Vorsicht, sexy Boss!

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Eine dumme E-Mail, die versehentlich an die Öffentlichkeit gerät, wird für sexy Firmenboss Jared Stone zu einem großen Problem. Jetzt soll Bailey, seine PR-Beauftragte, einen Meisterplan aushecken, um seinen guten Ruf wieder herzustellen. Aber Bailey zögert. Will sie das überhaupt? Seit ihrem ersten Arbeitstag bei dem millionenschweren Computer-Magnaten versucht sie, seinem Charme zu widerstehen. Wer weiß, wo das Knistern hinführt, wenn sie noch enger mit ihm zusammenarbeiten muss! Und in Baileys Vertrag steht schließlich kein Wort von Liebe und Leidenschaft …


  • Erscheinungstag 27.10.2015
  • Bandnummer 2203
  • ISBN / Artikelnummer 9783733702144
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Der Tag, an dem das Manifest von Jared Stone die Empörung von Frauen rund um den Globus entflammte, war zu Jareds Unglück ein Tag, an dem die Medien sonst wenig zu berichten hatten. Um fünf Uhr in der Früh, als der attraktive Milliardär seinen allmorgendlichen Lauf durch San Franciscos Golden Gate Park absolvierte, war sein Elaborat bereits das Thema des Tages in Moskau. In London erregte es die Gemüter von Businessfrauen beim Lunch. Und überall auf der Welt wurde in den Fluren und in den Aufzügen von Bürogebäuden mit gedämpfter Stimme darüber debattiert.

In Amerika sollten die Wogen an diesem Tag jedoch am höchsten schlagen. Frauen, die während ihrer beruflichen Laufbahn ihr Ziel – einen Platz in der Chefetage – nie aus den Augen verloren hatten, starrten ungläubig auf die Displays ihrer Smartphones. Es kann sich nur um einen Scherz handeln, sagten die einen. Jemand muss sich in Stones E-Mail-Konto gehackt haben, vermuteten andere. Und dann gab es noch jene, die vergeblich versucht hatten, sich den begehrten Junggesellen zu angeln. Deren Kommentar fiel wenig nachsichtig aus: Was für ein eiskalter Mistkerl. Wundert mich nur, dass er sein wahres Gesicht nicht schon früher gezeigt hat.

Als Bailey St. John sich um sieben Uhr morgens, zielstrebig und konzentriert wie immer, an ihren Schreibtisch bei Stone Industries setzte, ahnte sie noch nichts von dem Eklat, den ihr Boss heraufbeschworen hatte. Sie stellte ihren Kaffeebecher ab und fuhr ihren Computer hoch. Als Erstes rief sie ihre E-Mails auf, klickte die ihrer Freundin Aria mit dem Betreff „Oh mein Gott“ an – und hätte sich fast an ihrem Kaffee verschluckt.

Milliardär-Playboy erregt international Anstoß mit seinem Manifest über Frauen, so lautete die Überschrift des Artikels der Gesellschaftsseite im Netz, die jeder hier im Silicon Valley besuchte. Und weiter: Vertrauliche Mail an seine Kumpel veröffentlicht.

Und als Bailey den aufsehenerregenden Text ihres Chefs las, der im Wortlaut veröffentlicht worden war, hatte sie Mühe, sich auf ihrem Stuhl zu halten.

Ich habe Erfahrungen mit Frauen auf der ganzen Welt gesammelt – sowohl im beruflichen wie im privaten Bereich. So bin ich mir sicher, dass ich inzwischen reif genug bin, um mir eine fundierte Meinung zu bilden, und ich bin zu folgendem Schluss gelangt: Frauen lügen.

Sie wollen gleichwertige berufliche Positionen haben. Sie zetern über die angebliche „Glasdecke“, die ihnen den beruflichen Aufstieg unmöglich mache. Aber: Sie wollen nicht in Verhandlungen sitzen und Deals aushandeln. Sie haben kein Interesse daran, einen Firmenzusammenschluss durchzuziehen. Eigentlich wollen sie am liebsten zu Hause bleiben und den Lebensstil genießen, den wir ihnen bieten und an den sie sich gewöhnt haben. Sie wünschen sich einen Mann, der sich um sie kümmert, der sie mit heißen Nächten und funkelndem Schmuck beglückt. Sie brauchen einen Mann als sicheren Hafen, um nicht ziellos und ohne Kompass durch ihr Leben zu flattern. In Wahrheit hat sich in den vergangenen fünfzig Jahren also nichts geändert.

Ziellos und ohne Kompass durchs Leben flattern? In Bailey begann es zu brodeln. Wenn eine Beschreibung nicht auf ihr Leben passte, dann diese. Die letzten zwölf Jahre hatte sie damit zugebracht, den größtmöglichen Abstand zu ihrem bescheidenen familiären Hintergrund zu schaffen. Sie hatte einen MBA-Abschluss gemacht und war anschließend beharrlich die Karriereleiter emporgeklettert, erst in einer kleinen Start-up-Firma im Silicon Valley, dann in Jared Stones Unternehmen für Unterhaltungselektronik.

Doch mit dem Posten als Verkaufsdirektorin für Nordamerika war ihr Aufstieg an seine Grenzen gestoßen. Seit anderthalb Jahren jagte sie einer Position an der Spitze des Managements nach. Vergeblich. Sie arbeitete mehr und besser als sämtliche ihrer männlichen Kollegen, Kollegen, die übrigens sämtlich davon ausgegangen waren, dass sie die Position als Direktorin der Marketingabteilung bekommen würde, die Jared Stone gerade zu besetzen hatte. Doch er war da offenbar anderer Meinung. Und das tat weh, gerade deshalb, weil es von dem Mann kam, für den sie so unbedingt hatte arbeiten wollen. Das Genie vom Silicon Valley.

Wieso respektierte er sie nicht?

Immerhin kannte sie die Antwort jetzt. Jared Stone war ein unverbesserlicher Chauvinist.

Sie trank noch einen Schluck von dem schwarzen Gebräu, knallte den Becher auf den Tisch und las weiter.

Regel Nummer 1: Frauen sind verrückt. Es ist unmöglich, sie zu verstehen. Ihre Denkweise ist derart unterschiedlich von unserer, dass man annehmen sollte, sie stammten von einem anderen Planeten. Solltet Ihr Euch mit dem Gedanken tragen, Euch mit einer Frau niederzulassen – was ich niemandem empfehlen kann –, dann rate ich nur, sucht Euch die am wenigsten Verrückte aus. Seid vorsichtig.

Regel Nummer 2: Jede Frau sehnt sich nach dem Ring am Finger und dem weißen Gartenzaun, auch wenn sie das Gegenteil behauptet. Wenn dieses Modell zu Euch passt, kein Problem. Doch Ihr müsst wissen, worauf Ihr Euch einlasst.

Regel Nummer 3: Im Schlafzimmer wollen Frauen dominiert werden, sie wollen den Tiger. Sie wollen nicht nach ihren Bedürfnissen gefragt werden. Traut Euch, Männer zu sein.

Regel Nummer 4: Eine Frau hat immer eine Mission. Einen Punkt, den sie als erledigt von ihrer Liste abhaken will. Könnte ein Diamantring sein, mehr von Eurer Zeit, Eure Zusage, sich mit ihrer Mutter zu treffen. Um was immer es sich handelt: Sagt Ja, oder geht gleich. Um genau zu sein: Sich umzudrehen und zu gehen ist die bessere Wahl, langfristig gesehen. Und kostengünstiger.

Bailey musste mit dem Lesen aufhören, sonst wäre ihr Blutdruck durch die Decke geschossen. Und sie hatte angenommen, dass es ein persönlicher Konflikt zwischen ihr und Jared war, der ihr Fortkommen verhinderte! Die hitzigen Debatten zwischen ihnen, wann immer sie im Konferenzzimmer zusammenkamen, waren längst legendär in der Firma. Aber das war es nicht. Nein, Jared verachtete offenbar alle Frauen auf diesem Planeten.

Sie hatte also nie eine Chance gehabt.

Drei Jahre arbeitete sie jetzt schon für diesen egozentrischen Idioten. Drei verschwendete Jahre. Sie hatte sich geschworen, mit fünfunddreißig CEO zu sein, aber das Ziel war soeben drei Jahre weiter in die Ferne gerückt.

Mit zusammengepressten Lippen rief sie ein leeres Dokument auf den Bildschirm und begann zu tippen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich kann unmöglich in einem Unternehmen arbeiten, das von einem Neandertaler geleitet wird. Es geht gegen sämtliche meiner Prinzipien.

Sie tippte weiter, schrieb sich ihre Wut von der Seele, bis sie sich ein wenig beruhigt hatte. Dann setzte sie ein zweites Schreiben auf – an die Personalabteilung.

Nein, sie würde keine Minute länger für Jared Stone arbeiten. Für diesen überwältigend attraktiven und arroganten Kerl, ganz gleich, wie brillant er auch sein mochte.

Jared Stone pfiff vor sich hin, als er seinen Wagen auf dem Gelände von Stone Industries parkte. Er stieg aus, holte seinen Aktenkoffer vom Rücksitz und betrat das Gebäude durch die blitzblanken großen Glastüren. Fünf Meilen Joggen, eine ausgiebige heiße Dusche, ein Power-Shake und die relativ staufreie Fahrt zur Firma waren für seine gute Laune verantwortlich.

Mit schwingenden Schritten steuerte er auf die Aufzüge zu. Das Hochhaus war ein Musterbeispiel architektonischer Funktionalität und Eleganz. Das Leben war großartig, wenn man alles unter Kontrolle hatte und kurz davor war, den Vertrag abzuschließen, der alle Kritiker zum Verstummen bringen würde. Ja, er fühlte sich, als könnte er die Probleme dieser Welt auf einen Schlag lösen und auch noch für den Weltfrieden garantieren.

Ein leuchtendes Beispiel für alle.

Mit einer Hand hielt er die Lifttüren auf, bevor sie zuglitten, und stellte sich mit in den Aufzug, grüßte die anderen mit seinem strahlenden Lächeln, mit dem die Presse ihn so gern abbildete, und merkte sich still, wer um diese frühe Uhrzeit schon im Büro erschien. Gerald aus der Finanzabteilung grinste ihn an, als wären sie die beste Freunde, Jennifer, die persönliche Assistentin eines der Vizepräsidenten, sonst immer hingerissen von seinem Charme, erwiderte nur etwas Unverständliches auf sein freundliches „Guten Morgen“, und die Frau aus der Rechtsabteilung, deren Name ihm im Moment nicht einfiel, kehrte ihm den Rücken zu.

Seltsam.

Die bizarren Schwingungen wurden stärker, als er in der obersten Etage ankam. Eine der Sekretärinnen starrte ihn verächtlich an, und er sah an sich herab. Hatte er etwa einen Fleck auf dem Hemd? Zahnpasta am Kinn?

Mit gerunzelter Stirn nahm er die Post von seiner Assistentin Mary entgegen. „Was ist denn heute Morgen hier los? Die Sonne scheint, das Geschäft brummt …“

Mary, Mitte fünfzig, blinzelte. „Sie waren heute noch nicht online, oder?“

„Sie kennen meine Einstellung doch“, erwiderte er milde. „Den Anfang des Tages nutze ich, um mein Zentrum zu finden. Halb acht ist früh genug, um herauszufinden, welche Verrücktheiten die Welt sich erlaubt.“

„Aha“, murmelte sie nur. Dann: „Sie sollten Ihre buddhistische Gelassenheit schnellstens ablegen und sich kundig machen, bevor Sam Walters hier ist. Er kommt um elf.“

Sam Walters war der Vorsitzende des Aufsichtsrates von Stone Industries. Jared schüttelte verwundert den Kopf. „Ich habe nichts im Terminkalender stehen …“

„Jetzt schon. Jared …“ Mary sah ihn direkt an. „Ihr ‚Manifest‘ … wurde gestern Abend ins Internet gestellt.“

Das Blut sackte ihm in die Knie. In seinem Leben hatte er bisher zwei Programme verfasst: eines, um seine Visionen in Worte zu fassen, als er Stone Industries gegründet hatte, und eines gestern nach einem äußerst kurzweiligen Abend im Kreise seiner Freunde. Er war sich absolut sicher, dass seine Freunde ihm so etwas nie antun würden. Jemand musste sein E-Mail-Konto gehackt haben.

Der Druck auf seiner Brust nahm zu. „Wie schlimm ist es?“

Mary schürzte die Lippen. „Es ist überall zu lesen. Meine Mutter hat es mir heute Morgen gemailt und mich gefragt, wie ich noch für Sie arbeiten kann.“

Als sein Mentor und Förderer Sam Walters mitsamt der Rechts- und der PR-Abteilung drei Stunden später in Jareds Büro auflief, kam ihm der Gedanke, dass er es mit seinem notorischen Hang, über die Stränge zu schlagen, dieses Mal vielleicht zu weit getrieben haben könnte.

Jared steuerte sie alle zur Sitzecke und kam der Anklage zuvor. „Das ist alles ein großes Missverständnis. Wir werden eine Erklärung herausgeben, dass es sich nur um einen Witz handelt, und morgen ist das wieder bereinigt.“

Julie Walcott, die Leiterin der PR-Abteilung, zog eine Braue hoch. „Im Moment sind wir bei zwei Millionen Klicks, und die Zahl steigt rasant. Frauen rund um den gesamten Globus drohen damit, unsere Produkte zu boykottieren. Das schafft sich nicht von allein aus der Welt.“

Er lehnte sich an seinen Schreibtisch und verfluchte sich still für seine Dummheit, so etwas je in Worte gefasst zu haben. Aber wenn er eines niemals tat, dann war es Schwäche zeigen. „Was schlagen Sie also vor? Dass ich auf die Knie falle und alle Frauen um Verzeihung bitte?“

„Genau.“

Ungläubig starrte er seine Mitarbeiterin an. „Das war ein Witz in einer feuchtfröhlichen Männerrunde.“

„Nun, jetzt ist es ein Witz zwischen Ihnen und dem Rest der Welt. Es anzusprechen ist Ihre einzige Rettung.“

Sein Magen zog sich noch mehr zusammen, als Sam die Arme vor der Brust verschränkte. „So etwas zieht Konsequenzen nach sich, Jared. Rechtliche und wirtschaftliche. Ich brauche dich sicher nicht daran zu erinnern, dass Davide Gagnons Tochter Vorsitzende einer Frauenrechtsorganisation ist, oder? Ich bezweifle, dass sie über einen solchen Witz lachen kann.“

Jareds Finger umklammerten die Schreibtischkante. Micheline Gagnon saß auch im Vorstand von Maison Electronique, dem Unternehmen, mit dem Stone Industries gerade über einen Fünfjahresvertrag verhandelte, um dem Unternehmen die weltweite Präsenz zu sichern. Nein, ganz sicher würde sie nicht darüber lachen … Aber es war wirklich nur ein Scherz gewesen. Ein privater Scherz.

Er stieß geräuschvoll die Luft aus. „Was können wir tun?“

„Wir veröffentlichen eine offizielle Entschuldigung wegen eines geschmacklosen Scherzes. Dazu die Erklärung, dass das nichts mit deiner persönlichen Meinung über Frauen zu tun hat, dass du Frauen und ihre Leistungen respektierst.“

„Aber natürlich respektiere ich Frauen. Ich glaube nur, dass sie nicht immer ehrlich sind, wenn es um ihre Gefühle geht.“

Julie musterte ihn durchdringend. „Wann haben Sie zuletzt eine Frau in die Konzernleitung geholt?“

Noch nie. „Nennen Sie mir den Namen einer kompetenten Frau, und ich setze sie sofort auf den Stuhl.“

„Was ist mit Bailey St. John?“ Sam zog die buschigen Brauen in die Höhe. „Du scheinst der Einzige zu sein, der sie nicht auf dem Stuhl eines Vizes sieht.“

Jared runzelte die Stirn. „Sie ist ein besonderer Fall. Sie ist noch nicht so weit, auch wenn sie das glaubt.“

„Du musst eine Geste des guten Willens zeigen.“ Sams Ton wurde stahlhart. „Du bewegst dich hier auf dünnem Eis, Jared.“ In jeder Hinsicht, schien die Miene seines Mentors auszudrücken. „Sieh zu, dass sie so weit ist. Gib ihr die Stelle. Wirf nicht zehn Jahre harter Arbeit fort, nur weil du die Neigung hast, zur falschen Zeit den Mund zu weit aufzureißen.“

Es stieß Jared mächtig auf, aber ihm schien nichts anderes übrig zu bleiben. „Na schön.“ Irgendwie würde er das schon hinbekommen. „Was noch?“

„Sensibilitätstraining“, sagte der Leiter der Rechtsabteilung. „Die Personalabteilung arrangiert das.“

„Das wird nicht passieren“, lehnte Jared sofort ab. „Nächster Punkt.“

Julie legte den Plan dar, um seinen Ruf zu retten. Der war solide und wohldurchdacht, und Jared stimmte jedem Schritt zu – außer dem Sensibilitätskurs. Damit war das Meeting zu Ende, und Jared begleitete die Gruppe zur Tür.

Wieder allein, stellte er sich ans Fenster. Er musste erst einmal verdauen, was da eben passiert war. Der perfekte Morgen hatte sich innerhalb von Sekunden ins Gegenteil verkehrt. Wahrscheinlich war das alles durch das jähe Ende seiner letzten „Beziehung“ ausgelöst worden. Kimberly McKenna, eine nüchterne Buchhalterin, hatte Stein und Bein geschworen, nicht auf der Suche nach einer festen Beziehung zu sein. Also hatte er sich erlaubt, die Vorsicht herunterzufahren. Bis sie sich dann vergangene Samstagnacht bitterlich beklagt hatte, er würde ihr das Herz brechen.

Bitte, sei doch ernst, hatten ihre himmelblauen Augen gefleht. Und er war ernst geworden. Um zehn Uhr am Montagmorgen hatte er ihr sein übliches Abschiedsgeschenk liefern lassen – einen Diamantanhänger –, und damit war die Nächste abgehakt.

Vermutlich war er einfach nur ein wenig bedrückt und einsam gewesen, als er dieses Manifest geschrieben hatte. Aber so lautete nun mal seine Regel: nichts Festes.

Vielleicht sollte er der PR-Abteilung noch eine genaue Schilderung der Ehe seiner Eltern überlassen. Seine Mutter hatte seinen Vater ausgenommen, hatte ihn als gebrochenen Mann zurückgelassen. Das würde ihm sicher mehr Verständnis einbringen. Jetzt ging es vor allem darum, seine Stellung in der Wirtschaftswelt wieder in die Waagerechte zu bringen. Und das würde er tun. Er würde nach Frankreich fliegen und die Partnerschaft mit Maison Electronique wasserdicht machen und seine Konkurrenten ausschalten. Und in zwei Wochen auf der Aufsichtsratssitzung würde er den unterschriebenen Vertrag vorlegen und damit alle Mitglieder auf seine Seite ziehen.

Dazu brauchte er nur Davide Gagnon seine Marketingvision darzustellen. Das würde den Mann von der Zusammenarbeit mit Stone Industries überzeugen.

Er drehte sich um, steckte den Kopf ins Vorzimmer und wies Mary grimmig an, Bailey St. John in sein Büro zu beordern. Sofort. Oh ja, er würde sie befördern, und da er nicht dumm war, würde er sich ein Schlupfloch offen lassen. In dem Moment, in dem sie sich als unerfahren erwies, würde er die Dinge wieder so arrangieren, wie sie bisher gewesen waren, und darauf warten, bis Bailey irgendwann wirklich so weit war.

Einen Anruf musste er vorher allerdings noch tätigen. Er würde dem Chef der IT-Abteilung seine Meinung sagen. Wer immer sich in sein E-Mail-Konto gehackt hatte, würde es bitter bereuen, je seinen Namen gehört zu haben.

Mit ihrem Kündigungsschreiben in der Hand wartete Bailey geschlagene fünfzehn Minuten im Vorzimmer, bevor Mary sie endlich in das Heiligtum einließ. Ihre Beherrschung hing an einem seidenen Faden, als sie die schwere Holztür aufstieß und das große Zimmer mit dem offenen Marmorkamin und den hohen Fenstern betrat.

Jared drehte sich um, als er das Klappern ihrer Absätze auf dem Marmorboden hörte, und wie immer, wenn sie ihm näher als drei Meter kam, schien ihre Fassung sich ein Stückchen weit aufzulösen. Sie mochte es vielleicht nicht auf ihn abgesehen haben wie jede andere Frau im Silicon Valley, aber das hieß nicht, dass ihr sein blendendes Aussehen nicht auffallen würde. Die leuchtenden blauen Augen, denen man nachsagte, sie könnten eine Frau ausziehen und streicheln, lagen jetzt auf ihr. Und als ob das nicht reichen würde, kamen da auch noch sein von Laufen und Kampfsportarten durchtrainierter Körper und sein messerscharfer Verstand hinzu.

Er bedeutete ihr, sich zu setzen, und wie die vielen seiner Anbeter war sie schon dabei, sich gehorsam auf dem Sofa niederzulassen, bevor sie sich zusammennahm.

„Ich bin nicht hier, um zu plaudern, sondern um zu kündigen, Jared.“

„Kündigen?“ Seine Stimme drückte ungläubige Verblüffung aus.

„Genau.“ Sie straffte die Schultern und weigerte sich zuzulassen, dass sich das Machtverhältnis zu seinen Gunsten verlagerte, hob das Kinn und hielt dem stahlblauen Blick stand. „Ich möchte nicht mehr ziellos durch das Unternehmen flattern. Und ich werde mich nicht länger mit deinen leeren Versprechungen zufriedengeben.“

Seine Augen verdunkelten sich. „Komm schon, Bailey, verstehst du keinen Spaß?“

Sie stemmte die Hände in die Hüften. „Du hast jedes Wort ernst gemeint. Und ich dachte, unsere gegensätzlichen Persönlichkeiten wären das Problem.“

Es zuckte um seine Mundwinkel. „Wieso? Weil wir uns im Konferenzzimmer jedes Mal fast an die Gurgel gehen?“ Seine Augen wurden um eine Nuance dunkler. „Weißt du, das ist es, was mir jeden Morgen aus dem Bett hilft.“

Die Sinnlosigkeit dieses ganzen Unterfangens wurde ihr bewusst. Sie schüttelte den Kopf. „Ich habe immer geahnt, was du von Frauen hältst, aber ich war tatsächlich naiv genug zu glauben, du würdest mich respektieren.“

„Ich respektiere dich sogar sehr.“

„Meine Leistung über die letzten drei Jahre scheint dich nicht beeindruckt zu haben. In meiner vorherigen Firma war ich der Star, Jared, deshalb hast du mich ja auch abgeworben. Warum bekommt Tate dann die Stelle, die ich verdient habe?“

„Du bist noch nicht so weit“, erwiderte er nüchtern. „Dir fehlt die Reife, du handelst zu impulsiv. Das hier zum Beispiel … das ist eine spontane Reaktion, die du nicht durchdacht hast.“

Feindseligkeit flammte auf, floss wie Feuer durch ihre Adern. „Oh, glaub mir, ich habe es genau durchdacht. Sei mir nicht böse, aber deine Kritik hinsichtlich meiner Reife kann ich nicht allzu ernst nehmen – nach dem kindischen Unsinn, den du dir heute geleistet hast. Du wolltest wohl jeden Mann in Kalifornien zum Lachen bringen? Das ist dir gelungen, du kannst stolz auf dich sein. Hast die Frauen wieder in ihre Schranken verwiesen.“

Er kniff die Augen zusammen. „Ich hole Frauen dann in den Vorstand, wenn sie es verdienen, Bailey, nicht um Eindruck zu schinden. Du bist extrem fähig und kannst weit kommen, wenn du endlich diesen Drang abstellst, dich ständig beweisen zu müssen.“

Auch das indirekte Kompliment konnte sie nicht von ihrem Entschluss abbringen. Dieser Mann würde sich nie ändern. „Ich bin besser als jeder Mann in dieser Firma, und das reicht noch immer nicht. Ich hab’s satt, dich beeindrucken zu wollen. Scheinbar geht das nur mit Körbchengröße D.“

Er verzog die Lippen zu diesem Lächeln, bei dem die Frauen dahinschmolzen. „Es gibt wohl keinen Mann im Silicon Valley, der dir irgendeinen Mangel vorwerfen würde. Du machst nur nichts daraus.“

Ihre Wangen begannen zu brennen. Diesen Kommentar hatte sie sich selbst zuzuschreiben. Aber es wurde Zeit, dass sie ging.

„Hier.“ Sie drückte ihm den Briefumschlag in die Hand. „Das ist meine Antwort auf dein Manifest. Es ist die abgemilderte Fassung.“

Er warf einen kurzen Blick über das Schreiben, zerriss es in zwei Hälften, ohne sie aus den Augen zu lassen. „Ich akzeptiere die Kündigung nicht.“

„Du kannst froh sein, dass ich dich nicht wegen Diskriminierung vor den Kadi ziehe. Die Personalabteilung hat natürlich auch eine Kopie.“ Sie drehte sich um und ging zur Tür.

„Ich biete dir die VP-Stelle im Marketing an, Bailey. Du hast die Chance verdient.“

Wie vom Donner gerührt blieb sie stehen, doch die erste Euphorie wich der Erkenntnis dessen, was hier gerade vor sich ging. Langsam wandte sie sich zu ihm um, musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen. „Von wem stammt die Anordnung?“ Das winzige Zucken in seiner Wange entging ihr nicht, und das fachte ihren Ärger nur noch weiter an. „Du brauchst mich als Alibi-Frau in der Chefetage, um die Wogen zu glätten.“

Er presste die Kiefer aufeinander. „Ich will dich als meine Vizepräsidentin für Marketing. Punkt. Du hast die Beförderung verdient, jetzt sei nicht dumm, und nimm sie an. Übermorgen werden wir in Davide Gagnons Haus in Südfrankreich erwartet, um den Marketingplan vorzustellen, und ich brauche dich an meiner Seite.“

Sie wollte ablehnen, wollte ihm sein Angebot vor die Füße schleudern und mit erhobenem Kopf würdevoll zur Tür hinausschreiten. Zwei Dinge hielten sie davon ab. Erstens wurde ihr eine Position angeboten, auf die sie ihr ganzes Leben hingearbeitet hatte. Und zweitens: So arrogant und unmöglich der Mann auch war, er war brillant. Als Gleichberechtigte mit ihm zusammenzuarbeiten würde ihr alle Türen für die Zukunft öffnen und garantieren, dass sie nie wieder zu dem Leben zurückkehren musste, das hinter sich zu lassen sie geschworen hatte.

Der Überlebenswille war stärker als der Stolz. Dass Männer in ihrer Welt das Ruder in der Hand hielten, war nichts Ungewöhnliches. Sie wusste, wie sie damit umgehen musste, wusste, wie sie sie schlagen konnte. Jared Stone würde sie auch schlagen, davon war sie überzeugt. Sie würde ihm zeigen, wie falsch er mit seiner Einschätzung von Frauen lag. Das wäre ihr Geschenk an alle Frauen dieser Welt.

„Na gut, ich nehme an. Unter zwei Bedingungen. Du verdoppelst mein Gehalt, und ich bekomme den Titel CMO.“

„In der Firma gibt es keinen Chief Marketing Officer.“

„Jetzt schon.“

Seine Augen weiteten sich unmerklich. „Bailey …“

„Kein Problem. Meine Kündigung liegt ja vor.“ Sie drehte sich wieder um. Sie war wirklich bereit zu gehen.

„Einverstanden.“

In dem Moment war ihr klar, dass Jared Stone in großen Schwierigkeiten steckte und sie die Oberhand hatte. Doch als sie beschwingt an Marys Schreibtisch vorbeiging, wusste sie auch, dass die Euphorie nicht lange anhalten würde.

Sie hatte soeben einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, und dafür zahlte man immer einen Preis.

2. KAPITEL

Als Bailey vierundzwanzig Stunden später in das Taxi zum Flughafen stieg, um die Geschäftsreise nach Frankreich anzutreten, hatte der Wirbel um Jareds Manifest den Siedepunkt erreicht. Zwei Frauenorganisationen riefen zum Boykott aller Produkte von Stone Industries auf, Frauen in Führungspositionen gaben beißende Kommentare ab, und als Antwort waren jetzt die ersten männlichen Stimmen zu lesen, die Jared Stone zu „couragierter Offenheit“ und „erfrischenden Ansichten“ gratulierten.

Es war das pure Chaos. Und jetzt lief auch noch im Radio irgendeine Show, die die Zuhörer aufforderte, beim Sender anzurufen und ihre Meinung kundzutun. Die gegenseitigen Beschimpfungen nahmen kein Ende.

„Bitte, könnten Sie einen anderen Sender einstellen? Irgendetwas, nur ein anderes Thema. Das ist ja nicht mehr zum Aushalten.“

Der Taxifahrer warf ihr im Rückspiegel einen Blick zu, der besagte, dass der Mann völlig mit Jared Stone übereinstimmte, aber immerhin wählte er einen anderen Sender. Bailey fischte ihr Smartphone aus der Handtasche und rief ihre beste Freundin an. Mit Aria Kates hatte sie während der Studienzeit zusammengewohnt, und sie informierte sie auch heute noch über ihre Pläne, damit wenigstens eine Person immer wusste, wo sie sich aufhielt.

„Wo bist du?“, fragte Aria auch sofort. „Seit diese Sache mit Jared Stone an die Öffentlichkeit gelangt ist, versuche ich, dich zu erreichen.“

„Auf dem Weg zum Flughafen. Richtung Frankreich. Zusammen mit ihm.“

„Bailey, wieso hast du nicht sofort gekündigt? Dieses Pamphlet ist eine Unverschämtheit.“

Bailey lehnte sich in die abgenutzten Polster zurück. „Er hat mich zur CMO gemacht.“

„Und wenn er dich zum Oberhaupt der Anglikanischen Kirche macht! Der Mann ist ein Idiot!“

Bailey starrte auf die Schlange vor ihnen. „Ich will diesen Job, Aria. Ich weiß natürlich, wieso er mich befördert hat – er braucht eine Alibi-Frau. Deshalb werde ich trotzdem alles aus dem Job herausholen, was möglich ist, und dann verabschiede ich mich.“

Genau so, wie sie es schon immer hielt. Mitnehmen, was sich bot, und sich auf ihre Fähigkeiten verlassen. Ohne sich von den abwertenden Kommentaren anderer entmutigen zu lassen.

„Man behauptet ja von ihm, dass er entweder die ganze Welt erobert oder aber alle anderen mit sich in den Abgrund reißt.“

Zum ersten Mal heute lächelte Bailey. „Habe ich dir eigentlich je erzählt, warum ich die Stelle in seiner Firma angenommen habe?“

„Weil dich sein Verstand fasziniert, Bails. Und, wie ich vermute, noch so einiges andere.“

Autor

Jennifer Hayward
<p>Die preisgekrönte Autorin Jennifer Hayward ist ein Fan von Liebes- und Abenteuerromanen, seit sie heimlich die Heftromane ihrer Schwester gelesen hat. Ihren ersten eigenen Liebesroman verfasste Jennifer mit neunzehn Jahren. Als das Manuskript von den Verlagen abgelehnt wurde und ihre Mutter ihr empfahl, zunächst mehr Lebenserfahrung zu sammeln, war sie...
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