Wie ein Traum aus 1001 Nacht

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Auf einem Prachtgestüt inmitten der wilden Schönheit Arabiens könnte für die Pferdetrainerin Maggie ein Märchen wahr werden: Der glanzvolle Herrscher des Landes, Prinz Khalid Bin Shareef, möchte sie heiraten. Aber liebt er sie? Oder will er nur, dass sie ihm einen Erben schenkt?


  • Erscheinungstag 19.03.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733716196
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Maggie senkte Schutz suchend den Kopf und kämpfte sich weiter die schmutzige Straße entlang, während ihr der eiskalte Regen erbarmungslos ins Gesicht peitschte.

Die nassen Kleider klebten an ihr, weil sie vergessen hatte, ihren Mantel zuzuknöpfen. Wasser rann ihre Beine hinab und sammelte sich in den Gummistiefeln. Und ihre Haare, die sie sorgfältig gewaschen und geföhnt hatte, klebten zerzaust an ihrem Hals.

Nachdem sie eine ganze Weile gehetzt durch die Dunkelheit gestolpert war, verlangsamten sich ihre Schritte und wurden schleppender, bis Maggie schließlich stehen blieb. Unter normalen Umständen hätte sie ganz selbstverständlich ihren Jeep genommen, um nach Hause zu fahren. Aber nach dem, was sie bei dem Blick durch Marcus’ achtlos zugezogene Wohnzimmervorhänge gesehen hatte, war jeder klare Gedanke ausgeblendet gewesen, und sie war einfach davongelaufen … Noch immer sah sie das Bild, das sich unauslöschlich in ihren Gedanken eingebrannt hatte, vor sich: Marcus in leidenschaftlicher Umarmung mit seiner Geliebten.

Auf ihrer blinden Flucht durch die Dunkelheit musste sie direkt an ihrem Wagen vorbeigelaufen sein. Ein unangenehmes Kratzen im Hals machte ihr das Atmen schwer. Sie sollte unbedingt zu Hause sein, bevor die aufgewühlten Emotionen sie endgültig überwältigten.

Mittlerweile verstand sie sein Prinzip von Zuckerbrot und Peitsche. Mal war er zu beschäftigt, um sich mit ihr zu treffen, ein anderes Mal verhielt er sich wieder aufmerksam und liebevoll. Seine Zuneigung war geheuchelt, er brauchte sie nur als Alibi, um seine Affäre mit der jungen Ehefrau eines eifersüchtigen Pferdezüchters zu vertuschen.

Maggie wurde blass. Sie war so naiv gewesen und hatte ihm geglaubt, dass Marcus sie aus Respekt vor ihrem schmerzvollen Verlust nicht drängen wollte. Er sagte, sie solle sich vollkommen sicher sein, bevor sie sich auf eine echte Beziehung einließ.

Und die unschuldige Maggie war sich sicher gewesen. Sie wollte ihm beweisen, dass sie eine begehrenswerte Frau war, erwachsen und durchaus bereit für eine ernsthafte Bindung. Aus unendlich vielen Frauenmagazinen hatte sie zusammengetragen, was er sich möglicherweise bei einer Geliebten wünschen konnte. Ängste und Zweifel hatte sie energisch über Bord geworfen, sogar ein neues Kleid hatte sie sich besorgt.

Ihr bitteres Lachen wurde vom Wind fortgetragen. Er hatte sie niemals gewollt. Sie war zu unerfahren und verblendet gewesen, um zu erkennen, dass er sie nur ausgenutzt hatte. Übelkeit schnürte ihr die Kehle zu, und Maggie kämpfte verzweifelt gegen den Würgereiz. Sie beugte sich vor und stellte fest, dass ein schwaches Licht auf ihre Stiefel schien. Vergessen war für den Moment das Bild verschlungener, nackter Körper in ihrem Kopf – woher kam dieses Licht?

„Brauchen Sie Hilfe?“ Eine tiefe Stimme drang durch die Dunkelheit zu ihr.

Verwirrt richtete sie sich auf und blinzelte in das Licht greller Scheinwerfer. Dann erkannte sie die Silhouette eines Mannes, der groß und schlank und irgendwie fremd aussah. Seine auffallend breiten Schultern waren beeindruckend, und Maggie verspürte den Impuls, sich an seine Brust zu schmiegen und dort auszuweinen.

Glücklicherweise gewann ihr Verstand wieder die Oberhand. Sie hatte keine Ahnung, wer dieser Mann war. Zudem musste sie gerade erst lernen, wie wenig sie sich auf ihre Menschenkenntnis verlassen konnte. Marcus besaß alles, was sie sich bei einem Mann, einem Geliebten, einem Gefährten erträumte – jedenfalls hatte sie das geglaubt.

Die Silhouette näherte sich ihr, und erst jetzt wurde ihr die Größe und Ausstrahlung des Fremden bewusst.

„Ihnen geht es offenbar nicht gut. Wie kann ich Ihnen helfen?“ Man hörte einen leichten Akzent aus seiner Stimme heraus.

„Wer sind Sie?“, erkundigte sie sich zögernd und so leise, dass sie es selbst kaum wahrnahm.

Für einige Sekunden herrschte Stille, nur das Rauschen von Wind und Regen war zu hören.

„Ich bin Gast auf Tallawanta Stud. Ich wohne dort vorübergehend im Haupthaus.“

Jetzt erkannte sie auch den riesigen Geländewagen, dessen Scheinwerfer sie blendeten. Nur das Beste für die Gäste im Haupthaus! Und diese Woche handelte es sich um einen Gesandten des Scheichs von Shajehar, der das Gestüt inspizieren sollte.

Das erklärte den Akzent. Der Fremde sprach ein deutlich einstudiertes Englisch, wie es auf britischen Schulen unterrichtet wurde. Aber die sanfte Betonung der Konsonanten verlieh seiner Aussprache etwas aufregend Exotisches.

„Oder sollen wir beide hier draußen stehen bleiben, bis wir nass bis auf die Haut sind?“

Seine Worte klangen nicht ungeduldig, trotzdem ließ der leise Unterton keinen Widerspruch zu. Maggie bemerkte, dass der Mann keinen Mantel trug.

„Tut mir leid“, beeilte sie sich zu sagen. „Ich bin gar nicht …“

„Hatten Sie einen Unfall?“, unterbrach er sie sanft, aber dennoch nachdrücklich.

„Nein. Keinen Unfall. Ich … Könnten Sie mich vielleicht ein Stück mitnehmen?“ Sie hatte keine Hemmungen, ihn um Hilfe zu bitten. Immerhin war er ein Ehrengast, von dem sie bereits gehört hatte. Und sie befanden sich auf der Privatstraße des Gestüts, und bei diesem Wetter würde niemand mehr unterwegs sein, der hier nichts zu suchen hatte.

„Selbstverständlich.“ Galant führte er sie zu dem luxuriösen Geländewagen. Seine Schritte waren so geschmeidig, als würde er über einen roten Teppich und nicht über eine schlammige Straße gehen. Mit wackeligen Knien stolperte Maggie hinter ihm her.

Er öffnete die Beifahrertür und umfasste Maggies Ellenbogen, um ihr auf den Sitz zu helfen. Ohne seine Unterstützung hätte sie es nicht geschafft.

„Danke!“ Erschöpft ließ sie sich gegen die weiche Lehne sinken und löste ihre verkrampften Finger, mit denen sie ihre hochhackigen Sandaletten und ihre kleine Handtasche umklammert hielt. Beides fiel zu Boden. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass sie die High Heels und die Tasche noch immer festgehalten hatte.

Die Wärme im Auto war ein himmlischer Kontrast zu dem heulenden Unwetter draußen, und Maggie schloss erleichtert die Augen. Ruhe durchströmte sie bis in die Fingerspitzen.

„Hier“, bahnte sich eine tiefe Stimme den Weg in Maggies Bewusstsein, „nehmen Sie dies!“

Ganz langsam wandte sie sich der Stimme zu und öffnete die Augen. Sie hatte mit der Müdigkeit zu kämpfen, die sie plötzlich überfiel. Dann blickte sie in das schwärzeste Augenpaar, das sie jemals gesehen hatte. Der Fremde betrachtete Maggie und nahm jedes Detail ihrer Erscheinung auf. Sein Haar war lackschwarz und die Haut bronzefarben.

Maggie schnappte hörbar nach Luft und riss die Augen unwillkürlich weit auf. Noch nie hatte sie einen schöneren Mann gesehen, schon gar nicht so nahe vor sich.

Die aristokratische Nase war ganz leicht gekrümmt und unterstrich so seine energischen Gesichtszüge und die herrlich geschwungenen Lippen. Sie stellte sich vor, wie dieser schöne Mund wohl aussah, wenn der Mann verärgert oder auch amüsiert war. In Kombination mit dem kantigen Kiefer hatte dieser Mund eine magnetische Anziehungskraft auf Maggie. Sie hätte nie geglaubt, dass ein Mann so sehr wie ein adeliger Krieger aus Tausendundeiner Nacht wirken konnte …

„Hier“, wiederholte er und drückte ihr eine Wolldecke in die Hand. Dann zog er leicht die Augenbrauen zusammen. „Und Sie sind ganz sicher nicht verletzt?“

Sie schüttelte den Kopf und vergrub dann ihr Gesicht in der weichen Decke, die er ihr gereicht hatte. Ihre Hände zitterten stark, so unangenehm war ihr diese Situation. Ob es an seinem forschenden Blick oder an ihren wirren Gedanken lag, wusste sie allerdings nicht.

Ich muss unter Schock stehen, dachte sie benommen. Das würde meine überstürzte Flucht und dieses surreale, taube Gefühl im Innern erklären. Ich stehe ganz sicher unter Schock!

Jede Frau wäre außer sich, wenn sie herausgefunden hätte, was Maggie an diesem Tag erfahren hatte.

„Aufhören!“ Mit festem Griff legte er seine Hand unter ihr Kinn und zwang sie, zu ihm rüberzuschauen. Seine Finger fühlten sich auf ihrer klammen Haut beruhigend fest und warm an.

„Womit?“, fragte sie mit erstickter Stimme und starrte wie hypnotisiert in seine tiefschwarzen Augen.

Dann verschluckte sie sich an ihrem eigenen Atem, und ihr Herz schien einen Schlag auszusetzen. Ruckartig sog sie Luft ein und spürte ein leichtes Brennen in ihrem Brustkorb.

„Sie laufen Gefahr, hysterisch zu werden.“

Die Wärme seiner Finger brannte förmlich auf ihrer Haut. „Tut mir leid, ich … ich bin wohl etwas neben der Spur.“ Nur mühsam brachte sie ihre Zunge und ihre Lippen dazu, einigermaßen verständliche Worte zu formulieren. „Es geht gleich wieder.“

„Sie sind zu lange hier draußen im Sturm gewesen“, brummte er und schlang die Decke fest um ihre Schultern. Dabei wurde Maggie wie eine kraftlose Puppe leicht in seine Richtung gezogen. Energisch richtete er sie wieder auf. „Wo kommen Sie her? Wie lange waren Sie dort draußen?“

Ihr Mund verzog sich zu einem verträumten Lächeln, während sie seinen maskulinen Duft einatmete und langsam die Lider schloss. Sie liebte diesen fremdländischen Akzent – er klang so herrlich geheimnisvoll und verführerisch. Erschrocken riss sie die Augen auf, als er kurz ihre Schulter berührte.

„Hat Ihnen jemand etwas angetan?“ Sein Tonfall wurde auffallend scharf.

„Nein, nein, mir geht es gut. Es ist nur …“ Verwirrt blinzelte sie. „Ich muss unbedingt zurück. Bitte!“

Er nickte nur und griff nach ihrem Gurt. Die Nähe seines Körpers, während er sie anschnallte, wärmte sie mehr als die dicke Decke.

„Wohin?“

Er setzte sich zurück in den Fahrersitz, und Maggie fröstelte unwillkürlich. Dann startete er den Motor. Ihr Instinkt sagte ihr, dass sie diesem Fremden vertrauen konnte.

„Noch sechs Kilometer, dann rechts. Von dort ist es dann noch ein ganzes Stück.“

Der Wagen setzte sich in Bewegung, und dichter Regen prasselte unablässig auf die Windschutzscheibe. Maggies Blick fiel auf ihre Stiefel.

„Entschuldigen Sie, meine Schuhe sind ganz dreckig“, flüsterte sie.

„Dies ist ein Geländewagen“, beruhigte er sie. „Der hat mit Sicherheit schon viel Dreck gesehen.“

So spricht ein Mann, der noch nie ein Auto von innen reinigen musste, dachte sie sofort. Schließlich wusste sie, dass dieser Geländewagen für wichtige Gäste reserviert wurde, die nur das Beste gewohnt waren.

„Wie heißen Sie?“ Einen Moment lang glaubte sie, er hätte ihre Frage nicht gehört.

„Khalid. Und Sie?“

„Maggie.“ Sie zog die Decke fester um sich. „Maggie Lewis.“ Zum Glück hatten ihre Zähne aufgehört zu klappern.

„Schön, Sie kennenzulernen, Maggie.“ Sein Tonfall klang sehr formell. Sie fragte sich, was er wohl so machte, wenn er nicht gerade ein australisches Pferdegestüt besuchte oder verlorene Frauen von einsamen Straßen auflas.

Khalid konzentrierte sich auf die Straße, die im Regen immer schlechter zu erkennen war. Er machte sich ernsthafte Sorgen um die völlig durchnässte, verstörte Frau neben sich. Sechs Kilometer und dann noch ein ganzes Stück? So lange durfte er nicht mehr damit warten, sie ins Trockene zu bringen. Er würde mit ihr nach Tallawanta fahren und sie dort pflegen, bis sie sich erholt hatte.

Ihr Erscheinen war ihm ein Rätsel. Er hatte kein Auto in der Nähe bemerkt, und unter ihrem Ölzeug trug sie auch keine Arbeitskleidung. Die langen, schlanken Beine, die unter ihrem Regenmantel hervorlugten, hatten sofort seine Aufmerksamkeit erregt. Außerdem hatte sie High Heels in der Hand getragen, die dazu gemacht waren, die Nacht durchzutanzen und einen Mann zu verführen.

Was war geschehen? Hatte ihr irgendein Mann Schaden zugefügt?

Trotz ihrer Größe hatte sie etwas sehr Zerbrechliches an sich. Ihre Augen wirkten in dem blassen Gesicht riesig, und die Linie ihres Halses war geschmeidig und fragil.

Sie war heute Abend nicht auf der offiziellen Feier zu Ehren des Thronerben von Shajehar gewesen, das wäre Khalid aufgefallen.

Aus dem Augenwinkel betrachtete er sie, während sie mit geschlossenen Augen dasaß. Es machte ihn neugierig, was sie bei diesem Wetter vor die Tür getrieben hatte. Und er war schon lange nicht mehr neugierig gewesen.

Endlich einmal war es ihm gelungen, ohne seine Entourage von Sicherheitskräften und überfürsorglichen Gastgebern unterwegs zu sein. Daher stand es ihm frei, seine Neugier zu befriedigen und seinen Instinkten zu folgen. Nur weil sein Sicherheitschef endlich eingesehen hatte, dass er Khalid etwas Freiheit zugestehen musste.

Sechs Wochen lang hatte Khalid pflichtbewusst die königlichen Besitztümer seines Halbbruders in Europa, Amerika und Australien besucht. Aber er teilte Faruqs Liebe zu Glanz und Luxus nicht. Als Erbe seines todkranken Halbbruders hatte man Khalid jedoch seit Kurzem ein riesiges Sicherheitsgefolge an die Seite gestellt. Der immense Umfang war eher auf Faruqs Sinn für das Außergewöhnliche als auf eine echte Bedrohung zurückzuführen.

Am überflüssigsten fand Khalid jedoch die sozialen Verpflichtungen! Seine Zeit wäre besser genutzt, wenn er sich um sein jüngstes Projekt kümmern könnte: eine Frischwasserversorgung des abgelegenen Berglands von Shajehar. Das würde seinem Volk wenigstens eine spürbare Verbesserung der Lebensgrundlage bringen.

Vor ihm tauchten gedämpfte Lichter in der Dunkelheit auf, und etwas Anspannung fiel von Khalid ab. Gleich konnte er seinen Schützling ins Warme bringen und einen Arzt rufen, falls das nötig war. Geschickt lenkte er den Wagen um die Garagen herum und hielt vor dem hinteren privaten Flügel der weitläufigen Anlage.

„Da sind wir.“ Vorsichtig legte er eine Hand an ihre Wange. Sie war eiskalt. „Maggie! Wach auf!“

Wieder diese Stimme, und dieses Mal klang sie richtig eindringlich.

„Maggie!“

Unwillig wehrte sie die Hand ab, die ihre süßen Träume stören wollte. Dann spürte sie einen warmen, kräftigen Arm im Nacken und hatte das Gefühl zu schweben. Dicht an ihrem Ohr pochte ein kräftiger Herzschlag, und Maggie fühlte sich so geborgen wie noch nie.

Instinktiv kuschelte sie sich an den festen, wärmenden Körper und atmete tief durch. Doch der Körper war ganz nass, und sie öffnete erschrocken die Augen, nur um festzustellen, dass sie durch den stürmischen Regen in ein Haus getragen wurde.

Sie befanden sich auf Tallawanta.

„Sie … Du kannst mich jetzt runterlassen“, verlangte sie abrupt, doch Khalid beachtete diesen Einwand nicht.

Schweigend trug er sie durch lange Flure und setzte sie schließlich vorsichtig auf dem Boden ab. Noch immer lag Maggie in seinen Armen, und sie hatte das unbestimmte Gefühl zu träumen.

„Und jetzt ist es Zeit für dich, diese Kleider loszuwerden“, murmelte die verführerische Stimme.

„Wie bitte?“ Mit einem Mal war sie hellwach und stemmte ihre Hände gegen seine Brust.

Ihm fiel auf, dass ihre großen Augen eine goldene Farbe hatten, in die sich ein paar hellgrüne Flecken mischten: faszinierend.

„Du musst aus den nassen Sachen heraus.“

„Nicht solange du dabei zusiehst.“ Formalitäten schienen vergessen, und Maggies Wangen färbten sich rosa, was ein paar leichte Sommersprossen noch besser zum Ausdruck brachte.

„Ich möchte nur nicht, dass du dich erkältest. Auf deinen Körper habe ich es nicht abgesehen.“

Ihre Gesichtsfarbe wurde dunkler, und sie biss sich verlegen auf die Unterlippe. „Ich kann auf mich selbst aufpassen. Ich brauche keine Hilfe.“

Ihre Haltung stachelte seine Neugier weiter an, und heute gehörte seine Zeit endlich einmal nur ihm allein.

An zwei Dinge hatte Khalid immer geglaubt: Instinkt und Pflicht. Vor Jahren, in den dunklen Trauertagen nach Shahinas Tod, hatte ihn nur sein Pflichtgefühl am Leben gehalten. Die Verantwortung für seine Leute wahrzunehmen hatte ihm eine Aufgabe und auch Kraft gegeben, als er in der Trauer um seine geliebte Frau zu versinken drohte.

Seither ließ er sich von seinen Instinkten und seinem Pflichtgefühl lenken.

Und von etwas anderem. Maggie Lewis hatte ihn auf eine Art berührt, die er schon seit langer Zeit nicht mehr erlebt hatte. Diese Erkenntnis faszinierte und erschreckte ihn gleichermaßen.

„Hätte ich dich dort draußen dem Sturm überlassen sollen?“

„Das meinte ich nicht. Ich bin wirklich dankbar für die Rettung.“ Ungläubig sah sie sich in dem geräumigen Marmorbad um. „Es wäre einfacher gewesen, wenn du mich nach Hause gebracht hättest.“

Ihre Aussprache klang undeutlich, aber ihre Augen waren offen und klar. Deshalb vermutete er, dass eine fiebrige Erkältung und nicht Alkohol oder Drogen dafür verantwortlich waren.

Benommen sah Maggie dabei zu, wie er aus seinem Jackett schlüpfte und es über einen Korbsessel warf. Sie konnte nicht umhin, seinen stattlichen Oberkörper und die schmalen Hüften zu bewundern. Sein nasses Shirt klebte auf der Haut, und Maggie bekam angesichts dieser männlichen Perfektion einen trockenen Mund.

Sie verspürte eine unangenehme Hitze. Natürlich wollte er sie nicht nackt sehen! Schließlich war sie nie sonderlich attraktiv gewesen. Wut und Scham vermengten sich zu einem Strudel unerbittlichen Selbstmitleids.

Verzweifelt blinzelte sie gegen die aufsteigenden Tränen an. Heute Abend war ihr lediglich bestätigt worden, was sie seit Jahren wusste: Männer fanden sie nicht anziehend.

Ein plätscherndes Geräusch ließ sie aus ihren trüben Gedanken aufschrecken. Khalid hatte sich vorgebeugt und die Dusche angestellt, was Maggie einen heimlichen Blick auf seine wohlgeformte Rückseite gestattete. Nicht einmal Marcus mit seinen lachenden blauen Augen und seiner kräftigen Gestalt konnte diesem Bild maskuliner Präsenz das Wasser reichen.

„Lass dir wenigstens aus dem Mantel helfen!“ Er wartete keine Antwort ab. Offenbar war er es gewohnt, dass man ihm bedingungslos gehorchte.

Stumm starrte Maggie ihn an und schämte sich für das Verlangen, das dieser Anblick in ihr entfachte. Marcus hatte nichts dergleichen in ihr ausgelöst. Er bedeutete ihr etwas, natürlich, sie respektierte ihn und ging auch davon aus, dass Intimität der nächste logische Schritt in ihrer Beziehung war. Aber sie hatte nie etwas Ähnliches in seiner Nähe empfunden!

So fühlt sich sexuelles Verlangen an? fragte sie sich im Stillen.

Ihre Erfahrung war ziemlich begrenzt. Sie hatte ihr Leben auf einer Farm verbracht, isoliert mit ihrem herrischen Vater und langen Stunden harter Arbeit. In dieser Situation war ihr die unschuldige Beziehung zu Marcus unglaublich ernst und wertvoll vorgekommen.

„Jetzt das Kleid, und mit dem Rest kommst du bestimmt allein zurecht“, sagte er mit fester Stimme, und wieder wurden Maggies Knie weich, als sie seinen sexy Akzent vernahm.

Das muss sofort aufhören, ermahnte sie sich streng. Keine weiteren erotischen Fantasien, in denen ein exotischer Fremder die Hauptrolle spielt!

Sie biss sich fest auf die Unterlippe, während er ihr den Reißverschluss öffnete, unendlich langsam, Zentimeter für Zentimeter. Maggie bekam eine Gänsehaut, obwohl Khalid sie nicht einmal direkt berührte.

Kerzengerade blieb sie stehen, und ihr wurde allmählich bewusst, dass sie bis auf ihre Unterwäsche nackt war. Umso erniedrigender, dass er nicht einmal einen Annäherungsversuch unternahm.

Wem versuche ich eigentlich, mit diesem neuen Kleid, etwas vorzumachen? überlegte sie unglücklich. Ihr Körper war zu groß und schmal, ohne verführerische sinnliche Kurven.

In den Ställen betrachteten sie die anderen Arbeiter als einen von ihnen. Das sagte doch wohl alles! Sie wurde für ihre gründliche Arbeit bewundert, für mehr nicht. Plötzlich verspürte sie ein schmerzhaftes Stechen in der Magengegend und beugte sich leicht vor.

„Maggie? Hast du Schmerzen?“

Sie spürte seine kräftigen Hände auf ihren Schultern. „Nein“, keuchte sie schnell. „Aber ich möchte allein sein. Bitte!“

Er verzog den Mund zu einer grimmigen Linie. „Wie du wünschst.“ Im nächsten Augenblick war er verschwunden, und um ein Haar hätte Maggie ihn zurückgerufen. Es fühlte sich irgendwie falsch an, so einsam in dem riesigen Badezimmer zu stehen.

Dann gewann ihr Stolz die Oberhand. Immerhin war sie es seit jeher gewohnt, für sich selbst zu sorgen. Mit langsamen Schritten bewegte sie sich auf die Dusche zu.

2. KAPITEL

In einen übergroßen weißen Morgenmantel gehüllt, verließ Maggie das Badezimmer. Die Hände hatte sie tief in die Taschen des Mantels geschoben.

„Fühlst du dich jetzt besser?“ Er betrachtete sie von Kopf bis Fuß. „Auf jeden Fall siehst du wesentlich erholter aus. Endlich hast du mal eine gesunde Gesichtsfarbe.“

Maggie fühlte sich in ihrem Aufzug nicht gerade wohl, aber es war besser, als nur in Unterwäsche vor Khalid zu stehen. Trotzdem verursachte sein prüfender Blick ein unerträgliches Kribbeln auf ihrer Haut. Vielleicht war es auch Khalids unverschämt gutes Aussehen. Er hatte sich umgezogen, und Maggie konnte ihren bewundernden Blick nicht mehr von ihm abwenden.

„Danke. Mir geht es tatsächlich um einiges besser. Heißes Wasser wirkt Wunder, was?“, fügte sie hinzu und fuhr sich nervös mit der Zunge über die Lippen.

„Komm!“ Er streckte ihr seine Hand entgegen, die sie, ohne zu zögern, annahm. Der feste Griff seiner Finger hatte einen beruhigenden Effekt auf Maggie, auch wenn seine Berührung ihre Fantasie aufs Neue entfesselte.

Er führte sie in ein auffallend orientalisch eingerichtetes Wohnzimmer und wies mit dem Kopf zu einem gemütlichen Sofa.

Autor

Annie West
Annie verbrachte ihre prägenden Jahre an der Küste von Australien und wuchs in einer nach Büchern verrückten Familie auf. Eine ihrer frühesten Kindheitserinnerungen besteht darin, nach einem Mittagsabenteuer im bewaldeten Hinterhof schläfrig ins Bett gekuschelt ihrem Vater zu lauschen, wie er The Wind in the Willows vorlas. So bald sie...
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