Toskanische Liebesmelodie

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In der Toskana verliebt sich die junge Musiklehrerin Laura Greenwood in den eleganten italienischen Kunsthändler Fabian Moritzzoni, für den sie ein Wohltätigkeitskonzert organisiert. Mit jedem Tag, den sie gemeinsam in seiner Villa in den idyllischen Hügeln verbringen, umwirbt er sie zärtlicher! Laura ahnt nicht, wie weit Fabian gehen will: Er möchte ihr einen Heiratsantrag machen. Liebe spielt für ihn dabei keine Rolle, wohl aber verzehrende Leidenschaft - aber vor allem soll diese zarte englische Rose ihm möglichst schnell einen Erben schenken …


  • Erscheinungstag 26.04.2009
  • Bandnummer 1790
  • ISBN / Artikelnummer 9783862953240
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Fabian Moritzzoni presste seine Finger auf die schmerzende Stelle zwischen den Augenbrauen und seufzte tief. Erst gestern war er aus Amerika zurückgekommen, die Auswirkungen des Jetlags quälten ihn noch sehr und er war entsprechend reizbar. Völlig entnervt erhob er sich schließlich von seinem Stuhl, um nach dem Rechten zu sehen. Viel zu früh für seinen Geschmack hatte lautstarker Streit vor dem Haus die morgendliche Stille zerstört – noch war er nicht auf Lärm vorbereitet. Zu gerne hätte er komplett darauf verzichtet, doch in der aktuellen Situation durfte er zumindest tagsüber nicht auf Ruhe hoffen. Wieder erhob sich ein leidenschaftliches Wortgefecht, die Stimme seiner Haushälterin Maria war am lautesten zu hören.

Als Fabian endlich die zweiflügelige Eingangstür seiner palastartigen Villa erreichte, konnte er nur noch die Rücklichter eines ramponierten silbernen Fiats erkennen, der mit hoher Geschwindigkeit über die geschotterte Auffahrt davonfuhr. Maria blickte dem Auto nach, die Hände fest in die weit ausladenden Hüften gestemmt und bereit, es notfalls mit der gesamten römischen Armee aufzunehmen.

„Steht uns eine Invasion bevor?“, fragte Fabian sie auf Italienisch, seiner Muttersprache. „So hat es sich jedenfalls angehört.“

„Wie aufdringlich diese Leute sind! Was für eine Frechheit! Wofür halten die sich eigentlich?“ Aufgebracht wandte sie sich zu ihrem Arbeitgeber um und erklärte: „Das waren Leute von der Presse, Signor Moritzzoni. Sie haben hier herumgeschnüffelt und die Villa fotografiert. Als ich sie ertappt und zur Rede gestellt habe, wollten sie ein Interview mit Ihnen über das Benefizkonzert und wollten wissen, welche Prominente kommen werden. Na, die habe ich aber abblitzen lassen, das können Sie mir glauben!“

„Wenn sie ein Interview wollen, sollen sie sich an Carmela wenden. Sie hat bestimmt schon eine Pressemitteilung vorbereitet.“ Fabian schüttelte den Kopf und seufzte gequält. Dann stahl sich, trotz seiner schlechten Laune, doch der Hauch eines Lächelns auf sein Gesicht.

„Ich kann mich wirklich glücklich schätzen, dass du meine Privatsphäre so gut verteidigst, Maria. Du bist besser als jeder Leibwächter! Aber bitte, tu mir einen Gefallen. Versuch, morgens etwas leiser zu sein … aus Rücksicht auf meinen armen Kopf, okay?“

„Natürlich, Signor Moritzzoni. Soll ich Ihnen jetzt einen Kaffee kochen?“

„Das wäre fantastisch. Vielen Dank.“

Einen Espresso in der Hand ging Fabian wenig später den langen befestigten Pfad entlang, der sich durch üppig blühende Gärten schlängelte, bis er zu der eleganten Orangerie im hinteren Teil seines weitläufigen Anwesens kam. Er ließ sich an einem aufwändig verzierten schmiedeeisernen Tisch auf der Terrasse davor nieder und blickte zurück auf das elegante Haus im klassizistischen Stil, das im Licht der in der Toskana schon am frühen Morgen kräftigen Sonne hell erstrahlte. Eine Unmenge makellos weißer Festzelte war auf dem Rasen davor aufgebaut. Ende nächster Woche würden sie alle zum Bersten gefüllt sein. Mitglieder der italienischen High Society, Familie und Freunde würden kommen, um das inzwischen berühmte Konzert, das Fabian alljährlich im Gedenken an seinen Vater Roberto Moritzzoni veranstaltete, anzuhören.

Die Vorbereitungen auf das große Ereignis waren schuld daran, dass es im ganzen Haus vor hektischer Aktivität zuging wie in einem Bienenstock. Beim Gedanken daran und an Marias lautstarken Streit mit der Presse vor wenigen Minuten, sehnte er sich heftig nach ein wenig Zeit für sich selbst, in der er in Ruhe Kaffee trinken und seine Gedanken ordnen konnte. Obwohl die Begriffe ‚Ruhe‘ und ‚Vater‘ in keiner Weise zusammenpassten …

Schon seit Tagen grübelte Fabian über das bevorstehende Ereignis nach. Wie jedes Jahr war er kurz vorher extrem angespannt und nervös. Hinzu kamen ein beängstigendes Arbeitspensum, Reisen hierhin und dorthin, und er musste sich eingestehen, dass ihm die Arbeit nicht mehr so viel Zufriedenheit und Vergnügen bereitete, wie sonst. In den nächsten Tagen erforderten die abschließenden Vorbereitungen für das Konzert seine ständige Anwesenheit in der Villa de Rosa. Seine üblichen Tätigkeiten, den Handel mit wertvollen Kunstgegenständen und die Unterstützung einiger wichtiger Wohltätigkeitsorganisationen, würde er solange von dort aus weiterführen. Dabei hatte er gerade in den letzten Tagen das Gefühl, dringend eine Auszeit zu brauchen, um herauszufinden, wie sein Leben weitergehen sollte.

Fabian fuhr mit der Hand durch das dichte goldblonde Haar und verzog gequält das Gesicht. Bei dem übervollen Terminkalender kann ich im Traum nicht an einen erholsamen Urlaub denken! Und dazu ging ihm seit Kurzem ein anderes wichtiges Thema oft durch den Sinn – der Gedanke an Heirat und Kinder.

„Hier versteckst du dich also. Maria hat mir verraten, dass sie dich in diese Richtung verschwinden sah.“

Mit einem fröhlichen Lächeln im Gesicht tauchte seine Privatsekretärin Carmela plötzlich auf, wie immer mit Notizblock und Stift bewaffnet und offensichtlich bereit, sich den Aufgaben des Tages zu stellen. So versunken in seine Grübeleien war Fabian gewesen, dass er ihr Kommen überhaupt nicht bemerkt hatte. Jetzt ist es vorbei mit Alleinsein, Ruhe und Nachdenken!

„Ich bin gerade erst wieder einen Tag aus Amerika zurück und fühle mich in meinem eigenen Haus wie in einem Fußballstadion! Abgesehen von meiner Suite gibt es keinen einzigen Raum, der nicht vor Menschen überquillt! Du brauchst dich wirklich nicht zu wundern, wenn ich mich verstecke!“, beklagte er sich.

Die junge Frau schmunzelte. „Armer Fabian! Aber ich bringe gute Nachrichten. Vielleicht können sie dich wieder aufmuntern.“

„Und wie lauten sie? Verschiebst du deine Flitterwochen doch noch bis nach dem Konzert?“

Sofort wurde Carmela wieder ernst. „Natürlich werde ich in die Flitterwochen fahren, Fabian! Ich habe sie schon einmal aus Rücksicht auf die Arbeitserfordernisse verschoben. Vicente ist ja ein geduldiger Mann, aber doch nicht so geduldig! Nein, ich wollte dir mitteilen, dass meine Freundin Laura heute Nachmittag aus England kommt. Ich werde sie gründlich in alles einarbeiten, sodass sie sich bestens auskennen wird, wenn ich übermorgen abreise.“

„Du legst eine große Verantwortung in die Hände einer Anfängerin. Schließlich muss sie in deine Fußstapfen treten und eine so große Veranstaltung bewältigen. Bist du sicher, dass sie dazu in der Lage ist?“

„Sie ist seit einigen Jahren Musiklehrerin, außerdem hat sie schon etliche Konzerte in dem Ort organisiert, in dem sie lebt. Sie ist also nicht ganz unerfahren. Und natürlich ist sie mit dem künstlerischen Aspekt dieser Arbeit bestens vertraut.“

„Spricht sie überhaupt Italienisch?“ Wieder drückte Fabian die Finger auf die schmerzende Stelle zwischen den Augenbrauen. Die Kopfschmerzen wurden von Minute zu Minute schlimmer.

„Sie lernt sehr schnell. Als wir noch gemeinsam in London zur Schule gingen, war sie in Fremdsprachen immer Klassenbeste. Außerdem ist dein Englisch nahezu perfekt, also keine Sorge.“

„Gut … solange sie nicht erwartet, dass ich ihre Hand halte und jeden ihrer Schritte lenke. Offen gesagt werde ich sehr froh sein, wenn diese ganze leidige Geschichte endlich vorbei ist und mein Haus wieder in den Normalzustand zurückkehrt.“

Temperamentvoll schleuderte Carmela die langen schwarzen Locken aus ihrem Gesicht und protestierte: „Das Konzert ist ein großartiges Ereignis, das auch noch viel Geld für das Kinderhospiz einbringt. Es zu veranstalten, ist ein Privileg! Das kannst du doch nicht ernsthaft als ‚leidige Geschichte‘ bezeichnen, Fabian!“

„Natürlich nicht! Das meine ich auch gar nicht so.“ Eine nähere Erklärung ersparte er sich allerdings. „Okay“, fuhr er dann ungeduldig fort. „Sprechen wir wieder von deiner Freundin. Ich bin sehr dankbar, dass du sie gefunden hast. War sie schon einmal in der Toskana?“

„Nein. Ich habe sie zwar oft eingeladen, aber sie hatte in den letzten paar Jahren eine Menge Probleme, und private Umstände haben ihr die Reise unmöglich gemacht. Sie hat mir gesagt, sie sehnt sich inzwischen dringend nach Sonnenschein, und ich bin sicher, dass sie diese schöne Gegend und die Villa de Rosa lieben wird … wer würde das nicht? Da fällt mir ein … ich muss dringend Maria bitten, zu prüfen, ob Lauras Zimmer fertig sind. Das ist übrigens noch ein positiver Aspekt, der deinen Stress etwas vermindern könnte, Fabian. Sie wird auf dem Anwesen wohnen, sodass sie dir jederzeit zur Verfügung steht. Soll ich dir noch einen Kaffee holen? Der hier ist bestimmt schon kalt.“

„Ja, bitte.“ Er reichte ihr die Tasse auf der passenden cremefarbenen Untertasse, dann hatte er genug davon, in aller Stille zu leiden. „Und wärst du so nett, mir ein Glas Wasser und etwas gegen Kopfschmerzen zu bringen?“

„Vielleicht solltest du keinen Kaffee mehr trinken, wenn du Kopfweh hast?“

„Bist du jetzt nicht mehr nur meine Assistentin, sondern auch noch meine Mutter?“

„Ich wollte nur …“

„Inzwischen solltest du doch wissen, dass ich einfach unmöglich bin, wenn ich meinen Morgenkaffee noch nicht getrunken habe! Aber tröste dich, Carmela. In ein oder zwei Tagen musst du meine Launen nicht mehr ertragen. Dann wird dein beneidenswerter Ehemann deine ganze Aufmerksamkeit genießen!“

Wieder einmal schaffte es ihr Chef, sie mit seinem schrägen Humor zu beschwichtigen, und sie verzieh ihm sofort. Natürlich wusste sie, dass er eine Menge um die Ohren hatte, und dass er vermutlich besser damit fertig wurde als die meisten anderen in seiner Situation.

„Ich werde das Gewünschte bringen und dafür sorgen, dass du mindestens eine Stunde lang nicht gestört wirst … wird dir das helfen?“

„Wenn du das schaffst, bist du eine Zauberin!“

„Eben war ich noch deine Mutter!“

Carmela verdrehte die Augen und eilte davon. Noch während er ihr nachsah, begann Fabian wieder über sein größtes Problem nachzudenken: eine Ehefrau zu finden und einen Erben zu zeugen. Im Moment hatte er keine Beziehung zu einer Frau und auch nicht den Wunsch danach. Als gebranntes Kind scheute er das Feuer! Aber er war immerhin schon siebenunddreißig Jahre alt, und die Zeit blieb auch für ihn nicht stehen. Er brauchte einen Nachkommen, dem er seinen beträchtlichen Reichtum und die Villa de Rosa – den Wohnsitz seiner Familie seit etlichen Jahrhunderten – vererben konnte, zusammen mit allen damit verbundenen Verpflichtungen. Nein, er musste auf einem anderen Weg ans Ziel kommen! Eine neue Liebesaffäre, die aus seiner Sicht sowieso von vorneherein zum Scheitern verurteilt war, kam für ihn nicht infrage. In den nächsten Tagen werde ich mich ernsthaft damit beschäftigen, eine Lösung zu finden, nahm er sich vor.

„Wie schön, dass du endlich hier bist! Wir haben uns so lange nicht gesehen … viel zu lange! Natürlich freue ich mich schon sehr auf meine Flitterwochen, aber es wäre wirklich schön, wenn ich etwas Zeit mit dir verbringen könnte. Versprich mir, dass du nicht sofort abreist, wenn ich in zwei Wochen wieder zurückkomme!“

Laura bewunderte das Aussehen ihrer ehemals besten Schulfreundin, die sich zu einer perfekt gestylten, kurvenreichen schwarzhaarigen Frau entwickelt hatte, und fragte sich, wo die Jahre seit ihrem letzten Treffen geblieben waren. Mindestens zehn Jahre hatten sie sich nicht gesehen! Natürlich waren sie über regelmäßige Briefe und E-Mails ständig in Kontakt geblieben, manchmal hatten sie auch telefoniert. Aber das war nicht dasselbe wie regelmäßige Begegnungen, mit denen man eine Freundschaft viel besser pflegen konnte. Doch jetzt war sie endlich in der Toskana und wollte die Gelegenheit nutzen, ihre Beziehung zu erneuern.

Tatsächlich war ihr Carmelas Stellenangebot sehr gelegen gekommen – auch wenn es sich nur um eine befristete Anstellung handelte. Es machte ihr auch überhaupt nichts aus, dass sie nicht hier war, um Urlaub zu machen. Denn Musik war ihr Leben und von ihr umgeben zu sein würde ihr unendlich guttun, davon war sie überzeugt.

„Wie du weißt, habe ich in England immer noch keinen Job“, antwortete sie. „Ich habe es also nicht eilig, zurückzufahren.“

„Das ist gut. Nicht, dass du keine Arbeit hast, natürlich, sondern dass du bleiben und mich länger besuchen kannst!“

„Darauf habe ich mich schon lange gefreut.“ Laura verschränkte die Arme über ihrer hübschen weißen Seidenbluse, zu der sie einen hellblauen Rock trug, und lächelte. Dann seufzte sie leise und ließ den Blick einen Moment lang über die prächtigen Gärten wandern, die sich vor den Fenstern des Zimmers erstreckten, in dem sie sich befanden. Die vielen Festzelte, die im Licht der Nachmittagssonne glänzten, erinnerten sie an mittelalterliche Ritterspiele. Gleich strömen elegant gekleidete Lords und Ladies herbei und nehmen ihre Plätze ein, um einem Turnier zuzusehen. Das Weiß der Zelte hob sich wunderbar vom Grün der akkurat gemähten Rasenflächen ab. In einiger Entfernung führten Treppen, von einem reich verzierten weißen Marmorgeländer flankiert, in einen anderen Teil des Gartens. Durch die offenen Fenster wehte der süße Duft nach Geißblatt und Glyzinie herein, lieblich und betäubend zugleich. Hier ist es so schön, ich glaube, ich träume das alles nur!

„Und wie gefallen dir deine Zimmer?“, erkundigte sich Carmela. „Ich habe dich auf der Rückseite des Hauses untergebracht. Dort ist es ruhiger, falls Fabian Gäste beherbergt, und die Aussicht aus deinen Fenstern ist einfach umwerfend!“

„Sie sind wunderschön, wirklich einmalig! Ich komme mir vor, wie eine Prinzessin. Die Räume sind so elegant und dann werde ich auch noch in diesem märchenhaften Himmelbett schlafen!“

„Carmela, hast du inzwischen mit der Presse gesprochen? Heute Morgen – Entschuldigung! Ich habe nicht bemerkt, dass du nicht allein bist.“

Beim Klang der italienischen Worte und der kräftigen dunklen Stimme wandte Laura sich um. Der Sprecher, der an der Tür stehen geblieben war, musterte sie überrascht, zögerte kurz und trat dann ganz in das Zimmer ein. Laura war wie gelähmt und konnte nur noch in Zeitlupentempo denken. Ist das mein neuer Chef? Wenn ja, war er das genaue Gegenteil dessen, was sie erwartet hatte.

Der hochgewachsene Mann mit goldblondem Haar, blauen Augen und einem markanten Kinn hätte leicht Däne, Schwede oder Deutscher sein können. Doch die selbstsichere, leicht arrogante Haltung und die Art, wie er seine Kleidung trug – als wäre er in sie hineingeboren – überzeugten sie sofort, dass er ein waschechter Italiener war.

Der Begriff ‚Azur‘ kam ihr in den Sinn. Azurblau wie das Mittelmeer waren seine Augen. Das konnte sie gut beurteilen, denn er sah sie offen und direkt an. Ihr wurde heiß und nervös wandte sie den Blick ab. Warum nur reagiere ich so empfindlich auf jemanden, den ich gerade erst kennengelernt habe?

„Fabian! Du kommst wie gerufen. Laura ist vor einer Stunde eingetroffen und ich wollte dich gerade suchen, um sie dir vorzustellen.“ Carmela legte eine Hand auf Lauras Rücken und schob sie in seine Richtung. „Laura, das ist Signor Fabian Moritzzoni, der Besitzer der Villa de Rosa und mein Arbeitgeber. Fabian, darf ich dich mit meiner guten Freundin Laura Greenwood bekannt machen?“

Ganz automatisch reichte Laura ihm die Hand, die in seiner fast vollständig verschwand. Er strahlte Autorität aus, was ihr leichtes Unbehagen und ein Gefühl der Beklemmung bereitete.

„Es ist mir ein Vergnügen, Signorina Greenwood. Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie zugestimmt haben, in Carmelas Abwesenheit als meine Assistentin einzuspringen. Hatten Sie eine angenehme Anreise?“

„Ja, danke.“

„Wie ich höre, ist das Ihr erster Aufenthalt in der Toskana.“

„Das stimmt. Carmela hat mich schon so oft eingeladen, ich wäre auch sehr gerne gekommen, aber es passte leider nie. Immerhin, jetzt bin ich hier, und ich hoffe sehr, dass ich Ihnen eine echte Hilfe sein werde, Signor Moritzzoni.“

„Das hoffe ich auch, Signorina Greenwood.“ Fabian runzelte leicht die Stirn als er Laura jetzt ansah. „Sie werden sich sicher heute in Ruhe hier einrichten wollen und dann vermutlich morgen anfangen zu arbeiten. Carmela wird Sie über alles informieren, was erledigt werden muss. Sind Sie damit einverstanden?“

Nicht einen Moment wich sein prüfender Blick von ihrem Gesicht. In seinem Benehmen, seiner Konzentration, erkannte man den scharfsinnigen Geschäftsmann. Ich will lieber nicht wissen wie er reagiert, wenn jemand ihn zu betrügen versucht, dachte Laura erschauernd. Doch dann fiel ihr etwas anderes ein. Hat er etwa die Narbe entdeckt? Musterte er sie deshalb so intensiv? Sie griff nach den Ponyfransen, die das entstellende Mal auf ihrer Stirn verbargen. Sicherlich missfiel es ihm, eine sowieso nur mäßig hübsche Frau anzusehen, die zusätzlich von einer hässlichen Narbe gezeichnet war. Gerade in Italien, wo alle Menschen so wunderschön waren, wurde großer Wert auf das Aussehen gelegt. Sie wünschte, dass er endlich das Gespräch beenden und gehen würde. Voll Selbstvertrauen und Zuversicht, diesen Job gut zu erledigen, war sie angereist. Diese Haltung war jetzt zwar nicht zerstört, aber doch erschüttert.

„Ich würde lieber heute schon mit der Arbeit anfangen“, antwortete sie. „Wenn Carmela mich gleich einweisen kann, ist mir das nur recht. Sie soll mit ruhigem Gewissen in ihre Flitterwochen fahren können und wissen, dass sie alles in gute Hände gelegt hat. Je eher ich die Situation in den Griff bekomme, desto besser.“

„Siehst du, Fabian?“, rief Carmela fröhlich. „Ich habe dir doch gesagt, du brauchst dich um nichts zu sorgen, wenn Laura da ist.“

„Da hast du sicher recht.“

Seine Stimme klang ruhig und zuversichtlich. Und trotzdem meinte Laura in den Blicken des Italieners etwas zu lesen, das so viel hieß wie: „Wenn du mich im Stich lässt, werde ich sehr enttäuscht sein.“ Entschlossen, aber innerlich zitternd, hielt sie seinem Blick stand. Sie musste all ihre Willenskraft aufbieten, um nicht wegzusehen.

2. KAPITEL

Am Morgen waren das Orchester und die Opernsänger eingetroffen, um zu proben. Seither erfüllten herrliche Instrumentalmusik und Gesang das Haus und die Gärten. Entzückt lauschte Laura und wünschte, die Kinder, die sie früher unterrichtet hatte, könnten hören, was sich ihren Ohren gerade bot. Obwohl die Kleinen damals erst sechs oder sieben Jahre alt gewesen waren, hatten sie schnell gelernt, die klassischen Stücke zu lieben, die sie ihnen als CD oder am Klavier vorgespielt hatte. Dann hatte es nicht mehr lange gedauert, bis sie alle selbst ein Instrument erlernen wollten, und Laura hatte sie nach Kräften unterstützt. Doch das war schon über zwei Jahre her, seither hatte sie keinen Unterricht mehr erteilt, und es fehlte ihr so sehr.

Als junges Mädchen hatte sie von einer Karriere als Musikerin geträumt. Dann aber hatte sie entdeckt, wie viel es ihr bedeutete, Kinder zu unterrichten. Durch ihren Unfall und die lange Rekonvaleszenz hatte sie ihre Arbeit als Musiklehrerin leider verloren und war jetzt gezwungen, sich eine neue, ebenso erfüllende Stellung zu suchen. Sofort nach ihrer Rückkehr aus der Toskana wollte sie sich mit frischer Kraft dieser Aufgabe widmen. Aber im Moment fühlte sie sich wie im siebten Himmel, weil sie in diesem wunderschönen Haus für ihre Freundin einspringen durfte. Die Musik um sie herum hatte ihr bereits gutgetan und ihre Stimmung gehoben.

Während Carmela den Generalplan studierte, um Laura später alles erklären zu können, beschäftigte letztere sich mit ein paar praktischen Tätigkeiten. Zu tun gab es noch genug, und sie wollte nicht müßig herumsitzen. Jedermann im Haus schien Hunderte von Aufgaben bewältigen zu müssen. Daher entschloss sie sich zu helfen wo immer sie konnte.

Als sie etwas später noch einmal nachsah, ob Carmela inzwischen Zeit für sie hätte, war diese immer noch mit einigen unaufschiebbaren Details und wichtigen Telefonaten beschäftigt, die sie selbst erledigen musste. Das Küchenpersonal hingegen konnte sich vor Arbeit nicht retten. Also half Laura, die Handwerker, die draußen die Bühne aufbauten und die Beleuchtung im größten Festzelt installierten, mit Speisen und Getränken zu versorgen.

Buongiorno, Signorina Greenwood.“

Laura, die gerade über den Rasen zur Küche zurücklaufen wollte, ein Tablett mit leeren Gläsern in Händen, blieb bei Fabian Moritzzonis Gruß stehen.

Buongiorno.“ Ihre Stimme schwankte leicht. Der Mann hatte sie durch sein unvermitteltes Auftauchen etwas aus der Fassung gebracht.

In einem weißen Leinenhemd zu wollweißen Baumwollhosen, die Sonnenbrille auf die blonden Haare hochgeschoben, wirkte er eher wie ein lässiger Bohemien, nicht wie der furchterregende Geschäftsmann, als der er ihr gestern erschienen war. Trotzdem wäre es dumm, ihn zu unterschätzen, seinen scharfen Verstand, seinen Geschäftssinn. Vermutlich war der größte Nachteil bei diesem Job die starke Ausstrahlungskraft dieses Mannes. Er bedrohte ihren Seelenfrieden. Eine innere Stimme riet ihr, schnell davonzulaufen.

„Wie ich sehe, haben Sie sich schon voll ins Geschehen gestürzt. Eine Veranstaltung wie diese erfordert eine Menge Vorbereitungen, nicht wahr?“ Er lächelte so selbstbewusst wie ein Mann, dem vom Moment seiner Geburt an die Welt zu Füßen gelegt worden war, und strahlte so viel Lebenskraft aus, dass Laura sich daneben ganz blass und klein vorkam.

Fabian hatte ganz vergessen, wie zierlich seine Ersatzassistentin war. Gestern waren ihm vor allem ihre zarte helle Haut und die riesigen grauen Augen in dem elfenhaften Gesicht aufgefallen. Heute bemerkte er ihre Zerbrechlichkeit. Ihr Körper war schlank und biegsam wie der Stamm einer jungen Birke. Eine leichte weiße Baumwollbluse und ein schmaler, eng anliegender Rock lenkten seine Aufmerksamkeit auf die gertenschlanke Taille, knabenhaft schmale Hüften und die kleinen Brüste. Seidiges blondes Haar verbarg weitgehend die Narbe auf ihrer Stirn.

Schnell verblasste sein Lächeln, und er sah sie fragend an. „Wohin bringen Sie das?“ Mit dem Kopf deutete er auf das Tablett in ihren Händen. „In die Küche? Geben Sie es mir. Es sieht schwer aus.“

Doch als er danach greifen wollte, wich Laura ihm geschickt aus, das Gesicht rot angelaufen. „Ich bin stärker, als ich aussehe, Signor Moritzzoni!“, widersetzte sie sich ihm und überraschte Fabian mit ihrer heftigen Abwehr sehr. „Vermutlich bezahlen Sie mich nicht dafür, dass andere meine Arbeit erledigen. Außerdem will ich Sie nicht aufhalten. Ich mache sofort weiter.“

Sie versuchte an ihm vorbeizugehen, doch Fabian wollte noch etwas länger mit ihr plaudern. „Aber Sie halten mich nicht auf, und ich wollte Sie mit meinem Hilfsangebot auch nicht beleidigen. Ich wundere mich allerdings, dass Sie Aufgaben des Hauspersonals übernehmen. Eigentlich sollte Carmela Sie ja mit der Organisation des Konzerts betrauen.“

Laura errötete noch tiefer. „Ich wollte mich nur nützlich machen, solange sie ihre Pläne noch einmal überprüft und bevor sie mit meiner Einarbeitung beginnen kann. Wenn ich das Tablett in die Küche gebracht habe, sehe ich nach, ob sie so weit ist.“

„Signorina Greenwood?“

„Ja?“

„Vergessen Sie nicht, dass wir mittags alle Siesta halten … egal, wie viel zu tun ist! Es ist dann viel zu heiß zum Arbeiten.“

„Danke für die Erinnerung“, erwiderte sie schüchtern und hastete davon.

„Schneeflöckchen!“ Leise sprach Fabian den seltsamen Gedanken aus, der ihm durch den Sinn gegangen war, und sah ihr nach, wie sie über den Rasen zum Haus eilte.

Es dauerte noch einen Moment bis ihm einfiel, wohin er eigentlich gerade hatte gehen wollen und warum. Diese Frau hatte ihn abgelenkt und seine Aufmerksamkeit erregt. Mehr, als ihm lieb war.

Auf Drängen ihrer Freundin begleitete Laura nach dem langen Arbeitstag Carmela und ihren Mann zur piazza, dem großen Marktplatz im Dorf. Vor einem der kleinen rustikalen Lokale, gegenüber der uralten steinernen Kirche im Zentrum des Ortes, aßen sie im Freien zu Abend. Nur zu gerne war Laura mitgekommen, denn sie wollte unbedingt einige der Delikatessen kosten, für die die Toskana bekannt war, und Vicente kennenlernen, der so charmant war, wie sie geahnt hatte, fantastisch aussah und einen mitreißenden Sinn für Humor hatte, sodass sie ihn sofort ins Herz schloss.

Als das junge Ehepaar beim Kaffee nur noch Augen füreinander hatte, verließ Laura den überdachten Essbereich vor dem Restaurant und ging alleine auf die jetzt angenehm warme piazza. Über ihrem zitronengelben Sommerkleid trug sie vorsichtshalber eine leichte Stola lose um die Schultern gelegt. An eine alte Steinmauer gelehnt, beobachtete sie interessiert die Parade gut gekleideter Männer und Frauen, die lässig an ihr vorbeischlenderten. Es gab sogar ein Wort dafür – passeggiata – und sie hatte erfahren, dass diese Promenade allabendlich in vielen Städten und Dörfern Italiens stattfand. Es war die Gelegenheit für beide Geschlechter, sich gegenseitig zu bewundern und bestimmte Personen, für die man sich interessierte, genauer in Augenschein zu nehmen. Die Italiener verehrten Schönheit in jeder Form, hatte Carmela ihr erklärt, und sie nahmen jede Chance wahr, sie zur Schau zu stellen und zu feiern.

Die anstrengende Arbeit in der Villa de Rosa hatte Laura angenehm ermüdet. Jetzt genoss sie es, ein paar Augenblicke Ruhe zu haben, den Duft der Magnolien einzuatmen und sich in der warmen Abendluft zu den Zuschauern auf der piazza zu gesellen. Auf dem Platz schlenderten ein paar ausgesprochen gut aussehende Männer umher, aber in ihren Augen konnte keiner von ihnen dem attraktiven Fabian Moritzzoni das Wasser reichen. Dieser Gedanke überraschte sie selbst so sehr, dass ihr Herz vor Schreck einen Schlag aussetzte.

Buonasera, Signorina.“

Ein junger Mann mit feurigen dunklen Augen in einem strahlend weißen Hemd, der mit einem Freund über die piazza spaziert war, blieb vor ihr stehen und lächelte sie an. Wie immer wenn ein Mann sie ansah, fühlte Laura einen Anflug von Panik. Wegen ihrer Narbe reagierte sie in Bezug auf ihr Äußeres überempfindlich, so sehr sie sich auch bemühte, diese zu ignorieren. Doch gerade hier, unter all den schönen Menschen auf der piazza, empfand sie sich als Außenseiterin.

Autor

Maggie Cox
<p>Schreiben und Lesen gingen bei Maggie Cox schon immer Hand in Hand. Als Kind waren ihre liebsten Beschäftigungen Tagträumen und das Erfinden von Geschichten. Auch als Maggie erwachsen wurde, zu arbeiten begann, heiratete und eine Familie gründete blieben ihre erfundenen Heldinnen und Helden ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens. Was immer...
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