heute ein ganz anderes, in vieler Hinsicht besseres Indien ist.“

„Daher auch dieses Anwesen?“, fragte Bridget zögernd. „Ich habe mir das Gästehaus einer Firma immer ganz anders vorgestellt.“

„Ja, früher diente es als Stadtresidenz eines eher unwichtigen Mitglieds der Rajput-Dynastie. Ihnen ist bestimmt die in die Haustür geschnitzte Sonne mit den gewundenen Strahlen aufgefallen. Viele der bedeutenderen königlichen Stadtresidenzen in der Umgebung beherbergen heute Botschaften. Falls Sie beabsichtigen, in Rajasthan Stoffe zu kaufen, sollten Sie bei den ehemaligen Besitzern wohnen. Nennen Sie mir den Termin, und ich werde Chiranji informieren.“

„Diese wundervoll hellen, ineinander verschlungenen Muster …“ Bridget war plötzlich jedoch mehr an Jordan interessiert, nachdem er die hochmütige Haltung abgelegt hatte. „Warum sind Sie eigentlich hier?“

„Wegen einiger Fabriken, die wir unlängst erworben haben. Die gegenwärtigen Sicherheitsstandards entsprechen zwar den Bestimmungen, aber ich will mich vergewissern, dass Katastrophen ausgeschlossen sind. Also muss ich die Betriebe besichtigen, und Anand kann später die Verbesserungen vornehmen lassen, die ich für notwendig erachte.“

„Ich habe schon gehört, dass Sie sich lieber persönlich um diese Dinge kümmern.“ Ein kummervoller Ausdruck huschte über Bridgets Gesicht, als sie sich daran erinnerte, dass Loris ihr davon berichtet hatte. Sie stand auf. „Ich glaube, wir können essen. Wenn ich das Hühnchen nicht gleich serviere, ist es nicht mehr so gut. Mein Tuning lässt noch zu wünschen übrig.“

„Wollen Sie etwa öfter für mich kochen?“ Jordan erhob sich ebenfalls und folgte ihr.

„Machen Sie sich keine falschen Hoffnungen!“

„Nicht bevor ich Ihr erstes Werk probiert habe.“ Sein charmantes Lächeln passte überhaupt nicht zu dem Bild eines zynischen Tyrannen, das Bridget sich von ihm gemacht hatte.

„Wie finden Sie es?“, erkundigte sie sich, nachdem sie die Mahlzeit in dem eleganten, ganz im westlichen Stil möblierten Speiseraum begonnen hatten. Gleich darauf bereute sie ihre Neugier, denn sie wollte keinesfalls, dass er den Eindruck gewann, seine Meinung sei ihr wichtig.

Jordan betrachtete sie versonnen. „Wie viel haben Sie dazu beigetragen und wie viel Sita? Ich frage mich, was dahintersteckt? Ist Ihnen womöglich klar geworden, dass Sie mich weder ablenken noch verführen können? Haben Sie deshalb beschlossen, mich mit Ihren Kochkünsten zu betören, damit ich nicht länger den Motiven meiner Schwester nachspüre?“

Bridget war der Verzweiflung nahe. Trotzdem hatte sie die Kraft, seinem Blick ruhig zu begegnen. „Warum, um alles in der Welt, sollte ich Sie verführen wollen?“

„Nun, zunächst aus den bereits genannten Gründen – um mich daran zu hindern, lästige Fragen über Virginia zu stellen. Außerdem dürften Sie in dem Alter sein, in dem ein Mädchen denkt, es müsse unbedingt Erfahrungen sammeln. Sie wären nicht die Erste, die mir deshalb schöne Augen macht.“

„Erfahrungen um jeden Preis?“, rief sie fassungslos. „Ich nicht!“

„Wenn ich das glauben soll, müssen Sie aufhören, mir viel sagende Blicke zuzuwerfen“, riet er ihr kühl. „Nicht, dass Ihnen das etwas bringen würde … Ich bin nicht daran interessiert, unschuldige Mädchen in die Kunst der Liebe einzuführen. Was haben Sie überhaupt damit bezweckt?“

„Ich hatte zumindest die Hoffnung, dass Sie nach einer ordentlichen Mahlzeit menschlich genug sein würden, das Versprechen zu respektieren, das ich Virginia gegeben habe“, erwiderte sie resigniert. „Ich habe mich wohl getäuscht. Nun werden Sie auf eine Erklärung warten müssen, bis sie anruft.“

„Falls sie anruft“, korrigierte er sie und wechselte unvermittelt das Thema. „Wie alt sind Sie?“

„Einundzwanzig.“ Bridget konzentrierte sich auf das köstliche Hühnchen auf ihrem Teller.

Jordans unverhohlenes Erstaunen war nicht gerade schmeichelhaft. „Ich dachte, Sie wären ungefähr achtzehn und würden noch bei Ihren Eltern leben.“

„Vielleicht erkennen Sie jetzt, dass Sie sich auch in vielen anderen Punkten geirrt haben“, entgegnete sie.

„Trotzdem finde ich, Ihr Alter bedeutet gar nichts. Im Gegenteil, dadurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass Sie entweder Ihre Neugier befriedigen wollen oder auf eine günstige Gelegenheit warten, die Sie unwiderruflich zu einer erwachsenen Frau macht.“

„Ich versichere Ihnen, dass ich in Bezug auf Sie nicht die geringste Neugier hege, und ich begreife nicht, warum Sie sich mit vierunddreißig für etwas Besseres halten! Das Alter macht Sie nur zynisch, unmoralisch und … und gelangweilt!“

„Sie meinen, gelangweilt von Frauen? Noch nicht, meine Liebe. Noch lange nicht.“

„Das glaube ich gern – nach Wanda und der Schar Ihrer weiblichen Verehrerinnen zu urteilen, die hier aufgetaucht sind, seit sie gemerkt haben, dass das Haus bewohnt ist. Es war eine Stewardess darunter, jemand von der Botschaft und eine junge Dame vom Rundfunk.“

Ein amüsiertes Funkeln trat in seine Augen. „Sind Sie sehr schockiert?“

„Warum sollte ich? Obwohl sie nichts dergleichen erwähnten, schienen sie alle Singles zu sein – im Gegensatz zu Troy Varney“, fügte sie spontan hinzu. Die Frau des berühmten Rockstars galt als eine der bezauberndsten Schönheiten Englands.

Sogleich wurde Jordan wieder ernst und presste die Lippen zusammen. „Das hat Sie also schockiert“, spottete er. „Erwarten Sie, dass ich mich deshalb verteidige, Bridget?“

„Nein!“

„Kluges Mädchen.“ Ein drohender Unterton schwang in seiner Stimme mit und warnte sie, sich noch weiter auf verbotenes Terrain vorzuwagen. „Sagen Sie mir eines: Ist der Mann verheiratet, in den Virginia angeblich verliebt ist?“

„Er lebt seit Jahren von seiner Frau getrennt.“ Sie hoffte inständig, dass Virginia diese Auskunft nicht als Verrat betrachten würde, immerhin schien Jordan aufrichtig besorgt.

Er wirkte erleichtert. Wahrscheinlich konnte man die Art und Weise, wie er das Leben seiner Verwandten bestimmte, als Fürsorglichkeit beschreiben, wenngleich er es dabei fast bis zur Einmischung und Bevormundung trieb. Auf Grund seiner eigenen Affäre mit Troy Varney konnte er eigentlich keine moralischen Einwände gegen Virginias Verhältnis mit einem verheirateten Mann erheben, also wollte er ihr vermutlich nur den Kummer ersparen, der unweigerlich mit Beziehungen verbunden war, in denen ein Partner nicht frei war.

Im weiteren Verlauf der Mahlzeit befragte Jordan sie über die Materialien, die sie für ‚Ginny’s‘ ordern wollte. Obwohl Bridget das Gefühl hatte, dass er sie auf die Probe stellen wollte, antwortete sie bereitwillig. Sie zählte die Muster und Besonderheiten der einzelnen Stoffe auf, die in verschiedenen Bundesstaaten produziert wurden.

„Ein beeindruckender Vortrag“, lobte Jordan.

Sie lachte. „Ich wollte lediglich Ihre Zweifel ausräumen.“

„Sie kennen sich ein bisschen aus, aber ich traue Ihnen noch immer nicht, Bridget. Also werde ich Sie weiterhin im Auge behalten, zumindest so lange, bis Virginia mir versichert hat, dass Sie sie nicht irgendwie zu dieser Dienstreise überredet haben.“

„Mein Wort darauf genügt Ihnen demnach nicht?“

„Ich kenne Sie nicht“, wandte er ein.

„Während Sie von der Ehrlichkeit Ihrer Familie überzeugt sind“, folgerte sie bitter. Loris hatte sie irregeführt, zugegeben, nicht mit Lügen, sondern dadurch, dass er die andere Frau in seinem Leben verschwiegen hatte. „Sita sagte, dass Sie keine Desserts mögen. Wie wäre es mit einem Kaffee?“

„Den mache ich. Sie haben schließlich gekocht.“

Es wurde bald deutlich, dass er diese Aufgabe übernommen hatte, weil er sich um das Aufräumen hatte drücken wollen. Jordan Stirling fühlte sich sichtlich unwohl in der Küche.

„Sie sind ein Tollpatsch“, schalt Bridget sanft.

Jordan sah sie lächelnd an. „Eine ziemlich altmodische Bemerkung für jemanden Ihres Alters – die Sie übrigens noch jünger wirken lässt. Warum werden Sie denn so rot?“

Er griff an ihr vorbei und zog leicht an dem langen, glänzenden Zopf, eine Geste, die sie völlig aus der Fassung brachte. Bridget war wie gelähmt und sah ihn an. Sie spürte seine schmalen Finger auf ihrem Nacken. Ein Schauer durchrann sie, ein höchst angenehmes Prickeln, das sie jedoch zugleich ärgerlich und peinlich fand.

„Daran sind nur Sie schuld. Ich bin einfach nicht gewöhnt, mit jemandem zusammenzuleben“, verteidigte sie sich und errötete dabei noch mehr.

Jordan ließ die Hand sinken. „Es ist doch gar kein richtiges Zusammenleben. Ansonsten wäre es wie eine Offenbarung für Sie, glauben Sie mir.“

„Ich meinte, ich bin nicht gewöhnt, das Haus mit einem Fremden zu teilen“, korrigierte sie sich. „Es macht Ihnen wohl Spaß, mich in Verlegenheit zu bringen, oder?“

„Nach Ihrer Reaktion zu urteilen, finden Sie die ganze Situation offenbar peinlich oder unschicklich.“ Er betrachtete angelegentlich ihren Haaransatz. „Entspannen Sie sich. Wie ich schon sagte, ich bin nicht an jungen, unberührten Mädchen interessiert, gleichgültig, wie schön sie einmal sein werden. Sie brauchen also keine Anstandsdame.“

Sein gönnerhafter Ton weckte ihren Widerspruchsgeist. „Sind Sie denn sicher, dass Sie keine brauchen, Jordan?“

„Ich denke, ich werde damit fertig, falls Sie in einer Anwandlung mädchenhafter Lust über mich herfallen.“ Ein herausforderndes Lächeln umspielte seine Lippen. „Nichtsdestotrotz rate ich Ihnen, sich keine Flausen in den Kopf zu setzen, was mich betrifft, Süße. Sie wären nämlich gar nicht damit zufrieden, wie ich mit Zuneigung oder Neugier umgehe.“

„Sie …“ Bridget suchte verzweifelt nach den richtigen Worten. „Sie arroganter … Ich würde nie …!“

„Wie bitte?“ Er gab vor, sie nicht zu verstehen. „Sie reden ein wenig wirr. Beruhigen Sie sich, Kleines. Da ich Ihnen im Weg stehe, lasse ich Sie nun allein.“

Bridget konnte sich jedoch nicht beruhigen. Nie zuvor war ihr ein so unverschämter Mensch begegnet. Ihr Zorn wurde zudem von ihrer Verwirrung über die köstlichen Wonnen geschürt, die sie bei der Berührung durch Jordans Finger empfunden hatte.

Als der Kaffee fertig war, trug sie ein Tablett ins Wohnzimmer. Jordan saß auf dem Sofa und blätterte in der Zeitung. Am liebsten hätte sie das Geschirr auf den kleinen Tisch neben ihm geknallt, doch aus Rücksicht auf die kostbare Einlegearbeit aus Halbedelsteinen, die dessen Oberfläche schmückte, verzichtete sie darauf.

„Trinken Sie keinen?“, fragte Jordan nach einem kurzen Blick auf das einzelne Gedeck.

„Nicht mit Ihnen“, erklärte sie kühl. „Ich habe Ihnen den Kaffee nur gebracht, weil ich Sie vorhin aus der Küche geschickt habe.“

„Wie ungemein rücksichtsvoll von Ihnen! Zieht es Sie in Ihr einsames Bett, damit Sie wieder um Ihre verlorene Liebe weinen können?“

„Nein“, behauptete Bridget nachdrücklich.

„Darf ich Ihnen noch einen kostenlosen Rat mit auf den Weg geben? Ich bin überzeugt, dass sich alles irgendwann wieder ausgleicht. Das nächste Mal wird jemand Ihretwegen leiden, und selbst wenn der Bursche, um den Sie gerade weinen, nicht um Sie trauert, wird er es eines Tages wegen einer anderen tun.“

Jordan würde nicht so reden, wenn er wüsste, dass sein Cousin Loris an meinen Tränen schuld ist, überlegte Bridget. Er kennt Loris zu gut, um diese Möglichkeit überhaupt in Betracht zu ziehen. Stirling-Männer sind alle gleich.

„Eine schreckliche Aussicht.“ Spontan ließ sie sich auf die Knie nieder und schenkte den Kaffee ein.

Jordan sah sie verwundert an. „Mehr Rache kann niemand verlangen.“

„Ich will keine Rache“, beharrte sie. „Ich möchte nicht, dass jemand meinetwegen leidet, weil ich … Das wünsche ich niemandem.“

„Sie sind unglaublich! Also wirklich, Bridget, sich nicht zu wünschen, dass derjenige, der einem Schmerzen zugefügt hat, das Gleiche durchmachen muss, ist doch unnatürlich.“

„Das wird ihm nie passieren“, erwiderte sie leise. „Milch und Zucker?“

Sein raues Lachen veranlasste sie, den Kopf zu heben. Sie waren einander sehr nahe, so nahe, dass sie die Poren in seiner sonnengebräunten Haut und den leichten Anflug von Bartwuchs auf seiner Oberlippe sehen konnte. Jordan erwiderte ihren Blick.

„Sie glauben tatsächlich, dass wir Männer hilflose Wesen sind, oder? Ich kenne niemanden, und mag er auch noch so gutmütig sein, der mich bedienen würde, insbesondere dann nicht, wenn er so wütend auf mich wäre, dass er mir nicht einmal Gesellschaft leisten will. Sie hingegen tun es ganz instinktiv, ohne nachzudenken …“ Er verstummte, als er ihre verwunderte Miene bemerkte. „Ich bin durchaus im Stande, Milch in meinen Kaffee zu gießen und umzurühren, Bridget.“

Sie erhob sich. „Sie haben recht, ich habe nicht nachgedacht“, bestätigte sie abweisend und verließ das Zimmer, gefolgt von Jordans leisem Lachen.

Sein Spott tat weh, und sie war überzeugter denn je, dass Jordan Stirling das herzloseste Monster auf Erden war. Umso beschämender war daher der lustvolle Schauer, der sie bei seiner Berührung überlaufen hatte.

Bridget fand in dieser Nacht zwar kaum Schlaf, aber wenigstens kamen auch keine Tränen mehr – sie war so damit beschäftigt, Jordan zu hassen, dass sie keine Zeit hatte, an Loris zu denken. Jordan war noch schlimmer als Loris. Loris hatte immerhin nett gewirkt, während Jordan von Anfang an taktlos gewesen war und keinerlei Rücksicht auf ihre Gefühle genommen hatte.

Irgendwann am frühen Morgen wurde Bridget vom Läuten des Telefons geweckt. Bevor sie aber völlig aufgewacht war, herrschte wieder Stille im Haus, und sie schlief erneut ein.

Als sie später herunterkam, traf sie Sita in der Küche an.

„Saft und Kaffee stehen schon auf der Veranda für Sie bereit, Bridget“, sagte die Haushälterin. „Mr. Stirling frühstückt ebenfalls draußen.“

Bridget seufzte. In welcher Stimmung mochte sie ihn heute vorfinden? Rasch vergewisserte sie sich, dass nichts von ihrer Unterwäsche durch das dünne Baumwollkleid schimmerte. Es war ganz in dunklem Beige gehalten, mit zarter Stickerei, wadenlang und ärmellos.

Wie es schien, fesselte jedoch an diesem Morgen ihr Gesicht Jordans Aufmerksamkeit.

„Sie sind eine der wenigen Frauen über zwanzig, die auch ohne einen Hauch von Make-up gut aussehen.“ Vielleicht ein Kompliment, doch Bridget vermutete eher, dass er es gewöhnt war, Frauen zu begutachten und notfalls auch zu kritisieren. „Meine Schwester hat angerufen.“

„Oh.“ Bridget lächelte ihn hoffnungsvoll an. „Hat sie Ihnen etwas erzählt?“

„Ja“, bestätigte er grimmig. „Nachdem sie den Schreck darüber verwunden hatte, mich hier anzutreffen. Wie es scheint, haben Sie recht. Die Närrin glaubt tatsächlich, sie hätte sich verliebt. Das war auch der Grund, weshalb sie die Indienreise abgesagt und Sie stattdessen hergeschickt hat – obwohl ich mir noch immer nicht sicher bin, wie viel Druck Sie dabei ausgeübt haben. Nun ja, momentan kann ich nicht viel unternehmen, da sie sich geweigert hat, mir zu sagen, wo sie sich aufhält. Ich weiß nur, dass sie irgendwo in den Staaten ist. Sie wollte mit Ihnen sprechen, doch ich musste sie auf später vertrösten, weil Sie noch schliefen. Virginia hat sich im Zeitunterschied geirrt, war allerdings zu clever, mir zu verraten, in welcher Zeitzone sie ist.“

„Sie hätten mich wecken können“, wandte Bridget ein. „Vielleicht wollte sie mir etwas Wichtiges mitteilen.“

„Dann hätte sie es mir sagen können, ich hätte es weitergeleitet.“

„Ich bin nicht mit Ihnen verwandt. Sie brauchen mein Leben nicht für mich zu organisieren.“

Bridget war von seinem plötzlichen Sinneswandel so verwirrt, dass sie das Gefühl hatte, ihre Unabhängigkeit verteidigen zu müssen, ansonsten würde er künftig über sie und ihr Leben bestimmen.

Er zuckte die Schultern. „Virginia scheint anderer Meinung zu sein. Sie hat mich gebeten, mich um Sie zu kümmern.“

„Dazu hatte sie kein Recht“, protestierte Bridget.

„Ich versichere Ihnen, dass mir dieser Wunsch ebenso lästig ist wie Ihnen, andererseits hatte ich ohnehin vor, Virginia zuliebe ein Auge auf Sie zu haben. Ich werde nicht zulassen, dass Sie das Geschäft meiner Schwester ruinieren! Sie hat übrigens bestätigt, dass Sie kürzlich in der Liebe enttäuscht wurden.“ Als er Bridgets Entsetzen bemerkte, lächelte er verächtlich. „Keine Sorge, sie hat mir peinliche Details erspart … Sie war viel zu beschäftigt damit, sich selbst und mir einzureden, dass sie Ihnen mit der Reise einen Gefallen erwiesen habe. Ich schätze, Sie haben sie auf diese Idee gebracht, als sie Bedenken äußerte. Ich habe nie begriffen, inwiefern ein so genannter ‚Tapetenwechsel‘ ein gebrochenes Herz kurieren kann. Falls es gebrochen ist, ist es überall auf der Welt gebrochen und braucht Zeit zum Heilen. So richtig ist Virginia von ihrer Theorie nicht überzeugt, ihre Zweifel und ihr schlechtes Gewissen waren unüberhörbar. Deshalb wohl der Wunsch, ich solle auf Sie aufpassen. Sie mögen die Vernarrtheit meiner Schwester in diesen Mann und Ihren eigenen Liebeskummer dazu benutzt haben, diese Reise zu ergattern, aber Virginia nutzt Sie ebenfalls aus.“

„So wie alle Mitglieder Ihrer Familie Menschen manipulieren“, konterte sie bitter.

„Was ist daran falsch?“ Offenbar nahm Jordan für sich das Recht in Anspruch, seine Verwandten zu kritisieren, doch Außenstehenden war dies nicht gestattet. „Wenn die Leute dumm genug sind, sich manipulieren zu lassen?“

„Warum soll man dann von dieser Schwäche nicht profitieren?“, folgerte Bridget. „Manche Menschen sind nicht so zynisch wie …“

„Manche Menschen sind einfach viel zu vertrauensselig“, unterbrach er sie.

„Das ist kein Grund, sie zu verurteilen.“ Nur mit Mühe konnte sie ihren Zorn im Zaum halten. „Wo wären Sie denn in einer Welt voller Zyniker? Wenn es keine Menschen gäbe, die sich ausnutzen lassen, hätten sich Ihnen nicht halb so viele Frauen an den Hals geworfen. Und was ist mit Ihrem Erfolg und dem von Stirling Industries?“

Seine Miene wurde abweisend.„Ich würde nie die Verdienste meiner Vorfahren leugnen …“

„Das weiß ich, und ich hätte es nicht sagen dürfen“, lenkte sie ein. „Ihre Branche langweilt mich eigentlich, aber ich lese darüber und informiere mich. Überall erzählt man sich, dass Engagement, Initiative, Integrität und Sorge für das Personal Stirling Industries so groß gemacht haben. Und das war Ihr Verdienst, oder? Früher war es nur eine kleine Firma. Ich dachte, Ihr Großvater hätte sie gegründet, doch Sie erwähnten, dass er hier Ingenieur war. Demnach hat Ihr Vater das Unternehmen aufgebaut?“

Jordan nickte. „Er und sein jüngerer Bruder. Gewiss hätten sie irgendwann expandiert, aber die beiden wurden zusammen mit meiner Mutter und meiner Tante getötet, als ich achtzehn war. Mein jüngster Cousin war erst elf und die anderen beiden irgendwo dazwischen. Als es passierte, waren die vier auf dem Weg nach Indien, um Urlaub zu machen.“ Er blickte auf seine halb volle Kaffeetasse und schien einen Moment lang in Erinnerungen versunken.

Bridget hätte am liebsten die Hand ausgestreckt und ihn berührt. Er war so einsam – und das seit seinem achtzehnten Lebensjahr. Nie hatte er den Kummer der anderen drei, Virginia, Loris und Adrian, teilen können, weil er sie hatte trösten müssen. Viel zu früh war er zum Familienoberhaupt und Firmenchef geworden.

Zögernd begann sie: „Ich hätte nicht …“

„Nein, das hätten Sie wirklich nicht“, bestätigte Jordan scharf und wechselte unvermittelt das Thema. „Was haben Sie heute vor?“

„Nicht viel – und morgen auch nicht, abgesehen von einem Höflichkeitsbesuch in der Botschaft. Virginia sagt, das sei so üblich. Sie können sich also entspannen. Vor Montag habe ich keine Gelegenheit, ‚Ginny’s‘ zu ruinieren. Dann fahre ich nach Madras, um Baumwollstoffe zu begutachten.“

„Sofern ich meine Geschäftstermine verschieben kann“, schränkte er ein. „Wie gut kennen Sie sich in Delhi aus?“

„Ein bisschen“, erwiderte sie vorsichtig. „Mrs. Bhandari und Sita haben mich ein wenig herumgeführt, und die Taxifahrer waren erstaunlich hilfsbereit.“

„Sie brauchen nicht mit dem Taxi zu fahren. Ich werde Anand anweisen, Ihnen einen Wagen mit Chauffeur zur Verfügung zu stellen.“

„Ich …“

„Ich will lediglich vermeiden, dass Sie unnötige Risiken eingehen. Trinken Sie Ihren Kaffee, damit wir aufbrechen können, bevor es zu heiß wird.“

„Sie müssen mich nicht begleiten!“

„Da meine Schwester vorübergehend den Verstand verloren hat, bin ich für ihr Geschäft verantwortlich, und dazu gehört auch, dafür Sorge zu tragen, dass ihre Angestellten wissen, was sie tun“, verkündete er herablassend.

Bridget war fassungslos. Vielleicht brauchte er jemanden, den er herumkommandieren und bevormunden konnte, wenn seine Schwester und Cousins nicht in der Nähe waren. Nach all den Jahren musste es ihm zur zweiten Natur geworden sein.

„Wird Wanda nicht …?“

„Wanda kann auf sich selbst aufpassen. Außerdem sehe ich sie später ohnehin.“

„Ich kann auch auf mich aufpassen. Ich brauche Sie nicht. Sie und Virginia irren sich beide“, beteuerte Bridget. „Aber da Sie so freundlich waren, mir eine Besichtigungstour anzubieten, nehme ich das Angebot natürlich dankend an, Jordan.“

Er lachte leise. „Ich muss nur noch meinen Cousin Adrian in Amerika anrufen.“ Jordan stand auf. „Ich glaube zwar nicht, dass Virginia sich bei ihm gemeldet hat, aber das überprüfe ich lieber.“

Er blieb unter einem der kunstvoll geschnitzten Holzbögen der Veranda stehen und schaute auf den Garten, in dem Rosen in üppiger Pracht blühten. Ein Sonnenstrahl fiel auf sein Haar und tauchte es in schimmerndes Blauschwarz.

„Jordan?“

Beim Klang ihrer Stimme wandte er sich zu ihr um, und Bridget stockte der Atem. Er war so groß, so geheimnisvoll und … schön – ein Wort, das sie nie zuvor mit einem Mann in Verbindung gebracht hätte, und trotzdem passte es zu ihm und änderte nichts an seiner Männlichkeit.

„Was ist?“

„Virginia ist alt. Ich meine …“ Sie verstummte verlegen. Jordan war noch älter als seine Schwester.

„Sie meinen, sie ist erwachsen“, sagte er lächelnd.

„Ich meine, Sie können ihr nicht ewig die Verantwortung abnehmen. Lassen Sie sie ihr eigenes Leben führen.“

„Das tut sie.“ Er wurde wieder ernst. „Trotzdem muss ich jetzt Adrian anrufen.“

„Wenn es darum geht, Ratschläge zu erteilen, sind Sie unübertroffen, aber Sie selbst können keinen akzeptieren“, beschwerte sie sich.

„Ach, das war ein guter Rat?“, erkundigte er sich mit geheucheltem Interesse. „Sind Sie denn schon so alt und weise, Bridget? Verfügen Sie über so viel Lebenserfahrung, dass Sie mir Ratschläge erteilen können?“

„Jedenfalls bin ich nicht so abgestumpft wie Sie, obwohl Sie das ja wohl für eine Tugend halten. Aber …“

„Vergessen Sie es“, befahl er und ging ins Haus.

Wütend blieb Bridget zurück. Diesmal war allerdings nicht sein Zynismus schuld an ihrem Zorn, sondern Jordans unerschütterlicher Glaube, auf der ganzen Welt könnte nur er allein, ohne Hilfe, Unterstützung oder den Rat anderer existieren. Diese Überzeugung machte ihn unerreichbar und isolierte ihn von seinen Mitmenschen.

3. KAPITEL

Jordan führte Bridget an diesem Morgen durch Delhi. Das alte Delhi glich einem Labyrinth aus Moscheen, Tempeln, Monumenten und Basaren, die neue Stadt hingegen war ein elegantes grünes Paradies mit breiten, kühlen Alleen und stillen Arkaden.

Sie wanderten von Purana Qila, einer alten Befestigungsanlage der Mogule, zum Präsidentenpalast, und später besichtigte Jordan mit ihr das Rote Fort. Dank seiner ausgezeichneten Geschichtskenntnisse erstanden vor ihrem geistigen Auge die Prachtentfaltung des Großen Moguls und majestätische, von livrierten Treibern gelenkte Elefanten mit kunstvoll verzierten Gestellen, auf denen die Fürsten thronten. Er zeigte ihr Indiens größte Moschee Jama Masjid, ein architektonisches Meisterwerk aus rotem Sandstein und weißem Marmor, und danach, sozusagen als Kontrastprogramm, einen modernen Hindutempel in leuchtendem Rot und Gelb, in dem die drei Hauptgottheiten dargestellt waren.

Bridget war fasziniert von der Vielfalt der Religionen und Kulturen, die im Lauf der Jahrhunderte das Land beherrscht hatten. Delhi zog Männer und Frauen aus allen Teilen des Landes an: orthodoxe Brahmanen, Moslems, Sikhs, Christen, Buddhisten und Parsen.

„Eine Stadt wird von ihren Bewohnern geprägt, oder?“, überlegte sie laut, als sie vor dem imposanten Parlamentsgebäude und den angrenzenden Verwaltungstrakten standen.

Jordans Miene war undurchdringlich. „Sie mögen Menschen wirklich.“

„Aus Ihrem Mund klingt das, als wäre es verrückt.“ Sie ärgerte sich ein wenig über seinen herablassenden Tonfall. „Die meisten Menschen sind liebenswert.“

Statt zu antworten, zuckte er nur kurz die Schultern. Offenbar war ihm die Diskussion lästig – ebenso wie Bridgets Gesellschaft. Ein Mann wie er war Begleiterinnen gewöhnt, die so kultiviert waren wie er, die seine Ansichten teilten und ungeachtet seines Zynismus über jedes Thema plaudern konnten, das er anschnitt.

„Warum sehen Sie mich so an? Ich habe Sie gewarnt, sich in Bezug auf mich keine Hoffnungen zu machen, Bridget! Ich bin lediglich aus einem einzigen Grund mit Ihnen hier: Ich will die Interessen meiner Schwester schützen.“

Sie schreckte aus ihren Grübeleien auf. „Ich stelle weder für ‚Ginny’s‘ noch für Sie eine Gefahr dar. Mir ging nur gerade durch den Kopf, wie wenig wir gemeinsam haben. Sie würden jedoch perfekt zu meiner älteren Schwester passen – jedoch mag ich sie zu sehr, um ihr jemanden wie Sie zu wünschen.“

Jordan warf ihr einen sonderbaren Blick zu. „Wenn sie Ihnen auch nur im Entferntesten ähnelt …“

„O nein, Frances ist schön“, versicherte Bridget.

„Wie kommen Sie darauf, dass ich so oberflächlich bin, mich von dem Äußeren einer Frau beeindrucken zu lassen?“, erkundigte er sich gereizt.

„Außerdem ist sie klug, amüsant und weltgewandt!“

„Welch Erleichterung!“, bemerkte er trocken. „Haben Sie noch mehr Schwestern?“

„Nur noch Rosie. Sie ist jünger als ich.“

„Demnach sind Sie das mittlere Kind?“ Sein Lächeln ließ ihr Herz schneller schlagen. „Wird man da nicht oft ignoriert und bemüht sich deshalb besonders, Aufmerksamkeit zu erringen?“

„Meine Familie hat mich nie ignoriert.“ Im Gegenteil, sie war in einer herzlichen, liebevollen Atmosphäre aufgewachsen.

„Weil Sie so nett waren?“, neckte er sie. Flirtete er etwa mit ihr? „Nun, das ist vermutlich eine bessere Taktik als Aggressionen oder Ehrgeiz, aber möglicherweise wird man Sie am Ende ausnutzen oder im Stich lassen.“

„Ich glaube, meine Schwestern sind auch nett.“ Ihre Augen funkelten fröhlich. „Frances kann allerdings gelegentlich etwas herrschsüchtig sein. Meine Idee war also doch nicht so gut, Sie würden sich wahrscheinlich mit ihr streiten. Das liegt wohl daran, dass sie die Älteste ist, genau wie Sie. Sie beide haben sich so daran gewöhnt, auf alles aufzupassen, dass Sie es nicht über sich bringen, einmal Verantwortung zu übertragen.“

Er presste die Lippen zusammen. „Aber in Ihrer Familie sind die Eltern als Respektspersonen da, nicht wahr?“

„Ja, wir haben mehr Glück als Sie“, räumte Bridget reumütig ein.

„Mag sein, es ist jedoch nicht immer ein Glücksfall, wenn die Eltern noch leben.“

„Das dürfen Sie nicht sagen“, protestierte sie schockiert.

„So? Nichtsdestotrotz trifft es in manchen Fällen zu. Denken Sie mal darüber nach, Bridget. Und nun entspannen Sie sich, ich werde Ihre unschuldigen Ideale nicht weiter anzweifeln. Unser Ausflug hat länger gedauert, als ich erwartet habe, und ich bin mit Wanda verabredet. Wenn ich Sie vor der Botschaft absetze, können Sie doch ein Taxi für die Heimfahrt nehmen, oder? Haben Sie genug Geld?“

„Ja.“ „Richten Sie Sita Menon aus, dass ich nicht zum Dinner komme. Lassen Sie uns gehen.“

Der abrupte Stimmungsumschwung verwirrte Bridget. Der liebenswürdige Reiseführer vom Vormittag war verschwunden, Jordan schien darauf zu brennen, sie so schnell wie möglich loszuwerden. Auf dem Weg zur Botschaft wechselte er kaum ein Wort mit ihr. Vielleicht war er in Gedanken bereits bei Wanda und den Stunden, die sie gemeinsam verbringen würden.

Bridget genoss den Besuch in der Botschaft, denn der Dienst habende junge Empfangsbeamte entsprach so gar nicht ihrem Bild von einem würdevollen Staatsdiener. Seine Vorschläge, wie sie privat und geschäftlich am meisten von ihrem Aufenthalt in Indien profitieren könne, waren so abwegig, dass sie ihn einfach nicht ernst nehmen konnte.

„Und hüten Sie sich vor Virginia Stirlings großem Bruder“, warnte er sie, als er ihr ins Taxi half und dem Chauffeur einige Banknoten reichte. „Wie ich hörte, ist er in der Stadt – wenn Sie denken, ich wäre verrückt, dann warten Sie, bis Sie ihn kennenlernen, Süße.“

„Das habe ich bereits.“

„Hat er schon versucht, Sie zu verführen?“

„Ich fürchte, ich bin nicht sein Typ“, erklärte sie unbekümmert.

Autor

Jennifer Taylor

Jennifer Taylor ist Bibliothekarin und nahm nach der Geburt ihres Sohnes eine Halbtagsstelle in einer öffentlichen Bibliothek an, wo sie die Liebesromane von Mills & Boon entdeckte. Bis dato hatte sie noch nie Bücher aus diesem Genre gelesen, wurde aber sofort in ihren Bann gezogen. Je mehr Bücher Sie las,...

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