Verführt vom griechischen Milliardär

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Erst die Hochzeit, dann die Katastrophe! Noch im Brautkleid erfährt Connie, dass sie betrogen wurde. Sie flieht – doch ihre Hochzeitsnacht auf der griechischen Trauminsel verbringt sie trotzdem nicht allein …


  • Erscheinungstag 09.09.2021
  • ISBN / Artikelnummer 9783751513043
  • Seitenanzahl 109
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

„Heute Nacht schlafen sie getrennt“, sagte Alexandros. „Jeder in seinem eigenen Zimmer.“

„Was schadet es schon …?“, begann Roula und hielt mitten im Satz inne. Sie hatte gelernt, Alexandros’ Entscheidungen nicht in Zweifel zu ziehen, aber bei dieser musste sie sich gegen ihn behaupten. Die Babys zu trennen wäre grausam, deshalb versuchte sie es anders. „Sie werden dich mit ihrem Weinen wecken.“

„Sollen sie doch schreien, auf die Art kapieren sie, dass du nachts mit mir zusammen bist.“ Er schob ihr die Hand zwischen die Schenkel.

Heute gibt’s keine Ausflüchte, hieß das. Nicht, dass er zuhörte, wenn Roula welche machte.

Als er ging, um wie jeden Tag vor der Taverne zu sitzen, Karten zu spielen und zu trinken, war Roula nur einen Moment erleichtert, bevor sie sich vor seiner Rückkehr zu fürchten begann.

Siebzehn und Mutter von Zwillingen, waren sie das einzige Positive in ihrem Leben. Sie waren schöner als alle anderen Babys, und sie konnte ihnen stundenlang beim Schlafen zusehen: wie sie am Daumen lutschten und dabei den Zeigefinger an die kleine Nase drückten, die Wimpern so lang, dass sie die Wangen berührten. Gelegentlich wachte einer der beiden auf, blickte mit großen, dunklen Augen seinen Bruder an und schlief beruhigt wieder ein.

Spiegelbildzwillinge, hatte die Hebamme zu Roula gesagt. Eineiige Zwillinge, aber seitenverkehrt. In ihrem weichen Babyhaar hatte Nico den Wirbel nach rechts, Alexandros nach links.

Fast ein Jahr alt, schliefen sie noch immer in einem Kinderbett und weinten, wenn Roula sie zu trennen versuchte. Selbst wenn sie die Betten zusammenschob, ließen sich die Babys nicht besänftigen. An diesem Abend würde er ihnen getrennte Zimmer aufzwingen.

Und sie würde sie die ganze Nacht schreien hören, während ihr Ehemann ihren Körper benutzte. Roula konnte es nicht mehr ertragen.

Bestimmt würde ihr Vater helfen, wenn er Bescheid wüsste. Alexandros mochte es nicht, wenn sie ausging, deshalb hatte sie ihren Vater seit der Hochzeit nur ein paarmal gesehen. Er hatte gewollt, dass sie heiratete, weil das bisschen Geld, das er für seine Bilder bekam, nicht für sie beide reichte. Außerdem war er seit dem Tod ihrer Mutter etwas verschroben und zog es vor, allein zu sein. Aber dieses Leben wünschte er seiner Tochter und seinen Enkelsöhnen gewiss nicht.

„Jetzt“, befahl sie sich, „du musst es jetzt tun.“ Ihr blieben vielleicht fünf oder sechs Stunden, bevor Alexandros zurückkehrte.

Sie lief in den Flur, holte einen Koffer und packte die wenigen Sachen ein, die sie für ihre Babys hatte, dann rannte sie in die Küche zu dem gut versteckten Marmeladenglas voller Geld, das sie monatelang gehortet hatte.

„So dankst du es mir?“

Roula erstarrte, als sie seine Stimme hörte. Und schaltete innerlich einfach ab, während er sie schlug und schimpfte, sie sei eine Diebin, wenn sie dem Mann Geld wegnahm, der ihr ein Dach über dem Kopf gab.

„Du willst gehen? Raus mit dir!“

Ihr wurde leicht ums Herz, doch schon im nächsten Augenblick versetzte ihr Alexandros seinen brutalsten Schlag.

„Du bekommst einen von ihnen …“ Er zerrte Roula ins Schlafzimmer, wo ihre Babys schrien, die bei den schrecklichen Geräuschen aufgewacht waren. „Welcher ist der Erstgeborene?“ Er erkannte nicht einmal seine eigenen Söhne. „Welcher ist Alexandros?“

Als sie antwortete, hob er Nico hoch und drückte ihn ihr in die Arme.

„Nimm ihn, und jetzt raus.“

Entsetzt, weil Alexandros allein bei ihm zurückgeblieben war, lief Roula zum Haus ihres Vaters, überzeugt, dass er ihr beistehen würde. Nur dass es mit Brettern vernagelt war. Die Nachbarn erzählten ihr, er sei gestorben. Sie empörten sich darüber, dass sie sich in den Tagen vor seinem Tod nicht um ihn gekümmert hatte und nicht einmal auf seiner Beerdigung gewesen war.

Am schlimmsten fand Roula, dass die Nachbarn ihren Mann informiert hatten. Er hatte es gewusst und ihr nichts gesagt.

„Wir bekommen deinen Bruder wieder“, tröstete sie den schreienden Nico. Der Dorfpolizist trank regelmäßig mit Alexandros, deshalb würde er ihr nicht helfen, aber sie würde in die Hauptstadt von Xanos fahren, die im Norden der Insel lag. Dort gab es einen Anwalt.

Roula ließ sich in einem Lastwagen mitnehmen und musste den Fahrer auf die übelste Art bezahlen, aber sie tat es für ihren Sohn. Sie tat es noch oft, denn der reiche junge Anwalt wollte Geld im Voraus, bevor er sich für sie einsetzte.

Ein kleiner Schluck billiger Ouzo aus dem Schraubverschluss sorgte dafür, dass Nico nachts schlief und sie mehr verdienen konnte. Der Rest der Flasche brachte sie durch die Nacht.

Und Roula bemühte sich.

Bis sie eines Tages in der schmalen Gasse, in der sie mit ihrem Baby im Arm saß, von diesem Mann angesprochen wurde.

„Wie viel?“

Roula sah auf und wollte ihren Preis nennen, doch neben dem Mann stand eine Frau, und das war etwas, was Roula nicht machte.

„Kein Interesse.“

Nur wollte er gar nicht ihren Körper. „Wie viel für ihn?“

Der Fremde erzählte ihr, sie seien kinderlos und vom Festland auf Urlaub hier, um ihren Kummer zu vergessen. Er erklärte ihr, sie hätten Geld und könnten ihrem schönen kleinen Jungen eine gute Ausbildung bieten. Sie würden sich auf der Nachbarinsel Lathira ein Haus kaufen und ihn als ihr eigenes Kind aufziehen.

Roula dachte an Alexandros, der noch immer bei diesem Mistkerl war. Irgendwie musste sie Nicos Bruder retten. Sie dachte an den Ouzo, an die Freier, die sie in dieser Nacht haben würde, und an all die schrecklichen Dinge, die sie getan hatte. Sicherlich hatte Nico Besseres verdient.

Er wird sich eingewöhnen, sagte sich Roula wieder, als das Ehepaar mit ihrem Baby das Büro des reichen Anwalts verließ. Bald würde Nico vergessen.

Sie dagegen würde ihr ganzes Leben damit verbringen, es zu versuchen.

1. KAPITEL

Vielleicht hätte er anrufen sollen.

Als er auf die Auffahrt zum Haus seiner Eltern einbog, fragte sich Nico Eliades, was er eigentlich hier wollte. Aber ein Geschäft war unerwartet schnell abgeschlossen worden – das Hotel, das er hatte kaufen wollen, gehörte jetzt ihm –, und dadurch hatte er plötzlich ein freies Wochenende. Da er ganz in der Nähe war, hatte er sich entschieden, nach Lathira zu fliegen und seine Eltern zu besuchen.

Es kam ihm nicht wie sein Zuhause vor.

Nur Pflichtgefühl führte ihn die Stufen zur Eingangstür hoch.

Sogar Schuldbewusstsein.

Weil er seine Eltern nicht mochte. Er mochte nicht, wie sie ihren Reichtum benutzten und dass sie ständig Selbstbestätigung brauchten. Sein Vater war vom Festland auf die Insel gezogen, als Nico ein Jahr alt gewesen war, und hatte zwei Luxusjachten gekauft, die Touristen durch die griechische Inselwelt fuhren.

Zweifellos würden sie sich heute wieder streiten. Sein Vater würde wieder verlangen, dass er hier auf der Insel lebte und etwas von seinem sehr großen Vermögen ins Familienunternehmen investierte. Seine Mutter würde ihn wieder weinerlich bitten, sich eine Braut zu suchen und ihnen Enkelkinder zu schenken: Er sollte ihnen für alles danken, was sie getan hatten.

Ihnen danken?

Wofür?

Nico atmete tief ein und aus, um sich zu beruhigen. Weil er nicht feindselig ins Haus gehen mochte, weil er keine weitere Auseinandersetzung wollte. Aber immer fingen sie davon an, immer sagten seine Eltern, er solle dankbarer sein. Für die Schulbildung, die Kleidung, die Chancen.

Weil sie ihm ermöglicht hatten, was doch wohl alle Eltern ihrem Sohn ermöglichten, wenn sie es sich leisten konnten.

„Sie sind nicht da.“ Das Hausmädchen sah besorgt aus, denn ihre Arbeitgeber würden sich darüber ärgern, einen seltenen Besuch von Nico verpasst zu haben. „Sie sind auf der Hochzeit und kehren erst morgen zurück.“

„Ach ja, die Hochzeit.“ Die hatte er vergessen. Er hatte seinen Eltern mitgeteilt, er würde nicht hingehen, und ein Mal hatten sie nicht mit ihm darüber gestritten. Stavros heiratete, der Sohn von Dimitri, dem geschäftlichen Hauptkonkurrenten seines Vaters. Normalerweise bestand er darauf, dass Nico bei solchen Events mitkam, weil er mit seinem erfolgreicheren Sohn angeben wollte.

Nicos Ego brauchte das nicht.

Überraschend hatten ihn seine Eltern jedoch nicht gedrängt, bei dieser Feier dabei zu sein.

Jetzt widerstrebte es ihm, wegzufahren, ohne seine Mutter und seinen Vater gesehen zu haben. Er war zuletzt vor einigen Monaten zu Hause gewesen, und wenn er mit ihnen zusammentreffen würde, musste er sie erst in mehreren Monaten wieder besuchen.

„Wo findet die Hochzeit statt?“, fragte Nico das Hausmädchen, denn seine persönliche Assistentin hatte ihm zwar von der Einladung, aber nichts Näheres erzählt.

„Xanos“, erwiderte es und rümpfte dabei die Nase. Obwohl Xanos seit Kurzem ein exklusiver Zufluchtsort für die Reichen und Berühmten war, galten die Einheimischen als arm, und die Leute auf Lathira hielten sich für etwas Besseres. „Die Braut stammt von der Insel, deshalb wird dort geheiratet.“

„Im Süden?“ Das würde bedeuten, dass Stavros selbst Erfolg gehabt hatte.

„Nein, in der alten Stadt.“ Das Hausmädchen lächelte. „Ihr Vater und Dimitri müssen heute Nacht auf den gewohnten Komfort verzichten.“

Sogar Nico lächelte nun. Zweifellos war sein Vater wohlhabend, dennoch blieb der Süden mit seinen Luxusferienanlagen für ihn unerreichbar.

Nico beschloss hinzufahren.

Dass er abgesagt hatte, interessierte ihn nicht. Mit solchen Nebensächlichkeiten beschäftigte er sich nicht. Angestellte versetzten Berge, reservierte Tische waren wieder frei, Präsidentensuiten wurden hervorgezaubert, wo auch immer er landete. Charlotte würde das regeln.

Ihm fiel ein, dass sie heute auch auf einer Hochzeit war.

„Suchen Sie mir einen Anzug heraus“, bat er das Hausmädchen, als der Chauffeur seine Koffer brachte. Ihm sagte er, er solle den Flug organisieren.

„Alle Flüge sind ausgebucht“, teilte ihm der Mann ein paar Minuten später nervös mit. „Die Hubschrauber haben gestern Abend die ganze Verwandtschaft hinübergeschafft und kommen erst morgen zurück.“

„Kein Problem.“ Fertig angezogen, ließ sich Nico zum Hafen fahren. An verschiedene Chauffeure war er gewöhnt, denn er hatte nicht wirklich einen festen Wohnsitz. Nicht gewöhnt war er daran, sich um Kleinigkeiten zu kümmern. Aber seine persönliche Assistentin stand ihm normalerweise Tag und Nacht zur Verfügung, und Charlotte hatte dieses eine freie Wochenende verdient.

Die Blicke der anderen Passagiere machten ihm nichts aus, als er sein Ticket bezahlte.

Gekleidet in einen dunklen Anzug, saß Nico zwischen Touristen, die den schönen Mann anstarrten, der nicht auf die Personenfähre passte.

Öffentliche Verkehrsmittel sind gar nicht so schlecht, dachte Nico. Er kaufte sich einen Kaffee und hatte eigentlich vor, die Zeitung zu lesen, doch hinter ihm schrie ein Baby, und es wollte einfach nicht aufhören.

Während sich das Schiff hob und senkte, ihm der Geruch der Abgasschwaden in die Nase stieg und das Baby immer weiterweinte, breitete sich ein wachsendes Unbehagen in ihm aus. Nico drehte sich um und sah die Mutter an. Seine Miene war so finster, dass die junge Frau erschrocken zurückwich.

„Tut mir leid“, entschuldigte sie sich und versuchte, das Kind zu beruhigen.

Er schüttelte den Kopf, wollte ihr sagen, dass es ihn nicht ärgerte, aber seine Kehle war plötzlich wie ausgedörrt. Nico schaute aufs Wasser, auf die Insel Xanos vor ihm, spürte den Wind im Gesicht und fror trotz der warmen Nachmittagssonne. Er spürte, dass ihm der Schweiß ausbrach, und einen Moment lang glaubte er, sich übergeben zu müssen.

Zu stolz, um vor Fremden Schwäche zu zeigen, stand Nico auf, entfernte sich von den Passagieren und stellte sich an die Reling. Doch auch hier erreichte ihn das Babygeschrei.

Vielleicht war er seekrank. Nur konnte das nicht sein, weil er regelmäßig segelte. Freie Wochenenden verbrachte er oft auf seiner Jacht. Nein, dies war irgendetwas anderes.

Er blickte in Richtung Lathira und dann hinüber nach Xanos, wohin er fuhr, und die böse Vorahnung ließ ihn nicht los.

Nachdem sie im Hafen angelegt hatten, ging er rasch von Bord. Inzwischen war er zu dem Schluss gelangt, dass er sich an öffentliche Verkehrsmittel nicht gewöhnen und mit dem Hubschrauber zurückfliegen würde.

Im Taxi reagierte Nico nicht auf die Versuche des Fahrers, ein Gespräch anzufangen, sondern sah sich die Straßen an, die ihm seltsam vertraut waren. Als sie vor der Kirche hielten, erkannte Nico sie wieder, konnte sich das nicht erklären, wollte es nicht. Auf den Stufen zum Eingang hatte er irgendwie das Gefühl, dass er sich an einen Traum erinnerte. Um sich zu beruhigen, bevor er hineinging, lehnte Nico sich an eine Säule.

Die Braut traf ein, und er beobachtete, wie sie aus dem Auto stieg und die Brautjungfern wie bunte Schmetterlinge um sie herumschwirrten, das Kleid glatt strichen und den Schleier ordneten, den sie über ihr Gesicht heben würden, bevor sie die Kirche betrat.

Ob die junge Frau nun aus dem Norden oder dem Süden stammte, Stavros hatte unglaublich gut gewählt, denn sie war einfach fantastisch. Für den Bräutigam ist sie viel zu schade, dachte Nico.

Lag es am Kleid? Schlicht und auf Taille gearbeitet, betonte es ihre üppigen Rundungen. Oder faszinierte sie ihn so, weil er normalerweise Beziehungen zu superschlanken Frauen hatte, die ihren Körper mit Hilfe von persönlichen Fitnesstrainern und Schönheitschirurgen in Form brachten? Die Braut war von Natur aus kurvenreich. Als sie sich vorbeugte, um ihrem kleinen Blumenmädchen zu danken, bewegten sich ihre Brüste. Die Brüste, die er gewohnt war zu halten, taten das nicht.

An ihr war alles echt und natürlich. Ihre Haut war samtig zart und für eine Einheimische hell. Nico konnte den Blick nicht von ihr abwenden. Die Unruhe, die ihn gequält hatte, seit er an Bord der Fähre gegangen war, legte sich allmählich, während er die Schönheit heimlich beobachtete.

Ihr dichtes braunes Haar trug sie hochgesteckt. Wie gern hätte Nico es gelöst! Aus dieser Entfernung konnte er die Farbe ihrer Augen nicht erkennen, aber sie strahlten, als sie lächelte. Er fand ihre Energie überwältigend, das Lächeln und die Art, wie sie sich bei ihrem Vater einhakte.

Der Priester ging auf sie zu, und ihr Lächeln verschwand. Sie straffte die Schultern und holte tief Luft. Das ist mehr als nur Nervosität, dachte Nico. Es war, als würde sie all ihren Mut dafür zusammennehmen, die Kirche zu betreten. Dann arrangierte die ältere der Brautjungfern den Schleier, und Nico konnte das Gesicht der Braut nicht mehr sehen.

Nervös zu sein ist ganz normal, sagte sich Connie, als der Priester auf sie zukam. Aber plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie tatsächlich heiratete. Was sie während der ganzen Vorbereitungen für diesen Tag verdrängt hatte.

Ihr Vater wollte, dass sein einziges Kind eine für die prominente Familie angemessene Hochzeit feierte. Den Einwohnern von Xanos und seinen Freunden auf Lathira sollte gezeigt werden, dass er, trotz gegenteiliger Gerüchte, viel Geld verdiente. Monatelang war sie von Anproben, der Menüauswahl und dem Tanzunterricht mit Stavros in Anspruch genommen worden. Erst jetzt wurde es für Connie Wirklichkeit.

Es passierte, ob sie es wollte oder nicht.

Als ihr Vater ihr von dem Ehemann erzählt hatte, der für sie ausgewählt worden war, hatte sie geweint.

Später vertraute sie ihrer Mutter an, wie verletzend Stavros’ Bemerkungen manchmal waren. Sie solle den Mund halten, sagte ihre Mutter dazu nur. Auch berichtete ihr Connie verlegen, Stavros sei anscheinend nicht an ihr interessiert, er habe noch nicht einmal versucht, sie zu küssen. Die Antwort darauf war, sie hätten einen Gentleman für sie ausgesucht, mit solchen Dingen warte man bis nach der Hochzeit.

Bin ich die letzte jungfräuliche Braut? fragte Connie sich.

Die Jungs auf der Insel hatten zu große Angst vor ihrem überbesorgten Vater gehabt, um sich mit Connie zu verabreden. Wie sie sich nach einer Romanze gesehnt hatte!

Aber es hatte nie eine gegeben.

Selbst während ihres Wirtschaftsstudiums in Athen war jeder ihrer Schritte überwacht worden. Von ihrem Cousin, der alles ihren Eltern meldete, bis sie nach Xanos zurückkehrte und anfing, in der kleinen Anwaltsfirma ihres Vaters zu arbeiten.

Wie es erwartet wurde.

„Alles Gute.“

Ihre Brautjungfer wünschte ihr Glück. Connie hakte sich bei ihrem Vater ein und wusste nicht, wer wen stützte. Er fühlte sich so zerbrechlich an.

Deshalb bin ich hier, erinnerte sie sich.

Es war der innigste Wunsch ihres Vaters, seine Tochter gut verheiratet zu sehen.

Auf der Insel war es keineswegs ungewöhnlich, dass die Eltern den Partner aussuchten. Nicht zu gehorchen stand außer Frage. Schließlich hatte Connie das Heiraten schon für ihr Studium aufgeschoben. Und sie … mochte Stavros, obwohl er manchmal gemein zu ihr war. Die Liebe würde noch kommen, hatte ihre Mutter gesagt. Sie hätten eine gute Wahl für ihre Tochter getroffen.

Trotzdem empfand Connie Trauer, als sich der feierliche Zug auf die Kirche zubewegte. Trauer wegen all der Dinge, die sie nun niemals erleben würde.

Während ihres Studiums hatte sich Connie die Geschichten ihrer moderner erzogenen Freundinnen über Flirts, Dates, erste Küsse, leichtsinnige Nächte, Liebesbeziehungen und Trennungen angehört, und sie wollte all das ausprobieren. Doch es sollte nicht sein.

Und dann sah sie ihn. Ihr Herz setzte einen Schlag aus.

Wie ein Vorzeichen.

An eine Säule gelehnt, stand er auf den Stufen, als würde er Connie davor warnen, hineinzugehen.

Mit dunklen Augen lockte er sie. Jetzt stützte ihr Vater zweifellos sie, denn ein einziger Blick auf diesen Mann genügte und ihr wurde schwindlig. Nur ein einziger Blick, und sie hatte das Gefühl, eine Sekunde lang alles kennenzulernen, was ihr versagt worden war, alles, was ihr versagt bleiben würde, wenn sie die Kirche betrat.

Er war der schönste Mann, den Connie jemals gesehen hatte.

Noch nie war sie so angestarrt worden. Langsam musterte er sie von oben bis unten, und eine brennende Hitze durchflutete sie. Im ersten Moment noch froh über den Schleier, weil sie darunter bestimmt knallrot war, spürte sie im nächsten, wie sich die prickelnde Röte von ihrem Gesicht auf den Hals ausbreitete.

Bräute erröten an ihrem Hochzeitstag, sagte sich Connie auf der Treppe zum Portal.

Nur dass sie nicht wegen des Mannes glühte, der vor dem Altar auf sie wartete, sondern wegen des Fremden. Es kam ihr unwirklich vor, einfach verrückt, auf ihre Zukunft zuzugehen und gerade jetzt einen anderen Weg zu sehen.

Obwohl nicht einmal die Andeutung eines Lächelns auf seinen sinnlichen Lippen lag, spürte Connie eine unglaublich starke Anziehungskraft zwischen ihnen, während sein Blick ihren festhielt. Wenn sie zu ihm rennen würde, davon war sie überzeugt, würde der Unbekannte sie schon mit ausgestreckten Armen erwarten. Sie war sicher, dass sie jetzt sofort davonlaufen und ein Leben beginnen könnte, dass ihr gehörte.

Als sie an ihm vorbei waren, vor der Kirchentür, blieb Connie stehen. Der Geruch aus dem Weihrauchfass des Priesters sorgte dafür, dass ihr schlecht wurde. „Ich kann nicht.“

„Das sind nur die Nerven“, sagte ihr Vater freundlich. „Dieser Tag ist mein ganzer Stolz.“

Wie aus einem Traum erwacht, schaute sie nicht zurück zu dem Fremden, dessen Blick noch immer auf ihrer nackten Schulter brannte, sondern nach vorn durch den langen Mittelgang zu ihrem zukünftigen Ehemann.

Nico hatte gesehen, wie die Braut errötete, und ihr Erschrecken wahrgenommen. Was war da gerade passiert? Einen Moment lang hatte er gemeint, dass sie einander kannten, so stark war die Verbindung zwischen ihnen gewesen.

Vielleicht hatten sie einmal eine Affäre gehabt? Daran müsste ich mich erinnern, dachte Nico. Oft war es schwierig, sich zu erinnern, weil er schon so viele Frauen in den Armen gehalten hatte. Zu viele Male war eine Exgeliebte auf ihn zugestürzt und weinend wieder weggegangen, weil die Nacht mit ihr seinem Gedächtnis entfallen war. Aber diese Braut? Ihre Figur, ihr schönes Gesicht … Sicherlich hätte er es nicht vergessen, wenn er je mit einer solchen Frau geschlafen hätte.

Er ging hinein und suchte sich hinten einen Platz, anstatt sich zu seinen Eltern zu setzen. Inzwischen war sie vor dem Altar angekommen. Nico bemerkte, dass Stavros keine Reaktion zeigte: kein bewunderndes Lächeln, kein staunender Blick.

Wäre sie die Meine … Den Gedankengang verdrängte Nico sofort, weil er nicht an die Liebe glaubte, weil er sich nicht vorstellen konnte, sein ganzes Leben mit nur einer Frau zusammen zu sein. Bestenfalls hatte er Kurzzeitbeziehungen, meistens hielten sie bloß eine Nacht.

Sie hieß Constantine, erfuhr er vom Priester, und Nico fand, dass der Name zu ihr passte.

Griechische Hochzeiten dauerten lange, und Nico dachte daran, zwischendurch einfach hinauszuschlüpfen und in eine Bar zu gehen. Der Priester segnete die Ringe und fragte die Braut, ob sie willens sei, die Ehe einzugehen. Bei ihrem gefährlichen Zögern wünschte Nico ihr, sie würde auf ihre innere Stimme hören.

Weil Constantine zu schade dafür war.

Zu schade für die erstickenden Gesetze und Traditionen, die er hinter sich gelassen hatte.

Für einen Ort, wo der äußere Schein alles war, wo niemand diskutierte, wo sich nichts weiterentwickelte, nichts veränderte.

Gibt es mehr als das hier? überlegte Connie wie schon so oft. Sie hörte den Priester noch einmal fragen, ob sie willens sei, und wieder wollte sie davonlaufen, wollte sie sich zur Gemeinde umdrehen und nachsehen, ob der Fremde wartete. Du bist albern, sagte sie sich.

Für diesen Tag war sie großgezogen worden. Wie kam sie dazu, die Entscheidungen ihres Vaters, die Traditionen anzuzweifeln? Schließlich antwortete sie leise mit Ja, und ihr war, als hörte sie das Tor zur Verwirklichung ihrer heimlichen Träume endgültig zufallen.

Eine Tür ging tatsächlich zu, weil Nico bei Constantines Antwort die Kirche verließ.

In einer Taverne bestellte er einen starken Kaffee und dankte dem Barkeeper, der ihm auch einen Ouzo brachte. Den mochte Nico eigentlich nicht, aber dieses eine Mal bestellte er sogar noch einen. Er schaute hinaus auf eine Stadt, die ihm irgendwie bekannt vorkam: die staubigen, belebten Straßen, der farbenprächtige Obst- und Gemüsemarkt, das geschäftige Treiben und das Geplauder der Einheimischen, die vor der Kirche auf das Hochzeitspaar warteten.

Nico holte sein Telefon heraus, um Charlotte zu bitten, ihm eine Hotelsuite im Süden der Insel zu reservieren – er würde seinen Eltern Guten Tag sagen und dann verschwinden –, dann steckte er es wieder ein. Und nicht aus Rücksicht auf seine persönliche Assistentin. Ihm wurde klar, dass er hierbleiben wollte. Ihm gefiel es, am Marktplatz in der Nachmittagssonne zu sitzen, er mochte den Geruch aus der Taverne und die Mundart auf Xanos, die er um sich herum hörte.

Als das jungvermählte Paar auf den Stufen erschien, ging Nico zum Hotel und teilte seine Ankunft mit.

Autor

Carol Marinelli
Carol Marinelli wurde in England geboren. Gemeinsam mit ihren schottischen Eltern und den beiden Schwestern verbrachte sie viele glückliche Sommermonate in den Highlands.

Nach der Schule besuchte Carol einen Sekretärinnenkurs und lernte dabei vor allem eines: Dass sie nie im Leben Sekretärin werden wollte! Also machte sie eine Ausbildung zur Krankenschwester...
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