Wie soll ich dir bloß widerstehen …

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"Allison, du bist eine echte Versuchung!” Und das meint Jared völlig ernst, als er der kleinen Schwester seines besten Freundes auf einem Hochzeitsempfang gegenübersteht. Und dann macht er etwas, das er sich selbst nicht verzeihen kann: Er geht auf ihre süßen Flirtversuche ein und zeigt ihr in einer sinnlichen Nacht, was Leidenschaft ist. Hinter dem Rücken seines Freundes! Bei diesem einen Mal muss es bleiben, schwört Jared sich am nächsten Morgen. Doch sechs Jahre später sieht er sie wieder. Und diesmal ist Allison eine noch größere Versuchung …


  • Erscheinungstag 22.07.2023
  • ISBN / Artikelnummer 9783751523042
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Obwohl er auf sein iPad schaute, nahm er die Notizen auf dem Bildschirm nicht wahr. Er konnte nur die dunkelblauen Augen sehen, langes blondes Haar und einen sexy Körper, der ihm noch immer den Atem raubte. Auch nach sechs Jahren endloser Kämpfe gegen die Erinnerungen hatte er noch immer keine Sekunde jener Nacht vergessen, die er mit Allison Tyler verbracht hatte …

Es war bei einer Hochzeit im Juni im damals neuen Countryclub Houstons gewesen. In dem vollen Ballsaal hatte jemand ihn angestoßen und damit eine Kettenreaktion ausgelöst. Als er mit der Schulter die Frau neben ihm streifte, spritzte Champagner aus dem Kristallglas in ihrer Hand. Die große schlanke Blondine trug ein hellblaues Kleid mit einer Jacke, die knapp über ihrer schmalen Taille endete. Das Kleid reichte nicht einmal bis zu den Knien und brachte daher ihre langen wohlgeformten Beine zur Geltung.

Jared schnappte sich ein Champagnerglas von einem vorbeieilenden Kellner und bot es ihr an. Dabei nutzte er die Gelegenheit, ihr in die Augen zu sehen, die von einem ungewöhnlichen Indigoblau waren und ihn ebenso faszinierten wie die dunklen langen Wimpern. Er verspürte ein angenehmes Prickeln.

„Ich bin Allison Tyler“, stellte sie sich vor, nahm lächelnd das Champagnerglas entgegen und streckte ihm die Hand hin.

Als er sie berührte, begann seine Haut zu prickeln. Jared fluchte im Stillen und nahm die Blondine genauer in Augenschein. Sie mochte aussehen wie zwanzig, war aber vermutlich erst achtzehn. Zu jung für ihn.

„Das könnten gute oder schlechte Neuigkeiten sein“, erwiderte er und schüttelte ihr die Hand. Es widerstrebte ihm, sie wieder loszulassen, denn er hatte das Gefühl, sie dann zu verlieren. Gleichzeitig war ihm klar, dass genau das passieren sollte. Allison Tyler …

Lächelnd neigte sie den Kopf zur Seite. „Warum?“

Ihr älterer Bruder Sloan war sein bester Freund, jemand, der sich ständig Sorgen machte. Und Jared verstand die Besorgnis seines Freundes. Da die Mutter und ihr Bruder Chad bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen waren, hatte Sloans Beschützerinstinkt seiner jüngeren Schwester gegenüber nur noch zugenommen.

Jared war hin und her gerissen zwischen dem, was er wollte, und dem, was er tun sollte. „Tja, ich denke, an diesem Punkt werde ich mich wohl besser verabschieden“, meinte er und fügte, als sie ihn nur verwirrt ansah, hinzu: „Ich bin Jared Weston.“

Ihre Augen weiteten sich, und ihr Lächeln wurde breiter. Sie verstärkte den Händedruck, was Jared überraschte. „Ah … verstehe. Ich hätte dich gleich erkennen müssen, aber es ist ja schon Jahre her.“ Sie trat ein Stückchen zurück, um ihn von Kopf bis Fuß zu mustern. „Weißt du was, Jared? Ich bin jetzt erwachsen.“

Er betrachtete sie … und war augenblicklich gefesselt. Von allen Frauen dieser Erde sollte er ausgerechnet Allison Tyler unbedingt aus dem Weg gehen. Sie war viel jünger als er und die Schwester seines besten Freundes. Warum musste sie so anziehend sein?

„Stimmt, du bist erwachsen. Ich habe dich nicht erkannt. Du siehst ganz anders aus als damals, als du sieben warst oder zwölf.“

Ihre dunkelblauen Augen funkelten amüsiert. „Stell dir mal vor. Ich sehe dich auch nicht mehr auf die gleiche Weise wie damals.“

Er bemerkte, dass ihre Hand nach wie vor in seiner lag.

„Wenn wir schon Händchen halten, können wir ebenso gut tanzen“, schlug er vor. „Ein Tanz. Bei einem einzigen harmlosen Tanz kann ich keinen schlechten Einfluss auf dich haben.“

„Vielleicht wird der ja gar nicht so harmlos“, gab sie zu bedenken. Sie flirtete mit ihm, und das beschleunigte seinen Puls.

„Allison, du bist eine echte Versuchung“, warnte er sie, um den Moment hinauszuzögern.

„Sloan bestimmt nicht über mein Leben. Wir können tanzen, wenn wir wollen. Vergiss ihn.“

Sie trank einen Schluck Champagner, stellte das Glas auf einen Tisch und ging mit Jared auf die Tanzfläche. Als er sie ihm Arm hielt, umgab ihn ihr betörender Parfümduft.

Wenn er sie ansah, konnte er ihren älteren Bruder leicht vergessen, seinen immer noch engsten Freund, auch wenn sie sich inzwischen nicht mehr oft trafen. „Wohnst du noch zu Hause in Dallas?“, erkundigte er sich.

„Offiziell schon, aber da ich jetzt achtzehn bin und im ersten Semester an der University of Texas, wohne ich in Austin.“

„Ich bin vierundzwanzig. Abgesehen davon, dass sich Sloans Ermahnungen in mein Gedächtnis gebrannt haben, bin ich auch viel älter als du.“

„Ein älterer Mann“, neckte sie ihn belustigt. „Das macht dich noch viel faszinierender.“

„Du bist ganz schön frech“, bemerkte er lächelnd und versuchte, sein Gewissen dadurch zu beruhigen, dass er sich einredete, ein paar Tänze seien nun wirklich harmlos.

„Ist doch lustig, oder?“, konterte sie und fuhr sacht mit den Fingern über seinen Handrücken. „Ich muss meinem überfürsorglichen Bruder keine Beachtung mehr schenken. Seit Mom tot ist, hat er sich mehr um mich gekümmert als mein Dad. Und jetzt genug von Sloan. Der ist weit weg in Dallas und lebt sein eigenes Leben.“

„Ich muss ihm schon Beachtung schenken. Er ist mein bester Freund.“

„Vielleicht kann ich dafür sorgen, dass du das für eine Weile vergisst“, meinte sie übermütig und schmiegte sich an ihn.

Jared musste lachen. „Ich glaube, das ist dir schon gelungen. Schließlich tanzen wir, obwohl ich nicht mal in deiner Nähe sein sollte.“

„Ich habe keine Angst vor dir oder Sloan. Du amüsierst dich doch, und diese langweilige Hochzeitsfeier ist für uns beide auf einmal viel interessanter geworden. Das kannst du ja wohl nicht leugnen.“

„Nein, kann ich nicht“, räumte er ein und schlang den Arm fester um ihre Taille. Begehrte er Allison nur deshalb, weil sie für ihn tabu war? Sie war fast noch ein Kind, Studentin im ersten Semester, während er das College schon zwei Jahre zuvor beendet hatte. Er war zu alt für sie, doch sie betörte ihn. Er würde weder den Tanz noch den Abend mit ihr beenden.

„Vergiss meinen Bruder. Ich bin alt genug und kann auf mich selbst aufpassen.“

Er hätte diese Herausforderung besser ignorieren sollen. Stattdessen verdrängte er jeden Gedanken an Sloan so gründlich, dass sogar das schlechte Gewissen verstummte.

Als Nächstes wurde ein schneller Song gespielt, und während sie tanzten, zog Allison sich die Jacke aus. Darunter kamen die Spaghettiträger ihres Kleids zum Vorschein, dessen Anblick Jared den Atem raubte. Wie ferngesteuert löste er ihre Hochsteckfrisur, indem er die Haarnadeln herauszog. In weichen Wellen fiel ihr das goldblonde Haar auf die Schultern. Vor Erregung schlug sein Herz schneller.

Ihre sexy Bewegungen beim Tanzen verstärkten die Anziehung noch mehr. Was immer er auch empfand, sie signalisierte ihm, dass sie das gleiche Knistern spürte.

Sie tanzten auch den nächsten Song, eine Ballade, und diesmal zog Jared Allison noch fester an sich. Ihr seidiges Haar duftete schwach nach Jasmin und Orangenblüten.

Der langsame Tanz wurde für Jared zur Qual. Allison schmiegte sich perfekt an ihn, so weich, warm und betörend. Ihre vollen Lippen weckten das Verlangen in ihm, sie zu küssen. Wie würde sie schmecken? Würde sie den Kuss erwidern?

Während einer Pause zwischen den Tänzen saßen sie auf der dunklen Terrasse, tranken Champagner und flirteten miteinander. Wie viel in jener Nacht war auf die Wirkung des Champagners zurückzuführen? Jared wünschte, er könnte alles auf den Alkohol schieben, aber er wusste, dass das nicht stimmte. Vom ersten Moment an existierte diese erotische Anziehungskraft zwischen ihnen.

Es war schon ein Uhr morgens, als Allison verkündete, sie sollte die Feier verlassen und schlafen gehen. Jared fuhr sie zum Hotel, und dort machten sie auf einen Drink an der Bar Halt. Innerhalb weniger Minuten waren sie auf dem Weg zu Allisons Zimmer. Kaum hatte sich die Tür hinter ihnen geschlossen, packte er Allison und zog sie an sich, um sie zu küssen.

Sie schlang ihm die Arme um den Nacken und erwiderte den elektrisierenden Kuss, was die Begierde noch weiter anfachte. Er hatte lediglich beabsichtigt, einen Schlummertrunk mit ihr zu nehmen und ihr dann einen Gutenachtkuss zu geben. Stattdessen überwältigte ihn heiße Leidenschaft. Allison schien die gleiche unzähmbare Lust zu verspüren wie er. Da er nicht länger dagegen ankämpfen konnte, kapitulierte er.

Nackt. Sinnlich. Jungfräulich. All das beschrieb die Frau, mit der er ins Bett ging. Ihre Unschuld schockierte ihn, dämpfte für einen Moment seine Begeisterung und ließ ihn mitten im Liebesakt innehalten. Doch dann schlang sie ihre verführerischen Beine um ihn, seufzte ihm ins Ohr, und er war verloren. Also schlief er mit ihr und entdeckte eine leidenschaftliche Frau, die er, das wusste er, nie mehr vergessen würde.

Später duschten sie zusammen und liebten sich erneut. Beim zweiten Mal ließ er es langsam angehen und widmete sich über eine Stunde lang dem Vorspiel. Damit es für Allison ebenso großartig wurde, gab er sich ganz der Aufgabe hin, ihr Vergnügen zu bereiten.

Mit dem Tageslicht kehrte dann die Vernunft zurück.

Sie waren sich im Klaren darüber, dass sie einander nicht wiedersehen konnten, da es für sie keine gemeinsame Zukunft gab. Allison hatte das College vor sich, Jareds Karriere hatte gerade erst begonnen. Außerdem war da noch Sloan – für Jared ein Freund, den er nicht vor den Kopf stoßen durfte, und für Allison der Bruder, den sie nicht wütend machen wollte.

Also verständigten sie sich darauf, dass diese gemeinsame Nacht – die wundervoll aufregende Nacht – ihr Geheimnis bleiben sollte.

Beim Abschied gab Jared Allison einen flüchtigen Kuss an der Hotelzimmertür. Und dann ging er …

Jared atmete tief ein. Entnervt runzelte er die Stirn, als wolle er die Erinnerungen löschen, die ihn seit sechs Jahren verfolgten. Er stieß sich von seinem Schreibtisch ab. Die iPad-Notizen waren längst vergessen. Schon ein winziger Anlass genügte, damit er sich an diese Nacht mit Allison erinnerte, als wäre es gestern gewesen.

Danach hatten sie nie mehr Kontakt gehabt. Beide hatten das Geheimnis bewahrt und sich an das Versprechen gehalten, niemals Kontakt zum anderen aufzunehmen. Ihren Bruder hatte er öfters bei Wohltätigkeitsveranstaltungen getroffen, bei Footballspielen, Rodeos und hin und wieder bei Meetings, wenn sich ihre Wege beruflich kreuzten, so wie erst kürzlich im Frühstücksclub. Doch bei keiner dieser Begegnungen mit Sloan hatte er Allison auch nur erwähnt.

Als er Sloan zuletzt gesehen hatte, erklärte ihr Bruder beiläufig, sie erwäge, irgendeinen Typen zu heiraten. Diese Neuigkeit versetzte Jared einen Stich, was er sofort als albern abtat. Schließlich bedeutete sie ihm nichts. Er hatte eine einzige leidenschaftliche Nacht mit ihr verbracht. Eine Nacht, über die er schwieg, die er aber nicht vergessen konnte.

Selbst in diesem Augenblick konnte er sich an jedes Detail ihres Liebesspiels entsinnen. Seine Erinnerung war lückenlos. Weder ihre sinnlichen Reaktionen noch ihre Zartheit oder ihre Begeisterung würde er jemals vergessen.

Jared ging ans Fenster, um aus dem obersten Geschoss des Weston Energy Buildings auf die unter ihm liegende Stadt Dallas zu schauen. In der Ferne flatterten zwei Fahnen in der Märzbrise. Unwillkürlich wünschte er sich, die Erinnerungen genauso leicht wegblasen zu können.

Doch dann fiel ihm seine erst wenige Tage zuvor getroffene Entscheidung ein, und da wusste er, dass er Allison auf keinen Fall so schnell vergessen würde.

Gerade erst hatte er Tyler Antiques and Appraisals für einen Auftrag engagiert und erfahren, dass Allison seine Begutachtung durchführen würde. Schon in wenigen Tagen würde die Geliebte, die er nie vergessen hatte, wieder in sein Leben treten.

Dreißig Minuten später betrat Jared in professionell nüchterner Stimmung und einem eleganten maßgeschneiderten Anzug ein Restaurant in der Stadt, in dem er zu einem Geschäftsessen verabredet war. Er sah den jüngsten, größten und letzten unverheirateten Delaney aus der anderen Richtung auf ihren Tisch zusteuern. Lächelnd begrüßte er Ryan und schüttelte dem Freund die Hand.

„Wie läuft’s so in Dallas?“, erkundigte Ryan sich.

„Alles bestens. Wie geht es deinen Brüdern?“

„Großartig. Will ist wie immer, hat nach wie vor die Verantwortung für die ganze Familie. Seiner Frau geht es auch gut, und Caroline ist verrückt nach ihrem kleinen Bruder.“

„Und der Weltenbummler? Wie gefällt ihm die Ehe?“

Ryan grinste. „Du würdest Zach nicht wiedererkennen. Der sitzt jetzt am Schreibtisch. Geht von neun bis fünf ins Büro. Hat mit dem Außendienst aufgehört und ist sehr häuslich geworden. Phoebe ist jetzt fast neun Monate alt. Ein süßes Kind.“

„Ich kann mir tatsächlich nicht vorstellen, wie Zach es im Büro aushält. Ich habe dich übrigens zum Essen eingeladen, um mit dir über meine Erbschaft der Delaney-Villa in Houston zu sprechen.“

„Nur zu“, ermunterte Ryan ihn und griff nach der Speisekarte.

Sobald sie bestellt hatten, verschwand der Kellner wieder, und Jared beugte sich ein wenig über den Tisch. „Ryan, es ist das Erbe deines Vaters.“

„Ich weiß, dass es technisch gesehen mein Erbe ist, aber es geht zurück auf die Freundschaft unserer Väter, als die noch wilde Kerle waren und im Ölgeschäft gearbeitet haben. Bei diesem Feuer auf der Förderanlage hat dein Dad meinem das Leben gerettet. Die Villa ist nur eine Art Dankeschön.“

„Ich hatte nichts mit all dem zu tun.“

„Dad hatte in seinem Testament vermerkt, dass, sollte dein Dad bereits tot sein, die Villa an dich geht. Du kannst damit tun, was du willst.“

„Einer von den Tylers wird in dieser Woche die Einrichtung der Villa katalogisieren. Hat deine Familie ihre Meinung über die Villa und das, was sich in ihr befindet, geändert?“, erkundigte sich Jared.

„Absolut nicht. Ich habe meine Brüder noch mal gefragt, extra weil du mich darum gebeten hast, und sie gaben mir die gleiche Antwort. Wir wollen keinen Anteil an der Villa. Wir haben nie Zeit dort verbracht, und sie bedeutet uns nichts. Hör also auf, dir deswegen Sorgen zu machen. Keiner von uns verbindet irgendwelche Erinnerungen mit der Immobilie.“ Ryan lehnte sich zurück, entspannt und selbstbewusst wie eh. „Wir haben außerdem genug von Dad geerbt und gönnen dir die Villa.“

„Es ist ein wunderbares Erbe, für das ich sehr dankbar bin.“

„Am Telefon hast du gesagt, du hättest Herman Tyler für die Begutachtung engagiert. Neben Weston Energy besitzt du doch dein eigenes Gutachterbüro. Wieso hast du dann Herman beauftragt?“

„Weil er der Beste ist. Von mir steht nach wie vor ein Angebot, sein Unternehmen zu kaufen, um es mit meinem zu vereinen. Ich würde ihn weiter seinen Teil leiten lassen, aber er will lieber unabhängig bleiben. Ehrlich gesagt habe ich mein Gutachter-Unternehmen nur deshalb gekauft, um für Herman einen Anreiz zu schaffen, damit er für mich arbeitet. Aber er will einfach nicht verkaufen. Ich halte das Angebot aufrecht.“ Jared lächelte. „Wie steht’s eigentlich mit Sophia, was das Haus und die Antiquitäten angeht?“ Ryans Halbschwester war Künstlerin. „Ich denke, sie wird einige der Gemälde wollen.“

„Will hat sie gefragt, Zach auch. Das ist nicht ihr Kunststil, deshalb möchte sie keines der Bilder. Wir auch nicht.“

„Und wenn ich sie verkaufe?“, fragte Jared, um ganz sicherzugehen, dass keiner der Delaneys später seine Entscheidung bereute.

„Wenn du sie nicht verkaufen würdest, würden wir es tun. Noch mal“, sagte Ryan und lehnte sich vor, „wir wollen weder die Villa noch das, was drin ist.“

Jared hob die Hände. „Na gut, ich nehme dich beim Wort und beende das Thema.“

„Gut. Ich reite in diesem Monat beim Rodeo in Fort Worth. Bullenreiten. Trittst du wieder an?“ Ryans Augen leuchteten vor Begeisterung.

Jared musste grinsen. „Ja, ich trete an, und ich werde dich schlagen.“

„Das werden wir ja sehen“, erwiderte Ryan amüsiert. „Willst du einen extra Hunderter wetten, plus Burger und Bier für den Gewinner?“

„Abgemacht.“

„Ich kann es kaum erwarten.“ Ryan musterte Jared. „Wir sind wirklich verwandte Seelen.“

„Wir mögen es beide gern wild.“

„Du bist genau wie ich – keiner will eines Tages voller Bedauern zurückschauen.“

„Amen“, sagte Jared. „So ist es meinem Vater ergangen.“

Nach dem Lunch, auf der Fahrt zurück zum Büro, dachte Jared erneut über seine Entscheidung nach, Tyler Antiques und Appraisals für das Anwesen in Houston zu beauftragen. Sein Anruf bei Mr Tyler war ganz anders verlaufen, als er es erwartet hatte.

Jared hatte Allison natürlich nicht erwähnt, deshalb war es umso mehr ein Schock gewesen, von Herman zu erfahren, dass seine Tochter den Außendienstbereich des Unternehmens übernommen hatte.

Sein Handy klingelte, und als er aufs Display schaute, stellte er fest, dass es Sloan war. Ebenso schuldbewusst wie amüsiert meldete er sich. „Du hast ja keine Zeit vergeudet.“

„Stimmt. Ich habe gerade mit Dad gesprochen. Ich hörte, du hast ihn engagiert.“

„Das ist richtig. Ich habe schon früher Gutachten bei ihm in Auftrag gegeben, und er hat hervorragende Arbeit geleistet.“

„Danke. Ich nehme an, er hat dir gesagt, dass Allison die Inventarisierung und Katalogisierung vornehmen wird.“

„Ja, hat er.“

„Dann weißt du auch, warum ich anrufe. Frauen fühlen sich von dir angezogen wie die Motten vom Licht. Und umgekehrt.“

„Ich werde deine Schwester nicht um ein Date bitten. Zufrieden? Ich bin mit jemandem zusammen.“

„Das beruhigt mich kein bisschen. Wer auch immer das sein mag, sie wird in sechs Monaten Geschichte sein.“

Schon deutlich früher, dachte Jared, sagte aber nichts. Er hatte bereits Schluss gemacht mit Dawn Rainsford, aber Sloan musste nicht alles wissen über die Frauen in seinem Leben oder ob es momentan überhaupt welche gab. „Du kannst dir das trotzdem sparen. Deine Schwester ist wegen eines Auftrags da. Privat werden wir nichts miteinander zu tun haben. Ich führe mein eigenes Leben, und ihretwegen werde ich bestimmt keinen Streit mit dir riskieren. Ich will meinen besten Freund nicht wegen dessen kleiner Schwester verlieren. Aber ist sie mittlerweile nicht eine erwachsene Frau?“

„Und wie, aber ich bin trotzdem ihr Bruder und pass auf sie auf. Wahrscheinlich siehst du immer noch die zehnjährige Nervensäge vor dir. Ich glaube, du hast sie zuletzt auf meiner Hochzeit gesehen. Da war sie fünfzehn. Ich will jedenfalls nicht, dass du dich an sie ranmachst.“

„Diese Unterhaltung ist vollkommen überflüssig, Sloan. Ich bin nicht interessiert.“

„Sie ist sehr hübsch, und ich kenne dich einfach zu gut. Lass sie in Ruhe. Ich will nicht, dass du ihr das Herz brichst.“

„Das wird niemals passieren. Laut deinem Dad werde ich höchstens ein paar Tage mit deiner Schwester zusammenarbeiten. Anschließend verschwinde ich und überlasse ihr die Haushaltsauflösung. Mach dir keine Sorgen.“

„Na schön, Jared. Sie hat viel zu tun, und sie hilft Dad. Außerdem ist sie mit einem Mann zusammen, den sie heiraten wird – Phillip Blakely. Wahrscheinlich sind sie schon verlobt.“

„Ich freue mich für sie“, bemerkte Jared trocken. „Wie geht es dir, Leah und den kleinen Tylers?“

„Uns geht’s ausgezeichnet. Man kann sich nicht vorstellen, wie glücklich man ist, wenn man die richtige Frau heiratet. Die Kinder sind toll. Ich hoffe, deine aktuelle Freundin ist diese eine besondere Frau.“

„Mach dir mal keine Gedanken, Sloan. Wir sehen uns beim nächsten gemeinsamen Frühstück.“

Wenn es um seine Schwester ging, war Sloan wie ein feuerspeiender Drache, was absurd war. Allison müsste inzwischen vierundzwanzig sein. Aber schon mit achtzehn war sie alt genug und für sich selbst verantwortlich gewesen. Jetzt besaß Sloan selbst ein wachsendes Unternehmen und musste sich außerdem um seine Kinder kümmern. Er sollte Allison tun lassen, was sie für richtig hielt. Aber Sloan konnte niemanden, der ihm nahestand, einfach loslassen. Er passte auf Allison auf, so wie er vermutlich auf seinen Dad aufpasste nach dessen Herzinfarkt, obwohl der Mann längst wieder gesund war und arbeitete.

Für einen kurzen Moment, als er erfahren hatte, dass er mit Allison zu tun haben würde, hatte Jared in Erwägung gezogen, den Auftrag zu stornieren. Aber schließlich hatte er mit Tyler Antiques und Appraisals schon vorher zusammengearbeitet, und Herman Tyler genoss einen ausgezeichneten Ruf als Gutachter für Antiquitäten und Kunstgegenstände. Außerdem hatte Herman sich über den Auftrag gefreut, deshalb hatte Jared den Gedanken, den Auftrag zu stornieren, ebenso schnell wieder verworfen, wie er gekommen war. Er hatte eine Nacht mit Allison überstanden, da würden ihm ein paar Tage der Zusammenarbeit mit ihr in der Villa in Houston nichts ausmachen.

Nachdenklich schaute er in seinen Kalender. Er würde seine Sekretärin veranlassen, einige Termine und Meetings zu verlegen, damit er nach Houston fliegen und sich dort Zeit nehmen konnte, falls er die brauchte.

Hatte Allison sich in den vergangenen Jahren verändert? Hatte sie jemals an ihn gedacht? War ihre gemeinsame Nacht auch für sie etwas Besonderes gewesen? Quälende Fragen. Wenn sie wirklich verliebt und verlobt war, wie ihr Bruder angedeutet hatte, musste Jared sie definitiv vergessen. Doch gegen seine Neugier konnte er nichts ausrichten. Wie Allison wohl heute war?

2. KAPITEL

Allison Tyler betrachtete die kleine Figur in ihrer Hand und drehte sie, um sich die Initialen und die Nummer auf der Unterseite anzusehen. Mit ihrem Handy machte sie ein Foto, das zuerst an ihren Dad ging, dann auf ihr iPad. Anschließend notierte sie etwas auf ihrem Tablet-PC. Sie wollte so viele Bilder und Notizen machen, wie sie für nötig hielt, und das Material anschließend zu ihrem Dad schicken, damit er zu jedem Stück Recherchen anstellen konnte.

Seit dem ersten Anruf von Jared bei ihrem Dad hatte sie gemischte Gefühle. Die Delaney-Villa, die Jared geerbt hatte und verkaufen wollte, war angeblich voller Antiquitäten und wertvoller Kunst. Es war ein großartiger Auftrag für sie, so wie es schon zuvor bei der Zusammenarbeit zwischen Jared und ihrem Vater der Fall gewesen war. Jareds Hobby war das Tiefsee-Wracktauchen, und er hatte ihren Dad bereits zweimal beauftragt, sich Sachen anzuschauen, die er, Jared, im Golf vor der Küste Alabamas gefunden hatte.

Jared. Sie konnte nicht aufhören, an ihn zu denken.

Er war seit der Schulzeit mit ihrem Bruder befreundet, doch hatte er Allison nie richtig interessiert. Bis vor sechs Jahren, als sie sich bei einer Hochzeitsfeier über den Weg liefen und sie das Gefühl gehabt hatte, vom Blitz getroffen zu sein. Jared hatte unfassbar gut ausgesehen, war sexy und überaus anziehend gewesen. Sie konnte nicht widerstehen, mit ihm zu flirten. Er verursachte ihr Herzklopfen, und binnen weniger Stunden hatte sie entschieden, dass er der aufregendste Mann war, den sie je kennengelernt hatte.

Die gemeinsame Nacht war magisch gewesen. Ihr Bruder hatte Allison einmal gesagt, er wolle seinen besten Freund nicht in ihrer Nähe wissen. Obwohl Sloan viel von Jared hielt, traute er ihm, was Frauen anging, nicht über den Weg. Sloan beschrieb ihn als notorischen Playboy und Draufgänger, der das Bergsteigen liebte, Bullenreiten, Wildwasser-Rafting, überhaupt wilde Abenteuer und schöne Frauen.

Mit achtzehn, als sie in Jareds lebhafte grüne Augen geblickt hatte, fühlte sie sich von ihm angezogen wie die sprichwörtliche Motte vom Licht. Vor Selbstbewusstsein nur so strotzend, flirtete er mit ihr, sorgte dafür, dass ihr Puls raste. Und als er sie küsste, schmolz sie dahin. Kein anderer Kuss war wie dieser gewesen.

Aber am nächsten Morgen, mit den ersten Sonnenstrahlen, war sie wieder zur Vernunft gekommen. Sie durfte sich nicht mit einem Herzensbrecher wie Jared einlassen. Immerhin hatte sie gerade ihr Studium begonnen. Ihr Leben war einfach, sicher und unkompliziert, und so sollte es bleiben. Jared hingegen war jemand, der das Risiko liebte. Allison wollte nicht eines Tages mit der Nachricht konfrontiert werden, dass ein Mensch, den sie zutiefst liebte, bei irgendeiner riskanten Tätigkeit ums Leben gekommen war. Wie ihre Mutter, die ihr kleines Flugzeug durch ein Unwetter über dem Golf gelenkt hatte und dabei gemeinsam mit Chad tödlich verunglückt war. Diese Art von Schmerz wollte Allison nie wieder durchmachen.

Und dann war da noch Sloan. Sie nahm an, dass die Freundschaft zwischen den beiden enden würde, wenn ihr Bruder von ihrer Nacht mit Jared erfuhr. Damals konnte sie nichts weiter tun, als Jared das Versprechen abzuringen, dass sie sich niemals wiedersehen und mit niemandem über ihre gemeinsame Nacht reden würden.

Seitdem hatte sie versucht, ihn zu vergessen. Leider vergeblich.

Am vergangenen Tag war sie auf dem weitläufigen Anwesen in Houston eingetroffen. Das von einem leicht verwilderten Garten umgebene dreigeschossige gotische Bauwerk mit seinen Erkertürmen, Brüstungsmauern sowie den Bogenfenstern hatte die Ausstrahlung eines düsteren Palastes. Sie verstand sofort, warum Jared es verkaufen wollte. Sie konnte sich nicht vorstellen, in einem solchen Haus zu wohnen, schon gar nicht in einem, das derart abweisend wirkte.

Jared war noch nicht da gewesen, und die Haushälterin, Mrs Tarkington, wusste ebenso wenig wie die Köchin, die sich nur als Marline vorstellte, wann er eintreffen würde. Allison brauchte Jared nicht, um mit der Inventarisierung der Kunstgegenstände und Möbel zu beginnen. Sie war sogar ganz froh und erleichtert darüber, dass er noch nicht da war. Gegen Mittag des ersten Tages hatte sie die Möbel in sechs Zimmern verzeichnet und mit Preisen versehen. Ihrem Dad schickte sie Kurzbeschreibungen und Fotos. Sie hatte ganz bewusst mit den Schlafzimmern angefangen, damit die schon fertig waren und sie sich nicht in einem solchen Zimmer mit Jared wiederfinden würde – selbst wenn sie darin nur höfliche Konversation machten. Allerdings fehlten noch einige Schlafzimmer.

Nachdenklich blieb sie vor einem Spiegel in einem verzierten Goldrahmen stehen, um sich zu betrachten. Es war sechs Jahre her, seit sie Jared zuletzt gesehen hatte. Was glaubte er wohl, wie sehr sie sich verändert hatte? Wie gut erinnerte er sich überhaupt an jene Nacht? Für ihn lag das sicher lange zurück und war vergessen. Kritisch musterte sie ihr Spiegelbild: schwarze Hose, schwarze Baumwollbluse, die Haare hochgesteckt. Ein paar blonde Strähnen hatten sich gelöst und umrahmten ihr Gesicht. Sie strich sie hinters Ohr und fuhr fort, die Antiquitäten in einem der oberen Salons zu verzeichnen.

Nach einigen Minuten hörte sie ein leises Klopfen und drehte sich um. Genauso selbstbewusst wie damals lehnte Jared im Türrahmen. Als er lächelte, schien ihr Herz ein paar Schläge auszusetzen. Seine gewellten schwarzen Haare fielen ihm ins Gesicht. Aus faszinierenden grünen Augen schaute er sie an. Sechs Jahre waren wie weggeblasen. Sie hätten am vergangenen Samstag zusammen gewesen sein können, so klar war Allisons Erinnerung. An eine Herzklopfen verursachende, unvergessliche Nacht der Verführung. Sie hatte geglaubt, ihre Erinnerung an ihn sei verblasst, aber da hatte sie sich nur selbst etwas vorgemacht.

Ihr Puls raste, und die körperliche Reaktion auf ihn war weit intensiver, als sie erwartet hätte. Sie war machtlos dagegen. In seinem dunkelblauen Anzug mit der dazu passenden Krawatte und den Westernstiefeln sah er atemberaubend aus. Unvermittelt sah sie sich wieder nackt in seinen Armen, an seinen harten, muskulösen Körper geschmiegt.

„Wie lief es für dich in den vergangenen sechs Jahren?“, erkundigte er sich und kam ins Zimmer.

Sie war froh, dass er ihren rasenden Puls nicht bemerken konnte. Zu ihrer Zerknirschung wurde ihr jedoch ganz warm, und sie errötete.

„Ich hatte viel zu tun, und ich bin sicher, du kannst das Gleiche von dir behaupten. Es ist warm hier drin“, stellte sie fest, um ihre zweifellos roten Wangen zu erklären.

„Finde ich auch“, sagte er mit einer Stimme, die heiserer klang als in ihrer Erinnerung. Und plötzlich wurde ihr klar, dass die nächsten Tage der Zusammenarbeit mit ihm weitaus anstrengender verlaufen würden, als sie erwartet hatte.

Anstrengend oder verlockend? neckte sie eine innere Stimme.

„Ich zieh mal mein Jackett aus“, sagte er, tat es und hängte es über eine Stuhllehne. Seine Krawatte folgte, und dann öffnete er auch noch die beiden obersten Knöpfe seines schneeweißen Hemdes. Alles in ihr zog sich zusammen. Sie konnte sich sehr gut vorstellen, ihm das Hemd von den Schultern zu streifen.

Er sah sie an, nahm ihre linke Hand und drehte sie. „Ich sehe keinen Ring. Sloan meinte, du bist verlobt.“

Autor

Sara Orwig
<p>Sara’s lebenslange Leidenschaft des Lesens zeigt schon ihre Garage, die nicht mit Autos sondern mit Büchern gefüllt ist. Diese Leidenschaft ging über in die Liebe zum Schreiben und mit 75 veröffentlichten Büchern die in 23 Sprachen übersetzt wurden, einem Master in Englisch, einer Tätigkeit als Lehrerin, Mutter von drei Kindern...
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