Skandale und Geheimnisse

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Seit Jahren führt die schöne Unternehmerin Celeste einen erbitterten Kampf gegen ihren Konkurrenten Byron, den sie für alles Leid, das ihr mit siebzehn widerfuhr, verantwortlich macht. Endlich sieht sie ihre Chance gekommen, sich an ihm zu rächen, da passiert etwas Unerwartetes ...


  • Erscheinungstag 14.03.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751513807
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Celeste wendete gerade zur zwanzigsten Bahn, als sie am Ende des Swimmingpools einen Mann stehen sah. Erschrocken tauchte sie unter und kam prustend wieder an die Wasseroberfläche.

„Du meine Güte, Damian!“, sagte sie ärgerlich, als sie im nächsten Moment den Eindringling erkannte. „Du hast mich zu Tode erschreckt.“

Ihr Bruder lachte. „Nichts und niemand kann dich zu Tode erschrecken, Celeste. Was hast du denn gedacht? Ich sei ein Sittenstrolch?“ Er lachte erneut. „Ich hätte mit jedem Sittenstrolch Mitleid, der dir zu nahe käme, denn ich zweifle nicht, wer am Ende auf dem Rücken liegen würde.“

Celeste warf ihrem Bruder einen eisigen Blick zu, als sie zum Beckenrand zurückschwamm. Ihr war klar, dass seine Bemerkung auf ihren Ruf als männerfressender Vamp und nicht auf ihre Fähigkeiten als Kampfsportlerin zielte. Es bereitete Damian Vergnügen, sie mit sarkastischen Sticheleien dieser Art zu reizen. In der Hinsicht war er wie Irene.

Ein Gedanke, der Celeste nur noch mehr ärgerte. Wenn es einen Menschen gab, an den sie nicht erinnert werden wollte, dann ihre Halbschwester. Zwar hatte deren Tod im vergangenen Jahr die Feindseligkeit und die Hassgefühle, die Celeste all die Jahre gegenüber Irene gehegt hatte, etwas abgemildert, dennoch führte der Gedanke an sie unweigerlich zu einer anderen Person, die unglücklicherweise noch sehr lebendig war.

„Was willst du, Damian?“, fragte Celeste scharf. „Es passt doch gar nicht zu dir, an einem Samstag vor dem Nachmittag in Erscheinung zu treten … immer vorausgesetzt, du kommst freitagnachts überhaupt nach Hause.“

Auch sie konnte sarkastisch sein, wobei Damian sich durch derartige Anspielungen auf seinen dekadenten Lebenswandel nicht beeindrucken ließ. Es schien ihn sogar zu amüsieren.

Damian war, nach Celestes Überzeugung, ein hoffnungsloser Fall: verwöhnt, selbstsüchtig, faul und viel zu schön, als dass es für ihn selber gut gewesen wäre. Als er noch jünger war, hatte sie seine wilden Eskapaden immer noch entschuldigt in der Hoffnung, er würde mit der Zeit seiner Rücksichtslosigkeit und Verantwortungslosigkeit vor allem dem anderen Geschlecht gegenüber entwachsen. Inzwischen aber, mit neunundzwanzig, war er ein Playboy der schlimmsten Sorte. Celeste dachte voller Entsetzen daran, wie viele glückliche Ehen er bereits zerstört hatte. Zu schade, dass die betreffenden Frauen nicht die Verderbtheit erkannten, die sich hinter seinem jungenhaften Lächeln und seinen faszinierenden dunklen Augen verbarg.

Wenn es nach Celeste gegangen wäre, hätte sie ihren jüngeren Bruder längst zum Teufel gejagt und ihn gezwungen, sich wenigstens seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Das hätte sich vielleicht günstig auf seinen Charakter ausgewirkt. Doch Damian war der Augapfel seiner Mutter, und Adele hatte stets alle Ratschläge ihrer Tochter, was ihren Liebling betraf, in den Wind geschlagen. So hatte sie darauf bestanden, dass Damian eine angemessene Position in dem Familienunternehmen erhielt, für die er ein Gehalt bezog, das seine tatsächlichen Leistungen für Campbell Jewels bei Weitem überstieg.

Dennoch kam er bei seinem ausschweifenden Lebensstil nie mit seinem Geld aus. Erst eine Woche zuvor hatte er Celeste um einen Kredit gebeten, den sie ihm unter der Bedingung gewährt hatte, dass es das letzte Mal sei.

„Du bist hoffentlich nicht gekommen, um mich schon wieder anzupumpen. Dann verschwendest du deine Zeit“, sagte sie deshalb, als sie aus dem Swimmingpool kletterte und sich die Badekappe vom Kopf zog. Ihr langes aschblondes Haar fiel ihr einer Löwenmähne gleich in die Stirn und über die Augen. Celeste strich es mit beiden Händen zurück, ehe sie ein bereitliegendes Handtuch nahm und sich abzutrocknen begann.

Damian streckte sich gemächlich in einem der Korbliegestühle aus und beobachtete seine Schwester in einer Mischung aus Ablehnung und Bewunderung.

Für eine Frau von fast vierzig war sie immer noch eine scharfe Braut. Natürlich gab sie ein Vermögen für die Pflege ihres Gesichts und ihres Haars aus und trainierte ihren Körper mit eiserner Selbstdisziplin, um sich ihre straffe, makellose Figur zu erhalten. Allerdings war sie weder äußerlich noch ihrem Wesen nach sein Typ. Celeste war so hart wie ihr katzenhaft geschmeidiger Körper. Damian dagegen liebte an Frauen das Weiche … in jeder Beziehung. Und er bevorzugte Brünette, vor allem eine ganz bestimmte mit großen braunen Unschuldsaugen, einem üppig sinnlichen Körper und einem liebreizenden Lächeln.

Verdammt, er konnte es gar nicht erwarten, die hinreißende Mrs. Nathan Whitmore in die Hände zu bekommen. Wann würden Gemma endlich die Augen aufgehen, was für ein Kerl ihr Mann wirklich war? Vielleicht musste er sich etwas überlegen, um der Sache noch ein wenig nachzuhelfen …

Inzwischen würde er sich die Langeweile damit vertreiben, seiner lieben Schwester einen kleinen Tiefschlag zu versetzen. Er lächelte selbstzufrieden bei dem Gedanken, welchen Spaß es ihm bereiten würde, ihr die Neuigkeit zu überbringen, die ihm am Abend zuvor zu Ohren gekommen war.

„Du hättest es wohl gern, wenn ich vor dir zu Kreuze kriechen würde, nicht wahr?“, sagte er ölig. Unter Celestes argwöhnischem Blick rekelte er sich lässig und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. „Du magst es, wenn Männer vor dir buckeln. Es gibt dir das Gefühl, allmächtig zu sein. Das ist auch einer der Gründe, warum du immer nur mit jüngeren Männern herummachst … weil sie die besseren Speichellecker und leichter zu beherrschen sind.“

Celeste hatte eine scharfe Erwiderung auf der Zunge, besann sich aber anders. Auch wenn Damians Formulierungen abstoßend und seine Annahmen zum Teil – verständlicherweise – unzutreffend waren, so verbarg sich dahinter ein Körnchen Wahrheit. Celeste liebte es, Macht über die Männer zu haben. Das war ihre Belohnung dafür, dass sie es geschafft hatte, sich vom Abgrund des Wahnsinns und des Selbstmords zurückzureißen und zu überleben. Es war ein gutes Gefühl, die Männer nach ihrer Pfeife tanzen zu lassen. Die Zeiten, da sie vor einem Mann Angst haben musste oder ihr Leben in irgendeiner Weise von einem Mann beherrscht wurde, gehörten der Vergangenheit an.

Zumindest hatte sie das geglaubt. Bis vor Kurzem.

„Was für eine zartfühlende Art du doch hast, dich auszudrücken, Damian“, sagte sie, bemüht, sich ihre beunruhigenden Gedanken nicht anmerken zu lassen.

Er lachte. „Seit wann stört es dich, wenn man die Dinge beim Namen nennt? Du hast doch noch nie darauf Rücksicht genommen, was die Leute von dir denken, Celeste.“

Wieder eine Bemerkung, die Celeste nachdenklich stimmte. Es war richtig, dass sie in all den Jahren sogar bewusst ihren Ruf als männerfressender Vamp geschürt hatte, indem sie sich in der Öffentlichkeit und für die Klatschspalten mit einer endlosen Reihe junger, attraktiver Begleiter zur Schau gestellt hatte. Was aber weder die Allgemeinheit noch ihr eigener Bruder ahnte, war, dass sie in der ganzen Zeit nicht einmal mit einem dieser jungen Prachtkerle tatsächlich ins Bett gegangen war. Oh ja, sie hatte hemmungslos mit ihnen geflirtet und sich von ihnen zu Premieren, zu Wohltätigkeitsbällen, zum Pferderennen und zu anderen gesellschaftlichen Anlässen begleiten lassen, bei denen sie damit rechnen konnte, dass ihr Foto anderntags in den Klatschspalten der Presse erscheinen würde.

Die meisten ihrer angeblichen Liebhaber waren unabhängige, reiche Playboys aus Sydneys „besseren Kreisen“, gewesen. Andere wiederum hatte sie aus den Reihen ihrer Angestellten rekrutiert. So waren ihr persönlicher Assistent und ihre Chauffeure stets attraktive junge Männer, die sie nach außen hin viel vertraulicher behandelte, als es deren Position rechtfertigte. Es war immer wieder erstaunlich, wie schnell in der Gerüchteküche aus solchen Beziehungen leidenschaftliche Affären wurden.

Celeste vermutete, dass die betreffenden Männer derartigen Klatsch bewusst schürten. Aus Eitelkeit brüsteten sie sich mit der Eroberung der Chefin von Campbell Jewels, weil jeder von ihnen vermutlich fürchtete, es als Einziger nicht geschafft zu haben, die mannstolle Celeste Campbell ins Bett zu bekommen.

Bis vor Kurzem hatte Celeste sich nie daran gestört. Im Gegenteil, es war Teil ihres Rachefeldzuges gegen eine bestimmte Person gewesen, die sie mit den Gerüchten um ihren angeblich skandalösen Lebenswandel zu verletzen hoffte. Mit heimlichem Vergnügen hatte sie sich ausgemalt, wie dieser Mann den neuesten Klatsch über sie lesen und sie gleichzeitig hassen und doch immer noch begehren würde. Dieser Gedanke hatte ihr eine innere Genugtuung verschafft, die ihr geholfen hatte, ihre eigenen Gefühle zu verdrängen.

So war es zumindest gewesen. Bis sie den Fehler begangen hatte, vor einigen Wochen den Ball von Whitmore Opals im Regency Hotel zu besuchen. Konfrontiert mit Byron Whitmores unveränderter Leidenschaft, musste sie feststellen, dass auch ihr Verlangen nach diesem Mann noch genauso stark war wie eh und je. Diese Erkenntnis hatte Celeste zutiefst erschüttert. Sie war sich so sicher gewesen, nie wieder einen Mann zu begehren, schon gar nicht den Mann, der die Ursache all ihrer Schmerzen und Leiden gewesen war. An jenem Abend drohte ihr die mühsam wieder errungene Kontrolle über ihr Leben erneut zu entgleiten.

In diesem Augenblick tiefster Verunsicherung war ihr ein höchst abenteuerlicher, unvorhergesehener Umstand zu Hilfe gekommen: ein versuchter Raubüberfall!

Ziel des Überfalls war das „Heart of Fire“ gewesen, ein kostbarer ungeschliffener schwarzer Opal, der im Rahmen des Balls versteigert werden sollte. Als Celeste die Nachricht von der geplanten Versteigerung zu Ohren gekommen war, hatte sie sich zunächst nicht vorstellen können, dass es sich bei dem Stein um denselben Opal handeln könnte, der vor über zwanzig Jahren in ihrem Leben eine so unglückliche Rolle gespielt hatte. Ein Blick auf das wertvolle Stück im Schaufenster der Filiale von Whitmore Opals im Regency hatte sie eines Besseren belehrt. Von quälenden Gedanken und vergeblichen Hoffnungen bewegt, hatte sie sich in die Höhle des Löwen gewagt, um sich noch einmal der Vergangenheit zu stellen.

Die Folgen waren verheerend gewesen. Nicht nur hatte Celeste feststellen müssen, dass sie Byron immer noch begehrte, sie hatte überdies zwei Millionen Dollar für die Ersteigerung eines Opals ausgegeben, dessen bloßer Anblick ihr unerträglich war. Dabei war es ihr nicht einmal gelungen herauszufinden, unter welchen Umständen der Opal tatsächlich wieder aufgetaucht war. Ihre diesbezügliche Frage hatte Byron mit einer höchst unglaubwürdigen Geschichte beantwortet: Der Opal sei im Nachlass eines verstorbenen Opalsuchers in Lightning Ridge gefunden und an ihn zurückgegeben worden. Als ob irgendjemand ein derart wertvolles Stück einfach so zurückgeben würde!

So hatte Celeste sich in einem ziemlich aufgewühlten Zustand befunden, als das Auftauchen der drei maskierten Gangster im Ballsaal des Regency die Situation völlig veränderte. Der Anführer hatte sich Celeste sofort als Geisel gegriffen, und im ersten Moment hatte sie sich überrumpelt seinen Befehlen gefügt. Als er sie dann brutal an den Haaren riss, war sie aus ihrer Lethargie erwacht und hatte sich an ihren Vorsatz erinnert, sich nie wieder in irgendeiner Weise, körperlich oder seelisch, einem Mann zu unterwerfen.

Blitzschnell hatte sie als geübte Kampfsportlerin zwei der Gangster außer Gefecht gesetzt, der dritte war in einem Handgemenge überwältigt worden. Im Nachhinein war sie diesen brutalen Typen fast dankbar, weil sie schlimme Erinnerungen in ihr geweckt und damit ihren Kampfgeist aufs Neue entfacht hatten. Sie fühlte sich wieder stark, stark genug, um auch ihrer unerwünschten Schwäche für Byron Whitmore zu trotzen.

Als sie einige Tage später Melanie, die ehemalige Haushälterin der Whitmores, die bei dem Überfall angeschossen worden war, im Krankenhaus besucht hatte und dabei auf Byron getroffen war, hatte sie sich deshalb den Spaß gemacht, in aufreizender Weise mit ihrem jungen Chauffeur zu flirten. Leider hatte sich ihr Verhalten in doppelter Hinsicht als Eigentor erwiesen: Zum einen hatte der Chauffeur sich ermutigt gefühlt, sich derartige Freiheiten herauszunehmen, dass sie ihn noch am selben Abend feuern musste. Zum anderen hatte Byrons offensichtliche Verachtung ihr diesmal keine Genugtuung verschafft, sondern sie zutiefst getroffen.

Dank ihrer eisernen Selbstdisziplin war es ihr zwar gelungen, Byron aus ihren täglichen Gedanken zu verdrängen. Dennoch war es keine angenehme Aussicht, ihm am nächsten Montag bei der Gerichtsverhandlung gegen den Anführer der Bande, zu der sie als Zeugen geladen waren, wieder gegenüberzustehen.

„Willst du mich etwa mit schweigender Verachtung strafen?“, spöttelte Damian. „Ziemlich langweilig, muss ich sagen …“

„Rück endlich damit heraus, weshalb du gekommen bist, Damian“, sagte Celeste scharf. „Ich bin nicht in Stimmung für deine abartigen Spielchen.“

Damian setzte sich auf und zog ein schmollendes Gesicht. „Du verdirbst mir aber auch jeden Spaß, Schwesterchen.“

„Du hast eine andere Vorstellung von Spaß als ich.“

„Ach ja? Und ich dachte, in diesem Punkt wären wir uns ähnlich. Ich habe auch eine Vorliebe für junges Gemüse …“

Celeste sandte ihrem Bruder einen vernichtenden Blick. „Ich gehe jetzt ins Haus. Ich habe Besseres zu tun, als mich hier zu Tode zu frieren.“

„So? Was denn?“, fragte Damian interessiert. „Soweit ich weiß, hast du doch noch keinen neuen Burschen gefunden, der dir hilft, deine Freizeit zu gestalten, oder? Du hast mir noch gar nicht verraten, warum du Gerry überhaupt gefeuert hast, Celeste. Ich meine, es ist zwar ziemlich abgedroschen, dass die reiche Lady ihrem jungen Chauffeur Extradienste abverlangt, aber … er schien mir doch für diesen Job recht gut geeignet.“

Celeste spürte entsetzt, wie ihr das Blut heiß in die Wangen schoss. Das Bild, das sie über die Jahre in der Öffentlichkeit von sich geschaffen hatte, erschien ihr plötzlich peinlich, ja, obszön. Wie hatte sie nur so blind sein können in ihrem Hass auf Byron und die Männer im Allgemeinen? Wo war ihr Stolz geblieben?

„Nun, nun“, bemerkte Damian mit einem vielsagenden Blick auf ihre geröteten Wangen. „Was hat Gerry denn so Schlimmes getan? Ich hatte ihn eigentlich für einen eher harmlosen jungen Kerl gehalten. Hat er vielleicht etwas … Abenteuerlicheres versucht?“

„Du bist widerlich“, entgegnete sie heftig. „Ich habe mich einfach entschieden, dass ich keinen Chauffeur mehr brauche.“

„Ich verstehe. Dann hast du also doch einen anderen Prachtkerl gefunden, mit dem du Byron Whitmore reizen kannst, stimmt’s?“ Voller Genugtuung betrachtete Damian Celestes betroffenes Gesicht. „Hast du gedacht, ich wüsste es nicht?“ Er stand auf und kam mit einem boshaften Lächeln auf sie zu. „Dumme Celeste. Ist dir nicht klar, dass Irene mir immer alles erzählt hat? Natürlich wusste ich von der Sache zwischen dir und dem Ehemann deiner lieben Halbschwester. Obwohl, beim ersten Mal war er noch nicht ihr Ehemann, oder? Nur ihr Freund.“

„Das stimmt nicht“, widersprach Celeste, immer noch bestürzt über Damians unerwartete Enthüllung. „Als ich Byron kennenlernte, waren er und Irene noch nicht zusammen. Ich machte damals ein Praktikum bei Whitmore Opals, und Irene fing erst an, mit Byron auszugehen, als ich wieder im Internat war. Nicht ich habe versucht, Byron Irene wegzunehmen … sie hat ihn mir weggenommen!“

„Und was war später, Celeste?“, fragte Damian ölig. „Da war er doch schon mit ihr verheiratet, nicht wahr?“

Sie schloss gequält die Augen.

„Trotzdem hast du mit ihm geschlafen, stimmt’s?“, fuhr Damian erbarmungslos fort. „Du musstest ihn haben, koste es, was es wolle …“

Celeste blickte auf. „Ja“, gestand sie mit erstickter Stimme. „Ja!“

„Du eiskaltes Biest“, sagte Damian so unerwartet gehässig, dass sie zusammenzuckte.

„Du verstehst das nicht …“

Er lachte. „Oh doch, nur zu gut. Wir sind alle vom gleichen Schlag – Irene, du und ich. In dieser Hinsicht kommen wir nach unserem lieben Daddy. Wir nehmen uns, was wir wollen, und gnade Gott, wer sich uns in den Weg stellt. Du und Irene, ihr wolltet den selben Mann. Ein Kampf war also unvermeidlich, aber der Einzige, der dabei oben blieb, war Byron … buchstäblich.“

„Du bist abscheulich!“

„Wer im Glashaus sitzt …“

„Es war aber nicht so, wie Irene es dir erzählt hat! Ich habe es nicht bewusst darauf angelegt, Byron zu verführen.“ Außer sich vor Zorn, dass sie ihr moralisches Verhalten ausgerechnet vor Damian rechtfertigen musste, drehte Celeste sich um und zog sich ihren Bademantel an. Erregt strich sie ihr langes Haar zurück, ehe sie sich mit entschlossener Miene wieder ihrem Bruder zuwandte. „Ich habe nicht die Absicht, darüber zu sprechen, was in der Vergangenheit zwischen Byron und mir gewesen ist. Das ist tot und vergessen … wie Irene.“

„Wirklich, Celeste? Willst du behaupten, dass du nichts mehr für Byron empfindest? Dass er nicht das heimliche Opfer deiner sexuellen Fantasien ist?“

„Ich verabscheue Byron Whitmore!“ Celeste wusste nicht, worüber sie wütender war: über Damian oder über ihre törichten Gefühle. „Ich würde mich nicht einmal von ihm anfassen lassen, wenn er der letzte Mann auf Erden wäre.“

„Ach ja? Na, dann wird es dich ja nicht kümmern, dass er vorhat, wieder zu heiraten.“

Damians Worte trafen sie wie ein Dolchstoß mitten ins Herz. Sie wurde kreideweiß. Nur mit äußerster Willenskraft gelang es ihr, Fassung zu wahren und sogar ein spöttisches Lächeln zustande zu bringen. „Tatsächlich? Und wer ist die Unglückliche?“

Ihr Bruder beobachtete sie forschend, sichtlich enttäuscht von ihrer Reaktion. Aber gerade das bestärkte Celeste in ihrem Entschluss, ihre wahren Gefühle auf keinen Fall preiszugeben. Das hätte den Verrat an allem bedeutet, was sie sich in diesen langen Jahren so mühsam erkämpft hatte.

„Sie heißt Catherine Gateshead“, sagte Damian missmutig.

„Und wie bist du zu dieser wertvollen Information gelangt?“, fragte Celeste betont gelangweilt und eine Spur sarkastisch.

„Eine ihrer Freundinnen hat einer meiner Freundinnen erzählt, dass die beiden ihre Verlobung gestern Abend auf der Party zu Byrons fünfzigstem Geburtstag bekannt geben wollten. Anscheinend haben sie schon eine Weile eine heiße Affäre.“

Wieder hatte Celeste alle Mühe, äußerlich ruhig zu bleiben. Fünfzig! Byron sah nicht aus wie fünfzig … und offenbar benahm er sich auch nicht so. Andererseits war er immer ein gestandener Mann gewesen, und Irene war seit fast einem Jahr tot. „Und wie alt ist diese Catherine?“, erkundigte Celeste sich in möglichst beiläufigem Ton.

Damians höhnisches Grinsen verriet, dass sie ihn nicht ganz hatte täuschen können. „Etliche Jahre jünger als du, liebe Schwester, und sehr attraktiv, wie ich gehört habe.“ Er bemerkte das Aufblitzen in ihren Augen und lachte. „Eifersucht kann ziemlich hässlich sein. Aber keine Angst, Celeste, keine Frau kann dir das Wasser reichen, wenn du es darauf anlegst. Ich werde nie das Gesicht dieses Bastards Whitmore vergessen, als du in dem Kleid den Ballsaal im Regency betratst. Zum Teufel, er hat dich mit seinen Blicken verschlungen, und ich kann’s ihm nicht verdenken. Das war aber auch ein Kleid!“

Celeste erinnerte sich nur ungern daran. Von nahem betrachtet in der Boutique hatte das Kleid nicht so aufreizend gewirkt. Erst als sie den Ballsaal betreten und sich in den Wandspiegeln gesehen hatte, war ihr bewusst geworden, dass der fast hautfarbene Stoff zusammen mit der provozierenden Goldperlenstickerei in Gestalt eines spärlichen Tangas aus der Entfernung die Illusion vermittelte, als sei sie fast nackt. Unter den Augen der übrigen Ballgäste und nicht zuletzt unter Byrons schockiert-faszinierten Blicken war ihr dann gar nichts anderes übrig geblieben, als dieses gewagte Gewand stolz und selbstbewusst zur Schau zu tragen.

„Wer Whitmore an jenem Abend beobachtet hat, dem ist klar, dass ein Wink von dir genügen würde, und er würde diese Catherine Soundso wie eine heiße Kartoffel fallen lassen“, fuhr Damian boshaft fort. „Du kannst dir natürlich auch den Spaß machen abzuwarten, bis er die dumme Ziege geheiratet hat, und dann zum entscheidenden Schlag ausholen. Ein verheirateter Byron scheint ja deine Jagdinstinkte besonders zu inspirieren.“

So viel Widerwärtigkeit und Gemeinheit verdiente im Grunde gar keine Erwiderung. Celeste lachte verächtlich. „Ich denke, du verwechselst mich mit dir, lieber Bruder. Du bist doch derjenige, der sich ständig in glückliche Ehen drängt. Meine Bettgespielen sind vorzugsweise allein stehend und entschieden jünger als fünfzig. Kriterien, die Byron Whitmore wohl kaum erfüllt, oder?“

Damit nahm sie ihr Badetuch und ging an ihrem Bruder vorbei in Richtung Haus. Damian blickte ihr missmutig nach, verärgert, dass seine gehässigen Absichten nicht den erhofften Erfolg gebracht hatten. Er konnte ja nicht ahnen, wie es in seiner Schwester wirklich aussah.

Nur mit Mühe hielt Celeste die Tränen zurück, als sie mit eiligen Schritten über den Rasen auf die Terrasse zuging. Byron Whitmore ist mir völlig gleichgültig! redete sie sich verzweifelt ein. Es ist mir egal, ob und wen er heiratet. Er bedeutet mir nichts mehr!

2. KAPITEL

Das Taxi fuhr davon. Gemma blieb mit ihrem Koffer auf dem Bürgersteig zurück.

Lächelnd malte sie sich Nathans überraschtes Gesicht aus, wenn sie plötzlich vor ihm stehen würde. Er glaubte sie noch draußen in Lightning Ridge, wo sie bis Montagnachmittag auf den regulären Rückflug nach Sydney hätte warten müssen. Stattdessen war sie nun einen ganzen Tag früher nach Hause gekommen, im Privatjet eines amerikanischen Ehepaars, das sie in ihrem Motel kennengelernt hatte.

Die McFaddens hatten auf einer Blitztour durch den australischen Busch in der kleinen Opalgräberstadt Station gemacht. Hitze, Staub und Fliegenschwärme waren den Amerikanern jedoch zu viel geworden, sodass sie den Entschluss gefasst hatten, schnellstens nach Sydney weiterzufliegen. Als Gemma ihnen beim Frühstück am Morgen ihr Leid geklagt hatte, dass auch sie lieber heute als morgen wieder in Sydney sein würde, hatte das Ehepaar ihr angeboten, sie in seinem Privatjet mitzunehmen.

Und nun war sie da. Ein Blick auf die Uhr zeigte, dass es kurz nach ein Uhr Mittag war. Ihr Besuch in Lightning Ridge hatte sich im Grunde nicht gelohnt. Gemma hatte nichts Neues über die Identität und den Verbleib ihrer Mutter in Erfahrung bringen können. Wenn sie ehrlich war, hatte sie es überhaupt ernsthaft versucht? Ein kurzes Gespräch mit Mr. Gunther, einem alten Saufkumpan ihres verstorbenen Vaters, und ein paar Erkundigungen in der Stammkneipe der Opalsucher … das konnte man kaum als eingehende Nachforschungen bezeichnen. Hatte sie vielleicht unterschwellig Angst vor der Wahrheit? Angst davor, dass Nathan mit seiner Ansicht recht haben könnte, für manche Menschen sei es besser, die Vergangenheit ruhen zu lassen?

Eines jedenfalls hatte die Reise zurück an den Ort, wo sie aufgewachsen war, bewirkt: Gemma war sich bewusst geworden, wie viel ihr das neue Leben, das sie sich in Sydney aufgebaut hatte, bedeutete. Sie hatte eine interessante Arbeit als Verkäuferin in der exklusiven Filiale von Whitmore Opals im Regencyhotel. Sie war mit Sydneys erfolgreichstem Dramatiker verheiratet, der zufällig auch einer der attraktivsten und aufregendsten Männer weit und breit war. Und in naher Zukunft würde sie eine richtige Familie haben, wie sie es sich immer gewünscht hatte.

Der Blick ihrer ausdrucksvollen braunen Augen verklärte sich beim Gedanken an ihren Mann und das zärtliche Telefongespräch mit ihm am Freitagabend. Obwohl nicht einmal zwei Tage her, kam es Gemma wie eine Ewigkeit vor. Sofort nach dem Anruf war sie Nathans Vorschlag gefolgt und hatte ihre Pillenpackung weggeworfen. Dann hatte sie seinen zweiten Wunsch erfüllt: Sie war nach Hause gekommen, sogar früher als erwartet.

Mit einem kleinen Lächeln suchte sie die Schlüssel aus ihrer Handtasche hervor, nahm ihren Koffer und ging zur Eingangstür des vierstöckigen Gebäudes, in dem sie mit Nathan wohnte. Ihr Luxusapartment befand sich im Penthouse mit einem herrlichen Blick auf die Elizabeth Bay. So schön es auch war, Gemma wusste, sobald sie ein Kind oder Kinder bekommen würde, wollte sie ein Haus mit einem großen Garten haben. Und in diesem Garten würde ein Hund herumtollen, ein Hund wie Blue.

Wie immer, wenn sie an Blue dachte, kamen ihr die Tränen. Blue war über viele Jahre ihr treuer Freund und Beschützer gewesen. Sie hätte ihn nach Sydney mitgenommen, aber irgendein gemeiner Mensch hatte ihn vergiftet, während sie auf der Beerdigung ihres Vaters war. Als sie ihn bei ihrer Rückkehr tot vorfand, hatte sie die Tränen vergossen, zu denen sie am Grab ihres Vaters nicht fähig gewesen war.

Bei der Erinnerung daran hatte sie auch jetzt noch ein schlechtes Gewissen. Nachdenklich trug sie ihren Koffer ins Haus und schloss die Tür hinter sich. Anscheinend hatte ihr Besuch in Lightning Ridge wirklich Erinnerungen wachgerufen, die sie lieber vergessen hätte. Nathan hatte recht. Das Glück lag in der Zukunft, nicht in der Vergangenheit. Von nun an würde sie nur nach vorn schauen und nicht mehr zurück. Ihre Zukunft, ihr Glück, lag in ihrer Ehe mit Nathan und in der Familie, die sie gemeinsam aufbauen würden.

Eine große Familie, wenn es nach Gemmas Wünschen ging. Sie hatte nie Geschwister, ja, nicht einmal eine Mutter gehabt. Nein, sie wollte nicht nur ein Kind, sondern viele Kinder haben und ihnen all die Liebe und Geborgenheit geben, die sie selbst so schmerzlich vermisst hatte.

Gemma schüttelte lächelnd den Kopf. Immer langsam, ermahnte sie sich sachlich. Zu weit in die Zukunft zu planen war genauso schlecht, wie sich in der Vergangenheit zu vergraben. Zunächst einmal musste sie sich darauf konzentrieren, hier und jetzt glücklich zu sein und mit ihrem ersten Baby schwanger zu werden. Wenn sie aber an das sehnsuchtsvolle Telefongespräch mit Nathan dachte, war sie sich sicher, dass dies nicht allzu lange dauern würde.

Ihr Herz klopfte, als sie den Aufzug betrat. Plötzlich hatte sie es sehr eilig, nach oben in ihre Wohnung zu kommen. Nathan und sie hatten sich schon eine Ewigkeit nicht mehr geliebt. Was nicht an Nathan lag, der sie immer begehrte. Nein, einige Enthüllungen und Andeutungen über Nathans sexuelle Vorgeschichte hatten Gemma derart schockiert und bedrückt, dass sie angefangen hatte, ihrem Mann auszuweichen. Nathan hatte sich bemerkenswert geduldig verhalten, und Gemma war nun fest entschlossen, diese Geduld gebührend zu belohnen.

Wer weiß, vielleicht werde ich ja auf Anhieb schwanger, dachte sie aufgeregt, als sie im vierten Stock den Aufzug verließ. Auf jeden Fall hegte sie die Hoffnung, dass ein gemeinsames Kind jene tiefe emotionale Verbundenheit zwischen Nathan und ihr schaffen würde, die sie bislang in ihrer Beziehung vermisste.

Sie konnte es gar nicht mehr erwarten, sich in Nathans Arme zu schmiegen und sich so von ihm küssen zu lassen, wie er sie vor wenigen Tagen auf dem Flugplatz zum Abschied geküsst hatte. Sicher hatte er sich jetzt in seinem Arbeitszimmer vergraben und arbeitete wie besessen an seinem neuen Theaterstück. Aber Gemma war fest entschlossen, sich durch nichts davon abhalten zu lassen, ihren Mann heute zu verführen!

Gemmas Lächeln schwand, als sie die Wohnungstür aufschloss. Aus dem Wohnzimmer drang durch die geschlossenen Türen Nathans Stimme, die so leidenschaftlich erregt klang, dass Gemma wie angewurzelt auf der Schwelle verharrte. Deutlich vernahm sie nun seine nächsten Worte, und ihr Herz krampfte sich zusammen.

„Was ist denn schon dabei, wenn es nur Sex war letzte Nacht?“, fragte Nathan höhnisch. „Oder die Nacht davor? War es denn je etwas anderes als Sex zwischen uns?“

Gemma erbleichte, ihre Hand umklammerte den Türknauf. Denn es war unverkennbar Lenore, Nathans Ex-Frau, die zornig antwortete.

„War es denn je etwas anderes als Sex zwischen dir und irgendeiner Frau?“

Nathans Lachen jagte Gemma einen eisigen Schauer über den Rücken.

„Glaubst du, dass ich dich in jener Nacht vor Jahren, als wir ein Baby zusammen gemacht haben, nicht geliebt habe?“, fuhr Lenore anschuldigend fort. „Glaubst du, dass es auch da nur Sex für mich war?“

„Ich weiß es“, beharrte Nathan unbeirrt.

„Du Schuft!“

„Es ändert nichts, wenn du mich beschimpfst. Komm lieber her zu mir und hör auf, dich so kindisch zu benehmen. Überdies kannst du nicht im Zorn zur Tür hinausstürmen, halb bekleidet wie du bist.“

Gemma presste eine Hand vor den Mund, um nicht laut aufzuschluchzen. Sie hatte das Gefühl, sterben zu müssen.

„Ich hätte mich nie von dir überreden lassen dürfen, hierher zu kommen“, rief Lenore aus. „Ich hätte nie zulassen dürfen, dass du mich berührst. Du bringst jeder Frau nur Unglück. Mein Gott, wie ich dich hasse!“

„Sollen wir es auf einen Test ankommen lassen?“, höhnte Nathan.

„Nein, nicht! Oh nein … nein, ich verdiene es nicht anders …“

Gemma konnte diese Qual nicht länger ertragen. Ihr erster Impuls war es, in das Zimmer zu stürzen und eine gewaltige Szene zu machen. Glücklicherweise hinderte ihr Stolz sie noch rechtzeitig daran. Warum sollte sie sich vor den beiden demütigen? Wer sich so schamlos und grausam selbstsüchtig verhielt, den würde es auch nicht schockieren, wenn er bei seinem unmoralischen Tun ertappt wurde.

Es tat unvorstellbar weh. Nichts ließ sich mit diesem Schmerz, mit dieser eisigen Leere vergleichen, die plötzlich Gemmas Herz beschlich. Mechanisch zog sie die Tür wieder zu und ergriff ihren Koffer, der immer noch draußen auf dem Flur stand. Sie nahm nicht den Aufzug, sondern ging über die Feuertreppe nach unten, langsam, Stufe um Stufe. Die eigenen Schritte hallten unwirklich laut in ihren Ohren. Gemma konnte es nicht fassen, wie rasch sie aus überschäumender Glückseligkeit in abgrundtiefe Verzweiflung gestürzt war.

Tränen rannen über ihre Wangen. Sie wischte sie nicht fort. Sie wagte nicht, auch nur einen Moment innezuhalten, aus Angst, alle Kraft könnte sie verlassen und sie würde wie ein hilfloses Häuflein Elend auf die Stufen sinken. Dann würde Nathan sie vielleicht finden, und sie hätte es nicht ertragen, sich seine Lügen anzuhören.

Gemma verließ das Gebäude, ging die Straße hinunter und um die Ecke, blindlings, ohne zu wissen wohin. Sie hatte nur den Wunsch, so weit wie möglich von Nathan und Lenore wegzukommen. Das Gehen an sich, die Notwendigkeit, einen Fuß vor den anderen setzen, hatten etwas Heilsames und Tröstliches an sich. Allmählich trocknete der Wind Gemmas Tränen, und in ihre verwirrten Gedanken kehrte so etwas wie Ordnung zurück, die sie befähigte, Entscheidungen zu treffen.

Autor

Miranda Lee
Miranda Lee und ihre drei älteren Geschwister wuchsen in Port Macquarie auf, einem beliebten Badeort in New South Wales, Australien. Ihr Vater war Dorfschullehrer und ihre Mutter eine sehr talentierte Schneiderin. Als Miranda zehn war, zog die Familie nach Gosford, in die Nähe von Sydney.

Miranda ging auf eine Klosterschule. Später...
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