So küsst nur eine Prinzessin

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Was für ein attraktiver Mann! Auf den ersten Blick verliebt Lucia sich in Harrison Montcalm. Seit sie ihm in New York begegnet ist, weiß sie, dass er der Richtige ist: für einen heißen Flirt, für eine leidenschaftliche Nacht - und vielleicht sogar fürs ganze Leben! und weil Harrison noch zögert, beschließt Lucia, ihn raffiniert zu verführen ...


  • Erscheinungstag 16.12.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733754488
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Sir Harrison Montcalm, General a. D. der Royal Army von Colina, stand vor einer der schwierigsten Aufgaben seines Lebens.

Während er auf den privaten Lift wartete, der ihn nach oben bringen sollte, warf er einen Blick auf seine Armbanduhr. Er hielt viel auf seine Pünktlichkeit. In all seinen Berufsjahren als Berater von Fürst Easton war er nie zu spät zu einer Unterredung mit dem Regierungschef von Colina erschienen.

Harrison betrat den Fahrstuhl und entfernte einen Fussel vom Ärmel seiner dunkelblauen Uniform. Auch auf seine äußere Erscheinung hielt er viel. Mit fünfundvierzig war sein Körper noch immer so durchtrainiert wie in jungen Jahren, auch wenn ihn das heutzutage eine halbe Stunde mehr Training im Fitnessstudio kostete. Und über seine grauen Schläfen machte er sich schon lange keine Gedanken mehr.

Während der Aufzug fast lautlos nach oben schwebte, dachte Harrison an seinen Sohn Devon, dessen Mutter er mit siebzehn geschwängert und pflichtbewusst geheiratet hatte. Pflichtbewusstsein stand für Harrison stets an erster Stelle.

Sein Dienst für Fürst Easton war geprägt von der Erfüllung seiner Pflicht und treuer Ergebenheit. Also würde er auch diesmal die Aufgabe erfüllen, die ihn erwartete.

Wieder sah er auf seine Uhr. Aus unerfindlichen Gründen schien ihm der Aufzug heute langsamer als sonst. Nervös trommelte er mit den Fingerspitzen gegen die mahagonigetäfelte Wand.

Zum ersten Mal in seinem Leben wünschte sich Harrison, einem anderen seine Aufgabe delegieren zu können. Dabei hatte er weiß Gott schon schmutzigere und auch gefährlichere Jobs erledigt. Doch dieses Mal …

Beim Verlassen des Lifts traf er auf Fürst Eastons Sekretärin Ellie. „Pünktlich auf die Minute“, sagte sie. „Er will Sie gleich sprechen.“

Bevor sie eine der schweren Mahagonitüren mit dem goldenen Wappen von Colina öffnete, legte sie verschwörerisch einen Finger auf die Lippen. „Unter uns gesagt: Er ist heute ziemlich nervös.“

„Danke für den Tipp, Ellie“, erwiderte Harrison und lächelte ihr aufmunternd zu.

Als enge Vertraute des Fürsten waren sie im Laufe der Jahre gute Freunde geworden. Harrison war froh, dass Eleanor Standish ihre Schönheit unter weiten Kleidern und hinter einer dicken Brille versteckte. Daher hatte bisher noch kein junger Mann die verborgenen Qualitäten der Sechsundzwanzigjährigen entdeckt, und Ellie widmete nach wie vor ihre ganze Kraft dem Fürsten und dessen angeschlagener Gesundheit.

Harrison betrat das Heiligtum des Fürsten.

„Ah, pünktlich wie immer“, empfing ihn Easton und sah von den Papieren auf seinem Schreibtisch auf.

„Euer Hoheit.“ Harrison verbeugte sich tief. Aufmerksam studierte er dann den Fürsten. Er wirkte heute tatsächlich ein wenig blass. Easton hatte noch immer volles graues Haar, das ihn normalerweise jünger aussehen ließ, als er war. Doch heute sah er müde und erschöpft aus. Ja, er schien sogar ein wenig geschrumpft zu sein. Doch nach all den Aufregungen der letzten Wochen war das eigentlich nicht allzu verwunderlich.

Seit zwanzig Jahren war der Fürst nicht mehr in New York gewesen – seit jenem traumatischen Jahr, das erst einen fehlgeschlagenen Mordversuch an Easton brachte und kurz darauf den Tod seines jüngsten Sohnes Drake durch einen Flugzeugabsturz.

Auch jetzt hielt sich der Fürst nur deshalb in Amerika auf, weil eine seltene Blutkrankheit bei ihm diagnostiziert worden war und er dringend einen Erben für den Thron von Colina ernennen musste.

Bisher war seine Mission nicht besonders erfolgreich verlaufen. Seine ersten beiden Favoritinnen, Drakes älteste Töchter, hatten beide die Chance ausgeschlagen, den Fürstenthron zu besteigen.

„Nehmen Sie Platz, Harrison.“ Der Fürst wies auf einen Stuhl. „Vermutlich ahnen Sie bereits, weshalb ich Sie zu mir gebeten habe.“

„Ich glaube schon“, antwortete Harrison.

Easton nickte viel sagend und holte tief Luft, ehe er zur Sache kam.

„Nachdem CeCe und Amelia nun beide verheiratet sind und die Nachfolge abgelehnt haben, bleibt nur noch meine Enkelin Lucia.“

Schon die bloße Erwähnung von Charlotte Carradignes jüngster Tochter genügte, damit Harrisons Magen sich schmerzhaft zusammenzog. Doch jahrzehntelange Übung half ihm, seine Gefühle zu verbergen und eine unbeteiligte Miene aufzusetzen. Mit aller Macht verbannte er das Bild der schönen blonden Frau aus seinem Kopf.

„Sie ist nun die Letzte aus Drakes Linie, die als künftige Fürstin infrage kommt“, bemerkte Easton lakonisch. „Obwohl ich nie mit dieser Entwicklung gerechnet hätte. Ich war überzeugt, ich bräuchte nur CeCe zu ernennen und könnte frohgemut wieder nach Hause zurückkehren. Leider wurde daraus nichts, wie wir beide wissen.“

„Jawohl, Hoheit. Aber halten Sie Lucia überhaupt für geeignet?“

Easton seufzte tief, ehe er antwortete, und Harrison wurde schmerzlich bewusst, wie sehr die Sache seinen geliebten Fürsten tatsächlich belastete.

Mit leicht zitternder Hand goss Easton sich etwas eisgekühltes Wasser aus einem Krug in ein Glas und nahm einen tiefen Schluck. „Um auf Ihre Frage zu antworten: Ich weiß nicht, ob sie geeignet ist. Vor dem Erscheinen dieses verleumderischen Artikels im Manhattan Chronicle hätte ich keinen Augenblick daran gezweifelt, aber jetzt? Diese Krissy Catwell ist eine wahre Plage.“ Voller Abscheu sprach der Fürst den Namen der Klatschkolumnistin aus, die in letzter Zeit nichts unversucht gelassen hatte, um den Ruf der Familie Carradigne zu schädigen.

„Sie zieht den Namen der Carradignes durch den Schmutz, wo sie kann“, fuhr der Fürst fort. „Dass sie es jetzt auch noch wagte, Lucias Ex-Verlobten mit den Worten zu zitieren, meine Enkelin sei ein flatterhaftes Partygirl, ist einfach unerhört.“

Er runzelte die Stirn. „Wohlweislich wird in dem Artikel mit keinem Wort erwähnt, dass dieser Mann nur auf das Familienvermögen aus war.“ Er hielt kurz inne. „Oder ist Ihnen etwa ungebührliches Verhalten bei meiner Enkelin aufgefallen?“

Nur mein eigenes, dachte Harrison und schüttelte den Kopf. „Lucias Benehmen bei der Feier von CeCes Hochzeit mit Shane O’Connell vor knapp zwei Monaten war ohne jeden Tadel. Sie kam zwar in Begleitung dieses Rockmusikers, verhielt sich aber ganz und gar, wie es einer Prinzessin gebührt.“

Außer dass sie in meinen Armen bebte. Harrison schob diesen verstörenden Gedanken so schnell wie möglich beiseite. Lucia Carradigne war absolut tabu für ihn – und hätte es auch in jener Nacht sein müssen.

Easton schien sein Unbehagen nicht zu spüren. „Trotzdem kann ich mir weitere negative Schlagzeilen nicht leisten. Krissy Katwell ist es gelungen, Lucia vor den Augen meines Volkes in sehr unvorteilhaftem Licht darzustellen.“

Harrison schwieg, denn er wusste nur zu gut, dass der Fürst bestens informiert war über alles, was in Colina vor sich ging.

„Sie müssen Nachforschungen über Lucia anstellen, Harrison, und dies hat absolute Priorität. Ich muss hundertprozentig sicher sein können, dass sie als künftige Fürstin geeignet ist und nicht irgendwelche so genannten Leichen im Keller versteckt hat – also womöglich schwanger ist wie CeCe oder bereits heimlich verheiratet wie Amelia.“

„Jawohl, Sir.“ Harrison verzog keine Miene.

„Meine Enkelin ist recht clever“, sagte Easton mit einem melancholischen Lächeln. „Sie erinnert mich an ihren Vater. Eigensinnig. Unabhängig. Mit einer fatalen Neigung, sich in die Falschen zu verlieben.“

Harrison nickte nur. Ihm blieb keine andere Wahl. Er würde Lucia von Angesicht zu Angesicht gegenübertreten müssen. Im Augenblick erschien ihm das als eine der schwersten Prüfungen, die er je zu bestehen hatte.

„Harrison …“ Eastons Stimme rief ihn in die Gegenwart zurück. „Ich glaube wirklich, dass Lucia nur ihre wahre Bestimmung finden muss, so wie es Drake damals geschah, als er sich in Charlotte verliebte.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich zurück. „Ich spüre, dass es Lucia ähnlich ergehen wird. Sie braucht nur etwas Führung. Nebenbei bemerkt hat sie ja als Goldschmiedin bereits beachtlichen Erfolg. Denken Sie nur an die Brosche, die sie für CeCe gestaltet hat, oder den Anhänger für Amelia.“

„Erstklassige Schmuckstücke“, gab Harrison ihm erleichtert recht, da das Thema sich jetzt auf unverfänglicheres Terrain zu bewegte. „Auch der Schmuck für diese Schauspielerin, die neulich den Golden Globe gewann – wie hieß sie gleich? – war traumhaft schön.“

„Richtig“, stimmte Easton ihm zu. „In Lucia schlummert so viel unentdecktes Potenzial. Mit ein wenig Führung denke ich, und falls sie nichts zu verbergen hat, wird aus ihr eine wunderbare Fürstin für Colina.“

Wieder nickte Harrison zustimmend. „Ich werde unverzüglich mit den Nachforschungen beginnen.“

„Sehr gut. Als ich im Februar in Amerika eintraf, machte ich den Carradigne-Schwestern ganz unmissverständlich klar, dass eine von ihnen meine Nachfolgerin werden würde. Jetzt haben wir April, und ich habe wahrlich genug Zeit verschwendet. Lucia weiß, dass ihre beiden älteren Schwestern meine erste Wahl waren, und da die beiden abgelehnt haben, wird ihr auch klar sein, dass nun sie an der Reihe ist. Ich habe sie für morgen um drei in die Botschaft gebeten.“

„Morgen“, wiederholte Harrison. Morgen würde er sie sehen. „So bald schon.“

„Ist das ein Problem?“

„Nein. Morgen passt hervorragend, Hoheit“, erwiderte Harrison. Morgen würde er sie wiedersehen. Er straffte die Schultern. Es galt, eine Aufgabe zu erfüllen, das durfte er nicht vergessen. Lucia Carradigne war nur ein Job, weiter nichts. Harrison konzentrierte sich wieder auf Easton, der noch immer zu ihm sprach.

„Tun Sie sich selbst einen Gefallen“, hörte er ihn sagen. „Erklären Sie Lucia ehrlich, worum es geht und dass Sie Nachforschungen über sie anstellen. Falls ich sie zur Fürstin ernenne, muss ich sicher sein können, dass sie keinen Rückzieher macht. Geben Sie ihr also alle Informationen, die sie für ihre künftige Aufgabe braucht.“

„Das werde ich“, erwiderte Harrison automatisch, obwohl sein Mund wie ausgetrocknet war.

„Wunderbar.“ Eastons Züge entspannten sich, als sei dies seit langem die erste gute Nachricht. „Außerdem haben Sie so die Möglichkeit, Lucia näher kennen zu lernen. Denn wenn alles nach meinen Plänen läuft, dann habe nicht nur ich bald eine Thronfolgerin, sondern Sie auch eine Schwiegertochter.“

Die Worte des Fürsten trafen Harrison unvorbereitet wie ein Faustschlag in den Magen. Er schluckte schwer. „Jawohl, Durchlaucht“, brachte er mühsam hervor.

„Berichten Sie mir morgen, wie die erste Unterredung mit Lucia verlaufen ist. Ich möchte jedes kleinste Detail wissen. Und jetzt rufen Sie mir bitte Ellie herein. Ich bin ziemlich müde und werde wohl in Charlottes Wohnung fahren, um mich auszuruhen.“

„Sehr wohl, Durchlaucht.“ Harrison erhob sich und verbeugte sich vollendet, ehe er Eastons Büro verließ.

Im Fahrstuhl nach unten dachte er über die bevorstehenden „Ermittlungen“ nach, vor denen er sich nicht drücken konnte. Schließlich war es unmöglich, Easton die Wahrheit zu sagen. Wie hätte er auch seinem Fürsten, seinem Chef, seinem Freund eingestehen können, dass er seine Stellung bereits aufs Spiel gesetzt hatte? Es war vor über einem Monat geschehen, als er Lucia Carradigne zum ersten Mal auf dem Hochzeitsempfang ihrer Schwester gesehen hatte.

CeCes Hochzeit.

Wie immer hatte Sir Harrison Montcalm nach dem Prinzip „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“ gehandelt und somit das ganze Spektakel von CeCes glamouröser Hochzeit mit Shane O’Connell verpasst. Doch es hatte ihm nichts ausgemacht, denn er ging ganz in seinem Beruf auf.

Als er schließlich auf der Feier erschien, waren die letzten Teller des opulenten Hochzeitsmahls längst abgetragen. Er wurde gerade noch Zeuge der Szene, als Devon Krissy Katwell aus dem Saal komplimentierte.

Und dann hatte er sie gesehen.

Wer immer sie sein mochte, sie war wunderschön.

Ihr dunkelblondes Haar passte genau zum Ton ihrer strahlenden Haut. Es umrahmte in duftigen Locken ihr Gesicht.

Sie hatte ein wundervolles Lächeln, dem Harrisons Herz auf der Stelle verfiel.

Vom Rand der Tanzfläche aus konnte er erkennen, dass ihre Augen von einem unglaublich intensiven Grün waren, obwohl die Entfernung dafür eigentlich viel zu groß war.

Aus der Ferne ergötzte er sich an ihrer Schönheit wie ein Verdurstender am Anblick von Wasser. Für einen Augenblick schien die Erde still zu stehen, und verwundert begriff er, dass er nie etwas Ähnliches empfunden hatte.

Sie schien zu spüren, dass sie beobachtet wurde, denn sie wandte plötzlich den Kopf nach ihm um. Ihr Blick traf ihn wie ein Blitz. Dann wirbelte sie im Walzertakt aus seinem Blickfeld.

Harrison schüttelte den Kopf über sich selbst. Viel zu jung, sagte er sich. Wahrscheinlich nicht älter als sechsundzwanzig. Also jünger als sein eigener Sohn.

„Verzeihung.“

Harrison drehte sich nach der sanften weiblichen Stimme um, und da stand sie. Sie trug sehr hohe Absätze, so dass ihre Augen beinahe auf gleicher Höhe waren. Aus der Nähe betrachtet war sie so umwerfend schön, dass Harrison sie beinahe für eine Sinnestäuschung gehalten hätte.

Ganz leicht berührte sie mit den Fingerspitzen seinen Ärmel. „Möchten Sie tanzen?“

Wollte er? Besser nicht. Jede Menge Ausreden wirbelten ihm im Kopf herum. „Ich …“

„Bitte“, sagte sie leise. „An Ihrer Uniform sehe ich, dass Sie aus Colina kommen, und ich wäre Ihnen so dankbar. Sehen Sie den Mann dort drüben?“ Sie wies auf einen jungen Mann, der sich soeben durch die Menge einen Weg auf sie zu bahnte. „Er heißt Larry Zimmer, und egal wie oft ich Nein sage, er begreift es einfach nicht. Wären Sie so freundlich, einer Dame in einer schwierigen Lage beizustehen?“

„Es ist mir eine Ehre“, erwiderte Harrison pflichtbewusst und reichte ihr den Arm. Und während er sie aufs Parkett führte, lief ein sehnsuchtsvoller Schauer durch seinen Körper.

„Vielen Dank“, sagte sie und legte ihre Hand in seine, als das Orchester den nächsten Walzer intonierte.

„Um einem jungen Mann zu entfliehen, tanzen Sie also lieber mit einem alten Mann?“, fragte Harrison.

Ein Lächeln flog über ihr Gesicht, als fände sie seine Frage lustig. „Welcher alte Mann? Meinen Sie meinen Großvater? Mit ihm habe ich vorhin getanzt.“

Harrison erwiderte ihr Lächeln. „Ich meinte …“

„Ich weiß schon“, unterbrach sie ihn und hielt ihre grünen Augen unverwandt auf ihn gerichtet. „Ich dachte, Sie bräuchten einen Vorwand. Sonst hätten Sie mich womöglich nie aufgefordert.“

Genau. „Da haben Sie vollkommen recht“, gab er zu.

„Ich weiß. Und deshalb musste ich Ihnen ein wenig auf die Sprünge helfen.“

Besaß sie magische Kräfte? Es war, als könnte sie seine Gedanken lesen.

„Darüber bin ich sehr froh“, sagte er. Und es stimmte. Sie im Arm zu halten war wie ein Tanz auf Wolken.

Als die Musik langsamer wurde, zog er sie etwas näher. Sie duftete nach Rosen, und ihre Haut war zart wie feinste Seide. Harrison fühlte sich so jung und lebendig wie seit vielen Jahren nicht mehr.

„Sie sind ein sehr guter Tänzer“, sagte sie.

Sprich weiter, dachte Harrison, deine Worte sind Musik in meinen Ohren.

„Sie aber auch“, erwiderte er.

Sie neigte nur leicht den Kopf.

„Ich glaube, er ist weg“, flüsterte er ihr ins Ohr, als die Musik endete und er sie von der Tanzfläche führte.

„Trotzdem würde ich gern weiter mit Ihnen tanzen“, sagte sie. „Vielleicht das nächste Stück?“

„Da bist du ja!“

Harrison drehte sich um und sah den Fürsten nur wenige Schritte entfernt.

„Wie ich sehe, haben Sie sich mit Lucia bekannt gemacht.“

Harrison wandte den Kopf nach der anderen Seite, um zu sehen, wen der Fürst meinte.

„Hallo noch mal, Großvater“, erwiderte Lucia. Ihre Finger lagen leicht auf Harrisons Arm. „Wie gefällt dir das Fest?“

„Sehr“, antwortete Easton und winkte ungeduldig Harrisons Sohn Devon heran. „Hier ist sie, Devon. Tanzen Sie mit ihr. Lucia ist viel zu jung, um ihre Zeit mit uns alten Herrschaften zu vergeuden.“

Harrison fühlte sich augenblicklich um Jahre gealtert und zog eine Grimasse.

Devon verbeugte sich vor Lucia. „Darf ich bitten?“

„Gern, Sir Montcalm“, erwiderte sie und nahm seinen Arm.

„Ist sie nicht eine Augenweide?“, fragte Easton, während Harrison und er dem Paar nachsahen.

„In der Tat.“ Irgendwie gelang es Harrison, eine unbeteiligte Miene aufzusetzen. Die Frau, mit der er getanzt hatte, war Prinzessin Lucia!

„Die beiden sind ein wirklich schönes Paar“, fügte Easton mit einem zufriedenen Lächeln hinzu. „Finden Sie nicht auch?“

Harrison blickte hinüber zur Tanzfläche, wo Lucia mit leicht geneigtem Kopf Devons Konversation lauschte, und verspürte einen plötzlichen Stich von Eifersucht. Doch er kämpfte dieses Gefühl schnell nieder, denn wie immer stand die Pflicht für seinen Fürsten an erster Stelle. „Ein schönes Paar“, bestätigte er, obwohl er in seinem Herzen ganz anders empfand.

„Ah, da ist ja Charlotte“, sagte Easton. „Entschuldigen Sie mich bitte, Harrison.“

Harrison verbeugte sich, als der Fürst sich von ihm abwandte, und nahm ein Glas Champagner vom Tablett eines Kellners. Normalerweise trank er im Dienst keinen Alkohol, doch heute Abend würde er eine Ausnahme machen. Wenn man der Frau seiner Träume begegnet und sich herausstellt, dass sie für den eigenen Sohn bestimmt ist, dann kann ein Glas Champagner nicht schaden.

„Wollen wir noch einmal tanzen?“

Diese Stimme würde er nun überall und jederzeit wiedererkennen.

„Es wäre nicht angemessen, Prinzessin Lucia“, erwiderte Harrison betont zurückhaltend.

„Angemessen?“ Lucia runzelte die Stirn. „Ach, ich verstehe, Sir Harrison Montcalm hat als Mann der Pflicht seine Rüstung wieder angelegt.“ Sie bemerkte sein Erstaunen. „Ihr Sohn hat die ganze Zeit nur von Ihnen und Ihren großartigen Leistungen gesprochen.“ Sie nahm ein Glas Champagner und stürzte es in zwei Schlucken hinunter.

„Nun, Sir Harrison Montcalm, sicherlich wird man Sie bald darüber aufklären, dass ich mich leider nicht immer angemessen verhalte. Den Rockmusiker dort drüben habe ich zum Beispiel extra mitgebracht, um meine Mutter zu ärgern und ihr zu zeigen, dass ich mich nicht so leicht verkuppeln lasse.“

Mit einem Knall stellte Lucia ihr leeres Glas auf einem Tisch ab. „Die ganze langweilige Etikette geht mir einfach auf die Nerven.“

Sie stellte sich dicht neben ihn und senkte eindringlich die Stimme. „Aus irgendeinem Grund glaubte ich, Sie wären anders. Ich spürte eine Art Band zwischen uns, was genau, kann ich nicht erklären, aber ich hielt es für etwas ganz Besonderes.“

Wie sehr ihre Worte schmerzten. Am liebsten hätte Harrison zugegeben, dass er genau wie sie gefühlt hatte. Aber dann erinnerte er sich an seine Pflicht.

Und zur Erfüllung seiner Pflicht gehörte es, ihr seine Gefühle zu verheimlichen.

Daher schwieg er, obwohl er nichts lieber getan hätte, als ihr sein Verhalten zu erklären.

Für einen Augenblick war Lucia deutlich anzumerken, wie sehr sein Schweigen sie verletzte, doch dann hob sie trotzig das Kinn. „Ich könnte Ihnen befehlen, mit mir zu tanzen, nicht wahr?“, fragte sie, ohne den Blick von ihm zu wenden.

„Das könnten Sie, Prinzessin.“

Lucia presste die Lippen aufeinander. Tiefe Enttäuschung spiegelte sich in ihren Augen. Wie er es hasste, sie verletzen zu müssen. „Das dachte ich mir. Gute Nacht, Sir Montcalm“, sagte sie und machte auf dem Absatz kehrt.

Harrison setzte sein volles Champagnerglas ab. Er hatte keinen einzigen Schluck getrunken. Der Tanz mit Lucia war ein Tanz wie auf Wolken gewesen. Doch er hatte vor langer Zeit gelernt, dass solche Dinge nicht für ihn bestimmt waren.

Erstens war er, General a. D. Sir Harrison Montcalm, viel zu alt für sie, und zweitens gehörte er einer niedrigeren sozialen Schicht an. Eine Beziehung zu einer Prinzessin, noch dazu der Enkelin seines Fürsten, war undenkbar. Schweren Herzens wandte er sich ab.

2. KAPITEL

Am nächsten Tag kam Lucia Carradigne zu spät zu ihrer Unterredung.

Mit großen Schritten durchmaß Harrison das elegante Büro, das ihm für die Dauer seines Aufenthalts in Amerika in der Botschaft von Colina zugewiesen worden war. Er hatte sich mit noch größerer Sorgfalt als sonst angekleidet und trug einen dunkelblauen Anzug, ein frisch gestärktes weißes Hemd und eine Krawatte mit dem Wappen von Colina.

Ungeduldig sah er immer wieder auf seine Rolex, die Fürst Easton ihm für fünfundzwanzig Jahre Dienst in der Fürstenfamilie geschenkt hatte.

Lucia Carradigne war jetzt schon eine halbe Stunde zu spät.

Endlich klopfte es.

„Herein.“

„Harrison.“ Zu seiner Enttäuschung stand Devon in der Tür.

Er begrüßte seinen achtundzwanzigjährigen Sohn freundschaftlich, obwohl das Verhältnis zwischen ihnen nicht besonders vertraut war. Nach Marys plötzlichem Tod hatte er den sechzehn Jahre alten Jungen auf eine Militärakademie geschickt und nur noch sporadisch Kontakt mit ihm gehabt. Der ernsthafte junge Mann, der jetzt vor ihm stand, war ihm daher ziemlich fremd.

„Ich wollte dir nur Bescheid geben, dass es mir gelungen ist, dem Informanten von Krissy Katwell auf die Spur zu kommen“, sagte Devon. „Mir liegen einige Mitschnitte ihrer Telefonate vor.“

„Gute Arbeit.“ Harrison nickte ihm aufmunternd zu.

„Danke.“ Devon trat von einem Fuß auf den anderen. „Fürst Easton schickt mich. Er meinte, es sei aus Sicherheitsgründen wichtig, dass ich bei deiner Unterredung mit Lucia anwesend bin.“

Nachdenklich musterte Harrison seinen Sohn. Er schien nicht gerade versessen darauf, an dem Gespräch mit Lucia teilzunehmen. Doch unabhängig von seinen persönlichen Vorlieben würde er natürlich immer der Bitte des Fürsten Folge leisten. Und falls Devon dennoch private Gefühle für Lucia hegte, wäre sein Vater wohl der Letzte, dem er sich anvertrauen würde. Sie waren sich nie nahe genug gekommen, um persönliche Bekenntnisse auszutauschen.

„Das schaffe ich auch allein, denke ich“, erwiderte Harrison. „Zwei Männer der Familie Montcalm sind vielleicht sogar für eine Prinzessin ein bisschen viel auf einmal.“

„Damit könntest du recht haben“, stimmte Devon ihm zu. „Aber Fürst Easton schien Wert darauf zu legen.“

„Ich werde dem Fürsten deine Abwesenheit erklären“, sagte Harrison und besiegelte damit sein Schicksal endgültig. „Im Augenblick solltest du dich vornehmlich auf Krissy Katwell konzentrieren. Ihr müssen so schnell wie möglich die Hände gebunden werden, ehe sie weiteren Schaden anrichten kann.“

„Verstehe. Ich halte dich auf dem Laufenden.“

„Gut.“ Wieder sah Harrison auf seine Uhr. Er runzelte die Stirn. Jetzt war Lucia schon fünfundvierzig Minuten überfällig.

„Stimmt etwas nicht?“, fragte Devon.

„Prinzessin Lucia sollte eigentlich um drei Uhr hier sein.“

Jetzt zog auch Devon die Stirn in Falten. Als Captain der Royal Guard war er für die Sicherheit der Fürstenfamilie verantwortlich. „Glaubst du, ihr ist etwas passiert?“

Nein. Sie will mich nur bestrafen, weil ich sie zurückgewiesen habe. Sie will mir zeigen, wer das Sagen hat. Die Erkenntnis traf Harrison wie ein Blitz. Den Mann warten zu lassen, gehörte schließlich zu einem der ältesten weiblichen Tricks, und er war prompt darauf hereingefallen.

Doch schnell besann er sich anders. Sein Instinkt sagte ihm, dass Lucia nicht zu der Art von Frauen gehörte, die solche Listen anwandten.

„Vermutlich hat sich die Prinzessin einfach nur verspätet“, antwortete er. „Sie ist eine vielbeschäftigte junge Dame, und vermutlich ist ihr etwas dazwischen gekommen.“

Devon nickte. „Gib mir Bescheid, falls sie nicht bald auftaucht, dann kümmere ich mich darum.“

„Das wird nicht nötig sein.“

Beide Männer wandten sich beim Klang der sanften weiblichen Stimme zur Tür. Harrison stockte fast der Atem.

Sie war genauso schön wie bei ihrem ersten Treffen. Das dunkelblonde Haar fiel ihr auf die Schultern, und ihre grünen Augen wurden einen Hauch dunkler, als sie Harrison anblickte.

„Hallo, Harrison“, sagte sie.

„Prinzessin Lucia.“ Harrison versuchte, einen normalen Ton anzuschlagen. „Schön, Sie zu sehen. Bitte kommen Sie herein.“ Er griff nach dem Mantel, den sie gerade aufknöpfte.

Sie schenkte ihm ein verführerisches Lächeln, als ihre Hände sich bei der Übergabe des Mantels leicht berührten. „Ich freue mich auch, Sie zu sehen, Harrison. Ich hoffe, es geht Ihnen gut?“

Autor

Michele Dunaway
Seit sie in die erste Klasse ging, wollte Michele Dunaway Schriftstellerin werden. Na ja sie wollte auch Nonne werden, aber dies Idee wurde schnell verworfen als sie feststellte, dass Jungen doch nett sind und auch keine Läuse haben. Während sie also nicht in die Fußstapfen ihrer Schwester trat, haftete der...
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