Verbotenes Verlangen nach dem Rivalen

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Ihr Ex-Mann hat ihr einen Teil seines Bauunternehmens vermacht? Tara Sterling ist entschlossen, das unerwartete Erbe anzutreten. Was allerdings bedeutet, dass sie sich gegen den umwerfend attraktiven Grant Singleton durchsetzen muss. Er war der beste Freund ihres verstorbenen Ex, hat das Sterling-Imperium mitgegründet - und ist der erste Mann seit langer Zeit, bei dem es wie verrückt knistert! Doch geschäftlich sind sie Rivalen. Darf Tara ihrem verbotenen Verlangen nachgeben, wenn sie sonst knallhart sein muss?


  • Erscheinungstag 27.04.2021
  • Bandnummer 2183
  • ISBN / Artikelnummer 9783751503648
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Tara Sterlings größte berufliche Freude war der Anblick eines zufriedenen Kunden, wenn dieser den Kaufvertrag für ein Multimillionen-Dollar-Haus unterschrieb.

„Die Familie ist überglücklich mit dem Haus.“

Das mochte stimmen, aber besagte Familie war zum Kaufabschluss gar nicht erschienen. Die Bakers waren zum Frühlingsskifahren in Aspen und hatten stellvertretend eine Mitarbeiterin ihrer Treuhandfirma geschickt. „Sie sind Ihnen furchtbar dankbar, dass Sie so einen guten Preis ausgehandelt haben.“

„Schön, dass ich helfen konnte.“ Tara winkte das Kompliment ab, während ihre Assistentin die Papiere an sich nahm und überprüfte. „Das ist mein Job.“

„Wirklich sehr gut gemacht. Es gab unglaublich viele Bieter für das Anwesen.“

Tara war dankbar für dieses Zeichen der Wertschätzung, auch wenn diese nicht direkt vom Käufer kam. Sie arbeitete unglaublich hart für ihren Ruf als Wunder bewirkende Maklerin in San Diego. Sie hatte einfach ein Händchen für Traumhäuser und ein unschlagbares Geschick bei Preisverhandlungen. Angeblich vermieden andere Makler es, sich mit ihr auseinanderzusetzen, und bezeichneten sie als skrupellos. Tara fand das unfair. Sie war lediglich nicht bereit zu verlieren. So viel war ihr schon genommen worden: ihre Mom, als sie erst neun Jahre alt war, dann vor sieben Jahren ihre Ehe und letztes Jahr schließlich ihr geliebter Dad.

Sein Tod vor vierzehn Monaten hatte sie besonders hart getroffen. Während ihrer Kindheit und Jugend war er ihr Vorbild gewesen – eine Präsenz, so solide, dass sein Verlust niederschmetternd gewesen war. Tara konnte seine letzten Worte einfach nicht vergessen: „Warte nicht auf dein Glück.“

Erst in jenem Moment hatte sie es verstanden. Sie war nicht glücklich. Auch wenn sie jeden Tag neue Menschen kennenlernte, war ihre Welt irgendwie kleiner geworden. Sie hatte mehr Bekannte als echte Freunde und überhaupt kein Liebesleben. Die meisten Männer fühlten sich von ihrem Erfolg eingeschüchtert, und sie war enttäuscht von deren Mangel an Visionen. Sollte sie jemals wieder die Liebe finden wollen, bräuchte sie dafür einen Partner wie ihren Ex-Mann Johnathon Sterling. Er hatte Visionen, war leidenschaftlich und aufregend. Leider sah er sich auch gern nach anderen Frauen um und war schnell gelangweilt. Ihre Ehe hatte nur drei Jahre gehalten. Die Hälfte davon war spannend gewesen, doch die restliche Zeit über hatte sie das Gefühl, ihm nie gerecht werden zu können. Zumindest nicht als Ehefrau.

Also hatte sie sich auf ihre Karriere konzentriert, was eine Weile großartig funktionierte. Sie verdiente jede Menge Geld und gestaltete das wunderschöne Haus, in dem sie mit Johnathon gewohnt hatte, völlig um. Ihre Kleiderschränke waren voller Designerkleidung, und jedes Jahr kaufte sie sich einen neuen Mercedes. Alles, um der Welt zu demonstrieren, dass ihre Scheidung sie nicht aus der Bahn geworfen hatte. Das Problem war nur, dass sie wenig davon aufrichtig glücklich machte – was ihr erst klar wurde, als ihr Dad starb.

„Wenn das dann alles ist, will ich Sie nicht länger aufhalten.“ Die Mitarbeiterin der Treuhandfirma reichte ihr über den Konferenztisch hinweg die Hand.

Die Frauen schüttelten sich die Hände, doch Taras Blick wurde vom Aufleuchten ihres Handys angezogen. Ein Anruf von Grant Singleton. Sie hatte auf lautlos gestellt und der Anruf ging direkt zur Mailbox. „Ich glaube, wir haben alles.“

„Perfekt. Die Bakers werden zufrieden sein, ihr Bauunternehmer ebenfalls. Er will sich so schnell wie möglich an die Arbeit machen.“

Tara brachte die Frau zur Tür. „Sie fangen mit der Küche an, oder? Die Kücheninsel war ihnen wohl etwas zu klein.“

„Oh, nein. Sie reißen alles ab.“

„Die komplette Küche?“

„Das komplette Haus.“

Oh.

„Für einen Neubau. Mir ist bewusst, dass der Eigentümer viel Geld in das Anwesen gesteckt hat, aber es ist nicht ganz nach dem Geschmack der Familie.“

Dies passierte ständig in den teureren Gegenden von San Diego County. Das Grundstück war häufig mehr wert als das, was darauf stand. Dennoch schien es Tara eine furchtbare Verschwendung zu sein, dieses wunderschöne Haus abzureißen. „Sie sagten mir, dass sie das Haus lieben würden und ihre Kinder dort großziehen wollten.“

Die Frau zuckte mit den Schultern. „Das werden sie auch, nur nicht in diesem Haus. Es war trotzdem ein gutes Geschäft, oder?“

Tara bohrte ihre Fingernägel in ihre Handballen. Dies war genau die Art von Frust, die sie daran zweifeln ließ, dass sie das Richtige tat. Geld allein reichte nicht. Wie viel Befriedigung konnte sie aus einem guten Abschluss ziehen, wenn die Kunden einfach alles niederrissen, was Tara für sie gefunden hatte?

„Ich hoffe, dass sie glücklich sind“, sagte sie und verabschiedete sich. Sie musste loslassen. Wie schon dutzende Male zuvor.

Als sie sich umdrehte, sah sie ihr Handy auf dem Konferenztisch aufleuchten. Schon wieder Grant. Grant war ein alter Freund und Geschäftspartner von ihrem Ex-Mann Johnathon. Sie telefonierten ab und zu, aber es war merkwürdig, dass er sie nach so kurzer Zeit schon wieder anrief. Sie sollte wohl besser rangehen.

„Grant, was gibt’s? Oder hat dein Hintern für dich gewählt?“ Prompt stellte sie sich seinen knackigen Hintern vor. Sie hatte ihn noch nie nackt gesehen, aber der Mann sah in Anzughosen genauso umwerfend aus wie in Jeans.

„Endlich, Gott sei Dank.“ Grants tiefe Stimme klang atemlos und verzweifelt. Sonst war er immer ruhig und gefasst. Es musste also etwas passiert sein.

„Was ist los?“

„Johnathon hatte einen Unfall. Ich bin im Krankenhaus. Wie schnell kannst du hier sein?“

Taras Herz begann zu rasen. Der Adrenalinstoß ließ sie geradewegs in ihr Büro eilen, wo sie sich ihre Handtasche griff. „Ich mache mich auf den Weg. Bin in zwanzig Minuten da, wenn ich nicht in einen Stau komme.“

„Beeil dich, Tara. Es ist ernst.“

Sie blieb stehen. „Das hier ist doch kein Witz, den ihr beide euch ausgedacht habt, oder?“

„Nein, natürlich nicht. Jetzt komm her. Wir verlieren ihn vielleicht.“

Tara rannte los. „Verlieren? Was ist denn passiert?“

„Für Erklärungen ist keine Zeit. Ich muss Schluss machen. Komm einfach her.“ Grant legte auf.

Tara rannte vier Stockwerke auf High Heels hinunter und sprintete über den Parkplatz zu ihrem Mercedes. Während sie einstieg und losfuhr, versuchte sie, den donnernden Herzschlag in ihrer Brust und die Übelkeit zu ignorieren. Obwohl sie seit sieben Jahren von Johnathon geschieden war, liebte sie ihn immer noch. Er war ihr unglaublich wichtig. Auch wenn ihre Scheidung sie sehr mitgenommen hatte, war ihre gemeinsame Zeit wunderschön gewesen. Sie konnte den Gedanken nicht ertragen, ihn nicht mehr in ihrem Leben zu haben. Ein weiterer Verlust war mehr, als sie durchstehen würde.

Aber Johnathon war unglaublich stark. Wenn es einen Kämpfer gab, dann ihn. „Er schafft das“, murmelte sie vor sich hin, während sie ihren Wagen durch den Verkehr schlängelte. „Er muss.“

Gott sei Dank hatte die Klinik einen Parkdienst. Tara hielt an, stieg aus, warf dem Mitarbeiter ihre Schlüssel entgegen und rannte durch den Eingang zum Infoschalter. Nachdem sie sich erkundigt hatte, wo Johnathon zu finden war, lief sie weiter den Flur entlang. Der antiseptische Krankenhausgeruch stieg ihr unangenehm in die Nase. Gezwungenermaßen erinnerte sie dieses Aroma an ihren Dad und natürlich an ihre Mom. Es war unerträglich.

Sie wartete nicht auf den Aufzug, sondern rannte bis in den fünften Stock. Erschöpft blieb sie stehen, um sich zu orientieren. Wo war sie? Es schien hier keine OP-Säle zu geben und die Notaufnahme war meilenweit entfernt. Sie wollte gerade zum Schwesternzimmer, als eine Hand ihren Ellbogen ergriff. Sie wirbelte herum und stand vor Grant. Alle Farbe war aus seinem attraktiven Gesicht gewichen. Er öffnete den Mund, und sofort wusste Tara, was er sagen wollte.

„Es tut mir so leid. Sie konnten ihn nicht retten.“

Nein, nein, nein! Das war doch nicht möglich. Johnathon war unzerstörbar. Er konnte nicht einfach so ohne Vorwarnung sterben. Das ergab einfach keinen Sinn.

„Was ist denn bloß passiert? Ist er wieder auf dem Highway zu schnell gefahren? Ich habe ihm tausendmal gesagt, wie gefährlich das ist.“

Grant schüttelte den Kopf. „Es war ein total verrückter Unfall. Auf dem Golfplatz hat ihn ein Ball an der Schläfe getroffen. Ich glaube, im Krankenwagen war er noch bei Bewusstsein, aber er hat stark geblutet.“

Tara schlug sich die Hand vor den Mund und kämpfte um ihr Gleichgewicht. Johnathon war tot. Es schien unvorstellbar. Er war nicht nur viel zu jung gestorben – mit einundvierzig –, außerdem hasste er Golf. Es war so unfair. „Wo ist er?“

Grant deutete mit dem Kopf hinter sich. „Ich habe ihn in ein Privatzimmer bringen lassen. Miranda ist gerade bei ihm. Ich wollte nicht, dass sie sich in der Notaufnahme von ihm verabschieden muss oder, noch schlimmer, im Leichenschauhaus.“

„Wer hat dir Bescheid gesagt?“

„Miranda. Sie hatte im Country Club eine Tennisstunde, als es passierte, und konnte mit ihm ins Krankenhaus fahren.“

Miranda war Johnathons dritte Ehefrau. Sie und Tara hatten ein recht harmonisches Verhältnis. Miranda war eine sehr erfolgreiche Inneneinrichterin und hatte für Tara ein paar Häuser für den Verkauf ausgestattet. „Das ist furchtbar. Sie sind kaum ein Jahr verheiratet.“

Grant nahm Tara bei der Hand und führte sie in ein kleines Wartezimmer, wo sie sich hinsetzten. „Wenn es nur das wäre.“ Sein Gesicht verdüsterte sich noch mehr. „Miranda ist schwanger, und Johnathon wusste nichts davon. Sie musste es ihm im Krankenwagen erzählen, während er im Sterben lag. Der Plan war, ihn damit zu überraschen. Heute Abend.“

Eine Welle tiefen Schmerzes überrollte sie. Johnathon hatte sich schon so lange eine Familie gewünscht. Kinder waren eines ihrer größten Probleme gewesen. In der Annahme, dass sie ihr ganzes Leben miteinander verbringen würden, hatte Tara noch warten wollen. „Oh, mein Gott, ein Baby und jetzt ist er tot.“

„Ich weiß. Das Timing ist unglaublich. Es kommt mir so unfair vor.“

Nicht nur ihm. „Jetzt hat sie nur noch ihren Bruder.“

„Und dabei wird sie jede Menge Unterstützung und Hilfe mit dem Baby brauchen.“

Tara wurde das Herz unglaublich schwer. Sie und Miranda standen sich nicht nahe, aber sie wusste, wie es war, allein zu sein. Einsam dahintreibend, ohne jemanden zum Anlehnen. „Ich helfe gern. Egal was sie braucht.“

„Selbst als Johnathons Ex-Frau?“

Tara nickte, obwohl Erinnerungen ihrer kurzen und turbulenten Ehe mit Johnathon in ihr aufstiegen. Glückliche Tage und traurige. Verrückte Tage und unbegreifliche. „Wir haben nie zusammengepasst. Ich wollte Karriere machen, und er wollte so viel wie möglich aus seinem Leben herausholen.“

„Für zwei Menschen, die nicht zusammengepasst haben, hattet ihr es ziemlich eilig.“ Grant räusperte sich. Es war nicht das erste Mal, dass er seinen Unmut darüber äußerte, wie Tara und Johnathon zusammengekommen waren.

Tara hatte Grant und Johnathon am selben Abend auf der Geburtstagsfeier eines gemeinsamen Freundes vor elf Jahren kennengelernt. Es war Grant gewesen, der den ganzen Abend über mit ihr geflirtet und sie um ein Date gebeten hatte. Aber dann musste er wegen eines Familiennotfalls am nächsten Tag die Stadt verlassen. Johnathon sprang wie ein Raubvogel auf Beutezug ein und verdrehte Tara sofort den Kopf. Sie hatte es immer für Schicksal gehalten. Und Grant schien nie darunter gelitten zu haben. Es gab jede Menge Frauen in seinem Leben.

„Ich weiß. So war er eben. Alles musste blitzschnell gehen. Es war dumm und wir waren jung, aber ich bereue es nicht.“ Sie bemerkte, wie ihre Stimme zitterte. Langsam wurde ihr die Realität bewusst. Johnathon – ihre erste große Liebe – war fort.

Grant nahm sie fest in seine Arme. „Natürlich nicht. Er war ein unglaublicher Mann. Und ein unglaublicher bester Freund.“

Tara legte ihren Kopf auf Grants Schulter und gestattete sich ein paar lautlose Tränen. Vor anderen zu weinen, war ihr zuwider. Zu oft in ihrem Leben hatte sie sich dadurch schwach und verletzlich gefühlt. Doch das hier war etwas anderes. Das hier war Grant. Einer ihrer ältesten und liebsten Freunde. Ein Mann, in den sie ein oder zwei Tage lang verknallt gewesen war, bevor sein bester Freund zum Mittelpunkt ihres Lebens wurde. „Und ein menschlicher Tornado.“

„Das war er in der Tat.“

„Was passiert jetzt mit Sterling Enterprises?“, fragte Tara. Johnathon und Grant hatten ihre gemeinsame Bauträgerfirma in ein wahres Imperium verwandelt, dessen Anfänge Tara miterlebt hatte. Sie hatte damals angenommen, Teil des Teams zu werden, aber Johnathon hatte es für keine gute Idee gehalten, und sie dazu gedrängt, Immobilien zu verkaufen, anstatt sie zu bauen. Weil sie ihn geliebt und er eine Vision gehabt hatte, war sie seinem Wunsch nachgekommen.

„Sterling wird schon klarkommen.“

„Bist du sicher?“ Sie hielt sich immer noch an Grant fest, wollte weder seinen Geruch noch seine tröstliche Umarmung verlassen. In seinen Armen fühlte sie sich wie eingehüllt in eine weiche Wolldecke an einem kalten Herbsttag.

„Wir haben einen Notfallplan, durch den ich Geschäftsführer werde. Ich dachte nur nicht, dass wir ihn je brauchen würden.“ Sanft rieb Grant ihr den Rücken. „Ich muss ein paar Dinge mit Miranda koordinieren, da sie jetzt die Mehrheit hält, aber angesichts ihrer eigenen Firma und der Schwangerschaft nehme ich an, dass sie mir gern das Steuer überlassen wird. Ich wüsste nicht, was dagegenspricht.“

Tara setzte sich zurück und Grant nahm wieder ihre Hand. „Du wirst es der Belegschaft mitteilen müssen und zwar schnell, bevor die Presse es erfährt.“

Er nickte und hielt ihre Hand fest. „Und die Beerdigung muss geplant werden.“

Das alles war furchtbar bedrückend. „Es wird eine Menge auf Miranda zukommen. Ich helfe gern. Kann ich irgendetwas tun?“

„Jemand muss Astrid anrufen. Ich sollte wohl besser eine Liste machen.“

„Natürlich.“ Astrid war Johnathons zweite Frau, ein norwegisches Supermodel, die Tara weit weniger mochte. Johnathon hatte Astrid nur Monate nach ihrer Trennung geheiratet, und Tara fragte sich, ob sich ihre Beziehungen wohl überschnitten hatten. Trotzdem hatte sie es geschafft, ein gutes Verhältnis zu Astrid aufzubauen. Als Immobilienmaklerin fand sie immer einen Weg, mit Leuten klarzukommen. „Das mache ich. Du hast schon genug um die Ohren. Sie wird furchtbar bestürzt sein.“

„Danke, Tara. Das weiß ich wirklich zu schätzen. Bist du sicher, dass du klarkommst?“ Er sah sie eindringlich mit seinen tiefbraunen Augen an. Sein Blick drückte Aufrichtigkeit und Mitgefühl aus – so wie immer. Grant hatte ein großes Herz.

Ein völlig irrationaler Teil in Taras Gehirn wollte sich in diesen Augen verlieren. Dort würde ihr sicher nie etwas passieren. „Ja, sicher. Was ist mit dir?“

„Du kennst mich, ich komme immer klar. Wir stehen das durch, versprochen.“ Er beugte sich vor und küsste sie auf die Stirn. Diese Geste weckte die Erinnerung an eine Anziehung in ihr, die schon in jener Nacht, als sie sich kennenlernten, zwischen ihnen bestanden hatte.

Tara schloss die Augen und nahm die Berührung in sich auf. Es war schon lange her, dass ein Mann zärtlich zu ihr gewesen war. Doch sie konnte den Moment nur kurz genießen.

„Max“, sagte Grant.

Tara riss die Augen auf. Vor ihnen stand Maxwell Hughes, Johnathons langjähriger Anwalt. Er war ein beeindruckender Mann, groß und dünn, mit dunklem, zurückgelegtem Haar. Max wirkte wie das böse Genie in einem Thriller.

„Wir müssen reden“, sagte er kühl. „Gibt es hier irgendwo ein Konferenzzimmer?“ Er warf Tara einen Blick zu, als wäre sie lästig.

„Ich sollte gehen.“ Tara stand auf. Sie war schon erschüttert genug. Max’ Anwesenheit würde es nicht besser machen. Während ihrer Scheidung war Max unglaublich grausam mit ihr umgegangen. „Ich bezweifle, dass Miranda mich jetzt bei sich haben möchte.“

„Gib mir eine Minute, Max.“ Grant führte Tara aus dem Wartezimmer hinüber zum Aufzug und drückte auf den Knopf. „Tut mir leid. Der Kerl hat eindeutig keine Manieren.“

„Wem sagst du das. Was, glaubst du, will er? Ist jetzt wirklich der richtige Augenblick für eine Besprechung?“

Grant, der genauso perplex war wie sie, runzelte die Stirn. „Es muss mit Sterling Enterprises zu tun haben. Hoffentlich nur eine Formalität bei meiner Übernahme als Geschäftsführer.“

„Oh, sicher, das wird es sein.“

„Ich weiß, das Timing ist lausig. Aber offen gesagt, ist das hier alles schrecklich.“

2. KAPITEL

Das letzte Mal, als Grant in der Kirche des sonnigen Point Loma mit dem atemberaubenden Blick auf die felsige Küste und den tiefblauen Pazifik gewesen war, hatte er als Trauzeuge neben Johnathon gestanden. An jenem Tag hatte dieser seine dritte Frau Miranda geheiratet. Jetzt, kaum mehr als ein Jahr später, war er hier, um seinem alten Freund Lebewohl zu sagen.

In der ersten Reihe sitzend, tätschelte Grant Miranda neben sich die Hand. Seit sie ihn angerufen und ihm mitgeteilt hatte, Johnathon sei von einem Golfball am Kopf getroffen worden, tat er sein Bestes, um sie zu trösten. Zu dem Zeitpunkt hatte Grant noch geglaubt, dass Johnathon es überleben würde.

Stattdessen hatte er im San Diego Memorial nur noch Sekunden gehabt, um sich von ihm zu verabschieden, während eine völlig aufgelöste, schluchzende Miranda ihren Mann anflehte durchzuhalten: „Du kannst nicht gehen. Ich bin schwanger.“ Dieses Baby würde nie seinen Vater kennenlernen.

Und seither hatten sich die Dinge auf eine Weise entwickelt, mit der Grant nie gerechnet hatte. Während ihrer Besprechung hatte Max ihm erklärt, dass sein neuer Posten als Geschäftsführer von Sterling Enterprises beinhaltete, sich künftig mit allen drei Sterling-Witwen auseinandersetzen zu müssen. Die drei Frauen wussten noch nichts davon. Die Bombe sollte besser erst nach der Beerdigung platzen. Grant überlegte immer noch, wie er mit den Folgen umgehen sollte. Doch im Moment konnte er nichts tun, als dem Pfarrer zuzuhören.

„Johnathon war eine herausragende Persönlichkeit und unvergesslich. Er hatte ein Herz so groß wie der Pazifik, in dem er so gern surfte. Er wurde mit drei wunderschönen Frauen gesegnet, die heute alle hier sind. Wir drücken ihnen in dieser schweren Stunde unser aufrichtiges Beileid aus.“

Ein Schluchzen war zu hören. Grant musste nicht hinsehen, um zu wissen, dass es von Astrid, Ehefrau Nummer zwei, stammte, die aus Oslo angereist war. Astrid hatte nicht die geringste Ahnung von Johnathons dritter Ehe gehabt. Die Situation zu entschärfen, war Grant zugefallen, wie schon unzählige Male zuvor. Er konnte sich unmöglich vorstellen, was erst passieren würde, wenn Astrid erfuhr, dass Miranda mit Johnathons Baby schwanger war.

Bei dem aufkommenden Ärger darüber, dass Johnathon seiner Ex-Frau nie die Wahrheit gesagt hatte, bekam er ein schlechtes Gewissen. Johnathon mochte seine drei Frauen aufrichtig geliebt haben, aber er hatte ihnen auch viel Kummer bereitet. Grant missfiel, was Miranda und Astrid durchmachen mussten, aber in seinen Augen war die Frau, die am wenigsten gewürdigt worden war, die erste – Tara. Die wunderschöne, umwerfende, knallharte Tara.

Sie saß nur zwei Plätze weiter. Es war ihm unmöglich, sie nicht immer wieder verstohlen anzusehen. Genauso wenig wie er an dem Tag in der Klinik den Blick von ihr hatte lassen können. Tara war eine einzigartige Schönheit mit glänzend blondem Haar, einer makellosen, strahlenden Haut, tiefblauen Augen und vollen, rosafarbenen Lippen. Wie oft hatte er sich gewünscht, sie zu küssen, aber selbst nach der Scheidung hatte Johnathon deutlich gemacht, dass Tara tabu sei.

Doch jetzt würde Grant sie in seine Welt holen müssen. Ihre Überzeugungskraft konnte sie zu einer starken Verbündeten bei seinem künftigen Umgang mit Miranda und Astrid machen. Die große Frage war nur, ob sie auch auf seiner Seite stehen würde. Tara hatte Johnathon wahnsinnig geliebt und wollte ganz sicher, dass Sterling Enterprises in seinem Namen fortgeführt wurde. Aber es hatte ja niemand ahnen können, dass Johnathons Nachfolgeplan einen Haken hatte. Einen, der Grant die Kontrolle entriss, die er sich jetzt zurückholen musste.

Als der Gottesdienst endete, erhob sich die Trauergemeinde und Grant nahm seinen Platz unter den sechs Sargträgern ein. Die anderen fünf waren Mitarbeiter von Sterling Enterprises, einschließlich Clay, Mirandas Bruder. Auffällig war die Abwesenheit von Johnathons jüngerem Bruder Andrew, seinem einzigen noch lebenden Verwandten. Grant hatte gehofft, dass Johnathons Tod Andrew dazu bringen würde aufzutauchen. Aber offensichtlich waren einige Gräben zu tief.

Gemeinsam mit den anderen Männern hob Grant den Sarg an und spürte deutlich das Gewicht, das jetzt buchstäblich auf seinen Schultern lastete. Er musste für Miranda und das Kind da sein. Er musste Sterling Enterprises am Laufen halten und dafür sorgen, dass Astrid die Unterstützung bekam, die sie in dieser schweren Zeit brauchte. Zusätzlich konnte er nicht abstreiten, dass er sich wünschte, Tara eine Schulter zum Anlehnen zu geben.

Der Tag im Krankenhaus hatte ihm einmal mehr gezeigt, dass Taras Anziehungskraft auf ihn nie nachgelassen hatte. Solange Johnathon am Leben gewesen war, hatte zwischen ihnen nichts passieren dürfen, doch jetzt lagen die Dinge anders. Alles hatte sich geändert. Es wurde Zeit für Grant, einer der ganz Wenigen zu sein, die über einen übermächtigen Johnathon Sterling hinauswachsen konnten. Möglichst auch auf privater Ebene.

Tara reihte sich pflichtschuldig hinter den anderen Ehefrauen ein, als Johnathon durch die Kirche getragen wurde. Miranda war die Erste hinter dem Sarg, gefolgt von Astrid. Miranda weinte leise, und Astrid hatte Schwierigkeiten, sich auf den Beinen zu halten. Ihre zehn Zentimeter hohen Absätze waren dabei sicher keine Hilfe. Als Letzte in der Reihe hatte Tara das Gefühl, diejenige sein zu müssen, die sich zusammenriss. Sie fungierte als Sprecherin der drei Frauen und war die, die jedes Mal höflich nickte, als die Reihe von Trauergästen an ihnen vorbeizog und alle ihr Beileid bekundeten. Tara konnte kaum glauben, dass Johnathon wirklich tot war. Sie erwartete immer noch, dass er jeden Moment hinter einem Pfeiler hervorsprang und erklärte, alles wäre nur Spaß gewesen.

Sie wusste, es würde nicht leicht werden, mit diesem Verlust klarzukommen. Ihre gemischten Gefühle für ihren Ex-Mann machten es ihr schwer, ihrer Trauer freien Lauf zu lassen. Auch wenn dies nun der Augenblick dafür war, hatte sie nicht mehr als ein paar Tränen vergießen können. Schon früh hatte sie gelernt, ihre Gefühle zu unterdrücken, als die Kinder in der Schule sie dafür hänselten, dass sie noch Monate nach dem Tod ihrer Mom um sie weinte. Auch Johnathon hatte ihr beigebracht, tough zu sein. Er war lieb zu ihr gewesen, wenn sie traurig war, aber viel mehr hatte er die starke, euphorische Tara angebetet und sie mit Aufmerksamkeit überschüttet. Stark zu sein, bedeutete zu bekommen, was sie wollte.

Erleichtert trat sie in den strahlenden Sonnenschein. Es war ein wunderschöner warmer Julitag mit einer leichten Brise. Sie sehnte sich danach, in ihr Haus an der Bucht von Coronado zurückzukehren, sich die Pumps abzustreifen und vielleicht einen Spaziergang am Strand zu machen. Den Kopf frei zu bekommen und anzufangen nach vorn zu sehen. Aber sie konnte nicht gehen, ohne vorher mit den anderen beiden Frauen geredet zu haben.

Sie trat auf Miranda zu. „Miranda, wie geht es dir? Kann ich irgendetwas tun, um dir zu helfen? Egal was.“

Miranda sah sie hinter ihrer dunklen Jackie-O-Sonnenbrille an. Ihr ebenholzschwarzes Haar war zu einem eleganten Knoten geschlungen. Die verlaufene Wimperntusche auf ihren Wangen zeugte von ihrer Trauer. „Wie es mir geht? Mein Mann ist tot.“ Sie klammerte sich an ihre Louis-Vuitton-Handtasche wie eine Ertrinkende.

Tara war ein bisschen verblüfft. Waren sie nicht Freundinnen? „Ja, natürlich. Heute ist ein furchtbar schwieriger Tag für dich. Ich hätte nicht fragen sollen. Das war dumm von mir. Es tut mir leid.“

Miranda ließ die Schultern hängen. „Nein, mir tut es leid. Ich bin am Ende.“ Sie warf einen schnellen Blick über die Schulter und rückte näher an Tara heran. „Ich bin völlig hormongesteuert. Dass ich dieses Kind allein aufziehen muss, kann ich noch gar nicht begreifen“, flüsterte sie.

„Du hast es also noch niemandem gesagt.“

„Mein Bruder Clay weiß Bescheid. Und du, Grant und ein paar meiner engsten Freundinnen. Ansonsten niemand, und ich will auf keinen Fall, dass Astrid es herausfindet, bevor sie wieder in Norwegen ist. Johnathon hat mir erzählt, wie sehr sie versucht haben, ein Baby zu bekommen. Außerdem hat er ihr wohl nie verraten, dass ich existiere. Ich bin sicher, dass sie mich hasst.“

„Sag das nicht.“ Doch tatsächlich konnte Tara sich kaum vorstellen, wie es Astrid gehen mochte. Sie war die Art Frau, die ihren Gefühlen stets freien Lauf ließ.

Miranda schüttelte betroffen den Kopf. „Im Moment will ich mich nur noch in meinem Bett zusammenrollen, einschlafen und in einer anderen Realität aufwachen.“

Tara nahm sie in die Arme. Der Schmerz und die Leere hatten die sonst so lebensfrohe Miranda zerbrechlich gemacht. „Es tut mir leid, Miranda. So, so leid.“

Miranda versteifte sich plötzlich. „Oh, verdammt, da kommt Astrid. Ich kann das jetzt nicht. Tut mir leid.“ Sie entzog sich Taras Umarmung, machte kehrt und verschwand in der Menge.

Bevor Tara sich vorbereiten konnte, berührte Astrid sie auch schon am Arm.

„Ich weiß nicht, was er in ihr gesehen hat“, sagte sie mit ihrem deutlichen norwegischen Akzent. Sie war direkt nach der Scheidung wieder in ihr Heimatland zurückgezogen, und ihr südkalifornischer Dialekt war vollständig verschwunden.

„Miranda ist ganz wunderbar“, erwiderte Tara. „Aber da du die schönste Frau auf dieser Beerdigung bist, sehe ich keinen Grund, eifersüchtig zu sein.“

Astrid war wirklich eine Schönheit – die Sorte, die auch ohne Make-up immer wie ein Model aussah. Sie war groß, unfassbar schlank und hatte strahlend goldblondes Haar. An ihr sah jede Kleidung gut aus. Es wäre leicht gewesen, Astrid zu beneiden, aber das konnte Tara nicht. Sie wusste, dass Astrid schlimme emotionale Narben aus ihrer Ehe mit Johnathon davongetragen hatte.

„Ich kann nicht glauben, dass er wieder geheiratet hat. Er hat es mir nie erzählt.“ Astrids perfekte Unterlippe zitterte.

Tara hatte keine Erklärung dafür. Sie selbst war jedes Mal ordnungsgemäß über Johnathons nächste Heirat informiert worden. Er hatte behauptet, dies aus Höflichkeit zu tun, aber Tara als ewige Singlefrau hatte eher das Gefühl gehabt, er wollte es ihr nur unter die Nase reiben. Da sie nicht wusste, was sie sagen sollte, damit Astrid sich besser fühlte, nahm Tara sie in die Arme. Anscheinend war es ihre Aufgabe auf dieser Beerdigung, die anderen Ehefrauen zu trösten. „Was vorbei ist, ist vorbei. Er ist fort, und wir alle müssen irgendwie nach vorne sehen.“

„Ich kann mir nicht vorstellen loszulassen. Niemals.“

Tara versuchte, nicht mit den Augen zu rollen, und gab Astrid frei. „Wie lange bleibst du in San Diego?“

Astrid schniefte. „Ich habe immer noch mein Penthouse in der City. Der Frühling zu Hause war schrecklich, daher werde ich eine Weile hierbleiben. Dadurch fühle ich mich Johnny näher.“

Taras Mundwinkel zuckten. Astrid war die Einzige, die Johnathon jemals Johnny genannt hatte. Es passte nicht zu dem Johnathon, den sie gekannt hatte, aber vielleicht war er bei Astrid anders gewesen. Auf der Suche nach einem Ausweg aus ihrem Gespräch sah Tara sich um und erblickte Grant. Sein freundliches Lächeln war unmöglich zu übersehen. „Astrid, hast du meine Handynummer?“

Astrid nickte. „Habe ich.“

„Gut. Ruf mich an, wenn du etwas brauchst. Ich melde mich später bei dir, okay?“

Astrid ergriff ihre Hand. „Ich möchte, dass du weißt, dass ich verstehe, wieso er dich geliebt hat. Du bist wunderbar. Miranda allerdings lässt mich an seinem gesunden Menschenverstand zweifeln.“

In diese Zwickmühle wollte Tara sich gar nicht erst bringen lassen. „Pass auf dich auf, Astrid.“ Sie küsste sie auf die Wange, eilte zu Grant hinüber und hakte sich bei ihm unter. „Kann ich eine Minute deiner Zeit stehlen?“

„Du kannst mich eine ganze Stunde lang haben, wenn du willst.“ Das Verführerische in seiner Stimme war nicht zu überhören.

Autor

Karen Booth
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