Verführt von dem Erzfeind

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Nach Rio de Janeiro treibt Geschäftstycoon Theo Pantelides nur das eine Ziel: Rache! Endlich will er Vergeltung für das Leid, das ihm so erbarmungslos zugefügt wurde. Praktisch, dass ihm Inez da Costa, die aufregende Tochter seines Erzfeindes, förmlich in die Arme läuft. Auf diesen verführerischen Bonus verzichtet er ganz sicher nicht! Ganz im Gegenteil - seinen Triumpf wird er bis zur Erschöpfung auskosten - mit der unschuldigen Inez in seinem Bett! Noch ahnt Theo nicht, dass ihn seine Eroberung mehr kosten wird, als er je für möglich gehalten hat …


  • Erscheinungstag 09.06.2015
  • Bandnummer 2182
  • ISBN / Artikelnummer 9783733701741
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Theo Pantelides lenkte seinen nachtschwarzen Aston Martin über den leicht erhöhten Gehweg und brachte den Wagen dann mit quietschenden Reifen zum Stehen – direkt vor dem überdachten Eingangsbereich des Grand Rio Hotels.

Er kam eine Viertelstunde zu spät zur abendlichen Wohltätigkeitsveranstaltung, weil sein Bruder Ari nichts Besseres zu tun gehabt hatte, als ihn mit penetranten Fragen am Telefon zu nerven.

Theo stieg aus, atmete die schwüle Abendluft von Rio de Janeiro ein und warf dem heraneilenden Portier die Schlüssel zu. Der junge Mann setzte sich mit unverhohlener Begeisterung hinter das Steuer des Sportwagens. Genauso hatte Theo einst empfunden, wenn es ums Fahren ging … oder um das Leben als solches!

Sein Lächeln verlor deutlich an Ausdruck, als er das extravagante Foyer des Fünf-Sterne-Hotels betrat. Ein auf Hochglanz polierter Marmorboden funkelte unter seinen Füßen, und kunstvoll komponiertes Licht ließ das Interieur des Hotels in voller Pracht erstrahlen.

Das Etablissement war mit Abstand das Beste vom Besten, allerdings wusste Theo, dass dieser Veranstaltungsort nur aus Prestigegründen von den Gastgebern ausgewählt worden war. Eine Projektion, um ihn in die Irre zu führen – aber vorerst würde er dieses Spiel mitspielen.

Der passende Zeitpunkt, dieser ganzen Scharade ein Ende zu setzen, würde sich noch früh genug ergeben.

Eine schlanke Blondine in einem Designerkleid, behängt mit Diamanten, fing ihn ab und stöckelte auf hohen Schuhen neben ihm her. Ihr erdbeerroter Mund war zu einem strahlenden Willkommenslächeln verzogen, und in ihren Augen lauerten jede Menge stumme Versprechen.

„Guten Abend, Mr Pantelides. Wir fühlen uns sehr geehrt, dass Sie es einrichten konnten.“

Das einstudierte Lächeln, das er seit seinem achtzehnten Lebensjahr je nach Bedarf an- und abschaltete, eroberte sein Gesicht. Es hatte ihn schon viele Male vor Schaden bewahrt oder ihm dabei geholfen, etwas zu verbergen, das er der Welt nicht zeigen wollte.

„Eine Selbstverständlichkeit. Als Ehrengast darf ich mir wohl kaum erlauben, den Feierlichkeiten fernzubleiben, oder?“

Ihr Kichern klang glockenhell. „Nein, ich meine, natürlich. Die meisten Gäste sind bereits hier und nehmen ihren Aperitif im Ballsaal ein. Falls Sie irgendetwas benötigen, was es auch ist … mein Name ist Carolina.“ Der Blick unter ihren stark geschminkten Wimpern verriet ihm, dass sie bereit war, in diesem Punkt weit über ihren üblichen Pflichtkatalog als Hostess hinauszugehen.

Seine Miene wurde starr. „Obrigado“, erwiderte er in perfektem Portugiesisch, um seinen Dank zum Ausdruck zu bringen. Er hatte viel Zeit damit verbracht, die Feinheiten dieser Sprache zu erlernen. Genauso viel Zeit hatte er darauf verwendet, die bevorstehende Veranstaltung durchzuplanen. Bei dem, was er vorhatte, durfte es keine Missverständnisse geben. Und kein Scheitern.

Auf dem Weg zur Doppeltür, die in den großen Ballsaal führte, blieb er stehen. „Sie sagten, die meisten Gäste wären schon hier. Auch Benedicto da Costa mit seiner Familie?“, fragte er scharf.

Das Lächeln der Blondine entgleiste etwas. Darüber wunderte Theo sich nicht, denn der da-Costa-Familie eilte ein gewisser Ruf voraus. Besonders Benedicto selbst trieb den meisten Leuten buchstäblich den Angstschweiß auf die Stirn. Zum Glück gehörte Theo nicht zu ihnen …

Carolina nickte. „Ja, die gesamte Familie traf bereits vor einer halben Stunde ein.“

Seine Maske diente nur dazu, Theos wahre Emotionen zu verbergen. „Danke, Sie waren mir eine große Hilfe.“

Sofort kehrte der verführerische Ausdruck in ihre Augen zurück. Doch bevor sie noch forscher werden konnte und womöglich einen direkten Annäherungsversuch startete, wandte er sich ab und ging.

Seine Anspannung – die in ihm brodelte, seit er von Benedicto da Costas Schuld wusste – stieg rasant an. Dieser Mistkerl war genau der Mann, den Theo gesucht hatte. Und es war eine lange, harte Suche gewesen … begleitet von Rückschlägen und der ständigen Gefahr, sich durch unkontrollierbare Gefühle vom eigentlichen Ziel abbringen zu lassen.

Aber Theo war ein hervorragender Stratege, und er hatte es schließlich geschafft, seinen Erzfeind ausfindig zu machen. Genau aus diesem Grund war er auch der inoffizielle Problemlöser des global operierenden Unternehmens seiner Familie und stets für das Abwägen der betrieblichen Risiken zuständig.

Er glaubte zwar nicht an Schicksal, trotzdem kam es ihm vor, als hätte ihn letztendlich sein berufliches Talent nach Rio geführt. Und zu dem Mann, der vor zwölf Jahren zerstört hatte, was von Theos zerrütteter Kindheit noch übrig geblieben war.

Mit jeder Faser seines Körpers wollte er diese Sache zum ultimativen Abschluss bringen. Er wollte die kultivierte Fassade einreißen, hinter der er bisher hatte schalten und walten müssen. Endlich würde er Rache nehmen, hier und jetzt!

Oder zumindest sehr bald …

Missmutig dachte er an das Telefonat mit seinem Bruder zurück. Ari begann zu ahnen, weshalb Theo in Rio de Janeiro blieb. Aber Theo würde sich weder von ihm noch von seinem zweiten älteren Bruder Sakis aufhalten lassen. Er lebte nach seinen ganz eigenen Regeln und bestimmte selbst über seine Zukunft.

Wenn Ari wüsste, was sein kleiner Bruder vorhatte, würde er ihm sicherlich einen Strich durch die Rechnung machen. Ari nahm seine Rolle als ältester Spross und stellvertretender Patriarch der Familie ausgesprochen ernst. Immerhin hatte er diesen Posten früh übernehmen müssen, nachdem ihr vertrautes Familiengefüge damals von einem auf den anderen Tag brutal auseinandergerissen worden war. Nachdem Theos Vater seinen Jüngsten auf die schändlichste Art und Weise verraten und betrogen hatte!

Theo war heilfroh, dass Ari momentan durch sein privates Glück abgelenkt wurde: Seine Verlobte Perla erwartete das erste gemeinsame Kind. Nein, Ari würde ihm nicht in die Quere kommen … hoffentlich nicht.

Achselzuckend holte er ein letztes Mal tief Luft, ehe er die Türen zum Ballsaal aufstieß. Dann atmete er langsam aus.

Sie war das Erste, was er sah, als er den Raum betrat.

Zuerst verzog er spöttisch das Gesicht, doch dann wurde ihm klar, dass sie es absichtlich darauf angelegt hatte aufzufallen. Der Dresscode für den heutigen Abend war eindeutig: strikt Schwarz und Weiß.

Doch sie trug Rot. Ein provozierend tief ausgeschnittenes blutrotes Abendkleid, das sich um ihre aufregenden Kurven schmiegte. Jeder anwesende Mann starrte sie offen an.

Inez da Costa. Benedicto da Costas Jüngste, süße vierundzwanzig Jahre alt, It-Girl … und Verführerin.

Widerwillig bewunderte Theo die vollen Brüste, die schmale Taille und die wohlgerundeten Hüften.

Er wusste praktisch alles über diese Familie. Damit sein Plan aufging, musste er lediglich tun, was er am besten konnte, und sich auf die gesammelten Informationen konzentrieren. Inez da Costa war keinen Deut besser als ihr Vater und ihr Bruder. Doch während sich die beiden roher Gewalt, Erpressung und Diebstahls bedienten, setzte sie einfach ihren Körper ein, um ihre Ziele zu erreichen.

Und das mit Erfolg, denn heutzutage war die typische Sanduhr-Silhouette einer Marilyn Monroe – die Männer auf der ganzen Welt um den Verstand brachte – recht selten geworden. Inez da Costa war mit einer solchen Traumfigur gesegnet, und sie wusste sich obendrein perfekt in Szene zu setzen.

Noch immer hing Theos Blick an ihren Hüften, während sie sich um die eigene Achse drehte und sich ihrem nächsten Gesprächspartner zuwandte, ganz die erfahrene Gesellschaftsexpertin. Die anderen Gäste fraßen ihr buchstäblich aus der Hand, verfolgten sie mit ihren Blicken und hingen an Inez’ Lippen, an jedem einzelnen ihrer Worte.

Als Theo weiter durch den Saal schritt, schob sie mit einer Drehung unabsichtlich ihren süßen Po in sein Blickfeld, und er spürte, wie ihm die Lust in die Lenden schoss. Verdammt!

Mit geballten Fäusten wartete er, bis diese unwillkommene Reaktion wieder abflaute. Es war einige Zeit her, seit er sich auf eine letzte, bedeutungslose Affäre eingelassen hatte. Trotzdem war dies sicher nicht der richtige Zeitpunkt, um sich daran zu erinnern, dass er ein Mann mit Bedürfnissen war. Außerdem würde er seine Durststrecke wohl kaum ausgerechnet mit dieser Frau beenden!

Es dauerte eine Weile, ehe sein Verlangen verschwand und die innere Entschlossenheit zurückkehrte. Tief in seinem Herzen war er davon überzeugt, dass es seine persönliche Bestimmung war, heute hier zu sein. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

Der Zufall hatte Theo in die Hände gespielt. Dank seines Hangs zu Exzessen hatte Pietro da Costa sich des Öfteren hoffnungslos übernommen und in diesem Zuge eine Pantelides-Luxusyacht in Auftrag gegeben, die er sich gar nicht leisten konnte. Nur dieser Umstand hatte Theo vor drei Jahren nach Rio geführt, wo er da Costas Finanzen überprüfen wollte.

Dort waren ihm geheime Unterlagen in die Hände gefallen, die ihn über unsaubere Geschäfte seines eigenen Vaters aufklärten. Daraufhin hatte Theo weiter nachgeforscht und herausgefunden, welche Konsequenzen diese Geschäfte für die gesamte Familie und vor allem für ihn persönlich gehabt hatten … damals, vor fünfzehn Jahren.

Die Erinnerung daran ließ Theos Emotionen hochkochen, und seine Selbstbeherrschung drohte einzubrechen. Zähneknirschend verdrängte er die giftigen Gefühle, die ihn schon viel zu häufig gequält hatten. Er war kein kleiner verängstigter Junge mehr, der seine Panik und seine Albträume nicht in den Griff bekam.

Beides hatte er längst als unwiderrufliche Elemente seines Lebens akzeptiert und auf diese Weise allmählich seine Souveränität zurückgewonnen. Was allerdings nicht ausschloss, dass er diejenigen, die ihm vorübergehend die Macht über sich selbst geraubt hatten, für ihren Fehler brutal bestrafen würde. Auf diese Mission freute er sich sogar!

Sein Blick ruhte auf Benedicto und seinem Sohn, die sich am hinteren Ende des Saales mit der gesellschaftlichen Elite Rios unterhielten, und Theo überlegte, wie er sich seiner ahnungslosen Beute am besten nähern sollte.

Trotz seines aalglatten, weltmännischen Auftretens, des Maßanzuges und der makellosen Frisur konnte Benedicto seinen windigen Charakter nie lange verbergen. Das scharf konturierte Gesicht glich dem eines Reptils, und in den schmalen Augen lauerte eine Grausamkeit, die niemandem entging, der mit ihm zu tun hatte. Und genau diese Eigenschaft hatte er bis zur Perfektion ausgebaut, wie Theo aus eigener Erfahrung wusste. Wenn er mit Charme allein nicht weiterkam, bediente sich Benedicto umgehend härterer Bandagen, um seinen Willen durchzusetzen. Mit dem Ergebnis, dass etwa die Hälfte der geladenen Gäste in diesem Saal nur deshalb zur Benefizgala erschienen waren, um in Benedictos Gunst nicht zu sinken.

Vor fünf Jahren hatte er seine politischen Ambitionen klar zum Ausdruck gebracht und ebnete seither den Weg zur Macht hauptsächlich mit unlauteren Mitteln. Mit denselben unlauteren Mitteln hatte auch Theos Vater schon all die Jahre zuvor Schimpf und Schande über die Familie gebracht.

Theo nahm sich ein Glas Champagner und nippte daran, während er weiter den Raum durchquerte, hier und dort ein Wort mit einem Minister oder einem kirchlichen Würdenträger wechselte und dabei sein Ziel niemals ganz aus den Augen ließ.

Daher entging ihm auch der Moment nicht, als Benedicto und Pietro sich seiner Anwesenheit bewusst wurden. Gleichzeitig zerrten beide ihre Krawattenknoten zurecht, setzten ein breiteres Lächeln auf und drückten das Rückgrat durch.

Theo verkniff sich ein spöttisches Lachen und schwenkte spontan nach rechts, um auf die Tochter zuzusteuern, die sich gerade mit Alfonso Delgado unterhielt – einem brasilianischen Multimillionär, den sie sich offenbar als neuestes Opfer ausgesucht hatte.

„Wenn Sie möchten, dass ich eine Gala für Sie ausrichte, brauchen Sie nur ein Wort zu sagen, Alfonso. Meine Mutter hat Veranstaltungen dieser Größenordnung im Schlaf organisiert, und man hat mir versichert, ich hätte ihr Talent geerbt. Oder zweifeln Sie etwa an meinen Talenten?“ Kokett legte sie den Kopf schief und hätte von Theo dafür ein verächtliches Schnauben geerntet, wenn er nicht von ihrem zarten, schwanengleichen Hals abgelenkt gewesen wäre.

Alfonso lächelte, und sein Gesicht spiegelte unverhohlene Verehrung wider.

Schnell trank Theo einen Schluck Champagner, damit keiner bemerkte, dass er eine Grimasse schnitt, dann räusperte er sich.

„Niemand bei gesundem Verstand würde an Ihren Talenten zweifeln“, säuselte Alfonso. „Vielleicht können wir in dieser Woche beim Dinner mal Näheres besprechen?“

Die sinnliche Art, wie sie ihre kirschroten Lippen bewegte, rief Theos Verlangen erneut wach.

„Aber natürlich, liebend gern. Dann können wir auch gleich über Ihr Angebot reden, die Wahlkampagne meines Vaters zu unterstützen, ja?“

Theo näherte sich und umkreiste die beiden halb, bis Alfonsos Blick auf ihn fiel.

Der andere Mann strahlte Theo an. „Amigo, ich wusste gar nicht, dass du in mein geliebtes Land zurückgekehrt bist! Offenbar gelingt es uns nicht, dich von hier fernzuhalten, was?“, scherzte er.

„Keine zehn Pferde könnten mich hier wegbringen, ehe ich nicht erledigt habe, weshalb ich hergekommen bin“, entgegnete Theo mit tiefer Stimme und ignorierte die Frau, die neben seinem Bekannten stand. Aber er atmete ihren Duft ein … eine Mischung aus Wildblumen und warmem Sonnenschein.

Alfonsos Augen leuchteten auf. „Wo wir gerade von Pferden sprechen …“

Entschieden schüttelte Theo den Kopf. „Nein, Alfonso, deine Rennpferde interessieren mich nicht. Aber falls du von Speedbooten anfangen möchtest? Ein Wort genügt, und ich hänge dich direkt an der Copacabana vor aller Augen ab, bis du kein Land mehr siehst!“

Der andere Mann lachte. „Sicher nicht, mein Freund. Jeder weiß, dass sich unter deinem Smoking ein echter Hai verbirgt. Ich trage meine Wettkämpfe mit dir lieber an Land aus.“

Ein leises Räuspern ließ Alfonso herumfahren, und sofort setzte er ein übertrieben entschuldigendes Lächeln auf – ganz der versierte Playboy. Theo kannte ihn schon seit zehn Jahren und wusste, dass er eigentlich eine Schwäche für Brünette hatte. Offensichtlich war er aber bereit, eine Ausnahme zu machen.

Inez da Costas aufregende Kurven sollten mit einem speziellen Warnhinweis versehen werden! Armer Alfonso, er war wirklich leichte Beute für sie und ihre durchtriebene Sippe!

„Entschuldigung, querida. Bitte erlauben Sie mir, Ihnen …“

Theo legte seinem Freund eine Hand auf die Schulter. „Ich kann mich selbst vorstellen. Denn ich glaube, du wirst gerade anderswo verlangt.“

„Anderswo?“, wiederholte Alfonso irritiert.

Da beugte Theo sich vor und flüsterte Alfonso etwas ins Ohr. Zuerst wirkte dieser schockiert, dann wütend. Sein Blick wanderte zu der Frau neben sich und dann zurück zu Theo.

Alfonso streckte die Hand aus. „Ich denke, ich stehe in deiner Schuld, mein Freund.“

Theo schlug ein. „Nicht zum ersten Mal, aber wer zählt da schon mit?“, sagte er grinsend.

„Ich werde mich bei dir revanchieren.“

„Mach es gut“, verabschiedete sich Theo von ihm und hörte hinter sich ein fassungsloses Keuchen von Inez da Costa, während Alfonso davoneilte, ohne sie weiter zu beachten.

Selbstzufrieden blickte Theo sich um, sah seinen Freund durch die Doppeltür aus dem Ballsaal verschwinden und fing dann Pietro da Costas finsteren Blick auf, mit dem er seine Schwester taxierte.

Gelassen trank Theo einen kräftigen Schluck Champagner und wandte sich dann an Inez da Costa.

Ihre großen braunen Augen funkelten vor Zorn. „Wer, zum Teufel, sind Sie, und was haben Sie zu Alfonso gesagt?“

2. KAPITEL

Theo ärgerte sich darüber, dass seine Informationen über Inez da Costa mehr als dürftig waren. Ihre Rolle in der Organisation ihres Vaters war verschwindend gering, daher wurden über sie kaum Erkundigungen eingeholt, doch anscheinend hatte er ihren Einfluss unterschätzt. Ihre Schönheit war wie eine Waffe, die Benedicto da Costa für seine Zwecke einsetzte.

Von Nahem sah Theo, wie makellos ihr herzförmiges Gesicht war … und wie atemberaubend hübsch. Ihre braunen Rehaugen waren dunkel umrandet und die vollen Lippen rot geschminkt, obwohl sie dieses Make-up überhaupt nicht nötig hatte. Das Bild in Theos Untersuchungsbericht wurde ihr jedenfalls ganz und gar nicht gerecht.

In Fleisch und Blut und in tiefrote Seide gehüllt war sie ein erbarmungsloser Angriff auf Theos Sinne, der alle Mühe hatte, seine Lust im Zaum zu halten.

„Ich habe Ihnen eine Frage gestellt.“ Ihre Stimme klang weich und rau zugleich. „Wieso stürmt gerade einer meiner Gäste aus dem Saal?“

„Ich riet ihm, die Finger von Ihnen zu lassen, wenn er nicht ausgenommen werden will wie eine Weihnachtsgans.“

Fassungslos öffnete sie den Mund. „Entschuldigung?“

„Sie sind entschuldigt.“

„Wie können Sie es wagen, mich auf diese …“

„Achtung, anjo, Sie verursachen eine öffentliche Szene! Ihr Vater wäre nicht begeistert, wenn seine Veranstaltung durch einen Skandal ruiniert werden würde, oder?“

Ihr Blick war starr auf Theo gerichtet, sie blinzelte nicht einmal. Er erwiderte ihn und fragte sich, ob hinter dieser herausfordernden Maske möglicherweise eine verletzliche Seele steckte.

„Mir ist schleierhaft, für wen Sie sich halten, aber vielleicht sollten Sie Nachhilfe bezüglich gesellschaftlicher Etikette in Anspruch nehmen. Man darf seine Gastgeber niemals absichtlich beleidigen oder …“

„Es geschah mit der Absicht, einen Konkurrenten loszuwerden“, warf er ein. „Und jetzt, da Alfonso verschwunden ist, habe ich Sie ganz für mich allein. Was meine Person betrifft: Ich bin Theo Pantelides, Ehrengast des heutigen Abends. Vielleicht sollten Sie Ihrer besagten Etikette einen weiteren Stichpunkt hinzufügen? Zum Beispiel, dass eine Gastgeberin wissen sollte, wer die wichtigsten Personen des Abends sind!“

Der Schreck stand ihr ins Gesicht geschrieben. „Sie sind Theo Pantelides?“

„Genau, deshalb schlage ich vor, Sie sind nett zu mir, damit ich nicht auch noch die Flucht ergreife. Einen hochrangigen Gast noch vor dem Dinner zu verlieren, ist eventuell gerade noch entschuldbar, aber gleich zwei? Das würde ein äußerst schlechtes Licht auf Sie werfen. Und jetzt setzen Sie ein Lächeln auf und haken sich bei mir unter!“

Inez spürte die stählerne Entschlossenheit hinter seinen halbwegs höflichen Worten, dem kultivierten Auftreten und dem charmanten Lächeln.

Theo Pantelides.

Dies war der Mann, von dem ihr Vater und Pietro gesprochen hatten. Er sollte die Aktienmehrheit von Da Costa Holdings übernehmen, bis die Wahlen vorüber waren. Ihr Bruder hatte ihn allerdings als arroganten Bastard bezeichnet.

Arrogant war er tatsächlich … und übergriffig. Ob er auch ein Bastard war, nun, das würde sich wohl mit der Zeit herausstellen. Rein äußerlich würde Inez ihn eher als umwerfend attraktiv bezeichnen.

„Ich hatte Sie älter geschätzt“, bemerkte sie, ehe sie die Worte zurückhalten konnte.

„Dabei bin ich jung, agil und bildschön?“, konterte er.

Sein Selbstbewusstsein irritierte sie, trotzdem nahm sie ihn nun etwas genauer unter die Lupe. Lackschwarzes Haar und haselnussbraune Augen hatte sie schon oft gesehen, aber noch nie in Verbindung mit einem hinreißend maskulinen Gesicht, das einer griechischen Gottheit würdig wäre. Es besaß eine geradezu magnetische Anziehungskraft, kein Wunder also, dass ihm offenbar viel weibliche Aufmerksamkeit zuteilwurde. Sein selbstherrliches Verhalten sprach zumindest dafür.

Er wirkte gefährlich souverän, aber es war eine Art von Gefahr, die Inez ausgesprochen anziehend fand. Ihr fiel ein kleines Grübchen an seinem Kinn auf, was auf sie ganz besonders sexy wirkte.

Santa Maria!

Hastig besann sie sich auf ihre ursprüngliche Aufgabe. So sehr sie ihre Rolle am heutigen Abend auch verabscheute – diese offenkundige Bettelei um Wahlspenden getarnt als Wohltätigkeitsveranstaltung –, konnte sie sich diese Gelegenheit, an ihrer persönlichen Freiheit zu arbeiten, auf keinen Fall entgehen lassen.

Immerhin hatte sie mit ihrem Vater eine Abmachung getroffen.

Eine Ausbildung im Austausch gegen ihre bereitwillige Teilnahme an dieser Farce … im Austausch gegen ein bisschen von ihrer Zeit. In sechs Wochen war sie frei und konnte endlich ihr eigenes Leben leben. Befreit vom Einfluss ihres Vaters und von den widerwärtigen, erschreckenden Gerüchten, die schon ihre Kindheit überschattet hatten, und an denen ihre Mutter verzweifelt war.

Inez musste sich zusammennehmen und sich aufs Wesentliche konzentrieren. Und auf keinen Fall durfte sie darüber nachdenken, wie sich der Dreitagebart dieses Fremden wohl auf ihrer nackten Haut anfühlte …

„Ich soll nett sein? Nachdem Sie rüde mein Gespräch unterbrochen und meinen Gast in die Wüste geschickt haben?“

„Denken Sie doch mal in Ruhe darüber nach. Sind Sie ernsthaft an einem Mann interessiert, der Sie aufgrund ein paar geflüsterter Worte einfach im Stich lässt?“

Entgegen allen guten Vorsätzen gewann ihr Temperament die Oberhand. „Die Tatsache, dass Sie diese Worte nicht laut ausgesprochen, sondern feige geflüstert haben, lässt mich daran zweifeln, ob Sie wirklich Manns genug sind!“

Sie war es gewohnt, zur Zielscheibe geschmackloser Herrenwitze gemacht zu werden. Pietro und ihr Vater hatten sich sogar regelmäßig über ihre beruflichen Ambitionen lustig gemacht bis zum Tag, an dem sie ihre Koffer gepackt und damit gedroht hatte, ihr Zuhause für immer zu verlassen. Daher fehlte ihr jede Geduld mit Machos!

Der Mann neben ihr legte plötzlich den Kopf in den Nacken und lachte.

„Habe ich etwas Lustiges gesagt?“

Ihre Blicke trafen sich.

„Man hat schon vieles an mir bezweifelt, querida, aber noch nie meine Männlichkeit.“

Sein natürliches Selbstbewusstsein beeindruckte sie – wider Willen. Im Umfeld ihres Vaters hatte sie schon zu oft Männer erlebt, deren nassforsche Haltung gekünstelt und wenig überzeugend war. Häufig hielten sie diese brüchige Fassade so lange aufrecht, bis es geradezu lächerlich wurde. Aber Theo Pantelides war aus anderem Holz geschnitzt …

Hinter sich hörte Inez, wie der offizielle Beginn dieser Veranstaltung verkündet wurde. Sie hatte die Gala im Vorfeld akribisch geplant, da sie ihr als Plattform diente, um ihrem viel zu engen Leben entfliehen zu können. Und über die breite Schulter ihres Begleiters hinweg sah sie ihren Vater und Pietro schon auf sich zukommen.

Ihr Vater würde sicherlich wissen wollen, was mit Alfonso geschehen war. Der brasilianische Geschäftsmann hatte immerhin versprochen, auf seiner gigantischen Ranch – wo er seine Pferde züchtete – ein Polomatch abzuhalten. Ihre Aufgabe war gewesen, ein Datum und eine Zeit festzulegen, damit das Ganze in den Wahlkampf integriert werden konnte.

Dieser Theo Pantelides kam ihr ziemlich in die Quere, und das war frustrierend.

„Hierfür gibt es eine ganz einfache Lösung, Inez“, flüsterte ihr Theo Pantelides zu. Seine Stimme klang verführerisch, genau wie ihr Name, wenn er ihn aussprach.

Ihr lief ein Schauer über den Rücken. „Sprechen Sie meinen Namen nicht aus! Reden Sie überhaupt nicht mehr mit mir! Verschwinden Sie einfach!“

Inez wusste, wie kindisch sie sich aufführte, aber im Augenblick fiel ihr kein anderer Ausweg ein. Ihr Vater und ihr Bruder steuerten auf sie zu, und der Druck in Inez’ Brustkorb wurde unerträglich. Eine Ewigkeit lang hatte sie sich schmerzlich nach einer Verbindung zu den beiden gesehnt. Vor allem nach dem fürchterlichen Tod ihrer Mutter, die bei einem Reitunfall ums Leben kam, kurz bevor Inez achtzehn Jahre alt wurde.

Doch schon bald hatte sie erkennen müssen, dass sie mit ihrer Trauer um die geliebte Mutter allein war. Pietro hatte sich seine Gefühle damals kaum anmerken lassen, und ihr gemeinsamer Vater setzte schon bald alle Hebel in Bewegung, um seine politische Karriere auf den Weg zu bringen.

Und der einzige Mann, den sie fälschlicherweise für ehrenhaft gehalten hatte, Constantine Blanco, war genauso rücksichtslos und machtbesessen wie der Rest ihrer männlichen Sippschaft. Nun, sie hatte ihre Lektion gründlich gelernt.

„Wie ich sehe, stimmen die Gerüchte über Sie nicht ganz“, murmelte Theo Pantelides und zog damit ihre volle Aufmerksamkeit wieder auf sich.

Entschlossen schluckte sie die Bitterkeit runter, die durch die Erinnerung an Constantine wachgerufen wurde. Wie tief war sie seiner Zeit auf der Suche nach Liebe und Nähe gesunken?

„Welche Gerüchte?“ Sie verlieh ihrer Stimme eine Unbeschwertheit, die sie leider nicht empfand.

„Man erzählt sich, Sie würden mit jedem Wimpernschlag Charme und Grazie versprühen. Doch im Augenblick sehe ich nur eine ungezähmte Raubkatze, die mir gern ihre Klauen ins Fleisch schlagen würde.“

„In dem Fall halten Sie sich lieber von mir fern! Wir wollen doch nicht, dass Ihr bildschönes Antlitz Schaden nimmt, oder?“

Hastig wandte sie sich um und versuchte auf diese Weise, seiner magnetischen Anziehungskraft zu entkommen. Sie ging auf die edel eingedeckten Tische zu, auf denen Kristallgläser und echtes Silber funkelten. Ein Platz an dieser Tafel kostete zwanzigtausend Dollar, weil mit diesem Event Kinder aus Rios Favelas – den trostlosen Armutsvierteln am Stadtrand – unterstützt werden sollten. Zumindest war das der Plan. Ein Projekt, das Inez sehr am Herzen lag.

Leider musste man zu diesem Zweck machtgierige Unternehmer, korrupte Politiker und andere unliebsame Gäste in Kauf nehmen: zum Beispiel unfassbar attraktive Haudegen mit bestechend dunklen Augen, die einem die Luft zum Atmen nahmen …

Ihre Gedanken lenkten sie ab, und sie strauchelte, fing sich jedoch sofort wieder. Entschuldigend lächelte sie einem Gast zu, der sie besorgt anstarrte.

An jedem der Tische sollten acht Personen Platz nehmen, und Inez’ Vater bestand darauf, dass die Familientafel direkt in der Mitte stand, damit alle Blicke auf ihnen ruhten. Nachdem Alfonso überstürzt gegangen war, würde der leere Stuhl neben Inez natürlich auffallen, sobald sich der Staatssekretär und seine Frau und das zweite Ehrengast-Paar gesetzt hatten. Es musste dringend ein Ersatztischnachbar her!

Autor

Maya Blake

Mit dreizehn Jahren, lieh sich Maya Blake zum ersten Mal heimlich einen Liebesroman von ihrer Schwester und sofort war sie in den Bann gezogen, verlor sich in den wunderbaren Liebesgeschichten und begab sich auf romantische Reisen in die Welt der Romanhelden. Schon bald träumte sie davon, ihre eigenen Charaktere zum...

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