Romana Exklusiv Band 310

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ZÄRTLICHE NÄCHTE AUF ZYPERN von TAYLOR, JENNIFER
Ein faszinierender Mann erwartet Katie am Flughafen von Zypern. Doch leider der Falsche: Nicht Petros, sondern Christos Constantine, der ihr mitteilt, dass sein Cousin eine andere heiraten wird. Sie ist bitter enttäuscht - bis Christos ihr einen verführerischen Vorschlag macht …

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  • Erscheinungstag 31.05.2019
  • Bandnummer 0310
  • ISBN / Artikelnummer 9783733744939
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Jennifer Taylor, Jessica Steele, Margaret Mayo

ROMANA EXKLUSIV BAND 310

PROLOG

„Ich werde dich so vermissen!“

Katie Carlyon nahm ihre Zwillingsschwester Kelly in den Arm. Nun, da der Moment des Abschieds gekommen war, spürte sie doch Aufregung und Nervosität. Sie hatten sich bislang noch nie für längere Zeit getrennt, und die Vorstellung, in Zukunft ihre Schwester nicht mehr in der Nähe zu haben, machte ihr ein wenig Angst „Ich werde dich auch vermissen, aber es gibt schließlich gute Gründe für unsere Entscheidungen.“ Kelly drückte Katie an sich, ihre Augen funkelten schelmisch. „Sehr gute Gründe sogar. Gib es zu, Katie, du kannst es gar nicht erwarten, Petros wiederzusehen!“

„Das stimmt.“

Katie lachte und hoffte, dass ihre Schwester ihr heimliches Unbehagen nicht spürte. Petros meldete sich nicht. Weder rief er sie an, noch antwortete er auf die zahlreichen SMS-Nachrichten, die sie ihm in den letzten Tagen geschickt hatte. Tatsächlich hatten sie nicht mehr miteinander gesprochen, seit sie ihm die voraussichtliche Ankunftszeit ihres Fluges genannt hatte. Sie konnte verstehen, dass seine Arbeit ihn sehr in Anspruch nahm, aber er hätte doch die Zeit für einen kurzen Anruf erübrigen können …

„Ach ja, dieses warme, prickelnde Gefühl, wenn man frisch verliebt ist.“ Kelly grinste liebevoll.

„Na warte, Kelly Carlyon“, drohte Katie. Sie hatte nicht die Absicht, ihre Schwester in diesem Moment, in dem sie beide an der Schwelle zu einem neuen Lebensabschnitt standen, mit ihren Unsicherheiten zu beunruhigen. Petros hatte ihr aufrichtig versichert, dass er sie liebte, und es gab keine Veranlassung, daran zu zweifeln. „Wir sprechen uns wieder, wenn du dich Hals über Kopf verliebt hast!“

„Da kannst du lange warten, das wird nicht mehr passieren. Mir reichen die Liebesgeschichten, die ich hinter mir habe; ich bin bedient.“

Katie wollte gerade protestieren, doch in diesem Augenblick wurde ihr Flug aufgerufen. Sie umarmte ihre Schwester noch einmal und nahm ihre Reisetasche in die Hand. „Ich schicke dir eine SMS, sowie ich angekommen bin. Pass auf dich auf.“

Sie eilte zur Sicherheitskontrolle und zeigte dort ihre Bordkarte vor. Es war Anfang Mai, und viele Leute flogen in den Süden in Urlaub. Zypern war ein beliebtes Reiseziel und der Flug ausgebucht; deshalb dauerte es eine ganze Weile, bis endlich alle Passagiere an Bord waren.

Zwanzig Minuten später hob das Flugzeug ab. In vier Stunden würde sie ein neues Leben beginnen an der Seite des Mannes, den sie liebte. Es war ein großer Schritt, aber sie war sich sicher. Sie wollte für immer mit Petros zusammen sein.

1. KAPITEL

Wo war er?

Katie spürte ihr Herz vor Aufregung laut schlagen, während sie die Telefonnummer des Krankenhauses eintippte. Ihr Flugzeug war schon seit über einer Stunde gelandet, und noch immer war weit und breit nichts von Petros zu sehen. Sie hatte immer wieder versucht, ihn auf seinem Handy zu erreichen, doch das war ausgeschaltet. Nun fiel ihr nichts anderes mehr ein, als ihn auf seiner Arbeitsstelle anzurufen.

„Poseidonos International Hospital, Kalimera.“

„Ich möchte bitte mit Dr. Constantine sprechen“, erklärte Katie, so ruhig sie konnte. Sie wartete, während ihr Anruf durchgestellt wurde, und betete, dass Petros zu sprechen war. Obwohl er ihr von seiner Villa in der Küstenstadt Paphos erzählt hatte, wusste sie nicht genau, wo diese lag und wie man dorthin kam. Wenn es ihr nicht gelang, Kontakt mit ihm aufzunehmen, war sie ohne Adresse und Ziel …

„Dr. Constantine.“

Erleichtert seufzte sie auf. „Petros, ich bin’s – Katie. Bin ich froh, deine Stimme zu hören!“

„Tut mir leid, da irren Sie sich. Mein Name ist nicht Petros, sondern Christos Constantine.“

„Oh, Verzeihung“, entschuldigte Katie sich. „Mir war nicht klar, dass es in diesem Krankenhaus zwei Ärzte gibt, die Constantine heißen. Ich wollte mit Dr. Petros Constantine sprechen. Würden Sie so freundlich sein und mich weiterverbinden? Mein Name ist Carlyon – Katie Carlyon.“

„Und warum möchten Sie ihn sprechen, Miss Carlyon?“

„Das geht Sie nichts an, meinen Sie nicht?“, erwiderte Katie, entrüstet über den arroganten Unterton des Mannes. Nachdem sich ihre Aufregung etwas gelegt hatte, konnte sie auch den Unterschied heraushören. Dieser Mann hatte eine wesentlich tiefere Stimme als Petros. Und ihm fehlte der leicht belustigte Ton, den sie an Petros immer so attraktiv gefunden hatte.

„Nein, das meine ich nicht. Es geht mich sehr wohl etwas an. Petros hat mich schon vorgewarnt, dass Sie eventuell auftauchen könnten. Wenn Sie jedoch annehmen sollten, ich ließe zu, dass Sie seine Hochzeit ruinieren, dann haben Sie sich geirrt.“

„Seine Hochzeit“, wiederholte Katie wie betäubt. „Ich verstehe nicht, soll das heißen, dass Petros … dass er heiratet?“

„Natürlich. Und tun Sie nicht so, als ob Sie das nicht wüssten. Petros hat mir versichert, dass er Ihnen von Eleni erzählt hat, denn er hoffte, diesem ganzen Unsinn rechtzeitig ein Ende setzen zu können. Er war ganz bestürzt über die unzähligen Nachrichten und Anrufe, mit denen Sie ihn in letzter Zeit bombardiert haben.“

„Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen. Von einer Eleni habe ich nie etwas gehört. Petros hat sie mit Sicherheit niemals erwähnt. Das Letzte, was ich von ihm hörte, war eine Liebeserklärung.“

Katie biss sich auf die Lippe, als sie spürte, dass ihr die Tränen in die Augen stiegen. Warum sagte dieser Mann so etwas? Petros liebte sie! Aber warum wollte er dann eine andere Frau heiraten?

Sie holte tief Luft, um die Furcht loszuwerden, die in ihr aufzusteigen begann. „Ich muss mit Petros sprechen, damit wir das klären können. Verbinden Sie mich bitte mit ihm.“

„Ich habe nicht die Absicht zuzulassen, dass Sie meinen Cousin verfolgen, Miss Carlyon.“

„Petros verfolgen? Das verdreht die Tatsachen. Petros hat mich mit seinen Einladungen bedrängt!“

Die kurze Pause schien darauf hinzudeuten, dass ihre Behauptung wahrhaftig geklungen hatte. Dann fragte der Mann knapp: „Von wo aus rufen Sie an?“

„Vom Flughafen. Ich bin vor etwa einer Stunde hier gelandet und warte seitdem vergeblich auf Petros.“ Während sie sprach, wurde ihr die Ungeheuerlichkeit dessen, was gerade geschah, bewusst. Wenn es stimmte, was dieser Mann behauptete, war es mehr als unwahrscheinlich, dass Petros unterwegs war, um sie abzuholen. Sie hatte ihren Job und ihre Wohnung aufgegeben, um ein neues Leben mit dem Mann zu beginnen, den sie liebte – aber allem Anschein nach wollte er sie nicht mehr. Es kostete sie große Anstrengung, sich zu konzentrieren, als Christos Constantine weitersprach.

„Bleiben Sie dort. Ich werde zum Flughafen kommen und Sie suchen. Ich brauche etwa zwanzig Minuten, vielleicht etwas länger, je nachdem, wie der Verkehr ist.“

„Woran kann ich Sie erkennen?“, fragte sie schnell, aber er hatte schon aufgelegt.

Katie atmete tief durch. Vielleicht sollte sie noch einmal im Krankenhaus anrufen und direkt nach Petros Constantine fragen. Es musste sich um ein Missverständnis handeln; sie konnte sich nicht vorstellen, dass Petros diese schrecklichen Dinge über sie gesagt hatte.

Sie hatte sich ihm keineswegs an den Hals geworfen, sondern war wie immer äußerst zurückhaltend und vorsichtig gewesen, wenn es um Beziehungen ging. Die unerquickliche Scheidung ihrer Eltern hatte ihre Spuren hinterlassen, und deswegen war sie immer sehr ängstlich gewesen, sich auf etwas Festeres einzulassen. Sie ging zwar hin und wieder mit Männern aus, weigerte sich aber, sich vorschnell in eine Beziehung drängen zu lassen. Niemals wollte sie in dieselbe Situation geraten wie ihre Eltern.

Ihre Mutter und ihr Vater heirateten, wenige Monate nachdem sie sich getroffen hatten. Sie ließen sich keine Zeit, sich wirklich gut kennenzulernen, und mussten bald nach der Hochzeit entdecken, dass sie sehr wenig verband. Als sie im Jahr darauf ihre Zwillingstöchter bekamen, verstärkte das den Druck auf ihre Beziehung noch. Katie war zehn Jahre alt, als die beiden sich scheiden ließen, und ihr sehnlichster Wunsch war, dass all die Streitereien nun ein Ende hätten, aber dem war nicht so.

Denn nun begannen die Streitereien über das Sorgerecht. Das Gericht legte fest, dass sie und Kelly bei der Mutter leben sollten, aber es gab jedes Mal Krach, wenn ihr Vater seine Kinder sehen wollte. Das Leben wurde erst erträglicher, als die Zwillinge erwachsen waren und von zu Hause auszogen; doch zu diesem Zeitpunkt war der Schaden bereits angerichtet.

Schon damals fasste Katie den Beschluss zu warten, bevor sie eine Bindung einging. Der richtige Mann würde schon kommen. In dem Krankenhaus, in dem sie nun schon seit vielen Jahren als Krankenschwester arbeitete, erwarb sie sich den Ruf, in Bezug auf Männer extrem wählerisch zu sein. Aber das störte sie nicht. Sie wollte auf keinen Fall ein Risiko eingehen.

Als sie Petros kennenlernte, war sie zunächst nicht sonderlich beeindruckt von ihm. Er war im Rahmen eines Austauschprogramms an ihrer Klinik und erschien ihr viel zu sehr an seinem Amüsement interessiert, als dass sie ihn ernst nehmen konnte. Als er sich mit ihr verabreden wollte, wies sie ihn ab, aber er fragte sie hartnäckig immer wieder, bis sie schließlich nachgab.

Sie war von Natur aus ein schweigsamer Mensch, aber Petros brachte sie zum Lachen, mit ihm konnte sie unbefangen aus sich herausgehen. Er war so charmant und gut aussehend, so ganz anders als die Männer, die sie vorher gekannt hatte, und sie verliebte sich in ihn. Selbst dann hielt sie sich noch immer zurück, aber als er ihr seine Liebe gestand, war es um sie geschehen.

Als Kelly ihr erzählte, sie habe eine Stelle in Sardinien angenommen, gelangte Katie zu dem Schluss, dass es auch für sie an der Zeit war, in ihrem Leben einige Dinge zu verändern. Petros war gerade wieder nach Zypern zurückgekehrt, und sie vermisste ihn sehr. Der Gedanke, ohne ihn und ohne ihre Schwester allein in England zu leben, erschien ihr unerträglich; also beschloss sie, nach Zypern zu gehen, um mit ihm zusammen zu sein. Schließlich liebte er sie, und sie liebte ihn. Wozu sollte es gut sein, wenn sie getrennt voneinander waren, wenn sie sich doch zusammen eine Zukunft aufbauen konnten?

Das war jedenfalls ihr Plan gewesen bis zu dem Moment, als ihr Flugzeug landete. Und es war immer noch ihr Wunsch. Sollte sie wirklich ihren Traum vom großen Glück aufgeben, nur weil ein Unbekannter ihr irgendetwas erzählte?

Sie begann noch einmal, die Nummer des Hospitals einzutippen, zögerte dann aber. Sie hatte Petros geglaubt, als er sagte, er liebe sie, doch was, wenn es nur ein Trick gewesen war, um sie ins Bett zu bekommen? Es wäre nicht das erste Mal, dass eine Frau sich von aufrichtig klingenden Liebesschwüren einlullen ließ.

Zweifel keimten in ihr auf, und ihr erschien nichts mehr sicher. Sie brach den Anruf ab und steckte ihr Handy in die Tasche. Es war wohl besser abzuwarten, was Dr. Christos Constantine zu sagen hatte, bevor sie irgendetwas unternahm.

Christos fluchte leise vor sich hin, als er aus dem Büro stürmte. Das war das Letzte, was er jetzt brauchte! Es war schon schwierig genug für ihn, echte Begeisterung über die Hochzeit seines Cousins mit Eleni vorzutäuschen, ohne noch mit zusätzlichen Komplikationen zu kämpfen. Eine Sekunde lang war er versucht, Petros anzurufen und ihm zu sagen, dass er selbst die Suppe auslöffeln sollte, die er sich eingebrockt hatte, aber der Gedanke an Eleni brachte ihn wieder von dieser Idee ab. Es würde sie zu sehr aufregen, wenn sie von der Existenz dieser Frau erführe. Ihm lag einfach zu viel an Eleni, und er wollte nicht, dass jemand ihr wehtat.

„Yanni, ich muss kurz weg. Kümmere du dich bitte so lange um die Abteilung.“

Christos blieb kurz am Schreibtisch seines Stationsarztes Yanni Papadopoulous stehen. In der Unfallstation war es heute vergleichsweise ruhig zugegangen, und er hatte geplant, den Tag für eine Mitarbeiterschulung zu nutzen. Das Team arbeitete erst seit sechs Monaten zusammen, und es war wichtig, sein Können regelmäßig zu trainieren. Einige neue Krankenschwestern hatten erst diese Woche angefangen, und ihm war besonders daran gelegen, ihre Fertigkeiten einzuschätzen. Allerdings bemerkte er jetzt, dass von ihnen weit und breit nichts zu sehen war.

„Wo sind die neuen Schwestern?“

„Tina musste nach Hause gehen, weil ihr kleiner Junge krank geworden ist, und Rachel ist heute Morgen gar nicht erschienen“, erklärte Yanni. „Wir haben in ihrer Wohnung angerufen und erfahren, dass sie nach England zurückgegangen ist.“

Christos seufzte. Es war nicht das erste Mal, dass sie Probleme mit ausländischem Personal hatten. Die Vorstellung, auf Zypern zu arbeiten, klang für viele verlockend, aber die Realität sah oft ganz anders aus. Auch wenn das Wetter auf der malerischen Mittelmeerinsel gegenüber dem englischen Klima unleugbare Vorteile hatte, so machte der Sonnenschein letztlich keinen Unterschied, wenn man strapaziöse Zwölf-Stunden-Schichten arbeitete.

„Ich schaue auf dem Rückweg bei der Agentur vorbei und bitte sie, einen Ersatz zu finden. Ich werde nicht lange weg sein – wenn etwas Dringendes anliegt, piepen Sie mich an.“

Er ging hinaus und stieg in seinen Wagen. Es war kurz nach zwölf, und auf den Straßen war es ausnahmsweise ziemlich ruhig. Zypern zog das ganze Jahr über Touristen an, doch der große Ansturm würde erst in einigen Wochen losgehen. Hochsaison auch für seine Abteilung.

Als Leiter der Unfallstation im Poseidonos International Hospital hatte Christos die Auswirkungen von zu viel Sonne und Wein aus erster Hand ausreichend erlebt, und inzwischen konnte ihn fast nichts mehr erschüttern. Er behandelte jeden Fall mit gleichbleibender Professionalität. Er hatte hart gearbeitet, um seine heutige Position zu erreichen, und unbeirrbar das Ziel angestrebt, das er nach dem Tod seiner Eltern für sich festgelegt hatte. Sie waren beide hervorragende Ärzte gewesen, und es erschien ihm richtig, ihr Andenken zu ehren, indem er denselben Beruf wie sie wählte.

Der Weg nach oben war lang und hart gewesen, aber er hatte sein Ziel erreicht. Zumindest in beruflicher Hinsicht. In seinem Privatleben herrschte ein großes Durcheinander, das sich nicht entwirren ließ.

Der Gedanke versetzte ihm einen Stich, doch er war jetzt beim Flughafen angelangt und hatte keine Zeit, sich über seine persönlichen Probleme Gedanken zu machen. Er hatte noch keine Ahnung, wie er mit Katie Carlyon umgehen sollte, aber er würde es nicht zulassen, dass sie Eleni ihren Hochzeitstag verdarb. Obwohl er früher einmal gehofft hatte, dass Eleni ihn heiratete, hatte er schon vor langer Zeit akzeptiert, dass es nie dazu kommen würde. Eleni hatte das Recht auf einen Ehemann, der immer für sie da war, jemanden, der ihre Bedürfnisse über alles andere stellte.

Seit dem Tod seiner Eltern war er beständig auf seine Ausbildung und Karriere konzentriert. Schon als Teenager, wenn Eleni ihn fragte, ob er mit ihr schwimmen ginge, lehnte er meistens ab, denn er war zu sehr mit seinen Schulaufgaben beschäftigt. Also begleitete Petros sie an seiner Stelle zum Strand.

Während seines Medizinstudiums änderte sich an seiner Arbeitshaltung nichts. Erst als er anfing, im Krankenhaus zu arbeiten, gestand er sich seine Gefühle ihr gegenüber ein. Und Eleni gab ihm deutlich zu verstehen, dass sie sich auch von ihm angezogen fühlte.

Sie gingen miteinander aus, und zuerst war alles wunderbar, doch dann zeigte sich mehr und mehr, dass die Beziehung nicht funktionierte. Seine Arbeitstage im Krankenhaus waren lang und anstrengend, sodass sie sich nur selten sahen. Manchmal schaffte er es tagelang nicht einmal, sie anzurufen. Als Eleni ihm dann sagte, dass sie sich von ihm trennen wollte, tat ihm das unendlich weh, aber im tiefsten Innern war ihm klar, dass sie recht hatte.

Die Trennung lag nun schon mehrere Jahre zurück, und die Zeit hatte die Wunden geheilt. Trotzdem war es ein Schock für ihn, als er erfuhr, dass sie mit seinem Cousin zusammen war. Und ein noch größerer Schock, als die beiden ihre Verlobung bekannt gaben. Das war kurz nach Petros’ Rückkehr aus England gewesen.

War Petros wirklich der richtige Mann für sie? Das fragte Christos sich nicht zum ersten Mal, aber Eleni zuliebe behielt er seine Bedenken für sich. Sein Cousin hatte unzählige Freundinnen gehabt und es offensichtlich genossen. Sich ihn als treuen Ehemann vorzustellen fiel schwer. Immerhin behauptete Petros, wahnsinnig verliebt in sie zu sein. Wenn Miss Carlyon nicht gelogen hat, dachte Christos, dann unterscheiden sich Petros’ Vorstellungen von wahrer Liebe gewaltig von meinen!

Seufzend stieg Christos aus dem Wagen. Es brachte nichts, sich jetzt darüber den Kopf zu zerbrechen. Auch wenn er seine Zweifel hatte, würde er doch alles daransetzen, dass die Hochzeit planmäßig stattfand. Und wenn es erforderlich war, Katie Carlyon nach England zurückzuschicken, dann würde er genau das tun.

Katie musterte suchend die Gesichter der Leute, die die Flughafenhalle betraten. Sie hatte keine Ahnung, wie sie Dr. Constantine erkennen sollte. Ob er Petros ähnlich sah?

Ihr Blick streifte einen groß gewachsenen, dunkelhaarigen Mann, der gerade durch die Tür gekommen war, und sie erschauerte. Obwohl er nicht genau wie Petros aussah, lag etwas Vertrautes in seinen kantigen Gesichtszügen. Sie verfolgte seinen Weg durch die Flughafenhalle. Im Gegensatz zu den Touristen in ihrer farbenfrohen Freizeitkleidung war er ausgesprochen nüchtern gekleidet in seinem leichten grauen Anzug, weißen Hemd und mit dezent blauer Krawatte. Er wirkte sehr beeindruckend, und Katie bekam plötzlich Angst.

Wollte sie sich noch einmal der peinlichen Situation aussetzen, sich von ihm eine Standpauke halten zu lassen? Vielleicht hatte er tatsächlich das Gefühl, mit seiner Einschätzung im Recht zu sein, aber er hatte nicht einmal nach ihrer Sichtweise der Geschichte gefragt. Er hegte keine Vorstellung darüber, mit welcher Entschlossenheit Petros ihr nachgestellt hatte. Offensichtlich hatte er sein Urteil über sie schon gefällt. Es war wesentlich sinnvoller, einer weiteren Konfrontation mit ihm auszuweichen und stattdessen zum Krankenhaus zu fahren und Petros selbst zur Rede zu stellen.

Katie schnappte sich ihren Koffer und ging auf den Ausgang zu, um sich ein Taxi zu nehmen. Sie konnte und wollte nicht glauben, dass Petros all diese schrecklichen Dinge über sie gesagt hatte. Immerhin war es möglich, dass dieser Mann sich aus ganz persönlichen Beweggründen eine Geschichte ausgedacht hatte. Dieser Gedanke beflügelte sie. Sie musste so schnell wie möglich zu Petros, um selbst herauszufinden, was wirklich vorgefallen war.

Sie war fast am Ausgang angelangt, als sie plötzlich eine Frau um Hilfe schreien hörte. Katie drehte sich um und sah einen älteren Mann am Boden liegen, der sich an die Brust fasste. Hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, Petros zu treffen, und der Pflicht zu helfen, zögerte sie einen Moment lang, doch am Ende hielt ihr Gewissen sie davon ab, einfach fortzugehen. Schnell eilte sie zu dem Paar hinüber und kniete sich neben den Mann.

„Was ist passiert?“, fragte sie, während sie schon routiniert seinen Hemdkragen lockerte.

„Ich weiß es nicht.“ Das Gesicht der Frau war tränenüberströmt. „Frank sagte, er habe Schmerzen in der Brust, und dann ist er zusammengebrochen.“

Katie nickte und presste ihre Finger an die Halsschlagader des alten Mannes. Sie seufzte, als sie keinen Puls fühlte. Sein Herz hatte aufgehört zu schlagen; sie musste sofort einen Wiederbelebungsversuch unternehmen, wenn sie ihn retten wollte.

„Ich bin Krankenschwester“, erklärte sie. „Ich werde jetzt einen Wiederbelebungsversuch machen. Bitte rufen Sie einen Krankenwagen, und sagen Sie den Sanitätern, dass es sich um einen Herzstillstand handelt.“

Die Frau brach zusammen, als sie das hörte, und begann hilflos zu schluchzen, aber zum Glück erbot sich jemand aus der Menge der Schaulustigen, den Anruf zu erledigen. Katie begann, den Mann zu beatmen. Dann überprüfte sie wieder seinen Puls, konnte aber immer noch keinen Herzschlag feststellen.

„Ich übernehme den Druck, Sie machen weiter mit dem Beatmen.“

Plötzlich kniete der Mann neben ihr, den sie kurz vorher beobachtet hatte. Er sah sie nicht an, sondern führte die Druckmassage aus, während Katie mit der Beatmung weitermachte.

Es erschien ihr, als ob sie die Wiederbelebung eine Ewigkeit lang durchführten. „Puls überprüfen“, instruierte der Fremde sie, und automatisch gehorchte Katie, wie sie es von ihrer Arbeit her gewohnt war. Sie berührte die Halsschlagader des alten Mannes und lächelte, als sie ein schwaches Pochen spürte.

„Wir haben einen Puls“, sagte sie, ohne ihre Freude darüber zu verbergen.

„Gut.“

In diesem Moment trafen die Sanitäter ein. Katie nannte ihren Namen und erklärte kurz, was vorgefallen war. Sie setzten dem Mann eine Sauerstoffmaske auf, legten ihm eine Infusion an und hoben ihn auf eine fahrbare Trage. Die Menge der Schaulustigen begann sich zu zerstreuen, Katie griff nach ihrem Koffer und ging wieder Richtung Ausgang. Mit etwas Glück würde es ihr vielleicht gelingen zu verschwinden …

„Den nehme ich.“

Jemand nahm ihr den Koffer ab. Katie kam nicht dazu zu protestieren, denn der Fremde packte sie mit der anderen Hand am Ellbogen und schob sie eilig nach draußen – den Sanitätern hinterher. Der Krankenwagen war direkt vor den Glastüren geparkt, der Mann blieb dort nur kurz stehen, um ein paar Anweisungen zu geben, bevor er sie weiter zu seinem Wagen führte.

„Es tut mir leid, aber ich fahre mit Ihnen nirgendwohin.“ Sie befreite sich entschlossen aus seinem Griff. „Bitte, geben Sie mir meinen Koffer.“

„Später, nachdem wir miteinander geplaudert haben.“ Er verstaute das Gepäckstück im Kofferraum und hielt dann die Beifahrertür für sie auf. „Ich bin Christos Constantine, Petros’ Cousin. Wir haben vorhin miteinander telefoniert. Im Moment habe ich keine Zeit, mich um Sie zu kümmern, also steigen Sie bitte ein.“

„Nein.“ Katie schüttelte den Kopf. „Ich habe Ihnen eben gerade gesagt, dass ich mit Ihnen nirgendwohin fahre. Sie behaupten, Petros’ Cousin zu sein, aber woher weiß ich, ob das stimmt? Was mich betrifft, könnten Sie sonst wer sein.“

Er zog seine Brieftasche aus dem Jackett. „Hier ist mein Sicherheitsausweis aus dem Krankenhaus. Wie Sie sehen, ist mein Name Christos Constantine, und ich bin der Leiter der Unfallstation des Poseidonos International Hospitals. Leider habe ich keine anderen Papiere bei mir, aber ich zeige Ihnen gern weitere Beweise meiner Identität, wenn wir in der Klinik sind.“

„Sie bringen mich in die Klinik?“, rief sie aus.

„Ja. Sie haben die Wahl, Miss Carlyon. Allerdings habe ich nicht die Zeit, hier mit Ihnen zu diskutieren. Ein Mann, der meine Hilfe braucht, ist auf dem Weg zur Klinik. Deshalb entscheiden Sie bitte schnell, was Sie zu tun gedenken.“

2. KAPITEL

Christos war froh, dass Katie Carlyon offensichtlich nicht die Absicht hatte, sich während der Fahrt mit ihm zu unterhalten. Er war mit einer vorgefassten Meinung über sie zum Flughafen gefahren, denn er hatte im Laufe der Jahre viele von Petros’ Freundinnen kennengelernt, und sie waren alle vom gleichen Kaliber gewesen – hübsche, aber hohlköpfige Frauen, die sich für nichts außer ihrem eigenen Wohlergehen interessierten.

Er riskierte einen unauffälligen Blick zur Seite auf Katie Carlyons zartes, klares Profil. Es lag eine natürliche Anmut in ihren Zügen, die ihn überraschte. Auch hatte es ihn beeindruckt, wie sie dem Mann so unverzüglich zu Hilfe geeilt war. Sie passte definitiv nicht in Petros’ übliches Beuteschema. Natürlich war sein Cousin kein Heiliger, doch er hatte Petros’ Behauptung, Miss Carlyon mache ihm das Leben zur Hölle, Glauben geschenkt. Katie Carlyon mochte zwar wie ein Engel aussehen, aber das war nur die Oberfläche.

„In welcher Abteilung arbeitet Petros jetzt?“

Die Frage traf ihn unerwartet. „Er ist wieder in die Chirurgie zurückgekehrt.“

„Oh, gut! Darauf hatte er gehofft.“

Ihre Stimme klang so warm und anteilnehmend, dass er richtiggehend erschauerte. Es passte ihm gar nicht, dass er so stark auf sie reagierte. Deshalb antwortete er absichtlich in brüskem Ton.

„Petros hatte großes Glück, eine zweite Chance zu bekommen. Nicht viele Chefs hätten ihn nach diesem Vorfall wieder eingestellt.“

„Was meinen Sie?“ Katie sah ihn überrascht an, und Christos lachte.

„Ach so, ich sehe, mein Cousin hat Ihnen nicht erzählt, dass er suspendiert worden war, bevor er nach England reiste. Vielleicht waren Sie beide sich doch nicht so nahe, wie Sie anzunehmen scheinen.“

Er sah sie erröten, aber sie hielt seinem Blick stand. „Nein, das hat Petros mir nicht erzählt. Wahrscheinlich wollte er mich nicht beunruhigen. Ich würde an Ihrer Stelle nicht allzu viel hineininterpretieren.“

„Nein?“ Er lächelte sie skeptisch an. „Die Tatsache, dass Petros Ihnen nicht die Wahrheit gesagt hat, verärgert Sie nicht, Miss Carlyon?“

„Überhaupt nicht“, erwiderte sie etwas übereifrig. „Auf jeden Fall kann der Grund für seine Suspendierung nicht sehr gravierend gewesen sein, sonst wäre er nicht für das Austauschprogramm ausgewählt worden.“

Christos sagte dazu nichts. Ihm war immer noch nicht wohl bei dem Gedanken an die Rolle, die er in diesem unwürdigen Theaterstück eingenommen hatte. Er hatte seine Beziehungen spielen lassen, um seinem Cousin den Auslandsposten zu verschaffen, und war auf viel Opposition gestoßen.

Petros beherrschte sein Metier durchaus. Wenn er sich darauf konzentrieren würde, könnte er sicher ein erstklassiger Chirurg sein. Aber Petros zog es dann doch vor, sich zu amüsieren, anstatt zu arbeiten, und dieses mangelnde Pflichtgefühl verursachte einen Großteil seiner Schwierigkeiten.

Petros hatte nach einer Operation die Klinik verlassen, bevor der Patient wieder zu Bewusstsein gekommen war. Niemand konnte ihn telefonisch erreichen, als es Komplikationen gab. Dieses Versäumnis hätte den Patienten um ein Haar das Leben – und Petros beinahe seinen Job gekostet. Nur dank Christos’ Fürsprache wurde er in der Chirurgie wieder aufgenommen, aber es war höchste Zeit, dass sein Cousin sich zusammenriss und mehr Energie in seine Karriere steckte, besonders jetzt, kurz vor seiner Hochzeit.

„Ich nehme an, Sie haben meinen Cousin kennengelernt, als er in der Klinik in Manchester tätig war?“ Christos wechselte bewusst das unerquickliche Thema.

„Ja, das stimmt. Ich habe in der Notaufnahme gearbeitet, und Petros war immer so charmant, wenn wir ihn zu Hilfe gerufen haben; ganz anders als viele seiner Kollegen, die sich teilweise so benehmen, als würden sie uns einen persönlichen Gefallen tun.“

Sie lachte leise, und als Christos den belustigten Ton in ihrer Stimme hörte, hob das auch unwillkürlich seine Stimmung.

„Dann haben Sie sich also wegen seines Charmes in meinen Cousin verliebt?“

„Unter anderem – ja.“ Sie wandte sich ihm zu. „Wie ich Ihnen schon am Telefon sagte, Dr. Constantine, war es Petros, der mir Avancen gemacht hat.“

„Ja, das sagten Sie. Sie geben sich gern unnahbar, nicht wahr, Miss Carlyon?“

„Nein. Aber ich ziehe es vor, nichts zu übereilen und erst die Vor- und Nachteile abzuwägen, bevor ich eine Entscheidung fälle. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich auf seine Annäherungsversuche eingegangen bin.“

„Ach so. Jetzt verstehe ich.“

„Was verstehen Sie?“

„Die Vorteile, die es hat, seine Einladung anzunehmen. Was war der größte Anreiz? Hat Ihnen der Umstand, dass seine Familie sehr wohlhabend ist, die Entscheidung erleichtert?“

„Nein! Ich wusste bis zu dieser Minute nichts über seine Familie.“

„Natürlich nicht“, erwiderte er spöttisch. Aus dem Augenwinkel sah er, dass sie den Mund zu einer Erwiderung öffnete, es sich dann aber anders überlegte. Was hatte sie wohl sagen wollen? Vermutlich eine weitere Beteuerung ihrer Unschuld.

Er wünschte, sie hätte weiter mit ihm gestritten. Ihre Wut wäre leichter für ihn zu ertragen gewesen als die Trauer, die sich auf ihrem Gesicht spiegelte. Und es machte ihn traurig, dass eine so attraktive Frau ihre Schönheit derart berechnend einsetzte. Mit ihrem weichen blonden Haar, das in Wellen ihr Gesicht einrahmte, und ihren grünen Augen sah sie wirklich aus wie ein Engel – ein gefallener Engel.

Katie spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Schnell versuchte sie, sie wegzublinzeln. Sie war nicht an Petros’ Geld interessiert! Sie liebte Petros und nicht das, was er ihr bieten konnte.

Sie hatte es gerade geschafft, ihre Gefühle einigermaßen unter Kontrolle zu bringen, da hielten sie schon vor dem Krankenhaus. Christos schaltete den Motor aus und sagte: „Zuerst muss ich mit meinem Stationsarzt sprechen, um zu hören, wie es unserem Patienten geht. Ich schlage vor, Sie warten so lange in meinem Büro, und wenn ich fertig bin, können wir uns in Ruhe unterhalten.“

„Ich sehe immer noch nicht, was wir beide miteinander zu besprechen hätten“, meinte Katie, während sie aus dem Wagen stieg. „Wie ich Ihnen schon am Telefon sagte, das alles hat nichts mit Ihnen zu tun.“

„Und ich sagte Ihnen, dass Sie sich irren. Petros hat mich um Hilfe gebeten, und ich habe die Absicht, mein Versprechen ihm gegenüber einzuhalten.“

„Was genau haben Sie ihm denn versprochen?“

„Dafür zu sorgen, dass Sie keine Schwierigkeiten machen. Er und Eleni freuen sich sehr auf ihre Hochzeit, und ich fühle mich dafür verantwortlich, dass Sie die Feier nicht ruinieren. Jetzt bringe ich Sie in mein Büro und erwarte, dass Sie dort bleiben. Falls Sie die Hoffnung hegen, Petros hier im Krankenhaus zu finden, muss ich Sie enttäuschen. Er ist bis nach seinen Flitterwochen in Urlaub.“

Katie wusste nicht, was sie erwidern sollte. Stimmte es wirklich? Heiratete Petros eine andere Frau? Sie wollte es nicht wahrhaben, konnte sich zugleich jedoch nicht vorstellen, warum Christos sich so eine ausgeklügelte Geschichte ausgedacht haben sollte.

Schweigend folgte sie ihm ins Innere des Gebäudes. Das Krankenhaus war offensichtlich ganz neu erbaut; alles glänzte frisch gestrichen, war großzügig und weitläufig angelegt. Durch die großen, leicht getönten Fensterscheiben hatte man einen uneingeschränkten Blick auf das umgebende Gelände mit Rasenflächen und schönen Bäumen. Ein Unterschied wie Tag und Nacht zu dem riesigen alten Krankenhaus, in dem sie gearbeitet hatte. Aber erst als sie auf der Unfallstation angekommen waren, fielen ihr die wirklich gravierenden Unterschiede ins Auge.

Katie blieb stehen und sah sich bewundernd um. „Noch nie habe ich so fantastische Einrichtungen gesehen.“

„Ja, wir sind sehr gut ausgerüstet und dadurch unabhängig von anderen Abteilungen.“

„Wie wunderbar muss das sein, wenn man nicht ständig die anderen Abteilungen um Hilfe bitten muss.“

Er lächelte schwach. „Das kenne ich, nicht zuletzt deshalb habe ich auf einem eigenen Operationssaal für die Notaufnahme bestanden, als das Krankenhaus geplant wurde. Das macht nicht nur für die Patienten, sondern auch für das Personal einen riesigen Unterschied. Noch nie war die Arbeitsmoral so gut!“

„Das kann ich mir vorstellen“, stimmte Katie sehnsüchtig zu. Sie erreichten das Stationszimmer, und sie wartete, während er mit der diensthabenden Schwester sprach. Was sie sehen konnte, beeindruckte sie sehr. Wäre die Situation eine andere, würde sie sich, ohne zu zögern, sofort bewerben. Es stand jedoch zu bezweifeln, dass Dr. Constantine sie in seinem Team haben wollte. Seine Äußerungen ließen deutlich erkennen, welch schlechte Meinung er von ihr hatte.

Dieser Gedanke war zutiefst beunruhigend. Normalerweise verstand sie sich mit allen Menschen gut, und es war ein seltsames Gefühl, dass dieser Mann sie so wenig mochte.

„Es gibt ein Problem mit dem Patienten, den wir am Flughafen wiederbelebt haben. Er hatte einen zweiten Infarkt, und es gelingt im Augenblick nicht, ihn zu stabilisieren. Ich habe keine Zeit, Sie in mein Büro zu bringen. Gehen Sie bitte in den Warteraum.“

„Natürlich“, willigte Katie ein, denn sie konnte sehen, wie sehr ihm daran gelegen war, dem alten Mann zu helfen.

„Am besten gehen Sie dort drüben in den Raum für Angehörige“, schlug die freundliche Schwester vor. „Dort ist es angenehmer als in dem allgemeinen Warteraum, und außerdem gibt es dort Kaffee und Tee.“

„Vielen Dank.“

Katie ging schnell hinüber, um dem neugierigen Blick der Frau zu entgehen. Die Schwester zerbrach sich offensichtlich den Kopf darüber, wer sie wohl sein könnte, und Katie bezweifelte, dass Dr. Constantine damit einverstanden wäre, wenn sie es ihr sagte.

Ein Gefühl der Verzweiflung überkam sie. Sie wusste nicht, was sie tun würde, wenn sich herausstellte, dass er ihr die Wahrheit gesagt hatte. Als sie an diesem Morgen England verlassen hatte, war ihr gesamtes früheres Leben hinter ihr geblieben. Sobald Kelly und sie sich entschlossen hatten, ins Ausland zu gehen, hatten sie ihren Mietvertrag gekündigt und all ihre Möbel verkauft. Es gab nichts und niemanden in England, zu dem sie zurückgehen konnte, nicht einmal ihre Schwester.

Katie bekam einen Kloß im Hals, als sie auf ihre Armbanduhr sah. Kellys Flug war kurz nach ihrem eigenen gestartet, inzwischen war sie wahrscheinlich auf Sardinien gelandet. Kelly hatte in den letzten zwei Jahren eine Menge durchgemacht, und ein neuer Job war genau das, was sie brauchte, um ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Wenn sie jetzt nach England zurückginge, würde ihre Schwester sich möglicherweise verpflichtet fühlen, auch zurückzukommen. Wollte sie wirklich Kellys Chance auf einen Neuanfang zerstören, weil ihre eigenen Pläne nicht nach Wunsch verlaufen waren?

Sie atmete tief durch und stieß die Tür zum Warteraum auf. Was auch geschah, nach England würde sie nicht zurückgehen. Und wenn das Dr. Christos Constantine nicht passte, war das sein Pech.

„Sinusrhythmus“, verkündete die Schwester.

Christos nickte. „Gut. Ich hatte die Hoffnung schon beinahe aufgegeben.“ Er wandte sich an Yanni. „Er braucht dringend einen Bypass. Ich hätte gern noch Alexis’ Einschätzung. Kannst du ihn bitte anrufen?“

„Würdest du eine Operation hier empfehlen anstatt zu Hause in England?“, fragte Yanni.

„Auf jeden Fall. Meiner Meinung nach würde er den Flug nicht überleben, und das Risiko möchte ich nicht eingehen. Seine Versicherung wird vermutlich die Kosten übernehmen, und wenn nicht, ziehen wir es als Notfallmaßnahme durch. Ich spreche mit seiner Frau, während du das chirurgische Team zusammentrommelst.“

„Natürlich.“

Christos zog seine Handschuhe aus. Wenn er mit der Frau des Patienten gesprochen hatte, konnte er sich endlich um den anderen Schlamassel kümmern. Die einzig sinnvolle Lösung schien ihm, Katie Carlyon wieder nach England zu schicken. Wenn sie in Paphos blieb, bestand die Gefahr, dass sie Petros irgendwann über den Weg lief. Auch wenn sein Cousin behauptete, dass Katie ihn verfolgte, so war er sich doch sicher, dass Petros zunächst gern seine Zeit mit ihr verbracht hatte. Katie Carlyon war eine bildschöne Frau, und nur wenige Männer würden ihren Reizen widerstehen können.

Warum machte ihm der Gedanke an all die Männer, die es in Katie Carlyons Leben gegeben haben musste, so zu schaffen? Als er zum Stationszimmer kam, war sie weit und breit nirgends zu sehen.

„Wenn du nach der jungen Frau Ausschau hältst, die mit dir kam – die ist im Angehörigenraum“, informierte ihn Maria, die diensthabende Schwester. Sie lächelte schelmisch. „Gibt es etwas, das du mir erzählen willst, Christos?“

„Nein.“ Christos war vollkommen klar, was Maria meinte. Sie wollte wissen, ob er etwas mit Miss Carlyon hatte. Es erstaunte ihn stets, wie sehr sein Personal sich für seine Liebesgeschichten – oder besser deren Mangel – interessierte.

Seufzend ging er zum Angehörigenraum hinüber. Dass er plötzlich die Arbeit verlassen hatte und eine Stunde später mit einer wunderschönen jungen Frau wieder auftauchte, bot natürlich Anlass zu Spekulationen. Es lag wahrscheinlich daran, dass sein Leben sonst wenig Gesprächsstoff hergab. Nach dem Desaster mit Eleni war er fast nie mit Frauen ausgegangen und hatte sich damit abgefunden, unverheiratet zu bleiben. Ehe und Familie würden ihn zu viel seiner Zeit kosten, worunter sein Beruf leiden müsste. Es war vernünftiger, sich mit dem zufriedenzugeben, was er hatte.

Als er die Tür zum Angehörigenraum geöffnet hatte, blieb er unvermittelt stehen. Katie saß neben der Frau seines Patienten und legte gerade tröstend den Arm um die Schultern der alten Dame. Christos runzelte die Stirn. In dieser Geste lag so viel Zuwendung, dass all seine Vorurteile über sie lächerlich erschienen. Er konnte diese liebevolle und einfühlsame Frau einfach nicht mit dem männermordenden Vamp in Einklang bringen, den Petros ihm geschildert hatte.

Welche war die wahre Katie Carlyon? Plötzlich wurde ihm klar, dass er die Antwort auf diese Frage unbedingt herausfinden wollte, obwohl er nicht wusste, warum ihm das so wichtig erschien.

3. KAPITEL

„Ich bin sicher, dass wir bald etwas hören werden. Machen Sie sich keine so großen Sorgen.“

Katie nahm die alte Dame noch einmal in den Arm. Sie sah sich um, als sie plötzlich die Tür aufgehen hörte, und errötete. Christos! Er blieb direkt vor ihnen stehen, und Katies Herz setzte unter dem prüfenden Blick, mit dem er sie musterte, kurz aus.

„Mrs. Briggs? Ich bin Dr. Constantine, der Leiter der Unfallstation.“

Er zog einen Stuhl heran und setzte sich zu ihnen. Seine Stimme wurde weicher, als er den besorgten Gesichtsausdruck der alten Dame sah. „Ihr Mann lebt, Mrs. Briggs. Er hatte einen zweiten Herzanfall, aber wir haben es geschafft, ihn zu stabilisieren. Sie können ihn gleich sehen.“

„Oh, dem Himmel sei Dank!“ Marjorie Briggs umklammerte Katies Hand. „Ich hatte befürchtet, Sie würden mir mitteilen, Frank sei tot. Das hätte ich nicht ertragen können, wirklich nicht.“

Sie fing wieder heftig zu weinen an. Katie streichelte ihr die Hand und wartete, bis sie sich wieder beruhigte. Der Umgang mit verzweifelten Verwandten gehörte schon so lange zu ihrem Job, dass er ihr in Fleisch und Blut übergegangen war. Sie nahm ein Papiertaschentuch aus ihrer Handtasche und reichte es Mrs. Briggs.

„Ich weiß, es war ein furchtbarer Schock für Sie, Marjorie, aber die Tatsache, dass Frank sich ein zweites Mal erholt hat, ist ein wirklich gutes Zeichen, nicht wahr, Dr. Constantine?“ Sie sah Christos an und konnte sich wiederum des Eindrucks nicht erwehren, dass er alle ihre Worte und Handlungen beurteilte.

„Das ist richtig. Unter den gegebenen Umständen geht es Ihrem Mann außerordentlich gut. Die nächsten Stunden sind jedoch kritisch.“

„Heißt das, dass Frank noch einen Herzanfall haben könnte?“, fragte Marjorie mit zitternder Stimme.

„Bedauerlicherweise ja.“

Er beugte sich vor, und Katie war überrascht, echte Anteilnahme in seinen Augen zu sehen. Vielleicht hatte sie ihn falsch eingeschätzt.

„Wir haben diverse Untersuchungen durchgeführt und festgestellt, dass die Herzarterien Ihres Mannes an drei verschiedenen Stellen beinahe komplett verstopft sind. Ich halte es für das Sicherste, wenn er sich unverzüglich einer Bypassoperation unterzieht.“

„Sie meinen, Sie wollen Frank hier operieren?“, rief Marjorie bestürzt.

„Ja. Meiner Meinung nach wäre es zu riskant, ihn für die Operation nach England fliegen zu lassen. Wir verfügen über sämtliche notwendigen Einrichtungen, um die Operation hier durchzuführen, und Ihre Reiseversicherung sollte die Kosten für die Operation und die Nachsorge abdecken. Falls sie es nicht tut, stehen uns Finanzmittel für besondere Fälle zur Verfügung. Alles, was ich brauche, ist Ihre Unterschrift auf der Einverständniserklärung, damit wir die Operation durchführen können.“

„Oh, ich weiß nicht, was ich machen soll. Sind Sie ganz sicher, dass es unbedingt erforderlich ist?“

Es war offensichtlich, dass die arme Frau von der Vorstellung, allein eine Entscheidung treffen zu müssen, völlig überfordert war. Also mischte Katie sich ein. „Dr. Constantine hätte es nicht vorgeschlagen, wenn es nicht das Beste für Ihren Mann wäre, Marjorie. Und Sie müssen sich wirklich keine Sorgen machen, weil Frank hier und nicht zu Hause operiert wird. Ich habe bis jetzt nur einen kleinen Teil der Klinik gesehen, aber ich bin sehr beeindruckt. Die Ausstattung ist hervorragend.“

„Nun ja, wenn Sie glauben, dass es das Richtige ist, liebes Kind.“ Marjorie begann sich an den Gedanken an eine Operation auf Zypern zu gewöhnen.

„Das tue ich.“ Katie lächelte ermutigend. „Wenn Ihr Ehemann hier operiert wird, bekommt er die bestmögliche Chance zu einer völligen Genesung.“

„Dann werden wir das tun.“ Marjorie holte tief Luft und stand auf. „Ich unterschreibe alle Formulare, die Sie brauchen, Doktor. Danach möchte ich bitte meinen Mann sehen.“

„Natürlich.“ Auch Christos erhob sich. Er führte die alte Dame am Ellbogen zur Tür und blieb dort kurz stehen. „Es dauert nur ein paar Minuten, wenn Sie so lange auf mich warten würden.“

„Selbstverständlich.“

Katie stand auf und trat ans Fenster. Es war ein wunderschöner Tag, die Sonne strahlte von einem wolkenlosen blauen Himmel herunter. Sie konnte die ganze Bucht überblicken, war aber im Moment unfähig, sich an der malerischen Aussicht zu erfreuen. Sie hatte zwar geholfen, Marjories Problem zu lösen, aber ihre eigenen Schwierigkeiten waren gleich groß geblieben. Was, um Himmels willen, sollte sie tun, wenn sich herausstellte, dass Petros wirklich heiraten wollte? Sollte sie auf der Insel bleiben, obwohl ihre Zukunftspläne zerplatzt waren wie eine Seifenblase?

Sie war noch ganz in ihre Gedanken vertieft, als Christos zurückkam. Ihr war klar, dass es ihm am liebsten wäre, wenn sie so schnell wie möglich wieder abreiste. Vielleicht hatte er ihr die Wahrheit gesagt, aber sie wollte es von Petros selbst hören. Sie würde sonst nicht zur Ruhe kommen.

Christos spürte sofort, dass ihm ein Kampf bevorstand, wenn er Katie davon überzeugen wollte, wieder abzufliegen. Das Glitzern in ihren Augen versprach nichts Gutes. Er beschloss, es auf die sanfte Tour zu versuchen, und lächelte ihr zu.

„Wollen wir in mein Büro hinaufgehen? Dort ist es ruhiger, und die Chancen, nicht unterbrochen zu werden, stehen besser.“

Er öffnete die Tür, aber sie ignorierte seine Aufforderung. „Nein, der einzige Ort, wohin ich jetzt gehen werde, ist in die Stadt, um mir eine Unterkunft zu suchen.“

„Warum? Welchen Sinn hat es hierzubleiben?“ Er schüttelte den Kopf, in dem Versuch, ein plötzlich aufkommendes Gefühl der Enttäuschung abzuwehren. Er spürte zwar das Bedürfnis, mehr über sie zu erfahren, aber die Befriedigung seiner Neugier durfte nicht auf Kosten von Elenis Glück gehen. „Das Beste wäre für Sie, nach England zurückzukehren und diese unerfreuliche Episode hinter sich zu lassen.“

„Ob ich wieder nach England fliege oder nicht, ist einzig und allein meine Entscheidung. Ich brauche Ihre Ratschläge nicht.“ Mit ihrem Koffer in der Hand marschierte sie auf die Tür zu und zog eine perfekt gezupfte Augenbraue in die Höhe, als er ihr den Weg versperrte. „Entschuldigen Sie bitte.“

„Sie gehen nirgendwohin, solange ich nicht weiß, was Sie vorhaben.“

„Wirklich?“ Ernst sah sie ihn an. „Mich hier gegen meinen Willen festzuhalten ist ein Verbrechen, Dr. Constantine. Sind Sie gewappnet gegen den Eklat, den es nach sich ziehen wird, wenn ich Sie bei der Polizei anzeige?“

„Die Polizei würde Ihnen niemals glauben“, spöttelte er.

„Vielleicht nicht, aber sie müsste auf jeden Fall untersuchen, ob meine Anschuldigungen berechtigt sind. Solche Geschichten pflegen immer durchzusickern. Ich frage mich, was Petros’ Verlobte davon halten würde, die Meldung in den Schlagzeilen der einheimischen Tageszeitung zu entdecken.“

Sie hatte natürlich recht. Christos trat zur Seite, denn dieses Risiko wollte er nicht eingehen. Er musste sich etwas anderes einfallen lassen, um Katie zur Kooperation zu bewegen. Kein leichtes Unterfangen, denn sie schien eine sehr entschlossene junge Frau zu sein.

Er folgte ihr in den Flur. Maria sah kurz auf, als die beiden an ihr vorbeikamen.

„Sie haben mir Ihre Freundin noch nicht vorgestellt, Christos“, schalt sie ihn.

„Oh, Entschuldigung.“ Christos blieb stehen. Er wusste, dass er nur Anlass zu weiteren Spekulationen geben würde, wenn er sie ignorierte. „Das ist Katie Carlyon, Maria. Sie war am Flughafen, als Mr. Briggs zusammenbrach, und hat bei seiner Wiederbelebung geholfen.“

Kalimera, Katie.“ Maria schenkte ihr ein warmes Lächeln. „Das war sehr mutig von Ihnen. Jemanden in dieser Lage wiederzubeleben kann ziemlich beängstigend sein.“

Katie erwiderte ihr Lächeln. „Allerdings. Doch ich bin Krankenschwester in der Notaufnahme und habe viel Erfahrung damit.“

„So ein Glück, dass Sie da waren!“, rief Maria. „Was bringt Sie auf unsere schöne Insel? Machen Sie Ferien hier?“

„Eigentlich nicht. Ich hatte geplant, mich hier niederzulassen, aber es kann sein, dass ich meine Pläne ändern muss. Ehrlich gesagt, weiß ich im Moment nicht genau, was ich tun werde.“

Christos sah es Maria an: Sie brannte förmlich darauf zu erfahren, warum Katies Pläne sich geändert hatten, deswegen unterbrach er das Gespräch sofort. „Ich will Sie nicht hetzen, Katie, aber wenn Sie noch eine Unterkunft für heute Nacht finden wollen, sollten Sie nicht zu lange damit warten. Die Hotels sind immer ziemlich zeitig ausgebucht.“ Er nahm ihren Arm und schob sie weiter. Er gab sie erst wieder frei, als sie nicht mehr in Marias Blickfeld waren.

„Was soll denn das?“ Wütend funkelte sie ihn an, während sie sich den Arm rieb. „Ich würde es vorziehen, wenn Sie mich nicht so grob behandeln.“

„Und ich würde es vorziehen, wenn Sie endlich Vernunft annehmen und zurück nach England fliegen würden.“ Er funkelte zurück. „Ich weiß nicht, was Sie sich hier erhoffen. Ich habe Ihnen die Situation erklärt, aber ich tue es gern noch einmal: Petros ist nicht an Ihnen interessiert. Ist das klar?“

„Ja, vielen Dank – vollkommen klar.“ Tränen glitzerten in ihren Augen, doch sie blinzelte sie weg. „Allerdings werde ich nicht abreisen, bevor Petros es mir nicht selbst gesagt hat. Sie könnten sich das auch ausgedacht haben.“

Leise fluchte er auf Griechisch vor sich hin. Es passierte ihm selten, dass er die Geduld verlor, aber sie hatte es geschafft. „Warum sollte ich mir so etwas ausdenken? Was für einen Grund sollte ich dafür haben? Ich sage Ihnen die Wahrheit, Katie. Tun Sie sich selbst einen Gefallen, und akzeptieren Sie es.“

„Das kann ich nicht.“ Sie sprach so leise, dass er sich anstrengen musste, sie zu verstehen. „Ich wünschte, ich könnte einfach fortgehen, aber ich kann es nicht, bis ich von Petros selbst höre, dass er mich nicht liebt.“

Ihre Stimme brach, und die Tränen strömten ihr über das Gesicht. Christos war sich nicht sicher, ob es der Anblick ihrer Tränen war, der ihn anrührte; in diesem Moment zweifelte er jedoch nicht daran, dass sie litt, und reagierte spontan. Er nahm sie in die Arme und wiegte sie sanft hin und her. Er konnte nachvollziehen, wie erschüttert sie sich fühlen musste, denn so hatte er sich gefühlt, als er Eleni verloren hatte. Das war der schlimmste Schmerz, den man erleben konnte: zu wissen, dass man den Menschen, den man am meisten liebt, nie würde haben können.

In diesem Moment wandelten sich seine Gefühle Katie gegenüber. Er konnte sie nicht länger als ein Problem betrachten, das schnellstmöglich gelöst werden musste. Ihm wurde klar, dass es viel schwerer sein würde, als er gedacht hatte, das seinem Cousin gegebene Versprechen zu halten und sie wegzuschicken.

Katie spürte die Kraft und die Wärme der Arme, die sie hielten, und fühlte sich seit Langem wieder einmal geborgen. Bis dahin hatte sie gar nicht bemerkt, wie aufreibend die vergangenen Wochen gewesen waren. England und ihre vertraute Umgebung zu verlassen war ein großer Schritt für sie. Wenn sie geahnt hätte, was passieren würde, wäre sie heute Morgen nie in das Flugzeug gestiegen. Aber jetzt war es für Reue zu spät, und sie musste so gut wie möglich mit der Situation fertig werden.

„Hier.“

Christos hielt ihr in seiner großen gebräunten Hand ein frisches blütenweißes Taschentuch hin. Katie nahm es mit einem gemurmelten Dankeschön und tupfte sich damit die Augen trocken. Als er sie losließ, zwang sie sich zu einem Lächeln. „Vielen Dank.“

„Fühlen Sie sich ein bisschen besser?“, fragte er leise.

„Ja. Entschuldigen Sie, ich verliere normalerweise nicht so leicht die Fassung.“

„Es besteht kein Anlass, sich zu entschuldigen. Sie sind verletzt, und ich verstehe auch, warum.“ Er seufzte. „Deshalb denke ich, dass es für Sie am besten wäre, nach England zu fliegen, wo Sie Ihre Familie und Freunde um sich haben?“

„Die einzige Familie, die ich habe, ist meine Schwester Kelly, und die ist in Sardinien. Sie ist heute Morgen geflogen, weil sie dort eine neue Stelle antritt, und ich will auf keinen Fall ihre Pläne durcheinanderbringen, indem ich ihr erzähle, dass bei mir alles schiefgelaufen ist. Und meine Freunde haben genügend eigene Probleme; ich will sie nicht noch mit meinen Sorgen belasten.“

„Heißt das, dass Sie unter keinen Umständen nach England zurückwollen?“

„Ich weiß es nicht! Mir schwirrt der Kopf, ich habe noch keine Idee, was ich tun will. Ich brauche Zeit, um über alles nachzudenken, denn ich will auf keinen Fall eine übereilte Entscheidung treffen, die ich hinterher bereue.“

Sie begann weiterzugehen, da diese Diskussion zu keinem Ergebnis führte. Ihm war es letzten Endes sowieso egal, wohin sie ging, solange sie nur möglichst weit von Petros entfernt war.

Inzwischen waren sie im Foyer angekommen. „Ich suche mir ein Taxi. Wenn Sie meinen Koffer aus Ihrem Auto holen, dann sind Sie mich los.“

„Und was ist mit Petros? Haben Sie noch immer die Absicht, mit ihm Kontakt aufzunehmen?“

„Natürlich. Ich werde jedoch selbst entscheiden, wann und wie ich das tun werde. Das geht weder Sie noch sonst irgendjemanden etwas an.“

„Ich fürchte, damit kann ich mich nicht zufriedengeben. Sie müssen einsehen, wie viel Schaden Sie anrichten können.“

„Was ist mit dem Schaden, der mir zugefügt wurde?“, konterte sie ärgerlich. „Das zählt wohl überhaupt nicht?“

„Doch, natürlich zählt das, deshalb finde ich auch, dass Sie vernünftig sein und meinen Cousin vergessen sollten. Er ist nicht der Richtige für Sie, Katie, ist Ihnen das nicht klar? Versprechen Sie mir wenigstens, dass Sie nichts Unüberlegtes tun werden.“

Er ergriff ihre Hände und hielt sie fest, und wieder hatte sie dieses Gefühl von Geborgenheit. Das war sehr merkwürdig, denn nichts, was er an diesem Tag zu ihr gesagt hatte, war dazu angetan, ein solches Gefühl bei ihr hervorzurufen, aber tatsächlich fühlte sie sich bei ihm sicherer als jemals zuvor – sogar mehr als bei Petros.

Dieser Gedanke erschreckte sie so sehr, dass sie ihm ihre Hände entriss. „Ich werde nichts versprechen, von dem ich nicht sicher bin, es einhalten zu können.“

Verzweifelt schüttelte er den Kopf. „Ich weiß nicht, was ich noch sagen kann, um Sie zu überzeugen.“

„Ich muss selbst zu einer Entscheidung kommen.“

„Und was wollen Sie in der Zwischenzeit tun? Wollen Sie einen Urlaub aus Ihrem Aufenthalt machen?“

Katie seufzte, denn auch darüber musste sie nachdenken. Ihr Geld würde nicht lange reichen, wenn sie ein Hotel bezahlen musste. Vielleicht konnte sie etwas Billigeres finden, ein Privatzimmer oder etwas Ähnliches, aber selbst dann würde ihr das Geld bald ausgehen. Bevor sie England verlassen hatte, hatte sie sich über ihre Finanzlage keine Gedanken gemacht. Sie war davon ausgegangen, dass sie mit Petros zusammenleben würde – allerdings war das nun keine Option mehr.

Wieder wurde sie von einem Gefühl des Schmerzes überflutet. Sie hatte Petros vertraut, und er hatte sie enttäuscht. Auch wenn es nichts mehr ändern würde, so musste sie doch erfahren, warum er sie so behandelt hatte. Aus diesem Grund musste sie einen Weg finden, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, damit sie in Zypern bleiben konnte.

„Eine Woche Ferien könnte ich vielleicht finanzieren, aber danach muss ich einen Job finden. Ich kann nicht hierbleiben, wenn ich kein Geld verdiene.“

„Es ist möglicherweise nicht so einfach, eine Arbeit zu finden. Die Saison hat noch nicht begonnen, und die meisten Restaurants und Bars stellen jetzt keine Aushilfskräfte ein.“

„Vielen Dank für Ihre Anteilnahme, aber ich bin sicher, dass ich irgendetwas finden werde“, erwiderte sie kurz angebunden.

„Sie sagten, dass Sie Schwester in der Notaufnahme waren – stimmt das?“

„Ja. Ich war Stationsschwester in der Notaufnahme. Warum? Haben Sie eine freie Stelle in Ihrem Team?“

Die Frage war nicht ernst gemeint. Sie nahm nicht an, dass er es in Erwägung zog, sie einzustellen, darum konnte sie ihre Überraschung kaum verbergen, als er ruhig erwiderte: „Bei uns ist tatsächlich eine Stelle zu besetzen. Wenn Ihre Referenzen in Ordnung sind, sehe ich keinen Hinderungsgrund, warum ich Ihnen den Job nicht anbieten sollte.“ Er lächelte gequält, als sie nach Luft schnappte. „Bitte, verstehen Sie mich nicht falsch. Ich habe meine Meinung nicht geändert und finde immer noch, dass Sie nach Hause fliegen sollten. Aber wir brauchen ganz dringend Personal, und wenn Sie darauf bestehen hierzubleiben, können Sie uns genauso gut aushelfen.“

4. KAPITEL

„Das ist Yanni, einer unserer Stationsärzte. Tina und Ariadne sind auch Schwestern hier. Oh, und da drüben ist Takis, unser Röntgenassistent. Hört mal alle her, das ist Katie Carlyon.“

Kalimera, Katie!“

„Kalimera!“, antwortete Katie, als alle sie im Chor begrüßten. Es war ihr erster Tag auf der Unfallstation, und sie konnte immer noch nicht so recht glauben, dass sie tatsächlich hier war. Aber wie Christos vorhergesagt hatte, gab es nur sehr wenige andere Arbeitsmöglichkeiten. Ihr war schnell klar geworden, dass sie sein Angebot annehmen musste, wenn sie auf der Insel bleiben wollte. Bei ihrer Ankunft war sie unglaublich nervös gewesen. Glücklicherweise hatte Maria ihr schnell darüber hinweggeholfen, indem sie sie den Kollegen vorgestellt hatte.

„Das genügt für den Anfang. Die anderen können Sie später kennenlernen.“ Maria hakte Katie unter und führte sie ins Schwesternzimmer. „Jetzt trinken wir erst einmal eine Tasse Kaffee, und Sie erzählen mir alles über Ihre Beziehung zu Christos.“

„Über meine Beziehung zu Christos?“, wiederholte Katie sichtlich verwirrt.

Maria lachte. „Oh, ich will nicht indiskret sein, aber es war neulich offensichtlich, dass Sie und Christos … Freunde sind.“

Katie wurde rot. „Oh, nein, da irren Sie sich“, erwiderte sie schnell. „Christos und ich haben uns erst auf dem Flughafen kennengelernt. Zwischen uns ist nichts, das versichere ich Ihnen.“

„Nein?“ Maria sah skeptisch aus. „Aber Christos hat es doch arrangiert, dass Sie den Job bekommen haben.“

„Nur weil ich zufällig erwähnt habe, dass ich in England in der Notaufnahme gearbeitet habe.“ Sie tat ihr Bestes, um Maria von ihrem Verdacht abzubringen. Christos’ Meinung von ihr würde sich nicht gerade zum Positiven wenden, wenn sie Anlass zu geschmacklosem Tratsch lieferte.

Sie verstand selbst nicht ganz, warum ihr sein Urteil so wichtig war, und fuhr fort: „Vermutlich war es unkomplizierter, mir den Job anzubieten, als die ganze Prozedur einer Stellenanzeige anzuleiern.“

„Ach so.“ Maria schien nicht sehr überzeugt, aber bevor sie weitere Fragen stellen konnte, kündete das Heulen einer Sirene die Ankunft eines Krankenwagens an.

Katie eilte mit ihr zu den Schwingtüren, an denen die Krankenwagen ihre Patienten ablieferten, wartete, während die Mannschaft die Trage herausholte, und folgte dann dem Tross in die Reanimation. Zum Glück wurde im Klinikalltag sehr viel Englisch gesprochen, sodass sie mitbekam, was vorgefallen war. Der junge Mann hatte sich in einer Ferienanlage beim Parasailing verletzt.

Christos kam dazu, als die ersten Untersuchungen schon durchgeführt worden waren, und fragte mit einem Blick zu Katie: „So, was haben wir denn hier?“ Er schien von ihr eine Antwort zu erwarten, vielleicht wollte er ihre Fähigkeiten testen. Sie verschwendete keine Zeit, sondern begann ohne Umschweife, ihm die wesentlichen Details mitzuteilen.

„Simon Bradshaw, neunzehn Jahre alt, hat sich verletzt, als sein Fallschirm beim Parasailing versagte.“ Dann ließ sie eine ganze Litanei von Daten und Fakten folgen und schloss mit den Worten: „Möglicherweise eine Verletzung der Wirbelsäule, weiterhin Verletzungen am linken Bein und Fuß.“

„War er bei Bewusstsein, als er geborgen wurde?“, wollte Christos wissen.

„Ja. Die Besatzung des Schnellbootes, die ihn aus dem Wasser gefischt hat, sagte den Sanitätern, er sei zu dem Zeitpunkt bei Bewusstsein gewesen und habe selbstständig geatmet.“

„Gut.“ Er beugte sich über den jungen Mann. „Mein Name ist Christos Constantine, und ich bin der Leiter der Unfallstation. Ich muss das Ausmaß Ihrer Verletzungen einschätzen, besonders an Ihrer Wirbelsäule. Okay?“

„Ja.“ Der junge Mann stöhnte. „Mein linkes Bein bringt mich um. Und mein rechter Arm fühlt sich auch nicht gut an.“

„Gut. Die Tatsache, dass Sie Schmerzen verspüren, bedeutet, dass mit großer Wahrscheinlichkeit Ihr Rückenmark nicht verletzt ist. Nachdem ich Sie untersucht habe, werde ich Ihnen etwas gegen die Schmerzen geben.“

Während der Untersuchung stand Katie dicht neben ihm, und ihr fiel auf, dass seine dichten schwarzen Haare keine Spur von Grau zeigten.

Wie alt er wohl war? Er verströmte so viel Autorität, dass sie angenommen hatte, er müsse sehr viel älter sein als Petros, doch jetzt konnte sie sehen, dass er höchstens Ende dreißig war. Petros war zweiunddreißig, der Altersunterschied zwischen den beiden war also gar nicht groß. Allerdings wirkte Petros bei Weitem nicht so vertrauenerweckend wie sein Cousin.

Sie begann, die beiden Männer zu vergleichen – und zu ihrer eigenen Überraschung schnitt Petros dabei schlechter ab. Natürlich hatten sich ihre Gefühle, nach allem, was sie erfahren hatte, verändert, aber wenn sie ihn so sehr liebte, wie sie geglaubt hatte, hätte doch ihre Liebe nicht bei der ersten Hürde schwinden dürfen.

„Es gibt noch eine Schwellung an der Halswirbelsäule. Ich brauche bitte eine Röntgenaufnahme von diesem Bereich.“

Christos blickte über die Schulter, um festzustellen, ob Takis ihn gehört hatte, doch er hielt in der Bewegung inne, als er Katies Gesichtsausdruck bemerkte. Er hatte keine Ahnung, was in diesem Moment in ihr vorging, aber er hatte noch nie einen Menschen gesehen, der so verloren wirkte. Er räusperte sich und versuchte rasch zu verbergen, wie sehr ihn dieser Anblick verstörte.

„Außerdem brauche ich noch einen Liter Kochsalzlösung, Katie. Und einen zweiten Tropf.“

Während sie davoneilte, betrachtete er zusammen mit Yanni die Röntgenaufnahmen, die einen Bandscheibenriss in der Halswirbelsäule zeigten. Sie kamen zu dem Schluss, erst das Abklingen der Schwellung abzuwarten, bevor sie entscheiden konnten, ob eine Operation notwendig war.

Christos trat wieder an das Bett des Patienten, wo Katie inzwischen auch wieder stand. Er nickte, als sie ihn fragte, ob sie die zweite Infusion anlegen sollte. Erleichtert stellte er fest, dass sie jetzt nicht mehr ganz so aufgelöst wirkte. Er wunderte sich über sich selbst: Warum machte er sich solche Sorgen um sie?

„Wie groß ist der Schaden, Doktor? Werde ich überleben?“

„Ja.“ Christos lächelte dem jungen Mann zu. Trotz der von Simon Bradshaw zur Schau gestellten Lässigkeit konnte er sehen, dass er Angst vor der Prognose hatte. Er begann gleich, ihm Mut zu machen. „Ihre Verletzungen sind auf keinen Fall lebensbedrohlich. Allerdings haben die Röntgenaufnahmen gezeigt, dass es einen Bandscheibenriss in der Halswirbelsäule gibt. Und diese Bandscheibe drückt auf den Nerv, der zu Ihrem Arm führt.“

„Ach, und deshalb fühlt er sich so taub und kribbelig an.“

„Genau. Ihr Nacken wird sich vermutlich auch steif anfühlen.“

„Und was passiert jetzt? Können Sie die Bandscheibe reparieren?“

„Nach Abklingen der Schwellung kann sie sich möglicherweise selbst reparieren. Wir müssen abwarten und die Lage beobachten. Ich muss Ihnen gleich sagen, dass es ein langwieriger Prozess wird und dass Sie Geduld haben müssen. Die Behandlung bei dieser Verletzung lautet strikte Bettruhe.“

„Na klasse! Heißt das, dass ich die nächsten Wochen flachliegen werde?“ Simon stöhnte. „Wir sind erst gestern angekommen. Sieht wohl so aus, als könne ich meine Ferien abschreiben.“

„Sie können sich glücklich schätzen, dass Ihr Rückenmark nicht verletzt worden ist“, ermahnte Christos ihn.

Simon schien diese Logik zu akzeptieren, obwohl er immer noch verdrießlich dreinschaute. Das würden nicht die Art von Ferien werden, die sich der junge Mann erhofft hatte, und Christos konnte seine Enttäuschung verstehen.

Er sah sich um, als er hörte, wie Katie fragte, was als Nächstes zu tun sei. Da war noch ein Mensch, der nach der Ankunft auf der Insel eine schwere Enttäuschung erfahren hatte. Einen Moment lang wünschte er, er hätte sie nicht so hart angepackt, doch er konnte es sich nicht leisten, Sympathie für Katie zu empfinden, sonst würde er am Ende sein wichtigstes Ziel aus den Augen verlieren.

Katie spürte seinen Blick, aber sie sah sich nicht um. Er hatte kein Geheimnis daraus gemacht, aus welchen Gründen er sie eingestellt hatte, und sie gab sich keinerlei Illusionen hin. Er wollte sie in der Klinik haben, damit er sie im Auge behalten konnte.

Sie seufzte, denn im Grunde konnte sie es ihm nicht verdenken, wenn sie an all die schlimmen Dinge dachte, die Petros über sie erzählt hatte. Trotzdem schmerzte es. Ihr wurde klar, wie sehr ihr daran gelegen war, ihren Namen reinzuwaschen. Wenn sie nur eine Idee hätte, wie sie Petros dazu bringen sollte zuzugeben, dass er gelogen hatte. Sie war jetzt seit über einer Woche auf der Insel, und er hatte noch keinen Versuch unternommen, mit ihr Kontakt aufzunehmen. Ein paar Mal war sie in Versuchung gewesen, ihn anzurufen, aber sie wollte ihm keinen Anlass bieten, sie der Belästigung zu beschuldigen. Außerdem wollte sie auch nicht verantwortlich dafür sein, das Glück einer anderen Frau zu zerstören, wobei es vielleicht vernünftiger wäre, Eleni über den wahren Charakter ihres künftigen Ehemannes aufzuklären.

Sie zog eine Grimasse, weil sie sich Christos’ Reaktion vorstellte. Er würde sie wahrscheinlich deportieren lassen – in Ketten!

Es war ein arbeitsreicher Tag. Katie staunte über die hohe Anzahl der Patienten. Ihre Illusionen darüber, wie wunderbar es sein musste, an einem so paradiesischen Ort zu arbeiten, lösten sich schnell in Wohlgefallen auf. Menschen wurden krank und verletzten sich, egal, wie hell die Sonne schien. Als sie endlich Feierabend machen konnte, freute sie sich darauf, nach Hause zu gehen. Es war ihr gelungen, ein Zimmer über einem Café im Stadtzentrum zu finden. Es war sehr einfach, aber sauber und sehr viel billiger als ein Hotel. Sie nahm den Bus, der vor dem Krankenhaus hielt, und war in weniger als einer halben Stunde in ihrem neuen Zuhause.

Normalerweise kochte sie sich etwas, heute jedoch war sie viel zu müde. Sie beschloss, sich zu belohnen und am Hafen essen zu gehen. Nachdem sie geduscht und sich umgezogen hatte, schlenderte sie über die Promenade, wo es zahlreiche Bars und Restaurants gab, aber sie ging zunächst bis zum alten Fort am Ende der Hafenmauer. Nach einem Tag im Krankenhaus fühlte es sich gut an, im Freien zu sein.

Sie setzte sich auf die Mauer und beobachtete die Möwen, die auf der Suche nach Fischen im Sturzflug ins Wasser tauchten. Die Luft war noch sehr warm, auch wenn die Sonne schon tief am Himmel stand und Streifen von rotem und orangefarbenem Licht auf das Wasser warf. Von den nahe gelegenen Restaurants wehte ein köstlicher Duft nach Kräutern und Olivenöl zu ihr herüber, den sie begierig einsog. Es waren sehr viele Menschen unterwegs – Paare, die Arm in Arm flanierten, junge Familien mit Kinderwagen –, sie alle schienen sich an der lauen Abendluft und an der Gesellschaft zu erfreuen.

Plötzlich spürte Katie einen Kloß im Hals. Sie hätte heute Abend mit Petros hier sitzen und mit ihm gemeinsam den Abend genießen sollen. Wie hatte er sie nur so anlügen und ihr seine Liebe schwören können, während er schon mit einer anderen Frau verlobt war? Ihre Augen füllten sich mit Tränen, als ihr bewusst wurde, wie leichtgläubig sie gewesen war. Er hatte sie nur ins Bett bekommen wollen, nichts anderes. Plötzlich konnte sie den Gedanken an ein Abendessen nicht mehr ertragen. Sie wollte nur in ihr Zimmer gehen und dort bleiben, bis der Schmerz verging.

Sie stolperte auf die Füße und lief eilig, mit tränenblinden Augen, zurück. Sie überholte ein Paar, das vor ihr herschlenderte, sodass sie den Mann, der ihr entgegenkam, erst bemerkte, als sie mit ihm zusammenprallte. Wenn er sie nicht am Arm gehalten hätte, wäre sie wohl hingefallen.

„Katie? Was ist los? Warum weinen Sie?“

Zornig sah Katie zu Christos auf. Sie hatte keine Ahnung, was er hier tat … Es sei denn, er war ihr gefolgt. Wut über diese Ungerechtigkeit flammte in ihr auf. Sie wurde wie eine Kriminelle behandelt, dabei hatte sie nichts getan!

„Sind Sie mir gefolgt?“

„Nein, natürlich nicht. Wie kommen Sie denn darauf?“

„Weil sie plötzlich zufällig hier auftauchen.“ Sie lachte höhnisch. „Bitte sagen Sie nicht, dass Sie heute Abend aus Zufall hier sind, Dr. Constantine, denn das nehme ich Ihnen nicht ab.“

„Das ist natürlich Ihr Vorrecht. Die Wahrheit ist jedoch, dass ich keine Ahnung hatte, dass Sie hier sein würden – wie hätte ich das auch wissen sollen? Als Ihre Schicht zu Ende war, habe ich noch gearbeitet.“

Das klang zwar aufrichtig, aber Petros hatte auch aufrichtig geklungen, als er ihr seine Liebe gestand, und wohin hatte sie das geführt? „Sie hätten mir folgen können, als ich von zu Hause weggegangen bin.“

„Ja, vermutlich hätte ich das tun können. Allerdings war ich bis vor einer halben Stunde in einem Meeting, und es wäre ziemlich schwierig für mich gewesen, zeitig genug bei Ihrer Wohnung zu sein.“

Katie biss sich auf die Lippe. Auch wenn sie es sich ungern eingestand, so schien er doch die Wahrheit zu sagen.

„Ich bin Ihnen nicht gefolgt, Katie. Ich kam her, um zu Abend zu essen. Das ist alles.“

„Aus dem Grund bin ich auch hier. Ich wollte mir etwas gönnen.“

„Warum tun wir uns dann nicht einfach zusammen?“

„Zusammentun?“, fragte sie zweifelnd. Sie sah verwirrt zu ihm auf, und ihr Herz machte einen Sprung, als er sie anlächelte. Seine strengen Gesichtszüge wurden dabei weicher, und ihr fiel zum ersten Mal auf, wie gut er aussah. Mit diesem kantigen Gesicht und den warmen dunklen Augen war er ausgesprochen attraktiv, und als Frau reagierte sie stark auf ihn.

„Ich finde, wir beide sind erwachsen genug, um die Feindseligkeiten für einen Abend einzustellen, finden Sie nicht auch, Katie? Wollen Sie also mit mir zu Abend essen? Bitte.“

5. KAPITEL

„Nun, was möchten Sie essen?“

Christos klappte nun die Speisekarte zu und hoffte, dass Katie nicht bemerkte, wie nervös er war. Er war sich nicht im Klaren darüber, warum er sie gebeten hatte, mit ihm essen zu gehen. Vielleicht lag es daran, dass sie so aufgelöst gewirkt hatte und er sie sich nicht selbst überlassen wollte. Genau wie heute Morgen in der Klinik, als sie so verloren ausgesehen hatte: Auch da hatte er sie trösten und beschützen wollen. Es war beunruhigend, wie empfänglich er für ihre Stimmungen war.

„Ich kann mich nicht entscheiden. Es klingt alles so gut, dass ich nicht weiß, was ich nehmen soll.“ Sie lächelte ihm schüchtern zu, was ihm sehr gefiel.

„Wie wäre es mit meze?“, schlug er vor und versuchte, das breite Lächeln zu unterdrücken, das er unwillkürlich aufgesetzt hatte. Er durfte nicht den Fehler machen, in diesem gemeinsamen Essen mehr als eine vernünftige Lösung für ein Problem zu sehen. Sie war aufgewühlt gewesen, und er hatte dafür sorgen wollen, dass es ihr wieder besser ging – es gab keinen anderen Grund für den gemeinsamen Abend …

Oder?

Er räusperte sich und weigerte sich, in dieser Richtung weiterzudenken. „Wenn wir die meze nehmen, können Sie von allem auf der Speisekarte ein bisschen probieren.“

„Das klingt gut, solange Sie nicht denken, dass ich gierig bin“, erwiderte sie mit einem weiteren kleinen Lächeln.

„Natürlich nicht“, sagte er mit fester Stimme, entschlossen, sich wieder in den Griff zu bekommen. „Aber es werden sowieso nur ganz kleine Portionen sein, so ähnlich wie die Tellerchen mit den Tapas, die man in Spanien bekommt.“

„Oh, dann ist es gut. Kelly und ich waren letztes Jahr in Sevilla und haben dort öfter Tapas gegessen. Die waren wundervoll.“

„Kelly ist Ihre Schwester?“ Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und war gespannt, ob er jetzt die Chance bekommen würde, mehr über sie zu erfahren.

„Ja, Kelly und ich sind Zwillinge, allerdings keine eineiigen.“ Sie lachte. „Wir sind uns überhaupt nicht ähnlich. Kelly ist groß und schlank und hat fantastische rote Haare. Wenn sie gewollt hätte, hätte sie Model werden können. Sie ist so schön.“

Als sie ihre Schwester beschrieb, lag in ihrer Stimme aufrichtige Bewunderung, was Christos erstaunlich fand. Nach seiner Erfahrung war es sehr selten, eine Frau so großzügig über eine andere sprechen zu hören. Das passte definitiv nicht zu dem Bild, das sein Cousin ihm vermittelt hatte. Laut Petros war Katie eine habgierige, manipulative Frau, die ihre eigenen Interessen über die aller anderen stellte. Davon hatte er bis jetzt noch nichts bemerkt.

Es beunruhigte ihn, dass sein Cousin ihn womöglich angelogen hatte. „Was macht Ihre Schwester beruflich? Ist sie auch Krankenschwester?“

„Nein, sie ist Kinderärztin, und sie ist brillant in ihrem Beruf.“

Wieder konnte er den Stolz in ihrer Stimme hören, und das ungute Gefühl in Bezug auf Petros’ Aussagen verstärkte sich. Er würde für seinen persönlichen Seelenfrieden herausfinden müssen, was er selbst von Katie hielt. Obwohl das nichts an der Gesamtlage änderte. Denn sein Cousin würde immer noch Eleni heiraten und er selbst mit ganzer Kraft dafür sorgen, dass nichts diesen besonderen Tag für die beiden stören würde.

„Ach so. Sie erwähnten, dass Ihre Schwester nach Sardinien gezogen ist. Plant sie, dort weiterhin als Kinderärztin zu arbeiten?“, fragte er. Katie sollte ihm nicht anmerken, wie zwiespältig seine Gefühle waren.

„Oh, ja. Tatsächlich hat sie sich aus beruflichen Gründen entschieden, dorthin zu gehen. Kelly wurde ein Job in einer kürzlich eröffneten Klinik angeboten. Dort arbeitet man mit schwer kranken Kindern und hat schon erstaunliche Resultate erzielt. Das ist ein absoluter Traumjob für sie, und er hätte zu keinem besseren Zeitpunkt kommen können.“

„Wirklich?“ Christos unterbrach sich, als der Kellner an den Tisch kam, um ihre Bestellung aufzunehmen. Er bestellte meze für sie beide, mit Fisch- und Fleischgerichten. „Warum war der Zeitpunkt so günstig für Ihre Schwester?“, fragte er, sobald der Kellner verschwunden war.

„Kelly hat in den letzten zwei Jahren eine wirklich schwierige Phase durchgemacht. Es war wichtig für sie, wegzugehen und einen Neubeginn zu machen, obwohl ich sie natürlich sehr vermisse.“

„Vielleicht könnten Sie auch nach Sardinien ziehen?“

Sofort verschloss sich ihr Gesicht. „Ich habe noch nicht entschieden, was ich tun werde.“

Christos seufzte. Es war offensichtlich, dass sie in nächster Zukunft auf Zypern zu bleiben gedachte. Genau das war das Problem zwischen ihnen. Zum Glück wurden in diesem Moment die ersten Gerichte gebracht. Katie schnupperte anerkennend, während der Kellner sie auf dem Tisch anordnete.

„Das riecht alles ganz köstlich. Aber was ist es?“

Autor

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