Träume des Glücks auf Kreta

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Fast vergisst Courtney, dass sie sich nie auf ein Abenteuer einlassen wollte! Denn in den Armen des faszinierenden Griechen Lefteris Markakis träumt sie von dem großen Glück fürs Leben. Aber der reiche Unternehmer scheint zu glauben, dass alle Frauen nur auf eins aus sind: sein Geld …


  • Erscheinungstag 17.01.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733749064
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Schleudernd kam der Wagen am staubigen Straßenrand zum Stehen. Courtney stieg aus und blies sich verzweifelt einige hellbraune Härchen aus dem Gesicht. Ein platter Reifen war wirklich das letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte!

Der an einer Seite herabgesunkene Wagen sah genauso aus, wie sie sich fühlte: ein Häufchen Unglück. Ihr war heiß, und sie fühlte sich müde und erschöpft, nachdem sie sich stundenlang an das Lenkrad geklammert hatte, als könne sie allein durch ihren Willen das Auto dazu bringen, auch die nächste Steigung zu nehmen.

Hilflos sah sie die Straße hinunter, die sich verlassen den Hügel hinaufschlängelte. Weiter unten hörte sie den Linienbus näher kommen. Nicht, dass sie vom Fahrer Hilfe erwarten konnte! In den letzten vierzig Minuten hatte er sich einen Spaß daraus gemacht, im Schneckentempo vor ihr her zu kriechen und sie nicht überholen zu lassen, bis es ihr in einem gewagten Manöver endlich doch gelungen war. Jetzt sah sie den Bus nach der letzten Haarnadelkurve auf sich zukommen. Als er in einem Wirbel von Staub an Courtney vorbeifuhr, drückte der Fahrer verächtlich auf die Hupe, und sie blickte ihm keuchend und hustend hinterher.

Seufzend rieb sie sich den Staub aus den Augen und sah sich um. Die „Weißen Berge“ machten ihrem Namen alle Ehre, ihre Gipfel waren noch jetzt im Mai schneebedeckt. Im Gegensatz zu den Küstenebenen war dies hier eine unwirtliche Gegend. Für Courtney, die an das sanfte Grün in England gewöhnt war, hatte die Landschaft eine wilde Schönheit, die sie gleichzeitig faszinierte und befremdete. In dem intensiven, glasklaren Licht konnte sie sich gut die kretischen Unabhängigkeitskämpfer vorstellen, die bekannt für ihren Heldenmut waren.

Nachdem das Motorengeräusch des Busses in der Ferne verklungen war, wurde es so still, dass Courtney die Bienen in den Thymianbüschen summen hörte. Sie war allein, bis auf eine Ziegenherde, die neben der Straße graste und mit dem Klingeln ihrer Halsglocken hin und wieder die Stille unterbrach. Ein Ziegenbock hob kurz den Kopf und sah Courtney unbeeindruckt an, bevor er sich wieder dem saftigen Gras zuwandte.

Genau so hatten ihre Eltern sie angesehen, als sie ihnen mitteilte, sie werde den Sommer über auf Kreta arbeiten. Überhaupt konnte sie sich nicht erinnern, irgendwann irgendjemanden beeindruckt zu haben. Schon als Kind hatte sie sich damit abgefunden, unauffällig zu sein, besonders im Vergleich zu ihrer Schwester. Ihre, Courtneys, Haare waren von einem undefinierbaren Braun, und ihre verträumt blickenden Augen schienen mal grau und dann wieder blau zu sein. Und für besonders intelligent oder gar praktisch oder attraktiv hielt sie sich nicht. Sie war einfach nur Courtney.

„Normalerweise sehe ich besser aus“, sagte sie laut zu dem Ziegenbock. „Aber ich habe einen harten Tag hinter mir.“ Sie war seit sechs Uhr morgens auf den Beinen, und alles, was schief gehen konnte, war schief gegangen. Das Taxi war zu spät gekommen, der Zug unterwegs liegen geblieben, das Flugzeug verspätet gestartet. In Iraklion hatte man ihr ein altersschwaches Auto gegeben und ihr gesagt, sie müsse noch einmal vier Stunden über haarsträubende Straßen fahren, und zwar in genau entgegengesetzter Richtung als sie wollte. Und jetzt noch die Reifenpanne!

Unglücklich betrachtete sie ihre zerdrückten Shorts und das dicke Sweatshirt, über das sie im klimatisierten Flugzeug froh gewesen war, sich für diese Hitze jedoch als viel zu warm erwies. Sie fühlte Schweiß ihren Rücken hinunter rinnen und wusste, dass ihr Gesicht gerötet war und der Pony ihr feucht auf der Stirn klebte. Hätte sie ein Hemd an, könnte sie das Sweatshirt einfach ausziehen, doch sie trug nicht einmal einen BH. Und schließlich konnte sie ihre Stelle nicht gut halb nackt antreten!

Courtney überlegte. Warum sollte sie sich eigentlich nicht umziehen? Es war niemand da, der sie beobachten konnte, außer den Ziegen, und die zählten nicht. Obenauf in ihrem Koffer lag eine ärmellose Bluse, die sie schnell herausnahm und griffbereit auf den Sitz legte, für den Fall, dass doch plötzlich ein Auto auftauchen sollte. Aber es war weit und breit kein Mensch zu sehen.

Der Ziegenbock ignorierte sie, als sie sich mit einem erleichterten Seufzen das Sweatshirt über den Kopf zog. Typisch, dachte Courtney resigniert. Sie könnte nackt herumlaufen, ohne dass jemand sie beachtete! Das schien wohl ihr Schicksal zu sein. Selten schenkte man ihren großen, verträumt blickenden Augen und dem feingeschnittenen, herzförmigen Gesicht einen zweiten Blick – es sei denn, sie lächelte. Dann fragten sich die Leute verwundert, warum sie sie nicht schon vorher bemerkt hatten.

Auf den Ziegenbock hatte allerdings auch ihr Lächeln keine Wirkung, und so streckte sie ihm beleidigt die Zunge heraus und genoss für einen Moment die leichte Brise auf ihrer nackten Haut, während sie in das verlassene Tal hinunterblickte. Schließlich griff sie widerstrebend nach der Bluse und schlüpfte hinein. Der Stoff war leicht und kühl, und sie fühlte sich etwas mehr in der Lage, mit dem platten Reifen fertig zu werden.

Während sie das Ersatzrad aus dem Kofferraum holte, stieg Courtneys Stimmung. Schließlich war sie nach Kreta geflogen, um zu beweisen, dass sie allein zurechtkommen konnte, auch wenn ihre Eltern überzeugt waren, sie in einer Woche wieder zu Hause zu sehen. Aber sie würde ihnen schon zeigen, dass sie kein hoffnungsloser Fall war, wie alle glaubten!

Doch ihre Begeisterung verschwand, als sie entdeckte, dass das Ersatzrad ebenso platt war wie der andere Reifen, wenn nicht noch platter. Langsam dämmerte ihr, dass sie tatsächlich in der Klemme saß, und Tränen der Enttäuschung und Erschöpfung stiegen ihr in die Augen. Mit aller Macht trat sie gegen den Reifen. „Verdammtes Ding!“

„Damit kommen Sie auch nicht weiter“, erklang da eine verächtliche Stimme hinter ihr, und Courtney fuhr herum, zu Tode erschrocken.

Ein Mann stand zwischen den Dornenbüschen am Hang neben der Straße, eine dunkle Gestalt, wie aus dem Nichts aufgetaucht. Er trug ein Gewehr, dessen Lauf nach unten zeigte, und in seinem Gürtel steckte ein Messer. Mit seinem schwarzen Hemd und den hohen Stiefeln schien er die Verkörperung der berühmten kretischen Freiheitskämpfer zu sein, über deren Mut, Wildheit und Leidenschaft sie soviel gelesen hatte. Nur der ‚sariki‘ fehlte, das schwarze Tuch der kretischen Männer, in dessen Fransen Knoten geknüpft waren, als Symbol für Tränen der Trauer.

„Was … Wer sind Sie?“, fragte Courtney stockend und wich entsetzt zurück, als der Mann leichtfüßig auf die Straße sprang. Sein finsteres, markantes Gesicht mit der Adlernase und dem energischen Mund und die Aura ungezähmter Härte, die ihn umgab, ließen sie erschauern. Er schien ein Teil dieser Landschaft zu sein, wild und gefährlich.

„Ich heiße Lefteris Markakis“, sagte er so bestimmt, als müsse jeder diesen Namen kennen. Courtney erwiderte jedoch nichts.

Sie schluckte. In ihrem bisherigen, gutbürgerlich englischen Leben hatte sie noch nie eine echte Bedrohung erfahren, und dieser Mann – Lefteris Markakis – weckte in ihr den Eindruck, als stehe sie plötzlich einem Tiger in freier Wildbahn gegenüber.

„Was tun Sie da mit dem Gewehr?“, fragte sie nervös, während ihr das Herz bis zum Hals klopfte. Im Nachhinein fiel ihr auf, dass er ein fehlerloses, fast akzentfreies Englisch gesprochen hatte, was eigentlich ein gutes Zeichen sein sollte. Doch als sie seinen finsteren, abschätzigen Blick bemerkte, fühlte sie sich alles andere als beruhigt. „Und weshalb können Sie so gut Englisch?“

„Durch meine Geschäfte“, sagte er mit verächtlicher Gleichgültigkeit, die gut zu seinem arroganten Gesichtsausdruck passte. „Und was mein Gewehr angeht – ich bin auf der Jagd, wenn auch bisher erfolglos, wie Sie sehen.“ Seine dunkelbraunen Augen funkelten spöttisch. „Keine Angst, despinis. Ich mag englische Mädchen zwar nicht, aber deshalb erschieße ich sie doch nicht gleich.“

„Woher wissen Sie, dass ich Engländerin bin?“, fragte Courtney verwirrt.

Lefteris machte eine Kopfbewegung zum Ziegenbock hin. „Ich habe gehört, wie Sie mit ihm sprachen“, sagte er, und sein Ton ließ keinen Zweifel, wie lächerlich er es fand, dass jemand mit einem Ziegenbock redete.

Courtney warf dem Tier einen vorwurfsvollen Blick zu, dann schoss ihr das Blut in die Wangen. Wenn dieser Mann ihre Unterhaltung mit dem Tier gehört hatte, musste er auch gesehen haben, wie sie ihr Sweatshirt auszog … „Sie hätten sich bemerkbar machen können!“

„Keine Sorge.“ Lefteris betrachtete sie spöttisch. „Ich bin nicht an Ihrem Körper interessiert, so attraktiv er auch ist. Als Sie ihn allerdings so öffentlich zur Schau stellten, war mir, noch bevor sie den Mund öffneten, sofort klar, dass Sie Engländerin sind!“

„Ich habe mich nicht zur Schau gestellt!“, protestierte Courtney wütend und erschauerte insgeheim bei der Vorstellung, dass er sie beobachtet hatte. Woher nahm er das Recht, so mit ihr zu sprechen? „Ich habe mich nur umgezogen, weil mir heiß war!“

„Nun, auf mich wirkte es anders. Ich kam gerade über den Hügel, als Sie sich den Pullover auszogen und mir Ihren verführerischen Rücken zuwandten. Es sah so gekonnt aus, dass ich glaubte, Sie hätten mich bemerkt“, sagte er, ohne seine Verachtung zu verbergen.

„Natürlich nicht!“ Courtney errötete verlegen. „Hätte ich gewusst, dass jemand mich beobachtete, hätte ich mich bestimmt nicht umgezogen!“

Lefteris Markakis schien unbeeindruckt. „Und warum dauerte es dann so lange, bis Sie sich diesen – Fummel anzogen?“ Er betrachtete einen Moment ihre Bluse. „Diese dünnen Dinger lassen doch mehr sehen, als sie verhüllen. Oder haben Sie es gerade deshalb ausgesucht?“

Courtney fühlte seinen Blick brennend auf ihrem Körper. „Mir war ganz einfach heiß!“ Ihre Stimme bebte vor Wut und Demütigung. „Warum sonst hätte ich mich umziehen sollen?“

„Vielleicht, weil Sie hofften, dadurch Hilfe zu bekommen“, erwiderte er bissig. „Welcher Mann würde schon an einem halbnackten Mädchen vorbeifahren? Engländerinnen scheinen nichts dabei zu finden, ihren Körper anzubieten, wenn sie dadurch Geld sparen können. Doch leider muss ich Ihnen sagen, dass ich solchen Verlockungen gegenüber immun bin. Ihre Mühe war also ganz umsonst.“

Die Abneigung und Verachtung in seiner Stimme hatten Courtney bisher nur betroffen gemacht, doch jetzt regte sich ihr Stolz. Für wen hielt dieser Mann sich eigentlich? „Und ich muss Ihnen sagen, dass es mir ganz egal ist, was Sie denken!“, entgegnete sie. „Ich brauche keinen Mann, der mir den Reifen wechselt, und eine Lektion über meine Kleidung schon gar nicht! Ich komme gut allein zurecht!“

Ihr Gesicht war blass vor Erschöpfung, doch sie hielt den Kopf hoch, und ihre blauen Augen sprühten Funken. Lefteris jedoch schien nicht beeindruckt, während er den Blick von ihrem weichen braunen Haar, das sich aus dem Zopf gelöst hatte, über ihre schlanken Beine bis zu den staubigen Sandalen gleiten ließ.

„Das bleibt abzuwarten“, sagte er. „Aber hilflos auszusehen haben Sie bestimmt lange geübt, stimmt’s?“

Courtney wusste nicht, ob sie lachen oder vor Wut explodieren sollte. Sie wusste, dass sie nicht besonders praktisch veranlagt war, aber ihr vorzuwerfen, sie verhalte sich absichtlich so … „Ich wollte den Reifen gerade selbst wechseln“, begann sie kalt. „Es wäre sinnlos gewesen, auf die Hilfe eines Mannes zu warten – besonders, wenn die Einwohner hier alle so höflich sind wie Sie!“

Lefteris betrachtete sie aus hart blickenden Augen. „Wenn Sie wirklich allein zurechtkommen – warum wechseln Sie den Reifen dann nicht?“

„Ich kann nicht.“ Courtney biss sich auf die Lippe.

„Das dachte ich mir! Und jetzt erwarten Sie wahrscheinlich, dass ich Ihnen aus Mitleid helfe?“

„Bitte – wenn Sie mit zwei platten Reifen mehr anfangen können als ich“, erwiderte sie kurz angebunden. Als er misstrauisch die Augenbrauen zusammenzog, fuhr sie fort: „Der Ersatzreifen ist auch kaputt.“

Lefteris legte sein Gewehr auf dem Wagendach ab und untersuchte den am Boden liegenden Reifen, als traue er ihrem Urteil nicht. Sein arrogantes Selbstbewusstsein reizte und verunsicherte Courtney gleichzeitig.

„Mit dem würden Sie tatsächlich nicht weit kommen.“ Er richtete sich auf. „Warum haben Sie ihn nicht überprüft, bevor Sie sich in eine so einsame Gegend wagten?“

Courtney war fast überrascht, dass er ihr nicht vorwarf, sie habe den Reifen selbst aufgeschlitzt, um einen gutgläubigen Mann dazu zu bringen, ihr zu helfen. „Ich komme direkt vom Flughafen in Iraklion.“ Selbst in ihren Ohren klang das, als wolle sie sich verteidigen. Lefteris erinnerte sie an ihre Schwester Ginny. Beide gehörten zu den Menschen, die ihr Leben fest im Griff hatten. Ginny hätte natürlich daran gedacht, das Ersatzrad zu kontrollieren, und selbst wenn sie gezwungen gewesen wäre, sich auf offener Straße umzuziehen, hätte garantiert niemand sie beobachtet. Courtney unterdrückte ein Seufzen. „Ich habe eben vermutet, das Auto sei in Ordnung.“

„Vermutungen sind immer gefährlich“, sagte Lefteris. „Besonders auf Kreta.“

„Was Sie aber nicht davon abhält, jede Menge Vermutungen über mich anzustellen“, entgegnete Courtney bissig. Sie lehnte sich gegen den Wagen und fuhr sich mit dem Unterarm über die feuchte Stirn. Ihr war heiß, und sie war erschöpft und gereizt und wünschte sich, er würde endlich gehen, damit sie ganz für sich allein weinen könnte.

„Weil ich bisher nur schlechte Erfahrungen mit englischen Frauen gemacht habe.“ Er nahm sein Gewehr vom Wagendach. „Wohin wollen Sie eigentlich?“

„Zu einem Dorf namens Agios Giorgios“, sagte sie müde. „Kennen Sie es?“

„Natürlich.“

Natürlich. Wahrscheinlich kannte er ohnehin jedes Dorf auf Kreta. „Kann ich es zu Fuß erreichen?“

„Nein.“ Lefteris betrachtete ihre zusammengesunkene Gestalt. „Es liegt hinter dem Hügel am anderen Ende des Tals. Und Sie sehen nicht so aus, als würden Sie weiter als zur nächsten Kurve kommen.“

Courtney hatte das Gefühl, selbst das sei zu weit für sie. Unglücklich sah sie die Straße entlang, die sich verlassen ins Tal hinabwand und in der Ferne verlor. Es konnte Stunden dauern, bis jemanden vorbeikäme, der sie mitnehmen konnte.

Mühsam richtete sie sich auf. „Es bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als zu laufen, wenn ich nicht hier übernachten will.“

„Mein Wagen steht auf einem Feldweg dort hinten.“ Lefteris nickte kurz in Richtung des Hügels. „Sie kommen besser mit mir.“

Welch freundliche Einladung! „Ich gehe lieber zu Fuß“, verkündete sie ebenso schroff. „Nach allem, was Sie über englische Mädchen gesagt haben, will Sie nicht dazu verleiten, mir zu helfen!“

„Keine Sorge. Trotz Ihres einladenden Striptease kann ich Ihrem Charme sehr gut widerstehen.“

„Warum bieten Sie mir dann an, mich mitzunehmen?“

„Weil ich keine andere Wahl habe. Obwohl Sie Engländerin sind, kann ich Sie schlecht hier lassen. Sonst kommt möglicherweise ein leichtgläubiger Mann vorbei, den Sie in Ihre Falle locken können – was ich keinem wünsche! Bei mir besteht zumindest nicht die Gefahr, dass Sie mit Ihren Verführungen zum Ziel kommen.“

„Sehr charmant!“ Courtney kochte vor Wut. „Vielen Dank, Mr. Markakis, aber lieber laufe ich die ganze Nacht zu Fuß!“ Trotzig holte sie ihren Koffer aus dem Auto, zog den Zündschlüssel ab und machte sich auf den Weg, ohne sich noch einmal umzublicken.

Dieser Lefteris Markakis war wirklich unverschämt arrogant und unhöflich! Was gab ihm das Recht, so mit ihr zu reden? Vor lauter Wut merkte sie zuerst nicht, wie schwer ihr Koffer war und dass die Straße stetig anstieg. Doch schon nach kurzer Zeit musste sie ihre Last absetzen, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen.

Bienen umsummten die Stechpalmen und Salbeibüsche, die neben der Straße trotz des kargen Bodens in verschwenderischer Fülle gediehen. Als Courtney einen Blick zurück riskierte, stand der Wagen verlassen da. Lefteris war verschwunden.

Umso besser, dann konnte er sie in ihrer Erschöpfung wenigstens nicht sehen! Dennoch war sie ein wenig enttäuscht, dass er sie so einfach ihrem Schicksal überließ. Er musste doch gesehen haben, wie müde sie war und dass sie in dieser verlassenen Gegend kaum eine andere Mitfahrgelegenheit bekommen würde. Courtney sah verzweifelt den Hügel hinauf. Wäre dieser Tag doch nur schon vorbei! Vor ihrem inneren Auge sah sie ein hübsches, kleines Häuschen mit einer Dusche und einem weichen Bett. Sie musste nur die Villa Athina erreichen, dann würde alles in Ordnung kommen. Sie nahm den Koffer auf und machte sich wieder auf den Weg.

Keuchend hatte Courtney gerade eine zweite Rast eingelegt, da hörte sie hinter sich Motorengeräusch und wandte sich hoffnungsvoll um. Doch das Lächeln gefror ihr auf den Lippen, als sie sah, wer am Steuer des blitzenden Geländewagens saß, der die Straße heraufbrauste und schließlich neben ihr hielt.

Lefteris stieg aus. „Nun kommen Sie schon“, sagte er und nahm ihr den Koffer aus der Hand, um ihn hinten auf die Ladefläche neben ihren Ersatzreifen zu werfen. „Ihr Stolz wird Ihnen auch nicht helfen, wenn es erst einmal dunkel geworden ist.“

Courtney betrachtete ihn feindselig. Mit welcher Arroganz er sich ihres Gepäcks bemächtigte und annahm, sie würde aus Dankbarkeit vor ihm auf die Knie fallen! Andererseits konnte er sie in kurzer Zeit zur Villa Athina bringen. Beim Gedanken an ein Bett zögerte Courtney, zumal sich jetzt auch ihr leerer Magen meldete. Hoffentlich hatten die Leute von „Discovery Crete“ etwas zu essen für sie dagelassen …

Lefteris öffnete die Beifahrertür und beobachtete amüsiert den Kampf zwischen Stolz und Versuchung, der sich auf Courtneys Gesicht spiegelte. „Nun? Wollen Sie mitkommen oder nicht?“

Die Versuchung siegte. Courtney warf ihm einen vernichtenden Blick zu, bevor sie einstieg. Er brauchte ihr wirklich nicht so deutlich zu zeigen, wie sehr er ihre Demütigung genoss!

Als er sich neben sie auf den Fahrersitz des zweifellos sehr teuren und komfortablen Wagens schwang, betrachtete sie ihn aus den Augenwinkeln und fragte sich, womit er wohl sein Geld verdiente. Obwohl er angezogen war wie ein Mann aus den Bergen, schien er mehr als ein einfacher Jäger zu sein, zumindest seinem Auto nach zu urteilen. Der entschlossen wirkende Zug um seinen Mund ließ sie erschauern. Was immer sein Beruf war, er schien ihn mit größter Rücksichtslosigkeit auszuüben.

Lefteris startete den Motor, und der schwere Wagen brauste mühelos die steile, gewundene Straße hinauf. Unwillkürlich musste Courtney daran denken, wie sie mit ihrem Auto im ersten Gang durch die Haarnadelkurven gekrochen war und sich nicht getraut hatte, den Bus zu überholen. Lefteris dagegen fuhr, als gehöre ihm die Straße. Ihm hätte der Busfahrer bestimmt sofort Platz gemacht!

„Ich heiße Courtney Shelbourne“, sagte sie schließlich unsicher, um die peinliche Stille zu unterbrechen.

Er warf ihr einen spöttischen Blick zu. „Sehr englisch. Sind Sie wirklich so englisch wie Ihr Name, Courtney Shelbourne?“

„Das kommt darauf an, was Sie für englisch halten“, erwiderte sie vorsichtig, und er lachte hart auf.

„Nun, zumindest englische Mädchen halte ich für verräterische, ausschweifende und unmoralische Abenteurerinnen, die andere benutzen, um das zu bekommen, was sie wollen.“

„Aber ich bin nicht so!“, protestierte Courtney, betroffen von der Bitterkeit in seiner Stimme.

„Nein? Und wie sind Sie dann?“

Courtney zuckte hilflos die Schultern. Sie wusste, was ihre Eltern sagen würden: schüchtern, dumm, zerstreut, unzulänglich. „Ich bin eben einfach nur … gewöhnlich.“

Plötzlich wurde sie sich seiner Nähe zu allzu bewusst. An ihm war nichts gewöhnlich, weder seine Hände, die leicht auf dem Lenkrad ruhten, noch seine kraftvolle Gestalt oder seine markanten Gesichtszüge. Er hatte dichtes schwarzes Haar, und die ausgeprägte Nase und der rücksichtslos wirkende Zug um seinen Mund verliehen ihm ein stolzes, grimmiges Aussehen. Courtney musste sich zwingen, den Blick abzuwenden. Sie verspürte ein merkwürdiges Gefühl im Magen und hoffte, es würde nur vom Hunger kommen.

„Würde sich ein gewöhnliches Mädchen in aller Öffentlichkeit ausziehen?“, erkundigte er sich schneidend. „Ein griechisches Mädchen sicher nicht, aber in England gelten vielleicht andere Anstandsregeln.“

Courtney wünschte sich gereizt, das Sweatshirt anbehalten zu haben. „Und in Griechenland anscheinend andere Regeln der Gastfreundschaft“, erwiderte sie bissig. „Ich hoffe nur, die Bewohner von Agios Georgios sind freundlicher als Sie!“

„Sie werden wohl kaum lange genug hier bleiben, um das feststellen zu können!“, entgegnete er. „Ich gebe Ihnen einen Tag, bevor Sie enttäuscht zur Küste zurückkehren, zu den Bars und Discos, die für Sie und Ihresgleichen den Urlaub ausmachen!“

„Ich bin nicht auf Urlaub hier“, sagte Courtney kalt. „Sondern, um in diesem Sommer in Agios Georgios für Touristen zu kochen.“

Zu ihrer Befriedigung schien ihn das zu überraschen. „In Agios Georgios? Aber es liegt völlig abseits der Urlaubsgebiete!“

„Also wie geschaffen für Leute, die dem Touristenrummel entgehen wollen.“ Ein Blick auf die verlassene Landschaft überzeugte Courtney, dass die Gegend für solche Urlauber genau richtig war. „Unsere Gäste wollen wandern oder malen oder seltene Pflanzen und Tiere beobachten, ohne sich in dieser Einsamkeit um das Einkaufen und Kochen zu sorgen. Dafür werde ich zuständig sein.“ Courtney hoffte, ihre Worte würden zuversichtlicher klingen, als sie sich fühlte. Kochen konnte sie zwar wirklich gut, doch der Gedanke, möglicherweise die Gastgeberin spielen zu müssen, beunruhigte sie. Auf den Dinnerparties ihrer Eltern hatte sie immer verlegen herumgestanden und nicht gewusst, was sie sagen sollte.

„Da bin ich skeptisch“, erwiderte Lefteris bissig. Er betrachtete zuerst die wilde Landschaft, dann Courtney und schüttelte den Kopf. „Agios Giorgios ist doch bestimmt nicht der Ort, den Sie sich vorstellten, als Sie nach Kreta kamen, oder?“

„Nein.“ Courtney erinnerte sich an ihre Enttäuschung, als der Repräsentant von Discovery Crete in Iraklion ihr gesagt hatte, dass sie nach Agios Giorgios fahren solle, und ihr auf der Landkarte das Ende einer schmalen, kurvigen Nebenstraße in den Weißen Bergen zeigte.

Courtney hatte protestiert. „Aber man hat mir doch versprochen, ich würde in der Nähe von Knossos arbeiten! Dieses Agios Giorgios ist ja am anderen Ende der Insel!“

Der Mann zuckte die Schultern. „Tut mir leid, aber so sind meine Anweisungen. Villa Athina gehört einem der Partner von Discovery Crete. Falls also ein Mann namens Nikos Papadakis auftaucht, seien Sie nett zu ihm.“ Er reichte ihr einen Stapel Papiere und die Landkarte. „Agios Giorgios ist nicht auf der Karte verzeichnet, aber Sie können es nicht verfehlen.“ Er lächelte grimmig. „Es liegt ganz am Ende der Straße.“

Und es lag auch weit entfernt von den Minoischen Ausgrabungsstätten, um derentwillen Courtney eigentlich hergekommen war. Sie seufzte. „Ich glaubte, man würde mich in den Osten Kretas schicken“, sagte sie zu Lefteris.

„Das dachte ich mir. Die Touristenzentren dort bieten Mädchen wie Ihnen mehr Möglichkeiten, und auch Ihre Kleidung würde besser dorthin passen.“ Wieder ließ er geringschätzig den Blick über ihre Bluse und die Shorts gleiten. „In Agios Giorgios ziehen sich die Frauen etwas dezenter an.“

Courtney errötete und verschränkte unwillkürlich die Arme vor der Brust. Hoffentlich waren die anderen Dorfbewohner toleranter als Lefteris Markakis. Und dabei hatte Ginny ihr immer vorgeworfen, ihre Kleidung sei langweilig und altmodisch. Das bewies einmal mehr, dass Courtney es keinem Recht machen konnte! Unauffällig sah sie an sich herunter und fragte sich, was Lefteris so anstößig fand. Ihre Bluse war zwar luftig, aber keineswegs unanständig, und die weichen Baumwollshorts reichten fast bis zu den Knien. Jetzt, da sie saß, waren sie allerdings ein gutes Stück hoch gerutscht, und Courtney zog sie verstohlen ein wenig herunter.

Endlich hatten sie den höchsten Punkt des Hügels erreicht. Wie lange sie wohl dafür gebraucht hätte, zu Fuß, mit dem schweren Koffer? Vielleicht hatte es sich doch gelohnt, sich mit Lefteris’ abfälligen Bemerkungen abzufinden. Die Straße führte nun stetig bergab in ein üppiges grünes Tal, eingezwängt zwischen kahlen Hügeln und den steilen, mit Pinien bewachsenen Hängen der Weißen Berge, die weiter oben in Felsen übergingen und deren Gipfel mit Schnee bedeckt waren.

Aus einer Schlucht am anderen Ende des Tals entsprang ein Fluss, der sich seinen Weg zwischen zwei Dörfern hindurchbahnte. Das eine lag hoch zwischen den Pinien, das andere erstreckte sich zwischen Olivenhainen und Weingärten an den sonnenbeschienenen Hängen der gegenüberliegenden Hügel.

„Das ist Agios Giorgios“, sagte Lefteris. Verwundert über die plötzliche Wärme in seiner Stimme, warf Courtney ihm einen scharfen Blick zu und überlegte, ob sich unter dieser rauen Schale vielleicht doch ein warmer, liebenswerter Kern verbarg. Doch schon im nächsten Moment verwarf sie diesen Gedanken, denn Lefteris zog misstrauisch die Augenbrauen zusammen.

„Ich wüsste nicht, dass hier jemand ein Haus für den Sommer vermietet hat. Vielleicht haben Sie sich geirrt?“

„Ich habe mich nicht geirrt!“, erwiderte Courtney entrüstet. Für wie dumm hielt er sie eigentlich? Sie kramte in ihrer Tasche nach den Papieren, die sie in Iraklion bekommen hatte. „Hier, sehen Sie: Villa Athina, Agios …“ Sie schrie auf, als Lefteris so hart auf die Bremse trat, dass sie in ihren Sitz zurückgeschleudert wurde. „Was ist los?“, fragte sie atemlos.

Anstatt ihr zu antworten, entriss er ihr das Blatt und blickte ungläubig darauf, bevor er es zerknüllte und einige Worte auf Griechisch hervorstieß. Als er sich ihr zuwandte, war Courtney beinahe froh, dass sie nichts verstand, denn die Wut in seinen Augen sagte genug.

„Soll das ein Witz sein?“

„E … ein Witz?“, wiederholte sie stockend. „Natürlich nicht. Warum?“

„Wenn es einer ist, dann kann ich nicht darüber lachen“, sagte er grimmig und glättete das Stück Papier, das er vorher zerknüllt hatte, um es noch einmal zu lesen. „Wer ist das – Discovery Crete?“

„Die Gesellschaft, für die ich arbeite“, sagte sie vorsichtig, immer noch verunsichert durch seine seltsame Reaktion. „Was ist denn nur los?“

„ Die Villa Athina liegt auf meinem Besitz, das ist los!“, stieß er finster hervor.

Sie betrachtete ihn ungläubig. „Aber das kann nicht sein! Das Haus gehört doch …“

„Nikos Papadakis“, beendete Lefteris den Satz für sie. „Ja, das stimmt.“ Er sagte es scheinbar gleichgültig, doch sein finsterer Gesichtsausdruck ließ Courtney insgeheim schaudern. Instinktiv rückte sie ein Stück von ihm weg.

„Ich verstehe nicht“, sagte sie hilflos, „hat er Ihnen nicht erzählt, dass er das Haus vermieten will?“

Autor

Jessica Hart

Bisher hat die britische Autorin Jessica Hart insgesamt 60 Romances veröffentlicht. Mit ihren romantischen Romanen gewann sie bereits den US-amerikanischen RITA Award sowie in Großbritannien den RoNa Award.

Ihren Abschluss in Französisch machte sie an der University of Edinburgh in Schottland. Seitdem reiste sie durch zahlreiche Länder, da...

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