Tage und Nächte im Paradies

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Einen Moment lang glaubt Zach, eine Waldfee zu sehen: zierlich, in den langen dunklen Locken duftende Wiesenblumen und Efeu. Hinreißend - bis er erfährt, dass Catherine auf dem Grundstück lebt, das er kürzlich geerbt hat. Das riecht nach Ärger - und leidenschaftlichen Begegnungen ...


  • Erscheinungstag 10.10.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733759575
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Hallo, alle miteinander“, grüßte Catherine betont fröhlich.

Als sie vorsichtig mit ihrem Hausboot an Toms Motorbarkasse anlegte, sah sie ihren Freunden an, dass die Gerüchte, die sie in Saxonbury gehört hatte, vermutlich stimmten.

Tom, Steve, Nick und Dudley standen vom geräumigen … des Vordecks auf. Sie wirkten geradezu alarmierend mitfühlend, und das machte alles nur noch schlimmer. Ihr Magen krampfte sich zusammen. Jetzt musste sie sich mit der Tatsache auseinandersetzen, dass ihre Zukunft von dem neuen Besitzer abhing, wenn Tresanton Island tatsächlich verkauft worden war.

Catherine wandte den Kopf und blickte sehnsüchtig zu der schönen Insel, die weiter flussaufwärts lag. Von Rechts wegen hatte sie sich dort nicht aufhalten dürfen, auch wenn sie dort in den letzten drei Jahren vor Anker gelegen hatte. Ihre liebenswerte Vermieterin Edith Tresanton hatte es nicht gestört. Doch seit Ediths Tod war ihre Zukunft ungewiss.

Einer von den Jungs, wie sie sie nannte, fing die Taue auf und zog sie an Bord, nachdem Catherine ihren langen Rock gerafft hatte. Ihr langes, lockiges schwarzes Haar fiel ihr über die Schultern, da das Band sich löste, und sie fasste es schnell wieder zusammen. Ihr hübsches Gesicht mit den feinen Zügen war ungewöhnlich blass.

„Wir haben gerade über dich geredet“, verkündete Tom. „Wie wär’s mit einer Tasse Tee?“

Sie schüttelte den Kopf und setzte sich auf eine Bank. Steve gab ihr einen Kuss auf die Wange und kam gleich zur Sache.

„Du weißt, dass die Insel einen neuen Besitzer hat?“, erkundigte er sich besorgt.

„Ich hatte es mir schon gedacht. Das heißt, dass ich Probleme bekommen könnte.“ Ihre Handflächen waren plötzlich feucht, und sie wischte sie an ihrem Rock ab. „Was wisst ihr? Sind die Leute schon eingezogen? Ich habe keinen Wagen am Ufer gesehen.“

„Der Möbelwagen ist schon wieder weg. Die Händler hier in der Gegend sagen, dass eine Schickimickitante aus London das Haus übernommen hat“, erwiderte Tom. „Sie fährt einen schnellen Sportwagen und ist selbst genauso dynamisch – schickes Kostüm, hohe Absätze, Kurzhaarfrisur und perfekt geschminkt.“

„Nicht gerade eine Gleichgesinnte“, bemerkte Catherine leise.

Sie hatte gehofft, dass ein Naturliebhaber Tresanton Island kaufen würde. Wer sonst hätte ein so abgelegenes Anwesen erworben? Ein Naturliebhaber hätte nichts gegen Hausboote in der Nähe gehabt, sondern es sogar romantisch gefunden.

„Stimmt. Sie ist anders als wir – und Edith“, meinte Tom. „Richtig herrisch. Sie hat ihre Sachen hergebracht und in allen Geschäften die Feinschmeckersachen aufgekauft – nachdem sie einen Entsetzensschrei ausgestoßen hatte, weil es in Saxonbury nirgends Weizengras gibt.“ Er lächelte. „Irgendein Schlauberger hat sie dann zu einem Feld dirigiert, und sie ist in die Luft gegangen und hat ihn einen Dorftrottel genannt. Mehr wissen wir nicht.“

Catherine rang sich ein Lächeln ab und seufzte dann resigniert. Es hörte sich so an, als würde sich auf der Insel – und in Ediths Haus – vieles verändern. Wahrscheinlich würde die neue Besitzerin den Charme des alten Herrenhauses mit einer hochmodernen Küche und den neusten technischen Errungenschaften zerstören und den natürlichen Wildwuchs auf der Insel durch Rasenflächen ersetzen.

Und was würde aus ihr werden? Sehnsüchtig ließ Catherine den Blick zu dem roten Kabinendach ihres Boots schweifen, auf dem zwischen den Schornsteinen zahlreiche Blumenkisten standen. Das traditionelle Kanalgüterschiff war für sie die ideale Wohnmöglichkeit in einer ansonsten teuren Gegend gewesen. Sie war jetzt sechsundzwanzig, und noch nie zuvor war ihre Zukunft so ungewiss gewesen.

„Da kommt ein gelber Wagen“, verkündete Steve, und sofort strafften sich alle.

Der gelbe Sportwagen war so auffällig, dass man ihn bereits aus einer halben Meile Entfernung sehen konnte. Mit klopfendem Herzen blickte Catherine ihm entgegen. Schließlich stand sie auf. Vielleicht durfte sie auf der Insel bleiben. Edith hatte ihr erlaubt, auf einem Teil des Anwesens Gemüse anzubauen und Hühner zu halten.

„Danke für die Informationen“, erklärte Catherine. „Ich stelle mich ihr vor, damit ich weiß, woran ich bin.“

„Brauchst du ein paar Bodyguards?“, erbot sich Steve.

Catherine lächelte dankbar. Die Jungs hatten ihr damals sehr geholfen und sie in die Geheimnisse eines Kanalgüterschiffs eingeweiht. Sie waren arm, hatten aber ein gutes Herz und würden alles für sie tun. Sie legte ihm die Hand auf den Arm und nahm sich vor, ihm noch vor Wintereinbruch einen neuen Pullover zu stricken, weil seiner bereits zerlöchert war. Falls sie dann noch da war …

„Ich sage euch Bescheid“, antwortete sie. „Zuerst werde ich an ihr Mitgefühl appellieren. Aber für den Fall, dass sie keins hat, haltet schon mal die Schlagringe bereit“, scherzte sie halbherzig.

„Schmeichel dich bei ihr ein. Beschaff ihr Weizengras“, schlug Tom trocken vor.

„Bestimmt nicht!“

„Und wenn sie dir sagt, dass deine Kunden die Brücke nicht benutzen dürfen, oder dich auffordert zu gehen?“, fragte Steve.

Catherine atmete tief ein. Die Jungs wussten genauso gut wie sie, dass sie nirgends einen Ankerplatz finden würde. Der Gedanke war furchtbar. Es würde das Ende ihrer Idylle bedeuten, und sie würde in eine heruntergekommene Wohnung in einer finsteren Gegend Londons ziehen müssen. Es würde Jahre dauern, bis sie sich einen neuen Kundenstamm aufgebaut hätte. Panik überkam sie.

„Dann hätte ich keine andere Wahl, als zu gehen“, erwiderte Catherine.

„Viel Glück“, wünschten ihr die Männer im Chor, als sie wieder an Bord ihres Boots kletterte und ablegte.

„Danke“, brachte sie hervor.

Dann konzentrierte sie sich darauf, das Boot dort zu wenden, wo der Fluss breiter wurde, und hielt anschließend auf ihren Anlegeplatz auf der anderen Seite der Insel zu.

Glück? Sie stöhnte laut auf. Nach allem, was sie über die neue Besitzerin gehört hatte, musste schon ein Wunder geschehen.

2. KAPITEL

Zachariah Talent nahm die Glockenblumen, die in dichten Teppichen den Waldboden bedeckten, nicht wahr. Er nahm nicht einmal den Wald wahr. Als typischer Stadtmensch war er blind für solche Freuden des Alltags.

„Hübsch hier. Nur schade, dass hier solche Dorftrottel leben. Dieser Narr!“, bemerkte seine Assistentin sarkastisch, während sie einem einsamen Spaziergänger auswich.

„Ja“, erwiderte Zach unwirsch.

Ohne von seinem Laptop aufzublicken, den er auf den Knien balancierte, fuhr er fort, seinem Gesprächspartner in Hongkong die Zahlen durchzugeben, die er vom Bildschirm ablas. Dabei zog er die dunklen Brauen zusammen, was typisch für ihn war.

„Wir sind fast da, Zach“, verkündete Jane. „Ist es nicht aufregend?“

Zach schaltete seinen Gesprächspartner kurz weg und sah seine Assistentin an. Sie schenkte ihm ein beunruhigendes Lächeln. Da er Beruf und Privatleben schon immer getrennt hatte, erwiderte er es mit einem kühlen Blick. Dabei fragte er sich, warum die Frauen, mit denen er zusammenarbeitete, sich immer einbildeten, dass sie in ihn verliebt waren. Schließlich verhielt er sich ihnen gegenüber ausgesprochen distanziert.

„Es ist nur ein Haus. Eine Investition“, erwiderte er kurz angebunden.

„Oh, es ist mehr als das!“, schwärmte Jane, und ihr Gesichtsausdruck alarmierte ihn noch mehr. „Es hat Charakter. Das ideale Zuhause für eine Familie.“ Sie legte eine bedeutungsvolle Pause ein und fuhr dann fort: „Natürlich muss es modernisiert werden. Aber es ist wunderschön. In den großen Räumen kommen Ihre Antiquitäten perfekt zur Geltung, und das Grundstück geht bis an den Fluss Saxe …“

„Das sagten Sie bereits“, unterbrach Zach ihre Lobeshymne.

Nachdem er sich damit abgefunden hatte, dass er womöglich bald eine neue Assistentin suchen musste, widmete er sich wieder seinem Gesprächspartner und tätigte einige Wertpapiergeschäfte.

„Haben Sie eine Ahnung, warum Mrs. Tresanton Ihnen das Haus vermacht hat?“, erkundigte sich Jane, sobald er das Telefonat beendet hatte.

„Sie hatte keine Verwandte. Und niemanden, der ihr nahe stand“, erwiderte er in der für ihn typischen kurz angebundenen Art.

Er war allerdings überrascht gewesen und konnte sich noch immer nicht erklären, warum Edith ihn in ihrem Testament begünstigt hatte. Fürs Landleben hatte er noch nie etwas übrig gehabt. Um Janes verträumten Gesichtsausdruck nicht sehen zu müssen, blickte er aus dem Fenster und runzelte die Stirn, weil seine Kopfschmerzen stärker wurden.

Der Anblick des vielen Grüns machte ihn beinah nervös. Sie fuhren jetzt einen holprigen Feldweg am Fluss entlang, der ruhig dahinfloss und fast genauso blau war wie der Himmel. Er erinnerte sich, dass Edith oft von seiner Schönheit gesprochen und ihm in den Ohren gelegen hatte, dass er doch mal vorbeikommen sollte. Natürlich hatte er nie Zeit gehabt.

Sie war eine gute Kundin und fast wie eine Mutter für ihn gewesen. Zach presste die Lippen zusammen, als er an den Tod seiner Mutter vor siebzehn Jahren dachte, nur wenige Monate nach dem tödlichen Schlaganfall seines Vaters.

Es war seltsam, wie übermächtig sein Kummer gewesen war. Er war damals achtzehn gewesen, doch er hatte seine Eltern kaum gekannt. Damit es ihm einmal besser gehen sollte, hatten sie so hart gearbeitet, dass er von seinem fünften Lebensjahr an ein Schlüsselkind gewesen war. Als sie gestorben waren, hatte er trotzdem ganz allein dagestanden.

Vielleicht hatte er Edith deswegen ins Herz geschlossen. Normalerweise blieb das Verhältnis zu seinen Kunden rein geschäftlich, und er war bestrebt, ihre finanziellen Angelegenheiten so gut wie möglich zu regeln. Edith war allerdings anders gewesen. Obwohl sie ihm ständig Vorhaltungen gemacht hatte, weil er so viel arbeitete, hatte sie ihn während ihrer monatlich stattfindenden Treffen in London mit ihrer exzentrischen Art auch zum Lachen gebracht. Und normalerweise hatte er nicht viel zu lachen.

„Ich hoffe, das Haus gefällt Ihnen“, erklärte Jane ein wenig nervös, während sie ihren gelben Sportwagen auf einer kleinen gepflasterten Fläche am Fluss parkte. „Ich wünschte nur, Sie hätten es sich vorher angesehen“, fügte sie verdrießlich hinzu.

„Wie Sie wissen, hatte ich wegen meiner USA-Reise keine Zeit. Aber ich bin sicher, dass Sie alles hervorragend organisiert haben.“ Zach sprang aus dem Wagen und hielt nach Tresanton Manor Ausschau.

Zu seiner Überraschung sah er jedoch nur den Fluss, auf dem einige Enten schwammen und in dessen Mitte eine Insel lag, und Felder. Und abgesehen von dem Vogelgezwitscher, war es geradezu unheimlich still.

„Also, wo ist es?“, fragte er. In seinem maßgeschneiderten Anzug und dem modischen dunkelroten Hemd fühlte er sich hier völlig fehl am Platz.

Jane schwankte ein wenig auf ihren hohen Absätzen. In ihrem Kostüm wirkte sie hier genauso deplatziert. Ihr Rock war enger als sonst, wie Zach feststellte. Und hatte sie je so tief ausgeschnittene Blusen getragen? Hilfe, dachte er, es wird brenzlig!

„Zum Haus geht es über die Brücke dort.“ Sie zeigte auf das schmale Bauwerk aus Brettern, das vom Ufer zur Insel führte.

Zach fasste sich an die pochenden Schläfen. Nur mit Mühe gelang es ihm, sein Entsetzen zu verbergen. „Sie wollen mir doch wohl nicht erzählen, dass das Haus auf einer … Insel steht?“, fragte er ungläubig.

Von Panik erfüllt, sah sie ihn an. „Zach! Sie müssen doch die Übertragungsurkunde gelesen haben. Tresanton Manor und Tresanton Island …“

„Nein!“ Er funkelte sie an. „Dafür habe ich Sie eingestellt – damit Sie alles zusammenfassen und nur die wichtigsten Dinge wiedergeben. Wo ist die Straße, die hinüberführt?“, fügte er scharf hinzu.

„Es gibt keine“, erwiderte Jane kleinlaut. „Wir müssen von hier zu Fuß gehen …“

„Ich fasse es nicht!“, meinte er leise. „Sie erwarten von mir, dass ich meinen Maserati hier parke, wenn ich ihn endlich aus der Werkstatt zurückbekomme? Damit er von irgendeinem Halbstarken demoliert wird?“

„Ich glaube nicht, dass hier …“, begann sie nervös.

„So etwas passiert überall“, fiel er ihr ins Wort. Er konnte sich lebhaft vorstellen, wie es hier sein würde, wenn er an einem nasskalten Wintertag mit seinem Sohn hier festsaß. Verdammt, was sollte er jetzt machen? Er hatte Sam ein Haus mit Garten versprochen. „Ich muss mich nach einem anderen Haus umsehen“, fügte er hinzu.

„Das geht nicht. Erinnern Sie sich nicht?“

Zach stöhnte. Er erinnerte sich noch an Ediths seltsamem Wunsch, der ihm damals verrückt, aber annehmbar erschienen war und wie folgt gelautet hatte: Ich vermache Zachariah Talent mein Haus mit seinem gesamten Inhalt, wenn er mindestens ein Jahr darin wohnt. Ansonsten fällt es an den ersten Menschen, den er sieht, wenn er seinen Fuß auf die Insel setzt.

Es war nicht zu glauben. Wenn er Pech hatte, würde er das Anwesen, das rund zwei Millionen Pfund wert war, an den Milchmann verlieren – falls es in dieser gottverlassenen Gegend überhaupt einen Milchmann gab.

„Okay. Dann komme ich nur an den Wochenenden her und campe hier“, erklärte Zach unwirsch.

Er konnte Sam nicht enttäuschen. Doch ihm war etwas ganz anderes vorgeschwebt. Er hatte in der Nähe von Schnellrestaurants, Kinos und Zoos wohnen wollen. Wie sollte man sonst einen Achtjährigen unterhalten?

„Jane!“, rief er plötzlich. „Was, zum Teufel, machen diese alten Kähne dahinten?“

Jane folgte seinem Blick zu den Booten, die weiter flussabwärts vor Anker lagen.

„Das sind Kanalboote. Oder nennt man sie Kanalgüterschiffe? Ich glaube, die dürfen da vor Anker liegen.“

Zach presste die Lippen zusammen. Die Boote waren ein Sicherheitsrisiko. Langsam ließ er den Blick über die Gegend schweifen. Seine Miene wurde noch finsterer, als ihm klar wurde, dass Jane ihm verschwiegen hatte, wie abgelegen das Haus war. Seine Kopfschmerzen wurden noch stärker. Er hatte einen großen Fehler begangen, indem er etwas so Wichtiges delegiert hatte. Andererseits war er vernünftig genug, um zu wissen, dass er vorerst nichts daran ändern konnte.

Er würde gute Miene zum bösen Spiel machen und das Haus ein Jahr lang an den Wochenenden nutzen. Aber erst würde er überall Wege anlegen und Geländer anbringen lassen, damit sein Sohn nicht in den Fluss fiel. Und auf keinen Fall würde er für immer auf einer Insel leben, wo wer weiß wer von einem Boot springen und ihm seine gesamte Kunstsammlung stehlen konnte.

„Rufen Sie in der Werkstatt an, und lassen Sie so schnell wie möglich meinen Wagen herbringen“, ordnete Zach an. „Ich kümmere mich persönlich um dieses Problem. Also sagen Sie bis auf Weiteres alle meine Termine ab. Ich werde Ihnen per E-Mail mitteilen, was hier alles geändert werden muss, bevor das Haus auf den Markt kommt. Und suchen Sie mir in der Zwischenzeit eine Bleibe. In einer Stadt. In der Nähe von Restaurants. Einem Fitnessstudio. Theatern. Verstanden? Die Schlüssel!“ Er streckte die Hand aus, wohl wissend, dass er unhöflich war. „Bitte“, fügte er daher hinzu, als Jane nervös in ihrer Handtasche zu wühlen begann.

Sie war eine gute Assistentin. Doch seitdem sie Tresanton Manor zum ersten Mal gesehen hatte, lag ein Ausdruck in ihren Augen, der nichts Gutes verhieß. Sie war bereit, eine Familie zu gründen, und hatte ihn dafür ins Auge gefasst. Doch er würde nie wieder mit einer Frau Sofas und Gardinen aussuchen, soviel stand fest.

Zach unterdrückte den Drang, seinem Frust freien Lauf zu lassen, weil seine Pläne gescheitert waren und er in dieser ländlichen Hölle sicher nie ein Verhältnis zu seinem Sohn aufbauen würde. Er nahm seinen Laptop aus dem Wagen, verabschiedete sich von Jane und ging zur Brücke. Dabei fragte er sich verzweifelt, ob er je die Liebe seines Sohnes gewinnen würde.

Erst jetzt wurde ihm klar, wie wichtig ihm das war. Natürlich hatte er mit Edith über die Gleichgültigkeit seines Sohnes gesprochen, aber er hatte sich nie anmerken lassen, wie sehr es ihn verletzte. Nicht einmal sich selbst hatte er es sich eingestanden.

Sein Herz krampfte sich zusammen. Eines Tages würde sein Sohn ihn lieben, das schwor er sich.

Auf Frauen konnte er gut verzichten. Diejenigen, die er bei gesellschaftlichen Anlässen kennengelernt hatte, hatten sofort das große Geld gewittert, als sie erfahren hatten, wer er war. Und keine der Frauen, mit denen er ausgegangen war, war mit seinem Lebensstil zurechtgekommen. Genauso wenig wie seine Exfrau. Doch er wollte seinem Sohn finanzielle Sicherheit bieten, und man wurde nicht reich – oder blieb es –, wenn man Frauen umgarnte und mit ihnen bummeln ging.

Schlecht gelaunt ging Zach den matschigen Weg entlang und neigte in regelmäßigen Abständen den Kopf, um den Zweigen von Apfelbäumen auszuweichen. Das musste man in London nicht.

Er konnte nicht verstehen, warum Edith geglaubt hatte, sie würde ihm einen Gefallen tun, wenn sie ihn zwang, ein Jahr hier zu leben. Wie konnte sie diesen Ort nur als Paradies bezeichnen?, fragte er sich.

Und dann bemerkte er die Frau.

3. KAPITEL

Sie ging vor ihm durch den Obstgarten. Nein, sie schwebte. Verblüfft blieb Zach stehen.

Offenbar hatte sie ihn gehört, denn sie drehte sich langsam zu ihm um. Ihr Gesicht war so zart, dass er sich fragte, ob er halluzinierte. Klein und anmutig, stand sie bis zu den Knöcheln in einem Meer von Butterblumen und sah aus, als wäre sie einer mittelalterlichen Illustration entsprungen.

Da er normalerweise sehr nüchtern war, versuchte er zu verstehen, warum er diesen Eindruck hatte. Vielleicht lag es an ihrer Kleidung. Sie trug ein langärmeliges, cremefarbenes enges Oberteil und einen langen Rock, der vom Knie an ausgestellt war. Vielleicht lag es auch an ihrem Haar, das sie wie eine moderne Guinevere erscheinen ließ. Es war schwarz und fiel ihr in dichten Wellen über den Rücken. Erstaunt stellte er fest, dass sie es mit etwas Grünem zusammengefasst hatte. Es sah aus wie Efeu.

Ein Blumenkind, dachte Zach und runzelte die Stirn. Vielleicht wohnte sie auf einem der Boote und spionierte hier herum. Unwillkürlich fasste er sich an die Narbe auf seiner Stirn.

Nachdem man einmal bei ihm eingebrochen und ihn zweimal ausgeraubt hatte, war er herumstreunenden Fremden gegenüber sehr misstrauisch. In London sah man Fremden nicht in die Augen. Dort trug man keine teure Armbanduhr. Dort ging man schnell zu seinem Ziel, verriegelte während der Fahrt den Wagen, stellte den Motor an Ampeln nicht ab und war immer auf der Hut. So überlebte man in der Großstadt.

„Sie befinden sich auf meinem Grund und Boden!“, sagte Zach drohend.

Die Frau blieb ruhig, als würde sie darauf warten, dass er auf sie zuging. Und zu seiner Überraschung tat er es auch. Normalerweise kamen die Leute zu ihm.

Während er mit finsterer Miene auf sie zuschritt, streckte sie ihm die zierliche Hand entgegen.

„Ich bin Catherine Leigh. Guten Tag.“

Sie hatte eine sanfte Stimme, und ehe er sich’s versah, hatte er ihre Hand ergriffen. „Zach Talent.“

Hatte der Mann gemerkt, wie nervös sie war? Schnell entzog Catherine ihm ihre Hand und legte sie auf den Rücken, damit er nicht merkte, wie sie zitterte.

„Sie … sagten, es wäre Ihre Insel …“, begann sie heiser.

„Sieht ganz so aus.“ Er presste die Lippen zusammen, als wäre er über diese Tatsache nicht erfreut. Seine Augen funkelten zornig.

„Oh.“

Sie dachte darüber nach und kam zu dem Ergebnis, dass sie lieber mit der Frau zu tun gehabt hätte als mit diesem mürrischen Kerl. Dann hellte ihre Miene sich auf. Offenbar war sie seine Ehefrau. Dann konnte sie mit ihr reden.

„Sind Sie allein?“, fragte er und sah sich dabei um, als könnten jeden Moment irgendwelche Schurken aus dem Unterholz springen.

„Ja“, erwiderte Catherine leise.

„Hm.“ Er entspannte sich ein wenig. „Und was machen Sie hier?“

„Ich wollte mit Ihrer Frau sprechen.“

„Ach ja?“

Sie betrachtete ihn und stellte erleichtert fest, dass er nicht mehr ganz so finster dreinblickte. Als sie die lange Narbe auf seiner Stirn bemerkte, fragte sie sich, woher diese stammen mochte.

„Kann ich Sie sehen? Ist sie zu Hause?“

„Nein.“

„Dann komme ich später wieder“, sagte sie ernst.

„Nein, das tun Sie nicht. Warten Sie!“, befahl der Mann, als sie sich abwenden wollte.

Catherine wirbelte herum und glaubte für einen Moment, dass der Ausdruck in seinen grauen Augen sanfter geworden war. Dann wurde er jedoch wieder hart.

„Sie werden mit mir reden“, erklärte der Fremde scharf. „Mal sehen, ob Sie Ihre Anwesenheit hier begründen können.“

„Natürlich kann ich das!“, sagte sie überrascht.

„Dann kommen Sie mit.“ Ohne auf eine Antwort zu warten, ging Zach Talent den Weg entlang.

Nachdem Catherine kurz gezögert hatte, folgte sie ihm. Dabei staunte sie über die Autorität, die er ausstrahlte. Zach Talent gehörte offenbar zu den misstrauischen Menschen, die glaubten, jeder wollte sie betrügen. Er hatte sie angesehen, als würde sie etwas im Schilde führen. Und seinem Verhalten nach zu urteilen, hatte er auch gern das Sagen. Er war kein Mann, der anderen einen Gefallen tat.

Besorgt betrachtete sie ihn, während er angespannt und schnellen Schritts den Weg entlangging und dabei telefonierte und seinem Gesprächspartner Anweisungen erteilte. Von einer düsteren Vorahnung befallen, eilte sie ihm durch den verwilderten Garten nach. Wie lange würde es wohl dauern, bis Mrs. Stöckelschuh und Mr. Griesgram hier alles gerodet und durch Rollrasen ersetzt hätten? Womöglich würden sie sogar überall Scheinwerfer anbringen und einen Hubschrauberlandeplatz anlegen lassen.

Catherine blickte auf und lauschte dem Gesang einer Mönchsgrasmücke, die in einer Azalee saß. Im nächsten Moment stimmte von einer nahestehenden Eiche ein Rotkehlchen ein. Ringeltauben gurrten in dem alten Maulbeerbaum, und gelegentlich hörte sie Flügelschlagen und aufspritzendes Wasser, weil ein Stockentenerpel ein Weibchen umwarb.

Der Duft der Maiglöckchen zu ihren Füßen stieg ihr in die Nase, und sie hatte den Eindruck, dass sogar Zach, obwohl er immer noch telefonierte, langsamer ging, um die Schönheit des Gartens in sich aufzunehmen. Sie hielt den Atem an und wartete, bis er die Lichtung erreicht hatte. Und stellte erfreut fest, dass er stehen blieb und sich flüchtig umsah. Als sie ihn einholte, wurde ihr allerdings klar, dass er keinen Sinn für solche Dinge hatte.

„Verkaufen“, wies er seinen Gesprächspartner an und rieb sich dabei geistesabwesend den Nacken. „Und teilen Sie mir Ihre Investitionsstrategie für Fernost bis heute Abend mit …“

Dieser Barbar! Zach Talent und sie lebten wirklich auf verschiedenen Planeten. Es war vielleicht das letzte Mal, dass sie diesen so schmerzlich vertrauten Anblick genießen konnte, und das wollte sie auskosten.

Ein Meer von Maiglöckchen bedeckte die Lichtung und wiegte sich in der sanften Brise. Die blühenden Zweige der alten Apfel- und Birnenbäume hingen so weit herab, dass sie die blauen Blüten fast berührten. Der Weg war von japanischen Zierkirschen gesäumt, deren Blütenblätter bereits herabrieselten. Dahinter lag das wunderschöne alte Herrenhaus in der Sonne.

Entzückt blickte Catherine zu Zach auf in der Hoffnung, dass all diese Pracht ihn anrührte. Er runzelte jedoch immer noch die Stirn und wählte bereits eine neue Nummer.

Sie war verzweifelt. Zach hatte nichts wahrgenommen. Weder die weißen Blüten der Azaleen, die seinen Ärmel gestreift hatten noch die Veilchen, Vergissmeinnicht oder den Ackergauchheil, der im Unterholz neben dem Weg wuchs. Und statt dem wunderschönen Gesang der Vögel zu lauschen, hatte er sein Handy am Ohr. Er war so damit beschäftigt, ein Geschäft abzuschließen, dass er den Duft der Blumen und des Laubs in dem Wald rundherum nicht wahrnahm.

Er hatte kein Auge für Ediths Paradies. Traurig beobachtete Catherine, wie er weiterging und über Wertpapiere sprach, statt die Wunder der Natur zu bestaunen. Ihr Herz krampfte sich zusammen. Er würde diesen Ort nie so lieben, wie sie es tat.

Es war ein schwacher Trost, dass Zach nicht auf die Glockenblumen getreten, sondern um sie herumgegangen war. Er war also doch kein ausgemachter Barbar. Allerdings war ihr klar, dass er keinen Sinn für Naturgärten hatte. Er und seine Frau hatten offensichtlich andere Wertvorstellungen und Prioritäten. Sie waren typische Großstadtmenschen, die ein Leben auf der Überholspur führten.

Catherine wusste instinktiv, dass die beiden nicht gutheißen würden, wie sie ihren Lebensunterhalt verdiente. Und sie hätten auch kein Verständnis für eine Frau, die auf einem Hausboot lebte. Am besten fand sie sich damit ab, dass die beiden sie fortjagen würden. Sie würde alle Flüsse und Kanäle in England abfahren müssen, bis sie einen freien Ankerplatz gefunden hätte, den sie sich leisten konnte. Und dann würde sie sich einen ganz neuen Kundenstamm aufbauen müssen.

Catherine biss sich auf die Lippe, um nicht vor Frust und Wut zu weinen. Und sie fragte sich, warum dieser Mann Tresanton Manor übernommen hatte, obwohl es ganz offensichtlich nicht das Richtige für ihn war.

Schweigend folgte sie ihm zu dem Haus, das sie so liebte, und dachte dabei schmerzerfüllt daran, dass sie nicht nur die Insel und all ihre Freunde würde verlassen müssen, sondern dass er und seine Frau die Schönheit dieser Insel nicht zu schätzen wissen würden.

Sie hatte versucht, ihm das Gefühl zu vermitteln, dass es vorteilhaft war, wenn jemand in der Nähe war, der ein Auge auf alles hatte. In ihrem tiefsten Inneren wusste sie allerdings, dass sie keine Chance hatte.

Autor

Sara Wood
Sara Wood wurde in England geboren. An ihre Kindheit hat sie wundervolle Erinnerungen. Ihre Eltern waren zwar arm, gaben ihr jedoch das Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit. Ihr Vater kannte seine Eltern nicht, deshalb war er so glücklich über seine eigene Familie. Die Geburtstagsfeiern, die er gestaltete, waren sensationell: Er...
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