Bianca Extra Band 115

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NACH DIESEM KUSS IST ALLES MÖGLICH von CHRISTINE RIMMER
Hailey schäumt vor Wut. Erst flirtet der gut aussehende Immobilieninvestor Roman Marek mit ihr, lädt sie in ein edles Restaurant am Meer ein – dann will er ihr Herzensprojekt zerstören! Sein Verhalten ist unerklärlich. Genau wie Haileys Leidenschaft, als Roman sie heiß küsst …

BABY-DEAL MIT DEM BESTEN FREUND? von SHANNON STACEY
„Und wenn ich von dir ein Baby bekomme?“ Brady verschlägt es den Atem! Eigentlich ist der Vorschlag seiner guten Freundin Reyna verführerisch: Er will keine Beziehung, und sie will nur ein Kind. Doch eine leidenschaftliche Nacht ändert zwischen ihnen alles …

DAS HELLE LICHT DER LIEBE von ROAN PARRISH
Nach der Trennung von seinem Mann will Adam seiner kleinen Tochter alle Weihnachtswünsche erfüllen: tausend Lichter am Haus und dass ihr neuer Nachbar Wes ihnen damit hilft! Bald fragt sich Adam: Glaubt der attraktive Wes wie er selbst an Familie, an das Fest der Liebe – an sie beide?

EIN GELIEHENES FAMILIENGLÜCK von SHIRLEY JUMP
Karrierefrau Vivian ist komplett hilflos, als sie sich plötzlich um ihre kleine Nichte kümmern soll – glücklicherweise zusammen mit dem fürsorglichen Nick Jackson. Im Gegensatz zu ihr weiß Nick, was Babys brauchen. Und seltsamerweise weiß er auch genau, was sie selbst braucht …


  • Erscheinungstag 18.10.2022
  • Bandnummer 115
  • ISBN / Artikelnummer 9783751507868
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Christine Rimmer, Shannon Stacey, Roan Parrish, Shirley Jump

BIANCA EXTRA BAND 115

CHRISTINE RIMMER

Nach diesem Kuss ist alles möglich

Alle seine Beziehungen endeten unglücklich. Er sollte die Finger davon lassen! Doch als Roman der unkonventionellen Hailey begegnet, vergisst er seinen Vorsatz. Er verliebt sich wie beim allerersten Mal …

SHANNON STACEY

Baby-Deal mit dem besten Freund?

Nur Sex, keine romantischen Gefühle und erst recht keine Liebe: Um sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen, schlägt Reyna dem attraktiven Brady einen pikanten Deal vor. Der wunderbar schiefgeht …

ROAN PARRISH

Das helle Licht der Liebe

Der eigenwillige Wissenschaftler Wes verlässt sein Haus am liebsten, wenn die Stadt im Dunkeln liegt. Bis Sunnyboy und Single Dad Adam nebenan einzieht – und ein helles Licht in Wesʼ Herz erstrahlt …

SHIRLEY JUMP

Ein geliehenes Familienglück

„Lass uns so tun, als seien wir eine Familie.“ Auch wenn Vivian und ihre kleine Nichte ihn morgen wieder verlassen – heute will Nick sich fühlen, als sei er der glücklichste Mann auf der Welt …

1. KAPITEL

Ein milder Nachmittag Anfang September in Valentine Bay in Oregon. Roman Marek stand auf dem Gehweg Ecke Carmel Street und Pacific Lane, die Hände in den Hosentaschen, und starrte finster auf die reich verzierte Fassade des Gebäudes.

Das Valentine-Bay-Theater war für Roman fast ein Albtraum. Er hatte sein Vermögen mit Immobilien in Las Vegas gemacht. Er bevorzugte zweckmäßige, lichtdurchflutete, moderne Gebäude. Ein heruntergekommenes, jahrhundertealtes Theater im Stil venezianischer Gotik wäre das Letzte, worin er investieren würde.

Trotzdem hatte er den verdammten Bau gekauft. Seine Mutter hatte darauf bestanden. Roman Marek tat nahezu alles für seine Mutter. Er liebte sie und verdankte ihr viel.

Sie war vernarrt in das alte Theater. Früher hatte sie Roman oft mitgenommen, um mit ihm Filme anzusehen oder Veranstaltungen zu besuchen. Heute schwelgte sie in Erinnerungen an diese Zeit. Vor ein paar Wochen hatte sie gehört, dass der Besitzer, ein älterer Herr, das Gebäude veräußern wollte. Sofort hatte sie Roman aufgefordert, es zu kaufen.

Er hatte ihr den Wunsch erfüllt. Und jetzt musste er entscheiden, was er mit dem verdammten Ding anfangen sollte.

Ihm schien eine Abrissbirne die geeignetste Lösung zu sein. Aber um Sasha, seine Mutter, glücklich zu machen, musste das Gebäude stehen bleiben und zumindest größtenteils sein Aussehen behalten.

Während Roman seine Möglichkeiten abwog, ging ein magerer Mann in Khakihose und kariertem Hemd hinein.

Achselzuckend folgte Roman ihm. Er konnte sich ja mal innen umsehen und einen genaueren Eindruck verschaffen.

Er betrat das Foyer mit braunschwarzem Teppich mit einem wirren Muster aus ineinander verschlungenen Medaillons, schwarzen Wänden, Stuckverzierungen und mehreren Säulen. Geschwungene Treppen mit schmiedeeisernen Geländern führten zum Balkon.

Die Luft roch zwar etwas abgestanden, aber nicht nach Schimmel.

Roman ging hinter die Bühne und sah, dass auf der Bühne wohl ein Meeting stattfand. Zwei heiße Blondinen und ein paar Leute mittleren Alters auf Klappstühlen bildeten einen Kreis. Sie unterhielten sich über eine Herbst-Revue, ein Gespensterhaus und eine Weihnachts-Show. Nach Romans Ansicht komplette Geldverschwendung. Es war sein Pech, dass der vorherige Besitzer schon Verträge dafür unterschrieben hatte. Roman hatte sich zur Einhaltung verpflichten müssen.

Also würde er erst im neuen Jahr seine Pläne angehen können, aus diesem muffigen Bau etwas Nützliches zu machen.

Mehrere Minuten stand er unbemerkt hinter dem schwarzen Samtvorhang. Eine der scharfen Blondinen fesselte seine Aufmerksamkeit. Sie trug grüne Shorts und ein weißes Shirt und hatte ein hübsches ovales Gesicht, weit auseinanderstehende Augen und einen rosigen Mund. Die andere Blondine sah auch gut aus. Ihr Gesicht war etwas eckiger, ihr helles Haar sogar noch länger. Vielleicht Schwestern. Doch die in den grünen Shorts gefiel ihm besser.

Er löste sich aus dem Zauber, den die Blondine auf ihn ausübte, und setzte seinen Rundgang fort. Bis zum Jahresbeginn wollte er wissen, was er mit dem Gebäude anfangen konnte. Dann würde er die Theater- und Gemeindeleute rauswerfen und anfangen, Wände herauszureißen.

Je genauer er sich umschaute, desto zufriedener wurde er. Es gab zwar eine Menge zu tun, aber die Substanz war nicht schlecht.

Man könnte ein tolles Boutique-Hotel daraus machen. Der Tourismus florierte in Valentine Bay. Nach der Renovierung würden die Touristen sich darum reißen, hier wohnen zu dürfen. Er hatte schon eine Vorstellung von der gründlichen Umgestaltung, die sich am alten Theater orientieren und doch modern und einladend wirken würde.

Als er in den Bereich hinter der Bühne zurückkehrte, war nur noch die Blondine in den grünen Shorts da. Ihre vollen Haare fielen ihr ins Gesicht, während sie sich über das Tablet auf ihrem Schoß beugte und Notizen machte.

Lächelnd betrachtete er ihren Rücken, die Beine, die die Unterlage für ihr Tablet bildeten, die Knöchel, die sie um die Stuhlbeine geschlungen hatte, die Füße in abgewetzten Converse All Stars. Sie sah verdammt attraktiv aus.

Gerade als er gehen wollte, kam ein schlaksiger Kerl von der anderen Seite auf die Bühne. Der Mann in dem karierten Hemd, dem er gefolgt war.

„Hailey“, sagte der hochgeschossene Typ. Er hatte eine markante Stimme, tief und gebieterisch. „Endlich sind wir allein.“

Die Blondine winkte nur ab. „Doug, hast du nicht noch in der Regiekabine zu tun?“

„Wann gehst du endlich mal mit mir aus?“

Sie konzentrierte sich immer noch auf ihr Tablet und erwiderte nur: „Du brauchst es gar nicht mehr zu versuchen.“

„Ich kann nicht anders.“ Doug kam näher.

„Ich meine es ernst, Doug. Lass es einfach!“

Aber er gab nicht nach. „Da war immer so ein starkes Gefühl zwischen uns. Erinnerst du dich an unsere Abschlussklasse? Ich war John Proctor und du die wilde, eigensinnige Abigail …“

Die Blondine blickte nicht auf. Roman sah, wie sich ihr Rücken straffte. Kopfschüttelnd stand sie auf und legte ihr Tablet auf den Stuhl. „Es reicht jetzt, kapiert?“

Doug legte die Hand aufs Herz. „Tu nicht so, als würdest du es nicht fühlen – wie ein Blitz, jedes Mal, wenn wir einander anschauen.“ Er trat nahe an sie heran. Und dann griff er nach ihr.

Roman wollte ihr schon zu Hilfe kommen. Doch er hielt inne, als sie Dougs Arm packte und ihm die Beine wegtrat.

Doug schrie überrascht auf. Er war mitten auf der Bühne vor ihren Füßen gelandet. „Autsch“, jammerte er und stöhnte ein bisschen, als er sich wieder aufrichtete. „Das war gemein.“

„Du wirst es überleben“, spottete Hailey.

Doug humpelte grollend davon.

„So was nennt man Belästigung, Doug“, rief Hailey ihm nach. „Wenn du es noch mal versuchst, rufe ich Mariette an.“

„Lass meine Frau aus dem Spiel“, stieß Doug hervor und verschwand auf der anderen Seite der Bühne.

Roman musste lachen.

Die Blondine wirbelte herum. Er sah nun, dass sie wunderschöne blaue Augen hatte.

Entschuldigend hob er die Hände. „Tut mir leid. Ich habe mitbekommen, was los war, und blieb hier, um Ihnen notfalls zu helfen.“

Sie betrachtete ihn skeptisch. „Wer sind Sie?“

„Roman Marek.“ Er wies mit dem Kopf zu der Stelle, wo Doug zu Boden gegangen war. „Das war beeindruckend. Machen Sie so was öfter?“

Verächtlich warf sie ihre Haare zurück. „Mich baggern keine Männer an. Ich habe eine Anti-Beziehungsausstrahlung.“

Er betrat die Bühne. „Oh, ich glaube nicht, dass Doug eine Beziehung sucht.“

Sie lachte, heiser und verheißungsvoll. „Ich bin Hailey Bravo.“

Die Familie Bravo war bekannt in Valentine Bay. „Ich bin hier zur Schule gegangen. In meiner Klasse war ein Connor Bravo.“

„Das ist mein Bruder – der drittälteste nach Daniel und Matthias.“

„An Matthias erinnere ich mich auch.“ Matt Bravo war ein mürrischer, ziemlich oft bekiffter Junge gewesen.

Hailey schien seine Gedanken zu erraten. „Matt war während seiner Highschool-Zeit nicht gut drauf.“ Sie verzog die rosigen Lippen zu einem Lächeln. „Aber vor zwei Jahren hat er geheiratet. Jetzt ist er glücklich – Sie wissen ja, die Liebe und so.“

„Sicher.“ Roman zuckte die Achseln. Er war zweimal verheiratet gewesen. Beide Male war es schiefgegangen.

Hailey runzelte die Stirn. „Das klang nicht wirklich überzeugt.“

Er sah sie fragend an. „Wovon?“

„Von der Liebe.“

Ganz im Gegenteil. Er war überzeugt – davon, dass er nichts damit zu tun haben wollte. Aber Hailey Bravo war ihm sympathisch. Sie war so voller Selbstvertrauen. Diesen Doug hatte sie mühelos zu Boden geschickt. Und sie bot einen angenehmen Anblick.

„Das wievielte Kind der Bravo-Familie waren Sie?“

„Die siebte.“

„Wie alt sind Sie denn?“

„Sie sind ziemlich neugierig, Roman.“

Lässig zuckte er die Achseln. „So bin ich eben.“

„Ich bin fünfundzwanzig.“

Er war zweiunddreißig. Unwillkürlich dachte er, das wäre ein passender Altersunterschied für ein Paar. Doch er hatte nicht vor, sich mit einer Frau einzulassen. „Soweit ich mich erinnere, seid ihr eine ziemlich große Familie.“

„Insgesamt zehn Geschwister, davon neun Blutsverwandte.“

Er verstand nicht ganz. „Sie meinen, einer ist adoptiert?“

„Nein. Eine wurde bei der Geburt vertauscht, deshalb haben wir die vertauschte Schwester und die, mit der wir aufgewachsen sind. Daher sind wir zehn.“

Er schaute sie schräg an. „Sie erzählen mir Märchen, oder?“

„Nein, es ist wahr. Eine von uns wurde bei der Geburt vertauscht.“

„Welche?“

„Das ist ein Familiengeheimnis.“ Sie legte den Finger an die Lippen.

„Das klingt sehr geheimnisvoll.“

Ihr Gesicht nahm einen traurigen Ausdruck an. „Und vor etlichen Jahren haben wir meinen Bruder Finn verloren. Er war zwei Jahre älter als ich. Er verschwand bei einer Familienreise nach Russland.“

Roman erinnerte sich dunkel an die Geschichte von Finn Bravos Verschwinden. Es war vier oder fünf Jahre, nachdem er und seine Mutter nach Valentine Bay gekommen waren. Sie hatten nur übernachten wollen, doch dann waren sie geblieben.

Nun fiel ihm ein, dass die Eltern der Bravos bei einer späteren Reise gestorben waren. Über beide Fälle hatte die Lokalzeitung berichtet.

„Wir suchen Finn immer noch“, sagte Hailey und schob das Kinn vor.

Roman schaute sie prüfend an – sie bot einen bezaubernden Anblick. „Ich hoffe, Sie finden ihn eines Tages.“

„Das werden wir. Wir Bravos geben nie auf.“

Ein Themenwechsel erschien Roman angebracht. „Was ist eigentlich mit diesem Doug?“

Sie runzelte die Stirn. „Wir waren früher an der Highschool beide in der Theater-AG. Er hilft hier im Theater aus. Und er baggert jede Frau an, die vorbeikommt.“ Sie legte den Kopf zur Seite und schaute Roman an. „Haben Sie Kinder?“

Er dachte an seinen kleinen Sohn und lächelte. „Warum?“

„Wir führen hier die Herbst-Revue auf. Beinahe jedes Kind in der Stadt ist dabei.“

Sollte er ihr sagen, dass er einen elf Monate alten Sohn hatte? Aber dann würde sie vielleicht nach dessen Mutter fragen, und die Geschichte wäre nicht lustig. „Ich sehe mich nur in dem Gebäude um. Und was machen Sie hier?“

Ihr Lächeln verstärkte sich. Sie wirkte so glücklich hier auf der Bühne des schäbigen alten Theaters. „Ich arbeite mit dem Kulturverein der Stadt. Wir stellen die Programme für die Saison zusammen, und wir versuchen alle einzubinden.“ Er hörte aufmerksam zu, als sie ihm erklärte, sie sei die künstlerische Leiterin. „Meine Schwester Harper und ich haben eine kleine Produktionsfirma, die H&H Productions. Letztes Jahr waren wir Co-Produzenten bei allen Aufführungen. Ehrlich gesagt, haben wir nur ein winziges Budget. Aber Harper – die technische Leiterin – ist genial darin, aus Nichts etwas zu machen. Sie erstellt fünf Bühnenbilder für die Herbst-Revue. Warten Sie, bis Sie sie sehen, Roman. Sie werden begeistert sein.“

„Hört sich beeindruckend an“, sagte er. Die Bühnenbilder interessierten ihn überhaupt nicht. Aber Hailey Bravos Begeisterung war ansteckend.

Sie schaute über die Reihen blank gewetzter brauner Sitze und dann hinauf zur Galerie. „Eine Renovierung wäre dringend nötig“, sagte sie. „Aber alles in allem ist es ein großartiges Theater.“ Wehmut breitete sich auf ihrem Gesicht aus. „Leider ist es verkauft worden. Wir wissen nicht, was der neue Besitzer für Pläne hat.“

Roman ließ einen unverbindlichen Laut hören und gab sich nicht als neuer Eigentümer zu erkennen. Sie würde ihn sonst fragen, was er vorhatte, wenn der Vertrag mit dem Kulturverein am Jahresende auslief. Die Antwort würde ihr nicht gefallen. Dann wäre die Unterhaltung bestimmt beendet gewesen.

Das wollte er nicht – er wollte nicht, dass sie wegging. Sie war wie ein Atemzug frischer Luft, voller Energie und Begeisterung.

„Also, Roman“, sagte sie grinsend, „wenn Sie etwas zum Erhalt unseres Theaters beitragen möchten, nehme ich gern einen Scheck von Ihnen für die H&H Productions an oder für den Kulturverein.“

„Das könnte ich machen.“

„Sie sind großzügig.“

„Nein, aber ich möchte mich mit der künstlerischen Leiterin gutstellen.“

Hailey Bravo lächelte den großen, breitschultrigen Typ mit den faszinierenden grünen Augen an. Er sah fantastisch aus mit seinem kantigen Kinn und dem Mund mit der vollen Unterlippe und der schön geschwungenen Oberlippe. Sein kurzärmliges Polohemd gab den Blick auf seine kräftigen Arme frei.

Und noch umwerfender fand sie seinen trockenen Humor und die Intelligenz, die sie in seinen Augen las. Sie war ganz verwirrt, wenn sie Roman anschaute. Das passte gar nicht zu ihr.

Seit drei Jahren war sie mit keinem Mann mehr ausgegangen. Nicht nach Nathan, der ihr alles bedeutet hatte. Andere Männer interessierten sie nicht.

Bis jetzt …

„Hey.“ Romans raue Stimme holte sie in die Wirklichkeit zurück. Er ging zum Bühnenrand, setzte sich und wies auf den Platz neben sich.

Sie ließ sich dort nieder.

„Sagen Sie mal.“ Er lehnte sich zu ihr rüber. Er duftete nach sauberer Wäsche und Meeresbrise. „Wie kommt es, dass Sie so beziehungsfeindlich sind?“

Wie selbstverständlich erzählte sie ihm Dinge, die sie bisher nur ihrer Schwester Harper anvertraut hatte.

„Da gab es diesen Typ, Nathan Christoff. Er war groß und schlank, ein großartiger Schauspieler. Ich fühlte mich unwiderstehlich zu ihm hingezogen, aber … er wich mir aus.“

Roman schaute sie genau an. Sie konnte seinen Gesichtsausdruck nicht deuten. „Dann waren Sie hinter ihm her.“

„Stimmt. Bis er schließlich zugab, dass er auch voll auf mich abfuhr.“

„Aber …?“

Sie senkte den Blick und hielt sich krampfhaft am Bühnenrand fest. „Nathan hatte Leukämie im vierten Stadium. Er warnte mich, dass seine Aussichten schlecht seien.“

Roman runzelte die Stirn. „Die Geschichte hat kein gutes Ende?“

Sie biss sich auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf. „Ich schaffte es, ihn zu überzeugen, dass ich einfach mit ihm zusammen sein wollte. Wir wurden ein Paar. Aber niemand außer Harper wusste, dass ich einen Freund hatte. Mehrere Monate waren wir glücklich, Nathan und ich. Dann kam die Krankheit zurück. Er starb vor drei Jahren.“ Sie schaute über die leeren Sitzreihen hinauf zu dem eindrucksvollen Kronleuchter.

Lange sagte Roman nichts. Es fühlte sich nicht seltsam an, so lange zu schweigen mit einem Mann, den sie gerade erst kennengelernt hatte. Sondern selbstverständlich. Und gleichzeitig aufregend.

Schließlich gab sie zu: „Seit seinem Tod war ich mit niemand mehr zusammen. Nach etwa einem Jahr war ich nicht mehr so traurig. Ich kam gut allein zurecht, machte meinen Collegeabschluss und richtete mich darauf ein, mein Leben in meiner Heimatstadt zu verbringen.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich kann nicht glauben, dass ich Ihnen das alles erzähle.“

„Ich habe danach gefragt.“ Er nahm ihre Hand.

Seine Berührung war warm. Fest. Hitze und etwas wie Verlangen stiegen in ihr auf. Nie hätte sie geglaubt, noch einmal so etwas zu empfinden.

Verrannte sie sich hier in etwas? Zweifellos.

Sie zog ihre Hand weg. Widerstrebend ließ er sie los. Oder bildete sie sich das nur ein?

Roman schaute auf die Uhr. Hailey erwartete, dass er gehen musste.

Doch er fragte: „Haben Sie Hunger? Es ist Zeit zum Mittagessen. Da gab es doch früher ein Fischrestaurant nicht weit von hier …“

Sie kannte das Lokal. „Sie meinen Fisherman’s Korner. Das gibt es noch immer, und sie haben den besten Fisch an der Küste von Oregon.“

„Dort könnten wir essen.“

„Ja“, sagte sie rasch. „Ich muss nachsehen, ob noch jemand im Theater ist, und dann abschließen. Fahren Sie vor. Ich komme nach. Spätestens in einer Viertelstunde.“

Als sie bei dem Fischrestaurant in der Ocean Road ankam, wartete Roman draußen auf sie. Er lehnte sich an einen schwarzen italienischen Sportwagen mit Flügeltüren.

„Was für ein Auto“, sagte sie kopfschüttelnd und strich mit dem Zeigefinger über die glänzende Motorhaube. „Also Sie sollten wirklich einen Scheck für den Kulturverein ausstellen, Roman Marek.“

Er legte die Hand aufs Herz. „Das verspreche ich.“

Das Essen in dem Lokal war ausgezeichnet. Hailey fühlte sich wohl in Romans Gesellschaft. Er erzählte, er sei aus Las Vegas hergezogen und habe ein Haus am Treasure Cove Circle gekauft. Hailey kannte das Haus. Es stand auf einem Hügel in einem Park am Meer mit eigenem Strandabschnitt.

„Ich möchte Sie wiedersehen“, sagte er, als er sie zu ihrem Auto brachte. Sie gab ihm ihre Nummer. Als er sie an sich zog, ließ sie es zu.

Sein Kuss war sanft, wie zum Kennenlernen. Erregung durchströmte sie. Langsam lösten sie sich voneinander und lächelten einander sekundenlang an.

„Bis bald“, sagte er und hielt ihr die Tür ihres Wagens auf.

Hailey stieg ein und schloss die Tür. Die Nachmittagssonne schien auf seine dunkelbraunen Haare, als sie davonfuhr.

Den Rest des Tages lief Hailey wie auf Wolken. Sie hatte einen Mann getroffen, mit dem sie ausgehen wollte. Seit Nathan war ihr das nicht mehr passiert.

Während sie am Küchentisch an ihren Plänen für die Weihnachts-Show arbeitete, lächelte sie unaufhörlich. Später am Nachmittag verließ sie das Haus, das sie zusammen mit Harper bewohnte. Im Theater wollte sie die Eltern begrüßen, die ihre Kinder zu den Proben für die Herbst-Revue brachten.

Es war der übliche Zirkus. Sie musste die Kinder unter Kontrolle halten, ihnen Anweisungen geben, die sie sofort wieder vergaßen. Es gab Rempeleien, und eines der kleinen Mädchen weinte. Hailey tröstete und redete gut zu und genoss jede Minute – wie immer. Aber heute noch mehr.

Beim Gedanken an Roman Marek hatte sie Schmetterlinge im Bauch.

Nach den Proben verbrachten Hailey und Harper eine Stunde damit, Requisiten und Kostüme zu besprechen. Darüber, was sie selbst anfertigen und was sie zu günstigen Preisen ergattern konnten. Schließlich machten sie Schluss und gingen ins Beach-Street-Brauhaus, um Burger zu essen und ein Bier zu trinken.

Die Kellnerin nahm ihre Bestellungen auf, füllte ihre Gläser und ließ den Rest des Krugs auf dem Tablett.

Harper hob ihr Glas. „Auf uns! Wieder ein arbeitsreicher Tag geschafft.“

Hailey stieß mit ihr an. „Wir brauchen einen Namen für die Weihnachts-Show.“

Harper beobachtete sie viel zu genau. Hailey war zehn Monate älter, doch sie waren beinahe wie Zwillinge. Sie konnten die Gedanken der anderen lesen, beendeten die Sätze der anderen. „Weihnachten in der Carmel Street?“

„Klingt gut, und das Theater liegt ja in der Carmel Street.“

Harper lehnte sich zu ihr hinüber. „Du grinst die ganze Zeit. Was ist heute passiert?“

„Keine Ahnung, wovon du sprichst.“

Es machte Hailey Spaß, sie hinzuhalten. Doch dann gab sie nach. „Hast du schon mal was von Roman Marek gehört?“

Harpers Augen weiteten sich. „Du hast einen Kerl getroffen.“

Hailey versuchte, sich ihre Begeisterung nicht anmerken zu lassen. „Er ist so alt wie Connor, ist hier aufgewachsen und dann nach Nevada gezogen. Er hat hier ein Haus am Treasure Cove Circle gekauft.“

„Das Haus mit dem Privatwald und dem eigenen Strand?“

„Ich bin ziemlich sicher, dass es das einzige Haus dort ist.“

„Erzähl mir alles darüber.“

Hailey zuckte lässig die Achseln. „Er ist im Theater vorbeigekommen. Wir haben geredet und später zusammen bei Fisherman’s Korner gegessen.“

„Also … ein sexy Alleinerziehender, der seine Kinder zur Probe für die Revue gebracht hat?“

„Nein, er sagte, er sei nur hereingekommen, um sich umzusehen.“

Harper starrte sie an. „Marek. Den Namen kenne ich nicht. Aber wenn er mit Connor zusammen zur Schule gegangen ist, dann ist er …“

„Sieben Jahre älter als ich. Ist das zu alt für mich?“

„Ich bitte dich. Also fünfundzwanzig und zweiunddreißig.“

„Ich habe ihm von Nathan erzählt.“

Harper setzte ihr Glas so heftig ab, dass das Bier überschwappte. „Du musst diesen Typen richtig mögen.“

Warum hätte sie es nicht zugeben sollen? „Ich habe ihm meine Nummer gegeben.“

Harpers Augen weiteten sich. „Enormer Fortschritt. Ich bin stolz auf dich.“

„Ich hoffe sehr, dass er anruft.“

Harper klopfte ihr liebevoll auf die Schulter. „Natürlich macht er das.“ Sie schaute zum Eingang. „Sieh mal, da kommen Gracie und Dante.“ Ihre jüngste Schwester hatte dieses Jahr eine Stelle als Geschichtslehrerin an der Highschool angetreten. Sie und Dante Santangelo waren ein Paar. Dante war geschieden und teilte sich das Sorgerecht für seine Zwillingstöchter mit seiner Ex-Frau. Kürzlich war Gracie bei ihm eingezogen. Dante war Connors bester Freund. „Vielleicht erinnert er sich an Roman Marek.“ Sie winkte Gracie und Dante heran.

Die Kellnerin brachte noch zwei Krüge und die Burger für Hailey und Harper. Als Gracie danach verkündete, dass sie und Dante verlobt seien, umarmten ihre Schwestern sie und Dante herzlich und gratulierten. Gracie trug noch keinen Ring.

„Sie möchte ihn selbst aussuchen“, erklärte Dante und küsste sie sanft auf die Wange.

„Ihr zwei seht so glücklich aus“, sagte Harper.

„Zumindest einer von uns ist das“, entgegnete Dante ruhig. Gracie strahlte ihn an, und sie küssten sich rasch.

Harper knabberte an einer Pommes. „Wir haben eine Frage, Dante. Hailey hat heute jemanden im Theater getroffen. Er sagte, er sei in Valentine Bay zur Schule gegangen und bei dir und Connor in der Klasse gewesen.“

„Er heißt Roman Marek“, ergänzte Hailey. Dabei bemühte sie sich um Gelassenheit, obwohl sie plötzlich Röte auf den Wangen spürte.

Dante winkte die Kellnerin heran. „Ja, ich erinnere mich an Roman. Eher ein Einzelgänger. Klug, taff. Er ging dann auf ein College, Berkeley, glaube ich, und ist kürzlich wieder hierhergezogen. Er soll das große Haus am Treasure Cove Circle gekauft haben.“

„Das muss der Typ sein.“ Harper grinste.

Dante schaute Hailey abwartend an. „Danke. Ich hoffe, er gibt eine großzügige Spende an den Kulturverein“, erklärte sie.

„Nach allem, was ich so gehört habe, kann er sich das leisten“, sagte Dante. „Er hat in Nevada ein Vermögen mit Immobilien gemacht.“

Die Kellnerin kam an den Tisch. Dante und Gracie bestellten etwas zu essen, Dante ein Bier. Hailey fragte Gracie, wie ihre erste Woche als Lehrerin gewesen war. Harper wollte von Dante wissen, wie es seinen achtjährigen Töchtern ging, die zurzeit bei ihrer Mutter und dem Stiefvater in Portland waren. Schnell war eine Stunde vergangen. Hailey schaute öfter auf ihr Handy, ob Roman ihr eine Textnachricht geschickt hatte. Nichts.

Aber da war etwas zwischen ihnen gewesen. Bestimmt würde er anrufen.

Vielleicht morgen. Oder übermorgen …

2. KAPITEL

Roman meldete sich nicht bei Hailey. Nicht am nächsten Tag, einem Dienstag. Und auch nicht am Mittwoch.

Nachdem er etwas Zeit gehabt hatte, sich über die Auswirkungen einer Beziehung klarzuwerden, hatte er beschlossen, dass es klüger wäre, sich nicht bei ihr zu melden.

Am Mittwochabend wurde ihm bewusst, dass sie verärgert über ihn sein musste, weil er nach ihrer Telefonnummer gefragt hatte und sich nun nicht bei ihr meldete.

Ständig musste er an sie denken. Eine Frau, die ihm nicht mehr aus dem Sinn ging, war das Letzte, was er jetzt brauchte. Er wäre höchstens zu einer kurzen Affäre bereit gewesen.

Dazu mochte er sie schon viel zu sehr. Das war nicht gut. Seiner ersten Frau, Charlene, war er völlig verfallen gewesen. Und sie hatte geschworen, sie liebe ihn auch.

Aber dann hatte sie ihr wahres Gesicht gezeigt. Ein Jahr nach ihrer Hochzeit hatte sie ihm offen gesagt, dass sie Liebe für Schwachsinn hielt. Was sie an ihm schätzte, war sein Geld.

Als sie geschieden wurden, war ihr eine große Summe zugesprochen worden.

Nina, seine zweite Frau, hatte er geheiratet, weil sie mit Theo schwanger gewesen war. Sie war mit ihrem Sportwagen von der Straße abgekommen und gegen eine Dattelpalme gerast, als Theo gerade einen Monat alt gewesen war. Wenigstens hatte sie seinen Sohn bei der Nanny gelassen, als sie betrunken losgefahren war.

Er hielt es für keine gute Idee, mit einer Frau auszugehen, an der ihm zu viel lag. Wenn – oder besser falls – er Hailey das nächste Mal sah, würde er ihr sagen, dass er zwei Ehen hinter sich hatte, die schiefgegangen waren. Und dass er einen elf Monate alten Sohn hatte.

Und er musste auch zugeben, dass seine Pläne für das historische Gebäude sich sehr von ihren unterschieden. Das hätte er alles sofort klarstellen müssen. So schob er den Anruf bei ihr immer weiter auf.

Als er am Donnerstagmorgen zum Frühstück herunterkam, stand seine Mutter am Herd. Theo saß in seinem Hochstuhl und aß Cheerios und Mandarinenspalten.

„Da-da-da!“ krähte Theo, sobald er ihn erblickte. Roman grinste. Für ein paar Sekunden vergaß er Hailey. Er sah nur Theo und sein strahlendes Lächeln.

Roman gab ihm einen Kuss auf die verschmierten Pausbacken. „Hallo, Großer, wie geht’s dir?“

Theo nahm eine Mandarinenspalte und hielt sie Roman hin. Der nahm sie und warf sie in den Mund. „Mmh. Danke, Theo.“

„Ma-wa-da“, antwortete Theo.

„Eier und Schinken?“, fragte Romans Mutter vom Herd her. Sie war begeistert von dem Riesenteil aus Stahl mit mehreren Backöfen.

Sasha Marek hatte Roman in Valentine Bay allein großgezogen. Ihr Geld hatte sie als Haushälterin verdient. Kürzlich war sie zu ihm gezogen, um sich zusammen mit ihm um Theo zu kümmern – unter der Bedingung, dass er aus Las Vegas nach Valentine Bay zurückkam. Sasha wollte, dass ihr Enkelkind in Valentine Bay aufwuchs.

Roman bejahte ihre Frage, nahm sich einen Kaffee und setzte sich auf den Stuhl neben Theo. Der Kleine hielt ihm aufgeweichte Cheerios hin. Roman aß sie automatisch, direkt aus Theos molligen Händchen. Zwischendurch trank er seinen Kaffee und schaute aus den riesigen Fenstern über die Terrasse auf die windzerzausten Bäume, die Wolken am Morgenhimmel und den blauen Pazifik.

Sasha stellte ihm den Teller mit Rührei und Schinken hin. „Was ist los mit dir?“

„Gar nichts.“ Er breitete eine Serviette auf dem Schoß aus und griff zur Gabel.

„Denkst du, eine Mutter merkt nicht, wenn ihr Sohn sie anschwindelt?“

Er nahm einen Bissen und antwortete nicht. Seine Mutter war eine wunderbare Frau, aber manchmal etwas zu wissbegierig.

Ein paar Stunden später arbeitete er gerade im Home-Office an einem neuen Projekt, das er zusammen mit einer Investorengruppe plante, als ein Anruf kam. Tandy Carson, die Direktorin des Kulturvereins, war am Apparat.

„Wir alle haben uns gefragt, wer der neue Besitzer des Valentine-Bay-Theaters sein könnte“, sagte sie. Wahrscheinlich wollte sie ihn davon überzeugen, das Theater dem Kulturverein zur Verfügung zu stellen.

„Sie haben sicher Post von meinem Anwalt bekommen?“, vermutete er.

„Ja. Und ich möchte Sie um einen Termin bitten, damit wir persönlich über die Situation sprechen können.“

„In dem Brief ist alles aufgeführt. Sie müssen ab Januar nächsten Jahres neue Räumlichkeiten finden. Ich habe Pläne für das Gebäude.“

„Ich verstehe. Könnten Sie trotzdem bei uns im Büro vorbeikommen? Die Gemeinde, der Vorstand des Kulturvereins und ich würden uns freuen, wenn wir darüber reden könnten.“

Das wäre absolute Zeitverschwendung. Aber andererseits wollte er nicht unhöflich sein. Schließlich wohnte er jetzt hier. Sein Sohn würde hier aufwachsen.

Widerstrebend stimmte Roman einem Treffen am Nachmittag im Büro des Kulturvereins zu.

Am Freitagmorgen war Hailey niedergeschlagen. Solche Gefühle ließ sie normalerweise nicht zu. Schon gar nicht, wenn ein Mann nicht angerufen hatte.

Außerdem war sie sauer. Warum hatte er sie um ihre Nummer gebeten, wenn er dann nicht anrief?

Sie kannte ihn ja nicht mal richtig. Aber … sie wollte einfach, dass er sich meldete.

Und das ärgerte sie nur noch mehr. Wenn Hailey etwas wollte, dann unternahm sie ohne Zögern den ersten Schritt. Doch sie hatte seine Telefonnummer nicht. Ihn zu Hause aufzusuchen, das ginge zu weit.

Harper hatte früh das Haus verlassen. Hailey wollte sich um elf mit ihr treffen, um nach Kostümen und Requisiten für die Herbst-Revue und das Gespensterhaus an Halloween zu stöbern.

Dieses Jahr sollte das Gespensterhaus an drei Tagen geöffnet sein. Es war der Hit bei Kindern jedes Alters.

Hailey verließ das Haus um halb zehn, damit sie vor dem Treffen mit Harper noch im Büro des Kulturvereins vorbeischauen konnte.

Tandy saß hinter dem Schreibtisch. Sie trug ein T-Shirt und hatte ihren üblichen Irokesenschnitt. Ihre makellose dunkle Haut ließ sie jünger wirken, als sie war.

Hailey schenkte sich einen Kaffee ein und setzte sich. „Hast du was wegen der Pläne des neuen Besitzers erfahren?“

Tandy ließ sich auf ihrem Stuhl nach hinten fallen. „Ja, und es ist nichts Gutes. Zum ersten Januar müssen wir ausziehen.“

Hailey blinzelte. „Das heißt, der neue Eigentümer hat sich gemeldet?“

„So ist es. Am Mittwoch habe ich einen Brief von seinem Anwalt bekommen. Gestern habe ich ihn angerufen. Er hat andere Pläne für das Gebäude.“

„Du hast tatsächlich mit ihm gesprochen?“

Tandy nickte. „Er ist gestern Nachmittag sogar hergekommen, um sich meine Bitte anzuhören. Ich habe alle Register gezogen, an seinen Gemeinsinn appelliert, ihm vor Augen geführt, dass viele Kinder eine Nachmittagsbetreuung brauchen und ihre Kreativität ausleben könnten.“

„Und?“

„Das hat ihn nicht umgestimmt.“

„O nein!“ Seit dem Verkauf wusste Hailey, dass sie auf das Schlimmste gefasst sein musste. Doch tief im Innern hatte sie nicht glauben wollen, dass sie diesen unersetzlichen Ort verlieren würden.

„Ich habe schon Rundrufe gestartet.“ Tandy zog einen Stift hinter dem Ohr hervor und rollte ihn in den Fingern. „Wir finden etwas, Hailey. Davon bin ich überzeugt. Und die gute Nachricht: Der neue Besitzer hat dem Kulturverein eine großzügige Spende zukommen lassen.“

„Toll“, sagte Hailey tonlos. „Wer ist der Typ? Vielleicht kann ich noch mal mit ihm reden.“

Tandy schüttelte den Kopf. „Er hat unmissverständlich gesagt, dass er den Vertrag nicht verlängert.“

„Ich möchte doch nur mit ihm reden. Ein freundliches Gespräch.“

Tandy starrte sie mit zusammengekniffenen Augen an. Sie hielt den Kuli fest in der Hand und ließ die Mine vor- und zurückschnellen.

Hailey gab nicht nach. „Es kann nicht schaden, es noch mal zu versuchen …“

Tandy ließ ihren Kuli noch ein paar Mal klicken. „Warum nicht?“ Sie schrieb einen Namen und eine Telefonnummer auf eine Haftnotiz und reichte sie Hailey. „Also versuche es.“

Hailey starrte auf den Namen, den Tandy aufgeschrieben hatte. War sie nun nur unglaublich wütend, oder wurde ihr übel?

Schließlich lächelte sie. „Danke, Tandy. Mal sehen, was ich erreiche.“

Am liebsten hätte sie Roman Marek den Hals umgedreht. Als sie in ihren Kia stieg, klebte sie die Notiz aufs Armaturenbrett. Im Augenblick war sie viel zu aufgeregt, um vernünftig mit dem Mann reden zu können.

Am besten sollte sie nach Hause fahren, tief durchatmen und ein paar Entspannungsübungen machen. Aber sie sah rot. Und warum sollte sie anrufen, wenn er ihr gesagt hatte, wo er wohnte?

Sie machte sich direkt auf den Weg zu dem prächtigen Haus am Treasure Cove Circle. Auf der von Rhododendren gesäumten Auffahrt stoppte sie abrupt, sprang aus dem Auto und warf die Fahrertür kräftig ins Schloss.

Sie hastete die imposante Steintreppe hinauf zum Eingang. Die Klingel ignorierte sie, stattdessen pochte sie heftig mit der Faust an die Tür.

Als kurz darauf geöffnet wurde, erblickte Hailey eine Frau in den Fünfzigern mit schön gewelltem Haar in verschiedenen Silbertönen. Sie hatte genauso grüne Augen wie der Mann, dem Hailey gründlich die Meinung sagen wollte. Die Frau trug ein hübsches Baby auf dem Arm. „Ja, bitte?“

„Wo ist Roman?“

Huschte da ein Lächeln über das Gesicht der Frau? Hailey war nicht sicher. Sie starrten einander an. Und dann trat die Frau wortlos zur Seite und gab den Eingang frei. Sie wies zu der Treppe, die in den ersten Stock führte.

Hailey zögerte nicht. Rasch stieg sie hinauf und schaute in drei Zimmer, ehe sie im nächsten auf Roman traf, der gerade aus seinem luxuriösen Badezimmer kam. Er war nackt bis auf ein Handtuch, das er sich um die schmalen Hüften geschlungen hatte.

Hailey blieb wie erstarrt an der Tür stehen.

Roman zuckte nicht einmal zusammen – warum auch? Er hatte einen perfekten Körper. Einen muskulösen Brustkorb, lange braune Beine. Er sah aus wie die Männer auf den Titeln von sexy Liebesromanen.

„Hailey“, sagte er kühl. „Das ist ja eine Überraschung.“

Sie kam sich ein bisschen blöd vor. Aber sie musste ihrem Ärger Luft machen.

„Ich ziehe mir schnell was an“, sagte er und griff nach dem Handtuch, das er um die Hüften geschlungen hatte.

Sie legte die Hand über die Augen, um ihn nicht nackt zu sehen.

„Drei Stunden, Roman“, sagte sie ärgerlich. „Am Montag haben Sie drei Stunden mit mir verbracht. In dieser Zeit habe ich Ihnen ganz deutlich gesagt, wie viel Sorgen ich mir mache, dass der neue Besitzer uns zum ersten Januar aus dem Theater rauswerfen würde. Sie hatten eine Menge Zeit, um mir zu sagen, dass Sie der neue Besitzer sind.“

Sie hörte, dass irgendwo eine Schublade aufgezogen wurde. Ob mit nacktem Hintern oder voll bekleidet, er würde ihren Zorn zu spüren bekommen.

Sie presste die Hand fester auf die Augen, damit sie nicht in Versuchung geriet, zwischen den Fingern hindurchzublinzeln. „Unabhängig davon, dass Sie mich schamlos angelogen haben, indem sie mir nichts davon gesagt haben, braucht Valentine Bay dieses Theater. Nichts, was Sie daraus machen könnten, kann so bedeutungsvoll sein wie das, was wir verlieren, wenn Sie Ihre Pläne verwirklichen.“

„Ein Hotel“, erklärte er sanft. „Und Sie können jetzt die Augen öffnen.“

Sie ließ die Hand sinken. Er stand direkt vor ihr, barfuß, in Jeans und Shirt. „Das können Sie nicht machen“, rief sie fast flehend.

„Doch, das kann ich.“ Er sagte es freundlich, mit beinahe zärtlichem Ausdruck in seinen grünen Augen. „Und ich werde es tun, Hailey.“

Seine Zärtlichkeit machte sie schwach. Ihr Kampfgeist schwand. Sie machte auf dem Absatz kehrt und eilte hinaus.

„Hailey, langsam“, rief Roman ihr nach.

Sie zögerte keine Sekunde. Er hatte seine Entscheidung getroffen, es gab nichts mehr zu reden.

Als sie die Treppe hinunterlief, sah sie die schöne grauhaarige Frau unten stehen. Das Kind hatte sie noch auf dem Arm. Der mitleidige Ausdruck in ihren Augen verriet, dass sie alles gehört hatte.

„Tut mir leid, dass ich so hereingeplatzt bin“, sagte Hailey unglücklich, als sie unten ankam. Die Frau strich ihr über die Schulter. Hailey lief an ihr vorbei zur Tür, die Treppe und die Auffahrt hinunter. Hastig stieg sie in ihr Auto, wendete und fuhr davon.

Roman blieb oben an der Treppe stehen.

Natürlich wollte Hailey Bravo sich nicht anhören, was er ihr zu sagen hatte. Langsam stieg er hinunter, da hörte er schon, wie sie mit quietschenden Reifen davonfuhr.

Sasha schaute ihn missbilligend an, als er auf sie zukam.

„Ma“, sagte er, „du kannst doch nicht einfach aufgebrachte Frauen zu mir ins Schlafzimmer schicken.“

Seine Mutter zuckte abschätzig mit den Schultern. Sie hatte den Lebensunterhalt für sich und Roman verdient, indem sie anderer Leute Häuser geputzt hatte, doch sie konnte herablassend wie eine Königin sein. „Du magst sie. Das merkt man.“

Ja, so war es. Doch er wollte es nicht zugeben. „Woher willst du das wissen?“

„Ich habe dein Gesicht gesehen, als du ihr nachgeschaut hast. Ich kenne dich. Mir brauchst du nichts zu erzählen.“

„Ma …“

„Wir haben eine Vereinbarung, und ich halte mich daran.“

„Was für eine Vereinbarung?“

Darauf antwortete Sasha nicht. „Was ich dir klarzumachen versuche, ist, dass ich kein Problem damit habe.“

„Kein – was?“

„Ich mag sie auch. Sie hat Temperament, und sie weiß, was wichtig ist im Leben. Deshalb erlaube ich dir, sie näher kennenzulernen.“

Kopfschüttelnd steckte er die Hände in die Hosentaschen.

„Tu nicht so, als wüsstest du nicht, wovon ich rede. Zweimal hast du dir eine Frau ausgesucht, beide Male war es eine Katastrophe. Charlene war hinter deinem Geld her, und Nina …“ Sie unterbrach sich, weil sie vor Theo nicht Schlechtes über Nina sagen wollte. „Du hast dich verpflichtet gefühlt, als der Kleine unterwegs war.“

„Ma …“

„Lass mich ausreden. Ich habe dich beide Male vor einer falschen Entscheidung bewahren wollen. Ich hatte recht. Und deshalb haben wir vereinbart, dass du erst eine Beziehung zu einer Frau beginnst, wenn ich sie mir angeschaut und meine Zustimmung gegeben habe.“

Es hatte keinen Sinn, mit ihr darüber zu streiten.

Sie sprach immer weiter. „Und ich erlaube nicht, dass du mein Theater in so ein Boutique-Hotel verwandelst.“

Theo, der den Wortwechsel zwischen Roman und Sasha gebannt verfolgt hatte, krähte in diesem Augenblick: „Da-da!“ Er streckte die Ärmchen aus und neigte sich zu Roman hinüber.

Roman nahm ihn und drückte ihm rasch einen Kuss auf die Stirn. „Ich entwickle Projekte, das ist mein Beruf. Und wenn ein Gebäude danach schreit, ist es das Theater. Ich muss was daraus machen, Ma.“

„Stimmt. Du musst das bestmögliche Theater für alle in Valentine Bay daraus machen. Du bist reich, Roman. Und du hast am Anfang viel Glück gehabt. Ja, du hast hart gearbeitet. Aber du hattest das Startkapital, das dir Patrick für deine Ausbildung gegeben hat.“

Patrick. Am liebsten hätte Roman den Namen nie wieder gehört. Die ganzen Jahre hatte er sich gefragt, ob da etwas war, zwischen seiner Mutter und Patrick Holland. Das war unmöglich. Seine Mutter war aufrecht und ehrlich. Patrick war ein verheirateter Mann. Sasha Marek hätte nie etwas mit dem Mann einer anderen Frau angefangen – schon gar nicht mit dem Mann von Irene Holland. Irene hatte sie wie eine Schwester behandelt und Roman wie ihren eigenen Sohn.

Roman fühlte einen Stich im Herzen, wie immer, wenn er an Irene dachte. Reenie hatte er sie genannt. Er hatte sie verehrt – bis zu jenem schrecklichen Tag, als alles zu Ende gegangen war.

Sasha sprach weiter. „Und dann war da der Lottogewinn, den ich dir an deinem einundzwanzigsten Geburtstag geschenkt habe. Dieses Geld hat dir zu deinem Erfolg verholfen. Du hast Glück gehabt, Roman Marek, und nun kannst du etwas zurückgeben. Du kannst den Traum dieser Frau erfüllen und etwas wirklich Gutes für diese Stadt tun.“

Theo hatte zu singen begonnen und versuchte seine Finger in Romans Nase zu stecken. Roman griff nach der kleinen Hand und drückte einen Kuss darauf. „Mit den Träumen dieser Frau habe ich nichts zu tun. Und ich bin nur hier, Ma, weil du dich hier wohlfühlst und darauf bestanden hast, dass Theo in Valentine Bay aufwächst.“

Sie schien ihn mit ihrem Blick zu durchbohren. „Sei nicht so gefühllos. Du brauchst nicht noch ein Hotel, Roman. Du musst dieser Frau ihren Traum erfüllen.“

Es war sinnlos, sich an diesem Punkt weiter mit ihr zu unterhalten. Er wandte sich um und ging in die Küche, um seinem Sohn etwas zu essen zu geben.

Hinter sich hörte er Sasha verächtlich schnauben.

Harper war schon in der Pacific Bargain Mall, als Hailey ankam. Sie durchstöberten die kleinen Läden, kauften gebrauchte Kleidung, aus der sie Kostüme nähen konnten, und einige große, etwas lädierte Übertöpfe. Wenn sie die schwarz ansprühten, konnten sie als Kessel für das Gespensterhaus dienen. Die Kinder fanden es toll, wenn Kessel mit Trockeneis einen gespenstischen Nebel verbreiteten. Sie ergatterten noch alte Stühle, einen wackligen Tisch und herbstliche Seidenblumen.

Hailey überlegte, wann sie ihrer Schwester die schlechten Nachrichten wegen des Theaters beibringen sollte. Besonders schmerzlich war es, dass der Mann, der den Vertrag nicht verlängern wollte, dieser tolle Typ war, den sie vor ein paar Tagen getroffen hatte.

Sie konnte jetzt nicht mit Harper über Roman sprechen. Vielleicht später.

Leider kannte ihre Schwester sie viel zu gut. „Sag schon, was los ist“, forderte Harper sie auf.

Hailey krauste die Nase. „Haben wir Zeit für einen Kaffee?“

„So schlimm?“ Harper nahm Hailey an der Hand. „Komm schon.“ Im Café um die Ecke holten sie sich beide eine Pumpkin-Spice-Latte.

„Das ist ja total mies“, bemerkte Harper, nachdem Hailey alles erzählt hatte.

„Ja.“ Hailey nahm einen Schluck von ihrem Latte. „Der Fiesling hat nicht angerufen und ist dazu noch ein herzloser Raffzahn ohne soziales Gewissen.“

„Honey, du bist ja richtig wütend.“

Hailey richtete sich auf. „Vielleicht. Aber zu Recht.“

„Du solltest ihn verführen. Warte, bis er eingeschlafen ist, und mach dann ein paar Nacktfotos von ihm. Wenn du drohst, die auf Instagram zu veröffentlichen, überlegt er es sich vielleicht anders.“

„Dazu müsste ich Sex mit ihm haben.“

„Tja. Ich weiß, das ist viel verlangt. Aber denk an das Theater.“

Hailey lachte kurz auf. Ihre Schwester verstand es, Licht in die dunkelsten Momente zu bringen. „Du meinst, es sei meine Bürgerpflicht, mit dem Mistkerl ins Bett zu gehen?“

„Ja! Genauso ist es. Ein selbstloser Akt.“

„Also jetzt übertreibst du.“

Harper griff nach Haileys Arm. „Im Ernst. Geht es dir gut?“

Hailey atmete kurz durch und nickte heftig. „Es ist mir schon besser gegangen. Aber ich werde es überleben.“

Um drei Uhr nachmittags war Probe.

Um zwei saß Hailey allein an ihrem Klapptisch in der ersten Reihe des Zuschauerraums. Sie arbeitete gerade die Planungen für den zweiten Akt der Herbst-Revue durch. Es würde nicht einfach werden, besonders beim Finale, wenn fast alle Kinder der Stadt auf der Bühne stehen würden, um sich zu verbeugen. Ihre Gedanken schweiften immer wieder ab. Wie würde es im nächsten Herbst werden, wenn sie die Show wahrscheinlich in irgendeiner Scheune aufführen mussten?

„Hailey?“, sagte eine heisere Frauenstimme von der Bühne.

Hailey schaute von ihrem Tablet auf und in die grau-grünen Augen der Frau, die ihr bei Roman geöffnet hatte. Die Frau stand vorn auf der Bühne. Sie hatte den süßen Kleinen in einem Kinderwagen dabei.

„Ah-da“, sagte das Kind und schwenkte dabei vergnügt seine Rassel.

„Ich bin Sasha Marek“, sagte die Frau. „Romans Mutter. Kann ich Sie einen Augenblick sprechen?“

Romans Mutter. Hailey war immer noch unglaublich wütend auf ihn.

„Passt es gerade nicht?“ Romans Mutter sah besorgt aus.

„Doch, doch“, sagte Hailey und zwang sich zu lächeln. Auf der Bühne standen noch ein paar Klappstühle. „Setzen Sie sich. Ich komme hoch.“ Sie lief die Treppe an der Seite hinauf und nahm auf dem Stuhl neben Sasha Platz. „Was kann ich für Sie tun?“

„Erst mal möchte ich mich dafür entschuldigen, wie Roman sich heute Morgen benommen hat.“

„Sie können ja nichts dafür.“

„Trotzdem.“ Der Kleine brabbelte weiter vor sich hin und ließ sein Spielzeug fallen. Sasha hob es auf und reichte es ihm.

„Wie heißt Ihr Baby?“, fragte Hailey.

Sasha lachte. „Mein Enkel heißt Theo.“

„Roman ist sein Vater?“

„Ja.“

„Der Kleine ist süß.“ Letzten Montag hatte Roman ihn gar nicht erwähnt.

„Roman hat eine Menge Fehler“, sagte seine Mutter bedauernd. „Aber er ist ein wunderbarer Vater.“

„Ach ja?“ Hailey bemühte sich, es nicht zu sarkastisch klingen zu lassen.

Sasha seufzte und wechselte das Thema. „Ich habe Roman veranlasst, das Theater zu kaufen.“

Hailey war überrascht. „Sie?“

„Ja. Ich war oft mit ihm hier, als er ein Kind war. Hier liefen damals ältere Filme, der Eintritt dafür kostete zwei Dollar. Und es gab andere Aktivitäten, die günstig oder sogar gratis angeboten wurden. Wir hatten nicht viel Geld. Mein Mann, Romans Vater, ist unerwartet gestorben, als Roman zwei Jahre alt war.“

„Tut mir leid …“

Sasha lächelte. „Wir sind hierhergezogen, als Roman acht war. Und es war für uns wichtig, dass wir für wenig Geld etwas unternehmen konnten. Deshalb habe ich meinen Sohn gebeten, dieses Gebäude zu kaufen.“

„Sie dachten, es wäre für ein tolles Hotel geeignet?“

Sasha hob wieder die Rassel für Theo auf. Geduldig gab sie ihm das Spielzeug und erklärte: „Mein Sohn ist leider sehr dickköpfig. Für ihn muss Eigentum Profit bringen, und Profit ist für ihn Geld. Er kommt nicht auf die Idee, dass auch Gemeinschaftsaktivitäten Profit bedeuten können, indem sie Hilfe bieten und sichere Orte für Kinder, an denen sie spielen und aufwachsen können. Ich hätte ihm von Anfang an klarmachen sollen, dass ich ihn zum Kauf bewogen habe, damit das Theater weiterhin dem Wohl aller Bewohner der Stadt dient.“

„Sie haben ihn also zum Kauf verlasst, damit es weiter eine öffentliche Begegnungsstätte bleibt?“

„Genau. Aber offensichtlich habe ich mich nicht deutlich genug ausgedrückt. Ich werde dafür sorgen, dass er richtig handelt, darauf können Sie sich verlassen.“

„Das ist sehr freundlich von Ihnen, danke.“ Roman war ein unmöglicher Mensch, aber seine Mutter war Hailey sehr sympathisch. „Ich hätte heute Morgen nicht so bei Ihnen reinplatzen dürfen. Aber ich war wütend auf Ihren Sohn, und ich habe eine Grenze überschritten.“

Sasha runzelte die Stirn. „Nein. Ich fand es gut, wie Sie meinem Sohn die Meinung gesagt haben. Er ist ein guter Mensch. Aber er ist auch stur. Er braucht eine starke, resolute Frau, die ihm sagt, wo es langgeht.“

Worauf wollte sie hinaus? Hailey fühlte sich verunsichert.

Sasha beugte sich näher zu Hailey und sprach leiser. „Sie hätten seine Ex-Frauen erleben sollen. Selbstsüchtig, verdorben, nur aufs Geld aus. Er hat sie trotzdem geheiratet – eine, weil sie ihm vorgemacht hat, dass sie ihn liebe. Und die andere, weil …“ Sie schaute zu dem Kleinen hinüber, der nun fest schlief. Sasha flüsterte: „Weil sie mit seinem Sohn schwanger war. Aber bei Ihnen habe ich ein gutes Gefühl, wirklich.“ Sie legte die Hand aufs Herz.

Hailey blinzelte. Wollte diese Frau sie mit Roman verkuppeln? „Sasha, ich habe eine Frage, und ich bitte Sie um eine ehrliche Antwort. Wollen Sie Heiratsvermittlerin spielen?“

Sasha lachte. „Entspannen Sie sich. Ich weiß, was ich tue.“

„Ich glaube, Sie verstehen nicht. Da gibt es nichts zu vermitteln.“

„Ich denke, Sie irren sich.“

„Nein, gewiss nicht. Ich habe Ihren Sohn am Montag hier im Theater getroffen. Da war er mir sehr sympathisch. Wir sind sogar essen gegangen. Ich dachte, wir hätten … ich weiß nicht, etwas gemeinsam vielleicht. Ich habe mit ihm über Dinge gesprochen, die ich sonst nie anderen Leuten anvertraue. Er hat dieses Vertrauen nicht erwidert. Rückblickend erkenne ich, dass er mir nichts über sich erzählt hat. Er hat mir nicht gesagt, dass er zweimal verheiratet war. Er hat nicht einmal den goldigen Kleinen erwähnt. Ich habe viel über das Theater geredet. Und darüber, dass ich mir Sorgen machte, weil jemand es gekauft hatte und ich nichts über dessen Pläne wusste. Roman hat mit keiner Silbe erwähnt, dass er der neue Eigentümer ist. Trotzdem hat er nach meiner Telefonnummer gefragt.“

„Aber Sie haben sie ihm nicht gegeben?“

„Doch. Und er hat nicht angerufen.“

Sasha winkte ab. „Er mag Sie zu sehr. Das erschreckt ihn. Aber Sie müssen sich keine Sorgen machen. Das geht vorbei.“

Hailey verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich glaube, dazu ist es zu spät. Es war nett, dass Sie vorbeigekommen sind, Sasha. Tut mir leid, dass ich unsere Unterhaltung beenden muss, aber ich habe noch so viel zu tun …“

„Hm. Ich habe wieder zu viel geredet. Das passiert mir manchmal.“

„Ich finde Ihre Ehrlichkeit erfrischend.“

Sasha stand auf. „Bevor ich gehe, möchte ich Ihnen anbieten, hier zu helfen.“

Hailey grinste. „Freiwillige sind bei uns immer willkommen.“ Sie zog eine Karte aus der Tasche. „Das ist die Nummer meiner Schwester Harper, direkt unter meiner. Harper teilt den Leuten die Arbeiten zu. Rufen Sie sie an.“

Sasha nahm die Karte. „Danke. Bis demnächst.“

„Ich freue mich darauf.“

Einen Moment blieb Sasha stehen und schaute Hailey an. Dann wandte sie sich lächelnd ab und schob den Kinderwagen zum Seiteneingang hinaus.

Hailey sah ihr nach. Romans Mutter war ihr sympathisch. Aber was ihren Sohn betraf, lag Sasha falsch. Hailey war mit ihm durch. Von jetzt an wollte sie ihn aus ihren Gedanken verbannen.

3. KAPITEL

Nachdem Hailey davongestürmt war, versuchte Roman, sich auf das neue Portland-Projekt zu konzentrieren, starrte dann aber zum Fenster hinaus. Er dachte an die Frau, die er eigentlich vergessen wollte.

Er hatte nicht nur einen Fehler gemacht. Er hätte sofort zugeben sollen, dass er das Theater gekauft hatte. Und danach hatte er sie nicht angerufen und sein Versäumnis nicht nachgeholt. Es war sehr gut zu verstehen, dass sie nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte.

Wie viele Male hatte er sich gesagt, er sollte nichts mehr mit einer Frau anfangen? Seine gescheiterten Ehen hatten bewiesen, dass er nicht als Ehemann geeignet war. Er konnte froh sein, dass er Theo hatte, und sollte es dabei bewenden lassen.

Andererseits …

Sasha hatte Hailey gern. Sie hatte ihn freiheraus ermuntert, sich um sie zu bemühen. Seine anderen Frauen hatte sie rundweg abgelehnt.

Er hatte ja fest vorgehabt, nie wieder zu heiraten. Doch er hatte sich immer eine Familie gewünscht.

Er war ein guter Menschenkenner, wenn es um Männer ging. Und auch bei Frauen – solange er nicht mit ihnen ins Bett wollte. Dann war es vorbei mit seinem Urteilsvermögen.

Bei Hailey musste er sich dazu nichts vormachen. Sie war attraktiv mit ihrem platinblonden Haar, ihren großen blauen Augen, dem scharfen Verstand, dem hübschen Mund, der guten Figur und dem bezaubernden Lächeln.

Hailey hatte seine Vorsätze ins Wanken gebracht. Beim Gedanken daran, wie sie heute Morgen hier hereingestürmt war, grinste er vor sich hin. Sie sah heiß aus, wenn sie wütend war.

Hailey war energisch und entschlossen. Und ihr lag wirklich etwas an den Kindern, mit denen sie arbeitete. Anders als Charlene und Nina lag ihr jedoch nichts an seinem Geld.

Er bezweifelte nicht, dass seine Mutter recht hatte, was Hailey betraf. Sasha konnte den Leuten direkt ins Herz schauen.

Hailey hatte das gewisse Etwas. Sie war ihm vom ersten Augenblick an nicht mehr aus dem Sinn gegangen. Er wollte sie wiedersehen.

Ja, er hätte sie früher anrufen sollen. Aber besser spät als nie.

Kurz nachdem Romans Mutter das Theater verlassen hatte, erhielt Hailey eine Textnachricht von Roman.

Wenn ich anrufe, nimmst du ab?

Ihr Herz machte einen Satz.

Deine Mutter ist eben weggegangen.

Sie wartete ein paar Sekunden und wollte gerade wieder an die Arbeit gehen, als die nächste Nachricht eintraf.

Glaub nichts, was sie dir erzählt hat. Und geh heute Abend mit mir essen.

Du hast mir auch nicht gesagt, dass du einen Sohn hast. Und zwei Ex-Frauen.

Ihr Telefon klingelte. „Ich fasse es nicht, dass ich deinen Anruf entgegengenommen habe.“

„Danke.“ Seine Stimme war männlich und souverän.

Sie neckte ihn: „Da erwarte ich schon etwas mehr als ein Danke.“

„Hailey, es tut mir leid.“ Das klang, als wäre es ihm ernst.

Ihr innerer Widerstand schmolz immer mehr. „Was tut dir leid?“

„Dass ich nicht gleich zugegeben habe, dass ich das Theater gekauft habe und damit Geld verdienen wollte. Und du hast recht. Ich hätte dir auch sagen sollen, dass ich zwei Ex-Frauen und einen Sohn habe. Ich …“

„Was?“

„Ich hatte Angst, das alles würde dich abschrecken.“

Nun war es mit ihrer Abwehr vorbei. „Was mach ich nur mit dir, Roman?“

„Wir sollten darüber reden. Bei einem Abendessen.“

Sie wollte nichts lieber als Ja sagen.

„Hailey, bist du noch da?“

„Ja.“

„Nur ein Abendessen …“

„Hör mir zu, Roman. Ich möchte, dass du aufrichtig zu mir bist. Verschweige mir nichts, weil du denkst, dass es mir nicht gefällt.“

„Einverstanden.“

„Über deine Pläne für das Theater bin ich nicht glücklich.“

„Klar.“

„Geld ist nicht alles, weißt du.“

„Wirklich?“

Dieser Mann … „Nein, das ist es nicht. Und ich werde weiter versuchen, dich von der Erhaltung dieses fantastischen Veranstaltungsorts zu überzeugen.“

„Schon klar.“ Es schien ihm beinahe zu gefallen, dass sie seine Vorstellungen zur Zukunft des Theaters nicht akzeptierte.

„Ich liebe Kinder“, fügte sie hinzu.

„Das glaube ich dir.“ Er sagte das in so weichem Ton, dass sie ein Ziehen im Innern spürte.

„Ich will damit sagen, dass Theo überhaupt kein Problem für mich ist. Und deine beiden Ex … nun, solange sie wirklich Ex sind …“

„Ich bin unverheiratet. Habe keine Freundinnen, keine Dates.“

Dieser Mann machte sie ganz schwach. „In Ordnung“, sagte sie sanft.

„Ausgezeichnet. Abendessen. Heute.“ Nach einer kurzen Pause sagte er: „Du warst bei mir zu Hause. Du kennst meine Mutter. Die Chancen stehen gut, dass ich kein Serienkiller bin.“

„Auch Serienkiller haben Häuser und Mütter.“

„Um sechs.“

Es war wirklich lange her, dass ein Mann sie abgeholt und zu einem schönen Essen eingeladen hatte. „Ich werde fertig sein.“

Roman führte sie in eines ihrer Lieblingsrestaurants. Es lag am Fluss in Astoria. Von jedem Tisch aus hatte man einen herrlichen Blick.

Sie bestellten Drinks und Appetithappen und beobachteten den Sonnenuntergang, dessen Rot und Orange sich im Wasser spiegelte.

„Als meine Schwester Aislinn geheiratet hat, haben wir in diesem Restaurant gefeiert. Irgendwie ist es für mich etwas Besonderes, hierherzukommen.“

Er nahm einen Schluck von seinem Drink. „Also habe ich doch etwas richtig gemacht?“

Sie hob ihr Weinglas. „Auf dich, Roman. Du kannst einen ganz schön wütend machen, aber deine Restaurantwahl ist ausgezeichnet.“

„Bist du mir immer noch böse?“

„Nicht wirklich. Ich bin nun mal so, dass ich meine Meinung freiheraus sage – aber dann schaue ich in die Zukunft.“

Prüfend sah er sie an und fragte: „Hat Doug noch mal Probleme gemacht?“

„Ich vermute mal, dass er sich jetzt von mir fernhält. Er ist harmlos.“

Roman runzelte die Stirn. „Ich fand es lustig, wie du ihn fertiggemacht hast. Aber dann dachte ich, dass er dich belästigt hat.“

„Nein, ehrlich. Aber ich hätte nicht bei dir zu Hause hereinplatzen dürfen.“

„Das darfst du jederzeit.“

„Ich war wütend, und nicht nur wegen des Theaters …“

Er beugte sich näher heran. „Ich hätte anrufen sollen. Ich wollte es auch. Zu sehr.“

„Deshalb hast du nicht angerufen?“

„Meine beiden Ehen waren eine Katastrophe. Ich habe kein gutes Händchen bei der Wahl meiner Frauen.“

Sie lachte. „Also das ist nicht gerade schmeichelhaft für mich.“

„Ich war mir unsicher, das war alles.“

„Und dann bin ich in dein Schlafzimmer gestürzt, als du gerade aus der Dusche kamst, habe dich angeschrien und bin rausgerannt. Das hat dich dann davon überzeugt, dass ich keine so schlechte Wahl bin wie deine Ex?“

Er nahm einen Schluck Wodka. „Ob du es glaubst oder nicht, ja. Und meine Mutter hat dich wirklich gern.“ Er grinste. „Du solltest keinem Mann trauen, der zu sehr an seiner Mutter hängt.“

„Hängst du zu sehr an ihr?“

„Sie geht mir manchmal mächtig auf die Nerven. Aber sie ist absolut zuverlässig, und sie hat fast immer recht. Aber bitte erzähl ihr nicht, dass ich das gesagt habe.“

Hailey dachte, dass sie alles an ihm mochte. Sogar das, was sie an ihm ärgerte, war noch irgendwie attraktiv. Er war resolut, auf charmante Art. Und er sah verführerisch aus. Die Ärmel an seinem grauen Hemd hatte er bis zu den Ellbogen hochgerollt, seine gebräunten Unterarme lagen auf der Tischkante. Seine dichten Haare reichten gerade bis zum Kragen, Haare die Frauen gern berührt und verwuschelt hätten.

Sie konnte nicht fassen, wie sehr sie sich von ihm angezogen fühlte. Es war aufregend. Und irgendwie gefährlich.

„Ich mag alles an dir“, sagte Roman, als hätte er ihre Gedanken gelesen. Ein angenehmer Schauer durchlief sie. „Die Art, wie du dir auf die Oberlippe beißt, wenn du überlegst. Dein Lachen. Deine blauen Augen und deine Entschlossenheit, Shows aufzuführen, in denen jedes Kind aus Valentine Bay mitspielt.“

Damit gab er ihr das richtige Stichwort. „Dabei könntest du mir helfen. Lass deine Hotelpläne fallen und tu etwas Gutes für deine Heimatstadt.“

Sein Blick wechselte von ihren Augen zu ihrem Mund und dann wieder zu den Augen. So intensiv, dass sie es fast als Streicheln empfand. „Ich bin nicht so der Wohltäter-Typ.“

„Roman, du unterschätzt dich.“

„Nein, ich weiß genau, wer ich bin, was ich will und was ich dafür zu tun bereit bin.“

„Du meinst, du bist berechnend?“

„Richtig.“ Er tippte sich mit dem Finger seitlich an die Stirn. „Alles beginnt bei mir hier.“

„Alles?“

Da musste er grinsen. „Okay. Außer Sex. Der ist ein bisschen tiefer angesiedelt.“

Der Kellner kam und räumte die leeren Teller ab.

Hailey überlegte, ob sie Roman weiter wegen des Theaters bedrängen sollte. Doch für diesen Abend beendete sie das Thema lieber. „Ich glaube, deine Mutter will uns verkuppeln.“

Seine Antwort überraschte sie. „Sie sagte, sie mag dich, und gab mir die Erlaubnis, dich zu umwerben.“

„Das ist nicht dein Ernst. Heute hat sie mir erzählt, dass du stur bist und niemand dir die Meinung sagt.“

Er grinste. „Außer dir.“

Sie hob ihr Glas und trank einen Schluck, als der Kellner die Vorspeisen servierte.

Roman hielt die Frau, die ihm gegenübersaß, für beinahe perfekt. Sie war nicht nur schön, intelligent und humorvoll, sie hatte auch ein großes Herz. Dafür bewunderte er sie. Ihm war klargeworden, dass es darauf ankam.

Und sie liebte Kinder. Sicher würde sie gut zu Theo sein, und wahrscheinlich wollte sie mehr Kinder, genau wie er. Sie war eine Frau zum Verlieben.

So etwas machte einen Mann wehrlos. Aber er wollte es zulassen.

Nach dem Essen bestellten sie Kaffee und teilten sich ein Stück Schokoladenkuchen. Er wartete, bis sie ihre Kaffeetasse absetzte, und fragte: „Was hältst du davon, einen Mann mit einem Kleinkind und einer dominanten Mutter, die im Haus wohnt, zu heiraten?“ Er sah, wie ihre Augen groß wurden. „Geht dir das zu schnell?“

Sie aß einen Bissen Schokoladenkuchen. „So etwas Gutes …“ Dann legte sie die Gabel ab und entgegnete mutig: „Ich finde dich viel zu attraktiv.“

Das gefiel ihm. „Ist das ein Ja?“

„Langsam, Roman. Es ist viel zu früh, um übers Heiraten zu sprechen.“

„Ich bin zweiunddreißig und habe einen kleinen Jungen, der eine Mutter braucht. Ich möchte ein gutes Leben mit der richtigen Frau haben. Ich habe schon geglaubt, es würde nichts mehr daraus. Aber jetzt habe ich gemerkt, dass ich mich geirrt habe.“

Sie nahm noch einen Schluck Kaffee. „Deine Direktheit ist verwirrend.“

„Das ist okay. Ich mag es, wenn du nervös bist.“

„Ich bin auch offen.“

„Gut. Sag mir, was ich noch nicht weiß.“

Ein weicher Ausdruck überzog ihr Gesicht. „Ich fühle mich so zu dir hingezogen und …“

Warum zögerte sie? „Sag es.“

Sie lehnte sich zu ihm hinüber und flüsterte: „Ich wäre bereit für eine Affäre mit dir.“

Er war froh, dass die Serviette auf seinem Schoß lag, so sah Hailey die Wölbung seiner Hose nicht. Er unterdrückte sein Verlangen, auf der Stelle mit ihr ins Bett zu gehen. Langsam schüttelte er den Kopf. „Nein. Ich möchte warten.“

Sie lehnte sich zurück. „Hm, worauf?“

„Bis zur Hochzeit.“

Sie musste lachen. „Habe ich Ja gesagt? Ich kann mich nicht erinnern.“

„Ich würde dir die Entscheidung versüßen.“

Auffordernd hob sie die Hände.

„Wenn du mich heiratest, schenke ich dir das Theater zur Hochzeit.“

Sie legte die Hand aufs Herz und rief: „Roman Marek, ich weiß nicht, was ich sagen soll!“

„Das ist nicht alles. Ich würde es nach deinen Vorstellungen umbauen.“

„Ich bin gleichzeitig geschmeichelt und entsetzt. Du hast gerade versucht, mich zu bestechen, damit ich dich heirate.“

„Hailey, ich weiß genau, was ich getan habe.“ Er legte die Hand auf ihre. Als sie sie nicht wegzog, wäre er am liebsten aufgesprungen, hätte sie in die Arme gezogen und hinausgetragen.

„Du solltest das Theater renovieren und es dem Kulturverein als Veranstaltungsort überlassen.“

Er schaute sie amüsiert an. „Das werde ich nicht tun.“

„Mir ist sowieso klar, dass du nur Witze machst.“ Ihre Augen glitzerten.

Er sagte nichts. Er hatte seine Absichten verdeutlicht. Er würde sie heiraten. Und sie würde das Theater bekommen – wenn sie ihn nicht so lange warten ließ, bis er einen Touristenmagneten daraus gemacht hatte.

Sie drückte seine Hand. „Sag, dass du Witze machst, Roman.“ Es klang wie ein Flehen.

Er schüttelte den Kopf. Einen endlosen zauberhaften Moment lang schauten sie einander an.

Bis der Keller an den Tisch kam und fragte, ob sie noch Kaffee wünschten.

„Nein, danke“, sagte Hailey zum Kellner.

Was sie von dem umwerfenden Mann ihr gegenüber halten sollte, war ihr nicht ganz klar. Er war sich in allen Dingen so sicher.

Sie selbst war es gewohnt, fast immer die Führung zu übernehmen, ihre Wünsche zu äußern und ihre Ziele zu verwirklichen. Noch nie war ihr jemand begegnet, der dominanter war als sie selbst.

Mit Nathan war es ganz anders gewesen. Sie hatte ihn umworben, und er hatte sich schließlich ergeben. Allerdings hatte er sie nie zu ihrer Familie begleitet.

Nathan war wie ein gemütliches Feuer in einer kalten Nacht gewesen. Roman war ein Feuerwerk, ein Mann, der es mit der Welt aufnahm und sie sich unterwarf.

Was da zwischen ihnen beiden war, das war aufregend und neu. Aber auch beängstigend. Und gut. Wirklich gut.

Als sie das Restaurant verließen, fuhr er zu dem Haus am Treasure Cove Circle. Auf der Auffahrt hielt er an und schaltete den Motor aus.

Er wandte sich zu ihr hinüber, strich durch ihre Haare und sagte: „Wie Seide.“ Auf einmal wirkte er sehr angespannt.

Sie berührte seine Wange. „Was ist los? Sag es mir.“

Sanft schob er ihre Haare zurück. „Ich möchte dich küssen. Aber das würde damit enden, dass wir Sex haben.“

Sie schaute ihm in die Augen und wusste, sie würde sich darin verlieren. „Also küsst du mich nicht?“

„Nein, solange ich mich beherrschen kann.“ Seine Stimme klang heiser.

„Macht es dir Spaß, dich zu quälen?“ Und mich auch, dachte sie.

Er starrte auf ihren Mund. „Jedes Mal, wenn du sprichst, möchte ich an deinen Lippen knabbern. Sie sind so weich und rosig …“

Sie dachte daran, selbst die Initiative zu ergreifen. Aber eigentlich sollten sie sich noch ein bisschen Zeit lassen.

„Ist deine Mutter zu Hause?“ fragte sie.

„Ja.“

„Ich mag sie. Komm, wir gehen hinein.“

„Nein. Ich habe dich lieber für mich, zumindest heute Abend.“

„Warum sind wir dann hergekommen?“

„Ich dachte, wir könnten am Strand spazieren gehen …“

Über die Holztreppe am Hang stiegen sie zum Strand hinunter. Die Sonne war eben untergegangen. Am Horizont leuchtete ein oranger Streifen über dem dunklen Meer.

Hailey schlüpfte aus ihren Sandalen und ließ sie am Fuß der Treppe zurück.

„Es ist schön hier“, sagte sie. „Wir haben einen Strand hinter dem Haus, aber es ist keine private Bucht wie diese.“

Er nahm ihre Hand. Sie fühlte sich frei, voller Freude, ihr Herz schien in den Abendhimmel zu fliegen.

Hailey liebte ihre Arbeit, obwohl ihr Verdienst kaum zum Leben reichte. Ab und zu gaben Leute ihr dezente Hinweise, sie solle sich einen richtigen Job suchen. Aber H&H Productions war für sie der richtige Job. Sie war glücklich und ausgefüllt, wenn sie ein Projekt plante, um auf gut Glück eine Show aufzuziehen.

Doch als Frau war etwas in ihr mit Nathan gestorben. Sie hatte nicht erwartet, noch einmal etwas für einen anderen Mann zu empfinden.

Aber dann war sie Roman begegnet. In diesem Augenblick war etwas mit ihr geschehen, beim ersten Anblick dieses Mannes mit den ausgeprägten Gesichtszügen.

Vielleicht eine Erkenntnis. Ein Licht in der Dunkelheit, eine leuchtende Flamme.

Langsam, sagte sie sich. Doch wie kann eine Frau sich zurückhalten, wenn sie sich mit allen Fasern nach dem sehnt, was sich zwischen ihr und dem Richtigen ereignen kann?

Er blieb im Sand am Ufer stehen, zog sie so nah an sich, dass sie seine Erregung spürte.

Ihr Herz schlug schneller, ihr Atem ging flach und heftig. Über dem Wasser kreischten Möwen. Der frische, nach Salz schmeckende Wind zerzauste ihr die Haare. Sanft glitt Roman mit seinen Fingern ihren Arm hoch. Schauer durchliefen sie bei seiner Berührung. Er umfasste ihr Gesicht mit seinen großen, warmen Händen.

Sie blickte in diese Augen, die sie in ihren Träumen gesehen hatte. Ihr Denken war ausgeschaltet, ihr Herz klopfte, sie zitterte.

Und endlich spürte sie seinen Mund. Sanfte Lippen, weich, hungrig.

Sehnsüchtig seufzend stellte sie sich auf die Zehenspitzen und legte ihm die Arme um den Nacken.

4. KAPITEL

Roman murmelte ihren Namen, als sein Mund über ihre geöffneten Lippen streifte.

Sie genoss es, als ihre Zungen einander umspielten. Roman hielt sie fest umfangen. Sie spürte seinen muskulösen Oberkörper an ihrer weichen Brust, seine Erregung, während sie immer näher zueinander drängten. Drei Jahre lang war sie nicht mehr mit einem Mann zusammen gewesen.

Leidenschaftlich presste er sie an sich. Alles fühlte sich viel intensiver an – der weiche, kühle Sand zwischen ihren Zehen, der sanfte Wind an ihrem Rücken. Seine Hände, die ihren Rücken streichelten, waren so groß und warm. Sie fühlte sich geborgen und war zugleich erregt.

Als er sie an den Schultern ergriff und sich sanft zurückzog, öffnete sie die Augen und sah ihn erstaunt an.

„Hör nicht auf“, flüsterte sie. Rasch richtete sie sich auf und presste ihren Mund auf seine Lippen. Er erstarrte, und sie glaubte schon, er würde sie von sich stoßen.

Doch mit einem wilden Stöhnen riss er sie in seine starken Arme und küsste sie wie ausgehungert. Sie überließ sich ihm, alles in ihr schrie: Ja.

Es war verwirrend, herrlich, vollkommen.

Und er hatte recht. Sie mussten sich zurückhalten.

Diesmal zogen sie sich beide zurück. Er starrte sie unter schweren Augenlidern hervor an. Seine Lippen waren gerötet von den heißen Küssen. Sie wusste, sie sah ebenso aufgewühlt aus wie er.

Keiner von beiden sagte etwas.

Er griff wieder nach ihrer Hand, und sie gingen weiter zu der Felszunge, die die südliche Grenze seiner Privatbucht bildete. Ohne seine Hand loszulassen, kletterte sie auf einen der Felsen. Er setzte sich auf den Stein daneben.

Sie schauten hinaus aufs Wasser. Die wenigen Wolken hatten sich verzogen, der Himmel war klar. In der Dunkelheit leuchteten Sterne.

Es war kühl. Als sie ein wenig erschauerte, zog er sie auf seinen Felsen. Sie saß nun zwischen seinen Beinen. Er legte die Arme um sie, und sie lehnte sich zurück an seine warme, breite Brust.

„Es ist schön heute Abend“, sagte sie.

Sein Atem strich über ihren Kopf. „Es ist schön, dich in den Armen zu halten – aber du zitterst.“

„Meine Füße sind kalt.“

„Wir sollten zurückgehen.“

Widerstrebend stimmte sie zu.

Gegen zehn kamen sie an dem Häuschen an, in dem sie mit Harper wohnte. Er brachte sie bis zur Treppe. Ohne Zögern wandte sie sich um und bot ihm ihr Gesicht zum Kuss.

Er zwang sich zur Zurückhaltung und gab sie frei, ehe sie dazu bereit war.

„Komm mit rein“, lud sie ihn ein. „Schauen wir mal, wie das ausgeht.“

„Du bist eine zu große Versuchung.“

„Ist das ein Nein?“

Liebevoll ließ er die Hände über ihre Arme gleiten, was ein fast schmerzhaftes Verlangen in ihr weckte. „Deinen Bruder Daniel habe ich immer für einen echten Helden gehalten.“

„Na, toll. Willst du mit mir über meinen großen Bruder sprechen?“

Der Hauch eines Lächelns umspielte seinen Mund. „Ich bewundere Daniel dafür, wie er sich um euch alle gekümmert hat, als eure Eltern so plötzlich gestorben sind. Er war erst achtzehn, glaube ich.“

„Ja.“ Was sollte das?

Er schien es nicht eilig zu haben mit einer Erklärung. „Ich erinnere mich, dass er ein Jahr später Lillie geheiratet hat, seine Highschool-Liebe.“

Hailey nickte. „Lillie war eine wunderbare Ersatzmutter für uns alle. Sie ist leider nach der Geburt ihrer Zwillinge gestorben.“

Stirnrunzelnd sah er sie an. „Das wusste ich nicht.“

„Das war eine harte Zeit für Daniel. Und für uns auch. Wir haben Lillie so sehr gemocht. Sie liebte Kinder, sie war wie eine zweite Mutter. Lillie hat Harper und mir das Nähen beigebracht. Ich hatte nie die Geduld dafür. Aber Harper zaubert aus ein paar Stofffetzen ein Modell für den Laufsteg.“

„Es tut mir leid, dass ihr sie verloren habt …“

„Danke. Die Zwillinge, Jake und Frannie, sind glücklicherweise gesund und gedeihen. Daniel hat vor ein paar Jahren wieder geheiratet. Seine Frau Keely ist Lillies Cousine. Sie ist ein guter Mensch mit einem großen Herz. Sie haben noch eine Tochter bekommen, Marie.“

„Und Daniel ist jetzt glücklich?“

„Sehr.“

Ein abwesendes Lächeln umspielte seinen Mund. „Er und Matt hatten Ärger miteinander. Als ich nach meinem ersten Semester nach Hause gekommen bin, hab ich mit den Kiffern rumgehangen. Matt war dabei …“

Sie wusste, was nun kam. „Lass mich raten, er hat einen dicken Joint geraucht.“

Romans Zähne blitzten. „Ja. Wir haben ihn rumgereicht. Matt hat sich beklagt, dass Daniel euch alle ständig ermahnte, euch auf die Ausbildung zu konzentrieren. Er meckerte, weil Daniel und Lillie darauf bestanden, dass zum Abendessen immer alle zu Hause waren und dass niemand das Sonntagsessen verpasste. Ich war neidisch, weil ich mir das alles wünschte, worauf Matt keinen Wert legte. Eine große Familie an einem Tisch zum Abendessen. Brüder und Schwestern. Ich war immer allein mit meiner Mutter.“

Sie schaute zu ihm auf und fragte sich immer noch, weshalb er seine Erinnerungen jetzt ausbreitete – und wünschte sich, ihn wieder zu küssen. „Du solltest Matt heute mal sehen. Er ist so verliebt in seine Frau Sabra. Sie ist schwanger. Matt ist ganz selig deswegen. Sie haben es uns letzten Sonntag gesagt.“

„Beim Familienessen auf dem Rhinehart Hill?“

„Stimmt.“

„Also esst ihr sonntags immer noch zusammen?“

„Ja. Manchmal schaffen es nicht alle, aber wir versuchen es.“

Er legte seine warme Hand auf ihren Nacken, angenehm besitzergreifend. „Lade mich doch für nächsten Sonntag ein.“

Sie lehnte sich ein wenig zurück, um ihm nicht so gefährlich nahe zu sein. „Hast du deshalb die Erinnerungen wachgerufen? Du wolltest eine Einladung zum Sonntagsessen?“

„Ich möchte deine Familie treffen.“

Sie spöttelte: „Aber du kennst meine Familie doch.“

„Hailey.“ Er zog sie wieder an sich. Sie ließ es zu, legte den Kopf unter sein Kinn, atmete seinen Duft ein, fühlte sich schön und begehrt, nur weil sie in seinen Armen lag. „Wenn ich sage, ich möchte deine Familie treffen, dann meine ich damit, dass ich als dein Verlobter zu euch kommen möchte.“

Ihr Kopf schnellte zurück, sie schaute Roman ins Gesicht und schalt: „Du übertreibst maßlos.“

„Das zählt zu meinem besonderen Charme.“

„Du bist nicht mein Verlobter. Es wäre ein bisschen früh, meine Familie zu treffen.“

Sein Blick hielt sie gefangen. Sie hätte die ganze Nacht in seine Augen schauen können, sie waren verwandte Seelen. „Ich halte es nicht für zu früh“, sagte er. „Überhaupt nicht …“ Langsam senkte er den Kopf zu ihr hinunter.

Sie konnte es nicht erwarten, bis ihre Lippen sich trafen.

Und als sie sich küssten – wow! Der Kuss war noch umwerfender als der letzte.

„Ich hab mich so in dich verliebt“, flüsterte sie, als er sie losließ.

Er lächelte sie vielsagend an. „Dann nimm mich mit zum Sonntagsessen. Bitte“, flüsterte er ihr ins Ohr.

Warum nicht? „In Ordnung.“

„Wunderbar.“

Zwei Minuten später stand sie auf der Treppe und schaute ihm nach, als er davonfuhr. Ihre Lippen kribbelten noch von seinen Küssen.

Als sie ins Haus ging, sah sie Harper auf der Couch im Wohnzimmer sitzen. Sie änderte gerade einen Rock, den sie bei ihrem Bummel gekauft hatten. Dabei schaute sie Stumptown. Als Hailey hereinkam, griff Harper zur Fernbedienung.

„Hey“, sagte Hailey, „du brauchst nicht abzuschalten.“

„Ich schau es mir später an.“ Sie legte die Fernbedienung weg. „Setz dich und erzähl mir alles.“

Hailey ließ sich auf das Sofa fallen, kickte ihre Sandalen von den Füßen und sank in die Kissen. Sie schaute an die weiße Holzdecke. „Es war ein total seltsamer, absolut wundervoller Abend.“

Harper seufzte gedankenvoll. „Das heißt, er war gut.“

„Ich bin nicht sicher. Roman Marek sagt, er will mich heiraten.“

„Der legt ja ein Tempo vor!“

„Ich habe gesagt, ich wäre bereit für eine Affäre – und das war mein Ernst.“ Hailey schaute ihre Schwester an.

Harper erwiderte den Blick. „Du magst ihn.“

„Ja. Aber er will keine Affäre, er will bis zur Hochzeit warten.“

„Er will dich also zappeln lassen, bis du nachgibst und ihn heiratest, nur damit du mit ihm Sex haben kannst?“

Hailey lachte. „Er ist unmöglich, aber ich mag ihn. Er ist so dominant und doch irgendwie verletzlich, weißt du. Und lustig und klug und direkt.“

Harper ließ ihr Nähzeug auf den Schoß sinken. „Du siehst gut aus, Lee-Lee. Glücklich und verliebt. Das erste Mal seit langer Zeit.“

„Ja. Mal sehen, wohin es führt.“

Harper runzelte leicht die Stirn. „Vielleicht solltest du es langsam angehen lassen?“

„Guter Rat, danke. Aber ich habe ihm erlaubt, am Sonntag zu Daniel zum Essen mitzukommen.“

„Schwächling.“ Harper schüttelte den Kopf und nähte weiter.

Hailey war nie ein Schwächling gewesen. Sie übernahm die Regie – im Theater und in ihrem Leben. Sie hatte alles unter Kontrolle.

Doch nun war Roman Marek aufgetaucht.

Am Sonntag stand Roman pünktlich bei Hailey vor der Tür. Er hatte Theo mitgebracht.

„Ba!“, rief der Kleine strahlend, grinste sie an und sabberte.

Roman erklärte: „Ma wollte mit einer früheren Arbeitgeberin essen gehen. Sie hat zu allen ein freundschaftliches Verhältnis. Ich hoffe, es macht dir nichts aus, dass Theo mitkommt.“

Theo streckte ihr den Plastikring hin, auf dem er herumgekaut hatte. „O-ba?“, fragte er, immer noch strahlend.

Hailey nahm den Ring, ohne sich daran zu stören, dass er vollgesabbert war. „Ich freue mich, dass du dabei bist, Theo.“

„Ah-ga.“ Theo streckte die Hand nach dem Ring aus.

„Hier hast du ihn wieder.“ Sie gab ihn zurück. Theo steckte ihn prompt in den Mund.

Roman beobachtete sie. Sein Blick erinnerte sie an die Küsse am Abend zuvor. „Fährt Harper mit uns?“, fragte er.

„Sie musste noch mal zum Theater, deshalb ist sie mit ihrem Wagen gefahren.“

Einen Moment lang standen sie lächelnd da, bis Theo krähte: „Da-da“, und versuchte, Roman von seinem Plastikring abbeißen zu lassen.

Roman schob Theos kleine Hand sanft zur Seite und ging mit Hailey zu einem silbernen SUV. „Wo ist dein Sportwagen?“

Er öffnete die Tür und platzierte Theo in seinem Kindersitz. „Dies ist mein Dad-Auto. Ich benutze es, wenn ich mit Theo irgendwohin fahre.“

„Wie viele Autos hast du denn?“

„Momentan nur drei.“ Er schnallte Theo fest.

Nur drei? Also du kannst dem Kulturverein wirklich das Theater schenken.“

Er begleitete sie zur Beifahrertür. Während er sie weit öffnete, sagte er: „Heirate mich, dann kannst du ihnen das Theater schenken.“

Sie sah ihn nachsichtig an, während sie einstieg. Genoss sie dieses Hochzeitsgerede nicht auch ein bisschen? Sie fühlte sich zu ihm hingezogen, aber vor einer Heirat sollte man verliebt sein, und das brauchte Zeit.

Roman schloss die Tür, ging um das Auto herum und setzte sich hinters Lenkrad. „Keine bissige Erwiderung?“

Sie antwortete betont sanft: „Über etwas so Bedeutsames wie eine Hochzeit mache ich nie bissige Bemerkungen.“ Vom Rücksitz war eine Folge von Silben aus Theos Mund zu hören. „Und Theo unterstützt mich hundertprozentig.“

Falls die Bravos sich wunderten, dass Hailey einen Mann zum Sonntagsessen mitbrachte, ließen sie sich das nicht anmerken. Als sie mit Roman und Theo ankam, waren Connor und Matt mit ihren Frauen schon da. Connor und seine Frau Aly hatten ihr vier Monate altes Baby Emelia dabei. Liam, der Viertälteste der Geschwister, kam einige Minuten später mit seiner Familie.

Nach dem Essen übergab Roman Theo an Hailey. „Ich komme gleich.“

Sie lächelte Theo an und fragte Roman: „Wo gehst du hin?“

„Daniel gibt in seinem Arbeitszimmer einen Scotch aus. Ich bin dazu eingeladen, deine Brüder ebenfalls.“

Wenn Daniel mit Leuten in seinem Arbeitszimmer Scotch trank, wurde gewöhnlich etwas Wichtiges besprochen. „Du musst nicht mitgehen.“

Er sah sie zärtlich an. „Alles gut. Ich komme mit deinen Brüdern klar.“

Vielleicht wollte Daniel ihn darüber ausfragen, wie sie zueinander standen. Das wäre lächerlich. Sie war fünfundzwanzig, weit über das Alter hinaus, in dem die Brüder eines Mädchens überfürsorglich wurden, wenn es in Begleitung eines Mannes auftauchte.

Hailey setzte sich auf die Couch und nahm Theo auf den Schoß. „Na, findest du das gemütlich?“

Theo schaute mit seinen großen braunen Augen zu ihr auf, lächelte sie an und wedelte mit einer kleinen Plastikgiraffe herum. Dabei plapperte er fröhlich vor sich hin und schien seinen Dad nicht im Geringsten zu vermissen.

„Hi, Hailey.“

Liams acht Jahre alte Stieftochter Coco Killigan stand am anderen Ende der Ledercouch. Das kleine Mädchen schleppte ihren Halbbruder Riley, Liams Sohn, auf dem Arm. Hailey winkte sie heran. „Coco, komm und setz dich.“

Coco ließ sich auf das Kissen neben Hailey fallen, Riley plumpste dabei auf ihren Schoß. Sie war ein hübsches Kind mit ihren dunklen Locken und den großen blauen Augen. Sie hatte Rollen in mehreren Sketchen in der Herbst-Revue und ein kurzes Solo im Finale.

„Weißt du, Hailey“, sagte Coco begeistert, „ich glaube, Riley und Theo sind ungefähr gleich alt.“

„Du hast recht. Elf Monate.“

Die beiden kleinen Jungen unterhielten sich schon in ihrer eigenen Sprache. Theo grunzte, Riley krähte und wippte auf dem Schoß seiner Schwester auf und ab.

Coco zuckte zusammen. „Manchmal tut er mir weh. Aber es ist keine Absicht. Er ist ja noch ein Baby.“ Sie beugte sich zu ihm und küsste ihn auf sein dickes Bäckchen.

Auf der anderen Seite des großen Wohnzimmers bauten Daniels drei Kinder etwas mit Duplo-Steinen, Cocos zehnjähriger Bruder Ben gab auf sie Acht. Hailey sagte: „Was hältst du davon, wenn wir mit diesen beiden dort hinübergehen?“

Coco überlegte und sagte dann ernst: „Riley und Theo sind noch zu klein dafür.“

„Ja, aber wir beide passen auf.“

Coco strahlte. „Dann hopst Riley mir nicht mehr dauernd auf den Beinen rum.“

„Genau.“

Sie trugen die beiden Kleinen hinüber, setzten sich auf den Boden und sprachen mit Ben. Währenddessen hielten sie Riley und Theo davon ab, Duplo-Bausteine in den Mund zu nehmen.

Schließlich kam Roman zurück. Er ließ sich neben Hailey nieder. „Wie läuft es bei Euch?“

Sie versuchte den Schauer zu ignorieren, der sie beim Klang seiner tiefen, männlichen Stimme so nah an ihrem Ohr durchlief. „Wir amüsieren uns großartig. Dein Sohn ist ein Schatz.“ Sie lehnte sich näher zu Roman. Ein wundervoller Duft umgab ihn – nach Meeresbrise und frischem Hemd … und nach gutem Scotch. „Was war los in Daniels Arbeitszimmer?“

Roman zuckte mit den Achseln. „Ich hatte einen Drink mit deinen Brüdern, und wir haben über vergangene Zeiten gesprochen. Warum?“

„Weil ich Daniel kenne. Wenn er Scotch ausgibt, wird über ernste Dinge geredet.“

Zärtlich schob er ihr eine Locke hinters Ohr. „Wir haben einander auf den neuesten Stand gebracht. Als wir uns das letzte Mal gesehen haben, waren wir auf der Highschool.“

„Hm.“ Sie kniff die Augen zusammen. „Ich glaube, du verschweigst mir etwas.“

„Belass es dabei.“ Er sah sie intensiv an. Trotz all der Kinder um sie herum stellte sie sich vor, wie er sich noch näher zu ihr lehnte und sie leidenschaftlich küsste.

„Da-Da!“ Theo durchbrach den Zauber, als er einen Plastik-Lkw in ein Duplo-Häuschen rammte. Er schaute auf und erblickte seinen Dad. Sofort streckte er die Ärmchen aus.

Roman stand auf, nahm ihn auf den Arm und setzte sich wieder zu Hailey auf den Boden. „Also fangen wir an zu bauen.“

Riley hatte sich an einem Stuhl hochgezogen und machte ein paar wacklige Schritte. Gleich darauf saß er wieder auf dem Boden. Auf Händen und Knien krabbelte er zu Roman hinüber und drängte sich auf Romans Schoß zu Theo. Der ließ ein glucksendes Lachen hören.

Hailey fand den Anblick rührend. Und sexy. Der Mann war einfach zu sexy. Und sie war nur zu bereit für eine Affäre mit ihm.

Bis vor Kurzem hatte sie kein Verlangen danach verspürt.

Doch nun war Roman aufgetaucht, ein Mann wie aus dem Bilderbuch. Er hatte verlangt, dass sie zuerst heirateten.

Aber das war Spaß. Oder?

Es war nach sieben Uhr abends, als sie das Haus auf dem Rhinehart Hill verließen. Theo schlief ein, sobald Roman ihn im Kindersitz angeschnallt hatte.

Während Roman hinter dem Lenkrad saß, schaute er zu Hailey hinüber. „Komm mit zu mir, nur für ein, zwei Stunden. Ma nimmt Theo. Wir können etwas Zeit für uns haben.“

„Einverstanden“, sagte sie ohne zu zögern.

Sasha saß auf der Couch im Wohnzimmer und schaute einen Film auf dem Großbildschirm, der über dem Kamin hing.

Sie blickte auf, als sie hereinkamen, und lächelte. „Hailey.“ Sasha schaltete den Fernseher aus und stand auf. „Wie geht es dir?“

„Gut, danke. Du hättest den Film ruhig weitergucken können.“

„Ich sehe mir den Rest in meinem Zimmer an, nachdem ich meinen Engel ins Bett gebracht habe.“ Sasha nahm Roman den gähnenden Theo vom Arm. „Ich habe deine Schwester angerufen und den Auftrag bekommen, Malerzubehör zu besorgen.“

„Danke.“

„Ich helfe gern.“ Sasha drückte Theo einen Kuss auf die Wange. „Roman, schenk Hailey ein Glas Wein ein.“

Roman warf ihr einen nachsichtigen Blick zu. „Gute Nacht, Ma.“ Er wartete, bis sie den oberen Stock erreicht hatte, ehe er murmelte: „Erwachsene Männer sollten wahrscheinlich nicht ihre Mütter bei sich einziehen lassen.“

„Das finde ich nicht. Du brauchst jemanden, der dich daran erinnert, dass du kein Alleinherrscher bist.“ Sie ließ ihm kurz Zeit für eine Erwiderung. Zu ihrer Überraschung kam keine. „Außerdem wirkt Theo wie ein zufriedenes Kind. Das ist sicher zumindest teilweise Sashas Verdienst.“

„Stimmt – mehr als teilweise“, gab er zu und führte sie in die Küche.

Sie blieb bei der Kücheninsel stehen und sah sich bewundernd in dem offenen Raum um. Schränke aus dunklem Holz, eine wunderbare Arbeitsplatte aus Granit. Schiebetüren gaben den Weg frei auf eine große Veranda. „Diese Küche ist genauso überwältigend wie das übrige Haus.“

Er musterte sie mit einem liebevollen Blick. „Wein?“

„Ja, danke.“

„Es ist mild draußen und nicht so windig. Wir können auf die Veranda gehen.“ Er drückte auf einen Schalter. Dekoratives Licht erstrahlte am Geländer.

Autor

Christine Rimmer
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